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Sven Becker

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Légendes

Légendes

La Braderie dans la Grand-rue en 1970.

Sven Becker oder: Fotografen im LAUF der Zeit

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Sie sehen...Momentaufnahmen aus einer anderen Zeit?

SB: Andere Zeit, ja ok, aber nicht andere Fotografie. Wenn ich mir die Fotos so anschaue, sehe ich Situationen, die ich auch erlebt habe, oder Orte, an denen ich auch war. Als Fotojournalist hat man den Drang, überall gleichzeitig sein zu wollen. Ein Foto zeigt immer nur einen Ausschnitt, bestenfalls ist es am Ende der, auf den es ankam, aber jeder Fotograf kennt das Gefühl der verpassten Chancen, direkt neben seiner Kamera. Man muss sich extrem schnell für einen Blickwinkel entscheiden. Ich denke, Pol Aschman ging es, wie mir selbst auch, nicht vorrangig um ein ästhetisches Bild, um das perfekte Ablichten wichtiger Persönlichkeiten, sondern um interessante Momentaufnahmen, respektiv um das Einfangen verlorener Momente. Ein Beispiel: Großherzog Jeans Begräbnis. Da habe ich mich nicht in die Menge hinter den Sarg gedrängt, ich stand ganz bequem in einer Telefonzelle mit Blick auf die Kirche und das Volk. Auf die Leute muss ich wie ein seltsamer Vogel gewirkt haben, der Fotograf im Glaskasten hatte bald ihre Neugier geweckt. Und schon war ich, wie Pol Aschman, in einer Situation: da ist dann nämlich immer der Eine, der in die Kamera schaut. Ich habe sofort ‘ne ganze Serie Bilder geschossen. Würde das Experiment gerne andernorts wiederholen, aber Telefonkabinen sind leider vom Aussterben bedroht.

Die Zeit vergeht, aber alle Jahre wieder kommen Braderie, Liichtmëssdag, Nationalfeiertag. Lohnt es sich tatsächlich, das alles wieder und wieder festzuhalten, wie Pol Aschman es getan hat?

SB: Selbstverständlich, alles verdient, gezeigt zu werden. Momente vergehen, verpuffen; Jahrzehnte später erfüllt es einen mit Glück oder Nostalgie, in einer Fotoretrospektive, wie die zum hundertsten Geburtstag von Pol Aschman im Cercle Cité, diese Augenblicke nochmal zu erleben. Oder sie als Tourist zu entdecken. Ich war ein paarmal in der Ausstellung, da wimmelte es nur so von Besuchern. Also für mich besteht ganz klar ein starkes Interesse an dieser Art der Fotografie. Manchmal werden Bilder eben nicht für heute, sondern für übermorgen gemacht.

Zeit ist Geld: früher verlor Pol Aschman vor Ort viel Zeit damit, Blende und Verschlusszeit einzustellen, das Entwickeln der Filme war extrem langwierig und arbeitsaufwendig. Sind Sie, da diese Dinge heute entfallen, ein entspannter, ein reicher, Fotograf und Fotojournalist?

SB: Ich bin, unter anderem, als Pressefotograf bei einer Zeitung tätig, für die decke ich im Schnitt 3 bis 5 Themen pro Tag ab, und zwar von politischen Briefingen bis Bubble-Tea-Shops. Heute war ich das erste Mal in einer Zementfabrik, es war grandios, ich hätte am liebsten ‘ne Woche lang Aufnahmen gemacht, aber das geht dann nicht. Im Digital-Zeitalter macht man viel mehr Fotos als früher -vielleicht zu viele- da ich aber, im Gegensatz zu Pol Aschman, keine Artikel schreibe, kann ich mich auf meine Bilderflut konzentrieren und am Ende des Tages mit dem Redakteur gemeinsam ein passendes Foto aussuchen. Mein Problem sind eher die aktuellen Datenschutzverordnungen. Schnappschüsse von Kindern zwischen Passanten? Das geht nicht mehr. Ich müsste zunächst einmal rausfinden, wer die Eltern sind. Die Kleinen auf Pol Aschmans Bildern sind großartig -spontan, großzügig, ja und sehr neugierig-

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