Wir t scha f t
November 2016 Ausgabe Nr. 12 gratis
Erfolgreiche
Familihemne-n unterne
im Fokus
Tauziehen endet in Kompromiss
Nach heftiger Kritik legen Landesregierung und Kommunen Finanzstreit bei Exklusiv
Innovativ
Initiativ
Streit zwischen Bauverein und Ex-Chef eskaliert
Jungunternehmer schafft Platz für Bands
Ex-Häftlinge räumen Wohnungen aus – ganz legal
Editorial
Exklusive Geschichten business im Breisgau setzt Themen
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Foto © ns
xklusiv hatte das in unserem Verlag erscheinende Freiburger Stadtmagazin chilli online am 26. Oktober darüber berichtet, dass der altehrwürdige Bauverein Breisgau seinen brandneuen Vorstandsvorsitzenden Markus Schwamm nach nur vier Monaten Dienst wieder vor die Tür gesetzt hat. Mehrere Tages- und Wochenzeitungen griffen die Geschichte auf. Die Mittelbadische Presse zeigte sich souverän und verwies bei der Berichterstattung auf die Recherchen des chilli. Andere bezogen sich lieber auf eine Pressemitteilung des Aufsichtsrats. Doch die war nur eine Reaktion auf unsere Veröffentlichung. Die Mitteilung ging übrigens an viele Medien – nur nicht an unseren Verlag. In dieser Ausgabe drehen wir die Geschichte weiter, weil der Streit inzwischen weiter eskaliert ist. Alle Versuche, sich mit Schwamm auf einen Auflösungsvertrag zu einigen, waren bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe gescheitert. Nun muss wohl eine Vertreterversammlung entscheiden. Seltsame Strategie. Ebenfalls exklusiv berichten wir über die Schließung der Sparkassen-Filiale am Freiburger Komturplatz. Es ist die fünfte in Freiburg. Und war überhaupt nicht geplant. Wie aber auch diese mit dem Bauvereins-Eklat zusammenhängt, lesen Sie in dieser Ausgabe.
Einen Schwerpunkt derselben bilden Familienunternehmen. Es gibt eine schier unfassbare Fülle von erfolgreichen Firmen in Südbaden, die offenbar eine große Anpassungsfähigkeit besitzen und bei Darwins survival of the fittest nicht den Kürzeren ziehen. Beeindruckt hat uns auch das Arbeitsprojekt des Bezirksvereins für soziale Rechtspflege. Hier kümmern sich Mitarbeiter um ehemalige Gefangene und versuchen mit Erfolg, diesen Menschen wieder eine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt zu geben. Wir waren bei einem Umzug mit dabei. Und wir trafen Chris Böhm. Chris wen? Nun, der Mann hat soeben zwei Weltrekorde erreicht und sein Hobby endgültig zum Beruf gemacht. Böhm macht mit dem BMX-Rad Sachen, auf die man erst mal kommen muss. Und verdient gutes Geld damit. Zudem haben wir das Aktuellste vom Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie die jüngste Konjunkturumfrage im Blatt. Und lassen mehrere Experten in der Steuerberaterbranche Stellung zu aktuellen Themen beziehen. Wir wünschen anregende Lektüre.
Ihr Lars Bargmann Chefredakteur 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 3
Inhalt Titel
Der Streit zwischen dem Bauverein Breisgau und seinem geschassten Vorstandsvorsitzenden Markus Schwamm eskaliert. Auch drei Wochen nach der Demission konnten sich die Kontra-
henten nicht auf einen Auflösungsvertrag einigen. Nun geht der Streit öffentlich weiter: in einer Vertreterversammlung. Dabei gibt es Wichtigeres. Etwa den Bau des Uni Carré (rechts). 6 -7
Verbände
Ausbildungsmarkt
Kommunen
Menschen und Meldungen
Das ungewollte Comeback von HWKGeschäftsführer Johannes Burger 8
Wanted: Lehrling. Die großen Nachwuchssorgen der Firmen in der Region 17
Hintergrund
Warum die Barmer und Pfizer auf die Ackerhelden setzen 32 -33
Finanzstreit: Kritik bringt Kompromiss 5
Reportage
So werden Ex-Gefangene auf einen Job vorbereitet
Nischenmärkte
Interview mit BMX-Star Böhm
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Expertenmeinung
Mathias Hecht und Erik Herr über umstrittene Gesetze und Urteile / Die Digitalexperten der BGS 14 -15
Luftfahrt
Wie der Terror das Wachstum bremst 16
Badenova senkt Preise, gewinnt Wettbewerb und macht mächtig Wind / Roland Mack wird Gastronom des Jahres / Stryker wächst und baut / Junghandwerker mit Rekord / Unmüßig verkauft Atrium / Märtin spendet / Gutes Konjunkturklima bei Industrie und Handel / Schaub bezieht Neubau 18 - 23
Schwerpunkt Familienunternehmen
Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Neunlindenstr. 35, 79106 Freiburg fon: 0761-292 70 60 | fax: 0761-292 70 61 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de
Wie der Jungunternehmer Michael Simon aus dem Proberaummangel ein Geschäftsmodell macht 34 - 35
Stadtentwicklung
Areal mit Potenzial: Das versteckte Gebiet Haid in Freiburg hat jetzt einen Plan
Bauverein Breisgau übt Salto rückwärts in Gundelfingen
Geschäftsführung: Michaela Moser (ViSdP) Redaktion: Lars Bargmann Autoren dieser Ausgabe: Tanja Bruckert, Till Neumann, Stefan Pawellek, Matthias Hecht, Erik Herr, Valerie Baumanns, Lisa Hörig, Hannes Currle
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Fakten bitte
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen
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Bauen
Business im Breisgau berichtet über Trumpf-Hüttinger, AHP-Merkle, Autohaus Kollinger, Sick AG, Flugschule FFH Aviation, Zitzelsberger Gebäudereinigung, Schmolck, fairjeans und die Schleith-Baugruppe 24 - 31
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IMPRESSUM business im Breisgau
Start-ups
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Titel: © iStock.com / erhui1979 Fotograf: Neithard Schleier Grafik: Anke Huber Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Jonas Stratz, Uwe Bernhardt, Malika Amar, Stephan Schleith
Politik
Tauziehen endet in Kompromiss Nach heftigem Streit um Finanzen einigen sich Land und Kommunen
Visualisierung: © istock.com / erhui1979; Fotos: © ns, Staatsministerium
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ie Landesregierung in Stuttgart und die Kommunen im Land haben ihren lauten Streit um die Finanzen mit einem Kompromiss beendet. Statt der ursprünglichen 300 Millionen Euro, die das Land von den Kommunen gefordert hatte, bleiben nun 200. Das allein hätte noch keinen Durchbruch bedeutet. Zudem bekommen die Kommunen aber auch mehr Geld für Integration und die Sanierung öffentlicher Einrichtungen.
Drei Grüne, ein Streit: Dieter Salomon (l.) attackierte Edith Sitzmann und Winfried Kretschmann, weil das Land die eigene schwarze Null auf dem Rücken der Kommunen plante.
Der Streit war entfacht, nachdem die Regierung den Haushaltsentwurf für 2017 beschlossen hatte. Der sieht unterm Strich eine schwarze Null vor, soll strukturell 800 Millionen Euro jährlich einsparen und dennoch drängende Sanierungen und Zukunftsinvestitionen ermöglichen. „Damit machen wir einen großen Schritt auf dem Weg zur Einhaltung der Schuldenbremse ab dem Jahr 2020“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). Gab es Beifall? Nein, es hagelte Kritik. Von den Kommunen, weil diese eben jene 300 Millionen Euro zur schwarzen Null in Stuttgart beitragen, mithin der Landeshaushalt auf dem Rücken der Kommunen ausgeglichen werde solle. „Mit dem Haushaltsentwurf legen wir in Zahlen vor, was wir uns in der Koalition gemeinsam zum Ziel gesetzt haben: unser Land verlässlich, nachhaltig und innovativ zu regieren.“ So sagte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und wie sagte Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon? „Ich bin entsetzt, wie in der Landesregierung agiert wird.“ Auch er ein Grüner. Der Vize-Vorsitzende des Städtetags stand damit nicht allein: Die Offenbur-
ger Oberbürgermeisterin Edith Schreiner und Haslachs Bürgermeister Heinz Winkler – auch die beiden sitzen im Vorstand des Städtetags – forderten vehement „das Geld, das uns zusteht, um unsere Aufgaben zu erfüllen“. Schon zuvor hatten Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag ihren Widerspruch in einem Positionspapier – das auch Protestpapier heißen könnte – an Sitzmann formuliert. Es gab mächtig Zoff zwischen den Kommunen und der Regierung. Für eine diesbezügliche Anfrage des Wirtschaftsmagazins business im Breisgau hatte Sitzmann keine Zeit. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn das Land auf Kosten der Kommunen seinen Haushalt saniert. Das bringt die Städte und Kommunen in eine gefährliche Schieflage“, hatte ihr Parteifreund Salomon kritisiert. Da Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Ländle aus sprudelnden Steuereinnahmen 2017 auch noch eine Milliarde Euro mehr überweisen wird, sei der Forderung aus Stuttgart die Grundlage entzogen, so Salomon: „Wir wehren uns mit aller Macht gegen die Kommunalisierung der Schulden durch das Land.“
Städte und Gemeinden müssten immer mehr Aufgaben übernehmen, zudem habe die Flüchtlingsversorgung die Kassen stark belastet. Allein Freiburg habe 60 Millionen Euro für Unterkünfte ausgegeben, Geld, das nur in kleinen Raten aus Stuttgart zurückfließt. „Es ist völlig undenkbar, dass die Kommunen die großen Aufgaben stemmen können, wenn wir dafür keine Unterstützung vom Land bekommen.“ Die kommt jetzt: Der Pakt für Integration wird auf 160 Millionen Euro aufgestockt, 90 Millionen Euro gehen als Kopfpauschale für Flüchtlinge (1125 Euro) direkt an die Kommunen, 70 Millionen mehr bekommt das Sozialministerium für Integrationsprogramme, von denen wieder die Städte und Gemeinden indirekt profitieren. Zudem schiebt das Land zehn Prozent aus seinem eigenen Sanierungstopf an die Kommunen weiter. Der kommunale Investitionsfonds wird so um 35 Millionen Euro aufgestockt. Das Land sitzt aktuell auf 47 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten. Bis vor Weihnachten muss Sitzmann den 48 Milliarden Euro schweren Haushaltsentwurf im Detail vorlegen. Lars Bargmann
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Titel
Beim Bauverein würde man sich gern wieder aufs Tagesgeschäft konzentrieren: Etwa aufs Neubauvorhaben Uni Carré am Klinikum.
Streit zwischen Bauverein und Ex-Chef eskaliert Genossen setzen Markus Schwamm vor die Tür
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Visualisierung: © Forster Architekten
arkus Schwamm, erst seit Juli neuer Vorstandsvorsitzender des Bauvereins Breisgau (BVB), ist vom Aufsichtsrat seines Amtes enthoben worden. Entsprechende Informationen des Wirtschaftsmagazins business im Breisgau bestätigte am 26. Oktober der Aufsichtsratschef Martin Behrens. Hernach berichteten mehrere Tageszeitungen über den Fall. Schwamm selber wollte sich gegenüber der Redaktion „wegen des laufenden Verfahrens“ nicht äußern. Der Streit zwischen den Kontrahenten eskalierte bis zum 4. November so weit, dass die Genossenschaft eine außerordentliche Vertreterversammlung einberufen hat. „Herr Schwamm hat bis heute keinen Willen zu einer vernünftigen Einigung gezeigt“, sagt Behrens. „Die Einladung ist heute an die Vertreter rausgegangen“, so der alte und neue BVB-Vorstand Reinhard Disch. Die Versammlung wird am 22. Novem-
ber über die Bühne gehen. Schwamm war erst im vergangenen April von der Städtischen Wohnbaugesellschaft Lahr als Geschäftsführer zum BVB gekommen und hatte im Juli den Posten des Vorstandsvorsitzenden übernommen. Wenn die Vertreter mit einer Dreiviertelmehrheit das Vorgehen des Aufsichtsrats stützen, sei dies per Satzung gleichbedeutend mit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. Warum sich Schwamm derart verhält, ist Behrens nicht klar. Dem Vernehmen nach sollen Schwamms Forderungen für den gekappten Fünfjahresvertrag für den Bauverein unakzeptabel gewesen sein. Es hatte schon länger mächtig gebrodelt an der Zähringer Straße, wo Freiburgs größter Bauverein seinen Sitz hat. Schwamm und Disch haben sich offenbar von Anfang an alles andere als blendend verstanden. Nach den politischen Querelen um das im Bau befindliche Wohn- und Geschäftshaus in der Gundelfinger Ortsmitte (siehe Seite 37) war das Fass übergelaufen. „Wir haben
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Herrn Schwamm getreu der Satzung des Bauvereins seines Amtes enthoben, mit dem Ziel, sich vertraglich zu trennen“, sagte Behrens. Bis zum 4. November ohne Erfolg. Disch und Schwamm hätten „sehr unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung“ des Bauvereins gehabt. Der Aufsichtsrat will den bisher von Disch beschrittenen Weg weitergehen, der viel auf Kooperationen mit Kommunen setzte, das Bauträgergeschäft vorrangig nur machte, um die Gewinne in die Modernisierung des genossenschaftlichen Bestandes von rund 5000 Wohnungen zu stecken und die Mieten moderat zu halten und mit Kirchen und sozialen Einrichtungen gute Kontakte pflegte. Schwamm wollte indes mehr profitorientiert vorgehen, schickte schon mal saftige Mieterhöhungen raus – etwa ohne jede Vorankündigung an die Sparkasse Freiburg für die Filiale am Komturplatz – und wollte zuletzt in Gundelfingen gegen die mündliche
Titel
Absprache mit dem Rathaus beim Neubau für die Erweiterung der Ortsmitte lukrativere Eigentumswohnungen anstelle der Mietwohnungen bauen. Nachdem auf die Genossen ein sechsstelliger Mehraufwand für die Gründungsarbeiten zukam. Ob der gebürtige Freiburger nach der Amtsenthebung und dem folgenden Streit noch mal einen Fuß in die soziale Wohnungswirtschaft bekommt, ist fraglich. Zudem, so Behrens, habe es auch in Sachen Führungsstil unterschiedliche Auffassungen gegeben: „Ein nicht einheitlich agierender Vorstand ist für den Bauverein nicht tragbar.“ Am Rande des Baustarts am 18. Oktober waren Gundelfinger Gemeinderäte auf die Vertreter des Bauvereins zugegangen und hatten nach einem „Philosophiewechsel“ beim BVB gefragt. Bereits fünf Tage zuvor hatte der Aufsichtsrat getagt und am Ende der Sitzung beschlossen, sich von Schwamm zu trennen. Am 14. Oktober hatte Behrens Schwamm in einem persönlichen Gespräch die Entscheidung mitgeteilt. „Eine neue Ausrichtung ist beim Bauverein nicht nötig“, so Behrens. Schwamm hatte offenbar nicht nur der Sparkasse – die den Vertrag nach der Mieterhöhungsankündigung einfach nicht verlängerte –, sondern auch anderen Mietern offensive Mieterhöhungen geschickt. „Das stimmt“, bestätigt Disch, „aber wir versuchen derzeit an vielen Stellen, die Wogen zu glätten.“ Disch, der schon seit 33 Jahren beim Bauverein ist, würde auf Bitten des Aufsichtsrats nun auch über den anvisierten Juli hinaus noch weiterarbeiten, um einen guten Übergang zu erleichtern. „Wir sind ihm dankbar, der Bauverein ist ja so etwas wie sein Kind“, sagt Behrens. Bis Mitte kommenden Jahres soll die vakante Kommandobrücke wieder voll besetzt sein. Dazu zählt auch der Ersatz der bereits in Pen-
Da herrschte noch Eintracht: Markus Schwamm, Martin Behrens und Reinhard Disch (v.l.) beim Gruppenbild zur Verpflichtung des neuen Vorstands. sion gegangenen Doris Reiprich. „Ich hoffe, dass bis dahin die neue Führungsspitze gefunden ist“, sagt Disch. Auch der Aufsichtsrat aber, der unter dem Vorsitz von Jürgen Seemann selber noch die Gespräche mit Schwamm geführt hatte, muss sich an die eigene Nase fassen. Sicher, Schwamm hatte sich beim Bewerbungsverfahren gegen viele Kandidaten durchgesetzt: Aber die Philosophie des Bauvereins ist keine profitmaximierte, sondern in der Satzung verankert. Bislang war die ebenso erfolgreich wie für die Stadt Freiburg und viele Kommunen im Umland verlässlich. Offenbar hat das Gremium dem neuen Genossenschaftschef nicht tief genug auf den Zahn gefühlt. Am Ende zog der Aufsichtsrat das Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vor. Er muss bei der Verpflichtung der neuen Doppelspitze eine glücklichere Hand beweisen. Lars Bargmann
Foto: © BVB
Bis Mitte 2017 soll die Kommandobrücke wieder voll besetzt sein
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Verbände
Comeback wider Willen HWK will Ex-Hauptgeschäftsführer Burger räumlich auslagern
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Foto: © hoc
in Satz hat für eine gewisse Aufregung in Freiburg und dort besonders bei der Handwerkskammer gesorgt: „Nach einem gewonnenen Prozess gibt es keinen Grund, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen.“ Gesprochen hat ihn unlängst Johannes Burger, der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Kammer, der mit seinem Arbeitgeber seit über einem Jahr im Clinch liegt. Und nun am 14. November wieder in den Dienst treten will. Vor dem Arbeitsgericht Freiburg hatte Burger am 10. Mai einen klaren Punktsieg gegen die Kammer geholt. Die konnte nur das Recht, ihm die Funktion und Bezeichnung eines Hauptgeschäftsführers abzuerkennen sowie das Recht, ihm einen gleichwertigen anderen Aufgabenbereich zuzuteilen, auf der Habenseite buchen. Beobachter hatten nun erwartet, dass man sich hinter den Kulissen fast ein halbes Jahr später endlich auf einen Aufhebungsvertrag geeinigt hätte. Ein solcher ist wohl auch zwischen dem Kammeranwalt Christoph Fingerle und Burgers Rechtsvertreter, Wolfgang Meier-Rudolph, ausgehandelt worden. Allerdings stellte sich die Kammer dabei sehr störrisch an: Sie habe, so Meier-Rudolph, „alles niedergerechnet, was nur niederzurechnen ging“. Trug dies schon nicht zur Entspannung bei, so war der „Maulkorb“ (Meier-Rudolph), den die Kammer Burger – strafbewehrt – verpassen wollte, der erneute Todesstoß: Der verärgerte Ex-Hauptgeschäftsführer verlangte, gleich behandelt zu werden wie seine Vorgänger, die ebenfalls im Streit geschieden waren – aber ohne strafbewehrte Schweigeklausel. Keine Einigung, kein Aufhebungsvertrag. Offiziell hält sich die Kammer bedeckt: HWK-Sprecher Martin Düpper will keine Stellung nehmen, ob Burger nun wieder kommt oder nicht. Es sei, so hört man aus der Bismarckallee, doch normal, dass ein Mitarbeiter, ein Geschäftsführer gar, nach Beendigung seines Krankenstandes die Arbeit wieder aufnehme. Und die gerichtliche Auseinandersetzung? Man habe, so hört man, strittige Fragen geklärt – mithin gäbe es keinen Grund, nicht wieder zusammenzuarbeiten – unter der Prämisse, dass Burger nun den Geschäftsbereich 2 (Berufliche Bildung) übernehme. Den hatte bis vor kurzem Werner Gmeiner verantwortet, der unter nicht ganz durchsichtigen Umständen die Kammer verlassen hatte. Diese Neuregelung sei, so hört man aus Kammerkreisen, dem Arbeitsgerichtsurteil gemäß: Man habe Burger damit 8 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Johannes Burger: Seit einem Jahr im Clinch mit der Kammer.
einen gleichwertigen Posten übertragen. Sein Anwalt sieht das anders: Er fordert eine Begründung und den Nachweis der Gleichwertigkeit ein. Etwas, das die Kammer bis dato verweigert. Die Gleichwertigkeit, so Meier-Rudolph, sei allein deshalb sichtbar nicht gegeben, weil Burger damit in die Wirthstraße, in die Gewerbeakademie, „räumlich ausgelagert“ werde. Aus dem Comeback Burgers dürften sich noch weitere Friktionen ergeben: Seine alten Aufgaben Wirtschaftspolitik/Handwerkspolitik hat inzwischen als Geschäftsführer Wolfram Seitz-Schüle übernommen. Zudem und nach dem Freiburger Modell gleichberechtigt ist da Rainer Botsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer (!), zuständig für den Geschäftsbereich 3 (Finanzen, Controlling, EDV, Personal) und im Zuge des Gerichtsverfahrens eifrig, aber erfolglos bemüht, Burger nachzuweisen, dass der sich sein gut 9000 Euro betragendes Monatsgehalt ergaunert habe. Es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, wie gedeihlich eine Zusammenarbeit dieser drei Geschäftsführer aussehen wird. Deshalb glaubten viele nicht an den „Tag X“ der Rückkehr Burgers. Nun aber will Burger am 14. November wieder kommen, drei Tage vor der nächsten Vollversammlung, an der man ihm eine Teilnahme als Geschäftsführer kaum verweigern kann. Seine Anhänger erwarten eine Abrechnung – herauskommen dürfte nur eine weitere bittere Auseinandersetzung, die keinem hilft. Am wenigsten der Kammer, deren Image durch die Causa Burger und durch das Bekanntwerden von Vergütungen für Ehrenämtler ohnehin gelitten hat. Es ist Zeit, diesen sinnlosen Streit zu beenden. Stefan Pawellek
Wiedereingliederung
Ex-Häftlinge räumen Wohnung aus Wie ein Arbeitsprojekt Ex-Kriminellen wieder Perspektive bietet
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Foto: © Hannes Currle
trafvollzug ohne Perspektive ist ein schweres Verbrechen“, formuliert der Philosoph Andreas Trenzer durchaus trefflich. Aber wer bietet Menschen, die nach langen Jahren aus der Haft entlassen werden, wieder eine Perspektive? In Freiburg etwa der Bezirksverein für soziale Rechtspflege. Hier können ehemalige Sträflinge eine neue Heimat finden. Hier können sie wohnen, essen, sich beraten lassen – und auch arbeiten: Im Arbeitsprojekt des Vereins machen sie gemeinsam Haushaltsentrümpelungen, Umzüge oder Waldarbeit (siehe Infobox). Einer hat dabei mal 10.000 Euro gefunden – sie aber nicht eingesteckt. Es ist acht Uhr morgens. Hinter der schicken gelben Fassade der WiehreVilla in der Brombergstraße 6 treffen sich keine Ärzte, Anwälte oder Burschenschaften. Die Luft ist voll mit Rauch und Kaffeegeruch. In einem verglasten Raum zünden sich Männer eine Zigarette nach der anderen an. In einer Ecke steht etwas verloren ein Duftbaum gegen den Rauch – als sei es ein Scherz. Kaffee und Tabak, das Knastgrundnahrungsmittel und Knastwährung. Die Männer, die sich hier treffen, sind wieder auf freiem Fuß, Kaffee und Kippen im Takt sind ihnen aber geblieben. Sie sind im Arbeitsprojekt beim Bezirksverein für soziale Rechtspflege. Das Vollrath-Hermisson-Haus in der Wiehre ist ihr Basislager. Einsatzbesprechung im Raucherraum: Andreas Aloisi, ein entspannter Bärtiger mit badischem Akzent, ist verantwortlich für den heutigen Arbeits-
Vier Männer, ein Ziel: Die beiden Ex-Gefangenen Peter und Max (von hinten), Andreas Aloisi (Zweiter v.l.) und Andreas Hofmann vom Arbeitsprojekt vor dem Vollrath-Hermisson-Haus in der Wiehre. einsatz, er macht die Ansagen. Der badische Akzent sticht zwischen sächsischem und pfälzischem Dialekt heraus. Viele der Ex-Häftlinge, die sie hier Klienten nennen, kommen nicht aus der Region. Sie sind durch ihre Haft im Freiburger Gefängnis hier gelandet. Es steht ein Umzug auf dem Plan. Noch einen Kaffee und eine Kippe, die Mannschaft schwingt sich in zwei Transporter, fährt in Richtung Dreisamstraße. Mit dabei ist Peter*. Er trägt schwarze Handwerkerkleidung und eine Mütze mit Norwegenflagge. Peter ist 42, groß und dürr, steht breitbeinig und raucht wie die anderen. Heute hat er eine Freundin und zwei Kinder, um die er sich kümmert. Er steht fast so breit im Leben wie seine
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Beine, aber das war und ist ein schwieriger Weg dorthin. Als er 18 ist, stirbt seine Mutter. Er kommt damit nicht zurecht und fängt an, Heroin zu nehmen, direkt intravenös. „Ich habe immer nur ein bisschen genommen, um den Kopf frei zu kriegen. Da wird alles warm und man fühlt sich wohl.“ Irgendwann merkt Peter, dass er wieder runter will. Er möchte kalt entziehen und braucht dafür den Knast, den Bruch zum Umfeld, die Isolation, erzählt er heute. Damals brauchte er aber auch das Geld für neues Heroin und überfällt mit Maske und Gaspistole einen Kiosk mit einer Gewinnspielannahme. Er wird gefasst und wandert hinter Gitter.
Arbeitsprojekt
Die Jahre danach ist er mal draußen, mal im Gefängnis. Erst schafft er den kalten Entzug, wird nach seiner Entlassung aber wieder rückfällig. Er erzählt, dass Drogen im Knast eigentlich genauso gut zu bekommen sind wie draußen, auch wenn er das nie gemacht habe. 2010 wird er entlassen, ist clean, findet eine Freundin, die zwei Kinder mitbringt. „Ich wollte, wenn ich die Droge nehme, nie eine Beziehung.“ Er schafft den Sprung ins Arbeitsprojekt des Bezirksvereins. Es sieht gut aus für ihn. Aber irgendwann wird der Druck mit der Arbeit und der neuen Familie zu groß – er wird wieder rückfällig. Zwei Jahre lang kommt er nicht mehr zum Projekt. Seine Beziehung aber überlebt den Rückfall. „Das war schon zu eng bei uns. Die brauchen mich und ich sie.“ Seit zwei Jahren arbeitet er wieder mit. Jetzt holt er sich jeden Morgen seine Dosis Methadon ab, um den Suchtdruck klein zu halten, geht danach ins Vollrath-Hermisson-Haus, um zu arbeiten, und kümmert sich ansonsten um seine Familie. Peter erzählt das alles sehr ruhig, er steht zu seiner Lebensgeschichte. Nur als das Gespräch auf den Kiosk-Betreiber zusteuert merkt man, dass es ihm unangenehm ist. Der wollte von ihm und einem Täter-Opfer-Ausgleich nichts wissen, sei traumatisiert. Die Sprinter fahren in einen Hinterhof an der Dreisam. Schnell bilden die sechs Männer, die heute dabei sind, eine Kette in den zweiten Stock. Nicht alle tragen Arbeitskleidung wie Peter, sondern einfach nur Jogginghose und Sneaker. Das Büro vom Roten Kreuz ist in einer halben Stunde leergeräumt. Dass das Schloss an meinem Fahrrad zu dünn ist und man es mit Eisspray und Schraubenzieher leicht geknackt bekommt, wird mir en passant versichert. Oft sind die Auftraggeber fürs Arbeitsprojekt soziale Einrichtungen. Viel läuft über mündliche Werbung. Aber auch Privatkunden beauftragen die „ExKnackis“. Insgesamt sind 18 Männer im Team. Manche werden vom Jobcenter vermittelt und arbeiten etwa 20
Stunden die Woche für 1,50 Euro die Stunde. Wenn die Maßnahme nach ein oder zwei Jahren ausläuft, bietet das Arbeitsprojekt ersatzweise eine Praktikantenstelle auf Minijob-Basis. Das ist zwar nur eine kleine Zugabe zur Sozialhilfe, der Kern der Arbeit sei aber ohnehin mehr pädagogisch als finanziell, meint Leon Schattner, der Sozialwissenschaftler im Projekt. Es gehe darum, den Ex-Häftlingen durch eine sinnvolle Beschäftigung den Tag zu strukturieren und sie wieder anschlussfähig an den ersten Arbeitsmarkt zu machen. Die Männer können auch beim Verein arbeiten, um Gefängnisstrafen zu umgehen. Wer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, muss entweder hinter Gitter oder kann ersatzweise seine Schulden abarbeiten. Nach dem Motto „Schwitzen statt Sitzen“.
Die alten Hasen sind die Schatzsucher Beim Schränkeschleppen halten sich Schorsch* und Max* zurück. Die beiden sind die alte Garde beim Verein. Schorsch hat ein Aneurysma und Max Diabetes – beide haben einen Schwerbehindertenausweis. Trotzdem sind sie bei den Aufträgen immer wieder mit dabei. Mit Kippe im Mund, versteht sich. Sie sind sowas wie die Schatzsucher. Bei Entrümpelungen gehen sie zuerst durch die Wohnungen und entscheiden, was man noch verkaufen kann. Ein Depot auf dem Güterbahnhof in der Lokhalle ist ihr kleines Reich: Dort werden alle Funkstücke gesammelt, bevor sie auf die Freiburger Flohmärkte kommen. Einmal hat Max 10.000 Euro in einer Wohnung gefunden. Der große Fund, auf den alle Entrümpler hoffen. Max hat das Geld aber zurückgegeben, für ihn und die anderen vom Verein eine Selbstverständlichkeit. Und wenn Schorsch nach der Arbeit nach Hause in seine Einzimmerwohnung geht, lebt er zwar auf freiem, aber sicher nicht auf großem Fuß. Dann klickt er sich durch
das Netz, wie er sagt, um sich die Zeitungen zu sparen. Peter hat probiert, Arbeit außerhalb des Vereins zu finden. Er bewarb sich bei der Müllabfuhr. Dort haben sie ihn nach den Lücken im Lebenslauf gefragt und als er offen über seine Zeit im Gefängnis geredet hat, ging es nur noch um einen Ein-Euro-Job. „Dann“ sagt er, „arbeite ich lieber weiter hier.“ Hannes Currle *Name der Redaktion bekannt Infobox
Das Arbeitsprojekt ist ein arbeitsmarktnahes Beschäftigungsprojekt für langzeitarbeitslose Menschen mit Hafterfahrung, besteht seit 30 Jahren und ist eines von drei Angeboten des Bezirksvereins für soziale Rechtspflege Freiburg. Ziel ist die Realisierung gesellschaftlicher Teilhabe durch den Arbeitskontext sowie die Heranführung der Klienten (aktuell 18) an den ersten Arbeitsmarkt. Das Projekt, für das derzeit drei Hauptamtliche und ein Praktikant arbeiten, bekommt einen Zuschuss der Stadt Freiburg, Betreuungspauschalen des Jobcenters Freiburg, Erlöse aus eigenen Dienstleistungen/Vermarktungen, ist aber dennoch größtenteils auf Spenden und Geldbußenzuweisungen an den Bezirksverein angewiesen. Im vergangenen Jahr kostete es rund 240.000 Euro. Seit der Gründung wurden mindestens 300 Klienten betreut. Der Verein betreibt zudem die Anlaufstelle für Haftentlassene im Vollrath-HermissonHaus, bietet 20 Übergangs-Wohnplätze, Freizeitangebote und Anti-Gewalt-Coaching sowie EinsA, wo es Beratung, Einsatzstellenvermittlung und Begleitung gibt, wenn gerichtliche Arbeitsauflagen oder gemeinnützige Arbeit zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen abgeleistet wird. Ziel und Zweck des Vereins ist die Unterstützung von Gefangenen und Haftentlassenen bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft sowie der Haftvermeidung. Allein in diesem Jahr schafften es vier Männer aus dem Arbeitsprojekt in den ersten Arbeitsmarkt. bar/hc
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 11
Interview
» Für mich gibt es keinen Plan B « BMX-Star Chris Böhm über TV-Auftritte, Weltrekorde und Radfahren als Therapie
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Foto: © Christoph Reichmann Fotografie
r brettert mit seinem BMXRad die Schweizer Bobbahn hinunter, legt in einem Jahr zwei Weltrekorde aufs Parkett und erfindet das Tanzen neu, indem er BMX und Breakdance mischt. Der dreifache deutsche BMX-Meister Chris Böhm ist eigentlich gelernter Kinderkrankenpfleger, sein Geld verdient er aber vor allem mit seinen Shows, für die er durch ganz Europa tourt. bib-Redakteurin Tanja Bruckert hat sich mit dem Lörracher darüber unterhalten, wie es ist, wenn man sein Hobby zum Beruf macht.
bib: Als Jugendlicher haben Sie Ihre Leidenschaft fürs BMX-Fahren entdeckt, wann haben Sie gemerkt, dass man damit auch Geld machen kann? Chris Böhm: Ich bin in Bitterfeld aufgewachsen, einer Kleinstadt nahe Leipzig – da gab es Funsportarten wie BMX oder Breakdance gar nicht. Als sich Kumpels von mir ein BMX-Rad gekauft haben, habe ich gemerkt: Hey, das ist was Neues, was Cooles. Also habe ich mir ein Rad aus alten Teilen zusammengebaut und jeden Tag auf dem Parkplatz eines Supermarkts trainiert. Als die BMX-Teile nach und nach kaputt gegangen sind – die Reifen abgefahren, die Pedale gebrochen – war klar: Es muss Kohle her. Also sind wir nach Leipzig und Halle gefahren und haben Straßenshows gemacht. So habe ich mit 13 mein erstes Geld auf der Straße verdient.
wenn man mit dieser Disziplin überleben will: Es gibt keinen unbekannten BMXer, der Erfolg hat. Du musst, um Menschen zu erreichen, erstmal einen Bekanntheitsgrad haben. bib: Ihre vielen TV-Auftritte etwa beim Supertalent, Got to Dance oder Stern TV haben dabei geholfen … Böhm: Klar. Aber das heißt nicht, dass ich in jeder TV-Show auftreten würde. Big Brother oder der Bachelor kämen zum Beispiel nicht in Frage. Ich weiß, wie solche Sendungen funktionieren und was man dabei alles von sich selbst präsentieren muss. Ich suche nur Formate raus, die ich später auch mit meinem Kind gucken könnte, ohne mich zu schämen. Es gibt immer einen privaten Chris Böhm und einen, der BMX-Rad fährt und Leute inspiriert und das im Fernsehen zeigt.
bib: Und jetzt sind Sie reich und berühmt ... Böhm: Reich werden war nie mein Ideal. Aber Berühmtheit ist wichtig,
bib: Sie haben in diesem Jahr bereits zwei Weltrekorde geknackt: Im Mai haben Sie im Europa-Park 33 Drehungen auf dem Vorderrad hingelegt, im
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Juli 32 Umdrehungen auf dem Hinterrad – jeweils in 30 Sekunden. Ist der nächste Weltrekord schon in Sicht? Böhm: Ich habe für nächstes Jahr gleich mehrere geplant: Bei einem werde ich mich wieder auf dem Hinterrad drehen – doch diesmal ohne Hände. Bis jetzt schaffe ich 10 Sekunden, 15 müssen es mindestens werden. Die große Gefahr am Erfolg ist, dass es mit dem Höhenflug schnell wieder vorbei sein kann. Deswegen braucht man immer einen Plan, wie man sich weiterentwickeln kann. bib: Dazu gehört auch, dass Sie regelmäßig neue Shows anbieten. Ihre jüngste heißt „Ready 2 Rumble“ und verbindet das BMX-Fahren mit Breakdance, Tricking, Fußball und rhythmischer Sportgymnastik. Wie kommt man auf so eine Kombination? Böhm: Als Entertainer will ich etwas Einzigartiges entstehen lassen. Ich habe lange Zeit alleine gearbeitet, das war irgendwann eintönig. Mit anderen Künstlern ist das ein ganz anderes Flair,
Interview
Foto: © privat
denn aus der Verbindung, etwa von Breakdance und BMX, kann man etwas ganz Neues kreieren. So sind wir letztes Jahr ins Finale von „Got to Dance“ gekommen: Mit dem BMX-Rad in einer Tanzshow, das ist schon verrückt.
bib: Wenn Sie gerade nicht mit Ihren Shows auf Tour sind, setzen Sie BMX-Workshops als Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Lörrach ein. Was ist am BMX-Fahren therapeutisch? Böhm: Man kann nicht einfach mit dem BMX-Rad ankommen und dann sagen: Das ist Therapie. Du musst die Krankheitsbilder kennen, wissen, wie man mit den Kindern pädagogisch umgeht, musst Strukturen einbringen. Ich arbeite mit Kindern, die ADHS haben, Autisten sind oder posttraumatische Belastungsstörungen haben. Durch das BMX-Fahren erleben die Wer rastet, der rostet: Diesen Spruch seiner Oma hat sich Chris Böhm zu Herzen genommen. Wenn er nicht gerade in Lörrach trainiert (Bild links), ist er für Shows und Werbeauftritte in der ganzen Welt unterwegs. Das rechte Bild entstand in Japan, wo Böhm Ende Oktober an der Weltmeisterschaft im BMX-Flat teilgenommen hat.
Kinder Erfolge, die sie von ihrer manisch-depressiven Stimmung wegbringen oder sie lernen, mit anderen Kindern in Kontakt zu treten. Außerdem macht es den Kindern Freude – und ich bleibe so weiter im Beruf drin. bib: Sie sind 33. Wie sieht Ihr Leben in 20 Jahren aus? Sind Sie dann immer noch mit dem Rad auf Tour? Böhm: Der Wunsch ist da, dass ich auch in 20 Jahren noch BMX-Rad fahre. Ich weiß nur nicht, ob die Leute das dann noch sehen wollen. Wenn nicht, auch nicht schlimm. Dann fahre ich nur für mich. Ich habe aber auch die Möglichkeit, auszuweichen. Ich kenne einige Firmen, die mich ins Marketing nehmen würden. Außerdem könnte ich sofort wieder Vollzeit in der Kinderpsychiatrie arbeiten. Für mich gibt es keinen Plan B, sondern immer ein neues Projekt, eine neue Aufgabe. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich weiter Gas geben werde. 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 13
Steuerrecht
Ende gut, alles gut? Die Neuregelungen der Erbschaftsteuer führen zu noch mehr Bürokratie
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Foto: © ns
ie lange umstrittene Erbschaftsteuerreform ist nun – deutlich verspätet – beschlossene Sache. Nachdem der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses am 22. September zugestimmt hat, sollen die Neuregelungen rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte im Dezember 2014 Teile der damaligen Erbschaftsteuer-Vergünstigungen für Firmenerben verworfen und dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis Ende Juni gesetzt. Ob sich das BVG mit dem Kompromiss nun zufriedengibt, bleibt abzuwarten.
Weitere Nachteile können im Falle einer erneuten Erbschaft innerhalb von zehn Jahren entstehen. Der Vorwegabschlag auf den Unternehmenswert von maximal 30 Prozent bleibt zwar bestehen, Voraussetzung ist aber, dass die Gesellschafter nachweisbar langfristig an das geerbte Unternehmen gebunden sind, weil sie in der Verfügung über ihren Anteil auf Jahre beschränkt sind und die Gewinnentnahme auf 37,5 Prozent der Gewinne nach Steuern begrenzt ist. Kleinbetriebe mit bis zu 5 Arbeitnehmern werden von der Lohnsummenregelung verschont. Allerdings müssen auch sie für den Erhalt der Steuerbefreiung das Unternehmen fünf bis sieben Jahre fortführen. Mittel aus dem VerwaltungsWichtige Änderungen gibt es vermögen eines Nachlasses, die etwa bei der Bewertung von Unnach dem Willen des Erblassers ternehmen nach dem vereinfachten innerhalb von zwei Jahren nach Ertragswertverfahren. Der zinsabseinem Tod in das Unternehmen hängige Multiplikationsfaktor wird investiert werden, werden künftig auf derzeit 13,75 Prozent angehobegünstigt. Firmenerben können ben. Die Festsetzung dieses Faktors zudem eine siebenjährige Stunbleibt weiterhin willkürlich. Unterdung in Anspruch nehmen. Diese nehmer können aber zum Nachweis ist zwar im ersten Jahr zinslos, daeines niedrigeren Wertes ein – kostnach werden aber satte sechs Prospieliges – Unternehmenswertgutzent (!) fällig. achten in Auftrag geben. Und schließlich wird der Begriff Für kleine und mittlere Unter- Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsdes „schädlichen Verwaltungsvernehmen gelten die bisherigen prüfer und Geschäftsführer bei der Hecht und mögens“ in modifizierter Form beiVerschonungsregelungen (Regelver- Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg. www.hbm-partner.de behalten. Darunter fallen künftig schonung von 85 Prozent und Opauch Luxusgegenstände wie Oldtitionsverschonung von 100 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens) unverändert mer, Yachten oder Kunstgegenstände. weiter. Für große Familienunternehmen ab 26 Millio- Fazit: An den Neuregelungen zu kritisieren sind eine weitenen Euro aber wird eine Steuerbefreiung nur noch ge- re Verkomplizierung der Erbschaftbesteuerung bei Unterwährt, soweit dies notwendig ist, um das Unternehmen nehmen, der bürokratische Mehraufwand und die dadurch fortzuführen. Demnach muss der Erbe künftig zur Til- verursachten Mehrkosten. Dennoch bleiben Betriebsvermögung der Steuerschuld bis zu 50 Prozent seines Privatver- gen bei optimaler steuerlicher Gestaltung, etwa im Verwalmögens einsetzen. Um dies zu vermeiden, wird alternativ tungsvermögensbereich, weiterhin in großem Umfang von der für Vermögen zwischen 26 und 90 Millionen Euro das Erbschaftsteuer verschont. Ob die Neuregelungen aber ausreiAbschmelzmodell eingeführt. Abschmelzung bedeutet, chen werden, um die vom BVG monierten Ungleichheiten der dass der Steuerrabatt mit zunehmendem Wert des geerb- begünstigten Besteuerung von Firmenvermögen im Vergleich ten Vermögens (Obergrenze 90 Millionen Euro) sinkt. zur nicht begünstigten Besteuerung anderer Vermögen beseiAchtung: Wird die Verschonungsbedarfsprüfung gewählt, tigt zu haben, darf bezweifelt werden. Mathias Hecht schließen sich für den Erben lange Behaltensfristen an.
14 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Steuern
Kolumne
Die Digitalexperten
Der Freiburger Steuerberater Erik Herr ist ein Routinier im Geschäft. Für die bib-Leser berichtet er in jeder Ausgabe über Nützliches & Kurioses, Aktuelles & Steuerbares. Foto: © privat
Die Steuerberatung Guagliardo & Schätzle ist regionaler Vorreiter
Stellt der BFH sich gegen das Gesetz?
Haben Ordner noch nicht ganz aufgegeben: Sandra Guagliardo u. Gabriel Schätzle.
Foto: © privat
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as Versprechen der digitalen Buchführung heißt vereinfacht: Schluss mit Zettelwirtschaft und Aktenbergen in der Buchhaltung. Auch wenn das papierlose Büro noch nicht
hundertprozentig realisierbar ist: Digitale Buchführung lässt sich in prinzipiell jedem Unternehmen praktizieren. Und bringt erheblich Vorteile – nicht nur mit Blick auf die stets knappe Ressource Zeit.
„Wir haben das Potential der Digitalisierung in unserem Metier früh erkannt. Digitale Buchführung war anfänglich ein Steckenpferd gemeinsam mit einigen ‚mutigen‘ Mandanten, inzwischen gehört sie zu unseren Kernkompetenzen“, sagt Gabriel Schätzle von BGS Steuerberater. Nach Informationen von DATEV gehört die bereits 1954 gegründete Kanzlei in Elzach, zu der seit 2015 auch das Büro von Jochen Schuricht zählt, zu den Kanzleien der Region mit den meisten digitalen Buchführungen. Dabei ist digitale Buchhaltung nur eine Spezialität von BGS. „Gut badischer Umgang ist uns wichtiger als Nadelstreifenanzüge und Paragrafendeutsch“, sagt Schätzle und lacht herzlich, „wie auch einem Großteil unserer Mandanten, der zum bodenständigen Mittelstand gehört.“ So wundert es nicht, dass BGS mit aktuell 19 Beschäftigten ebenso Privatpersonen wie Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern betreut. Vor allem im südbadischen Handwerk gibt es zahlrei-
che Firmen, die in BGS einen gleichermaßen kompetenten wie kompatiblen Steuer- und Unternehmensberater gefunden haben – und sich von der Einfachheit und Schnelligkeit der digitalen Buchführung begeistern lassen. Ein- und Ausgangsrechnungen werden – sofern sie nicht schon digital vorliegen – einfach gescannt und über eine sichere Verbindung ins DATEV-Rechenzentrum übertragen. Ab 2017 geht das sogar per Smartphone. BGS wiederum „zieht“ sich die Daten zeitnah vom Rechenzentrum und bucht entsprechend. Die Mandanten sparen sich mühseliges Kopieren von Papieren sowie das Hin- und Herfahren von Ordnern. Das spart Zeit und Geld. Und im Bedarfsfall entfällt auch langwieriges Blättern und Suchen, der Zugriff erfolgt bequem online. „Wir können auch besser beraten, weil wir tagesaktuell buchen und somit bei den Auswertungen viel aktueller und präziser sind“, so Schätzle. 40 Mandanten würden dieses System bereits nutzen. Tendenz steigend. bib
Erhöhung einer Pensionszusage an einen GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer: Eine Erhöhung wird vom Finanzamt nur noch akzeptiert, wenn Sie mindestens zehn Jahre vor dem „normalen“ Eintritt in den Ruhestand erfolgt! Gebäudesanierung – anschaffungsnahe Herstellungskosten anstelle Sofortabzug: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Urteilen vom 14. Juni 2016 den Begriff der „Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ im Einkommensteuergesetz (EStG) für die Fälle konkretisiert, in denen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung neben sonstigen Sanierungsmaßnahmen auch reine Schönheitsreparaturen durchgeführt werden. In diesen Fällen wurden etwa Wände eingezogen, Bäder erneuert, Fenster ausgetauscht, energetische Verbesserungen als auch Schönheitsreparaturen durchgeführt. Gemäß § 6 Abs. 1, Nr. 1a EStG liegen sogenannte „anschaffungsnahe“ Anschaffungskosten vor, die dann nur im Wege der Absetzungen für Abnutzung (AfA) über die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt steuerlich geltend gemacht werden können, wenn diese innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden und die Nettokosten 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Da der BFH nun aber auch reine Schönheitsreparaturen zu den „Instandsetzungsund Modernisierungsmaßnahmen“ zählt, stellt er sich unseres Erachtens gegen die Gesetzesformulierung. Zugunsten unserer Mandanten werden wir deshalb vorerst diese Einzelfallentscheidungen nicht anwenden, sondern uns auf den oben angeführten Paragrafen berufen. www.herr-stb.de
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 15
Luftfahrt
Terror lähmt Wachstum EuroAirport legt nur moderat zu – ist aber renditestark Starten und Landen: 500 Flüge zu 70 Destinationen – pro Woche
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ie steile Flugkurve im Passagiergeschäft flacht beim EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg (EAP) leicht ab. Das, meldet der binationale Flughafen, sei vor allem auf die Auswirkung von Terror und die daraus resultierende geringere Nachfrage
in bestimmten Ländern zurückzuführen. „Hauptverantwortlich sind das total eingebrochene Türkeigeschäft, aber auch die nordafrikanischen Feriendestinationen“, sagt EAP-Marketingchef Mario Eland beim Redaktionsbesuch.
Mit 7,5 Millionen Passagieren hatte die Crew um den Flughafen-Direktor Mathias Suhr in diesem Jahr gerechnet. Man wird wohl bei 7,3 bis 7,35 landen, rechnet Eland hoch. Weil die Türkei mit ihren enormen Hotelkapazitäten derzeit so gut wie leer ist, sind andere Ziele, etwa die Kanaren und die Balearen, an den Grenzen ihrer Kapazität. Bis Ende September zählte der EAP 5,6 Millionen Fluggäste, gegenüber dem Vorjahr ein leichtes Plus von drei Prozent. Wegen des Brexit und der Abwertung des Pfund kämen zwar auch weniger Gäste aus England, dafür fliegen mehr aus der Region dorthin – unterm Strich kein Einbruch. Auch wirtschaftlich führt das geringere Wachstum zu keinen Dellen, da auch der Aufwand zurückgehe. Allerdings bringe der immer noch geltende Ausnahmezustand in Frankreich (die Regierung hat angekündigt, diesen noch bis Ende 2017 zu halten) „erheblichen Mehraufwand bei den Sicherheitskontrollen“ mit sich. Noch hat der EAP diese Kosten nicht an die Fluglinien weitergegeben. Durch den Einsatz größerer Flugzeuge und die höhere Auslastung – aktuell 88 Prozent – ändert sich auch der Personaleinsatz: Galt früher die Faustformel, dass für eine Million Passagiere etwa 1000 Mitarbeiter benötigt werden, liegt diese Quote heute bei 950 – bei den Billigfliegern sogar noch 20 Prozent drunter. „Die Luftfahrtbranche steigert ihre Effizienz“, sagt Eland. Das Frachtgeschäft liegt derweil zwei Prozent unterm Vorjahr. Hier machen vor allem das schwächelnde China, die
die Schweizer Exporte weiter belastende Aufhebung des Euro-Mindestkurses und eine Verschiebung hin zur Seefracht Druck auf die Zahlen. Diese wären aber noch schlechter, wenn der EAP nicht in sein neues Cargo-Terminal investiert hätte, das nicht nur bei der Pharmaindustrie aufgrund der lückenlosen Kühlkette stark gefragt ist und starke Zuwächse hat. Dieses Plus wird das Minus ausgleichen, das Ergebnis von 101.000 Tonnen auf Vorjahresniveau bleiben. Verglichen mit dem Vorjahr sind die Flugbewegungen im dritten Quartal um drei Prozent auf 73.700 Starts und Landungen gestiegen. Der Winterflugplan bietet seit Ende Oktober wöchentlich mehr als 500 Flüge zu 70 Destinationen, neu sind Boa Vista und Sal (Kapverdische Inseln), Funchal (Madeira), Pisa (Toskana) und Sofia. Der EAP hatte im vergangenen Jahr erstmals in seiner Geschichte mehr als sieben Millionen Passagiere abgefertigt. Die Investitionsbereitschaft ist hoch: Mit gut 40 Millionen Euro verbessert Suhr derzeit die Parkplatzlandschaft und die Gepäcksortieranlage. Die Verantwortlichen, auch Suhrs Vorgänger Jürg Rämi, haben gut gewirtschaftet und konsequent Verbindlichkeiten abgebaut. Ende 2015 war der vor zwölf Jahren noch 180 Millionen Euro mächtige Schuldenberg abgetragen. Auf der anderen Seite kletterte der Umsatz nach oben: Im vergangenen Jahr auf 136,6 Millionen Euro. Nach Steuern blieben unterm Strich rund 27 Millionen Euro Gewinn. Lars Bargmann
Foto: © EAP
Ausnahmezustand bringt erheblichen Mehraufwand
16 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Ausbildungsmarkt
Mehr als 1000 offene Stellen Nachwuchssorgen allerorten
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uf dem südbadischen Ausbildungsmarkt gibt es aktuell mehr als 1000 offene Stellen. Und knapp 130 Bewerber ohne Stelle. Das erklärten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Spitzen der Arbeitsagenturen in Freiburg und Offenburg, von Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammer. Gewinner ist die IHK, die um fünf Prozent zulegte, das Handwerk gab um 1,3 Prozent leicht nach. „Eigentlich ist doch alles super, könnte man meinen“, sagte Christian Ramm, Geschäftsführer der Freiburger Arbeitsagentur. Es gab 4074 Stellen (plus 8,4 Prozent zum Vorjahr) und 4077 Bewerber, darunter 141 Flüchtlinge. Allein: 482 Stellen, mehr als jede zehnte also, blieb unbesetzt. Und dies trifft vor allem die Gastronomie und den Einzelhandel: Während es etwa für einen Bewerber als Tontechniker nur 0,2 Stellen gibt, gibt es in der Gastronomie 8,2 und im Einzelhandel 6,3. In der Ortenau gab es indes deutlich mehr Stellen (3642) als Bewerber (3218). Dennoch waren auch hier 28 Bewerber am Ende ohne Ausbildungsvertrag, berichtete die Offenburger Arbeitsagenturgeschäftsführerin Elisabeth Giesen. Zusammen mit der Arbeitsagentur in Lörrach summieren sich die offenen Stellen in der Region auf über 1000, die der unversorgten Bewerber auf knapp 130. Der Freiburger Handwerkskammerpräsident Johannes Ullrich erzählte, dass viele kleine Betriebe mittlerweile frustriert sind, weil sie trotz hohem Aufwand keine geeigneten Lehrlinge bekommen. Die Kammer werde hier mehr helfen, die Betriebe müssten in einigen Branchen aber auch über die Höhe der Ausbildungsvergütung nachdenken. Die Motivation bei den Lehrlingen sei aber hoch: Der Malermeis-
Vor allem die Gastronomie hat es schwer, Nachwuchs für sich zu gewinnen. ter bildet selber einen Flüchtling aus, der jeden Morgen um 4.30 Uhr von Rottweil aus anreist (Residenzpflicht), um um 7 Uhr bei der Arbeit sein zu können. Die beste Bilanz hatte IHK-Präsident Steffen Auer mitgebracht: 4225 Ausbildungsverträge wurden unterzeichnet, fünf Prozent oder 200 mehr als im Vorjahr. Besonders Emmendingen trug mit einem Wachstum von mehr als zwölf Prozent stark dazu bei. Da aber die IHK vier Jahre lang immer weniger Verträge melden konnte, sei dies kein Grund zum Jubeln. 2011 etwa gab es 290 Verträge mehr als in diesem Jahr. Alle haderten mit der oftmals sub-optimalen Qualifikation der Bewerber. „Viele Schulabgänger“, so Ullrich, „haben Mängel in Mathe und Deutsch“. Auer berichtete, dass ein Azubi früher in der Regel auch die Prüfungen bestand. Da dies schon länger nicht mehr so sei, stelle er selber in seinem Betrieb wesentlich mehr ein, um am Ende auf die gleiche Zahl von Absolventen zu kommen. bar 5 Anzeigen
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 17
Menschen und Meldungen
Badenova versorgt die Bayern FREIBURG. Der südbadische Energieversorger Badenova hat sich in einem internationalen Bieterverfahren durchgesetzt und beliefert ab sofort die Münchener AllianzArena mit Gas und ab 2018 auch mit Strom. Durchaus ein Prestigegewinn für die Freiburger. Nach Angaben des Fachmediums Energie & Management benötigen große Freiluftarenen jährlich Strom im unteren zweistelligen Millionen-Kilowattstunden-Bereich. Badenova versorgt auch Nike, Hugo Boss, Breuninger oder Microsoft. „Während andere Energieversorger sich aus dem anspruchsvollen Geschäft mit Großkunden zurückziehen, wollen wir hier weiter wachsen“, sagt Dieter Balasch, der den Geschäftskundenvertrieb leitet. Groß war der Auftrieb, als Badenova die Inbetriebnahme des kleinen Windparks auf dem Kambacher Eck feierte. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (ein Windfreund) hielt die Festrede, Badenova-Vorstandschef Thorsten Radensleben lobte die Gemeinden Steinach, Schuttertal und Biberach für ihre große Unterstützung. Die vier Windräder produzieren um-
Foto: © Badenova
Neuer Windpark auf dem Kambacher Eck
Ein Knopfdruck für viel sauberen Strom: Thorsten Radensleben, Franz Untersteller und der Steinacher Bürgermeister Frank Edelmann (v.l.). weltfreundlicheren Strom für rund 10.000 Haushalte. Mit einer Investition von 22 Millionen Euro ist der Windpark das bislang größte Vorhaben dieser Art in der Geschichte der Badenova. bar
fwi vergibt acht Areale
Stryker wächst und baut
FREIBURG. Die Freiburg-S-Wirtschaftsimmobilien GmbH (fwi), eine gemeinsame Tochter der Sparkasse Freiburg und der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH, hat auf dem Güterbahnhof acht Grundstücke an regionale Handwerks- und Produktionsbetriebe vergeben. „Damit hat sich die erfolgreiche Entwicklung des Güterbahnhofareals durch die Stadt, fwi und Aurelis nochmals gefestigt. Das Quartier trägt wesentlich zur raschen Entwicklung Freiburgs hinsichtlich steigender Einwohner- und Übernachtungszahlen sowie dem Bedarf an Gewerbeflächen bei“, so fwi-Geschäftsführer Bernd Dallmann.
FREIBURG. Das Medizintechnikunternehmen Stryker erweitert seinen Standort. Ein fünfgeschossiger Neubau mit 8300 Quadratmetern Fläche neben dem Bestandsgebäude an der Bötzinger Straße soll weiteres Wachstum ermöglichen. Das Unternehmen macht zur Höhe der Investition keine Angaben. Die Zahl der Mitarbeiter ist seit 2010 um 150 auf mehr als 750 angestiegen. Weltweit beschäftigt der US-Konzern 27.000 Menschen und setzt knapp zehn Milliarden US-Dollar um. Der Freiburger Gemeinderat nickte die nötige Bebauungsplanänderung (das Gebäude wird zwei Stockwerke höher als erlaubt) ab.
Tannenzäpfle wird »Marke des Jahres 2016« ROTHAUS. Die Badische Staatsbrauerei Rothaus AG wurde mit dem Tannenzäpfle zur „Marke des Jahres 2016“ gewählt. In der aktuellen Brandindex-Studie des internationalen Marktforschungsunternehmens YouGov und der Verlagsgruppe Handelsblatt belegt das Tannenzäpfle passend zum 60. Geburtstag in der Kategorie „Biere“ den ersten Platz. Alleinvorstand Christian Rasch: „Diese Auszeichnung spricht einmal mehr für die besondere Qualität unserer Biere und vor allem für unsere Mitarbeiter, ohne die das alles nicht möglich wäre. Trotz kleinem Werbeetat wird unser Tannenzäpfle nicht nur in unserer Heimat, dem Schwarzwald, geschätzt, sondern in ganz Deutschland.“ 18 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
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Menschen und Meldungen
Junge Handwerker mit Rekord Meilensteine für Karrierelaufbahn
Gespendet von BMW und Autohaus Märtin FREIBURG. Die BMW AG hat in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Autohaus Märtin der Gewerbe Akademie der Handwerkskammer Freiburg einen BMW 114d im Wert von rund 35.000 Euro gespendet. Die Handwerkskammer investiert mit Zuschüssen von Bund und Land jährlich 200.000 Euro in die fortlaufende Modernisierung der Abteilung Fahrzeugtechnik an den Standorten in Offenburg, Freiburg und Schopfheim.
Foto: © Susanne Gnamm
15 der 20 Ersten Landessieger und Kammerpräsident Johannes Ullrich (3.v.l.) bei der Ehrung in Reutlingen. Reutlingen. Für den Freiburger Kammerpräsidenten Johannes Ullrich ist das „ein hervorragendes Ergebnis. Wir sind stolz auf unsere Landessieger, die
Großartiges geleistet haben und damit einen ersten Meilenstein für eine erfolgreiche Karrierelaufbahn erreicht haben.“ bib
Schultis geht, Winsheimer kommt FREIBURG. Marc Winsheimer ist seit 1. November neuer Leiter des Referats Gesellschaftliches Engagement bei der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau. Der 31-jährige Bankfachwirt tritt damit die Nachfolge von Albert Schultis an, der nach elfjähriger Leitung des Referats in den Ruhestand geht. Insgesamt war Schultis 44 Jahre lang für die Sparkasse tätig. Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse, Marcel Thimm, würdigte das Engagement und die Verdienste von Schultis.
Foto: © Sparkasse Freiburg.
SÜDBADEN. Südbadische Nachwuchshandwerker haben beim Leistungswettbewerb „Profis leisten was“ einen neuen Rekord aufgestellt: In 20 Wettbewerbsberufen errangen junge Gesellinnen und Gesellen aus dem Bezirk der Handwerkskammer Freiburg den Landessieg. So viele wie noch nie: Damit landeten sie im landesweiten Kammervergleich auf Platz zwei. Die Sieger erhielten ihre Auszeichnungen Ende Oktober bei einem Festakt in der Stadthalle Reutlingen aus den Händen von Reiner Reichhold, dem Präsidenten des Baden-Württembergischen Handwerkstages, und Harald Herrmann, dem Präsidenten der Handwerkskammer
Marcel Thimm (Mitte), Albert Schultis (re.) und Marc Winsheimer. 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 19
Menschen und Meldungen
Starke Rechner für autonome Fahrzeuge MSC Technologies auf dem Weg in die Zukunft
Quelle: © MSC Technologies
Der 19-Zoll-Rechner von MSC bewältigt riesige Datenmengen Freiburg. Um den stetig wachsenden Fahrzeugstrom auf den Straßen zu bewältigen, muss der Verkehr in Zukunft deutlich flüssiger laufen. Einen Beitrag dafür, so Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, können selbstfahrende Automobile leisten. Nach Bayern und Niedersachsen plant jetzt auch BadenWürttemberg eine Teststrecke, die digitalisiert so ausgerüstet wird, dass eine Kommunikation zwischen Fahrzeug, Straße und anderen Verkehrsteilnehmern möglich ist. Damit autonome Fahrzeuge Form und Entfernung von Objekten erfassen können, sind sie mit 3D-Kameras, GPS-Navigation und Lasertechnik ausgestattet. Selbstfahrende Autos müssen ihre Um-
welt verstehen, mit ihr kommunizieren und berechenbar sein. Um das zu ermöglichen, müssen enorme Datenmengen verarbeitet werden. Zum Einsatz kommen robuste PCs, die höchsten Anforderungen in punkto Rechenleistung, Robustheit und Zuverlässigkeit genügen müssen. Als einer der führenden Anbieter liefert MSC Technologies eine breite Palette an schnellen Industrierechnern, die in der eigenen, hochautomatisierten Produktionsstätte in Freiburg gefertigt werden. Die leistungsfähigen 19-Zoll-Rechner und skalierbare Embedded-Systeme basieren auf neuesten Prozessortechnologien und stellen den zuverlässigen Betrieb auch bei kritischen Umgebungen sicher. bib
Unmüßig spendet 10.000 Euro FREIBURG. Der Freiburger Projektentwickler Unmüssig Bauträgergesellschaft Baden mbH feiert dieses Jahr sein 70-jähriges Bestehen, hat dabei auf Geschenke verzichtet und stattdessen um Spenden zugunsten des Freiburger Münsters gebeten. Rund 30 Spender sind dem Aufruf gefolgt, Peter Unmüßig rundete den Betrag großzügig auf und übergab schließlich 10.000 Euro an Münsterbaumeisterin Yvonne Faller, Sven von UngernSternberg, den Vorsitzenden des Münsterbauvereins, und Dompfarrer Wolfgang Gaber. „Es freut uns sehr, die Firma Unmüssig zu unseren großzügigen Förderern zählen zu dürfen“, sagte von Ungern-Sternberg. Unmüßig hob hervor, dass das Freiburger Münster sicher die „faszinierendste Projektentwicklung Freiburgs“ ist.
Hanse-Merkur kauft Ex-Atrium FREIBURG. Das Atrium am Augustinerplatz hat die Hanse-Merkur Grundvermögen vom Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig gekauft, der den Gebäudekomplex, der nun Augustiner 2 heißt, vor sechs Jahren erworben und entwickelt hatte. Zum Kaufpreis machte Unmüßig keine Angaben. bib / bar 5 Anzeige
20 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Menschen und Meldungen
Foto: © bar
Wirtschaft trifft Schausteller SÜDBADEN. Der Wirtschaftsbeirat des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon und der Verein Wirtschaftsförderung Region Freiburg stattete der Freiburger Mess‘ unlängst mit 130 Vertretern aus Wirtschaft und Politik einen Besuch ab und erkundigte sich nach der Entwicklung des Schaustellergewerbes. Roland Maier, Geschäftsführer Kinzler & Maier Fahrgeschäfte, brachte bei seinem anschließenden Vortrag „Leben eines Schaustellers“ dem Publikum den Schausteller-Alltag näher: „Schausteller zu werden, kann man nicht lernen. Als Schausteller wird man geboren und das mit Herzblut.“ Die wirtschaftlichen Faktoren des Schaustellergewerbes zeigte Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes auf: „Kommunen, die ein gut funktionierendes Volksfest veranstalten, profitieren nicht nur von einem jahrhundertealten, traditionellen Kulturgut, sondern können damit auch ihre Wirtschaftskraft erheblich stärken.“
Frisch bezogen: Neue Schaub-Zentrale an der Bötzinger Straße.
Schaub bezieht Neubau Bekenntnis zu Freiburg FREIBURG. Das Sanitätshaus Schaub hat unlängst im Gewerbegebiet HaidSüd an der Bötzinger Straße 55 seine neue Firmenzentrale und damit auch eine Tür in die Zukunft geöffnet. Die Standorte an der Friedrich-Neff- und der St. Georgener Straße sind nun geschlossen. Bestehen bleibt die erste Filiale des 1931 gegründeten Familienunternehmens in der Bertoldstraße 45 im Herzen Freiburgs. Auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück bieten Inhaber Peter Wien
und Geschäftsführer Stephan Thoma auf 6000 Quadratmetern nun ein nach Firmenangaben bundesweit einzigartiges 360-Grad-Versorgungskonzept an. Zudem sei Schaub, so Wien, „der einzige Komplettanbieter für Hilfsmittel in Südbaden“. Mehr als 320 Mitarbeiter in 26 Niederlassungen versorgen mittlerweile monatlich rund 30.000 Patienten. Schaub hat in die Zukunft des Traditionsunternehmens einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. bar
Mack Gastronom des Jahres
Schwörer beerbt Hahl
DEPOT eröffnet in Lahr
RUST. Der Schlemmer Atlas des Verlagshauses Busche hat den EuropaPark Inhaber Roland Mack am 24. Oktober als Gastronom des Jahres 2017 ausgezeichnet. Gewürdigt wurden damit sein Lebenswerk und die Erfolgsgeschichte des 1975 gegründeten Europa-Parks.
FREIBURG. Die Deutsche Bank in Freiburg hat einen neuen Sprecher der Geschäftsleitung: Rainer Schwörer. Sein Vorgänger Michael Hahl wechselt in die Zentrale. Schwörer (50) leitet seit drei Jahren das Geschäft mit international tätigen Firmenkunden in der Region Südbaden/Schweiz.
LAHR. Am 10. November eröffnet die Handelskette DEPOT auf 465 Quadratmetern eine neue Filiale in Lahr. Im Gebäude Im Götzmann 4/5 können sich Kunden zukünftig von den kreativen und hochwertigen Wohnwelten inspirieren lassen. Depot hat auch eine Filiale am Fahnenbergplatz 3 in Freiburg. 5 Anzeige
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Menschen und Meldungen
Sparkasse Freiburg schließt Filiale am Komturplatz Saftige Mieterhöhung des Bauvereins abprallen lassen FREIBURG. Die Sparkasse Freiburg schließt nach einer kuriosen Vorgeschichte noch eine weitere Filiale in Freiburg: die am Komturplatz im Stadtteil Brühl. Entsprechende Informationen des bib bestätigte der Vize-Vorstandschef der Sparkasse Erich Greil: „Wir werden die Filiale Ende des Jahres schließen, auch wenn wir das eigentlich nicht vorhatten.“ Die Idee kam bei den Bankern erst auf, als der Sparkasse unlängst unangekündigt eine saftige Mieterhöhung des Vermieters, des Bauverein Breisgau, auf den Tisch flatterte. Der inzwischen geschasste Vorstandsvorsitzende Markus Schwamm (das Stadtmagazin chilli hatte exklusiv berichtet) hatte sie losgeschickt. Inhalt: Wenn die Bank ihren Mietvertrag verlängern wolle, dann würden künftig je nach Laufzeit bis zu 17,50 Euro je Quadratmeter fällig – mithin fast das Doppelte der aktuellen Miete von 9,85 Euro. Insgesamt belegt die Bank knapp 200 Quadratmeter in dem Eckgebäude. Anstatt verärgert zu sein, nahm Greil den Ball auf, prüfte die Entfernungen zu den Filialen in Zähringen und an 5 Anzeige
der Habsburgerstraße (je etwa einen Kilometer), prüfte die Frequenz am Komturplatz, ging in seine Gremien und schrieb dann zurück, dass die Bank den Vertrag nicht verlängern werde. Reinhard Disch, nach dem Rauswurf von Schwamm wieder erster Mann beim Bauverein, machte der Bank zwar noch ein „faires“ (Greil) Angebot, aber da hatte sie schon den Haken an den Vorgang gemacht. „Wir machen dem Bauverein keinen Vorwurf“, sagt Greil. Ob es die Filiale ohne den kuriosen Vorgang in fünf Jahren noch gegeben hätte, könne er nicht sagen. „Die Filiale gab es dort schon, als ich beim Bauverein anfing, 1968“, sagt Disch. Ihm tue die Schließung leid, „weil im direkten Umfeld viele Mieter von uns leben“. Die Sparkasse hat in diesem Jahr bereits 15 Zweigstellen geschlossen, in Waltershofen gehen Ende November die Lichter aus, am Komturplatz Ende des Jahres. Dann hat das Kreditinstitut noch 52 Filialen. Grund sind die Digitalisierung, geringere Erträge und die schlechtere Beratungsqualität in kleinen Filialen mit kleinen Fallzahlen. Lars Bargmann
Neues auf der Höhe
Hotel Luisenhöhe wird neu gebaut Visualisierung: © XGeis & Brantner
Siegerentwurf: So soll das neue Hotel aussehen. Geplant sind 80 Zimmer und 10 Suiten. HORBEN. Das traditionsreiche Hotel Luisenhöhe in Horben bei Freiburg wird abgerissen und neu gebaut. Nach viel Ärger um den Brandschutz fand der Projektentwickler und Gastromanager Toni Schlegel mit Joachim Buhr und Rüdiger Wörnle vom Gesundheitsresort Freiburg im Mooswald versierte Mitstreiter, die nun rund 20 Millionen Euro in einen Neubau mit 80 Zimmern und 10 Suiten stecken wollen. Die Mehrfachbeauftragung für den Neubau hatte das Freiburger Büro Geis & Brantner gewonnen. Der Vorsitzende des Preisgerichts, Wulf Daseking, lobte bei einer Bürgerversammlung die gelungene Zusammenführung von Natur und Gebäude, das nun etwa doppelt so groß wird. Mitte 2019 sollen die ersten Gäste begrüßt werden. 22 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Menschen und Meldungen
Fachkräftemangel größter Risikofaktor 45 Prozent suchen vergeblich Leute SÜDBADEN. Die IHK Südlicher Oberrhein hat mehr als 1000 Unternehmen über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Trotz zahlreicher konjunktureller Störfeuer, von der Staatskrise in der Türkei bis zum drohenden Brexit, bewerteten die Unternehmen die Geschäftslage äußerst positiv. Das Ergebnis ist zum zweiten Mal in Folge ein Spitzenwert von 50 Punkten. Den Grund dafür sieht IHK-Präsident Steffen Auer in der hohen Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie und der zunehmenden Binnennachfrage. Auch für die kommenden zwölf Monate rechnen 59 Prozent der Unternehmen mit einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung. Auer: „29 Prozent glauben gar an eine noch größere Dynamik, was fast gar nicht mehr möglich ist.“ Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage
und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert, der im Vergleich zum Sommer nun zwei Punkte nachgab und bei 132 Punkten liegt. Zum Vergleich: Zu Zeiten der europäischen Finanzkrise 2009 war er bis auf 72 Punkte abgestürzt. Der Fachkräftemangel sticht derweil als Risikofaktor zunehmend heraus. 52 Prozent der Betriebe nehmen ihn als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung wahr, vor zwei Jahren waren es 37. Auch der Anteil der Unternehmen aller Branchen, die offene Stellen nicht besetzen können, ist mit 45 Prozent deutlich höher als im Herbst 2014 (30). Aktuell listet der Kammerbezirk südlicher Oberrhein 8220 offene Stellen auf und damit fast doppelt so viele wie vor sechs Jahren. Am härtesten trifft der Fachkräftemangel das Hotel- und Gastgewerbe. bar
Badenova senkt die Erdgaspreise
Rekord für Waldhaus
SÜDBADEN. Die Badenova AG senkt zum 1. Januar 2017 die Erdgaspreise. Das Unternehmen gibt günstigere Einkaufspreise an die Kunden weiter. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 18.000 Kilowattstunden Wärme (etwa im neuen Einfamilienhaus) könne so rund 73 Euro sparen, bei einem Verbrauch von 33.000 kWh (altes Einfamilienhaus) 123 Euro. Davon profitieren rund 100.000 Kunden. Viele andere Gasversorger senken ebenfalls die Preise. Der Badenova Kundenservice ist unter allen Gasversorgern bundesweit der zweitbeste: Dies hat jüngst eine Studie der Zeitschrift Test-Bild ergeben, an der über 20.000 Menschen teilgenommen haben.
WALDHAUS. Die Privatbrauerei Waldhaus hat das abgelaufene Geschäftsjahr mit einem neuen Produktionsrekord beendet. Gegenüber dem Vorjahr legte das Unternehmen um satte zwölf Prozent zu, womit die 80.000 Hektoliter-Marke deutlich überschritten wurde. Seit der Gründung im Jahr 1833 wurde noch nie so viel Waldhaus-Bier in einem Jahr getrunken. Den Grund des Erfolges sieht Geschäftsführer Dieter Schmid darin, dass das Wachstum nicht das oberste Ziel ist: „Das primäre Ziel ist, ein Lächeln in die Gesichter der Menschen zu zaubern, die mit der Marke Waldhaus in Berührung kommen. Jegliches Tun richtet sich nach diesem Markenkern aus.“ bib chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 23
Familienunternehmen
Schwäbisch als Weltsprache Trumpf-Chefin Leibinger-Kammüller zu Gast beim wvib
E
s war ein Heimspiel für Nicola Leibinger-Kammüller, die Vorsitzende der Geschäftsführung des Maschinenbauers Trumpf GmbH + Co. KG, die neulich die elfte Ausgabe der Reihe „wvib im Dialog“ des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden in der Uni Freiburg bestritt. Leibinger-Kammüller hat in Freiburg, Zürich und Vermont Germanistik, Anglistik und Japanologie studiert. Lächelnd erzählt sie, dass ihr Vater und Vorgänger in der Chefrolle, Berthold Leibinger, immer gemeint hatte, dass jeder Deutsche Deutsch können müsse und jeder aus einer Unternehmerfamilie Englisch – mithin die Fächer Germanistik und Anglistik keine echten Herausforderungen darstellten. Da Leibinger Senior sowohl geschäftliche als auch kulturelle Interessen im asiatischen Raum hatte, musste es dann noch Japanologie sein, „um zu zeigen, dass ich mich durchbeißen kann“. Das kann sie: Nach den Verwerfungen der Finanz- und Wirtschaftskrise gelang es ihr ohne Entlassungen, den Maschinenbaukonzern, zu dem der Freiburger Generatorenbauer Hüttinger zählt, nicht nur zu stabilisieren, sondern auf Erfolgskurs zu bringen: „Uns geht es so gut wie seit Jahren nicht mehr.“
Fotos: © wvib
Gruppenbild mit Dame: Gunther Neuhaus, Vize-Unirektor, wvib-Präsident Klaus Endress und wvib-Geschäftsführer Christoph Münzer umrahmen die Unternehmerin. Zu Beginn ihres Vortrages sagte sie, dass die meisten Reden zu lang sind und so schoss sie, teils in charmantem Schwäbisch, in nur 20 Minuten ihre Thesen auf die Zuhörer ab: Sie forderte Anpassungsfähigkeit sowohl in technologischer wie gesellschaftlicher Hinsicht, die Veränderung sei heute der Normalfall, vor der man keine Angst haben solle. Man müsse sich auf den globalen Wandel einstellen – die nächste Großaufgabe sei Industrie 4.0, die digitale Vernetzung, der Abbau von Schnittstellen in der Produktion. Das ermögliche eine Kostensenkung von 20 bis 30 Prozent bei gleicher Belegschaftsstärke – vorausgesetzt, es gebe gleichzeitig Umsatzwachstum. 24 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Leibinger-Kammüler: Über Erfolge sprechen. Trotz ihres Wachstumsglaubens räumte Leibinger-Kammüller ein, dass gerade Wachstum auch Unbehagen auslöse. Hier würden gesellschaftliche Sichtweisen immer wichtiger – als Negativ-Beispiel nannte sie TTIP und CETA: Die sich hier ergebenden Chancen und Perspektiven seien abstrakt, die geschürten Ängste real. Da Unternehmer ein schlechtes Image hätten, sähen viele die Kostensenkung, die ein Freihandelsabkommen den Betrieben bringen könne, als Profit der Konzerne an. Negativ dazu habe beigetragen, dass die Verhandlungen mit einem Geheimnisschleier umgeben worden seien und die Öffentlichkeit nur unzureichend informiert wurde. Information sei aber wichtig: Bei Trumpf würden die Mitarbeiter einmal im Monat über alle Betriebskennzahlen unterrichtet. Mittelständler sollten lernen, zu sprechen, ihre Erfolge und Vorzüge darzustellen: man könne schneller reagieren, man denke langfristig und scheue extreme Risiken, man wolle ja auch der nächsten und übernächsten Generation ein gesundes Unternehmen übergeben. Ein starkes Familienunternehmen braucht eine starke Unternehmerfamilie. Deren Fortbestand und Einigkeit sei die Grundlage für die unternehmerische Vision und Strategie. Wer auf den Weltmärkten reüssieren wolle, brauche Zusammenhalt und klare Pläne für die Zukunft. Ein Unternehmen müsse auf vier Punkte achten: beste Produkte, beste Mitarbeiter, beste Motivation und Freude an der Entwicklung. Das bedeute, Mitarbeiter auch „mal machen lassen“ und sie gut zu bezahlen. Die Trumpf GmbH + Co. KG erzielte im vergangenen Geschäftsjahr mit weltweit knapp 11.200 Beschäftigten 2,8 Milliarden Euro Umsatz. Das sind zwar 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr, liegt allerdings trotzdem noch unter den eigenen Erwartungen. Stefan Pawellek
Familienunternehmen
»Wir wollen nicht Kollinger wachsen, wir müssen« zertifiziert Exzellente Gebrauchte
Vom Ein-Mann-Betrieb zum Global Player: AHP Merkle soll weiter wachsen.
Zertifikat: Ralph Kollinger nimmt es, Matthias A. Fink gibt es.
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Foto: © privat
Rasantes Wachstum stellt AHP Merkle vor Herausforderungen
Foto: © AHP Merkle
olle Auftragsbücher und ein Umsatz auf Rekordniveau: Der Hydraulik-Spezialist AHP Merkle will in diesem Jahr seinen Umsatz um rund zehn Prozent auf 34 Millionen Euro steigern. Rund die Hälfte des Umsatzes generiert das Gottenheimer Unternehmen im Ausland, denn was 1973 als Ein-MannUnternehmen begann, ist heute ein Global Player mit Vertriebsniederlassungen in China und Hongkong. Doch auch am Hauptsitz will das Familienunternehmen wachsen: Wenn alles nach Plan läuft, soll Mitte 2018 mit dem Bau einer neuen Fertigungshalle begonnen werden. Von Christen Merkles Büro blickt man über braune Felder, die sich bis zur nahen B31 erstrecken. 2,5 Hektar Ackerland, die sich auf rund 30 Eigentümer aufteilen und auf denen der Geschäftsführer in zwei Jahren gerne seine neue Produktionshalle sehen würde. „Wir wollen nicht wachsen, wir müssen wachsen, damit wir auch morgen noch erfolgreich sind“, macht Merkle deutlich, der die 220 Mann starke Firmengruppe in zweiter Generation führt. Zurzeit wird beim Hersteller von Hydraulikzylindern in drei Schichten ge-
arbeitet, trotzdem gebe es „an verschiedenen Ecken und Enden Engpässe“. Auch wenn ein beachtlicher Teil des Umsatzes in China gemacht wird, produziert das Traditionsunternehmen zu hundert Prozent in Gottenheim. „Ich weiß aber nicht, wie lange ich noch nach China einführen darf, ohne dass wir dort eine Produktionsstätte aufbauen“, sorgt sich der CEO. „In Asien wäre eine Produktion mit der gleichen Qualität nur mit großem Aufwand zu leisten.“ Auch für die Mitarbeiter sei das rasante Wachstum eine Herausforderung – egal, ob es um Fremdsprachenkenntnisse oder den Umgang mit neuen Technologien geht: „Wir sind eben nicht mehr die Firma, die wir mal waren.“ Dabei liege gerade in der Unternehmensgröße ein Wettbewerbsvorteil: Die Möglichkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen und sofort auf Veränderungen am Markt zu reagieren. Auch der Umgang mit den Mitarbeitern sei ein Punkt, der den Mittelstand ausmache, so Merkle: „Meine Tür ist immer offen.“ Zudem hat er eine Geschäftsführer-Sprechstunde eingeführt, in der die Mitarbeiter sämtliche Fragen ansprechen können – von Sorgen über die Nachtschicht bis hin zur fehlenden Uhr in der Kantine. tbr
er Familienbetrieb Premium Automobile Freiburg GmbH mit Geschäftsführer Ralph Kollinger freut sich über die Auszeichnung mit dem „Jaguar und Land Rover Approved Gebrauchtwagen Zertifikat“. Diese bekommen nur Händler, die bei einer „relativ scharfen“ (Kollinger) Auditierung besonders gut abschneiden. Bewertungskriterien sind neben einem hervorragenden Service etwa eine 24-monatige Gebrauchtwagen- und Mobilitätsgarantie auf Neuwagen-Niveau oder auch ein 165-Punkte-Check jedes Gebrauchten. „Das ist durchaus anspruchsvoll“, so Kollinger. Aber wer den Kunden das bestmögliche Angebot unterbreiten wolle, müsse sich den Anforderungen stellen. Die Kunden hätten bei ApprovedFahrzeugen im Prinzip die gleiche Sicherheit wie bei Neuwagen, zudem gibt es spezielle Finanzierungs- und auch Leasingpakete. Seit Gründung des Programms hat Kollinger rund 175 Approved-Fahrzeuge verkauft, aktuell können die Kunden zwischen je 50 Jaguar- und Land-Rover-Modellen wählen. Die Auszeichnung überreichte Approved-Gebietsleiter Matthias A. Fink. bib/bar
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Familienunternehmen
Training für Überflieger
Zitzelsberger setzt auf Nachhaltigkeit und Ausbildung Foto: © Zitzelsberger
FFH Aviation Training bildet seit mehr als 50 Jahren Piloten aus
Dem Wachstum Raum geben
Foto: © FFH Aviation Training
Familienangelegenheit: Julia, Udo und Jonas Harter leiten die Flugschule FFH Aviation Training am Flugplatz.
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eady for take-off? Bei der Freiburger Flugschule FFH Aviation Training lernt man fliegen. Das Familienunternehmen mit Zentrale am Freiburger Flugplatz hat sogar einen Standort in Florida. „Wer bei uns lernt, kann alles fliegen“, sagt Chief Flying Instructor Jonas Harter (33).
80 angehende Piloten lernen derzeit bei der Flugschule. Etwa 72.000 Euro zahlen sie für die zweijährige Ausbildung. Mehr als 50 Mitarbeiter an fünf Standorten beschäftigt die Freiburger Firma unter Leitung von „Head of Training“ Udo Harter. „Das ist der große Meister“, sagt Sohn Jonas und lacht. Er ist als Chief Flying Instructor für den praktischen Teil zuständig. Seine Schwester Julia Harter kümmert sich um die Theorie. Die etwa 3000 Piloten, die Harter bisher ausgebildet hat, sind passioniert. „Das sind Frauen und Männer, die ihr Leben lang nix anderes machen wollten“, sagt Jonas Harter. Für den Job zu brennen, sei Grundvoraussetzung. Leider seien darunter nur vereinzelt Frauen: „Eine von zehn, wenn es hochkommt.“ Die Absolventen sind gewappnet. „Wer bei uns gelernt hat, kann alles fliegen, bis zur Boeing 747“, sagt der Fluglehrer. Ausgebildet werde in bis zu viersitzigen Maschinen und einem Flugsimulator. Die Fluggesellschaften schulten die Kandidaten weiter. Auf die Erfahrung aus 50 Jahren könne man bauen, sagt Harter. Zudem sei die Schule im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und somit zu hohem Niveau verpflichtet. Wer sich für eine Ausbildung entscheidet, kann das in Freiburg, Stuttgart, Augsburg, Karlsruhe oder Florida tun. „In den USA ist Fliegen günstiger als hier, für manche ist der Auslandsstandort reizvoll“, so Harter. Dass bald ein Stadion am Flugplatz gebaut werden soll, lässt ihn kalt: „Da muss schon mehr passieren, um uns hier wegzukriegen.“ Till Neumann 26 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Klarer Durchblick: Bei Zitzelsberger werden Reinigungsmittel aus nachwachsenden Rohstoffen benutzt.
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ngefangen hat alles 2003: Stefan Zitzelsberger gründet die „Zitzelsberger Gebäudereinigung”, um sein Studium zu finanzieren. 13 Jahre später beschäftigt er 435 Mitarbeiter. Allein in den vergangenen drei Jahren sind 300 neue hinzugekommen. Der Mittelständler setzt heute siebenstellige Beträge um. Um dem Wachstum standhalten zu können, steht nun ein Umzug an: Das Unternehmen mit Service rund um die Gebäudereinigung verlagert seinen Firmensitz von Kollmarsreute nach Emmendingen. Der neue Standort sei mit 600 Quadratmetern Büro- und 1500 Quadratmetern Lagerfläche fast sechs Mal so groß wie der alte und biete genug Raum, um die Mitarbeiterzahl zu verdoppeln, so der Unternehmer. Auch von zu Hause aus können die Mitarbeiter aktiv werden: Dank innovativer, eigenentwickelter Online-Akademie können sie Themen wie Umwelt- oder Arbeitsschutz, Reinigungstechniken und -Verfahren ortsunabhängig erarbeiten. Bei einem Einsatzgebiet von Freiburg über Straßburg bis nach Konstanz spart das lange Anfahrtswege. Das Unternehmen sorgt sich nicht nur um seine Mitarbeiter, sondern auch um die Zukunft: Die vier Säulen Ökonomie, Ökologie, Nachhaltigkeit und Soziales sollen das garantieren. So werden etwa Reinigungsmittel aus nachwachsenden Rohstoffen gekauft. Zitzelsberger ist sich sicher, damit auf dem richtigen Weg für weiteres Wachstum zu sein. Den Fachkräftemangel sieht der 32-Jährige gelassen: „Wir haben schon früh auf die richtigen Ausbildungsmaßnahmen gesetzt.” Man habe schon immer auf Stammpersonal anstatt auf Subunternehmer und Aushilfskräfte gesetzt. So habe die Zitzelsberger Gebäudereinigung die besten Mitarbeiter schon im Betrieb: ihre eigenen. Lisa Hörer www.zitzelsberger.org
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Familienunternehmen
Wo der Unimog den Weg ebnete Bald 70 Jahre Schmolck
Foto: © Stefan Pawellek
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chmolck ist für viele „der“ große Autohändler, seit Jahrzehnten mit Mercedes verbandelt. Das ist richtig – und auch nicht. Denn die Anfänge der Schmolck GmbH & Co. KG in Emmendingen liegen fast 70 Jahre zurück – und haben mit Autos erst mal nichts zu tun: „Wir starteten 1947 mit Landmaschinen, mit Traktoren, Erntemaschinen und Anbaumaschinen“, erinnert sich Seniorchef Hans-Rudolf Schmolck.
Die drei von Schmolck: Bernhard und Hans-Rudolf Schmolck sowie Jürgen Henninger (v.l.) zwischen Unimog mit 32 und AMG-SLS mit mehr als 500 PS.
Den „Weg zum Stern“ (Schmolck) ebnete 1954 die Generalvertretung für den Unimog für sieben Landkreise: Der Unimog eröffnete auch den Weg in die Kommunaltechnik, denn Städte und Gemeinden setzten den Alleskönner als Schneeräumer, Streufahrzeug oder auch für Instandsetzungstrupps ein. Da die Technik immer aufwändiger wurde, lagerte Schmolck die Abteilung in den 60ern aus, eine Spezialisierung, die sich 1977 zu einem florierenden Bosch-Dienst wandelte: Nur hier hatte Schmolck in Emmendingen bis dahin einen Kontakt zum Pkw-Markt. In Müllheim war das anders. Dort wurde 1956 die Niederlassung gegründet – zunächst ebenfalls für Landmaschinen –, zehn Jahre später verkaufte Schmolck aber schon die ersten Mercedes-Pkw. „Der Hersteller wies einem ein Verkaufsgebiet zu und man hatte dort Gebietsschutz“, erläutert Geschäftsführer Bernhard Schmolck. Da es am Hauptsitz bereits einen Mercedes-Händler gab, durfte Schmolck dort nicht tätig werden. Allerdings: Immer mehr Mercedesfahrer nutzten den Bosch-Dienst, um ihren Wagen dort warten zu lassen. Und so kam es, dass dortige Kunden offiziell in Müllheim einen Pkw mit Stern erwarben, der aber in Emmendingen ausgeliefert und gewartet wurde.
1972 brachte Mercedes-Benz den MB trac auf den Markt, eine Art „EdelTraktor“ auf Unimog-Basis. Schmolck, im Landmaschinen-Markt zu Hause, deckte damit erfolgreich ganz Südbaden ab. Umso verblüffter war man, als Mercedes mit einem lapidaren Telex 1991 die Einstellung der trac-Produktion verkündete. Damit verlor Schmolck auf einen Schlag 50 bis 60 Prozent des Umsatzes. Doch die Familie reagierte clever: Anstelle einer Abfindung forderte und erhielt sie das Recht, Mercedes zu verkaufen: 1997 bestätigte ein offizieller Vertrag, dass Schmolck nun Pkw und Nutzfahrzeuge mit dem Stern anbieten durfte. 1998 wurde der Neubau mit Werkstatt und Show-Room fertiggestellt; Schmolck bot nun eine breite Palette an: Fahrzeugverkauf, -wartung, -reparatur, Karosseriebau, Lackiererei, Vermietung, Kommunaltechnik und anderes: „Wir sind breit aufgestellt“, beschreibt Geschäftsführer Jürgen Henninger die Philosophie des Hauses: „Nur so können wir stets höchste Qualität anbieten.“ Bei rund 32.000 Reparaturen im Jahr liege die Fehlerquote deutlich unter einem Prozent. Der Bosch-Dienst war nicht nur Türöffner für den Pkw-Verkauf, er war auch der Grund für zwei weitere Standbeine:
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Schmolck beobachtete, dass immer mehr VW-Fahrer den Dienst nutzten – 2008 waren es schon rund 50 Prozent der Kunden. Man entschloss sich, in Wolfsburg anzuklopfen: Es gelang, offizielle Service-Station für VW-Fahrzeuge zu werden. Äußere Gegebenheiten und die Überlegung, nicht nur im Premiumsegment zu Hause sein zu wollen, waren sodann Auslöser, sich um Skoda zu bemühen. Die VW-Tochter stieß 2011/12 zur Schmolck-Gruppe; heute verkauft man rund 300 Fahrzeuge jährlich – in der alten Unimog-Halle, bis der derzeit in Planung befindliche Neubau fertig ist. Nach 70 Jahren ist das Unternehmen heute ein professioneller „Mobilitätsdienstleister“ mit 285 Mitarbeitern, darunter 81 Auszubildende. Man kann sich nicht nur im wirtschaftlichen Erfolg sonnen, man ist etabliert. Aber neben Umweltbewusstsein, Kultur- und anderem Sponsoring ist Schmolck vor allem stolz auf die exzellente Ausbildung des Nachwuchses, die dem Haus Auszeichnungen wie den „Bundesbildungspreis“ eingebracht haben. „Stark für Region und Umwelt“, das Motto könnte noch weitere 70 Jahre gelten. Stefan Pawellek
Familienunternehmen
Sick gewinnt und baut GlobalConnect Award 2016
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In der Kategorie „Global Player“ werden Unternehmen berücksichtigt, die Geschäfts- und Fertigungsprozesse erfolgreich global vernetzen und integrieren sowie einen besonderen Beitrag für Umwelt und Gesellschaft leisten. „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung, die für uns Bestätigung und Ansporn zugleich ist. Auch zukünftig werden wir mit Innovation in der Sensortechnologie Maßstäbe im weltweiten Umfeld setzen und für Vertrauen in sinnvolle und nachhaltige Technologien werben“, so Robert Bauer, der Vorstandsvorsitzende. Am Hauptsitz in Waldkirch will das Familienunternehmen zudem ein 1200 Quadratmeter großes Familien- und Ge-
Foto: © Sick
ie Sick AG ist Ende Oktober mit dem GlobalConnect Award 2016 in der Kategorie „Global Player“ für ihre herausragenden unternehmerischen Leistungen in den Bereichen Export und Internationalisierung ausgezeichnet worden. Zudem plant das Familienunternehmen, einer der weltweit führenden Sensorhersteller, einen Neubau in Waldkirch.
Robert Bauer (Zweiter von links) nimmt den Award aus den Händen von Nicole Hoffmeister-Kraut (Zweite von rechts) entgegen. sundheitszentrum samt Bewegungshalle und Kita für Mitarbeiter errichten. „Gesunde Mitarbeiter sind das Fundament unseres Geschäftserfolgs“, sagt Personalvorstand Martin Krämer. Sick setzte im vergangenen Jahr mit mehr als 7400 Mitarbeitern knapp 1,3 Milliarden Euro um. bib 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 29
Grüne Idee für blaue Hosen Freiburger Start-up fairjeans verkauft nur ein Modell – und das kommt an
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Fotos: © Walter Blauth / fairjeans
oher Wasserverbrauch, unmenschliche Produktion, giftige Stoffe: Blue Jeans werden oftmals unter fragwürdigen Umständen produziert. Zwei Freiburger haben das satt. Vor etwa einem Jahr gründeten Walter Blauth und Miriam Henninger fairjeans. Ein Start-up für in Europa produzierte Hosen. Bisher verkaufen sie ein einziges Modell – und das mit großem Erfolg. Etwa 8000 Liter Wasser braucht man für eine Jeans. Stone-Washed-Modelle sind besonders schlimm: Fast zwei Kilo Chemikalien werden benötigt, um die blaue Hose zu bleichen. „Es ist bitter, dass darüber nicht ausreichend berichtet wird“, sagt fairjeans-Chef Blauth. Mit seiner Geschäftsidee will der 58Jährige wachrütteln. Der gelernte Fotograf bietet gemeinsam mit Miriam Henninger (36) eine Alternative an. Die fairjeans. Sie wird in Europa produziert, um die Transportwege kurz zu halten. Alle Produzenten sind den beiden persönlich bekannt. Verwendet wird Bio-Baumwolle, bezahlt werden faire Löhne. Die Hosen sind GOTS-zertifiziert, müssen damit strenge ökologische Kriterien einhalten. „Die, die von uns hören, sind begeistert“, berichtet Blauth im fairjeansLaden in der Vauban. Auf mehreren Stangen hängen die Hosen. Ein einziges Modell. In drei Farben: Mittelblau, Dunkelblau, Businessblau. Die kleine Auswahl sei sogar ein Vorteil, sagt Blauth: „Die Männer sagen, es sei noch
nie so einfach gewesen, eine Hose zu kaufen.“ Dirk W. kann das bestätigen. Der 43-jährige Oberbayer hat den Laden bei einem Freiburgbesuch entdeckt. „Ich habe eine Hose probiert und sie hat gepasst“, erinnert er sich. Etwa fünf Minuten habe das gedauert. Im Geschäft sei er länger geblieben: „Meine Frau hat noch 30 Minuten gequatscht.“ Das Modell hat die beiden überzeugt. Der Stoff sei weich, das Gefühl gut.
Fair produziert: Walter Blauth und Miriam Henninger (beide oben) setzen auf nachhaltige Hosen. 600 Hosen habe man bisher verkauft, berichtet Blauth. Bis Ende 2017 soll sich die Zahl verdoppeln. In etwa zwei Jahren wollen Blauth und Henninger fairjeans hauptberuflich betreiben. Bisher machen sie das nebenher. Während des Interviews am Freitagnachmittag kommt kein Kunde. Das kann auch am Online-Verkauf liegen. Rund die Hälfte der Ware wird über den digitalen Shop vertrieben. Nach Hamburg, Berlin, Dresden – bundesweit. Das nötige Quäntchen Glück hatte Blauth mehrfach: Über eine Crowdfunding-Kampagne sammelte er
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rund 10.000 Euro. Henninger, früher als Produktentwicklerin für große Modelabels tätig, entwarf ein Modell und landete einen Volltreffer: „Die Hose passt fast jedem.“ Acht von zehn Kunden, die sie anprobierten, kauften sie auch. Sogar Frauen entschieden sich hin und wieder dafür. Zwischen 99 und 119 Euro kostet die fairjeans. „Wir wollen zeigen, dass auch in der Preisklasse eine faire Jeans angeboten werden kann“, sagt Blauth. Würde er ausschließlich in Deutschland produzieren, stiege der Preis auf 180 Euro. Keine Option. Für Kunden wie Dirk W. ist der Preis „absolut gerechtfertigt“. Jede Markenjeans koste ihn dasselbe. Der studierte Philosoph Blauth nennt sich selbst Visionär: „Mir ist wichtig, wie es der nächsten Generation geht.“ Kürzlich war er mit Henninger in Polen, um die Manufaktur zu besichtigen, die ihre Hosen herstellt. Dabei haben sie ein Video gedreht, das Mitte November erscheinen soll. Im Frühjahr wollen sie ein Damenmodell an den Start bringen. Das zu entwerfen und zu produzieren koste jedoch mehrere Tausend Euro. Dafür suchen sie einen Investor. Glaubt Blauth seinem Konfektionierer, hat er nicht ewig Zeit, um sein Startup zu etablieren. In drei, vier Jahren sei die fairjeans kein Nischenpodukt mehr, sagt dieser. Blauth macht das keine Sorgen. „Wir sind sicher, dass das Konzept gut ist.“ Wirtschaftlich obendrein. Was soll da in die Hose gehen? Till Neumann
Familienunternehmen
Alles aus einer Hand
Fotos: © Schleith GmbH
100 Jahre Schleith GmbH ie Schleith GmbH mit Stammsitz in WaldshutTiengen und einer Dependance in Umkirch bei Freiburg hat in ihrer nunmehr 100-jährigen Geschichte eindrucksvoll belegt, wie sich ein
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lokales Familienunternehmen im Laufe vieler Jahrzehnte zu einem modernen Bauunternehmen entwickeln kann. In sechs Niederlassungen beschäftigt Schleith inzwischen über 500 Menschen.
Aus dem ehemals im Tief- und Straßenbau spezialisierten Unternehmen ist ein Komplettanbieter in allen Bereichen des Bauens geworden. In den vergangenen 20 Jahren ist diese Entwicklung besonders deutlich: Neue Geschäftsbereiche wie Ingenieurbau, Rückbau, Bauwerkinstandsetzung und Schlüsselfertigbau haben Schleith zu einem wichtigen Anbieter für Bauleistungen werden lassen. Egal, ob klassische Ortsdurchfahrt oder Autobahnbau, der Neubau von Brücken und bedeutenden Flusswasserkraftwerken (etwa die Rheinkraftwerke Dogern, Rheinfelden und Iffezheim) oder die Erschließung von neuen Wohngebieten bis hin zum schlüsselfertigen Wohnhaus – Schleith bietet alles aus einer Hand. Das Einsatzgebiet erstreckt sich von Mannheim über den Breisgau rund um Freiburg bis zum Hochrhein und das westliche Bodenseegebiet. „Wir erstellen mit Leidenschaft und neuester
Technik Produkte von höchster Qualität und übernehmen dabei Verantwortung für unsere Mitarbeiter, ihre Familien, für Region, Gesellschaft und Umwelt“, sagt Claus Schleith, der das Familienunternehmen mit dem technischen Geschäftsführer Hansjörg Maier in der dritten Generation leitet. Zudem ist die Schleith GmbH seit Jahren mit dem Projekt Fairways des SC Freiburg verbunden. Hier engagiert sich das Unternehmen für soziale und gemeinnützige Projekte in der Region. „Ehrenamtliche Aktivitäten und Vereine wie die Preisträger von Fairways hinterlassen bedeutsame und wichtige Spuren in unserer Gesellschaft, die von uns unterstützt werden“, so Schleith, „als großer Arbeitgeber in der Region sind wir uns unserer Verantwortung bewusst und stolz darauf, etwas zurückgeben zu können.“ bib 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 31
Arbeit & Gesundheit
Frische Ernte: Seit Mai hegt unde pflegt PfizerMitarbeiterin Desislava Todorova ihren eigenen Bio-Acker in Freiburg-Umkirch
Dampf ablassen nach Feierabend Pfizer-Mitarbeiter bewirtschaften in Freiburg ihren eigenen Bio-Acker
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Fotos: © Valerie Baumanns
n diesem Novembermorgen stehen Desislava Todorova und Iris Heuser zufrieden auf ihrem eigenen Acker an der Dachswanger Mühle in Umkirch bei Freiburg. Es ist kalt geworden. Der Wind saust über das trockene Feld und nur manchmal blinzelt die Sonne durch die Wolkendecke. Die beiden Frauen strahlen trotzdem. Begeistert stehen sie in ihrem ersten eigenen Bio-Garten und zeigen ihre Ernte. Todorova freut sich schon auf frisch gemachtes Mangold-Pesto aus eigenem Anbau. Die beiden Mitarbeiterinnen des Freiburger Pfizer-Werks gehören zu den Auserwählten, die an dem Pilotprojekt des betrieblichen Gesundheitsmanagements der Barmer-GEK teilnehmen. „Ich fand die Idee, eigenes Gemüse zu ernten von Anfang an spannend und
auch meine dreijährige Tochter lernt nun die regionalen Gemüsesorten besser kennen“, sagt die Controllerin aus der Finance-Abteilung. Das Gemüse wird auf einem bio-zertifizierten Boden angebaut, wächst ohne Dünger und wird nicht gespritzt. Und das schmeckt man. Seit April hegen und pflegen die beiden zusammen mit 20 Kollegen, die ebenfalls per Losverfahren ausgewählt wurden, ihre rund 40 Quadratmeter große Bioacker-Parzelle. Zusammen mit dem Essener Start-up „Ackerhelden“ rief die Krankenkasse Barmer-GEK dieses Projekt ins Leben und ermöglicht dem Pharmaunternehmen sowie einem Freiburger Einzelhandelsgeschäft und einer kleinen IT-Firma das Pilotprojekt in Sachen Gesundheitsmanagement. Auch in Mönchengladbach, Stuttgart, Hamburg und Braunschweig ackern Beschäftigte auf bio-zertifizier-
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ten Ackerflächen und lernen alles zum Thema Selbstversorgung, Bio-Gemüse und nachhaltigem Konsum. Das Besondere: Die Krankenkasse übernimmt für die erste Runde des Pilotprojekts alle Kosten. Eine Parzelle kostet beim Start-up Ackerhelden 299 Euro pro Jahr. Dafür bereiten die Essener den Acker vor, stellen Saatgut und Knowhow zur Verfügung. „Für uns war es wichtig, eine Investition zu beginnen, bei der wir die Menschen über einen ganz langen Zeitraum über das Thema gesunde Ernährung und Bewegung nachhaltig informieren können“, erklärt Dirk Fischbach, Hauptgeschäftsführer der Barmer-GEK in Freiburg. Die beiden Ackerheldinnen Todorova und Heuser sitzen täglich mehrere Stunden am Schreibtisch, das kann nicht nur ermüdend, sondern auch ungesund sein. Als „Ackerhelden“ bewirtschaften sie nun mindestens vier Stunden die Woche nach Feierabend
Arbeit & Gesundheit
ihren eigenen kleinen Acker. „Es tut gut, einfach mal Dampf abzulassen und zu entspannen“, erzählt Todorova. Auch ihre Kollegin Heuser erzählt, dass sie sich seit Beginn des Projekts zufriedener, ausgeglichener und motivierter fühlt. Die beiden Ruhrpottler Tobias Paulert und Birger Brock gründeten das Start-up „Ackerhelden“ im Dezember 2012 und starteten im April 2013 mit der ersten Saison auf einem gepachteten Acker in Berlin. 2016 bewirtschaften mittlerweile insgesamt 3500 Ackerhelden aus 95 Städten 15 Anlagen in Deutschland. Das Konzept ist einfach und die Idee nicht neu: Das Team der „Ackerhelden“ pachtet einen bio-zertifizierten Acker, bereitet die Fläche vor, pflanzen Gemüsekulturen aus 40 verschiedenen Sorten Saatgut an und geben ihren neuen Ackerhelden Tipps im Puncto Anbau, Pflege und Ernährung. „Die Idee ist nicht
unsere. Schon in den 80er Jahren stellte die Stadt Wien ihren Bürgern Grünflächen zur Verfügung. Das hieß aber noch lange nicht, dass die Städter diese auch bewirtschaften konnten“, erklärt Gründer Paulert. „Wir nehmen unsere Kunden ganz eng an die Hand und begleiten sie in der Saison von Mai bis November, damit es funktioniert.“ Die Ackerhelden
Von Mai bis November ernten die Ackerhelden Gemüse mit einem Warenwert von rund 600 Euro. bekommen zu Beginn der Saison alles Wissenswerte vom Essener Team mit auf den Weg und lernen, wie man mit Schädlingen umgeht oder welche Pflanzen sich gut verstehen. Zuerst
richtete sich das Angebot der Biogärtner nur an Privatpersonen, die in der Stadt wohnen, aber selber Gemüse anpflanzen wollen. Nun können auch Betriebe mitackern. Das sorgt nicht nur für gesundes Gemüse, sondern auch ein besseres Betriebsklima. „Ich habe häufig Gemüse für unsere Kollegen mit ins Büro genommen, die nicht an dem Projekt teilnehmen konnten“, erzählt Heuser, die die üppige Ernte von Mangold und Zucchini auch gar nicht verzehren könnte. Auch in der kommenden Saison kann sich die Barmer-GEK eine Kooperation mit den Ackerhelden in Freiburg gut vorstellen. „Es ist wichtig, dass betriebliches Gesundheitsmanagement keine Eintagsfliege ist“, sagt Fischbach, „sondern dass man dauerhaft und nachhaltig an den Themen dranbleibt.“ Valerie Baumanns 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 33
Start-ups
Untergekommen: »The Rehats« zocken in einem der Proberäume, die ihr Schlagzeuger Michael Simon vermietet.
Wie ein Freiburger 70 Bands beherbergt Hobbymusiker Michael Simon macht aus Proberaummangel ein Geschäftsmodell
Fotos: © The Rehats
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in 34-Jähriger schafft, was das Rathaus nicht hinbekommt: Der Freiburger Hobbymusiker Michael Simon findet ungenutzte Flächen, richtet sie als
Proberaum her und vermietet sie an Bands. 70 Gruppen kommen mittlerweile in seinen Räumen unter. Jazz- und Rockschulen-Chef Christian Pertschy ist voll des Lobes.
„Er ist derzeit der Einzige, der in Freiburg für Proberäume wirklich was bewegt“, sagt Pertschy. Michael Simon reagiert bescheiden: „Ich will Kultur fördern.“ Die Notlage vieler Bands kennt er bestens. Vor etwa fünf Jahren flog der Schlagzeuger von „The Rehats“ aus seinem Proberaum am Güterbahnhof. Wie viele andere Gruppen. Im Zuge der Neugestaltung dort wurde vieles abgerissen. Der 34-Jährige hat ein ungewöhnliches Geschäftsmodell entwickelt: Er lebt davon, Proberäume zu vermieten. Tageweise. Etwa 90 Euro zahlen Bands dafür, einen Wochentag in seinen Räumen zu üben. Dafür stellt Simon ihnen eine Anlage, ein Piano und ein Schlagzeug. Etwa 40 Freiburger Bands zocken in seinen Lokalitäten. Vier weitere Proberäume hat er in Konstanz, einen in Karlsruhe. Insgesamt 70 Bands sind Kunden.
Simon hat drei Räume im Industriegebiet Nord, einen auf der Haid, einen in der Sundgauallee. „Wenn man sucht, findet man“, so seine Erfahrung. Da kann selbst die Stadtspitze nicht mithalten: „Ich wäre froh, wenn unverhofft etwas um die Ecke kommt“, sagt Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Dem chilli hatte er vor eineinhalb Jahren eine Lösung für Ende 2015 in Aussicht gestellt. Passiert ist nichts. „Meine Zuversicht wurde getrübt“, sagt der Bürgermeister. Das Thema Proberäume will er demnächst im Kulturausschuss ansprechen. Von Kirchbach lobt die Arbeit von Michael Simon. Der promovierte Volkswissenschaftler bietet freie Plätze über die Facebookseite MeinProberaum an. Einer seiner Kunden ist Jens Heuserer. Der 32-jährige Bassist probt mit der Band „Knives in a Gunfight“ im Autohaus Ehret in der Tul5 Anzeige
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Start-ups
Vom Fach: Jungunternehmer Michael Simon in einem seiner Proberäume. lastraße 57. Seit mehr als zwei Jahren spielen die vier Musiker montags im Konferenzraum des Toyota-Verkäufers. „Der Saal wurde zwar gebaut, aber nie genutzt“, berichtet Heuserer. Fast 50 Quadratmeter groß sei er, sechs oder sieben Bands probten dort abwechselnd. „Das funktioniert ganz gut, man kann auch mal hin- und hertauschen“, sagt der Bassist. Einziges Manko dieser Vereinbarung: Erst ab 17 Uhr darf
Krach gemacht werden. Wenn die Autohausmitarbeiter im Feierabend sind. Ein Proberaum ist trotzdem weiter Luxus. „Ich höre von vielen, dass sie Probleme haben“, sagt Heuserer. Er probte einst am Güterbahnhof: „Der Wegfall war tödlich.“ Seine Band habe ein halbes Jahr gesucht. Auch Grischka Brand von der Musikerinitiative Multicore sieht die Lage weiter kritisch: „Es sieht nicht wirklich gut aus.“ Auf seiner Warteliste stehen etwa 50 bis 60 Bands. Zwei bis drei weitere Anfragen bekäme er wöchentlich. Es habe Pläne gegeben, Kellerräume der Stadthalle zu bekommen. Das hat sich aber zerschlagen (siehe chilliAusgabe November, Seite 12). Michael Simon möchte sein Angebot ausbauen. Auf dem Real-Parkplatz in Zähringen wollte er eine Halle für neun Proberäume bauen lassen. Ein Investor stand bereit. Doch der Bauträger bekam kein Grundstück. Gleiches gilt für das Ikea-Areal. Nach einer neuen Fläche hält er weiter Ausschau. Der Investor stehe bereit. Till Neumann
Neues Label Pop-Frequenz stellt Antrag für Bands
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er Freiburger Verein PopFrequenz plant ein Bandförderprogramm. Für den städtischen Doppelhaushalt 2017/ 2018 hat der Vorsitzende Christian Pertschy einen Antrag gestellt. Mit jährlich 20.000 Euro sollen pro Jahr zwei Bands gefördert werden. Proberäume, Transportkosten, Studioproduktionen und ein Coaching könnten so bezahlt werden. „Wir wollen ein Label schaffen, made in Freiburg“, betont Pertschy. So soll Bands ermöglicht werden, einen Schritt über Freiburg hinaus zu machen. Auch für die Stadt als Kulturstandort sei das Werbung. Die nötigen Proberäume könnte Michael Simon zur Verfügung stellen, sagt Pertschy. Als nächstes möchte er bei den Fraktionen dafür werben. tln 5 Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2016 | 35
Stadtplanung
Areal mit Potenzial 500 neue Wohnungen auf der Haid
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und 500 neue Wohnungen könnten in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren im Gebiet Auf der Haid in Freiburg entstehen. Grundlage dafür ist der Siegerentwurf des Heidelberger Architekturbüros Metris, der ein durchaus attraktives Rahmenkonzept aufgezeigt hat. „Es gibt in diesem Areal viel Potenzial“, sagte Baubürgermeister Martin Haag unlängst vor Journalisten.
Eine neue Quartiersmitte soll der Identifikationspunkt für das etwa 77 Fußballfelder große Gebiet werden, das von der Opfinger Straße, der Güterbahnlinie, der St. Georgener Straße und der Besançonallee umfasst wird und derzeit rund 4000 Einwohner in 1700 Wohnungen sowie rund 100 Gewerbebetriebe hat. Die – vom Stadtplanungsamt intensiv mit einbezogenen – Bürger hatten zwar einen anderen Entwurf bevorzugt, der aber fiel am Ende bei der Expertenkommission einstimmig durch, weil er etwa private Flächen mit überplant hatte und daher eher an der Realität abgeprallt wäre. Für die Juryvorsitzende Christa Reicher hat Metris indes eine „Vision mit Bodenhaftung“ geschaffen. Die Heidelberger konzentrierten sich beim Visionieren auf drei Flächen: Eine im Westen am Lindenwäldle, wo der Wohnungsbau im Fokus steht – und die Freiburger Stadtbau nach bib-Informationen ohnehin schon den Bau von 320 Wohnungen geplant hat –, eine zweite in der neuen Mitte am bestehenden Umspannwerk, wo Bürgertreffpunkt und Seniorenwohnungen geschaffen werden sollen, und eine dritte im Osten rund um die Straße Am Rosenstauden, wo das Thema „Wohnen und Arbeiten“ bespielt werden soll. Drei Perlen an einer Kette, die der Hurstweg bildet, eine Ost-West-Verbindung als „Allee der Nachbarschaft“, als neues Rückgrat des Viertels. Metris wertet aber auch Grünflächen auf: Vor allem der geplante Haid-Park hin zur Besançonallee könnte sich als Juwel der Kette erweisen. Bislang hat die Neuplanung rund 70.000 Euro gekostet, die Hälfte holte das Rathaus durch das Landesprogramm „Flächen entwickeln durch Innenentwicklung“ wieder rein. Die spannende Frage wird nun sein, wie auf der Folie des Konzepts nun die ersten baurechtlichen Voraussetzungen für die Frischzellenkur für dieses versteckte Gebiet im Stadtteil Haslach geschaffen werden sollen. Und das wird mindestens noch zwei Jahre dauern. bar 36 | chilli | business im Breisgau | 11.2016
Stadtentwicklung
Bauverein mit Salto rückwärts Nach Ärger nun doch Mietwohnungen
Bauverein-Projekt: Unten Rossmann, oben Praxen und Wohnungen
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Visualisierung: © Bauverein Breisgau
er Bauverein Breisgau hat auf die Kritik aus der Gemeinde Gundelfingen schnell reagiert und baut bei der Erweiterung der Ortsmitte nun doch neun Miet- anstelle von Eigentumswohnungen. Wie das Freiburger Stadtmagazin chilli auf seiner Internetseite exklusiv berichtet hatte, hatte sich die Genossenschaft zuvor von ihrem Vorstandsvorsitzenden Markus Schwamm getrennt (siehe Seite 9). Schwamm hatte aufgrund von unerwarteten Kostensteigerungen im sechsstelligen Bereich bei der Baugrundertüchtigung (Säulengründung, aufwändiger Baugrubenverbau) gleichsam über Nacht aus den mündlich zugesagten Mietwohnungen solche für Eigentümer gemacht. Was zu starkem Unmut im Bauausschuss des Gemeinderats und auch bei Bürgermeister Raphael Walz geführt hatte. „Wir haben umfinanziert und kriegen das trotz der höheren Kosten nun doch auf Mietbasis hin“, sagte Reinhard Disch, der noch amtierende Alt- und neue Vorstandschef, dem Wirtschaftsmagazin business im Breisgau. Wie hoch die Miete letztlich sein wird, darüber konnte er noch keine exakten Angaben machen. Die neue Wirtschaftlichkeitsberechnung habe derweil auch der Genossenschaftsverband positiv eingeschätzt. Der Bauverein baut in der Ortsmitte für bis zu neun Millionen Euro ein 2230 Quadratmeter großes Wohn- und Geschäftshaus, in das neben Arztpraxen auch der von der Gemeinde gewünschte Drogeriemarkt Rossmann auf knapp 800 Quadratmetern einziehen wird. „Die Erweiterung der Ortsmitte ist ein wichtiger Baustein für Gundelfingen“, sagte Walz beim offiziellen Baustart. Die Sandsteinfassade im Erdgeschoss und die Arkaden seien hier prägend, wie schon beim ersten Gebäudeensemble der neuen Mitte, das ebenfalls dem Bauverein gehört. Der Drogeriemarkt sei zudem ein „wichtiger Frequenzbringer“. Ralf Da Val von Rossmann sah keine Konkurrenz durch die Denzlinger Pläne, ebenfalls einen neuen Drogeriemarkt anzusiedeln. Sein Einzugsgebiet sei Gundelfingen und das Wildtal, vielleicht auch Vörstetten. In der Region sei zudem ausreichend Kaufkraft. Den von der Gemeinde Gundelfingen ausgelobten Architektenwettbewerb hatte das Freiburger Büro „MoRe“ (Fee Möhrle und Tobias Reinhardt) gewonnen und besteht aus zwei Giebelhäusern mit einem durchgehenden Erdgeschoss und einer Tiefgarage mit 27 Plätzen. Das Gebäude wird ans Fernwärmenetz der Gemeindewerke Gundelfingen angeschlossen. Ende 2017 sollen die Bauarbeiter fertig sein. Dann könnte Rossmann noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen. Selten ist ein Salto rückwärts so positiv aufgenommen worden wie dieser. bar
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Fakten
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 0 10
Zahl der Spieler mit Migrationshintergrund im DFB-Kader bei der WM 1998 Zahl der Spieler mit Migrationshintergrund im DFB-Kader bei der EM 2016
2765 2439
Neu abgeschlossene Azubi-Verträge im Handwerk in der Region Freiburg 2007 Neu abgeschlossene Azubi-Verträge im Handwerk in der Region Freiburg 2016 Neue Azubis im Handwerk in der Region Freiburg mit Abi oder Fachhochschule 2007 (in %) Neue Azubis im Handwerk in der Region Freiburg mit Abi oder Fachhochschule 2016 (in %)
1,5 12,4
Vielfaches der Bezüge von Managern im Vergleich zu Angestellten bei VW in 2014 Vielfaches der Bezüge von Managern im Vergleich zu Angestellten bei Beiersdorf in 2014 Vielfaches der Bezüge von Managern im Vergleich zu Angestellten bei SAP in 2014
141 17 62
Vielfaches (Durchschnitt) von Managern im Vergleich zu Angestellten im DAX 30 2014 Vielfaches (Durchschnitt) von Managern im Vergleich zu Angestellten im DAX 30 2014
57 42
Täglicher Flächenverbrauch in Baden‑Württemberg in 2001 (in Fußballfeldern) Täglicher Flächenverbrauch in Baden‑Württemberg in 2015 (in Fußballfeldern)
16,85 7,42
Bei der Arbeitsagentur Freiburg gemeldete Bewerber in 2006 Bei der Arbeitsagentur Freiburg gemeldete Bewerber in 2016 Bei der Arbeitsagentur Freiburg gemeldete Stellen in 2006 Bei der Arbeitsagentur Freiburg gemeldete Stellen in 2016
3030 4077 3070 4074
Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2005 (in Mrd.) Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2015 (in Mrd.)
452 673
Deutsche Staatsverschuldung im Jahr 2005 (in Mrd.) Deutsche Staatsverschuldung im Jahr 2015 (in Mrd.)
1448 2022
Unbesetzte Ausbildungsstellen im Bereich der Arbeitsagentur Freiburg 2006 Unbesetzte Ausbildungsstellen im Bereich der Arbeitsagentur Freiburg 2016 Unbesetzte Ausbildungsstellen im Bereich der Arbeitsagentur Offenburg 2009 Unbesetzte Ausbildungsstellen im Bereich der Arbeitsagentur Offenburg 2016
153 482 25 306
Anteil der IT-Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung in Finnland (in %) Anteil der IT-Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung in Griechenland (in %) Anteil der IT-Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland (in %)
6,5 1,2 3,5
Zahl der durch Facebook gesperrten Inhalte in 2015 in Israel Zahl der durch Facebook gesperrten Inhalte in 2015 in der Türkei Zahl der durch Facebook gesperrten Inhalte in 2015 in Indien
431 6500 30.000
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Lars Bargmann / Idee: brandeins