SPORT SC FREIBURG Keine Wolken am Fußball-Himmel: Der SC Freiburg kickt die beste Saison seit 23 Jahren.
PLATZ AN DER SONNE
Foto: © Tatjana Kipf
DER SC FREIBURG SPIELT STELLENWEISE WIE EINE SPITZENMANNSCHAFT, STAPELT ABER WEITER TIEF
T
abellenplatz 3 nach zwölf Bundesligaspielen, Qualifikation für die Euro-League-Gruppenphase und das Achtelfinale des DFB-Pokals. Der SC spielt die beste Saison seit 23 Jahren. Trotzdem fremdelt Freiburg mit der Favoritenrolle. Sorgen bereiten dem Sport-Club derweil sein Haupt sponsor und sein neues Stadion. Fußball ist voll unbequemer Wahrheiten: Italien war im Halbfinale der WM 2006 besser als die Klinsmänner, die andauernde Bayern-Dominanz in der Bundesliga ist verdient und der vereinswappenküssende Lieblingsspieler nächste Saison wahrscheinlich weg. In diese Reihe gehört auch, dass der SC Freiburg kein kleiner Verein mehr ist – wirtschaftlich spätestens seit der Eröffnung der neuen Spielstätte im Wolfswinkel, sportlich mindestens seit dieser Spielzeit. Dabei gibt sich der Bundesligist – mittlerweile Platz 20 in der ewigen Tabelle – solche Mühe, diesen Status gegen allen Erfolg zu kultivieren. Nicht umsonst hatte sich Freiburg zur Einweihung seines rund 77 Millionen Euro 16 CHILLI NOVEMBER 2022
teuren Stadions mit Sankt Pauli einen sportlichen Gegner aus Liga zwei geladen, der ein ebenso beschauliches Image kultiviert. Tatsächlich spielt der SC aber nicht in einer Liga mit hanseatischen Haudegen, sondern den Granden der höchsten deutschen Spielklasse. 24 Punkte und Tabellenplatz 3 nach zwölf Spieltagen sind kein Zufall. Auch Platz 6, 10 und 8 in den vergangenen drei Spielzeiten, DFB-Pokalfinalist in der abgelaufenen Saison sowie die vorzeitige Qualifikation für das Achtelfinale der Europa-League sind keine „Momentaufnahmen“ mehr, wie SC-Coach Christian Streich den Erfolg gerne nennt. Der von Journalisten ausgerufene Trainer des Jahres 2022 stapelt aber auch diese Saison tief: „50 Punkte in dieser Saison wäre ein Wahnsinn“, beschwor er vor Journalisten Anfang August. Dabei hat der Wahnsinn beim SC längst System. Gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte geht Freiburg mittlerweile nicht nur bei Buchmachern als Favorit auf den Rasen: Namhafte Bundesligisten wie Werder Bremen oder Schalke 04 treten gegen den
SC zunehmend defensiv auf. Sogar in München spielte Freiburg – obwohl erfolglos – mutig und mit hoch anlaufenden Spitzen. Diesen Mut möchte man dem Verein auch in Pressekonferenzen wünschen. Mit seiner neuen Favoritenrolle fremdelt der Verein jedoch. Immerhin ist der SC in der Rolle des etwas anderen Underdogs groß geworden: An der Außenlinie des alten Dreisamstadions saßen Fußballlehrer Volker Finke und Co-Trainer Achim Sarstedt sechs Jahre in einem Strandkorb. Das heutige Fundament des Vereins, die 2001 gegründete Freiburger Fußballschule, war in Zeiten explodierender Transfersummen die einzig verlässliche Möglichkeit, an – künftig – erstklassige Kicker zu kommen. Heute hat sich der SC einen Platz an der Sonne erarbeitet. Und die Talentschmiede am Freiburger Möslestadion generiert in schöner Regelmäßigkeit auch Millioneneinnahmen. „Der SC ist in der Lage, Spieler nicht mehr nur für Kleingeld zu holen“, sagte Finanzvorstand Oliver Leki bereits vor drei Jahren auf der Mitgliederversammlung des Bundesligisten.