Bauen & Wohnen

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Themenheft

BAUEN &

Februar 2022 Ausgabe Nr. 30

Wohnen

Herrn Habecks Hickhack

Warum der Minister einen Salto rückwärts bei der Kf W-Förderung hinlegte Politisch

Skeptisch

Utopisch?

Interview mit Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag

Bremsen steigende Zinsen die Wohnungsnachfrage?

Bündnis »Soziales Wohnen« fordert Bauland für 300 Euro



Editorial

Merkwürdiges & Explosives Von politischem Wirrwarr und Handwerkern in Zwickmühlen

E

s ist schon ein merkwürdiger Kompromiss, den die sechs gegen die Baugenehmigung fürs neue SC-Stadion klagenden Anwohner jetzt mit dem Rathaus abgeschlossen haben. Klage eingereicht hatten sie wegen der erwartbaren Lärmbelästigung. Bekommen haben sie nun 100.000 Euro für Spielplätze, ein möglichst schonendes Verkehrsmanagement,

die verbriefte Zusage, dass mindestens 30 Jahre lang auf einem zehn Hektar großen Mooswaldstück nicht gebaut wird und im Stadion oder auf den Freiflächen keine weiteren Großveranstaltungen laufen dürfen. Dafür dürfen die Fußballfans nun auch nach 20 Uhr oder am Sonntag lautstark jubeln, wenn die Hausherren ein Tor schießen.

Noch merkwürdiger aber war, dass der neue Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck am 21. Januar, es war ein Freitag, der KfW gesagt hat, sie müsse am Montag, 24. Januar, die Förderprogramme für „klimafreundliches“ Bauen und Sanieren einfach mal komplett stoppen. Mehr als 20.000 Anträge von Bauwilligen – Häuslebauern wie Bauträgern – waren damit sozusagen in die Weite des Universums entschwunden. Die Branche war geschockt. Ist so etwas in Deutschland möglich? Kann Habeck den Vertrauensverlust wiedergut­ machen? Mehr dazu lesen Sie in unserer Titelgeschichte. Als Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag unlängst auf einen Kaffee vorbeikam, schüttelte auch er nur den Kopf über Habeck. Im Interview sprach er dann über die vielen noch offenen Baustellen beim Stadtteil Dietenbach und im Neubaugebiet Kleineschholz. Über bestimmte Vorgänge hinter den Kulissen sprach er aber lieber nicht. Beim Aushandeln der Vereinbarung mit der Sparkassen-Tochter EMD brauchen die Verhandlungsführer offenbar ein gerüttelt Maß an Leidenstoleranz. Die Baubranche leidet schon länger an der Explosion der Materialpreise und an Lieferzeiten, die nicht mehr in Tagen

oder Wochen, zuweilen gar in Monaten angegeben werden. Es ist mithin keine Überraschung, dass bei der jüngsten Konjunkturumfrage der örtlichen IHK herauskam, dass der Bausektor aktuell die schwächsten Geschäftserwartungen vorweist. Regelrecht in einer Zwickmühle stecken derzeit schon Dutzende Bauunternehmer, die ihren Auftraggebern vor ein oder zwei Jahren Aufträge unterzeichnet haben und nun von seinerzeit unkalkulierbaren Preisen und Lieferengpässen eingekesselt sind. Doch die Gesetze sind eindeutig: Alles liegt in der Risikosphäre des Unternehmers. Baurechtsexperten raten zu einvernehmlichen Lösungen. Denn was nützt dem Bauherren ein insolventer Bauunternehmer? Auch die 30. Ausgabe des Bauen&Wohnen ist klima­ neutral gedruckt. Wir gleichen die Emissionen wieder aus, indem wir ein Meeresschutzprojekt der ClimatePartner fördern. Wir wünschen ebenso informative wie anregende Lektüre.

Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur Anzeige

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Inhalt Politik

Wie der neue Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck eine ganze Branche in Aufruhr versetzte 6-7

Immobilien Über die charmante Idee eines Gebrauchtwaren-Kaufhauses bei der Abfallwirtschaft

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Projektentwickler Erneuerbare Energien

Baurecht

Wie Behörden und Menschen den Bau von neuen Windrädern verhindern

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Holzbau Auf dem Bau läuft die Ökowende an – doch Bauen mit Holz hat seinen Preis

Die Gisinger-Gruppe feiert ihr 70-jähriges Bestehen mit einer großen Spende für den Mundenhof 23

Handwerker in der Zwickmühle: Unkalkulierbare Baupreise und Lieferengpässe gefährden Betriebe

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Makler 10-11

S-Immo schrammt knapp an Fünfjahresrekord vorbei

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Generalunternehmer

Stadtentwicklung Baubürgermeister Martin Haag über die vielen offenen Baustellen bei den Neubaugebieten Dietenbach und Kleineschholz 12-14

Verbände Das Bündnis „Soziales Wohnen“ fordert Bauland für 300 Euro – sonst hätten soziale und bezahlbare Wohnungen keine Chance 16-17

Die Krux mit den Slogans „termingerecht“ und „zum Festpreis“ 22

Baufinanzierungen Interview mit GFA-Experte Edwin Muttach

Gewerbeflächen Die fwi lanciert mit Komtur Pharmaceuticals die zweite Ansiedlung auf dem ehemaligen Cerdia-Areal

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IMPRESSUM Bauen & Wohnen

Themenheft 02-2022 Das Bauen & Wohnen-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 | 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 | fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de

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Redaktion: Pascal Lienhard, Liliane Herzberg

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Genossenschaften Der Bauverein Breisgau hat 2021 rund 100 neue Wohnungen übergeben 32

Einrichter Streit Service & Solutions wächst und expandiert

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Technik Rohstoff Regenwasser: Lieber speichern als versickern lassen

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Kommentar Bohei in Betzenhausen

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Ein Unternehmen der

Autoren: Christian Engel, Klaus W. König Titel: © freepik.com, Collage: Sven Weis Fotos: freepik, iStock Grafik: Sven Weis (kombinat79) Lektorat: Beate Vogt

Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Anzeigen: Christoph Winter (Leitung), Giuliano Siegel, Jennifer Patrias, Fredrik Frisch

Chefredaktion: Lars Bargmann

Druck: Hofmann Druck, Emmendingen

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Peter Unmüßig über die „Bananenrepublik“ Deutschland und hochgedämmte Häuser, die die Mieten treiben

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Titel

Foto: © Urban Zintel

Baustelle KfW-Förderung: Robert Habecks schlechter Start beim Klimaschutz.

Habecks Hickhack

Klimaschutzminister legt Salto rückwärts bei KfW-Förderung hin

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Foto: © bar

st das die Handschrift des neuen Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz? Mit einem Federstrich hat Robert Habeck (Grüne) die staatseigene KfW am Abend des 21. Januar angewiesen, mit einer Vollbremsung das Zuschussportal für klimafreundlichere Gebäude von jetzt auf gleich lahmzulegen. Auf null. Kein Cent mehr für die, die noch keines bewilligt bekommen hatten. Ein Sturm der Entrüstung zog übers Land. Acht Tage später legte Habeck einen Salto rückwärts hin: Alle bis zum 24. Januar eingereichten Anträge, es sind etwa 24.000, würden doch bearbeitet und auch das Geld, mit dem die Antragsteller – vom kleinen Häuslebauer bis zum großen Bauträger – gerechnet hatten, soll ausgezahlt werden. Tausende atmeten auf. Diejenigen aber, die das offizielle Datum 31. Januar als Deadline für bare Münze genommen hatten und einfach noch nicht fertig waren mit den Anträgen, sind weiter blass im Gesicht. Angst und Panik sind auf den Finanzmärkten keine guten Ratgeber. Auf politischer Ebene sind sie wie Bohnerwachs auf dem Parkettboden des Vertrauens. Es sei „kein politisches Glanzstück“ ge6 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

wesen, räumte Habeck am 1. Februar öffentlich ein. Ein Euphemismus. Für den Freiburger Baubürgermeister Martin Haag war das Hickhack „handwerklich politisch ganz schlecht“. Auch wenn er Verständnis dafür habe, dass die aktuellen Förder-Parameter zur Debatte stehen. „Viel Vertrauen verspielt“, kommentierte Freiburgs Handwerkskammerpräsident Johannes Ullrich: „Das gerade eine Bundesregierung, die diese Energiewende voranbringen will, eine solche Entscheidung getroffen hat, ist mehr als befremdlich.“ Bei mehreren Freiburger Bauträgern gab es am Montagabend spontane Krisensitzungen. Alexander Simon, Geschäftsführer der Vereinigung Freiburger Wohnungsund Gewerbeunternehmen, sagte am 25. Januar: „Das ist für viele Bauwillige eine Katastrophe.“ Der Verwaltungsrechtler hält das Vorgehen auch juristisch für „bedenklich“. Das scheint auch in Berlin ein Antrieb für den Salto rückwärts gewesen zu sein. Zwischen Hü (24.1.) und Hott (1.2.) machte der SPIEGEL mit dem Thema auf und fand wohl heraus, dass sich Olaf Scholz (damals SPD-Finanzminister) und Peter Altmaier (damals CDU-Wirtschaftsminister) schon vor der Bundestagswahl im vergangenen September

darauf verständigt hatten, das KfW55-Förderprogramm zu stoppen. Allerdings haben sie sich danach den Mantel des Schweigens angezogen. Öffentlich wurde der Stopp erst nach der Wahl, im November. Letzte Einfahrt 31. Januar, hieß es damals. Und zwar nur für die KfW-55-Anträge. Gesperrt wurden in der Nacht-und-Nebel-Aktion übers vierte Januarwochenende aber auch die KfW40- und die Sanierungsförderungen. „Die enorme Antragsflut im Januar insbesondere für Anträge für die EH55 Neubauförderung hat die bereitgestellten Mittel (fünf Milliarden Euro, d. Red.) deutlich überstiegen. Angesichts der vorläufigen Haushaltsführung musste die KfW das Programm daher heute mit sofortiger Wirkung stoppen“, war am Morgen des 24. Januar auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums zu lesen. „Es gibt hier Vertrauenstatbestände, viele Menschen haben die größte Investitionsentscheidung ihres Lebens getroffen“, kritisierte Haag. Es konnte auch wirklich niemand damit rechnen, dass es zu einer Antragsflut kommen würde, wenn die KfW ankündigt, die üppige 55er Förderung einzustellen. Genauso wenig wäre damit zu rechnen, dass es einen überfallartigen Ansturm auf Tickets gäbe, wenn der SC


Titel

zu Hause gegen Manchester City oder Real Madrid spielen würde. „KfW – Bank aus Verantwortung“, lautet der Werbeslogan. Allenfalls Berufszyniker mochten noch Gefallen daran finden. Schon 2020 waren die KfW-Förderungen für Privatkunden, die energieeffizient bauen oder sanieren wollen, von 11,2 (2019) auf 26,8 Milliarden Euro nach oben katapultiert. In den ersten drei Quartalen 2021 waren es 19,5 Milliarden. Derzeit sind knapp 24.000 Anträge noch offen: 20.200 für KfW-55-Gebäude, 3000 für KfW-40 und 700 Sanierungsvorhaben. Laut KfW waren allein seit November Anträge über 20 Milliarden Euro Fördervolumen eingegangen. Viele Experten sind sich indes einig, dass die 55er-Förderung schon länger verfehlt war. „Da gab es einen Haufen Geld für nichts“, sagt etwa Johannes Müller, Partner beim Energieexperten-Büro Stahl+Weiß in Freiburg. Der 55er-Standard hat sich auf dem Markt längst durchgesetzt. Im Prinzip sponserte der kleine Steuerzahler die Erlöse von großen Unternehmen. Einen großen Schluck aus der Förderpulle konnten Investoren nehmen, die Studierenden-Wohnheime mit mehreren hundert Apartments gebaut haben. Mit den KfW-Programmen seien auch Luxusapartments und Penthäuser gefördert worden, „mit unserem sauer verdienten Steuergeld“, sagte Habeck am 2. Februar im ARD-Morgenmagazin. Insofern steht immerhin die Erklärung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass „eine massive klimapolitische und fiskalische Fehlsteuerung der letzten Jahre“ den Stopp verursacht habe, auf festem Fundament. Bauherren, die sowohl 55er- als auch 40er-Gebäude schon gebaut und im Bestand haben, berichten hinter vorgehaltener Hand, dass sich diese beiden beim tatsächlichen Wärmeverbrauch kaum messbar unterscheiden. Wie Nachrichtenagenturen hängt auch der SPIEGEL noch dem Glauben an, dass die Bewohner keinen Einfluss auf den Verbrauch haben, denn sie berichten, dass diese Häuser nur 55 oder 40 Prozent der Energie eines Standardhauses benötigen würden. Es ist indes keine gewagte These, dass kein einziges KfW-55er-Haus mit 55 Prozent des Primärenergiebedarfs auskommt. Wie viel Wärme ein Gebäude benötigt, entscheiden die, die drin wohnen. Die mit offenem Fenster schlafen, am offenen Fenster rauchen, beim Kochen oder nach dem Essen lüften, lieber lange und heiß als kurz und knackig duschen. Die Förderprogramme heizten jahrelang eine regelrechte Dämmorgie an. Immer dichtere Häuser, die 24/7 zwangsbelüftet werden müssen – was nebenbei auch Strom kostet. Zudem verringern die dicken Dämmpakete bei KfW-40-Häusern oft die Wohnfläche, weil die Baufenster mit der Dämmung nicht mitwachsen. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung mache das schnell mal 1,5 Quadratmeter aus, rechnet der Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig vor. Die Gebäudeförderung soll nun, so heißt es in einer Pressemitteilung der Regierung, „hinsichtlich ihres Klimaschutzbeitrags geprüft und weiterentwickelt“ werden. Es gehe darum, eine klimapolitisch, ganzheitlich orientierte Förderung für

neue Gebäude aufzusetzen. Mit Blick auf eine hohe Förder­ effizienz, mithin einer möglichst hohe CO2-Einsparung, werde ein zentraler Fokus künftig auf der Bestandssanierung liegen. Darüber hinaus diskutiere das politische Berlin ein neues Programm für Neubauten, welches Bauen mit nachhaltigen Baustoffen und die Lebenszyklus-Treibhausgas-Emissionen pro Quadratmeter Wohnfläche ins Zentrum stellt. Viel Zeit bleibt nicht. Die Bundesregierung müsse „schnellstmöglich ein verlässliches Nachfolgeprogramm auf die Beine stellen“, fordert nicht nur HWK-Vizepräsident Christof Burger. Die Länder NRW, Bayern und Brandenburg haben „sehr kurzfristig“ eine Sonder-Bauministerkonferenz mit dem Bund gefordert. Das „Hickhack“ müsse sofort beendet werden, so NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach. Der Förderstopp bedrohe Bauvorhaben im ganzen Land, verunsichere Eigentümer und sorge letztlich auch für Mietsteigerungen. Die Entscheidung der Bundesregierung „torpediert die Bezahlbarkeit des Wohnens, die Maßnahmen beim öffentlichen Wohnungsraum und den frei finanzierten Wohnungsraum in der gesamten Bundesrepublik Deutschland“, heißt es in dem Schreiben. Auch Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, schlug Alarm: Der Förderstopp lege „nach wenigen Wochen Regierungsarbeit die Axt an das ohnehin ambitionierte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr und das Erreichen der Klimaziele im GeLars Bargmann bäudebestand“. Anzeige

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Erneuerbare Energien

Groteskes von den Höhenzügen

Windkraftmacher Andreas Markowsky veröffentlicht mit »Klimaschänder« erstmals ein Buch

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Foto: © Tanja Senn

iel heiße Luft statt frischer Wind: Das Jahr 2021 war in Deutschland beim Ausbau der Wind­ energie das schlechteste seit der Jahrtausendwende. Bundesweit gingen 460 neue Windräder ans Netz. In Baden-Württemberg waren es 28. Die grünschwarze Landesregierung hat im Koalitionsvertrag das Ziel von 1000 neuen Windrädern bis 2026 ausgegeben. Zyniker mögen sich fragen: Wie weit darf Satire gehen? Andreas Markowsky, seit 35 Jahren Geschäftsführer der Freiburger Ökostromgruppe und überzeugter Windkraftmacher, hat jetzt ein Büchlein über die Verhinderer in den Amtsstuben geschrieben. Es heißt „Klimaschänder“. Der renommierte Umweltexperte Dieter Seifried beginnt seine Einleitung so: „So unglaublich die folgenden Geschichten sind – so wahr sind sie.“ 1000 neue Windräder bis 2026. Als die Grünen im Ländle – pardon, The Länd – 2012 die Macht übernommen hatten, hatten sie zusammen mit der SPD das Ziel von 1200 neuen Windrädern ausgegeben. Bis 2020. Den vollmundigen Worten folgten kaum Taten. Nicht nur, aber auch deswegen, weil bei der Genehmigung von neuen Anlagen Behörden viel zu oft Beton anrühren. Ein Beispiel: Der Bau von einem Windrad auf dem SchönbergGipfel scheiterte vor 20 Jahren unter anderem an einer „optischen Konkurrenz zu einem Kulturdenkmal“, wie M ­ arkowsky zitiert. Nein, damit war nicht die Burgruine Schneeburg gemeint, sondern eine „ehedem befestigte Höhensiedlung der Hallstatt-Kultur“ – zwei Meter unter dem Bergrücken. Wohl keine Mauern mehr, eher Scherben. Die Augen möchte man haben, die diese optische Konkurrenz ertragen müssen. In einem der Redaktion vorliegenden sechsseitigen Schreiben des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 10. Februar 2010 heißt es nicht nur, dass der SWR-Sendemast auf dem Gipfel eine „marginale Vorbelastung“ sei, die nicht

zugunsten der Windkraft gewertet werden könne, es heißt dort auch, dass die „Horizontallinie des Schönbergs in verschiedene Richtungen … negativ verändert“ werden würde. Das ist so. Ähnlich verhält es sich ja beim Aufstellen einer Holzhütte in einem Kleingarten. Trittschall durch Windrad-Touristen, die Mikroorganismen im Waldboden stören, Fledermäuse im Grundbuch, Infra­schallphobie, Schreck für Wanderer – die kuriose Liste der Einwände von Windkraftgegnern in Bürgerschaft und Amtsstuben ist lang. Mit rechtsstaatlichem Grundvertrauen ganz schwer zu verdauen ist die Geschichte eines vermeintlichen Auerwild-Kotfundes am Gütschkopf im Ortenaukreis. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BadenWürttemberg (FVA) mit Sitz in Freiburg teilte der Ökostromgruppe im Juni 2016 – kurz vor der Baugenehmigung – mit, dass bei einer Fahrt mit Mitarbeitern von Regierungspräsidium und FVA am Rande eines Parkplatzes Kot gefunden, gesichert und gentechnisch untersucht werde. Im April 2017 schrieb die FVA einem Anwalt der Ökostromgruppe dann, dass der Kot nicht ausgehändigt werden könne, weil er im Juni 2016 gar nicht mitgenommen worden wäre. Trotzdem wurde die Windkraftanlage mangels Genehmigung nie gebaut. Aktuell drehen sich im Länd 780 Windräder (in Niedersachsen sind es 6500). Wenn das Ziel der Bundesregierung, dass bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien fließen soll – heute sind es etwa 50 – sich nicht wieder nur als heiße Luft entpuppen soll, müsste sich in den Köpfen grundlegend was tun: in genehmigenden Behörden, aber auch bei den Bürgern. Lars Bargmann

Andreas Markowsky | Klimaschänder – Gewinner von gestern, Loser von morgen | Verlag: Selbstverlag/Nova MD | 72 Seiten Preis: 10 Euro | www.klimaschaender.de

Energiewende in Freiamt: Auf der Gemarkung stehen sechs Windräder, die jedes Jahr den Ausstoß von 20.000 Tonnen CO2 verringern. Und der schönen Landschaft auch nicht viel anhaben können. 8 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022


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Holzbau

Buggi 52: Das achtgeschossige Gebäude aus der Feder von Weissenrieder Architekten wurde an der Bugginger Straße von Holzbau Bruno Kaiser ab dem 1. Obergeschoss komplett in Holzbauweise gebaut.

Mit Holz auch hohe Hütten Die Ökowende auf dem Bau läuft an

Fotos: © Weissenrieder Architekten BDA

I

n Freiburg wurde vor acht Jahren die Zukunft eingeweiht. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband zog in seine neue Zentrale ein, in vier Stockwerke aus Holz. Außen Fichte, innen Weißtanne – alles aus der Region. Rund um Freiburg, im Schwarzwald, war Holz jahrhundertelang der Baustoff gewesen – heute dominieren in Städten und selbst Dörfern meist Betonbauten. Deswegen wirkt das „Haus der Bauern“ fast schon wie eine Trutzburg. Als würde es seinen umliegenden Beton-Brüdern mitteilen: Seht mich an, es geht auch ökologischer. Es geht doch auch mit Holz!

Der Weltklimarat rechnet aus, dass jährlich drei Milliarden Tonnen CO2 auf die Produktion von Zement zurückgehen. Das sind rund zehn Prozent der von Menschen ausgestoßenen Treibhausgase. Da davon auszugehen ist, dass die Bevölkerung weiter wächst 10 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

und diese weiterhin in Häusern leben will, werden auch künftig viele Häuser gebaut werden (müssen). Wenn es nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) geht, vermehrt mit: Holz. „Bäume entziehen unserer Atmosphäre CO2 und wandeln es in Sauerstoff zum Atmen und in Kohlenstoff im Baumstamm um, den wir nutzen können“, schreibt Hans Joachim Schelln­ huber, emeritierter Direktor des PIK. „Wenn wir das Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen.“ Stefan Krötsch, Professor für Baukonstruktion an der Hochschule Konstanz (HTWG), lobt neben der positiven Klimabilanz auch das „Substitutionspotential“ von Holz: „Es kann sehr viele – fast alle – Baustoffe ersetzen, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen – Beton, Stahl, Ziegel.“ Au-

ßerdem habe Holz kein Abfallproblem. „Während Bauschutt 60 Prozent unseres Abfalls ausmacht, teilweise hochgiftig ist, ist Holz nach Ablauf seines Einsatzes immer noch ein CO2-neutraler Brennstoff oder verrottet ohne schädliche Rückstände.“ Der Freiburger Projektentwickler Willi Sutter sagt: „Eine ökologische Wende in der Baubranche gelingt nur, wenn ein großer Teil der Häuser künftig in Holz gebaut wird.“ Natürlich hat der Projektentwickler auch ein großes Interesse daran, dass ordentlich mit Holz gebaut wird, schließlich planen und entwerfen (und verdienen ihr Geld damit) er und seine Mitarbeiter vom Freiburger Planungsbüro Sutter3 genau das: Holzhäuser. Eines seiner bekanntesten Werke der jüngeren Vergangenheit: das Buggi 52. Das achtstöckige Hochhaus im Freiburger Stadtteil Weingarten ist ein geeignetes Beispiel dafür, wie sich der Holzbau in den vergangenen Jahren


Kommentar

entwickelt hat – und wohin es noch gehen kann. Denn plötzlich schießen Holzhäuser auch in die Höhe. Um einmal über den Tellerrand zu blicken: In Wien haben sie das „Hoho“ errichtet, ein Holzhaus mit 84 Metern Höhe. In Berlin-Kreuzberg ist ein noch höheres geplant – mit 29 Geschossen. In München ist der Prinz-Eugen-Park entstanden, eine ökologische Siedlung mit 600 Wohneinheiten in Holzbauweise, die jüngst den Deutschen Holzbaupreis 2021 abgesahnt hat. Zurück zum Buggi 52 in Freiburg. Die Bruno Kaiser GmbH aus Bernau war für den kompletten Holzbau des Gebäudes zuständig – und hat es nahezu vollständig in der eigenen Fabrikhalle entworfen. Mit Hilfe von riesigen CNC-Anlagen – dem Thermomix der Holzbaubranche – haben Mitarbeiter das Haus maßgeschneidert. Die Maschine sägt auf Anweisung von Computerprogrammen die Holzbalken zurecht, bastelt sie zu Holzrahmen zusammen, beplankt die eine Seite, baut die Elektronikanschlüsse und -kabel ein, füllt die Innenräume mit Dämmmaterial, beplankt die andere Seite, dekoriert die Wände mit Fenstern und Jalousien. Diese Vorleistungen in der Fabrikhalle helfen, den Aufbau auf der Baustelle zu verkürzen. Gerade mal eine Woche, sagt Geschäftsführer Herbert Duttlinger, habe man für ein Stockwerk gebraucht. Nach knapp acht Wochen ragte das Buggi 52 – in dem selbst der Aufzugsschacht und das Treppenhaus aus Holz sind – 25 Meter in die Höhe, im Oktober zogen die 30 Mieter ein. Kurze Lieferwege, Bau mit heimischen Materialien, die CO2 einspeichern, Gebäude, die komplett FSCE-zertifiziert sind: So stellt sich Sutter die Zukunft der Baubranche vor. Aber ist dafür überhaupt genügend Material da? Schließlich brauchen Wälder ja auch das ein oder andere Jahr, um erst mal nachzuwachsen – einen Kahlschlag wegen ein paar Häuserchen möchte niemand. Stefan Krötsch von der HTWG Konstanz rechnet vor: Circa ein Drittel Deutschlands ist bewaldet, EU-weit hat man den größten Holzvorrat – 3,7 Milliarden Kubikmeter. Von rund 80 Millionen Kubikmetern Holz, die in den hiesigen Wäldern jährlich heranwachsen, werden 70 geerntet, der Rest vermehrt den Holzvorrat. Unterm Strich: „Mit weniger als der Hälfte dieser Jahresholzernte könnten sämtliche Neubauvorhaben Deutschlands in Holz errichtet werden. Wir haben also genug Holz für Holzbauten.“ Die Zukunft scheint eingeläutet – immer mehr setzt die Baubranche auf Holz. Das Handelsblatt bezeichnete den Baustoff Holz jüngst als „Material der Stunde“. Sascha Gehring und Heiko Dietzenbach haben das im vergangenen Jahr erkannt – und in Windeseile eine Firma aufgebaut: die Holzhausfabrik in Breisach. Künftig möchte das Unternehmen seinen Kunden individuelle Fertighäuser aus Holz maßschneidern und errichten. Bisher hat die Holzhausfabrik noch kein einziges Holzgebäude gebaut. „Die Auftragsbücher“, sagt Sascha Gehring, „sind für dieses Jahr aber schon voll.“

Christian Engel

Das Kreuz mit dem Holz Das Freiburger Rathaus will in diesem Jahr zum ersten Mal einen Holzbaupreis vergeben. Bauen mit Holz ist landauf, landab und auch im Gemeinderat ein astreines Thema. Es scheint so, als gäbe es nur die schöne Seite der Medaille. Wer aber mit Bauherren oder Baudamen spricht, die gerade an Holzbauten arbeiten, blickt in viele genervte Gesichter. Und die Stadtverwaltung selber ist es, die gerade still und leise ein großes Holzprojekt aufgegeben hat. Die Preise für Bauholz haben sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Und sie steigen weiter, wie der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, unlängst dem SPIEGEL erzählt hat. Damit liegt der nachwachsende Rohstoff an der Spitze der enormen Preistreiberei bei den Baustoffen. Stahl (plus 70 Prozent), Dämmstoffe (+ 40) machen den Aufstieg auf Rekordhöhen kräftig mit. Holz ist im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten auch viel schwerer zu bekommen, die Lieferfristen sind ellenlang. Wer bezahlbare Mieten will, darf in diesen Zeiten seinen Finger beim Holzbau eigentlich gar nicht heben. Denn Bauen mit Holz ist teuer, und hohe Baukosten bringen hohe Mieten mit sich. Das hat die Stadtverwaltung unlängst am eigenen Leibe gespürt. Sie hatte sich beim geplanten zweiten Rathaus im Stühlinger Geschossdecken aus Holz anbieten lassen. Diesen Plan aber nach Sichtung der Zahlen schnell wieder in die – vermutlich aus Pressspan gefertigte – Schublade gelegt. Das bestätigt ein Rathaussprecher auf Anfrage: „Die Grundrissgeometrie des Gebäudes wäre für einen Holzbau mit großem seriellen Vorfertigungsrad schwierig, sie würde den Herstellungspreis im siebenstelligen Bereich verteuern.“ Anders ausgedrückt: Mit dem guten alten Stahlbeton sind Millionen Euro Steuergelder zu sparen. Baubürgermeister Martin Haag erzählt in der Redaktion, dass eine runde Form mit Holz „schwieriger darzustellen“ ist. Wenn man mit Holz bauen wolle, müsse man das gleich im Entwurfsstadium optimieren. Übrigens: Wer etwa wie beim schon namentlich durchaus prädestinierten Neubaugebiet Kleineschholz glaubt, dass 550 Wohnungen in Holzbauweise erstellt werden könnten, sollte erst einmal das Potenzial in der Region erkunden. Gibt es überhaupt genug Holz? Gibt es ausreichend Kapazitäten bei den Sägen? Gibt es genug Baufirmen, Zimmermannsbetriebe, Brandschutzsachverständige oder Statiker, nicht zuletzt auch genug Fachkompetenz in den Baurechtsbehörden, die das Knowhow haben, Holzhäuser zu genehmigen und zu realisieren? Natürlich kann Freiburg einen Holzbaupreis vergeben, um für den Werkstoff zu werben. Bauen mit Holz hat aber auch ohne seinen Preis. Lars Bargmann chilli | bauen & wohnen | 02.2022 | 11


Stadtentwicklung

»Wir haben noch einige Baustellen« Baubürgermeister Martin Haag über Dietenbach und Kleineschholz

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Foto: © bar

as Freiburger Rathaus plant weiter am größten Städtebauprojekt in Deutschland, dem Dietenbach. Und will erstmals in der Geschichte der Stadt mit Kleineschholz ein ganzes Neubaugebiet nur von gemeinwohlorientierten Unternehmen bauen lassen. Im Gespräch mit chilli-Chefredakteur Lars Bargmann spricht Baubürgermeister Martin Haag über Kritiker, Erbbaurechte und darüber, worüber er nicht sprechen möchte. B&W: Der neue Stadtteil Dietenbach soll neben vielen anderen Eigenschaften auch „klimaneutral“ sein. Gegen das zentrale Energiekonzept gab es indes vielstimmige Kritik, durchaus aus berufenem Munde. Die Wärmekonzession ist dennoch auf Basis der Studie des Büros EGS-plan ausgeschrieben worden. Warum? Haag: Für uns hat das eine hohe Bedeutung, das Konzept ist die Grundvoraus12 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

setzung für einen klimaneutralen Stadtteil. Wir nehmen das sehr ernst und nehmen für uns in Anspruch, das beste Konzept gefunden zu haben. Die von den Kritikern angeführten Lösungen sind in dem Maßstab des neuen Stadtteils eine große Herausforderung, und es ist auch nicht klar, wo sie hinführen würden. Übrigens ist ja auch zu erwähnen, dass sich etwa das Freiburger Ökoinstitut oder das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme den Kritikern nicht angeschlossen haben. B&W: Der Gemeinderat hat die Verwaltung aufgefordert, zu prüfen, ob sich anstelle der – wegfallenden – KfW-55Förderung der ambitionierte Kf W40-Standard in der Ausschreibung vorgeben lasse. Das Rathaus hat das zunächst abgelehnt … Haag: KfW-40 soll laut Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ab 2025 ohnehin genereller Standard werden. Dann gehen wir da mit. Alles andere wäre nicht mehr zeitgemäß.

B&W: Fünf Prozent der Fläche soll vom zentralen Wärmeversorgungskonzept „unbelastet“ bleiben, um welche Flächen geht es? Haag: Fünf Prozent sind eine Menge Holz, da reden wir dann von 350 Wohnungen. Dort könnte im Wege von Konzeptvergaben etwas noch Innovativeres entstehen. Allerdings müssen die Bewerber dann aufzeigen, wie sie noch besser als wir mit unserem Energiekonzept sein wollen. Und da sind wir gespannt. B&W: Werden die fünf Prozent anteilig durch die sechs Bauabschnitte er­möglicht? Haag: Das ist noch nicht entschieden, im 1. Bauabschnitt werden wir das aber nicht machen. Wir werden dem Gemeinderat für die folgenden Bauabschnitte 2 bis 4 mehrere Baublöcke vorschlagen, in denen keine Pflicht besteht, sich ans Wärmenetz anzuschließen. B&W: Der Gemeinderat will noch eine Zweitmeinung für den Wasserstoff-Elektrolyseur. Wie ist der Stand der Dinge?


Stadtentwicklung

Haag: In der jetzigen Ausschreibung haben wir das Thema rausgenommen, den Elektrolyseur brauchen wir jetzt rechnerisch für den klimaneutralen Stadtteil noch nicht. Wir schreiben bisher nur die ersten vier Bauabschnitte aus. Wir müssen auch die Frage klären, ob eine solche Anlage im Stadtteil stehen muss oder nicht auch ganz woanders. B&W: Sie haben unserer Redaktion mal (2018) gesagt, sie halten 50 Prozent nur für sozialen Mietwohnungsbau „für keine gute Entscheidung“. Zu günstigem Wohnungsbau zählten auch preisgebundener Mietraum und auch geförderte Eigentumswohnungen. Was sagen Sie heute? Haag: Wir hatten danach einen Bürger­ entscheid, daran müssen wir uns auch messen lassen und machen das auch. Außerdem haben sich seit 2018 die Förderbedingungen des Landes maßgeblich geändert. Wir erreichen jetzt auch Menschen, die vorher noch keinen Anspruch auf preisgebundenen Wohnraum hatten. Geförderter Miet­wohnungs­bau ist aber nicht alles. Die Welt ist sehr bunt, wir brauchen auch generationenübergreifendes Wohnen und wir müssen mehr Möglichkeiten bieten, auch Eigentum zu erwerben. B&W: Wenn viel geförderter Wohnungsbau gemacht wird und der allenfalls eine schwarze Null in die Bilanz des Investors bringt, wird auf der an-

deren Seite das E ­ igentum noch teurer, als es sein müsste ... Haag: Da haben wir sicher noch ein paar Baustellen. Wir reden aktuell mit Bauträgern und wollen von ihnen wissen, wie die das sehen. Kosten könnten zum Beispiel über den Verzicht von teuren Tiefgaragen minimiert werden. Darüber hinaus führen wir weitere Gespräche mit dem Land, um noch bessere Förderungen im Mietwohnungsbau zu erreichen. Wenn der Bund jährlich 400.000 neue Mietwohnungen als Ziel ausgibt, dann muss von Bund und Land auch noch mehr Förderung kommen. Der soziale Mietwohnungsbau muss wirtschaftlich darstellbar sein. B&W: Die Freien Wähler wollen wissen, wie sich das vom Gemeinderat beschlossene Verbot von städtischen Grundstücksverkäufen auf die Finanzierung des 850 Millionen Euro teuren Stadtteils auswirkt. Im Rathaus ist das offenbar unklar. Ist es nicht klar, dass es sich massiv negativ auswirkt? Haag: Die einen, die bauen wollen, kritisieren das Erbbaukonzept, die wollen kaufen, weil es günstiger ist. Einige Fraktionen sagen, wenn wir verkaufen, ist das für die Stadt günstiger. Eines kann nur stimmen. B&W: Was stimmt? Haag: Auf lange Sicht es für die Kommune immer günstiger, Erbbau

zu machen. Das machen Kirchen und Stiftungen ja auch so. B&W: Es sollten, so stand es mal in einer städtischen Kalkulation, 750 Millionen Euro durch Grundstücksverkäufe erlöst werden. Haag: Die Stadt hat 42 Prozent der Flächen. Also reden wir von 315 Millionen. Richtig ist, dass wir ein Liquiditätsproblem lösen müssen, und zwar haushaltskonform. Wie überbrücken wir das Problem? Die Antwort hat auch was mit der Verschuldung der Stadt zu tun. Das ist sicher nicht trivial, aber ich gebe da heute auch noch nicht auf. Zumal Erbbau auch ein Garant dafür ist, dass wir dauerhaft günstiges Wohnen gewährleisten können. Erbbau ist die Antwort auf Bodenpreisspekulationen. B&W: Aber die Mieter und Käufer, die ja möglichst günstige Wohnkosten haben sollen, bezahlen den Grundstücksanteil für ihre Wohnungen über die Laufzeit der Erbpacht zwei oder drei Mal ... Haag: Sie zahlen wahrscheinlich einmal den Wert, haben aber am Ende der Laufzeit eben kein Grundstück zu vererben. Es ist doch normal, dass wir heute nicht auf alle Fragen schon Antworten haben. Wir sprechen hier gerade vom größten Städtebauprojekt in ganz Deutschland. Wir haben den Bürger­ entscheid gewonnen, wir haben vor dem Verwaltungsgerichtshof gewonnen, Anzeige

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Stadtentwicklung

wir haben ein tolles Konzept. Und eben auch noch ein paar offene Fragen. B&W: Etwa die, ob und wann die Stadt und die Sparkasse die notwendige Abwendungsvereinbarung unterzeichnen und was drinsteht. Haag: Wir versuchen, das in diesem Jahr fertig zu machen, zumindest die Eckpunkte. B&W: Die Sparkasse, respektive deren Tochter EMD (Entwicklungsmaßnahme Dietenbach), muss für jedes weitere Jahr 800.000 Euro an Optionsgebühren zahlen … Haag: Ob die EMD die Optionsverträge verlängert oder nicht, hängt nicht nur von der Abwendungsvereinbarung ab. Auch ohne die könnte sie die Optionen vielleicht schon in diesem Jahr ziehen, wenn die Eckpunkte stehen. Dafür brauchen aber auch wir noch viele Angaben. B&W: Welche? Haag: Das gehört nicht an diesen Tisch ... B&W: … doch, gerade an diesen Tisch gehört es. Haag: Das mache ich nicht. Wir sind in sehr konstruktiven, allerdings nicht ganz einfachen Gesprächen. Da geht es aber auch um einen 15-Jahres-Horizont. Wir wollen das lieber bestmöglich ausloten als hopplahopp abzuschließen. B&W: Ist es ausgeschlossen, dass die EMD die Vereinbarung nicht unterzeichnet und die Stadt dann deren Anteile kauft, kaufen muss? Haag: Ich halte gar nichts für ausgeschlossen. Aber das ist kein Punkt, über den ich hier spekuliere. B&W: Werden die Baugenossenschaften im Dietenbach bauen? Bisher heißt es von dort, dass die wirtschaftlichen Eckdaten das eher nicht zulassen werden … Haag: Da müssen wir noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Ja, es geht um die Wirtschaftlichkeit. Aber um welche Wirtschaftlichkeit geht es? Da kommt es auch auf die Laufzeit der Wirtschaftlichkeitsberechnungen an. Die Vorstände der Genossenschaften sind der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, aber auch dem Gemeinwohl. B&W: Im geplanten Neubaugebiet Klein­­eschholz sollen ausschließlich gemein14 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

wohlorientierte Unternehmen bauen dürfen. Was genau ist ein gemeinwohl­orientiertes Unternehmen? Und wie wird das rechtssicher im Ausschreibungstext für die Grundstücksvergabe im Erbbau stehen? Haag: Ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen ist eines, das dauerhaft preiswerten Wohnungsbau zur Verfügung stellt. Und das können Genossenschaften, Miethäuser-Syndikate, Baugruppen und natürlich die Freiburger Stadtbau. Wenn das ein privater Bauträger auch kann, dann ist es okay.

»Ich will diesen Podestplatz nicht« B&W: Wie will die Stadt das „dauerhaft“ absichern? Haag: Wir koppeln das ans Erbbaurecht. Andernfalls, das hat unlängst auch das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil gesagt, lässt sich das nur für 30 Jahre verbindlich regeln. B&W: In dieser Hinsicht ist Klein­ eschholz die Blaupause für Dietenbach? Haag: Genau, wenn auch mit 550 Wohnungen in viel kleinerem Maßstab. Wir haben aber jetzt schon eine extrem hohe Nachfrage, trotz Erbbaurecht. B&W: Wäre Kleineschholz direkt am neuen Rathaus im Stühlinger nicht auch geeignet dafür, dass die Stadt selber für ihre Mitarbeiter ein preiswertes Angebot schafft? Haag: Absolut. Wir werden als Stadtverwaltung da etwas machen, möglicherweise mit der Stadtbau. Wir wollen dort Wohnungen für zukünftige Mitarbeiter_innen, die sich von auswärts bei uns auf Stellen bewerben. Das wird aber befristet sein und eine Brückenfunktion haben. Wenn wir Personal nach Freiburg holen wollen, müssen wir beim Wohnen Punkte machen. Es gab erst unlängst wieder eine Studie, wonach Freiburg bei der Miete die drittteuerste Stadt in Deutschland ist.

Als 30. größte Stadt will ich diesen Podestplatz nicht. B&W: Dort gibt es kein Liquiditätsproblem? Haag: Nein. In Kleineschholz machen wir alles über Ablöse. Die Wohnungsbauer zahlen einmal den Betrag fürs Grundstück. B&W: Inwiefern verdient sich das Baugebiet das Etikett „innovativ“? Haag: Die Vergabe nur an gemeinwohlorientierte Unternehmen ist sicher innovativ. Wir adressieren da ein ganzes Baugebiet nur an kleine und mittlere Geldbeutel, das gibt es so in Freiburg bislang noch nicht. Wir wollen nicht, dass sich das durch das Auslaufen von Preisbindungen so rasant verändert wie im Rieselfeld oder im Vauban. Und ich glaube auch, dass diese Bauherren dafür innovative Wohnkonzepte mitbringen. B&W: Bis in diesen beiden Baugebieten Menschen wohnen, wird es noch ein paar Jahre dauern. Was passiert in der Stadt bis dahin? Haag: Wir haben 2021 1095 neue Wohnungen genehmigt. Die kommen in diesem oder im nächsten Jahr. B&W: 2020 war Corona laut Rathausangaben „schuld“ an nur 650 genehmigten Wohnungen, 2021 war auch Corona ... Haag: Corona taugte nicht vollständig als Erklärung. Wir hatten aber im ersten Coronajahr auch andere Probleme als im vergangenen. Wir hatten 2020 viele Mitarbeitende in Quarantäne und keine optimalen Onlinebedingungen. Jetzt haben wir Geimpfte, Geboosterte, und wir haben auch gelernt, online effektiver zu arbeiten. B&W: Bei den 1095 sind allein 180 Wohnungen im neuen EKZ Landwasser und fast 70 von der Stadtbau im Mooswald. Wie sieht es dieses Jahr aus? Haag: In den nächsten beiden Jahren werden wir unser 1000er-Ziel möglicherweise nicht erreichen. Aktuell haben die größten Bauvorhaben so ungefähr 15 Wohnungen. Mit 15 ist es mühsam, auf 1000 zu kommen. B&W: Herr Haag, vielen Dank für dieses Gespräch.


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Politik

Bezahlbarer wohnen mit der Ampel Bündnis »Soziales Wohnen« fordert Grundstückspreise von 300 Euro

Die Freiburger Stadtbau errichtet im Baugebiet Schildacker sechs Wohngebäude mit 116 Wohnungen in Holzbauweise. 60 dieser Wohnungen werden öffentlich gefördert, 56 sind frei finanziert.

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Visulaisierung: © Freiburger Stadtbau

ohnen ist gesellschaftlicher Zündstoff. Laut einer Studie des Pestel-Instituts fehlten Ende 2021 bundesweit rund 450.000 Wohnungen – Verlierer sind oft sozial schwächere Menschen. Das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ blickt mit Wohlwollen auf die Vorhaben der Ampel-Regierung im Bau- und Wohnsektor – und formuliert Forderungen. In Freiburg ist ohnehin der weitere Bau öffentlich geförderter Wohnungen geplant. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 Sozialmietwohnungen mit einer Kaltmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das ist die neue Zielmarke der Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen in ihrem Koalitionspapier. Robert Feiger ist Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die sich mit vier Partnern zum Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ zusammengeschlossen hat. Auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärt der

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Experte, dass mit den Wohnungsbauzielen der Bundesregierung zum ersten Mal die Chance auf eine „soziale Trendwende“ am Wohnungsmarkt bestehe. Für wissenschaftliche Hintergründe hat sich das Bündnis unter anderem Matthias Günther, Institutsvorstand des Pestel-Instituts, ins Boot geholt. Er sieht mit jährlich 400.000 neuen Wohnungen die Chance, Defizite bis 2025 weitgehend abzubauen. „Die meisten Teile Deutschlands werden dann weitgehend entspannte Wohnungsmärkte haben“, prognostiziert der Diplom-Ökonom. Die zentrale Forderung des Bündnisses ist ein „Sonderfonds Wohnen“. Schließlich bedürfen die 100.000 Sozialwohnungen und die vom Bündnis geforderten 60.000 bezahlbaren Wohnungen (mit einer Kaltmiete von 8,50 Euro pro Quadratmeter) jährlicher Subventionen von 6 und 12,9 Milliarden Euro – je nach angestrebter Effizienzhausklasse. Zur Errichtung von Sozialmietwohnungen sollten Kommunen, Länder und der Bund zudem kostengünstiges Bauland zur Verfügung stellen – für

maximal 300 Euro pro Quadratmeter Fläche. Auch für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum soll dies zweckgebunden geprüft werden. „Liegen die Grundstückpreise darüber, haben der soziale und bezahlbare Wohnungsbau praktisch keine Chance mehr“, so Günther. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, problematisiert auch die zeitlich begrenzte Bindung von Sozialwohnungen: „Wir brauchen auf Dauer deutlich längere Bindungen, am besten einen Sektor, in dem Wohnungen auf die Zeit ihrer eigenen Lebenszeit gebunden sind.“ Bislang ist das rechtlich höchst problematisch. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen.“ Die Baubranche ist gespannt, was die Regierung unter „zeitnah“ versteht. Die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) ist mit mehr als 11.500 eigenen und ver-


Politik

walteten Wohnungen größter kommunaler Wohnungsversorger Südbadens. Laut Pressesprecherin Marion Uerlings hatte die FSB zum 31. Dezember 2020 über 1836 Sozialwohnungen. „Die Förderung von zusätzlichem bezahlbaren Wohnraum ist dringend notwendig“, betont Uerlings. Bezahlbares Wohnen sei eine der wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen. Es bestehe eine große Differenz zwischen erzielbaren Mieten, Förderungsanteilen und der zum Bau und Betrieb benötigten Mittel. „Daher ist eine Intensivierung der Förderung von öffentlich geförderten Wohnungen, auch vor dem Hintergrund der stetig steigenden Baupreise, erforderlich.“ Gemäß Landeswohnraumförderprogramm beträgt die Bindungsdauer für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau 30 Jahre bei einem Mietabschlag von 40 Prozent. Die FSB nutzt diese Fördermöglichkeit für die geförderten Mietwohnungen, die derzeit errichtet werden. In ihrem Bestand strebe die kommunale Wohnungsbaugesellschaft stets eine Bindungsverlängerung – in Abhängigkeit der dann gültigen Förderungsvoraussetzungen – an. Die Verlängerung sei aber auch abhängig vom Mieter und dessen Erfüllung der Fördervoraussetzungen. Bis Ende vergangenen Jahres wurden 620 Wohnungen der FSB überprüft und für 401 die Miet- und Belegungsbin-

dung um 15 Jahre verlängert. Bis 2024 werden 431 weitere überprüft und – sofern Mieter die Bestimmungen der Landeswohnraumförderung erfüllen – weiter über das Landeswohnraumförderungsprogramm verlängert. Bei einer Bindungs­verlängerung werden die fehlenden Miteinnahmen durch eine Förderung kompensiert. Doch auch neue Wohnungen sollen her. Der Gemeinderat hat im Mai 2020 das Konzept „FSB 2030“ beschlossen, wonach die FSB bis 2030 rund 2500 neue Wohnungen bauen soll. Darunter, so zumindest ist der Plan, bis Ende 2025 voraussichtlich 625 und bis Ende 2030 circa 1250 öffentlich geförderte. Und wie steht es um das vom Verband „Soziales Wohnen“ geforderte Bauland für maximal 300 Euro pro Quadratmeter Fläche? Der Wert von städtischen Grundstücken wird vom Gutachterausschuss der Stadt Freiburg zweijährlich festgelegt und veröffentlicht. „Hier müsste historisch nachvollzogen werden, wann es zuletzt große innerstädtische Grundstücke zu dem oben genannten Preis gab“, so Uerlings. Vermutlich werden sich nur ältere Semester an solche Preise noch erinnern. In den vergangenen Jahren habe die FSB laut der Pressesprecherin bei Neubaumaßnahmen von öffentlich gefördertem Wohnraum für das erforderliche Baugrundstück mit einem Kostenansatz von durchschnittlich 800 Euro pro Quadratmeter kalkuliert.

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Baurecht

Handwerker in der Zwickmühle Unkalkulierbare Baupreise und Lieferengpässe

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Foto: © bar

aterialpreisexplosionen und ausufernde Lieferzeiten für Baustoffe sind aktuell beherrschende Themen auf Südbadens Baustellen. „Für beide Risiken tragen die Bauunternehmer die Konsequenzen, da sie deren Risikosphären zuzuordnen sind“, weiß Johannes Büscher von der Baurechts-Spezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen in Staufen. Können diese Konsequenzen in Einzelfällen auch auf den Bauherrn übergehen? Die nahezu unkalkulierbare Steigerung von Materialpreisen treibt im Bausektor kuriose Blüten: So schenken Fertighausanbieter aktuell ihren Kunden 30.000 Euro und die Baugenehmigung, wenn diese von ihren Verträgen zurücktreten, wie die Redaktion aus Bankenkreisen erfuhr. Denn andernfalls würde die Fertigstellung noch größere Löcher in die Bilanz fressen. Auch viele Baufirmen befinden sich in einer „Zwickmühle“, wie Nicolas Schill, einer der vier Kanzlei-Inhaber, formuliert: Auf der einen Seite seien sie gegenüber ihrem Auftraggeber, dem Bauherrn, dazu verpflichtet, die Bauleistung wie vertraglich vereinbart zu erbringen, auf der anderen Seite sind sie von Baustofflieferanten abhängig. Ein aktuelles Beispiel: Ein Bauherr hat einen Zimmermann mit dem Ausbau des Dachstuhls beauftragt. Nachdem der Zimmermann mit den Arbeiten begonnen hat, meldet sich der Holzhändler und teilt mit, dass er für die nächste Holzbestellung aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise einen Aufschlag von 15 Prozent erheben muss. Solche unvorhersehbaren Preissteigerungen sind grundsätzlich das Risiko des Bauunternehmers. Die rechtlichen Regelungen und auch die Rechtsprechung sind da unerbittlich. Bislang kann dieses Risiko lediglich in ganz engen Ausnahmefällen auch auf den Bauherrn übertragen werden. Im aktuellen Fall hat der Unternehmer das Interesse, den gestiegenen Holzpreis an den Bauherrn weiterzugeben. Rechtlich durchsetzbar wäre das aber nur, wenn eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ gegeben wäre. Wenn sich also nach Abschluss des Vertrages Umstände schwerwiegend verändert und die Parteien den Vertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn diese Veränderung absehbar gewesen wäre. Voraussetzung dafür wäre – auf den ersten Blick – allerdings, dass die Zusammensetzung des Preises, die Kalkulation und deren Grundlagen zur Geschäftsgrundlage des Werkver18 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

trags geworden wäre. Die herrschende Rechtsprechung hat dies jedoch abgelehnt. Auch der Materialpreis als Grundlage der eigenen Kalkulation habe grundsätzlich der Bauunternehmer zu verantworten. Wandele man den Fall so ab, dass dem Werkvertrag die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B) zugrunde gelegt ist und sich der ursprüngliche Vertragsinhalt dadurch geändert hat, dass für die Erbringung der Leistung mehr Holz als zunächst geplant erforderlich ist oder die Planung oder der Ausführungszeitraum geändert wurde oder auch eine weitere Leistung hinzukommt, dann können sich für den Bauunternehmer Möglichkeiten ergeben, gestiegene Materialpreise weiterzureichen, so Büscher. Nach der jüngeren Rechtsprechung bemisst sich diese Vergütung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten, sodass für diese Leistungen auch die zwischenzeitlich gestiegenen Materialpreise angesetzt werden können. Zudem hat die Corona-Krise auch dazu geführt, dass die globalen Lieferketten aus dem Tritt gekommen sind und erhebliche Wartezeiten für Baumaterial bestehen. Hier stellt sich für den Bauunternehmer die Frage, ob er von seinem Auftraggeber in Anspruch genommen werden kann, wenn er die Baustoffe von seinem Lieferanten nicht erhält, also dem Zeitplan hinterherhinkt? Die Antwort: nein. Wenn der Unternehmer das nicht zu vertreten hat, er alle zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung ergriffen hat, kann er vom Bauherren auch nicht wegen Verzugs in Anspruch genommen werden. Allerdings könnte der Bauherr vom Werkvertrag zurücktreten – was bei der Lage auf Südbadens Baustellen jedoch eher eine theoretische Möglichkeit ist. „In beiden Situationen führt die aktuelle Rechtslage aber zu unerträglichen Ergebnissen für den Bauunternehmer“, sagt Schill. Die geltende Rechtsprechung sei im Prinzip eine Katastrophe für einen mittelständischen Handwerksbetrieb „und einige werden hierdurch auch vor existenziellen wirtschaftlichen Belastungen stehen“. Die Baurechtsexperten raten derzeit allen Bauunternehmern, zunächst eine einvernehmliche, dem „kooperativen Grundgedanken von Werkverträgen“ entsprechende Lösung anzustreben. Diese sei „vielfach interessengerecht“, da hierdurch auch zugunsten des Bauherrn etwa das Risiko des Ausfalls seines Bauunternehmers gemindert oder abgewendet oder auch weitere Verzögerungen verhindert werden. bar


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Makler

Herrliche Hanglage: Mit dem Neubauvorhaben Sonnhalde hat das Team um Oliver Kamenisch Attraktives im Portfolio.

Wieder auf Vor-Corona-Niveau S-Immo schrammt knapp an Fünfjahresrekord vorbei

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Visualisierung: © S-Immo, Foto: © bar

ie Immobiliengesellschaft der Sparkasse Freiburg hat im vergangenen Jahr 124 Immobilien im Wert von 57 Millionen Euro vermittelt. Und hätte die Pandemie nicht dem Verkauf einer millionenschweren Immobilie im Dezember kurzfristig noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, dann hätte S-Immo-Geschäftsführer ­Oliver ­Kamenisch gar das beste Ergebnis seit 2017 eingefahren. Es war alles gerichtet, der Notartermin stand, die Käufer aus dem Ostblock wollten anreisen, durften aber dann coronabedingt nicht. „So haben wir eben in diesem Jahr einen guten Start“, erzählt Kamenisch beim Besuch in der Redaktion. Im ersten Corona-Jahr waren die Experten des größten Maklers in Südbaden 119 Mal zum Notar gegangen, um bei der Unterzeichnung der Kaufverträge im Wert von 48 Millionen Euro dabei zu sein. Neun Millionen mehr waren es 2021. „Wir sind nun wieder auf VorCorona-Niveau“, sagt Kamenisch. Nur fünf Prozent der vermarkteten Wohnungen oder Flächen waren neue. Die S-Immo ist traditionell stark im Bestand unterwegs, hat aber nach dem großen Neubauprojekt auf dem Güterbahnhof (wir berichteten) aktuell mit dem Bauvorhaben an der Sonnhalde in 20 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

Waldkirch auch wieder frische Ware im Angebot. Es gibt zwei Bauabschnitte mit jeweils vier Häusern. Für den ersten Bauabschnitt hat Kamenischs Team aktuell bereits 13 Kaufzusagen, ab April soll protokolliert werden. Der Bauherr, die Projektgesellschaft Sonnhalde GmbH & Co. KG, hat nach dem Wegfall der KfW-55-Förderung schnell reagiert und baut nun nach dem strengeren KfW-40-Standard. Dadurch steigt der durchschnittliche Quadratmeterpreis um 200 auf 6200 Euro, rechnet der Geschäftsführer vor. Auf der anderen Seite bekommen die Käufer die Zuschüsse. Wenn die KfW bis dahin wieder handlungsfähig ist (siehe Beitrag auf Seite 6). Auf der Käuferseite waren bei den Bestandsimmobilien im vergangenen Jahr 80 Prozent Private, Eigennutzer oder Kleinanleger, 20 Prozent waren Investoren, darunter auch einige Family Offices. „Darunter sind auch viele Wiederholungstäter“, sagt Kamenisch. Bei den Verkäufern gebe es indes immer mehr Erbengemeinschaften, die Familienbesitz veräußern. Im Gegensatz zu Freiburg gibt es im Umland – bezogen jeweils auf die Größe der Kommune – aktuell mehr Angebote. Gerade in Waldkirch tut sich seit Jahren vieles. Und dank des Einsatzes des dortigen Geschäftsstellenleiters Thomas Kern, der Ende des Jahres in den

Ruhestand geht, laufe dort auch sehr viel über die S-Immo: „Die Kollegen machen da einen sehr guten Job.“ Kamenisch selbst arbeitet weiter an der Digitalisierung seiner Firma. Erstmals bietet die S-Immo nun auch ein digitales Bieterverfahren an. Bieter bekommen dabei eine Nummer, dann gibt es eine Online-Bieterstunde, und nach dem letzten Gebot läuft der Countdown dann noch fünf Minuten weiter. Der Eigentümer verfolgt das live mit, darf aber nicht selbst mitbieten. „Dieses Verfahren ist sicher nicht für jeden Verkäufer geeignet, es gibt viele, die diskreter vorgehen, aber es ist anonymer als eine öffentliche Versteigerung“, so Kamenisch. Das Tool dazu haben Experten der Sparkasse in Bremen kreiert. 360-Grad-Besichtungen zählen bei der S-Immo genauso zum digitalen Establishment wie Webinare für Interessierte oder das Homestaging (siehe Infobox), bei dem leere Räume mit Leben gefüllt werden, um Kaufinteressierten ein Gefühl für die Einrichtungsmöglichkeiten zu geben. Entsprechende Videos sind auf der Homepage zu finden

bar Mehr Infos zum Homestaging gibt es unter www.s-immobilien-freiburg.de/ service/homestaging.php, zu den aktuellen Webinaren unter: www.s-immobilienfreiburg.de/meeting


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Generalunternehmer

Alle drei Tage eine Anfrage

Warum sich die Dürrschnabel Industriebau ihre Auftraggeber aktuell aussuchen kann

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Foto: © Dürrschnabel Industriebau GmbH

it Termingarantie“. Das war eines der Schlagworte in der nun 27-jährigen Geschichte des Emmendinger Generalunternehmers Dürrschnabel Industriebau GmbH. Ein zweites war „schlüsselfertig“, das dritte „zum Festpreis“. Doch termingerecht und zum Festpreis, das ist für Geschäftsführer Stefan Schäfer in der aktuellen Marktlage immer schwieriger zu gewährleisten. Schäfer sitzt in seinem Büro im firmeneigenen Gebäude an der Straße Zum Übergang. Der Übergang von schlüsselfertigen Gebäuden an die Eigentümer aber verzögert sich nicht nur bei der Dürrschnabel. „Aktuell sind etwa bei einem unserer Statikbüros mehrere Mitarbeiter wegen Corona nicht arbeitsfähig. Deswegen kommen Pläne später, die auf der Baustelle aber dringend benötigt werden, dann gibt es Bremsspuren, für die niemand was kann, schließlich hat die halbe Welt Corona“, erzählt Schäfer. Nicht nur Coronafälle im Fachunternehmer-Netzwerk des Generalunternehmers, auch die Lieferzeiten von Baustoffen sorgen auf Südbadens Baustellen vielerorts für längere Bauzeiten. Mit Festpreisen sieht es nicht viel anders aus: Die Dürrschnabel-Kalkulationsabteilung kann kaum vorhersagen, was etwa ein Meter Stromkabel dann, wenn es auf der Baustelle benötigt wird, kostet. „Verbindliche Fertigstellungstermine und Festpreise kann ich unseren Auftraggebern aktuell gar nicht nennen.“ Es gebe einfach zu viele Unwägbarkeiten. Dennoch ist die Firma voll ausgelastet und kann sich die Auftraggeber eigentlich aussuchen. Der Druck am Markt ist groß. Alle drei Tage klingelt Schäfers Handy. „Für unseren Stammkunden werden wir immer da sein, bei neuen Kunden schauen wir sehr genau, ob eine Zusammenarbeit angesichts der aktuellen Problematiken Sinn macht.“ Für den Stammkunden Kirschner baut die Dürrschnabel aktuell in Littenweiler fünf Mehrfamilienhäuser am Schnaitweg, wo gerade das Kellergeschoss hochgezogen wird. Für einen anderen Stammkunden in Ehrenkirchen eine Lagerhalle, für die Firma Sexauer Sanitär und Heizung in Bötzingen ein 1550 Quadratmeter großes Betriebsgebäude, in Achern für die Betonwerk Müller GmbH & Co. KG eine zehn Meter hohe und 2000 Quadratmeter große Produktionshalle. Für und mit dem Stammkunden Kirschner Wohnbau GmbH in Haslach an der Gehrenstraße auf rund 1500 Quadratmetern 22 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

Fläche 21 Wohnungen – darunter zwei mietpreisgedämpfte – und zwei kleine Gewerbeeinheiten. Das Hauptspielfeld ist aber der Güterbahnhof, wo die Dürrschnabel für und mit Kirschner insgesamt 120 Wohnungen erstellt. Im Mehrfamilienhaus IKS 4 wird bereits an der Decke über dem Keller gearbeitet, auf dem Nachbargrundstück IKS 2 ist der Spezialtiefbau erledigt, es läuft der Erdaushub, wie Geschäftsführer Markus Keune berichtet. Für Kirschner bereitet er derzeit auch den Ausbau für einen Edeka-Markt im Gebäudeensemble Quadriga vor. Ebenfalls auf dem Güterbahnhof und für den Stammkunden RehaVerein baut Keune ein Gebäude mit Werkstatt und Wohnflächen, für einen weiteren Stammkunden in der Lokhalle eine 3500 Quadratmeter große Bürofläche sowie ein Einfamilienund zwei Mehrfamilienhäuser auf dem Lorettoberg.

Made by Dürrschnabel: Neubau für Betonwerk Müller GmbH in Achern. Schäfer hat derweil den Bau dreier Häuser mit je fünf Wohnungen in St. Georgen gestartet, nachdem das technisch durchaus komplexe Bauvorhaben durch Anwohnerklagen sogar vor dem Regierungspräsidium gelandet war – das gegen die Baugenehmigung rechtlich indes keine Einwände hatte. Nachdem Schäfer und Keune die Firma 1995 gegründet hatten, kam der erste richtig große Auftrag 1997 rein. Für die Firma Fritz Düsseldorf bauten sie für 6,5 Millionen Mark ein Produktionsgebäude. Und genau diese Firma, wenn auch mittlerweile in anderen Händen, ist nun wieder vorstellig geworden und will von der Dürrschnabel im Gewerbegebiet Hochdorf ein großes Verwaltungsgebäude bauen lassen. Auch das ein Multimillionen-Projekt. „Wie gesagt“, so Schäfer, „für unsere Stammkunden sind wir immer da.“ bar


Bauträger

Entwickeln, halten, spenden

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Gisinger feiert 70-Jähriges mit Engagement für Erdmännchen

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ie Gisinger Gruppe, die im vergangenen Jahr ihr 70-jähriges Firmenjubiläum feierte, hat an der Ecke Tullastraße und Lemberg-Allee ein 11.500 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück gekauft. „Wir wollen in diese Fläche investieren und sie langfristig im Bestand halten“, sagt Jörg Gisinger. Auch im Bestand bleibt das markante Eckgebäude mit Büround Ladenflächen an der Habsburgerstraße, in das mit der Gastronomie „Lebefrau“ ein Partnerbetrieb des in derselben Straße angesiedelten „Lebemann“ einziehen wird. In direkter Nachbarschaft hat Gisinger ein weiteres Grundstück gekauft, auf dem ein Mehrfamilienhaus mit 17 Wohnungen geplant ist. Das jüngste Gisinger-Projekt wächst derzeit an der Kronenmattenstraße in die Höhe. Hier bauen die Freiburger ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit 21 Eigentums- und acht Ferienwohnungen. Der Vertrieb läuft erfolgreich, genauso wie bei dem Projekt Sonnenquartett im Ebneter Neubaugebiet Hornbühl-Ost, wo es nur noch vier Wohnungen gibt. Kurz vor der Revitalisierung steht das Cusenier-Areal in Neuenburg. „Die geplante Umstrukturierung der denkmalgeschützten Destillerie in 51 Wohnungen ist für uns eine spannende Herausforderung“, erzählt Gisinger. Zu den großen Meilensteinen in der 70-jährigen Geschichte zähle sicherlich die Übernahme der Freiburger Wohnungsbau AG (FWAG) mit 11.000 Quadratmetern Wohnfläche von der Stadt Freiburg 1997, der Kauf des Mediamarkts in Haslach, der medial stark wahrgenommene Umbau der alten Riegeler-Brauerei mit spektakulären Lofts und der Kunsthalle, aber auch das aktuelle Projekt Habsburger Mitte. Die FWAG wollte Alt-OB Rolf Böhme übrigens seinerzeit an die Neue Heimat verkaufen. Der Gemeinderat sperrte sich, das Rathaus gab die Gebäude in Freiburger, in Gisingers Hände. Aus diesen Händen kam unlängst ein Scheck über 50.000 Euro an die Mundenhof-Leiterin Susanne Eckert für das neue Erdmännchen- und Straußengehege. „Wir konnten ja unser Firmenjubiläum wegen Corona nicht richtig feiern. Mit unserer Spende wollen wir als Freiburger Unternehmen einen bleibenden Beitrag leisten, der allen Besuchenden sowie den Menschen, die im Mundenhof wertvolle Arbeit leisten, zugutekommt“ , erklären die Brüder Jörg und Stefan Gisinger. Eine Geste, die von der Neuen Heimat eher nicht zu erwarten gewesen wäre. bar chilli | bauen & wohnen | 02.2022 | 23


Baufinanzierung

»Die Wohnungsnachfrage könnte zurückgehen«

Foto: © GFA Finanzberatung

GFA-Geschäftsführer Edwin Muttach über steigende Bauzinsen B&W: Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe war Mitte Januar erstmals seit April 2019 wieder positiv, die historisch niedrigen Bauzinsen steigen langsam wieder. Inwiefern gibt es einen Zusammenhang? Muttach: Die kreditgebenden Banken schauen sich ganz genau die zu erwartende Zinsentwicklung an, um somit eine Kondition für ihre Baufinanzierungen kalkulieren zu können. Die Entwicklung der zehnjährigen Bundesanleihe dient als Orientierungspunkt. B&W: Was hat die Geldpolitik der EZB damit zu tun? Muttach: Die EZB steuert in Europa die Geldpolitik und somit auch die Zinsentwicklung. Ein Gegenspieler der Inflation, welche wir momentan nur allzu deutlich spüren, ist die Möglichkeit, den Leitzins anzuheben. Alleine die Erwartungshaltung in Richtung steigender Leitzinsen nimmt die Börse, und damit verbunden auch die Bundesanleihe, vorneweg. Zum Zeitpunkt einer effektiven Leitzinserhöhung sind die Baufinanzierungskonditionen also bereits gestiegen. B&W: Für den Traum vom Eigenheim bedeutet das: Die Finanzierungskonditionen dürften sich im Laufe des Jahres verschlechtern. Was raten sie Häuslebauern?

Seit 40 Jahren dabei: Edwin Muttach Muttach: Aus Angst vor steigenden Zinsen schnell „irgendwelche“ Kreditverträge zu unterschreiben, ist keine gute Idee. Wir bewegen uns immer noch auf einem historisch tiefen Zinsniveau. Und auch bei möglicherweise steigenden Zinsen gibt es große Konditionsunterschiede bei den Banken. Ein Zinsunterschied von nur 0,5 Prozent macht bei 300.000 Euro Kreditvolumen in zehn Jahren 15.000 Euro Zinskosten aus. B&W: Was bedeuten steigende Bauzinsen für die Bauträger? Werden Wohnungen bald noch teurer? Muttach: Wohl eher das Gegenteil. Bei steigenden Zinsen könnte die Nachfrage nach Wohnungen eher zurückge-

hen, weil die monatlichen Belastungen für den Darlehensnehmer zu hoch oder die Laufzeiten für die Rückzahlungen zu lange werden. Was die Preisentwicklung angeht, ist der Nachfrageeffekt aber leider nur ein Faktor von vielen. B&W: Wo sind die Bauzinsen im Herbst? Muttach: Auch wenn ich in über 40 Jahren schon viele Facetten der Baufinanzierung erlebt habe, eine Glaskugel habe ich nicht. Ich sehe eine Tendenz in Richtung steigender Zinsen, auch wenn ich nicht von einer Trendwende sprechen möchte. B&W: Sind steigende Zinsen auf der anderen Seite nicht gut für Otto Normalverbraucher? In den vergangenen Jahren haben sich Staaten entschuldet, auf dem Rücken der Kleinanleger und Sparer … Muttach: Dem kann ich nur zustimmen. Verschuldete Staaten finanzieren sich, siehe traditionell Japan, auf der einen Seite durch die tiefen bis negativen Zinsen und auf der anderen erledigt die Geldentwertung, die Inflation, ihr Übriges. Da wir aber noch nicht davon sprechen, dass der Inhaber eines Sparbuchs plötzlich anstatt null Prozent wieder zwei erhält, sehe ich den Otto Normalverbraucher noch nicht als Gewinner.

Das Interview führte Lars Bargmann

Sasse macht Kasse – Raoul Röder kauft MSI Matthias Sasse, Gründer und langjähriger Inhaber der MSI Gewerbeimmobilien GmbH, hat die Gesellschaft an Raoul Röder verkauft. Entsprechende Informationen der Redaktion bestätigte Sasse jetzt. Die Entscheidung sei „strategischer Natur“, sagt Röder. Die Sprenker und Röder Immobilien GmbH mache das normale Maklergeschäft im Bereich Wohnen, Einzelhandel sowie kleines Gewerbe und als zweites Standbein die Immobilienbewertung. Mit der MSI komme nun die Entwicklung und Vermarktung grö24 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

ßerer Gewerbeobjekte, auch im Segment Industrie- und Logistikflächen, hinzu. Röder sieht in allen drei Bereichen noch Steigerungspotenzial. Die MSI bleibt als eigenständige Firma und mit Matthias Sasse als Frontmann unter dem Dach von Röder, der als 33-Jähriger nun rund 20 Menschen beschäftigt. Darunter auch alle bisherigen MSI-Mitarbeiter. Die MSI in Karlsruhe arbeitet unter der Leitung von Jonathan Held weiter wie bisher als Lizenznehmer unter Freiburger Regie. bar



Gewerbeflächen

Wächst Vorzeigemeile aus Brache? Auch Komtur Pharmaceutical siedelt aufs Cerdia-Areal um . str lla Tu

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Flugplatz

Platz der Begierde: Auf der roten Fläche, neben den Sportplätzen, soll eine medizintechnische Produktion gebaut werden.

D Visualisierung: © Bauen & Wohnen

ie Freiburg-S-Wirtschaftsimmobilien GmbH & Co. KG (fwi) hat an der Hermann-Mitsch-Straße ein 23.000 Quadratmeter oder gut drei Fußballfelder großes Grundstück ans Freiburger Unternehmen Komtur Pharmaceuticals verkauft. Schon die zweite Erfolgsmeldung auf einer Brache, die zur Vorzeigemeile werden könnte. Der international tätige Pharmagroßhändler will dort ab 2024 eine hochmoderne medizin- und arzneimitteltechnische Produktion aufbauen. Anfänglich würden mehr als 200 Mitarbeitende tätig sein. Zudem ist der Bau einer Hochgarage mit E-Ladesäulen geplant, die auch als Quartiersgarage dient. Die inhabergeführte Komtur-Gruppe, Keimzelle war eine kleine Apotheke an der Zähringer Straße, ist heute ein weltweit führender Anbieter für Beschaffungs- und Distributionsdienstleistungen und seit mehr als 50 Jahren auf dem internationalen

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Pharmamarkt in sechs Ländern auf drei Kontinenten vertreten. Seit 2005 hat sie ihre Zentrale am Freiburger Flugplatz. Dort sitzt derzeit auch noch die Intuitive Surgical, die im vergangenen Juni von der fwi ebenfalls ein vier Fußballfelder großes Grundstück auf dem Cerdia-Areal erworben hatte und dort 60 Millionen Euro in drei Gebäude investieren will. Im Juni 2020 hatte die fwi 23 Fußballfelder Entwicklungs­ fläche von der Cerdia Produktions GmbH (vormals Rhodia) erworben und damit durchaus einen Coup gelandet. Ein Drittel der bisher im Dornröschenschlaf liegenden Flächen sind nun durch zwei in Freiburg erfolgreiche Unternehmen wachgeküsst. Die fwi, die unlängst auch Flächen fürs Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in der Freiburger Innenstadt sowie für die Deutsche Post in Hartheim erfolgreich vermittelt hat, startet demnächst mit den Erschließungsarbeiten. bar



Immobilien

Hatte die Idee zum ReUse-Kaufhaus: ASF-Geschäftsführer Michael Broglin.

Verkaufen statt verbrennen ASF plant Gebrauchtwaren-Kaufhaus im Industriegebiet Nord

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Visualisierung: © Mailänder Consulting; Foto: Fionn Große

econd-Hand-Geschäfte sind längst keine Neuheit mehr. Wer hier einkauft, tut das meist der Umwelt zuliebe, um Geld zu sparen oder aus modischen Gründen. In Freiburg geht das bald auf über 3000 Quadratmetern an der Liebigstraße – die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg (ASF) wird dort für rund vier Millionen Euro ein ReUse-Kaufhaus bauen. Auch Reparatur-Werkstätten, ein Upcycling-Projekt sowie ein Aufklärungsraum für Schüler sollen einziehen. Wann immer die Warenbörse beim Freiburger Recyclinghof St. Gabriel veranstaltet wird, herrscht dort reger Andrang: „Ich hab gesehen, welchen Run es auf die Warenbörse gab, das war manchmal spannender als jeder Schlussverkauf in der Innenstadt. Das hat mich inspiriert“, erzählt ASF-Geschäftsführer Michael Broglin. Schon vor Jahren kam ihm die Idee, ein GebrauchtwarenKaufhaus in Freiburg zu etablieren. Lange fehlte jedoch der passende Ort. Als nun ein Parkhaus auf dem Betriebshof der ASF entstand, wurde eine geeignete Fläche frei. Schon zur Jahreshälfte sollen die Bauarbeiten beginnen – so zumindest der Plan: „Wir sind in den letzten Zügen des Bauantrags. Unser Ziel ist es, spätestens nach den Sommerferien mit dem 28 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

Bau zu beginnen“, sagt Broglin. Optimistisch gerechnet soll das Warenhaus innerhalb eines Jahres fertiggestellt sein und sich dann über drei Etagen und knapp 3000 Quadratmeter ziehen. Als Vergleich: Das ist etwa so groß wie das Obergeschoss der Schwarzwald City. „Auch das Gebäude soll nachhaltig sein. Aufs Dach kommt eine PV-Anlage und wir prüfen gerade, wie energieeffizient wir es bauen können“, erklärt der ASFChef. Die Verkleidung des Gebäudes soll aus alten Paletten bestehen und für einen besonderen Look sorgen. Mit Baukosten von rund vier Millionen Euro rechnet das Unternehmen derzeit. Es sind aber auch die inneren Werte, die zählen: Im ReUse-Kaufhaus soll es nicht nur gebrauchte Gegenstände verschiedenster Kategorien geben, sondern etwa auch eine Werkstatt, in der Fahrräder repariert werden, eine für ElektroKleingeräte, ein Upcycling-Projekt und ein kleines Café. Außerdem soll der Möbelladen der Freiburger Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft (FQB) integriert werden. Die Ware kommt aus den Recyclinghöfen der ASF. Bisher seien viele der gut erhaltenen Gegenstände aus Platzgründen Opfer der Verbrennungsanlage geworden, so Broglin. Das soll sich ändern. Wer Sachen gezielt spenden will, kann das ebenso tun. Das Niveau werde im Gegensatz zum symboli-

schen Preis der Warenbörse etwas angehoben, aber immer noch im Rahmen bleiben. Die finanziellen Mittel Studierender dienen als Orientierung. Neben den preislichen Vorzügen sowie dem Umweltaspekt geht es Broglin auch um seine Mitarbeitenden: „Ich habe die Verantwortung für 440 Mitarbeiter, da sind einige dabei, die gesundheitliche Probleme haben. Wenn man 30 oder 40 Jahre lang Müll geleert oder die Straße gefegt hat, wird der Körper leider ziemlich in Mitleidenschaft gezogen.“ Diesen Mitarbeitenden wolle er einen Arbeitsplatz anbieten, der körperlich weniger anspruchsvoll ist. „Es entstehen auf jeden Fall zusätzliche Arbeitsplätze, aber wir werden kein neues Personal einstellen.“ Auch für die Produkte der ASF solle es eine Nische im ReUse-Kaufhaus geben, für Kompost oder Pflanzenkohle etwa, Dinge also, die aus Abfall erzeugt wurden und jetzt im Garten wiedereingesetzt werden können. In dem Kontext plant Broglin auch einen Aufklärungsraum für Schülerinnen und Schüler, „da wollen wir das Thema Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft mit kleinen Demonstrationen aufbereiten.“ Seine Idee: Wenn schon die Kinder mit dem Thema konfrontiert werden, können sie das an ihre Eltern weitertragen und so gemeinsam die Zukunft verändern.

Liliane Herzberg



Projektentwickler

»Politisch peinlich« Peter Unmüßig über den KfW-Wirrwarr und die Auswirkungen auf Dietenbach

So soll es mal aussehen: Im neuen Stadtteilzentrum in Landwasser werden auch 180 Wohnungen sein.

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Visualsierung: © WWA Wöhr Heugenhauser Architekten, München

eter Unmüßig, mit seiner Firmengruppe größter Projektentwickler in der Region, regt sich selten auf. Dafür ist der 70-Jährige zu lange im Geschäft. Wer aber von ihm wissen will, wie er den abrupten Stopp der KfW-Förderung durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einordnet, erlebt einen durchaus aufgebrachten Baufachmann. „Sind wir jetzt endgültig zur Bananenrepublik geworden“, fragte Unmüßig kurz nach der Bekanntgabe. Die Entscheidung sei „politischer Wahnsinn, in jeder Hinsicht kontraproduktiv“. Ob Habeck wisse, wie viele „kleine Leute“ jetzt um ihr Reihenhäuschen bangen? Welche Auswirkungen das auf die Investitionsbereitschaft der Privatwirtschaft habe? Wie viele Prozesse nun angestoßen werden? Auch die UnmüssigGruppe war von der Entscheidung „völlig überrascht“ worden. Mit dem Salto rückwärts sei Habeck zwar „ein bisschen zu rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeiten“ zurückgekehrt, der ganze Vorgang habe einen „erschreckend unprofessionellen“ Beigeschmack: „Politisch ist das peinlich.“ Wenn der Gesetzgeber, wie angekündigt, bald nur noch KfW-40-Häuser fördere, „dann wird sich in diesen die Miete um deutlich über einen Euro erhöhen“. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung mache die KfW-40-Bauweise im Vergleich zum Gesetzesstandard Mehrkosten in Höhe von rund 20.000 Euro aus – 330 pro Quadratmeter – und durch die 30 | chilli | bauen & wohnen | 02.2022

dicken Dämmpakete verliere jede Wohnung zudem noch anderthalb Quadratmeter an Fläche. Das Motto „Runter mit der Förderung, hoch mit den Anforderungen“ werde bundesweit deutliche Bremsspuren im Wohnungsbau zeigen. Es konterkariere das politische Ziel, künftig jedes Jahr 400.000 Wohnungen zu bauen. Bauen zu lassen. Das gelte dann auch für Freiburgs geplanten Stadtteil Dietenbach, wo knapp 7000 Wohnungen gebaut werden sollen. „Die Stadt hat ja das Ziel, vor allem bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Das ist ein hohes Gebot. Aber KfW-40 verteuert das Bauen, und die vielen anderen Wünsche an den Stadtteil werden es auch teurer machen“, sagt Unmüßig. Dietenbach, so seine Prognose, werde eher mietpreistreibend denn dämpfend sein. Der Projektentwickler geht von Baulandquadratmeterpreisen rund um 1500 Euro aus. Angesichts der Forderung, dass 50 Prozent öffentlich geförderter Mietwohnungsbau sein müsse, „für den höchstens 700 Euro Grundstücksanteil verkraftet werden können“, müsse das mit dem frei finanzierten Wohnungsbau subventioniert werden. Und das bedeute dort 2200 Euro Grundstücksanteil pro Quadratmeter Wohnfläche. Unter 7500 Euro, glaubt Unmüßig, werden Käufer im Stadtteil keinen neuen Quadratmeter kaufen können. „Man muss befürchten, dass hier mittelfristig eine soziologisch gesunde Struktur der Stadt verloren geht.“ Es müsste „die heiligste Aufgabe des Oberbürgermeisters“ sein, so viel öffentliche Förderung wie möglich vom Bund nach Freiburg zu holen.

»Herzensangelegenheit in Landwasser« Derweil läuft in Landwasser der Bau des 175 Millionen Euro teuren und 30.000 Quadratmeter fassenden neuen Stadtteilzentrums, das Mitte 2024 fertig sein soll und neben Einzelhandels- und Büroflächen auch rund 180 Mietwohnungen bringen wird. „Das wird die Stadtteilmitte stärken und die Nahversorgung sichern“, sagte OB Horn beim Spatenstich. Unmüßig bezeichnet das Projekt als „Herzensangelegenheit“, weil sein Vater Adolf das alte Einkaufszentrum Anfang der 1970er-Jahre gebaut hatte. „Wir errichten hier ein neues Stadtteilzentrum mit dem Anspruch auf höhere Lebensqualität und Nachhaltigkeit für die Bürgerschaft in bar Landwasser“, sagte er beim Spatenstich.


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Genossenschaften

»Politik muss Vertrauen zurückgewinnen« Bauverein Breisgau hat 2021 rund 100 neue Wohnungen übergeben

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er Bauverein Breisgau (BVB) hat im vergangenen Jahr mehr als 100 Neubauwohnungen fertiggestellt. Ende Januar hat das Vorstandsduo mit Marc Ullrich und Jörg Straub die Bau­ genehmigung für ein Projekt in Opfingen erhalten. Zudem sind Baustarts in Gundelfingen und Herbolzheim geplant. Auch fürs Baugebiet Kleineschholz interessieren sich die Genossen. Allerdings gibt es dort einen Haken. Das Freiburger Rathaus will die Grundstücke im Kleineschholz im Stühlinger nur in Erbpacht und nur an gemeinwohlorientierte Unternehmen abgeben. Wenn gemeinwohlorientiert preiswertes Wohnen meint, ist das für den Bauverein kein Problem. Eine – wie lange auch immer – befristete Erbpacht allerdings schon. „Bei uns sind die Bewohnerinnen und Bewohner durch dauerhafte Nutzungsrechte besonders geschützt“, erklärt Ullrich. Dauerhaft und befristet – ein Widerspruch. „Wir suchen aktuell gemeinsam mit der Stadt Freiburg nach Möglichkeiten, kommunale und genossenschaftliche Ziele in Einklang zu bringen.“ Das jüngste Gespräch dazu gab es kurz vor Weihnachten. Die Lösung des Widerspruchs wird eine – für beide Seiten – herausfordernde sein. Herausfordernd war auch das Hickhack um die KfW-Förderprogramme. „Bei den rasant steigenden Baukosten und den hohen Bodenpreisen lässt sich der Wohnungsneubau, lässt sich bezahlbares Wohnen ohne zielgerichtete Förderung kaum noch realisieren“, sagt Ullrich. Ohne Förderung könne sich die Miete schnell um 1,50 Euro erhöhen. Er finde es „richtig und wichtig“, dass Ha-

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Foto: © Felix Risch

Soll im Herbst fertig sein: Bauvereins­ projekt in der Mitte von Schallstadt. beck zurückgerudert ist. Nun müsse die Politik Vertrauen zurückgewinnen und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Denn wenn das Ziel von jährlich 400.000 Neubauwohnungen erreicht werden soll, „muss der Neubau auch künftig staatlich gefördert werden“. Mit öffentlicher Förderung wird der Bauverein in Opfingen demnächst mit dem Bau von einem Dutzend Wohnungen, einer Wohngruppe für Menschen mit Pflegebedarf, einem kirchlichen Gemeinschaftsraum und Flächen für die evangelische Sozialstation loslegen. Zudem ist der Auftakt für die Mehrgenerationenprojekte in Gundelfingen und Herbolzheim auf der Agenda. Bald fertiggestellt sein wird im kommenden Herbst das Gebäudeensemble in der Ortsmitte in Schallstadt, wo die Genossen mehr als 13 Millionen Euro in 33 Wohnungen, eine Kita, eine Tagespflegeeinrichtung, einen Quartiersladen und einen Bürgertreff gesteckt haben. Um die soziale Ortsmitte geht es aktuell in Gottenheim. Die Landesregierung fördert hier mit 610.000 Euro den Bau einer WG für ältere Menschen mit Unterstützungsbedarf. Zudem baut der Bauverein eine Kita und genossenschaftliche Wohnungen. bar


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Einrichter

Streit wächst und expandiert Umsatz deutlich über Plan Mit-Streiter im Sixpack: Rudolf Bischler, Rainer Betz (Leiter Streit office), Simon Gewald (kaufm. Leiter), Rafael Frey (Leiter Streit systec), Clemens Imberi (Leiter Streit inhouse) und Marc Fuchs.

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Foto: © Streit

ie Streit-Gruppe hat ihren Umsatz im Pandemiejahr 2021 um 5,8 auf 57,8 Millionen Euro gesteigert. Ein Plus von mehr als zehn Prozent. „Das Ergebnis liegt weit über unserer Planung, darüber freuen wir uns sehr“, so Geschäftsführer Marc Fuchs. Die 250-köpfige Belegschaft freut sich mit, denn es gab eine Erfolgsprämie. Streit Service & Solutions wächst seit acht Jahren – mit Ausnahme des ersten Coronajahres 2020 – kontinuierlich. „Die Streit-Gruppe wird sich verändern und weiterentwickeln, um auf Wachstumskurs zu bleiben. Nur so können wir dem harten Verdrängungswettbewerb der Branche entgegentreten“, sagt Fuchs. Mit dem Zukauf des 1976 gegründeten Bürofachhändlers betz bürowelt in Tübingen expandiert die Streit-Gruppe zudem ab März auch in die NeckarAlb-Region. Mit dem Umzug in die neu errichtete Firmenzentrale in Gengenbach Mitte dieses Jahres werden außerdem höhere Auftragskapazitäten möglich. Die Business Unit Streit office legte im vergangenen Jahr um 18 Prozent zu. Mehr als 10.000 neue Artikel hat Streit ins Sortiment aufgenommen, wenn das neue, 9000 Quadratmeter große, voll-

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automatisierte Logistikzentrum Mitte des Jahres bezugsfertig ist, sollen es 30.000 sein. „Wir können damit Kapazitäten bieten, die ihresgleichen in der Branche suchen“, so Geschäftsführer Rudolf Bischler. Die Business Unit Streit systec habe ein historisch hohes Ergebnis eingefahren, konnte jedoch das enorme Auftragsvolumen gar nicht bewältigen: weltweite Lieferschwierigkeiten und Rohstoffmangel hinterließen Bremsspuren. „Rund um Hardware und IT wird die gesamte Branche weiterhin mit Schwierigkeiten rechnen müssen“, so Fuchs. Die Business Unit Streit inhouse steigerte ihren Umsatz deutlich über Plan. „Weitreichende Marketingeffekte“ seien durch die Einrichtung des Verwaltungsgebäudes des Sportclub Freiburg und durch die Nähe zur Gründer- und Kreativszene in Freiburg eingetreten. Der Büroeinrichter Hief + Heinzmann in Karlsruhe, eine Streit-Tochter, schloss ebenfalls über den geplanten Umsatzzielen ab. Konkrete Zahlen nannten Fuchs und Bischler hier nicht. Mit dem Kauf des inhabergeführten Bürodienstleisters betz bürowelt GmbH in Tübingen und der Übernahme des gesamten Personals wird Streit ab März auch in der Region Neckar-Alb präsent

sein. „Vor allem die Logistik und die Möglichkeiten, die der neue Standort der Streit-Gruppe in Gengenbach bietet, haben mich sehr beeindruckt“, sagt der Geschäftsführer und Gesellschafter von betz bürowelt, Bruno Weisser. „Wir sind stolz und dankbar, dieses Juwel der Branche in der Region Neckar-Alb fortführen und weiter entwickeln zu dürfen“, so Bischler. Der Standort Donaueschingen wird geschlossen, dafür entsteht in Villingen-Schwenningen im Kreativzentrum „Die Halle“ eine neue Dependance von Streit Service & Solution. Die alte Industriehalle entwickelt sich derzeit zu einem Gründerzentrum. Mit der Standortverlagerung nach Schwenningen will Streit die Potenziale der Wirtschaftsregion Schwarzwald-Baar-Heuberg erschließen. „Zusammen mit Streit inhouse, Hief+Heinzmann und betz bürowelt wird die Streit-Gruppe im Bereich New Work und Büroeinrichtung eine bedeutende Stellung in Baden-Württemberg einnehmen“, so Rudolf ­Bischler. Mit den Standorten in Karlsruhe, Freiburg, Tübingen, Villingen-Schwenningen und Hausach/Gengenbach deckt das inhabergeführte Unternehmen ein wirtschaftlich starkes Gebiet in BadenWürttemberg ab. bar



Technik

Rohstoff Regenwasser Wie das Göppert Gartencenter Niederschläge nutzt

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Foto: © Göppert Gartencenter GmbH

artencenter brauchen viel Wasser. Das kostbare Nass schlägt sich auch in der wirtschaftlichen Bilanz nieder. Bei der jüngsten Erweiterung setzte das 1986 gegründete Göppert Gartencenter in Haslach im Kinzigtal jetzt auf eine Versickerungsanlage, die gleichzeitig als Wasserspeicher dient. Ein Praxisbeispiel.

vorragend geeignete Regenwasser versickern, wenn um diese Menge weniger Brunnenwasser gefördert werden muss? Beides benötigt elek­ trische Pumpen, beides ist frei von Wassergebühr, doch das weiche Regenwasser ist laut Wöhrle universell einsetzbar. Brunnenwasser hingegen enthält gelöste Stoffe, die von Ort zu Ort unterschiedlich sind und je Traditionell erfolgte die Bewässerung 170 Kubikmeter Regenwasser kann die nach Kulturen im Gartenbau stöaus einem eigenen Grundwasserbrun- neue Anlage speichern. Eingebaut war sie in ren können, mithin vor Verwennen, jetzt aber nutzt das Unternehmen nur einem halben Tag. dung erst entfernt werden müssen. vorrangig Niederschlagswasser. Die Auch weiß niemand, ob die ErMehrkosten gegenüber einer reinen Rückhalte- und Versi- laubnis zur Entnahme von Brunnenwasser immer wieder ckerungsrigole, wie sie in der Baugenehmigung gefordert verlängert wird und der Grundwasserspiegel so hoch bleibt, war, beliefen sich nur auf rund 10.000 Euro. Und jeder zur wie er aktuell ist. Bewässerung genutzte Kubikmeter Regenwasser erhöht zu- Grundwasserentnahme reduzieren ist jedenfalls praktidem das Rückhaltepotenzial der gesamten Anlage und ver- zierter Umweltschutz. Das Ziel von Göppert war und ist, unbessert so die Starkregenvorsorge. ter idealen Bedingungen bestmögliche Ergebnisse für den „Auch darauf kommt es an“, sagt Johannes Wöhrle, Be- Verkauf zu erzielen, aber auch Kosten für Ressourcen wie triebsleiter bei Göppert, „denn tief liegende Teile der Gärt- Energie, Wasser und Düngemittel einzusparen. Deshalb auch nerei waren nach Starkregenereignissen schon zweimal sammelt die Gärtnerei den Bewässerungsrücklauf der Pflanzüberflutet.“ In Kooperation mit dem ortsansässigen Bau- tische zur Wiederverwendung. unternehmer Herbert Hansmann hatte Wöhrle zuvor ver- Der unterirdische Regenspeicher mit 170 Kubikmeter schiedene Lösungen erarbeitet und verglichen. Fassungsvermögen und die zur Reinigung des Regenwassers Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der für die Nutzung des vorgelagerten Sedimentationsschächte stammen vom benachNiederschlags spricht: Warum das für den Gartenbau her- barten Betonwerk Mall. Die Speicherbatterie besteht aus Fertigteilen mit je 2,5 Meter Innendurchmesser, die untereinander Anzeigen verbunden sind. Bei vollem Speicher und weiter anhaltendem Regen mündet der Überlauf direkt in eine unterirdische Versickerungsrigole. Fahrzeugstellplätze vor dem Gartencenter sind wasserdurchlässig befestigt, beim Rückbau mehrerer Glashäuser wurden die anfallenden Kies-, Beton- und Stein-Abfälle zerkleinert und bei den neu erstellten Gebäuden als Unterbau verwendet. Auch die Umstellung der Heizzentrale bei Grundlastbetrieb auf den regional verfügbaren Brennstoff Holzpellets ist ein umweltfreundlicher Aspekt. In Zukunft wird neben dem bisher bezogenen Ökostrom auch elektrische Energie aus eigener Photovoltaik eine Rolle spielen. Und weitere Produktionsflächen unter Glas sollen nach und nach an den geschlossenen Wasserkreislauf zum Recycling von Wasser und Düngemittel angeschlossen werden.

Klaus W. König

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Kommentar

Bohei in Betzenhausen

Geplante Bebauung: Im Obergrün soll Wohnraum für rund 140 Menschen gebaut werden. Die beiden größeren Gebäude rechts im Plan sind für Sozialwohnungen reserviert. Die wird vermutlich die Stadtbau erstellen.

Montage: © 2022 AeroWest, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxa Technologies, Kartendaten © 2022 GeoBasis-DE/BKG / Stadtplanumgsamtt Freiburg

S

ie sind sich nicht grün im Obergrün, die gleichnamige Interessensgemeinschaft und die Freiburger Stadtverwaltung. Die einen wehren sich vehement gegen eine Bebauung am Stadtteilrand, die anderen wollen den Bebauungsplan demnächst zur Offenlage bringen, und die Treubau AG möchte dann das etwa ein Fußballfeld große Areal auch bebauen. Das Gewann Obergrün macht seinem Namen alle Ehre. Wiesen, ganz kleine und auch eselgroße Tiere, ein Verein „Bauernhoftiere für Stadtkinder“ ist dort zu finden, das Kinderhaus Fang die Maus, die Anne-FrankGrundschule – und alle profitieren von der grünen Idylle. Die „IG Gesamt­ erhalt Obergrün“ hatte sich im vergangenen Oktober – sieben Jahre nach den ersten Bebauungsplänen – gegründet. In einer Presse­mitteilung kritisierte sie neulich die „Zerstörung einer multi-

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codierten Fläche“, die auf „einmalige Weise Naturschutz, Naherholung für viele Bürger:innen, Spielotop für Kinder, Bildung für Nachhaltigkeit, Landschaftspflege und Gärtnern für alle“ ermögliche. Die Arbeit des Vereins sei durch die Neubaupläne bedroht und damit auch die Kooperation mit der Schule und dem Kinderhaus. Kurzum: „Das Obergrün ist für Klein und Groß, Alt und Jung unersetzlich, ein überfälliges Zugeständnis an die Menschen im Freiburger Westen!“ Auch der Bürgerverein Betzenhausen-Bischofslinde stellt sich hinter die Kritik. Es ist, mit ein wenig Distanz betrachtet, ein Lamentieren auf hohem Niveau. Das Obergrün liegt ungefähr mittig zwischen Seepark und Dietenbachpark, die Dreisam ist nicht weit weg, auch mehrere Kleingartenanlagen sind fußläufig anstrengungslos zu erreichen. Das ist in Freiburg längst nicht Standard, es ist in der Kategorie Nah-

erholungsgebiete sogar privilegiert. Auch wenn dort gebaut wird. 26 Reihenhäuser und drei Mehrfamilienhäuser mit 17 Wohnungen: Mit diesen Eckdaten wird im Baudezernat aktuell nach einem gemeinderätlichen Beschluss – bei zwei Gegenstimmen – die Offenlage des Bebauungsplans vorbereitet. Dem Verein sind „langfristige Pachtverträge“ versprochen. Für Baubürgermeister Martin Haag ist die Dichte der Bebauung (GFZ: 0,88) zumutbar, Obergrün sei ein gutes Beispiel für Innenentwicklung: „Wir schaffen Wohnungen, brauchen fast keine neue Infrastruktur und werten gleichzeitig Flächen für Natur-, Artenschutz und Erholung auf.“ So nachvollziehbar es ist, dass sich die IG weiter gegen die Bebauung wehrt, so nachvollziehbar ist es, dass Rathaus und die große Mehrheit im Gemeinderat für diesen neuen Wohnraum für 140 Menschen sind.

Lars Bargmann




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Handwerker in der Zwickmühle: Unkalkulierbare Baupreise und Lieferengpässe gefährden Betriebe

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