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März 2017 Ausgabe Nr. 13 gratis
Gründerszene
Start-ups in Freiburg
Bitcoin-Deals in Bahnhofsnähe Die wunderliche Welt der Kryptowährung Bankbosse
Bürgermeister
Bilanzen
Warum Uwe Barth und Marcel Thimm mehr Geschäft brauchen
80 Millionen Euro Schulden? Kein Problem für Otto Neideck
Tourismus in der Region weiter auf Höhenflug
Editorial
Können Banker zu viel Geld haben? Die seltsame Welt der Bitcoins
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Foto © ns
lle sprechen über billiges Geld und die lang anhaltende Niedrigzinsphase, doch in den Bilanzen der Banken, wo diese eigentlich deutliche Spuren hinterlassen müsste, sorgt das kaum für Abwärtsbewegungen. Erstaunlich. Statt aber einfach über die Bilanzen zu berichten, holte das Wirtschaftsmagazin business im Breisgau die beiden Bosse der großen Publikumsbanken, Sparkasse und Volksbank in Freiburg, mal an einen Tisch. Dort sitzt der Redakteur dann mit 8,8 Milliarden Euro Bilanzsumme zusammen und hört sich auch an, warum die Vorstandsvorsitzenden eigentlich viel zu viel Geld haben. Um seltsames Geld geht es bei den Bitcoins. Die boomende Kryptowährung. Die übrigens auch am Freiburger Hauptbahnhof mal den Besitzer wechselt. Wir sprachen mit Experten. Um eigenartiges Geld geht es auch der baden-württembergischen Finanzministerin Edith Sitzmann. Die Freiburgerin hatte Anfang August erklärt, das Land müsse eine Regelung finden, damit der Staat auf die 16 Millionen Euro zugreifen kann, die auf Schlafkonten liegen, die keine Besitzer mehr haben. Auch dazu hatten wir Experten gefragt, die dem Vorstoß kaum eine Chance einräumten, weil dazu gleich meh-
rere Gesetze geändert werden müssten – ein bürokratischer Monsterritt. Jetzt haben wir im Ministerium nachgefragt: Demnach hat Sitzmann nun die Bundesregierung gebeten, eine zivilrechtliche Regelung zu prüfen und umzusetzen. „Hier wurden bislang nach unserer Kenntnis keine Ergebnisse erzielt.“ Das Finanzministerium sei aber im Austausch mit einzelnen Finanzministerien anderer Bundesländer. Nun denn. Bis jetzt haben die Skeptiker recht behalten. Sitzmann wird wohl kaum je an diese Millionen kommen. Aber die Landesregierung kann ja auch anders: Sie griff in diesem Jahr einfach mal in den kommunalen Finanzausgleich, was allein Freiburg elf Millionen Euro „kostet“. Im Gespräch mit dem Freiburger Finanzbürgermeister Otto Neideck wird schnell klar, dass er vom Vorgehen der Stuttgarter „befremdet“ ist. Neideck plant trotz Rekordeinnahmen 80 Millionen Euro neue Schulden und muss auch noch Tafelsilber verkaufen, um die gewaltigen Investitionen in die Stadtstruktur zu finanzieren. Kein Problem, findet der CDU-Mann: Wenn die Stadt heute nicht investiert, würde sie das morgen sehr teuer bezahlen. Herzlichst, Ihr Lars Bargmann Chefredakteur 5 Anzeige
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Inhalt Expertenmeinung
Titel
Der Freiburger Steuerberater Erik Herr über professionelles Planen 23
Bitte ein Bit: Die Kryptowährung Bitcoins boomt mal wieder. Der Kurs für einen Bitcoin durchbrach Ende Februar erstmals die Schwelle von 1200 US-Dollar. Eine Währung, die auch seltsame Gestalten anzieht 6 -7
Familienunternehmen 70 Jahre Schmolck: Immer wieder Antworten auf wichtige Zukunftsfragen
Verbände
Kommunen
So sieht’s aus: IHK, HWK und WVIB berichten über die Aussichten 2017 5
Der Freiburger Finanzbürgermeister Otto Neideck hat Rekorderlöse. Warum er trotz höchster Einnahmen Grundstücke verkaufen und noch 80 Millionen Euro Schulden machen will 18 - 19
Bausparen Verbraucherschützer kritisieren Bundesgerichtshof
8-9
Interview
Der Beteiligungshaushalt boomt: Alles für die Katz?
Freiburgs Tourismuschefin Franziska Pankow über das Gästegeschäft der Zukunft 32 - 33
Arbeitsmarkt Unternehmen Aus Micronas wird TDK Micronas 2 1 Die ausgezeichnete WISAG
Kreditinstitute Wie Banken versuchen, trotz Niedrigzinsphase ihre Erträge zu sichern 16 -17
Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Neunlindenstr. 35, 79106 Freiburg fon: 0761-292 70 60 | fax: 0761-292 70 61 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de
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Die Ferienregion Schwarzwald bricht den Tourismusrekord von 1991 33
Mediation
Menschen und Meldungen
Die Kosten kultureller Konflikte 34 - 35
CDS kauft Tent Event / S-Beteiligung bilanziert zufrieden / Der Bauverein Breisgau hat seine Führungskrise bewältigt / B2Run erwartet wieder 6500 Teilnehmer / Haufe investiert in China / BioMed vergibt fünf Innovationspreise / Neue Initiative fordert Co2-Abgabe 22-27
Start-ups Helge Straubes Vokabelduschen.
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Freiburger starten Gründerportal
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Fakten bitte Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen
10
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IMPRESSUM business im Breisgau
Tourismus
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Die Bankbosse Marcel Thimm und Uwe Barth über Angriffe aufs Geschäftsmodell und die Last des Geldes 10 - 13
Experten: Deutschland braucht jährlich 400.000 Zuwanderer 14-15
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Award für Braunform / raumW: Mehr Raum fürs Einrichten 30
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Geschäftsführung: Michaela Moser (ViSdP)
Titel: © istock.com/ erhui1979
Redaktion: Lars Bargmann
Fotograf: Neithard Schleier Grafik: Anke Huber Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Jonas Stratz (Leitung)
Autoren dieser Ausgabe: Tanja Bruckert, Till Neumann, Philipp Peters, Dr. Stefan Pawellek, Erik Herr
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Verbände
Vertrauen nur in die eigene Stärke Ausblick 2017: Internationale Politik verunsichert auch die Firmen in Südbaden
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Foto: © Robert Babiak/pixelio.de
iedrige Zinsen kurbeln den Konsum an. Das führt zu einem guten Konjunkturklima auch in Südbaden. Doch beim Blick nach vorne beschleicht immer mehr Unternehmer ein mulmiges Gefühl: Denn vor allem die Entwicklungen auf internationalen Märkten könnten zum Stock in den Speichen des Wirtschaftsmotors werden. Trump und Brexit, Putin und Erdogan – das sind nur vier Begriffe, die vor allem bei der Industrie für Sorgenfalten auf der Stirn sorgen. „Das Einzige, was stabil läuft, ist die Konjunktur der Schwarzwald AG“, sagt Christoph Münzer. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes WVIB spürt ein schwindendes Vertrauen bei vielen Mitgliedsbetrieben. Der WVIB ist als Vertreter der Industrie in der Region wohl der beste Spiegel dessen, was die Weltpolitik mit den Jobs im Breisgau macht. Ein politischer Scharfmacher in den USA, dessen Wirtschaftspolitik simpel gestrickter Protektionismus sein könnte. Die EU-Abweichler in Großbritannien und selbstverliebte Autokraten im Kreml und am Bosporus. Dieses Quartett zerstöre viel von dem Vertrauen, das Menschen und Märkte benötigten, mahnt Münzer. WVIB-Präsident Klaus Endress schließt sich an: „Wir sind irritiert über Trumps sehr einfache Vorstellungen von Außenpolitik und Marktwirtschaft." Was bisher aus dem Weißen Haus kam, gefällt ihm nicht. Ein wenig ist es aber auch Jammern auf hohem Niveau. Denn noch schauen zwei von drei Unternehmen positiv in die Zukunft. Egal, welche regionale Umfrage man nimmt. Ob WVIB, In-
dustrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer – die Zahlen ähneln sich. Beim Handelsverband Südbaden glauben 81 Prozent der Händler an stabile oder steigende Umsätze. Herzstück dieser Entwicklung ist die Innenstadt von Freiburg, wo auf einer Ladenfläche von 20 Fußballfeldern mehr als eine halbe Milliarde Euro umgesetzt wird: 554 Millionen Euro. Zwischen Friedrichsring und Martinstor konzentrieren sich fast alle namhaften Filialisten. Das Beratungsunternehmen Comfort, das die Handelsplätze in Deutschland untersucht hat, sieht Freiburg als zweitattraktivste Innenstadt in der Kategorie von 200.000 bis 500.000 Einwohnern. Nur Münster schneidet im Ranking noch besser ab. Während die Konjunkturbilanz der Handwerkskammer zum Ende des vergangenen Jahres unbeirrt ansteigt, erhält der Ausblick nun zwar einen leichten Dämpfer, aber immer noch
Nur Münster schneidet besser ab sind 72 Prozent der von der Kammer befragten Unternehmen positiv gestimmt. Nur eine von 20 Firmen geht davon aus, dass die Umsätze zurückgehen. Viele Handwerker sind ausgelastet. Nur einer von zehn hat wirklich Luft. Aber Kammerpräsident Johannes Ullrich bremst die Euphorie ein wenig: „Es bleibt abzuwarten, ob 2017 für das südbadische Handwerk bei den gegenwärtigen ungewissen Entwicklungen im Land und der Welt ähnlich erfolgreich wird.“ Auch bei der IHK ist die größte Sorge nicht unbedingt der neue US-Präsident. Zu viel Bürokratie, etwa neue
Blick in die Konviktstraße: Die Freiburger Innenstadt ist in ihrer Klasse nach einer Studie die zweitattraktivste in Deutschland. Regelungen für Teilzeitarbeit, oder Fachkräftemangel treiben die Unternehmer um. Zwar ist der Konjunkturindex gerade zum siebten Mal in Folge gestiegen. Aber eine „gewisse Skepsis ist schon da, wie lange der Index noch weiter steigen kann“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Kempff. Er fürchtet, dass sich Politik und Wirtschaft auseinanderleben. Mehr als jedes dritte Unternehmen sehe die nationale Wirtschaftspolitik als Risikofaktor. Der Wert, der zuletzt noch unter 30 Prozent gelegen hatte, ist nun auf 37 angestiegen. „Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist damit zu rechnen, dass die Verfügbarkeit von Facharbeitern in Zukunft sogar noch stärker als limitierender Faktor auftreten wird“, so Kempff. Philipp Peters
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Titel
Bitte ein Bit
Die Kryptowährung – doch brauchen
Bitcoins boomt mal wieder wir sie überhaupt?
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Illustration: © istockphoto.com / erhui1979; Collage: © bib
ie treffen sich am Freiburger Hauptbahnhof. Der eine bringt das Geld, der andere die Ware. Ein kurzer Blick, ein Handschlag, ein paar Worte, dann die Geldübergabe, und binnen weniger Momente ist der Deal gemacht. Das Gut hat den Besitzer gewechselt. Es geht um: Bitcoins.
Bitcoins sind eine digitale Währung. Von Hochleistungscomputern erzeugtes Geld, das ohne Staaten und Banken auskommt, aber auf der ganzen Welt gültig ist. Zumindest theoretisch. Der Kurs richtet sich immer nach der Nachfrage. In Internetforen wird es angeboten, dort werden Treffpunkte ausgemacht, Geldübergaben vereinbart. „So bin ich auch an meine Bitcoins gekommen“, erinnert sich Sven Jansen. Jansen ist im Hauptberuf Vorstand des IT-Unternehmens Esono aus Freiburg. Seine Firma entwickelt Shop-Lösungen für Websites, hat unter anderem den Shop von Media-Markt mit aufgebaut. Als Technikfreak hat er sich auch für die Kryptowährung interessiert. Sogar mit Rechnern im eigenen Keller selbst neue Bitcoins geschürft. Denn Bitcoins werden in einem aufwändigen Prozess von Hochleistungscomputern erzeugt. „Gerechnet hat sich das für mich nicht wirklich“, so Jansen. „Aber die Wäsche ist schneller getrocknet.“ Er lacht. Mittlerweile hat er auch seine Bitcoins wieder verkauft. Und darüber ärgert er sich. Denn aktuell erfahren die Bitcoins einen Hype: Der Kurs für einen Bitcoin durchbrach Ende Februar erstmals die Schwelle von 1200 US-Dollar. Ein neu-
er Rekord und ein beachtlicher Anstieg in kürzester Zeit, denn am 11. November 2016 lag der Kurs gerade mal bei 658 Dollar. Angetrieben wird die Digitalwährung unter anderem von Meldungen, dass die US-Finanzaufsicht demnächst einen ersten Investmentfonds mit Bitcoins zulassen werde. Doch bislang sind Bitcoins weniger ein gebräuchliches Zahlungsmittel und vor allem eine Geldanlage. „Eine hoch spekulative“, sagt Nadine Rückeshäuser vom Institut für Informatik und Gesellschaft an der Uni Freiburg. Sie vergleicht die Coins mit Aktien. Man spekuliert darauf, dass der Kurs steigt oder fällt, um sie dann wieder zu verkaufen. Für Sven Jansen hat das funktioniert. Er hat seine Bitcoins gewinnbringend wieder abgestoßen, jedoch deutlich unter dem Kurs, auf dem sie heute stehen. Fraglich ist allerdings, welchen Nutzen Bitcoins im täglichen Leben haben. Jansen hat zwar schon viele Bezahllösungen an Internetseiten gekoppelt. „Eine
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für Bitcoins war aber noch nicht dabei“, sagt er. Das liegt zum einen daran, dass es in der westlichen Welt immer noch ein gut organisiertes, halbwegs stabiles Bankensystem gibt. Zum anderen aber auch daran, dass sich andere Lösungen, wie etwa Paypal, längst durchgesetzt haben. Dort steht zwar mittelbar auch noch eine Bank dahinter, doch wird das System als unabhängig wahrgenommen. Und vor allem ist es mittlerweile so weit verbreitet, dass es jeder kennt. In China zum Beispiel ist das anders. Dort sind Bitcoins mittlerweile extrem populär. „Auch in Argentinien sind Bitcoins weiter verbreitet“, bestätigt Rückeshäuser. „Dort ist die Währung noch volatiler.“ Laut Schätzungen befinden sich aber aktuell etwa 80 Prozent der weltweiten Bitcoin-Reserven auf chinesischen Rechnern. Auch in Zypern, wo man schlechte Erfahrungen mit dem Bankensystem gemacht hat, soll jetzt etwa die Zahlung von Studiengebühren per Bitcoin ermöglicht werden.
190 – 180 – 170 – 160 – 150 – 140 – 130 – 120 – 110 – 100 – 90 – 80 – 70 – 60 – 50
Titel
Gesamtzahl aller BitcoinTransaktionen weltweit von Januar 2015 bis Januar 2017 (in Millionen).
Jan. Febr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 2015
2016
Das Internetportal Coinmap sammelt weltweit Bezahlstellen mit Bitcoins. Auf der Karte ist Freiburg und das gesamte Südbaden noch ein weißer Fleck. Ein paar Kilometer weiter südlich sieht es anders aus. In Basel etwa kann man in Szenekneipen, beim Kunsttherapeuten und sogar bei einem Zahnarzt mit Bitcoins bezahlen. Per Smartphone. Ein hübscher Marketinggag sei das, mehr nicht, räumt Rückeshäuser ein. „Ich selbst würde nicht mit Bitcoins bezahlen.“ Denn 16,20 – 16,10 – 16,00 – 15,90 – 15,80 – 15,70 – 15,60 – 15,50 – 15,40 – 15,30 – 15,20 – 15,10 – 15,00 Jan. Febr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. 2016
Rasanter Anstieg: Zahl (in Mio.) der sich im Umlauf befindlichen Bitcoins.
Jan. Febr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan.
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wie bei einer echten Aktie kann der Kurs auch fallen. Experten sehen sogar die Gefahr, dass die Spekulationsblase platzt und die Coins dann über Nacht gar nichts mehr wert sind. Und es gibt noch eine weitere Kehrseite der Medaille: Weil man für Bitcoins kein Bankkonto braucht und die Bezahlung anonym erfolgen kann, sind sie auch bei zwielichtigen Gestalten beliebt. Sie sind ein bevorzugtes Zahlungsmittel in den dunklen Gassen des Internets, im Darknet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Bitcoins immer wieder für schmutzige Geschäfte, etwa Drogen oder illegalen Waffenhandel oder auch für Geldwäsche missbraucht werden. Der US-amerikanische Drogenmarkplatz Silk Road war lange der wichtigste Handelsplatz für Bitcoins. Als das FBI den Online-Dealer im Oktober hochgehen ließ, wurden auch Bitcoins im Gesamtwert von mehr als 100 Millionen US-Dollar beschlagnahmt. Trotzdem hat sich die Zahl der Bitcoin-Transaktionen in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdreifacht. Waren es im Januar 2015 noch 58,4 Millionen Bitcoin-Transaktionen pro Monat, ist die Zahl bis in den Januar 2017 auf 192,5 Millionen angestiegen. Ein Plus von 229 Prozent. Die Kryptowährungs-Expertin Rückeshäuser glaubt aber nicht, dass die Bitcoins sich auf dem deutschen Markt durchsetzen werden. Interessanter sei die Technologie, die dahinter steht. Die sogenannte Blockchain erlaubt eine hochwertige Form der Verschlüsselung. Banken, in der freien Wildbahn der natürliche Feind der Bitcoins, arbeiten auch an Blockchain-Anwendungen. Auch in der Industrie wird die Technik schon eingesetzt. Etwa im Supply-Chain-Management, um die Herkunft der Warenströme in der industriellen Produktion besser zu durchschauen. Philipp Peters chilli | business im Breisgau | 03.2017 | 7
Geldanlage
Die Maschen der Kassen BGH erlaubt das Kündigen von alten Bausparverträgen – doch noch sind nicht alle Streitfragen geklärt
Geld oder Haus? Viele Bausparer nutzen ihre hochverzinsten Verträge lieber als Geldanlage statt für ein Immobiliendarlehen – dem hat der BGH jetzt einen Riegel vorgeschoben.
D
rei Prozent Zinsen – was sich für Sparer in Nullzinszeiten paradiesisch anhört, ist für Bausparkassen ein Albtraum. Mit immer neuen Tricks versuchen die Kassen daher, ihr Geschäftsmodell zu retten: Sie verlangen Gebühren oder drängen Sparer aus ihren lukrativen Verträgen. Während Verbraucherschützer zum Widerspruch gegen zusätzliche Kosten aufrufen, ist die Kündigung von Altverträgen laut einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) rechtens. Doch nicht in jedem Fall ist das letzte Wort gesprochen.
langung der Zuteilungsreife“ sei die Bausparkasse dazu berechtigt. Was in dem Schreiben von Anfang Februar dem Bausparer gegenüber bereits als Fakt präsentiert wird, bestätigte das BGH erst am 21. Februar offiziell. Zwei Frauen mit Wüstenrot-Verträgen hatten geklagt, weil ihnen die Bausparkasse gekündigt hatte: Einer der Verträge war bereits seit 1993 zuteilungsreif, doch die Klägerin ließ ihn weiterlaufen, ohne ein Darlehen in Anspruch zu nehmen. Die Karlsruher Richter gaben der Kasse recht: Sinn der Bausparidee sei es nicht, alte Verträge als reine Geldanlage zu nutzen, indem man sie jahrelang weiterlaufen lasse. Nach einer Schonfrist von zehn Jahren dürfen die Kassen ihren Kunden daher kündigen. Das Urteil wird vermutlich eine zweite Welle von Kündigungen lostreten. „Die Bausparkassen wähnen sich nun in Rechtssicherheit“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Doch was ist, wenn Kunden nachweisen können, dass ihnen der Vertrag als Anlageprodukt verkauft wurde? Wenn etwa die Großeltern einen Vertrag für den Enkel abgeschlossen haben, der an seinem zwölften Geburtstag zuteilungsreif wurde – ein Alter, in dem ein Immobilienkauf unmöglich ist? Zudem gebe es Werbematerial von BHW oder Wüstenrot, das darauf abziele, Bausparverträge gezielt als Geldanlage zu verkaufen. Mehr als hundert Fälle sind noch beim
Foto: © tbr
Verträge wurden als Geldanlage verkauft
Der Brief, der an diesem Morgen in einem Reihenhaus in Freiburg-Hochdorf in den Briefkasten flattert, ist einer von rund 260.000, die die Bausparkassen in den vergangenen Monaten abgeschickt haben. „Vermutlich haben sie die Ihnen aus dem Bausparvertrag zustehenden Rechte in den vergangenen Jahren aus den Augen verloren“, heißt es in dem Schreiben der Debeka Bausparkasse. Mitnichten. Der Adressat des Schreibens hat sich vor gut einem Jahr ein Eigenheim gekauft – und seine beiden Verträge dafür ganz bewusst außen vor gelassen. 1,7 Prozent Tilgungszinsen standen 3 Prozent Bausparzinsen gegenüber. Da ist die Entscheidung nicht schwergefallen. Doch nun droht die Bausparkasse, den Vertrag aufzulösen: „Nach Ablauf von zehn Jahren seit erstmaliger Er8 | chilli | business im Breisgau | 03.2017
Geldanlage
BGH anhängig. Nauhauser hofft, dass einige Kläger am Ball bleiben: „Ich will nicht ausschließen, dass wir noch in diesem Jahr ein anderes Urteil hören.“ Zudem haben auch viele Bausparer, deren Verträge noch gar nicht zuteilungsreif sind, seit Jahresbeginn Post bekommen: So hat die Debeka ihren mehr als 800.000 Kunden mitgeteilt, dass sie rückwirkend zum 1. Januar eine „Servicegebühr“ zahlen sollen. Je nach Tarif werden 12 oder 24 Euro fällig. Die Mitteilung landete nicht als einzelne Sendung bei den Bausparern, sondern – leicht zu übersehen – zusammen mit einem ganzen Packen von Unterlagen. Dabei ist für die Sparer schnelles Handeln angesagt: Sie können den nachträglichen Änderungen der Geschäftsbedingungen nur innerhalb von zwei Monaten widersprechen. Ein Musterschreiben dafür gibt es etwa bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Dort sieht man es besonders widersprüchlich, dass für die einzelnen Tarife unterschiedlich hohe Gebühren verlangt werden: Warum solle die Verwaltung eines Tarifes mit höheren Guthabenzinsen teurer sein als die Verwaltung anderer Tarife? Das aktuelle Urteil lasse das Entgelt zudem „noch absurder erscheinen“, so Nau-
Urteil macht Gebühren »noch absurder« hauser. Solange kein Darlehen beantragt wird, hat das BGH den Kassen die Rolle des Kreditnehmers zugeteilt – der nun von seinem Kreditgeber eine Servicegebühr fordert: „Das ist, als würde ein Kunde seiner Bank schreiben und von ihr eine Gebühr verlangen." Die Debeka ist nicht die einzige Bausparkasse, die das versucht. Zahlreiche Kassen, etwa auch die Schwä-
bisch Hall, wollten von ihren Kunden bereits eine Darlehensgebühr. Im Gegensatz zu der Servicegebühr, die als Fixbetrag geltend gemacht wird, würde hier ein bestimmter Prozentsatz der Kreditsumme fällig. Der BGH hatte dieser Gebühr im November vergangenen Jahres eine Absage erteilt – Bausparer können ihr Geld nun zurückfordern, sofern ihr Anspruch nicht verjährt ist. Nauhauser geht davon aus, dass das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht ist: „Die Kassen werden noch mit weiteren Kündigungsmaschen vor Gericht ziehen.“ Ob das einen Imageschaden nach sich zieht, bleibe abzuwarten. Gehe man von den Aktienkursen aus, würde bei den Kassen die Erleichterung momentan überwiegen. Aber eines sei schon sicher: „Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Verträge hat massiv gelitten.“ Tanja Bruckert 5 Anzeige
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Interview
Niedrigzins attackiert Geschäftsmodell Die Bankbosse Marcel Thimm und Uwe Barth haben ein Problem: zu viel Geld
Zwei Banker, ein Auftrag: Uwe Barth (links) und Marcel Thimm (Mitte) brauchen mehr Kreditgeschäft, um sich gegen die niedrigeren Erträge zu stemmen.
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Fotos: tbr
ie sind die großen Finanzierer des Mittelstands im Großraum Freiburg, die Sparkasse und die Volksbank in Freiburg. Wer sich mit den Vorstandsvorsitzenden Marcel Thimm und Uwe Barth an einen Tisch setzt, sitzt mit einer Bilanzsumme von 8,8 Milliarden Euro zusammen. Mit laufenden Krediten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Allein 2016 kamen 348 Millionen dazu. Die beiden Bankbosse berichten im Gespräch mit den business-im-Breisgau-Redakteuren Lars Bargmann und Tanja Bruckert über das abgelaufene Geschäftsjahr, die Gefahren für ihre Geschäftsmodelle und die nötige Schließung weiterer Filialen. Und zu viel Geld auf ihren Konten. business im Breisgau: Die hauptsächlich durch die Politik der Europäischen Zentralbank verursachte flache Zinskurve beeinträchtigt weiter das Geschäftsmodell von Volksbanken und Sparkassen. Sie warnten wiederholt vor Ertragseinbrüchen. Haben aber in Ihren jüngsten Bilanzen kaum welche. Warum?
Barth: Wir haben schon manchmal ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn man sich seit Jahren hinstellt und sagt, alles wird schlechter, aber tatsächlich werden die Zahlen nicht schlechter. Wir hatten tatsächlich wieder ein sehr gutes Jahr, auch wenn es nicht mehr ganz so ertragsstark war wie 2015. Zwar wird 2017 auch nochmal ein Jahr mit ordentlichen Ergebnissen sein, aber die Dynamik mit niedrigeren Erträgen aus dem Zinsgeschäft wird 2018, 2019 sicher zunehmen. Thimm: Wir stemmen uns mit ganzer Kraft gegen den sinkenden Trend – mit Erfolg. Das heißt nicht, dass wir das Abschmelzen egalisieren können, aber wir können den Prozess abbremsen. Wir haben 2016 das zweite Jahr in Folge sinkende Zinsüberschüsse mit beschleunigender Tendenz, sechs Millionen Euro weniger als 2015. Das konnten wir zur Hälfte durch Provisionssteigerungen und Kostenreduzierungen kompensieren, sodass unterm Strich drei Millionen weniger Betriebsergebnis verbleiben. Ein immer noch sehr auskömmliches Niveau. Den Rückenwind haben wir vom Kundengeschäft, weil wir in einer prosperierenden Region leben. Insbesondere
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das Kreditgeschäft war im letzten Jahr erneut sehr gut, wir haben ein Wachstum von 6,1 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro und nahezu 1,2 Milliarden Euro neue Kredite. So ein Wachstum hatten wir seit der Jahrtausendwende nicht mehr. bib: Wie stark werden die Erträge wegen des Zinsumfelds bis zur Bilanz 2020 einbrechen? Thimm: Unser Ziel heißt, dass wir 2020 den Ergebnisrückgang gegenüber dem Höchststand im Jahr 2015 auf ein Drittel begrenzen können. Barth: Wir rechnen damit, dass der Zinsüberschusses um etwa 20 bis 25 Prozent zurückgeht. Weil wir aber zwei Drittel des Ertrags aus den Zinsen generieren, denken wir, dass das Ergebnis um ein Drittel zurückgeht. Die Frage wird sein, wie weit wir uns mit Kosteneinsparungen, mehr Produktivität und Wachstum dagegen stemmen können. Beim Wachstum ist sehr wichtig, wie sich die Region entwickelt. bib: Die Stadt Freiburg will in den nächsten beiden Jahren 170 Millionen Euro, die Stadttöchter 270, die
Interview
Bilanz-Box Sparkasse Freiburg 2016 Bilanzsumme 5,80 Mrd. € Betreutes Kundenvolumen 10,54 Mrd. € – in Krediten 4,47 Mrd. € – in Einlagen / Wertpapieren 6,06 Mrd. € Ertrag 165 Mio. € – aus Zinsen 113 Mio. € – aus Provisionen 52 Mio. € Personal- & Sachkosten 102 Mio. € Operatives Ergebnis 63 Mio. € Ergebnis vor Steuern* 27 Mio. € Steuern 20 Mio. € Überschuss 7 Mio. € CIR** 60,8 Geschäftsstellen 52 Mitarbeiter 1174 Marcel Thimm: »Fast eine Schlaraffenlandsituation.«
Badenova 160 Millionen Euro investieren. Wichtige Impulse für das Neugeschäft? Thimm: Wo investiert wird, gibt es Finanzierungsbedarf. Unternehmen wachsen aber, damit sie mehr Gewinn machen. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir brauchen Wachstum, um die Abschmelzung abzumildern. Wenn man sieht, was in der Kreditwirtschaft in Deutschland los ist, können wir Regionalbanken mit unseren Ergebnissen heute aber zufrieden sein. bib: Trotz des Drucks auf Ihre Häuser sind Sie weiter in der Lage, die angefragten Kredite ausgeben zu können? Barth: Die Volksbank ist klassisch eine starke Einlagenbank: Wir haben mehr Einlagen als wir Kredite vergeben, deswegen mache ich mir um die Refinanzierung der Kredite keine Sorgen. Aber das Eigenkapital muss mitwachsen, wir haben jetzt eine Gesamtkapitalquote von 17,4 Prozent. Der Schlüssel zu Kreditwachstum ist Eigenkapitalwachstum. Eigenkapital wird bei einer Volksbank über Gewinne gebildet. Deshalb kann man nicht sagen, es ist alles gar kein Problem. Auf die nächsten zwei, drei Jahre
(Vergleich zu 2015) (+469 Mio.) (+644 Mio.) (+258 Mio.) (+386 Mio.) (-4 Mio.) (-6 Mio.) (+2 Mio.) (-1 Mio.) (-3 Mio.) (- 1 Mio.) (+/- 0 Mio.) (-1 Mio.) (+ 0,9%) (-17) (-52)
* nach Reservenbildung und Bewertungen / ** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus
sehe ich gar kein Problem, aber nach 2020 muss man sehen, wie die Entwicklung ist. Thimm: Wir haben eine ordentliche Kapitalquote, die bei etwa 16,5 Prozent liegt. Wir sind anders als die Volksbank traditionell eher kreditlastig, haben aber auch einen Liquiditätsüberschuss von etwa einer Milliarde, und das sollte auskömmlich sein, um auch in Zukunft alle Kreditwünsche zu bedienen. bib: Wenn das schwierige Zinsumfeld nur durch mehr Geschäft kompensierbar ist, woher kommt das? Verlieren andere Banken an Sie? Thimm: Zum einen machen wir mehr Geschäft, weil wir in einer prosperierenden Region arbeiten. Das ist nicht überall so. Es gibt Sparkassen im Schwarzwald, die seit zehn Jahren keine Bauträgermaßnahme mehr finanziert haben, weil es keine gegeben hat. Zudem gewinnen wir Regionalbanken seit der Finanzkrise, weil sich die Großen an der einen oder anderen Stelle etwas schwerer tun als wir. bib: Sparkassen und Volksbanken gelten als besonders sicher. Viele Kommunen hatten früher ihre Gelder bei
Investmentbanken angelegt – das Freiburger Rathaus etwa bei Lehman Brothers. Bringen Städte und Gemeinden nun das Geld vermehrt zu Ihnen? Thimm: Kommunen sind, weil sie ja unsere Träger sind, eine Hauptkundengruppe. Man kann schon sagen, dass seit der Finanzkrise der Liquiditätszufluss zu den Sparkassen und Genossenschaftsbanken zugenommen hat. Im Moment haben wir die Situation, dass wir sogar zu viele Einlagen haben. Das hat vielleicht auch etwas mit den Negativzinsen der anderen Banken zu tun: Wir spüren seit Herbst einen deutlich beschleunigten Einlagenzuwachs, insbesondere von gewerblichen und institutionellen Kunden. Da kam ein dreistelliger Millionenbetrag, der so groß ist, dass wir das Geld eigentlich gar nicht gebrauchen können. Wir müssen das zum Großteil durchleiten und bei der EZB mit Negativzinsen wieder anlegen. bib: Die Europäische Zentralbank verlangt seit etwa einem Jahr 0,4 Prozent Strafzinsen für kurzfristig geparktes Geld, was deutsche Banken nach Berechnungen von Barkow Consulting in 2016 schon rund 1,1 Milliarden Euro
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Interview
gekostet hat. Die Volksbank hat am 1. Februar Negativzinsen für Unternehmensvermögen oberhalb von 2,25 Millionen Euro eingeführt. Wird es diese bei der Sparkasse bald auch geben? Thimm: Wie unser Name schon sagt, tun wir uns als Sparkasse traditionell mit dem Thema Negativzinsen enorm schwer. Trotzdem: Wir gehen davon aus, dass auch wir im Laufe des Jahres Negativzinsen einführen müssen für institutionelle und gewerbliche Kunden und für größere Beträge. Wir werden dem Einlagenzuwachs sonst nicht mehr Herr. Barth: Mir ist wichtig zu betonen, dass es bei den Negativzinsen nicht darum geht, Geld zu verdienen. Wir vermeiden Kosten für die Volksbank und steuern unsere Liquidität, um die regulatorischen Vorgaben der Finanzaufsicht zu erfüllen. Wir beraten unsere Kunden und bieten Möglichkeiten an, Negativzinsen durch optimierte Geldanlagefristen zu vermeiden. bib: Wie viele Kunden zahlen aktuell Negativzinsen? Barth: Etwa 50. Thimm: Wir werden wohl für 150 Kunden nicht darum herumkommen. bib: Kommen bald auch Strafzinsen für Private? Thimm: Für Spareinlagen kann ich mir das nicht vorstellen. bib: Die GLS Bank verlangt von ihren Kunden einen Beitrag von fünf Euro im Monat. Wird es das bei Ihnen auch geben? Barth: Wir bieten eine ausgezeichnete Beratungsqualität in allen Finanzangelegenheiten für Privat- und Firmenkunden. Bisher wurden wir dafür durch den Ertrag aus Zinsertrag und Provisionen entlohnt. Wenn wir aber keine Zinserträge mehr haben, müssen wir uns etwas einfallen lassen, müssen überlegen, wie wir die Beratung anderweitig bepreisen oder Dienstleistungen nicht mehr anbieten. Deshalb planen wir in diesem Jahr eine Überarbeitung unserer Kontomodelle.
bib: Von Privaten Geld für Beratungen zu nehmen, ist ein großer Schritt … Barth: Die Branche ist selbst schuld, sie hat mit dem Anbieten von kostenlosen Konten einen riesigen Fehler gemacht. Es gibt ja sogar Banken, die zahlen noch Geld, wenn man ein Konto eröffnet. Damit wird eine wichtige Bankdienstleistung entwertet. Jetzt strampelt die Branche verzweifelt wieder zurück und versucht, diese Dienstleistung wieder ins rechte Licht zu rücken. Wir müssen den Kunden davon überzeugen, dass wir eine gute Dienstleistung bringen, damit er bereit ist, dafür zu zahlen. Thimm: Die reine Beratung kostet bisher nichts und wahrscheinlich bleibt das auch so. Unsere Preismodelle sehen aber vor, dass wir dort das Geld verlangen, wo der Kunde auch eine konkrete Leistung in Anspruch nimmt. bib: Die Sparkasse hat heute 52 Filialen, die Volksbank hat 32. Wie viele werden es 2020 sein? Thimm: Wir haben im vergangenen Jahr schon 17 Geschäftsstellen geschlossen und ich glaube, dass wir 2020 oder 2022 weniger als 40 haben werden. Barth: 1970 gab es 9000 Volks- und Raiffeisenbanken, heute gibt’s noch 990. Diese Veränderung wird weitergehen – und durch die Niedrigzinsphase weiter zunehmen. Vor sechs, sieben Jahren hatten wir knapp 40 Filialen, jetzt sind es noch 32. Ich schätze mal, dass wir 2020 noch zwischen 20 und 25 Filialen haben werden. bib: Und 2025? Wird es dann noch weitergehen oder ist irgendwann ein Punkt erreicht, wo man Geschäft und Akzeptanz verlieren würde? Barth: Eine spannende Frage. Wie entwickelt sich das Geschäftsmodell Regionalbanken, wenn wir eine dauerhaft niedrige Zinsphase haben, also japanische oder Schweizer Verhältnisse. Dann muss es noch tiefgreifendere Strukturveränderungen geben, damit das Geschäftsmodell funktionieren kann. Aber wann hört eine Regionalbank auf, Regionalbank zu sein?
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bib: Macht die Digitalisierung die Regionalbanken irgendwann überflüssig? Barth: Das glaube ich nicht. Die Digitalisierung ist Fluch und Segen. Vieles fällt weg, aber sie gibt uns auch die Möglichkeit, produktiver zu sein. bib: Die reinen Digitalkunden haben Sie bei der Vorlage Ihrer Bilanz nur mit fünf Prozent beziffert. Barth: Das ist eine Kundengruppe, die stark wachsen wird. Und ich sehe das sehr positiv: Der Kunde kann wählen, ob er die Regionalbank nur digital nutzt, nur analog, also persönlich, oder hybrid, also einen Teil digital, wenn er aber Beratung braucht, bekommt er die von uns. Und das können nur wir Regionalbanken. bib: Wie sicher ist das Geld bei Ihnen? Bis 2024 sollen auch die Gelder Ihrer Kunden in ein europäisches Sicherungssystem eingehen. Dann haften Ihre Sparer auch für das riskante Geschäft von Investmentbanken irgendwo in Europa … Thimm: Ich glaube, der Sparer und der Gläubiger einer Regionalbank sind sehr gut abgesichert. Das beginnt bei der Solidität eines einzelnen Hauses – da müssen wir uns vor niemandem verstecken. Das nächste sind die Verbundsysteme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die eine weitere Sicherheit bieten. Wenn man die Kraft des Verbundes sieht, schlafe ich als Gläubiger sehr gut. Nichtsdestotrotz gibt es diese Einlagensicherung, die gesamteuropäisiert werden soll. Wenn also in Spanien oder Portugal etwas passiert, soll unser angespartes Geld haften. Das wollen wir nicht. Eigentlich sollen sich alle an diesem europäischen Sicherungsfonds beteiligen, aber viele europäische Banken haben bisher nichts, was sie da reinschieben können. Eine Zentralisierung können wir uns höchstens dann vorstellen, wenn alle einzahlen und wenn die offensichtlichen Risiken anderer Bankensysteme bereinigt wurden. Barth: Wir wehren uns massiv dagegen und bekommen von der Politik Rückendeckung. Diese Überlegungen sind
Interview
Bilanz-Box Volksbank Freiburg 2016 Bilanzsumme Betreutes Kundenvolumen – in Krediten – in Einlagen / Wertpapieren Ertrag – aus Zinsen – aus Provisionen Personal- & Sachkosten Operatives Ergebnis Ergebnis vor Steuern* Steuern Überschuss CIR** Geschäftsstellen Mitarbeiter Uwe Barth: »Ich wäre gerne wieder mehr Unternehmer.«
besonders absurd, wenn man sieht, wie gut das Sicherungssystem der Sparkassen und Volksbanken seit weit über 100 Jahren funktioniert. Noch nie hat ein Sparer bei uns Geld verloren. Wenn es mal einer Bank schlecht ging, hat das der Sparer oft gar nicht mitbekommen, weil sie mit den angesparten Mitteln des Verbunds still und heimlich saniert wurde. bib: Zwar ist das Zinsumfeld weiter schlecht, das wirtschaftliche Umfeld aber ist gut. Das Statistische Bundesamt hat fürs vierte Quartal mit 43,7 Millionen Erwerbstätigen einen Beschäftigungsrekord gemeldet. Das spiegelt sich in Ihren Bilanzen? Thimm: Vom wirtschaftlichen Umfeld her haben wir fast eine Schlaraffenlandsituation. Die Agenda 2010 war eine gute Entscheidung. Ich kann mich, seit ich im Geschäft bin, an keine so gute Phase erinnern und dadurch haben wir nicht nur Wachstum, sondern auch so eine entspannte Risikosituation, wie ich sie noch nie erlebt habe. Das gibt Rückenwind. Wenn man weniger Betriebsergebnis hat, das aber komplett behalten darf, weil man nichts für Risiken zurücklegen muss, ist das erfreulich. Leider wird das nicht immer so bleiben.
3,07 Mrd. € 5,54 Mrd. € 2,04 Mrd. € 3,50 Mrd. € 81,9 Mio. € 59,8 Mio. € 22,1 Mio. € 52,1 Mio. € 30,0 Mio. € 13,2 Mio. € 9,1 Mio. € 4,1 Mio. € 63 32 512
(Vergleich zu 2015) (+70 Mio.) (+190 Mio.) (+90 Mio.) (+100 Mio.) (-2,3 Mio.) (-1,6 Mio.) (-0,7 Mio.) (+2,4 Mio.) (-3,2 Mio.) (-2,4 Mio.) (-2,3 Mio.) (+ 0,1 Mio.) (+3) (-4) (-6)
* nach Reservenbildung und Bewertungen / ** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus
bib: Das Ceta-Abkommen für mehr Freihandel zwischen Europa und Kanada ist nach jahrelangem Streit nun provisorisch in Kraft, die nationalen Parlamente müssen es aber noch billigen. Wie bewerten Sie das? Thimm: Alles, was bisher an Freihandelsabkommen gemacht wurde, war gut für uns – vorneweg die Europäische Vereinigung. Das hat uns als exportorientierte Nation immer mehr genutzt als geschadet. Darum sehe ich solche Abkommen positiv. Barth: Ich auch. Deutschland profitiert extrem vom Freihandel. Ich verstehe aber auch die Ängste rund um die Globalisierung. Auch ich will kein genverändertes Fleisch auf dem Teller haben, weil der Verbraucherschutz aufgelöst wird. bib: Neben dem Niedrigzinszustand fordert die Regulatorik erhebliche Kraftanstrengungen von Ihnen. Thimm: Ich will die Regulatorik nicht per se verteufeln. Wir haben Beispiele aus der Vergangenheit, wie Basel II, wo die Bankenaufsicht nach der Jahrtausendwende auf die Kreditausfälle reagiert hat, das hat gewirkt. Basel III ist im Prinzip auch richtig. Aber der Verbraucherschutz macht uns das Leben
unnötig schwer. Stichwort Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Unnötig. Dann das Geldwäschegesetz. Wenn heute ein neuer Kunde zu uns kommt, müssen wir für zig Länder abfragen, ob er irgendwelche Steuerprobleme hat. Er muss umfangreiche Fragebögen ausfüllen und erklären, wohin er Verbindungen hat, und wir müssen prüfen, wie plausibel das ist. Barth: Ich wäre gerne wieder mehr Unternehmer und nicht jemand, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, Gesetze und Regularien zu erfüllen. Im Aufsichtsrat haben wir früher über die Entwicklung der Volksbank diskutiert, über die Interessen der Mitglieder, über den Genossenschaftsgedanken. Heute geht es über zwei Stunden nur um Regularien und Gesetzeserfüllungen. Das sind Sachen, die an der Wirklichkeit von dem, was wir machen, meilenweit vorbeigehen. Wir sind mittlerweile total überreguliert – das macht uns nicht besser, sondern nur schlechter.
bib: Herr Thimm, Herr Barth, vielen Dank für dieses Gespräch.
chilli | business im Breisgau | 03.2017 | 13
Arbeitsmarkt
Sprung in ein besseres Leben: Braucht Deutschland 400.000 Zuwanderer jährlich?
Dunkle Wolken über dem Arbeitsmarkt Gespaltene Positionen zu einem Einwanderungsgesetz
T
Illustration: © istockphoto.com / erhui1979; Collage: © bib
rump würde vermutlich von „alternativen Fakten“ sprechen. Jahrelang hat die politische Elite Deutschlands die Mär verteidigt, dass die Bundesrepublik kein Einwanderungsland sei. Die Realität sieht anders aus: Laut Statistischem Bundesamt hatten 2014 schon 16,39 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Allein 2013 kamen mehr als 1,2 Millionen Zuwanderer. 2015 lag der Ausländeranteil bei knapp zehn, in den USA zum gleichen Zeitpunkt bei sieben Prozent. Das muss kein Nachteil für Deutschland sein. Christian Ramm, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg, sieht auch Chancen: „Wirtschaft und Arbeitsmarkt boomen. Wachstum und Wohlstand scheinen gesichert. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ziehen aber dunkle Wolken auf.“ Schon in wenigen Jahren fehlten wichtige Fachkräfte, wenn nicht aktiv etwas dagegen getan werde.
Etwa Voraussetzungen für eine gezielte Zuwanderung schaffen: „Selbst wenn wir alle inländischen Potenziale ausschöpfen, hält das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung einen positiven Wanderungssaldo von jährlich 400.000 Menschen bis zum Jahr 2050 für erforderlich, damit der aktuelle Beschäftigungsstand in Deutschland gehalten werden kann.“
Zuwanderung in die Sozialsysteme? Gezielte Zuwanderung? Tatsächlich geschieht Zuwanderung nach Deutschland – neben der Freizügigkeit innerhalb der EU – praktisch ausschließlich über Asylverfahren und durch Flüchtlinge. Das bedeutet, dass es kaum Einfluss gibt, wer kommt. Damit tauchen Sprachprobleme auf, sind Berufsausbildungen mangelhaft, nicht kompatibel oder gar nicht vorhanden.
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Unternehmer wie Verbände gehen davon aus, dass es mindestens zwei bis sieben Jahre dauert, bis die Zugewanderten in den Arbeitsprozess eingegliedert sind. Wenn es sich nicht, wie Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, düster meint, in vielen Fällen einfach nur um Zuwanderung in die Sozialsysteme handelt. Andreas Kempff, der Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, spricht aus, was viele Unternehmer in der Region fordern: „Die Industrie- und Handelskammern haben die Gefahren des demografischen Wandels für die Wirtschaft früh erkannt und sich für ein Gesetz starkgemacht, mit dem die Zuwanderung im Interesse des Landes gesteuert wird.“ Bereits vor 16 Jahren bilanzierte die Unabhängige Kommission „Zuwanderung“: „Deutschland braucht dauerhafte und befristete Zuwanderung für den Arbeitsmarkt – wie andere Länder auch.“
Arbeitsmarkt
Doch trotz wiederholter Warnungen aus Wirtschaft und Wissenschaft hat die Politik entweder die Zeichen der Zeit nicht erkannt oder nicht den Mut gehabt, das Thema anzupacken. Besonders kurzsichtige Politiker haben sich lieber mit dem Spruch „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ bei ihren Wählern profiliert. Hätte die Politik das Thema frühzeitig in Angriff genommen, hätte der Fachkräftemangel nicht das heutige Niveau erreicht und es wäre mehr Zeit für die Integration der Zuwanderer da gewesen. Erst jetzt entdecken die Parteien das Thema für sich. Und sind uneins. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster, einer der profiliertesten Innenpolitiker der Nation, sieht weiterhin keine Notwendigkeit, etwas zu tun: „Schon vor der Flüchtlingskrise war Deutschland Einwanderungsland Nummer 2, gleich nach den USA. Das ist für mich das beste Zeichen, dass wir vieles richtig machen. Wir werden daher weder die Regeln verschärfen noch ausweiten.“ Allenfalls die vielen Einzelregelungen – etwa wie die Blaue Karte EU – und Gesetze in einem Einwanderungsgesetz zusammenfassen. Über die Blaue Karte wandern indes nur wenige ein – 2015 war von 14.000 möglichen Plätzen nur ein Drittel vergeben, denn die Bewerber müssen ein jährliches Mindesteinkommen von 48.400 Euro nachweisen, oder 37.752 Euro in Berufen, in denen aktuell Arbeitskräfte fehlen. Der Hauptstrom der Zuwanderung kommt aus der Flüchtlingswelle. Christa Porten-Wollersheim vom Verband deutscher Unternehmerinnen fordert „schnelle Asylverfahren, um rasch Klarheit über die Bleibeperspektive der Betroffenen zu gewinnen“, zudem müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine rasche Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge verbessert werden.
Kommentar
Die SPD favorisiert ein an der kanadischen Einwanderungspraxis orientiertes „Punktesystem“. Punkte gibt es für Qualifikation, Sprachkenntnisse, Alter – und für ein konkretes Arbeitsangebot. Uni-Absolventen brauchen 65 von 100 Punkten, Facharbeiter 60 – dann steht man auf der Bewerberliste. Asylbewerber bleiben, so die SPD, jedoch ausgeklammert, ein Asylantrag kann nicht zum Einwanderungsantrag werden. Während die CDU nicht recht weiß, was sie genau will, sprechen sich SPD und FDP für das Kanada-Modell aus und die Grünen lassen erkennen, dass sie damit leben könnten. Die Linke lehnt das System indes als „selektiv“ ab. Eine Punkteregelung würde aber eine Obergrenze zur Folge haben, die für Arbeitsmigranten jährlich neu festgelegt werden müsste. Diese könnte, so Thomas Oppermann, Fraktionschef der SPD, der Bundestag „in einer offenen Diskussion beschließen.“ Aber: „Zuwanderungsobergrenzen, egal in welcher Ausgestaltung, sind bei Bundeskanzlerin Angela Merkel ein ‚no go‘.“ Das mussten auch Armin Schuster und sein CSU-Kollege Stephan Mayer erfahren. Sie haben einen Kompromissvorschlag zur Obergrenze erarbeitet, der keine starre Zahl von 200.000 vorsieht, sondern ein „atmendes System“. Durch jährlich angepasste Richtwerte soll so die aktuelle Lage und Leistungsfähigkeit des Landes berücksichtigt werden. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit von Flüchtlingen hänge von sich ständig verändernden Faktoren ab, etwa der Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes oder auch der Behördenauslastung. Ein durch eine unabhängige Kommission regelmäßig zu bestimmender atmender Richtwert wäre „ein Signal an andere EU-Länder, die sich bisher zu wenig solidarisch zeigen." Stefan Pawellek
Obergrenzen sind für Merkel ein »no go«
Gegen die Menschenhändler Deutschland sei kein Zuwanderungsland, so lautet eine längst widerlegte Behauptung vieler Politiker. Dabei müsste ihnen angesichts der Tatsache, dass viele Asylbewerber auch Wirtschaftsflüchtlinge sind - mithin keinen echten Asylgrund haben - schon lange dämmern, dass Deutschland aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und gesellschaftlichen Stabilität ein attraktives Land zum Leben ist. Demografische Entwicklung und die Tendenz zur Universität statt zur Lehrstelle rufen in der Bundesrepublik einen Nachwuchs- und Fachkräftemangel hervor. Spätestens jetzt sollte die Politik begreifen, dass man aus der Not eine Tugend machen kann: Wer Sprachkenntnisse mitbringt, über eine Schul- oder sogar Berufsausbildung verfügt, ja vielleicht vereinzelt schon Kontakte in die bundesdeutsche Wirtschaft geknüpft hat, hat gute Aussichten, hier schnell sozial und beruflich integriert zu sein und ist willkommen. Wer hier von Selektion spricht, der irrt, möglicherweise sogar böswillig. Denn wenn es ganz klare Regeln für eine Zuwanderung gibt, bricht Schleppern und Menschenhändlern ein Großteil ihres schmutzigen Geschäftes weg. Wer ein besseres Leben bei uns will, muss dieses dann nicht mit einer Schwindelei beginnen. Und nur jene, die politisch, religiös oder anders verfolgt sind, die in Kriegsgebieten leben und unseren Schutz verdienen, kommen als Asylbewerber oder Flüchtlinge zu uns. Ein Einwanderungsgesetz würde angesichts der aktuellen Weltlage für Deutschland einiges verbessern und manch menschliches Drama verhindern. Stefan Pawellek
chilli | business im Breisgau | 03.2017 | 15
Finanzen
Teure Rücklagen Negativzinsen der Banken betreffen immer mehr Kommunen
Z
„Nach der Gemeindeordnung müssen Kommunen bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit achten, andererseits sollen die Geldanlagen einen angemessenen Ertrag bringen“, erläutert Stefanie Hinz, Vize-Hauptgeschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetags. „Sichere Geldanlagen mit Ertrag sind aber in der derzeitigen Niedrigzinsphase überaus schwierig zu finden.“ Andere Kommunen versuchen daher, durch interne Darlehen an ihre Gesellschaften die Summen auf den Banken gering zu „Strafzins“ ist ein Wort, das in der Bankenwelt nicht gerne halten oder bauen ihre Liquidität ab, indem sie mehr in die Ingehört wird. Kreditinstitute sprechen lieber von einem „Ver- frastruktur investieren. In Freiburg fließen die Guthaben der wahrentgelt“. An den Tatsachen ändert das nichts: Die EZB Eigenbetriebe und der Töchter in einen Cash-Pool ein. Durch den Zusammenschluss der Konten verlangt von ihren Großkunden sollen Schwankungen ausgeglichen – darunter vor allem Banken und werden. So ist hier stets kurzfristige Versicherungen – derzeit einen NeLiquidität verfügbar, die manchen gativzins von 0,4 Prozent. Und daKredit überflüssig macht. Dafür hat mit die nicht darauf sitzen bleiben, die Kämmerei 2010 ein Masterkongeben sie dieses „Verwahrentgelt“ an to bei der Sparkasse Freiburg-Nördihre Kunden weiter: Ab einer gewislicher Breisgau eingerichtet. Hier sen Einlagesumme – viele Banken werden momentan noch keine Nehaben eine Grenze von einer Million gativzinsen fällig. Euro gesetzt – müssen auch die AnAber auch das wird wohl noch leger zahlen. kommen: „Wir gehen davon aus, dass Betroffen sind in der Regel nur auch wir im Laufe des Jahres NegativFirmenkunden. Doch neben den Fizinsen einführen müssen“, sagt Marcel nanzchefs großer Unternehmen beThimm, Vorstandschef der Sparkasreiten die Negativzinsen auch immer se Freiburg-Nördlicher Breisgau. „Wir mehr Kämmerern und Bürgermeiswerden dem Einlagenzuwachs sonst tern Kopfzerbrechen. Wie der Städtenicht mehr Herr.“ Seit Herbst habe tag auf bib-Anfrage mitteilte, zahlen sich dieser Zuwachs deutlich beschleuin Baden-Württemberg etwa Konsnigt. Die Einlagen seien mittlerweile so tanz, Schopfheim und Heidenheim Die Zeiten ändern sich: Gab es früher Geld fürs hoch, dass die Sparkasse einen Großbereits Negativzinsen. Die Zahlun- angelegte Geld, müssen vermögende Firmen heute fürs teil bei der EZB mit Negativzinsen angen sind eher gering – in Konstanz Geldparken sogar bezahlen. legen muss. Leicht mache man sich seien 2016 nicht mehr als 2000 Euro angefallen – auch, weil man in den Kommunen fleißig umver- diese Entscheidung dennoch nicht: „In unserer Satzung steht drin, dass eine unserer Aufgaben die Erziehung der Bevölkerung zum teilt, um den Zahlungen zu entkommen. So hat etwa Bad Krozingen von der Sparkasse Staufen Brei- Sparen ist. Daher tun wir uns traditionell mit dem Thema Negasach und von der Volksbank Breisgau Süd ein Verwahrentgelt tivzinsen enorm schwer.“ (Mehr dazu im großen Bankbosse-Interangekündigt bekommen. Die Stadt sei daher daran, alle Beträge, view ab Seite 10.) die die Millionengrenze überschreiten, zur Volksbank Staufen zu Doch kaum eine Bank kann sich den Strafzins der EZB noch verlegen, heißt es aus dem Büro des Bürgermeisters. Diese plane leisten, ohne ihn weiterzugeben. Bei den meisten sinken die Zinsmomentan noch keine Negativzinsen. Auch in Teningen werden überschüsse kontinuierlich. Beispiele lassen sich auch in der die Rücklagen in Höhe von rund elf Millionen Euro möglichst Region finden: So ist bei der Sparkasse Offenburg der Übergeschickt auf fünf verschiedenen Konten platziert. So liegen etwa schuss von 2015 auf 2016 von 89 auf 83 Millionen Euro zubei der Volksbank Breisgau Nord 950.000 Euro als Tagesgeld – sammengeschrumpft, bei der Volksbank Lahr von 40,2 auf 37,6 Millionen. ab einer Million werden hier Negativzinsen fällig.
Illustrationen: © pixabay.com
u viel Geld auf der hohen Kante kann teuer werden: Immer mehr Banken geben die Strafzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) an ihre Großkunden weiter. Betroffen davon sind auch Städte und Gemeinden. Während etwa Konstanz und Schopfheim bereits zahlen, versuchen Gemeinden wie Bad Krozingen oder Teningen durch geschicktes Umverteilen den Strafzinsen zu entgehen.
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Finanzen
Anders sieht es bei der Bochumer GLS Bank mit Sitz in Freiburg aus: Hier ist der Zinsüberschuss von 69,2 auf 71,5 Millionen gestiegen. Grund zur Entwarnung sei das jedoch nicht. Im gleichen Zeitraum habe man die Zinsmarge von 1,74 auf 1,6 Prozent reduziert. Sollte die Zahl der Kundenkredite in Zukunft nicht mehr so stark steigen – 2015 haben die Kredite bei der GLS Freiburg um 25 Prozent zugelegt, die Einlagen um 5 Prozent –, kann sich die Situation schnell verschlechtern. Die sozial-ökologische Bank ist daher als Erste dazu übergegangen, neben den Kontoführungsgebühren einen Beitrag von fünf Euro pro Monat von ihren Kunden zu verlangen. „Uns ist es wichtig, alle Gebühren transparent zu machen“, so Vorstandssprecher Thomas Jorberg. So würden die Kontoführungsgebühren weiterhin alle Leistungen rund ums Konto finanzieren, während der GLS-Beitrag dazu verwendet wird, Grundleistungen wie die Beratung zu decken. Für Großkunden mit Einlagen von mehr als einer Million Euro fallen zudem Negativzinsen an. Knapp 200 GLS-Kunden – Firmen, aber auch Privatkunden – seien deutschlandweit davon betroffen. Auch in Südbaden rüsten immer mehr Banken in Sachen Negativzinsen nach (siehe Infokasten). Allein bei der Volksbank Freiburg werden rund 50 Kunden zur Kasse gebeten, bei der Freiburger Sparkasse rechnet man mit 150 potentiell Betroffenen – darunter auch einige Kommunen. Hier stoßen die Banken damit weitgehend auf Verständnis. „Wir können nicht auf der einen Seite geringste Zinssätze im Soll wollen und dann im Haben große Forderungen stellen“, so Bad Krozingens Pressesprecherin Daniela Sandmann. Auch bei der Freiburger Stadtkämmerei verweist man auf die günstigen Kredite. So habe man für den Bau des neuen Rathauses einen Kredit mit einem Zins von gerade einmal 0,05 Prozent im Jahr aufgenommen. Tanja Bruckert
Hier kostet’s Eine Auswahl von regionalen Banken mit Negativzins Volksbank Dreiländereck Kunden mit Einlagen ab einer Million Euro müssen seit Januar 2017 Negativzinsen zahlen. Für alle, die weniger auf dem Konto haben, ändert sich nichts: Eine Erhöhung der Kontogebühren ist nicht geplant.
Sparkasse Offenburg Seit Oktober 2016 zahlen Firmenkunden und Kommunen ab einer Einlagenhöhe von einer Million Euro Negativzinsen. Für Privatkunden bleibt die Situation unverändert: Die Kontoführungspreise sind seit Jahren gleich geblieben. Lediglich für das bis dato kostenlose Online-Konto fällt seit 2015 eine Gebühr an.
Volksbank Lahr Ab einem Freibetrag von 250.000 Euro werden seit dem 1. März Negativzinsen für Firmenkunden fällig. An den Kontogebühren soll sich nichts ändern.
GLS Freiburg Ab einer Million Euro werden Negativzinsen fällig – sowohl für Firmen- als auch Privatkunden. Zudem erhebt die Bank seit diesem Jahr einen GLS-Beitrag von fünf Euro pro Monat von ihren Kunden.
Volksbank Freiburg Seit 1. Februar zahlen Unternehmen mit Einlagen von mehr als 2,25 Millionen Euro den Negativzins. Die Kontoführungskosten sollen ebenfalls noch in diesem Jahr angepasst werden. 5 Anzeige
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Interview
»Befremdet zur Kenntnis genommen« Finanzbürgermeister Otto Neideck über Schulden, Vermögen und Versprechen
D
er Mann plant, im neuen Doppelhaushalt 80 Millionen Euro Schulden aufzunehmen und ist trotzdem bestens gelaunt. Ob es ein Kaffee sein dürfe? Freiburgs Finanzbürgermeister Otto Neideck (CDU) hat einen Entwurf mit einem Volumen von 1,95 Milliarden Euro vorgelegt. Der größte in der Geschichte Freiburgs. Im Gespräch mit bib-Chefredakteur Lars Bargmann erklärt er auch, warum seine Augen nicht tränen.
Foto: tbr
business im Breisgau: Herr Neideck, der Entwurf des Doppelhaushalts 2017/2018 rechnet mit den höchsten Erträgen überhaupt. Trotzdem wollen Sie noch Grundstücke im Wert von fast 37 Millionen Euro verkaufen und noch 80 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen. Warum? Ist es schwer, das den Freiburgern zu vermitteln? Neideck: Ja und nein. Wenn Bund und Länder schwarze Zahlen schreiben, ist es schwierig, darzustellen, dass wir Schulden aufnehmen müssen. Aber wer mit offenen Augen durch unsere Stadt geht, sieht an den Baustellen, welche vielfältigen Maßnahmen nötig sind, um der positiven Bevölkerungsentwicklung durch einen Ausbau unserer Infrastruktur Rechnung zu tragen. bib: 2006 hatte das Freiburger Rathaus 336 Millionen Euro Schulden, Ende 2014 nur noch 139 Millionen. Mit den neuen 80 wären es Ende 2018 wieder 250 Millionen. Tränt da nicht das Auge? Neideck: Nein, das Auge tränt nicht. Wir brauchen dieses Geld ja nicht für den Konsum, sondern weil wir in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt inves-
tieren. Übrigens steht unseren Schulden ein Vermögen von 1,2 Milliarden gegenüber. Das ist eine Eigenkapitalquote von rund 80 Prozent, das würde jeder Unternehmensbilanz sicherlich gut anstehen. Unsere Verschuldung ist also im Zeitalter des „billigen Geldes“ nicht besorgniserregend. bib: ... aber auch der Ergebnishaushalt ist mit rund 35 Millionen Euro defizitär ... Neideck: Das stimmt zwar, aber wir gleichen ihn mit Grundstücksverkäufen aus. Freiburg ist in den letzten 20 Jahren um 40.000 Einwohner gewachsen. Das bedeutet einfach zusätzliches Personal, etwa für Kindergärten, Schulkindbetreuung, Bürgerservice und neue Aufgaben im sozialen und ordnungspolitischen Bereich, aber auch die Integration von Flüchtlingen oder die Ausweisung neuer Baugebiete. bib: 1998 zahlte die Stadt 24,3 Millionen Euro Zinsen, wie viel waren es 2016? Wie viel wären es bei 250 Millionen? Neideck: 2016 waren es rund 4,6 Millionen. Bei Schulden von 250 Millionen Euro werden wir etwa eine Zinslast von 5,2 Millionen Euro in 2019 haben. bib: Das Geld ist so billig, da wäre es wirtschaftlicher Blödsinn, die Investitionen jetzt nicht zu machen? Neideck: Wenn man überlegt, wie die Baupreise klettern, ja. Alles, was wir jetzt machen können, ist eigentlich schon relativ bezahlt, weil wir die Inflationsrate später nicht bezahlen müssen. bib: Nach der Logik hätten Sie nicht die Instandhaltungen der städtischen Infrastruktur auf 24 Millionen halbieren sollen ...
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Otto Neideck: Schweren Herzens Maßnahmen schieben. Neideck: Im Prinzip richtig. Aber wir müssten das ja auch personell schaffen. So musste sich das Bürgermeisteramt schweren Herzens entscheiden, einen Teil der Maßnahmen zu schieben und Prioritäten zu setzen. bib: Wie bewerten Sie die Politik des Landes: Allein durch die Vorwegentnahme aus dem Finanzausgleich fehlen Ihnen elf Millionen Euro. Macht Stuttgart seine Nullverschuldung auf dem Rücken der Kommunen? Neideck: Wir haben befremdet zur Kenntnis genommen, dass das Land vollkommen unnötigerweise in den Finanzausgleich der Kommunen gegriffen und diese damit gezwungen hat, sich selber zu verschulden oder Steuern zu erhöhen. Die Spitzenverbände der Kommunen haben protestiert, aber ohne Erfolg.
Interview
bib: Im Gemeinderat scheint sich eine Mehrheit für eine erneute Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 420 auf 440 Prozent zu bilden. Das wäre landesweit spitze, könnte 14 Millionen Euro bringen. Ihre Fraktion ist dagegen. Was sagen Sie? Neideck: Hohe Hebesätze sind sicherlich nicht wirtschaftsfördernd. Für Standortentscheidungen wichtiger aber als Steuersätze sind die Verfügbarkeit von bezahlbaren Gewerbegrundstücken und das Potenzial von dringend benötigten Fachkräften. bib: Sie rechnen traditionell ihre Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen sehr konservativ. Im vergangenen Doppelhaushalt hatten Sie am Ende 40 Millionen Euro mehr. Die Fraktionen überlegen jetzt schon, was sie mit den neuen Mehreinnahmen machen … Neideck: Es ist meine Aufgabe, sicher und vorausschauend zu kalkulieren, wie es jeder gute Kaufmann macht. Damit sind wir in den letzten Jahren extrem gut gefahren. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir im Haushalt auch noch acht Millionen als globale Minderausgabe stehen haben. Sollten wir am Ende eines Jahres mehr Einnahmen haben, müssten wir weniger Schulden machen. Ein solches Ergebnis würde ich im März 2017 aber einfach nicht prognostizieren wollen. bib: Herr Neideck, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das investiert Freiburg
Info 1
In 2017 und 2018 will das Rathaus aus dem Finanzhaushalt insgesamt 170 Millionen Euro investieren. Die größten Brocken auf einen Blick:
- 80 Millionen Euro für den Hochbau:
darunter 16 fürs Augustiner, 7 für die Hauptfeuerwache, 4,2 fürs Stube-Areal in St. Georgen und 3 fürs Haus der Jugend.
- 40 Millionen Euro für Tiefbau:
darunter allein 7,5 für die Umgestaltung des Rotteckrings.
-26 Millionen Euro
für die Schulen: darunter je 5,5 für die Staudinger und die Pestalozzi-Schulen, 6,3 für die Adolf-Reichwein-Schule, je 5 für Unterhalt sowie Energiespar- und Brandschutz-Projekte.
So kommt Geld in die Kasse
Info 2
Das Rathaus geht von Gesamterträgen in 2017 in Höhe von 912 Millionen, 2018 in Höhe von 925,2 Millionen aus. Die größten Brocken auf einen Blick:
+ Finanzausgleich*: + Gewerbesteuer: + Grundsteuer: + Kommunaler Anteil an ESt.: + Gebühren/Bußgelder: + Grundstücksverkäufe: + Mieten/Pachten: + Konzessionsabgabe Badenova
429 Mio. € 358 Mio. € 100 Mio. € 220 Mio. € 102 Mio. € 37 Mio. € 42 Mio. € 24,7 Mio. €
Das kostet der normale Alltag
Info 3
Die Ausgaben im Ergebnishaushalt belaufen sich auf insgesamt 930 Millionen in 2017 und 943 Millionen Euro in 2018. Die größten Brocken auf einen Blick: - - - - - - -
Personal*: Zuschüsse an Vereine, Verbände, Institutionen: Städtische Kitas, Kinder- und Jugendhilfe: Zuschüsse an Freie Träger für Kitas: Eingliederungshilfe für Behinderte: Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger: Hilfe zur Pflege:
428 Mio. € (+ 270 Stellen) 244 Mio. € 216 Mio. € 151 Mio. € 79 Mio.€ 41 Mio. € 32 Mio. €
Das investieren die Stadttöchter
Info 4
Die Stadt Freiburg ist aktuell an 32 Unternehmen, 4 Zweckverbänden beteiligt und hat 5 Eigenbetriebe. Diese wollen in den nächsten beiden Jahren 270 Millionen Euro investieren. Die größten Brocken auf einen Blick: - - - -
Freiburger Stadtbau: 130 Mio. € Freiburger Verkehrs AG: 68 Mio € Fr. Kommunalbauten: 12,8 Mio € Fr. Abfallwirtschaft: 6 Mio. €
Zudem investiert die Badenova, an der die Stadt zu einem Drittel beteiligt ist, noch einmal 160 Millionen Euro. Gesamt also: 430 Mio. Euro.
chilli | business im Breisgau | 03.2017 | 19
*Alle Angaben für 2017 und 2018
bib: In der Haushaltsrede am 13. Dezember sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon, dass trotz aller Beteuerungen von Bund und Land die Kosten für die Flüchtlinge an der Stadt hängenbleiben. Wie viel blieb 2015 und 2016 hängen? Neideck: Wir gehen weiter davon aus, dass das Wort des Ministerpräsidenten gilt, spitz abzurechnen. Aber wir haben eine gewisse Sorge, dass es bei der Abrechnung in der Landesbürokratie anders interpretiert werden könnte. Genaue Zahlen kann ich Ihnen noch nicht nennen; angemeldet haben wir für 2015 rund 14 Millionen Euro.
Unternehmen
Das Online-Wunschkonzert Über den Sinn und Unsinn des Freiburger Beteiligungshaushalts
E
s ist eine Erfolgsbilanz wie aus dem Buche: Die Zahl der Teilnehmer ist im Vergleich zum Vorjahr um satte 1700 auf 4929 gestiegen, die Zahl der Kommentare hat sich mehr als verdoppelt, die der Bewertungen locker verdreifacht. Dabei sind die Kosten im Vergleich zum ersten Beteiligungshaushalt von vor acht Jahren nicht einmal mehr halb so hoch. Während der zuständige Bürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) daher voll des Lobes ist, hagelt es aus der Grünen-Fraktion Kritik. „Den Beteiligungshaushalt kann man streichen“, findet Gerhard Frey deutliche Worte. „Ich halte ihn für überflüssig.“ Hinter vielen erfolgreichen Vorschlägen steckten „Kampagnen“, macht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Freiburger Rathaus deutlich: Interessensgemeinschaften, die alle Hebel in Bewegung setzen, um noch den einen oder anderen Like mehr zu bekommen. So ist laut Beteiligungshaushalt ein sogenannter Pumptrack – eine asphaltierte Mountainbike-Strecke – die wichtigste Forderung der Freiburger. Ob das tatsächlich eine Mehrheitsmeinung widerspiegelt, mag bezweifelt werden. Schützenhilfe bekommt Frey, wenn auch deutlich zurückhaltender, von der Fraktionschefin: „Ich halte ihn zumindest für fragwürdig, weil er suggeriert, dass er eins zu eins umgesetzt wird“,
Foto: © clipdealer.de
Info
Knappe Kasse: Man kann den Euro nur einmal ausgeben.
so Maria Viethen. Dabei ist der Beteiligungshaushalt mitnichten ein bindendes Instrument: Diskutiert werden hier Anregungen, die der Gemeinderat bei seinen Anträgen beachten kann – oder auch nicht. Vor zwei Jahren haben es 19 der 220 Vorschläge in den Haushalt geschafft. Aus der Top Ten wurde fast jeder Vorschlag aufgenommen. Die beiden diesjährigen Favoriten – der Pumptrack und das Freibad West – werden voraussichtlich keine Mehrheit im Gemeinderat finden. Für das Freibad ist das nichts Neues, es hangelt sich seit Jahren von Beteiligungshaushalt zu Beteiligungshaushalt – trotz großer Zustimmung. Der Pumptrack ist jedoch dank des Onlinevotums bei manchen Fraktionen erstmals auf dem Radar aufgetaucht. „Wir haben ihn nur aufgrund des Beteiligungshaushalts bei unseren Anträgen aufgenommen“, sagt Atai Keller von den Unabhängigen Listen. „Das Online-Instrument hat bei unseren Beratungen eine sehr große Rolle gespielt – schließlich ist es ein Gradmesser der Stimmung in der Bevölkerung.“ Es ist der angespannten Finanzsituation geschuldet – die Verwaltung rechnet mit Neuschulden von 80 Millionen
Euro –, dass der neue Doppelhaushalt kein Wünsch-dir-was-Haushalt wird. Warum dann überhaupt ein OnlineWunschkonzert? Wären die Kosten von 106.723 Euro in diesem angespannten Haushalt nicht an anderer Stelle besser aufgehoben? „Ich würde mich sehr dagegen wehren, den Beteiligungshaushalt auszusetzen“, sagt von Kirchbach mit Nachdruck. „Er ist ein Erfolgsmodell, mit dem wir uns vor keiner anderen Stadt verstecken müssen.“ In Deutschland gibt es gerade einmal in 116 Kommunen Bürgerhaushalte, das sind rund 27 Prozent. Und nur 42 Städte und Gemeinden haben ihre Bürger mehr als zweimal mitsprechen lassen. Neben den Gesprächen mit den Fraktionen und der Bürgerumfrage sei das Online-Instrument – auch wegen seiner Transparenz und der niederschwelligen Beteiligung – eine sinnvolle Ergänzung. „Natürlich ist es eine Form der Lobbyarbeit, wenn man versucht, sein Anliegen zu pushen“, räumt der Bürgermeister ein, „aber auch, wenn einer 900 Leute mobilisiert, ihn zu unterstützen, gibt es noch 4800, die das ganz anders bewerten können.“ tbr
Der Beteiligungshaushalt (BHH) 2017/18 im Vergleich zu 2015/16 in Zahlen:
Teilnehmer: Zahl der Vorschläge: Anzahl der Bewertungen: Kommentare: Kosten: Kosten pro Teilnehmer: 20 | chilli | business im Breisgau | 03.2017
4929 403 26.990 2562 106.723,– € 22,– €
(3229) (223) (7866) (903) (1. BHH 2009/10: 226.391,– €) (2009/2010: 110,– €)
Unternehmen
Tradition unter neuem Namen TDK-Micronas spielt im Konzern eine besondere Rolle
Foto: © TDK Micronas Produktion Frontend
A
ls einer der größten gewerblichen Arbeitgeber Freiburgs hatte das Unternehmen bereits eine lange Geschichte als ITT INTERMETALL, bevor es 1997 von der Schweizer Micronas übernommen wurde. Im vergangenen Jahr wurde diese Firma unter dem neuen Namen TDK-Micronas in den japanischen TDK-Konzern integriert, der im vergangenen Jahr 10,2 Milliarden USDollar umsetzte und weltweit rund 93.000 Mitarbeiter beschäftigt, darunter nun auch etwa 900 in Freiburg. Die Umbenennung untermauert einerseits die Verbundenheit zum Mutterkonzern TDK und erhält andererseits den Namen Micronas, unter dem sich die Firma einen guten Ruf als Automobilzulieferer erarbeitet hat. TDK-Mi-
cronas produziert Magnetfeld-Sensoren und Steuerchips für Elektromotoren. Die nur wenige Millimeter großen Halbleiterprodukte werden in Module verbaut, die später im Auto oder in Industrieprodukten zu finden sind. TDK war früher etwa für Tonbandkassetten bekannt. Dieses Geschäft haben die Japaner vor zehn Jahren veräußert. Geblieben ist die Spezialisierung auf Magnetmaterialien und auf Schreibund Leseköpfe für Festplatten. TDK vertreibt Bauelemente, Module und Systeme, unter den Produktmarken TDK, EPCOS – und Micronas Die Erweiterung des Sensorgeschäfts mit der Übernahme von Micronas ist Teil der Firmenstrategie. Ihre Magnetmaterialien lassen sich mit Produkten und Technologien von TDK-Micronas optimal kombinieren. TDK Micronas
Hightech: Rund 900 Beschäftigte arbeiten für TDK-Micronas in Freiburg. spielt innerhalb des Mutterkonzerns eine besondere Rolle als KompetenzZentrum für Magnetfeldsensoren und steuert viel Know-how aus dem Bereich Sensorik und Steuerung mit dem Schwerpunkt auf Automobil- und Industrieelektronik bei. bib
Die ausgezeichnete WISAG Dienstleistungen nach Maß für Breisgauer Unternehmen
H
äufig lohnt es sich für produzierende Unternehmen, Dienstleistungen auszulagern. Das trägt zu mehr Flexibilität bei und senkt Kosten. Mehr als 800 Mitarbeiter der Freiburger Niederlassung der WISAG Produktionsservice, die in Nimburg bei Teningen ansässig ist, kümmern sich um die individuellen Anliegen ihrer Kunden – seien es Einzelleistungen oder Full-Service-Pakete. Sie übernehmen etwa die professionelle Reinigung von Maschinen und Anlagen. Das Fachpersonal der WISAG reinigt etwa mit Wasserhöchstdruck oder Trockeneis. Auch Industrieumzüge im Raum Freiburg, deutschlandweit
oder international werden professionell organisiert und abgewickelt. Große Nachfrage gibt es auch im Bereich der Prüfungen elektrischer Geräte nach der DGUV-Vorschrift 3. Diese sind gesetzlich vorgeschrieben und müssen regelmäßig durchgeführt werden. Das fängt bei der Bohrmaschine an, gilt für Computer, Kaffeemaschinen und fest installierte Anlagen sowie Stromkreise eines Gebäudes. „Des Weiteren sind wir stark in der Produktionsunterstützung“, so Niederlassungsleiter Fritz Iselin, „wir können jeden Schritt der Wertschöpfungskette übernehmen, von der Vormontage bis hin zur Übernahme ganzer Fertigungsprozesse.“ Zudem steht geschultes Fachpersonal für Aufgaben in der Produktionslogis-
tik bereit: Die WISAG Produktionsservice transportiert, sortiert, sammelt und lagert Materialien, Komponenten, Behälter oder Rest- und Wertstoffe. Für ihre Leistungen ist die WISAG nach ISO 9001:2008 und OHSAS 18001:2007 zertifiziert. „Weil wir vor Ort sind, profitieren unsere Kunden von sehr schnellen Reaktionszeiten. Wir springen falls notwendig auch abends oder am Wochenende ein und kennen viele unserer Kunden seit vielen Jahren“, erläutert Iselin. Zu diesen Kunden zählt in Freiburg auch die TDK-Micronas GmbH. Und diese zeichnete das Engagement der WISAG im vergangenen Jahr mit dem Micronas Supplier Award 2016 aus. bib
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Menschen und Meldungen
CDS kauft Tent Event
BioMed vergibt fünf Preise FREIBURG. Zum 13. Mal vergab die Technologiestiftung BioMed gemeinsam mit dem Medizintechniker Stryker und unterstützt von der Freiburger Sparkasse den Freiburger Innovationspreis. Die fünf Preisträger erhielten vom Vorstand der Technologiestiftung, Bernd Dallmann, dem Leiter des Freiburger Stryker-Werks Christoph Gerber im Beisein von SparkassenChef Marcel Thimm je 2000 Euro. Insgesamt hatten sich 26 Unternehmen beworben: Rekord. Die Gewinner sind Blue Inductive, ein im April 2016 aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ausgegründetes Spin-off, das berührungslose Ladesysteme zum Laden von Elektroautos und mobilen Robotern schnell, einfach und automatisiert entwickelt; Hettich-Lab, eine 2015 aus der Freiburger Klinik für Tumorbiologie hervorgegangene Entwicklungsabteilung des Medizintechnik-Herstellers A. Hettich für die innovative Zentrifuge „ZentriMix“; die M10 Industries (siehe Meldung), das Spin-off ResuSciTec des Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen für das mobile Kreislauf-Unterstützungssystem CIRD sowie Telocate, ein im September 2014 gegründetes Spin-off der Universität Freiburg, das mit „ASSIST“ ein innovatives Smartphone-Navigationssystem in Gebäuden entwickelt hat.
August Faller ausgezeichnet WALDKIRCH. Die August Faller GmbH & Co. KG wurde von Umweltminister Franz Untersteller als einer der „100 Betriebe für Ressourceneffizienz" ausgezeichnet. Gemeinsam mit dem Hersteller Heidelberger Druck AG entwickelte der Faltschachtelspezialist die sogenannte AnicolorDrucktechnik für den Einsatz in der Verpackungsherstellung. Weil deutlich weniger Druckbögen zur Einrichtung der Maschine benötigt werden, spare Faller nun jährlich etwa 37 Tonnen Kohlendioxid und rund 80.000 Kilowattstunden Strom.
»Passt ins Leistungsprofil« Visualisierung: © CDS
Neuer Firmensitz: CDS baut in Wasenweiler neue Lager- und Büroflächen. FREIBURG/BÖTZINGEN. Die CDSGruppe mit Hauptsitz in Bötzingen hat den Freiburger Zeltverleiher Tent Event gekauft. CDS wurde im Jahr 2000 von Christian Schnürle gegründet und machte zuletzt mit rund 1100 Mitarbeitern knapp 40 Millionen Euro Umsatz. „Für uns passt das Geschäft von Tent Event sehr gut in unser Leistungsprofil“, sagt Schnürle. Zum Kaufpreis haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Er dürfte sechsstellig sein. Die in der Freiburger Lokhalle ansässige Tent Event GmbH hatte 2015 Insolvenz anmelden müssen, wurde aber als Gesellschaft bürgerlichen Rechts hernach von Petrina Thoma, Tochter des Firmengründers Felix Thoma, weitergeführt. „Für uns ist das eine gute Lösung“, sagt Felix Thoma. Vater und
Tochter wurden übernommen und bringen ihre Kompetenzen mit. CDS ist ein Schwergewicht in der Veranstaltungsbranche, setzte zuletzt etwa das Rothaus-Jubiläum mit der Band Pur um und hat Tent Event mit der eigenen Verleihsparte zur CDS Rental GmbH verschmolzen. Die anderen Standbeine sind der Sicherheitsdienst und Serviceleistungen rund um Immobilien. „Der Name Tent Event hat einen sehr guten Ruf, es gibt keinen Grund, den nicht zu halten“, sagt Schnürle. CDS baut derzeit auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück in Wasenweiler ein neues Freilager und wird bis zum April 2018 auch ein 1600 Quadratmeter großes Verwaltungsgebäude fertigstellen. Das Tent-EventLager in der Lokhalle wird im Herbst aufgelöst. bar
Müller ist Vize-Weltbürgermeister LAHR. Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller ist Vize-Weltbürgermeister 2016. Die den Wettbewerb auslobende City Mayors Foundation begründete die Titel-Verleihung mit der erfolgreichen Einbürgerung der meist deutsch-russischen Spätaussiedler in die Stadt, die eine deutsche und europäische Erfolgsgeschichte sei:
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„Lahr hat auf dem Gebiet der Integration von Immigranten bewiesen, dass man nicht Großstadt sein muss, um Vorbildliches zu leisten und dafür international anerkannt zu werden.“ Weltbürgermeister wurde Bart Somers, Bürgermeister der Stadt Mechelen in Belgien. bib
Menschen und Meldungen
Kolumne
Spaß, Teamgeist, Erlebnis Der diesjährige B2Run Freiburg startet am 1. Juni
Wie das Planen professionalisiert
Foto: © privat
Der Freiburger Steuerberater Erik Herr ist ein Routinier im Geschäft. Für die bib-Leser berichtet er in jeder Ausgabe über Nützliches & Kurioses, Aktuelles & Steuerbares.
Fotos: © Infront
Sport macht offenbar glücklich: Finisher bei der B2Run-Premiere 2016.
FREIBURG. Nach der gelungenen Premiere im vergangenen Jahr geht der B2Run Freiburg am 1. Juni in seine zweite Saison. Als Teil der Deutschen Firmenlaufmeisterschaft in 17 deutschen Städten. Die veranstaltende Infront B2Run hofft erneut auf 6500 Läufer aus Firmen und Institutionen, die im Schwarzwald-Stadion des SC Freiburg loslegen. Anmelden können sich die Teilnehmer noch bis zum 14. Mai im B2Run-Online-Shop unter www.b2run.de. Unter allen Unternehmen, die sich noch bis zum 15. März zu einem B2Run-Lauf anmelden, wird ein exklusiver Trainingstag mit der B2Run-Botschafterin Magdalena Neuner verlost. Der in drei Startphasen gegliederte, sechs Kilometer lange Firmenlauf endet mit dem Höhepunkt beim Zieleinlauf ins Stadion. Neben zahlreichen Mitmach-Aktionen findet nach dem Lauf eine After-RunParty im Stadion statt. „Dass zahlreichen Unternehmen in der Region Freiburg ein betriebliches Gesundheitsmanagement und ein regelmäßiges Sportangebot für ihre Mitarbeiter wichtig ist, hat die B2Run-Premiere im vergangenen Jahr mit über 6500 Läufern aus rund 400 Unternehmen gezeigt“, so Lars Gerling, Geschäftsführer der Infront B2Run GmbH. Der B2Run Freiburg biete allen Teilnehmern den
idealen Anreiz zur gemeinsamen Vorbereitung auf ein abwechslungsreiches Läuferfest, bei dem in erster Linie Spaß, Teamgeist und das gemeinsame Erlebnis im Vordergrund stehen. In verschiedenen Wertungskategorien werden etwa die größten, schnellsten oder kreativsten Teams für ihre Mühen belohnt. Auch bei den Einzelwertungen gibt es neben der üblichen Mann/ Frau Unterteilung auch die Wertungen „schnellste Chefin/schnellster Chef“ und schnellste Azubine/schnellster Azubi“. Und wer sich ohnehin zu den Schnelleren zählt, für den wird das „Durchstarter-Ticket“ angeboten, mit dem man sich sozusagen die Pole-Position sichert und aus den vordersten Reihen der ersten Startzeit ins Rennen geht. Die Firmenlaufmeisterschaft erwartet in diesem Jahr knapp 200.000 Mitmacher aus rund 9500 Unternehmen. Sie ist die größte Firmenlaufserie in Deutschland, aber auch in Europa. bib/bar
Info & Anmeldung:
Tel.: 0221-716165820 E-Mail: freiburg@b2run.de oder via Web: www.b2run.de Wer sich für soziale Projekte engagieren möchte, kann beim B2Run Freiburg als Charity-Starter teilnehmen und mit fünf Euro Aufpreis helfen.
Ist die Unternehmensplanung nur etwas für Gründer? Nein! Unternehmensplanungen bieten viele Vorteile und können so nutzbringend für Ihr Unternehmen eingesetzt werden. Wir unterscheiden dabei drei Arten von Unternehmensplanungen und planen im Idealfall alle drei synchron. Liquiditätsplanung: Das bedeutet, Einzahlungen und Auszahlungen möglichst genau zu planen, um so Liquiditätsengpässe zu vermeiden und Anschaffungen nicht zuletzt auf Ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Gewinn- und Verlust-Planung: Durch einen permanenten Soll-/Ist-Vergleich ergibt sich eine Steuerungsfunktion, die vielfach bereits bei der Erstellung Optimierungspotenziale visualisiert und ein intensives Auseinandersetzen mit Ihrem Unternehmen sicherstellt. Bilanz-Planung: Eine solche Planung ist bei Bankgesprächen eine fast schon obligatorisch geforderte Übersicht über Ihre Unternehmensentwicklung. Hier werden die künftige Kapitalstruktur, die Kapitalintensität und die finanzielle Ausstattung abgebildet und somit die Planung wichtiger Kennzahlen, etwa dem ROI (Return of Investment) oder der Eigenkapitalrentabilität ermöglicht. Planungen sind per se niemals präzise, da sie versuchen, Ihre Zukunft abzubilden. Sie sollten deshalb eine Worst-Case-, eine Base-Case- und eine Best-Case-Variante entwerfen. Wobei auch der Worst Case die Überlebensfähigkeit Ihres Unternehmens zeigen sollte. Tut er das nicht, wäre es höchste Zeit, die Weichen neu, positiv zu stellen. Da eine Unternehmensplanung schnell sehr komplex werden kann, ist das Heranziehen eines vertrauensvollen Beraters sehr zu empfehlen. www.herr-stb.de
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Menschen und Meldungen
Manfred Streit tot FREIBURG. Der 1939 geborene Wirtschaftswissenschaftler Manfred Streit ist gestorben. Streit wechselte 1993 vom Hayek-Lehrstuhl der Universität Freiburg als geschäftsführender Gründungsdirektor an das MaxPlanck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen in Jena.
Wenn die Tochter der Mutter eine Million gibt Die S-Beteiligung bilanziert auch 2016 sehr zufrieden Foto: © Sparkasse Freiburg
Neue Initiative fordert Co2-Abgabe
FREIBURG. Nachdem das Europäische Parlament einer Überarbeitung der Regeln des Europäischen Emissionshandels zugestimmt hat, fordert eine neue Initiative aus Baden-Württemberg nun eine Co2-Abgabe auf fossile Brennstoffe in Deutschland. „Deutschland ist in der Europäischen Union das Land mit dem höchsten Ausstoß von Treibhausgasemissionen. Primäres Ziel der Bundesregierung ist es derzeit, die treibhausgasintensive Industrie zu entlasten. Sie gehört daher ebenfalls zu den Bremsern in der EU, die verhindern, dass der Emissionshandel zu einem effizienten Klimaschutzinstrument wird. Die Bundesregierung verschärft damit das Problem und verlagert die zu tragenden Kosten des Klimaschutzes in die Zukunft“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Abgabe soll aufkommensneutral Bürokratie abbauen, Energiesteuern und Umlagen wie die EEG-Umlage ablösen und als Lenkungsabgabe einen effizienten Klimaschutz ermöglichen. Pro Tonne Co2 müssen die Betriebe derzeit weniger als fünf Euro zahlen, wenn sie nicht ohnehin befreit sind. Aktuell werden etwa 43 Prozent der Verschmutzungsrechte gratis ausgegeben. Am 27. März soll in Freiburg der Verein für die nationale CO2-Abgabe gegründet werden. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Andreas Hege, Jörg Lange, Christian Neumann, Joachim Nitsch, Martin Ufheil sowie Ursula und Michael Sladek. Info: www.co2abgabe.de bib
Sonnige Aussichten: Vom Fahnenbergplatz aus steuert die S-Beteiligung ihre Geschäfte – erfolgreich. FREIBURG. Die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse Freiburg hat im vergangenen Geschäftsjahr 1,02 Millionen Euro Gewinn gemacht und diese an ihre Mutter überwiesen. Im Vorjahr waren es noch 2,4 Millionen Euro, schon damals aber hatte Geschäftsführer Hermann Dittmers von einem „Ausnahmejahr“ gesprochen. Das erneut positive Ergebnis habe man nicht zuletzt durch ertragreiche Rückführungen mehrerer Beteiligungen erzielen können. „Zudem konnten wir auch umfangreiche Risikovorsorge treffen, die aufgrund kritischer Entwicklungen einiger Beteiligungsunternehmen gebildet werden musste“, sagt Dittmers. Darüber hinaus habe man von Reserven profitiert, die über mehrere Geschäftsjahre gebildet worden waren. Die S-Beteiligung hält aktuell mit fünf Mitarbeitern 43 Beteiligungen (Vorjahr: 47) mit jeweils maximal zehn Prozent an 31 Unternehmensgruppen. Die Abgänge von Beteiligungsengagements konnten durch ein gutes Neugeschäft vom
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Volumen her überkompensiert werden. Für das weitere Wachstum steht die Sparkassen-Tochter derzeit mit mehreren Firmen in „vielversprechenden“ Gesprächen. Beteiligungskapital wird verstärkt für Unternehmensnachfolgen oder bei Gesellschafterwechseln gesucht, bei deren Finanzierung die Kreditinstitute neben klassischen Darlehen auch Eigenkapital fordern. Im vergangenen Jahr blieb die S-Beteiligung von Insolvenzen in ihrem Bestand verschont. Die gute Entwicklung macht Dittmers auch daran fest, dass mit der Sparkasse im Hintergrund auf ein sehr erfahrenes Netzwerk zurückgegriffen werde kann, das sich mittlerweile in sehr vielen Branchen gut auskenne und einen engen Kontakt mit den Unternehmern pflege. Das breite Spektrum an Beteiligungen ermögliche es, auf die unterschiedlichsten Beteiligungsanlässe und Bedürfnisse der meist mittelständischen Kunden angemessen reagieren zu können. bib/bar
Menschen und Meldungen
SULZBURG. Der Brandschutz-Spezialist Hekatron und Andreas Kiesewetter gehen ab dem 1. April getrennte Wege. Der Leiter der Unternehmenskommunikation Kiesewetter hatte in Freiburg lange eine Werbeagentur geführt, die er am 1. April 2014 an Leitwerk verkaufte. Dort blieb er nur ein Jahr und musste hernach eine Klausel unterzeichnen, dass er zwei Jahre lang keine Agentur führen darf. Diese Frist läuft jetzt aus. Für Hekatron wird Kiesewetter fortan nur noch als Berater arbeiten.
Private für mehr Glasfaser STUTTGART. Der Wirtschaftsrat der CDU, mit 2500 Unternehmern der größte Unternehmerverband in BadenWürttemberg, fordert, den Ausbau der glasfaserbasierten Gigabitinfrastruktur sowohl in den Städten als auch auf dem Land voranzutreiben. „Unsere digitale Wettbewerbsfähigkeit ist zum entscheidenden Standortfaktor geworden“, so der Landesvorsitzende Joachim Rudolf. Die Absicht der Bundesregierung, bis Ende 2018 alle Haushalte mit einem Internetzugang von 50 Megabit pro Sekunde zu versorgen, könne nur ein Zwischenschritt sein. Aktuell haben im Ländle 72,8 Prozent einen solchen Anschluss. Um den Ausbau zu beschleunigen, müssten Gelder privater Investoren in das „digitale Rückgrat unserer Gesellschaft“ fließen können. Die geplanten Diesel-Fahrverbote in Stuttgart lehnt Rudolf ab.
Preise für Hekatron SULZBURG. Der Rauchmeldespezialist Hekatron hat gleich zwei ausgezeichnete Firmen. Sowohl die Technik GmbH als auch die Vertriebs GmbH sind beim „Great Place to Work“-Landeswettbewerb als „Beste Arbeitgeber in Baden-Württemberg 2017“ geehrt worden. Grundlage des Rankings sind anonyme Befragungen von Mitarbeitern. In den Gesellschaften arbeiten 800 Menschen, die 2015 rund 160 Millionen Euro Umsatz erwirtschafteten.
Bauverein komplettiert Führungsduo Jörg Straub kommt von der Volksbank Staufen BREISGAU. Die Baugenossenschaft Bauverein Breisgau (BVB) hat einen neuen Vize-Vorstand. Nachdem das Wirtschaftsmagazin business im Breisgau (bib) bereits exklusiv über die Verpflichtung von Marc Ullrich (39) als neuem Vorstandsvorsitzenden berichtet hatte, hatte BVB-Aufsichtsratschef Martin Behrens gegenüber dem bib erstmals auch die Vertragsunterzeichnung mit Jörg Straub bestätigt. Straub (43) ist derzeit Vize-Vorstand der Volksbank Staufen. „Ich habe 27 Jahre lang Bankgeschäft gemacht, mich reizt jetzt die Realwirtschaft“, sagt der Bankbetriebswirt. Als Geschäftsleiter der genossenschaftlichen Volksbank ist ihm das originäre Geschäft von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften bestens vertraut. Zu seinen Kernkompetenzen, so Straub, zählten Finanzierung, Immobilien und Risikobeurteilung. Für den Bauverein galt es zudem, eine Persönlichkeit mit einer Qualifikation für den Geschäftsbereich Spareinrichtung zu finden, die den Anforderungen der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) entspricht. Straub bringt auch Erfahrungen in Personalführung mit, trägt er doch derzeit die Verantwortung für 85 Beschäftigte. Der BVB zählt rund 120 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Foto: © Privat
Kiesewetter verlässt Hekatron
Noch Banker, bald Bauwirtschaft: Jörg Straub wird Vize-Vorstand beim Bauverein. Der Aufsichtsrat der Baugenossenschaft hat nach der Misere mit dem geschassten Kurzzeit-Chef Markus Schwamm nun zwei Männer verpflichtet, die beide genossenschaftliches Blut in den Adern haben. „Die Förderung der Mitglieder steht beim Bauverein ganz oben. Und mit unserem Wohnungsbau können wir etwas sehr Wichtiges und Nachhaltiges für die Mitglieder tun“, so Straub, der am 1. Juli an der Zähringer Straße anfangen wird. Ebenso wie Marc Ullrich. Eine Einigung mit Schwamm auf einen Auflösungsvertrag gibt es derweil immer noch nicht. Lars Bargmann
SC vergibt FAIR ways Förderpreis FREIBURG. Unter dem Dach von FAIR ways schreiben der SC Freiburg, sein Vermarkter Infront und zehn Partner zum sechsten Mal den FAIR ways Förderpreis aus. Er ist mit 55.000 Euro dotiert und hat sich seit 2012 zu einem der bedeutendsten Sozialpreise in Süd-
baden entwickelt. Im vergangenen Jahr wurden 29, insgesamt mehr als 80 gemeinnützige, regionale Projekte aus den Bereichen Bildung, Bewegung, Umwelt und Solidarität mit 180.000 Euro unterstützt. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 9. April 2017. bib
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Menschen und Meldungen
Waldhaus auf »Higher Level« Qualität auf höchstem Niveau Foto: © Waldhaus
Sütterlin investiert in Freiburg Neues Diagnosezentrum
Ein Schluck auf uns: Bernhard Vötter (links), Dieter Schmid (Mitte) und Mitstreiter stoßen auf ein »Higher Level« an. WALDHAUS. Die südbadische Privatbrauerei Waldhaus hat erstmals die Zertifizierung nach dem International Featured Standard-Food (IFS-Food) „Higher Level“ erfolgreich absolviert. Die Auszeichnung bestätigt der Brauerei Lebensmittelsicherheit und eine Produktqualität auf höchstem Niveau. „Qualitätssicherung fängt bei der Rohstoffauswahl an. Neben Wasser aus unseren eigenen Quellen und Gerste aus der Region, brauen wir unsere Biere seit Jahren ausschließlich mit bestem Naturhopfen“, so Bernhard Vötter, der 1. Braumeister. „Higher Level“ ist das Prädikat für den höchsten Qualitätsstandard im deutschen Lebensmittelhandel. „Durch das IFS-Zertifikat wird bestätigt, wovon die meisten unserer Kunden bereits überzeugt sind. Alle Prozesse werden bei uns auf höchstem Niveau und unter strengsten Kontrollen durchgeführt. Die Auszeichnung ist das Ergebnis unserer nachhaltigen Firmen- und Produktphilosophie, die nur mit einem großartigen Team umzusetzen ist“, kommentierte Geschäftsführer Dieter Schmid. bib Anzeigen 5
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Foto: © Sütterlin
Standort Tullastraße: Sütterlin setzt hier zwölf Millionen Euro jährlich um. FREIBURG. Das Fahrzeughaus Sütterlin hat auf dem 6500 Quadratmeter großen Firmengelände an der Tullastraße ein neues, 150 Quadratmeter großes Diagnosezentrum gebaut. „Die Anforderungen der Industrie werden immer höher, mit der Erweiterung unserer Werkstatt sind wir nun auf dem neuesten Stand“, sagt Inhaber Marcus Sütterlin, der insgesamt 4,2 Millionen Euro in Freiburg investiert hat. Der neue LED-Scheinwerfereinstellplatz sei auch für das ausführende Bauunternehmen eine anspruchsvolle Aufgabe gewesen. Denn das durfte sich zunächst einmal in die mehrseitigen Vorschriften zum Bau einarbeiten. Sütterlin setzt mit derzeit 37 Beschäftigten jährlich rund zwölf Millionen Euro um. bib/bar
Menschen und Meldungen
FREIlab eröffnet Werkstatt FREIBURG. Der gemeinnützige Verein FREIlab (www.freilab.de) eröffnet im März eine Offene Werkstatt an der Ensisheimer Straße 4. Die Initiatoren wollen „einen Ort schaffen, in dem Kreativschaffende, Bastler_innen, Halbprofis und Firmengründer_innen aufeinandertreffen und voneinander lernen können“, sagt David Derix, einer der fünf Vorstandsmitglieder. Angeboten wird eine gut ausgestattete Hobby-Werkstatt für die Bereiche Holz-, Elektronik- und Textilverarbeitung. Auch Fahrradreparatur und 3D-Druck werden im FREILab möglich sein.
Haufe Gruppe wächst in China Freiburger investieren in Fernost Foto: © Haufe Gruppe
Bauverein als Bank BREISGAU. Satte 5,3 Millionen Euro legten die Mitglieder der Baugenossenschaft Bauverein Breisgau im vergangenen Jahr neu in der Spareinrichtung an. Mit einem Plus von rund sechs Prozent stieg das Gesamtsparvolumen somit auf über 105 Millionen Euro. „Die Spareinrichtung erzielte 2016 trotz Niedrigzinsphase ein sehr gutes Ergebnis“, freut sich die Leiterin Sabine Pusch. Das prozentual höchste Wachstum der vergangenen fünf Jahre verzeichnete der Bauverein aber bei den Mitgliedern: Mit 1400 neuen allein in 2016 überschritt sie die Marke von 21.000.
Badenova beliefert Europapark SÜDBADEN. Badenova ist von 2018 an alleiniger Lieferant von Strom und weiterhin auch von Erdgas für den Europa-Park in Rust. Ein weiterer umsatzstarker Großkunde nach der Münchner Allianz-Arena, Nike, Hugo Boss, Breuninger und Microsoft. „Wir wollen im anspruchsvollen Geschäft mit Großkunden weiter wachsen“, sagt Dieter Balasch, Leiter des Badenova-Geschäftskundenvertriebs. „Wir betrachteten es auf Grundlage unserer bisherigen Geschäftsbeziehungen und unserer beiderseits sehr starken, regionalen Verbundenheit als logische Konsequenz, die Energieallianz mit Badenova auszubauen“, so Park-Inhaber Roland Mack.
Headquarter auf der Haid: Haufe wächst nicht nur in Freiburg. FREIBURG/PEKING. Die Haufe Gruppe wächst weiter und investiert in das erfolgreiche Weiterbildungsgeschäft in China. Im Januar übernahmen die Freiburger das komplette Akademiegeschäft des chinesischen Beteiligungsunternehmens Zhonghy Haufe, um im hochdynamischen chinesischen Markt den Weiterbildungsbereich weiter ausbauen zu können. „Als Marktführer für Weiterbildungsangebote im Bereich der Qualifizierung von Unternehmen, Fach- und Führungskräften können wir unsere Erfahrungen nach China transferieren,“ erklärt CEO Markus Reithwiesner. Neben dem Akademiegeschäft vertreibt Haufe Beijing Technology seit 2013 die cloudbasierte
Software Haufe Labour & HR Guru. Das Produkt basiert auf der Software der Haufe Office Line und unterstützt die tägliche Arbeit in Personalabteilungen mit Inhalten und verschiedenen Tools. Auf dem Portal finden Personalfachkräfte Fachinformationen und Arbeitshilfen für ihren Berufsalltag. Zusammen mit dem erweiterten Weiterbildungsangebot positioniert sich die Haufe Gruppe in China als umfassender Spezialist für Personal- und Weiterbildungsfragen für mittelständische Unternehmen. Mit der Übernahme der Akademie hat sich Haufe Beijing Technology auf insgesamt knapp hundert Mitarbeiter erweitert. bib
M10 Industries AG erhält Preis FREIBURG. Die Firmengruppe M10 Industries AG hat zwei Preise gewonnen. Mitte Februar zeichnete die Technologiestiftung BioMed Freiburg das junge Maschinenbau-Unternehmen mit dem Freiburger Innovationspreis 2017 aus. Kurz danach bekam die Firma eine Anerkennung der Stadt Freiburg beim Klimaschutzpreis-Wettbewerb „Climate First“. „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnungen un-
serer Heimatstadt Freiburg, die damit unsere Innovationskraft im Maschinenbau und unsere Bemühungen für den Klimaschutz würdigen“, kommentierten die Geschäftsführer Gregor Reddemann und Günter Schneidereit. Die M10 Industries hat mit dem Hochleistungs-Tabber-Stringer-Kubus die leistungsstärkste Lötmaschine der Welt entwickelt. bib
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Familienunternehmen
Schmolck – der Mobilitätsspezialist 70 Jahre Unternehmen, 20 Jahre Automobilgeschäft
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Foto: © Schmolck
in Unternehmen, das sich 70 Jahre erfolgreich am Markt behauptet, darf durchaus stolz auf sich sein. Und das sind sie beim „Stern von Emmendingen“, der Schmolck GmbH & Co. KG. Doch kaum einer registriert, dass innerhalb des Jubiläums – Schmolck nahm die Arbeit 1947 als Landmaschinenhändler und -werkstatt auf – ein zweites Jubiläum gefeiert werden könnte: das des Spezialisten rund um die Mobilität. Ende 1997, also vor knapp 20 Jahren, begann der Wandel von einem der größten Landmaschinenhändler in der Region hin zum Spezialisten rund um alles, was mindestens vier Räder hat. Der Anfang dieser Entwicklung liegt sogar noch länger zurück: Als 1991 Mercedes mit einem lakonischen Schreiben die Einstellung der Fertigung des MB trac ankündigte – für Schmolck immerhin 50 bis 60 Prozent des Jahresumsatzes –, war dem damaligen Chef Hans-Rudolf Schmolck klar, dass nun neue Wege zu gehen wären. Da er über die Filiale Müllheim bereits Mercedes-Pkw und -Nutzfahrzeuge verkaufte und der Unimog ebenfalls zur Schmolck-Palette gehörte, lag es nahe, auf die angebotene Abfindung von Daimler zu verzichten und stattdessen einen Händlervertrag anzustreben. Schließlich hieß es aus Stuttgart: „Wenn ihr nach unseren Vorgaben Werkstatt und Showroom neu errichtet, dann los!“ Ziel für Schmolck war es, „ein zuverlässiger Partner für den Stern“ zu sein. Und mittelfristig für die Kunden Dienstleister rund um die Mobilität zu sein. Dazu gehörte, dass es zusätzlich zum Verkauf und der normalen eine spezielle Lkw-Werkstatt gab, eine
Erfolgreiches Team: Die Schmolck-Belegschaft arbeitet auch mal rund um die Uhr, damit die Trucks tagsüber auch worken können. Blechnerei, Karosserie- und Glasinstandsetzung und eine Reifenabteilung. Schmolck bietet Unfallreparatur und Inspektion, neue Bereifung und Hauptuntersuchung, Wartung und Anbau von Spezialeinrichtungen an Lkw, Transporter und Kommunaltechnik, Neuaufbau von Spezialfahrzeugen.
Einer der größten Ausbilder der Region Dazu kommen eine enge Kooperation mit Versicherungen, die Ausweitung des Einzugsgebietes – manch ein Spediteur schickt seine Fahrzeuge 50 Kilometer weit zu Schmolck –, ein ambitionierter Gebrauchtwagenhandel, eine hauseigene Vermietung mit über 60 Fahrzeugen vom Smart bis zum Lkw und ein 24-Stunden-Notdienst für Nutzfahrzeuge, die bei Schmolck auch dann gewartet und repariert werden, wenn sie nicht gebraucht werden. So werden teure Ausfälle vermieden – und sollte tatsächlich mal ein Termin nicht eingehalten werden können, bietet Schmolck einen Ersatz-Laster zur Überbrückung. „Wir tun alles, um den Kunden mobil zu halten“, sagt Geschäftsführer Jürgen Henninger.
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Die Zeiten ändern sich – und Schmolck hat bisher immer rechtzeitig eine Antwort auf neue Herausforderungen. So auch 2015: Vom Citan bis zum Actros, vom Unimog bis zum Spezialfahrzeug, vom Smart bis zur S-Klasse – alles war im Angebot. Nur eines fehlte: ein Volumenfabrikat. Da aber Schmolck bei seinem Bosch-Dienst inzwischen auch VW betreute, kamen immer mehr Anfragen, ob man dort nicht auch Wolfsburger Fahrzeuge kaufen könne. Und zeitgleich eine Anfrage von Skoda: „Wollt ihr nicht unsere Fahrzeuge in Südbaden vertreiben?“ Schmolck wollte, und so ist seit Ende 2015 auch Skoda Teil des Angebots. „Skoda hat ein sehr gutes Image, das besonders im Gewerbebereich große Akzeptanz findet“, weiß Inhaber und Geschäftsführer Bernhard Schmolck. Binnen drei Jahren konnte die tschechische Marke ihren Marktanteil in Deutschland von drei auf sechs Prozent verdoppeln. Heute arbeiten bei Schmolck acht Mechatroniker und drei technische Auszubildende allein für diese Marke. Insgesamt hat Schmolck 280 Mitarbeiter und ist mit 82 Auszubildenden einer der größten Ausbilder in der Region. Stefan Pawellek
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Familienunternehmen
Mehr Raum für raumW Familienbetrieb nun in Kirchzarten
N
euer Name, neuer Firmensitz: Der Einrichtungsspezialist raumW, zuvor IP20, wird am 1. April am neuen Firmensitz in Kirchzarten seine Ausstellung komplett inszeniert haben. Die bisherigen Räume an der Schopfheimer Straße 2 in Freiburg waren den Geschäftsführern Max und Jakob Werner zu klein geworden.
Investition: Zwei Millionen Euro hat raumW an der Gerwigstraße bezahlt.
Nach der Loslösung vom Lizenzsystem IP20 steht der 1979 von Berthold Werner gegründete Familienbetrieb mit 22 Beschäftigen und einer Dependance in Konstanz nun noch mehr auf eigenen Beinen. Auf 1500 Quadratmetern – das Zweieinhalbfache der alten Fläche – präsentiert raumW an der Gerwig-
straße 4 nun Büromöbel und Einrichtungslösungen für den gewerblichen und den privaten Bereich. Für 40 Prozent des Umsatzes – raumW setzte im vergangenen Jahr rund 2,2 Millionen Euro um – sorgen private Haushalte. Die Familie Werner setzt dabei nicht auf standardisierte Produkte, sondern bietet
Foto: © RaumW
Maßanfertigungen, die in der hauseigenen Schreinerei gefertigt werden. In Kirchzarten hat die Familie die Immobilie des Innenausstatters Gremmelsbacher gekauft. Und rund zwei Millionen Euro investiert. Die Zeichen stehen auf Wachstum. bar
Braunform erneut Top-Arbeitgeber Zweiter Titel nach 2014
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as Familienunternehmen Braunform GmbH aus Bahlingen gehört erneut zu den besten Arbeitgebern im deutschen Mittelstand und ist dafür mit dem „Top Job“-Award ausgezeichnet worden.
Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement überreichte Firmenvertretern den „Top Job“-Award in Berlin. Braunform hatte den Award 2014 erstmals gewonnen. Das erneute Siegel ist das Ergebnis von Mitarbeiterbefragungen „und freut uns über die Maßen“,
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so Geschäftsführerin Pamela Braun. Als international agierender Mittelständler beschäftigt Braunform derzeit rund 350 Mitarbeiter in Bahlingen und Endingen am Kaiserstuhl und gehört zu den führenden Unternehmen im modernen Formenbau. bib
Tourismus
»Wir müssen mehr Geschichten erzählen«
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eit gut einem Jahr ist Franziska Pankow TourismusChefin in Freiburg. Eine Teamplayerin der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM), die viele Themen zusammen mit Sabine Weber-Loewe und Lonieta Dylus beackert. Ein Job, der zuverlässig mit dem Verkünden von Rekorden verbunden ist. In dieser Hinsicht ist aber FWTM-Geschäftsführer Bernd Dallmann immer noch der Platzhirsch. Denn wenn es mal keinen Übernachtungsrekord gibt, dann zählt Dallmann einfach die Gästeankünfte und die lagen 2016 auf dem höchsten Niveau. Und so titelte die Tagespresse trotz des Rückgangs bei den Übernachtungen folgsam mit dem Gästerekord.
Foto: © FWTM/Raach
761.200 Besucher zählten die Freiburger Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Campingplätze und Jugendherbergen im vergangenen Jahr. So viel wie nie. Ein zartes Plus von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Bleibedauer aber verkürzte sich, sodass am Ende 1,438 Millionen Übernachtungen bezahlt wurden – 10.000 weniger als 2015. Zwar legten die Hotels um 0,3 Prozent auf 1,092 Millionen Nächte zu, wegen des schlechten Som-
mers aber gaben die Zahlen bei den Pensionen, Campingplätzen und Jugendherbergen leicht nach. Es kamen insgesamt weniger Ausländer (minus 2,1 Prozent, bei den Chinesen sogar minus 25,5 Prozent), dafür mehr Deutsche. „Mit dem Ergebnis sind wir zufrieden“, kommentierte Dallmann. Bei den Übernachtungszahlen sei „kaum noch Wachstum möglich“, weil die Kapazitätsgrenze bei den Hotels nach zehn Jahren Stagnation erreicht sei. Allein in diesem Jahr kommen nun 760 Zimmer mit 1300 Betten dazu (siehe Infobox). „Angesichts der Entwicklung auf dem Hotelmarkt ist weiteres Wachstum auch zur Erhaltung der guten Auslastung notwendig und bleibt daher unser Ziel“, sagt Pankow beim Redaktionsgespräch. Auch mit den neuen Hotels sei Freiburg „nicht überversorgt“. Nicht zuletzt, um die Gäste von größeren Kongressen zu versorgen, brauche es mehr Kapazitäten, und selbst mit den neuen Hotels würde das Umland immer noch von Freiburg profitieren: „Bei großen Kongressen brauchen wir schon mal 1500 Zimmer.“ Etwa beim 125. Jubiläumskongress der IUFRO (International Union of Forest Research Organizations), zu dem im September 2000
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Foto: © privat
Viel Arbeit für Tourismus-Chefin Franziska Pankow
Franziska Pankow: »Wir nüssen mehr Geschichten erzählen.« Teilnehmer nach Freiburg kommen. 1200 werden zum 120. Deutschen Ärztetag im Mai erwartet. Auch der European Resuscitation Council Congress hat 1000, der 28. Ordentliche Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft immerhin 700. Nicht nur die Zahl der Zimmer, auch der Tourismus wird sich verändern. „Die Menschen wollen keine Standard-Angebote, sondern authentische Erlebnisse“, so Pankow. In Zeiten, in denen die Innenstädte sich vom Angebot her immer ähnlicher werden, brauche es mehr individuelle Möglichkeiten. „Die Gäste wollen vielleicht selber eine Schwarzwälder Kirschtorte backen, bei einer Weinlese mitmachen, mit dem Mountainbike attraktive Strecken fahren, außergewöhnliche Locations besuchen. Wir müssen mehr Geschichten erzählen.“ Wie sich der Tourismus in Freiburg richtig entwickeln soll, das soll im 80.000 Euro teuren Tourismus-Konzept stehen, das das Institut Projekt M in Abstimmung mit dem Tourismusbeirat derzeit erarbeitet und das im Juli vorliegen soll. Darin werden nicht zuletzt die Ergebnisse von Gästebefra-
gungen stehen: Was erhofft sich der Freiburg-Besucher, was will er erleben, welche Dienstleistungen erwartet er, was will er wie online buchen können? Bis zum Juli soll auch die neue touristische Webseite für Freiburg fertig sein, in die auch das städtische Buchungsportal intergriert sein wird. Pankow muss aber auch andere Fragen bearbeiten: Wie kann Freiburg generell interessanter für junge Leute werden, wie für Geschäftsreisende, wie sieht ein Gestaltungskonzept für eine attraktivere Innenstadt aus, wie kann das Fußgängerleitsystem besser, wie die Stadt barrierefreier werden, wie wären die Touristenströme besser zu verteilen, wie kann man den Gästen den Schlossberg, die Wiehre oder die Dreisam näher bringen? Und schließlich: Wie sieht ein – auch im Wettstreit mit anderen Regionen – freiburgtypisches, zukunftsgerichtetes Profil für die Tourismusvermarktung aus? Wobei der Schwarzwald, der Oberrheingraben oder der Europapark keine Konkurrenten für Freiburg seien. „Die für Touristen lohnenden Ziele im Dreiländereck müssen sich vielmehr noch besser gemeinsam vernetzen und vermarkten.“ So sei etwa das Kulturangebot am Oberrhein „herausragend“, müsse aber noch bekannter werden. Pankow will nicht immer mehr Gäste um jeden Preis. Aber Wachstum durchaus. Hier trifft sich Tourismus mit Wirtschaftsförderung: Ein Übernachtungsgast gibt im Schnitt am Tag 89,50 Euro aus. Bei 1,438 Millionen Übernachtungen sind das knapp 130 Millionen Euro. Gut für Freiburg. Reisen ist aber auch gut für die Gäste. Denn wie sagte einst der sehr reiselustige Mark Twain: „Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.“ Lars Bargmann
Info: Hotels in Freiburg Aktuell gibt es in Freiburg 62 Hotels mit 5260 Betten. Neu hinzukommen in diesem Jahr das Motel One (252 Zimmer), das Wyndham Super 8-Hotel (205), das Hampton by Hilton (175) und das Holiday Inn Express (130) mit insgesamt 1300 Betten. Zudem sind in der Planungsphase das Hotel Rheingold, das nach dem Umbau 150 statt heute 50 Zimmer haben wird, das Resort Luisenhöhe in Horben mit 80 Zimmern und 10 Suiten, ein privates Hotel mit 60 Zimmern auf dem Güterbahnhof, der britische Immobilien- und Hospitalitykonzern Whitbread hat ein Premier Inn mit 180 Zimmern „auf eigenem Grundstück“ in Bahnhofsnähe angekündigt, das Hotel am Stadtgarten will um 30 Zimmer erweitern. In der Pipeline gibt es noch Pläne beim Dorint an den Thermen und auf dem Ganter-Areal. Die Bettenauslastung in den Hotels lag im vergangenen Jahr bei 57,1 Prozent – die Tabellenführung in Baden-Württemberg, wo sie im Schnitt bei 43,6 Prozent lag. bar
Boom im Black Forest
Foto: © Tourist-Info Endingen
Tourismus
Rekord bei Gästezahlen
Blühende Landschaften: Das Tourismusgeschäft im Schwarzwald läuft so gut wie nie.
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ie Ferienregion Schwarzwald ist im In- und Ausland so beliebt wie nie: 2016 stieg die Zahl der deutschen Urlauber ebenso wie die ausländischer Gäste verglichen mit dem Vorjahr um 2,2 Prozent. Insgesamt 5,78 Millionen Deutsche und 2,34 Millionen Ausländer kamen in die Region Black Forest und zahlten insgesamt 21,54 Millionen Übernachtungen. Damit ist der bisherige Übernachtungsrekord von 21,2 Millionen in 1991 deutlich übertroffen worden. Von der Statistik erfasst sind nur Betriebe mit mindestens zehn Betten. Berücksichtigt man die kleineren Betriebe und die vielen Privatpensionen in der Ferienregion, dürfte die Übernachtungszahl bei weit über 30 Millionen gelegen haben, meldet die Schwarzwald Tourismus GmbH (STG) mit Sitz in Freiburg. Bundesbürger bleiben im Schnitt 2,9 Tage in der Region, Ausländer 2,3 Tage. 60 Prozent der ausländischen Gäste kommen aus der Schweiz, aus Frankreich und den Niederlanden. Während Polen und Österreich deutlich zulegten, gab es starke Einbrüche aus China, Israel und den Arabische Golfstaaten. Zwar stiegen die Ankunftszahlen in den anderen Ferienregionen des Landes zum Teil stärker an, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Von den statistisch erfassten 52 Millionen Übernachtungen aller Ferienregionen in BadenWürttemberg 2016 entfielen 41,4 Prozent auf den Schwarzwald. Die stärksten Zuwächse verzeichneten 2016 Hotel Garni mit 10,7 Prozent bei den Ankünften und plus 8,7 Prozent bei Übernachtungen sowie Ferienhäuser und Ferienwohnungen mit 7,8 Prozent mehr Gästen und 3,7 Prozent mehr Übernachtungen. bib chilli | business im Breisgau | 03.2017 | 33
Konffliktmanagement
Der Feuerlöscher Mediator Hendrik Fenz bekämpft Konfliktherde in Unternehmen – auch mit islamischen Hintergründen
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Foto: © Büro für Mediation
ie missverstandene Mail, das verpasste Meeting – Streit im Büro bricht schnell mal aus. Was aber tun, wenn der Konflikt kein kurzes Strohfeuer ist, sondern sich einfach nicht löschen lässt? In solchen Fällen bieten Konflikt-Experten wie der Freiburger Mediator Hendrik Fenz professionelle Hilfe. Das Spezialgebiet des Turkologen und Islamwissenschaftlers ist der interkulturelle Konflikt. Er weiß: Konflikte belasten nicht nur Mitarbeiter, sondern können Unternehmen richtig teuer zu stehen kommen. Oft ist der Auslöser eine Kleinigkeit: Der Kollege hat eine Akte falsch abgelegt und schon kracht’s. „Dahinter steckt meist etwas ganz anderes“, sagt Fenz. Zum Beispiel fehlender Respekt, mangelnde Wertschätzung oder ungeklärte Zuständigkeiten. Wenn er von der Unternehmensleitung oder der Personalabteilung auf den Plan gerufen wird, schwelen die Konflikte manchmal schon jahrelang – und haben das Unternehmen oft schon mehrere tausend Euro gekostet. Denn unzufriedene Mitarbeiter kündigen schnell wieder, lassen sich häufiger krankschreiben oder machen nur noch Dienst nach Vorschrift. „Am teuersten sind nicht die Mitarbeiter, die gehen“, so der selbstständige Mediator, „teuer sind die, die bleiben, aber sich innerlich zurückziehen.“ So könne bei der Schadensanalyse in einem großen Unternehmen unterm Strich schon mal ein Schaden von mehr als 100.000 Euro stehen. Konflikte zu lösen sei zwar eigentlich eine klassische Führungsaufgabe. Doch oftmals würden die Positionen aufgrund guter Fachkenntnisse besetzt
– ungeachtet der Kompetenz in Sachen Kommunikation. Um die zu verbessern, bietet Fenz auch Coachings an. Mittlerweile ist er damit nicht nur in Unternehmen und Vereinen, sondern auch in Flüchtlingswohnheimen präsent. Geflüchteten aus dem nahen Osten oder aus Afrika sei das Konzept der Streitschlichtung mit Hilfe eines Mediators vertrauter als der westlichen Gesellschaft, weiß Fenz. Denn ein Baustein des dort angewendeten klassischen Konfliktmodells – Sulh genannt – sei, Respektspersonen einzuschalten, die zwischen den verstrittenen Parteien vermitteln. Ein weiterer großer Unterschied zum westlichen Modell sei der Ausgleichsgedanke. „In unserem Rechtssystem geht es darum, wer Schuld und wer Recht hat“, erläutert der Mediationstrainer. „Dort wird hingegen gefragt:
Schadenssumme: 100.000 Euro Was könnt ihr füreinander tun, damit es dem anderen besser geht?“ Und das beinhaltet auch den Ausgleich von materiellem Schaden. Bei Coachings und Workshops vermittelt der Privatdozent, wie man dieses klassische Modell in die Konfliktbewältigung im Unternehmen einbauen kann. Ein Patentrezept gebe es dabei nicht: Erst müsse man herausfinden, was tatsächlich hinter einem interkulturellen Konflikt steckt. Das könne von Sprachschwierigkeiten bis hin zu unterschiedlichen Verständnissen der Rolle von Frauen und Männern reichen. In einem Fall wurde Fenz in eine Firma gerufen, weil die Produktivität rapide gesunken war. Es stellte sich heraus, dass die Arbeiter – zum Großteil Türken – Fraktionen für und gegen Erdo-
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Konflikte zu lösen ist klassische Führungsaufgabe, sagt Hendrik Fenz: Die Kompetenzen dazu vermittelt er bei seinen Coachings. gan gebildet hatten. Die Fronten hatten sich so sehr verhärtet, dass zwischen den Gruppen gar keine Zusammenarbeit mehr möglich war. Auch das Verständnis von Macht könne sich je nach Kultur unterscheiden: Während viele deutsche Chefs Mitarbeiter mitentscheiden lassen, statt von oben herab zu regieren, würde solch ein Führungsstil in fast allen nahöstlichen Ländern als Schwäche ausgelegt. Hier sei das Wort des Chefs Gesetz. „Das kann dazu führen, dass die Mitarbeiter auch nichts Konstruktives mehr einbringen, aus Angst, die Führungsperson dadurch zu kritisieren.“ Fenz hilft nicht nur dabei, solche Unstimmigkeiten aufzuklären, sondern erforscht auch selber das traditionelle Konfliktmanagement im Nordirak. Besonders spannend: Seine Besuche von Flüchtlingscamps in Kurdistan. 20.000 Menschen, die bei jedem Wetter in Zelten auf engstem Raum zusammenleben – da ist das Konfliktmanagement nochmal eine ganz andere Herausforderung. Tanja Bruckert
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Start-ups
Wörter wie warmes Wasser Start-up Jicki bietet Vokabelduschen / Kooperation mit der Deutschen Bahn
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Foto: © tln, Illustration: © istockphoto.com_ernetzt, Collage: © bib
ernen verbinden viele mit Stress, Anstrengung, Disziplin. Das will Helge Straube ändern. Der Freiburger Jungunternehmer setzt auf entspanntes Pauken – mit Musik und Meditation. Sein Start-up Jicki bietet sogenannte Vokabelduschen an, um Sprachen zu lernen. Die gibt’s jetzt auch im ICE. „Im Bildungssystem läuft einiges falsch“, sagt Helge Straube. Schule trainiere Begeisterung systematisch ab. Da würden eher Fässer zum Überlaufen gebracht als Flammen zum Lodern. Das Lernfeuer will der 26-Jährige ganz anders entfachen: mit Musik, Entschleunigung und Berieselung. Sein Start-up Jicki bietet Sprachkurse für Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Auch Arabisch und Deutsch für arabisch Sprechende hat er mittlerweile im Angebot. Die Lernlektionen nennt er Vokabelduschen. Wasser braucht man nicht, aber ein mobiles Endgerät. Die Kopfhörer werden quasi zum Duschkopf. Die Einstiegslektionen gibt’s kostenlos auf jicki.de oder YouTube. „Machen Sie es sich jetzt einmal ganz bequem und lockern Sie zu enge Kleidungsstücke“, spricht eine tiefe Männerstimme in der Probelektion „Vokabeldusche Französisch Basis“. Man soll tief einund ausatmen und könne die Augen schließen. Dann geht’s los: „Bonjour – Guten Tag“. Die Wörter werden vorgesagt, man spricht nach. Auf die Idee zu Jicki kam Straube im BWL-Studium. Das viele Auswendiglernen fand er anstrengend. Das muss anders gehen, sagte er sich. Über seinen Vater, der einen Verlag hatte, stieß er auf die Methode Superlearning.
Stressfrei: Helge Straube findet, dass man entspannt besser lernt.
Die setzt auf Entspannung, Motivation und pauken ohne Lehrer. Endlich anders lernen, lautet das Motto. Im Hintergrund der Lektionen läuft Barockmusik. „Langsamer ist man schneller“, sagt Straube. Das sei wie beim Sport. Ein nervöser Basketballer habe Mühe, den Ball zu fangen. Wer entspannt ist, reagiere besser. „Die Vokabeln wirken ohne Anspruch, sie festzuhalten, das Wort geht ins Unterbewusstsein“, sagt der Jicki-Chef. Online ist die Seite seit Anfang 2016. Drei Teilzeitbeschäftigte ergänzen das Team im Co-Working-Space Grünhof. Rund 1200 Kunden hat das Unternehmen bisher, berichtet Straube. Einer davon ist Boris Ritapal. Er hat mit Jicki sein Französisch aufgefrischt: „Das sitzt jetzt hervorragend“, berichtet der 45-Jährige. Er büffelt nach der Arbeit auf dem Sofa oder einem Sitzsack und schätzt die entspannte Art: „Druck habe ich permanent auf der Arbeit, das brauche ich nicht noch in meiner Freizeit“, sagt der Freiburger, der als Operations Manager arbeitet.
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Das Unterbewusstsein mache die Arbeit, ist Ritapal überzeugt. Es brauche wenig Überwindung für die Kurse. Mit den Anfängerlektionen in Spanisch hat er dafür etwas mehr Mühe, da ihm das Grundwissen fehle. Ritapal sieht es wie Helge Straube: Die eine Methode schließt die andere nicht aus. „Natürlich muss man eine Sprache sprechen, um sie zu lernen“, sagt Straube. Keiner könne sich allein mit Jicki alles aneignen. Momente für eine Vokabeldusche gebe es oft: auf der Couch, beim Spazieren oder in der Bahn. Die ist mittlerweile Kooperationspartner. Im neuen kostenlosen Infotainment-Portal der ICEs sind die Vokabelduschen seit Kurzem in der Rubrik Hörbücher abrufbar. Für Straube ist das ein großer Coup: „80 Millionen Kunden im Jahr, ein Riesenpotenzial.“ Deutscher Marktführer für Online-Sprachkurse ist derzeit Babbel. Mit den Berlinern möchte Straube in etwa fünf Jahren auf Augenhöhe sein. Till Neumann
Start-ups
»Krass, hier gibt’s nichts« Online-Portal freiburg-startups.de will eine Lücke schließen
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Kennengelernt haben sie sich 2016. Graf ist Freiburger, studierte in Furtwangen und Karlsruhe Wirtschaftsinformatik. Danach ging es nach München – dort stieß er auf eine dynamische Start-up-Szene. Bei seiner Rückkehr 2013 nach Freiburg war er geschockt: „Krass, hier gibt’s nichts“, war seine erste Reaktion. In München sei er jede Woche auf einem Szene-Event gewesen, hier habe er mehrmals erst danach erfahren, dass etwas Spannendes stattgefunden hat. Graf hat selbst mehrfach Start-ups auf die Beine gestellt. Gibt man bei Google „Startups“ und „Freiburg“ ein, lan- Seibold hat seine Wurzeln in Bayern. Er studierte Elekdet man direkt bei dem Gründerportal. Kein Wunder, Ver- tro- und Informationstechnik in München und hat ungleichbares gibt’s für die Breisgau-Metropole bisher nicht. ter anderem das Technologie-Start-up Qisses gegründet, Stefan Graf und Florian Seibold ist das schon länger ein das die Lebensdauer von Akkus erhöhen will. Die Ausgangslage junger KreaDorn im Auge. Graf hat tiver kennt er bestens: die Domain 2013 ange„Man sitzt da, hat eine meldet, ist aber erst zum Idee, weiß aber nicht, Jahresbeginn mit Seiwas die nächsten Schritbold richtig an den Start te sind.“ Bei solchen Fragegangen. gen wollen die zwei mit 26 Start-ups sind bisihrem Knowhow helfen. her auf der Seite gelistet. Dafür schweben ihnen Mit Logo und Kurzbeetwa Start-up-Breakfasts schreibung. 50 sollen es vor. Mit dem Co-Worwerden bis Ende 2017. king-Space Grünhof sind Wie viele Gründer es in sie in Kontakt. Dort teiFreiburg gibt? Die Frale man den Spirit, den sie ge haben sich die beisich wünschen: geben den schon öfters gestellt: und nehmen. Auch der „Es sind sicher 100 Startin der Freiburger Lokups in Freiburg und Umhalle geplante Kreativgebung“, sagt Seibold. Vernetzt: 26 Start-ups sind bisher auf dem Gründerportal park stimmt die beiden Doch wie viele genau – vertreten. Bis Jahresende sollen es 50 werden. optimistisch. das wisse keiner. „Wir wollen Anlauf- und Vermittlungsstelle sein“, betonen Mehr Vernetzung wünscht sich auch Benedikt Link, sie. Also mehr als ein reines Verzeichnis. In den Rubriken Chef des Start-ups „Neue Masche“. Der 34-Jährige un„Events“ und „Pinboard“ werden Veranstaltungen rund ums terstützt damit Gruppen mit fair produzierten Socken Thema Gründung angekündigt und Anliegen aller Art ge- beim Spendensammeln. Sein Unternehmen ist ebenfalls postet. So wird derzeit beispielsweise ein App-Entwickler zur auf freiburg-startups.de gelistet. Die Idee findet er gut, Gründung eines Social-Networks gesucht. Anzeigen können eine bessere Netzwerkkultur sei hilfreich. Bisher sei hier weniger passiert als in vergleichbaren Städten. Er wünscht dort kostenfrei geschaltet werden. Die Pinnwand hat bereits Früchte getragen, berichten die sich zudem einen regelmäßigen Gründerstammtisch. beiden: Für eine Gründung im Fitnessbereich habe ein Team Selbst Events zu starten, haben Graf und Seibold bereits einen Entwickler gefunden. Das soll kein Einzelfall bleiben – im Hinterkopf. Jetzt wollen sie aber erst mal warten, wie auch wenn Graf und Seibold das Portal bisher nur nebenher sich die Seite entwickelt. 10 bis 15 Zugriffe am Tag hat betreiben. Seibold hat ein Ingenieurbüro im Bereich Elek- sie aktuell. trotechnik und ist in ein Start-up in Zürich involviert. Graf Till Neumann leitet eine Agentur für Innovation und Digitalisierung.
llustration: © istockphoto.com_ernetzt, Collage: © bib
wei Freiburger wollen Jungunternehmern eine digitale Rampe bauen: Ihr Portal freiburgstartups.de soll die Szene besser vernetzen und präsentieren. Das sei dringend nötig, sagen Stefan Graf (33) und Florian Seibold (28). Beide sind selbst Gründer und kennen die Anlaufschwierigkeiten des Nachwuchses. Erste Synergien hat die Seite schon gebracht. Weitere Ideen sind auf dem Tisch.
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Fakten
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 329.633 1.101.431
Wasserverbrauch an der Freiburger Universität im Jahr 2013 (in m³) Wasserverbrauch an der Freiburger Universität im Jahr 2015 (in m³) Anteil am Haushaltseinkommen, den Frauen in Familien mit Kindern in Deutschland haben (in %) Anteil am Haushaltseinkommen, den Frauen in Familien mit Kindern in Dänemark haben (in %)
22,4 42 3,2 4,6 2,7
Arbeitslosenquote Februar 2017 in Emmendingen (in %) Arbeitslosenquote Februar 2017 in Freiburg (in %) Arbeitslosenquote Februar 2017 in Waldkirch (in %)
52.569 179.899
Zahl der Fremdsprachenkurse an deutschen Volkshochschulen 1974 Zahl der Fremdsprachenkurse an deutschen Volkshochschulen 2015 Franzosen, die auf obama2017.fr (Stand 4.3.) Barack Obama als Präsident Frankreichs unterstützen Städtische Kosten für KITAS und Kindergärten in Freiburg im Jahr 2004 (in Mio. €) Städtische Kosten für KITAS und Kindergärten in Freiburg im Jahr 2018 (in Mio. €)
48.072 34,5 111,6 Mio.
Umlaufrendite in Deutschland 1981 (in %) Umlaufrendite in Deutschland 2017 (in %)
11,2 0,04
Anteil der Habilitationen von Frauen an der Freiburger Uni (in %) 2012 Anteil der Habilitationen von Frauen an der Freiburger Uni (in %) 2015
15,8 35,6 111 Mio. 180 Mio.
Gewerbesteuereinnahmen in Freiburg im Jahr 2009 (in Mio. €) Gewerbesteuereinnahmen in Freiburg im Jahr 2018 (in Mio.€) Durchschnittlicher Verdienst eines dt. Arbeitnehmers in der Finanz- und Versicherungsbranche 2015 (in €) Durchschnittlicher Verdienst eines dt. Arbeitnehmers im Gastgewerbe 2015 (in €)
69.298 27.386 15 40
Anteil der geschiedenen an allen Ehen in Baden-Württemberg im Jahr 1960 (in %) Anteil der geschiedenen an allen Ehen in Baden-Württemberg im Jahr 1960 (in %) Zahl der Ehescheidungen pro 10.000 Ehen in den Jahren 2013 bis 2016 in Freiburg Zahl der Ehescheidungen pro 10.000 Ehen in den Jahren 2013 bis 2016 in Mannheim Zahl der Ehescheidungen pro 10.000 Ehen in den Jahren 2013 bis 2016 im Ortenaukreis Zahl der Ehescheidungen pro 10.000 Ehen in den Jahren 2013 bis 2016 in Karlsruhe
73,8 101,3 71,5 93,8
Anteil der Single-Haushalte an allen Haushalten in Baden-Württemberg im Jahr 1950 (in %) 20 Anteil der Single-Haushalte an allen Haushalten in Baden-Württemberg im Jahr 2014 (in %) 39 Zahl der Teilnehmer beim Beteiligungshaushalt 2017/18 der Stadt Freiburg Zahl der Teilnehmer beim Beteiligungshaushalt 2015/16 der Stadt Freiburg Kosten pro Teilnehmer beim Beteiligungshaushalt 2017/18 der Stadt Freiburg (in Euro) Kosten pro Teilnehmer beim Beteiligungshaushalt 2009/10 der Stadt Freiburg (in Euro) Gehalt des Fußballers Carlos Tévez beim chinesischen Club Shanghai Shenhua pro Jahr (in Mio. €) Gehalt von 1000 Durchschnittsdeutschen pro Jahr (in Mio. €) 38 | chilli | business im Breisgau | 03.2017
4929 3229 22 110 40 43
Lars Bargmann / Idee: brandeins