chilli cultur.zeit

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HEFT NR. 6/17 7. JAHRGANG

Kino

Musik

Festival

FILME UNTERM STERNENHIMMEL

MEGA FRESHE FUNKROCKER

KRITIK AM SCHLOSSBERGFEST


Wo sich Rock und Roll Gute Nacht sagen FREIBURGS UMLAND ZEIGT: AUFM DORF WIRD KULTUR GROSSGESCHRIEBEN

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von Tanja Bruckert

Auf dem Land braucht es „Mainstream-­Künstler“: Ein Till Brönner würde auf der Bühne 79211 (rechts unten) nicht ankommen, ist sich Booker Römmler sicher. In der BürgerScheune begeistern stattdessen witzige Gruppen wie die „Ohrwürmer“ (oben). Auch auf dem Weinstetter Hof (rechts oben) setzt man auf „leichte“ ­Formate wie Comedy oder Popkonzerte.

oogie im Dorfgasthaus, Kabarett in der Scheune und Open-Air-Konzerte, in deren Pause das Zirpen der Grillen zu hören ist: Wer meint, Kultur gibt’s nur in der Großstadt Freiburg, der irrt. Das Umland zeigt, dass hier mitnichten abends die Bürgersteige hochgeklappt werden: Wer regionale Künstler wie Unduzo oder internationale Größen wie Kim Carson erleben will, ist in den kleinen Gemeinden goldrichtig. Deren Veranstaltungshäuser müssen nicht neh­ men, was ihnen die Stadt übrig lässt, sondern können sich vor Künstleranfragen teilweise kaum retten.

die Scheune ein Selbstläufer, die 85 Plätze fast immer ausverkauft. Statt der anfänglichen vier Veranstaltungen im Jahr, steigt nun jeden Monat ein Event. Auch vonseiten der Künstler ist die Nachfrage groß. „Wir bekommen fast täglich Anfragen“, sagt Koldewey. Und das, obwohl die Gagen nicht üppig sind: 80 Prozent der Eintrittsgelder gehen an den Künst­ler, von den restlichen Einnahmen begleicht die Gruppe Kosten wie Gema-­ Gebühren. Rund 1000 Euro bleiben so an einem Abend für den Künstler hängen. „Manchen ist das zu wenig“, sagt der 62-Jäh­-

BürgerScheune. Das hört sich schon nach Land an. Und tatsächGottenheims rockende Scheune lich steigen die monatlichen Veranstaltungen in Gottenheim in einer alten Scheune im Rathaushof. 2006 hatte rige im Hinblick auf die Hochkaräter der eine Gruppe von elf Dorfbewohnern den Szene, „andere nutzen die Chance, hier ein Blaumann angezogen, die Scheune ent- neues Programm zu proben, bevor sie dann rümpelt, Löcher im Mauerwerk gestopft vor großem Haus spielen.“ Doch auch die gibt es auf dem Land. Mitund Dachbalken gestrichen. Seitdem steigen hier Konzerte, Kabarett- und Comedy­ ten im Markgräflerland liegt die 2400-Seeabende. Anfangs war das Interesse verhal- len-Gemeinde Eschbach. Daneben: der ten: „Bei manch einer Veranstaltung saßen Weinstetter Hof. In dessen Innenhof lauzwölf Leute im Publikum“, erzählt Bürger­ schen im Sommer regelmäßig bis zu 350 Scheunen-­Sprecher Herbert Koldewey. Besucher den Bands oder Kabarettisten. Doch bald hatten die Veranstalter raus, mit „Wir legen Wert auf eine bunte Mischung“, was sich das Publikum anziehen lässt: Ka- sagt Organisator Wolfgang Friedrich. So ist barett – ja. Klassik – nein. Mittlerweile sei der Hof mit einer Beatles-Nacht der „No

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Fotos: © BürgerScheune, Weinstetter Hof

KULTUR


EVENTS IM UMLAND Plastic Band“ in den Sommer gestartet, gefolgt von einer Heinz-Erhardt-Show mit Frank Sauer, Volkmar Staub und Günter Fortmeier, einem A-Cappella-Konzert von Füenf sowie einem Countryabend mit Kim Carson, die auf ihrer Europatournee auch nach Eschbach gefunden hat. Internationale Größen wie die amerikanische Sängerin sind allerdings die Ausnahme. „Wir wollen vor allem Künstler aus der Region unterstützen“, so Friedrich. Jede Saison würden bei ihm um die 250 Anfragen auflaufen – mittlerweile aus ganz Europa. Sogar das Publikum sei international. „Wir haben viele Besucher aus Frankreich und der Schweiz“, erzählt der 68-Jährige. „Da profitieren wir von der Lage an der Autobahn.“ Auch Konzertagenturen wie KAROevents kennen den Reiz des Umlands. „Die Leute sind froh, wenn sie nicht in die Stadt reinfahren und einen Parkplatz suchen müssen“, nennt Geschäftsführer Christoph Römmler einen der Vorteile. Unter den Titeln „Bühne 79211“, „Bühne 79379“ und „Bühne 79650“ organisiert seine Agentur Veranstaltungsreihen in Denzlingen, Müllheim und Schopf­ heim. „Das Konzept ist bei allen drei das Gleiche: namhafte Künstler gewinnen, die sonst nicht auf dem Land spie-

Überzeugungsarbeit ist gefragt len würden.“ Romantische Gefühle für das Landleben spielten dabei keine Rolle, weiß Römmler: Die Künstler gingen dorthin, wo sie ihr Management hinschickt. Und das interessiere vor allem, ob hinter der Veranstaltung eine professionelle Agentur steckt. Bei manch einem brauche es dennoch viel Überzeugungsarbeit. So musste Willy Astor, „ein typischer Freiburg-­ Künstler“, erst überredet werden. Es ist gelungen: Am 22. November tritt der Verb-Brecher und Silbenfischer auf der „Bühne 79211“ im Denzlinger Kultur- und Bürgerhaus auf. Geholfen hat sicherlich auch, dass die Veranstaltungen in Denzlingen „erfreulich oft“ ausverkauft sind. Denn nicht nur die Denzlinger finden in ihr Bürgerhaus am See, auch die Freiburger schwingen sich für solch eine Veranstaltung gerne ins Auto – und freuen sich, dass die Parkplatzsuche ausfällt.

DA GEHT WAS! KULTUR IN DER REGION: EINE KLEINE AUSWAHL Bürgerscheune in Gottenheim 20. Juli: Frauengold mit „War Beethoven eine Frau?“ 17. August: Rosetta Pedone mit „Lügensau“ Weinstetter Hof in Eschbach 28. Juli: Bernd Kohlhepp – Elvis reloaded 29. Juli: Unduzo mit „Schweigen Silber, Reden Gold“ 4. August: Redhouse Hot Six – Old Time Jazz der 20er & 30er Jahre Bolandos Sommerbühne in Bollschweil 3. August: Moondogs – Musik der Beatles 24. August: The Cherrychords – eigene Songs und Musik von Fleetwood Mac, Tom Petty und Bob Dylan Bühne 79211 im Kultur- & Bürgerhaus Denzlingen 1. Oktober: Götz Alsmann & Band 10. November: Blechschaden 10. Dezember: Cavewoman Weingut Schwarzer Adler in Oberbergen 23. Juli: Strawinskys „L’Histoire du Soldat“ mit dem Schauspieler Rainer Strecker und Musikern des SWR-Symphonieorchesters FORUM Merzhausen 12. August: Johanna Wokalek & Caribe Nostrum Quintett mit „Kuba. Eine musikalisch-literarische Spurensuche“ 23. September: Adam Baldych & Helge Lien Trio

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KULTUR

Schlossbergfest mit Eintritt? KRITIK AM FREIWILLIGEN KULTURBEITRAG

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Mehr Fluchtwege, mehr Licht: Auch das Schlossbergfest rüstet dieses Jahr in Punkto Sicherheit auf – den Veranstalter kostet das zusätzliche 10.000 Euro.

Einen Berg in eine Partylocation zu verwandeln, ist teuer. Auf dem Schlossberg feiern einmal im Jahr tausende Menschen auf Plätzen, auf denen es sonst weder Strom noch Wasser oder Toiletten gibt, geschweige denn Bühnen oder Sitzmöglichkeiten. Um das mitzufinanzieren, erhebt der Veranstalter seit 2014 einen freiwilligen Kulturbeitrag. Besucher werden an den Einlasskontrollen aufgefordert, zwei Euro zu zahlen. „Ohne diesen Beitrag wäre das Schloss­bergfest nicht möglich“, erklärt Veranstalter Bela Gurath.

Foto: © Schlossbergfest Freiburg GmbH

von Tanja Bruckert & Till Neumann

ommerliche Salsarhythmen am Burggraben, Elektrobeats auf der Leopoldhöhe oder Rock am Wasserreservoir: Vom 27. bis 31. Juli darf auf dem Freiburger Schlossberg wieder getanzt, gefeiert und geschlemmt werden. Besucher zahlen dafür einen freiwilligen Kulturbeitrag. Veranstalter Bela Gurath macht klar: Ohne ihn könne es das Fest nicht geben. Von der SPD-Stadtratsfraktion hagelt es dennoch Kritik: Den Besuchern werde nicht vermittelt, dass der Beitrag freiwillig ist.

Dem steht auch Stadt­rat Stefan Schillinger nicht entgegen. „Das Grundprinzip ist völlig in Ordnung“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, „aber dass der Eindruck vermittelt wird, die zwei Euro seien eine Art verbindlicher Eintritt, geht gar nicht.“ 62 CHILLI CULTUR.ZEIT JULI/AUGUST 2017

Denn wer auf das Fest will, muss zunächst durch eine Einlasskontrolle, an der kassiert wird. Bereits 2015 hatte die SPD das kritisiert. Bürgermeister Otto Neideck (CDU) wollte den Veranstalter daraufhin auffordern, an den Zugängen einen Hinweis auf die Freiwilligkeit anzubringen. Doch im Jahr darauf wollte man davon nichts mehr wissen. So hieß es auf erneute Anfrage der SPD: „Zur Information der Besucher über die Freiwilligkeit des Kultur­ beitrages beim diesjährigen Schlossbergfest fand ein intensiver Austausch mit dem Veranstalter statt. Bei einem deutlich sicht­ baren Hinweis am Eingang würden voraussichtlich wichtige Einnahmen entfallen, was die Durchführung des Schloss­bergfestes gefährden würde. Nach sorgfältiger Abwägung wurde deshalb vom Bürger­ meisteramt festgelegt, dass, wie im Vorjahr, lediglich Schilder mit der Aufschrift ‚Kulturbeitrag 2 Euro‘ am Eingang angebracht werden.“ „Diese Kursänderung der Verwaltung ist erbärmlich“, empört sich Schillinger. Auch nach dem vergangenen Schlossbergfest hätten die Fraktion wieder Schreiben erreicht, in denen sich Besucher über die Intransparenz beschwerten. Dass dem Veranstalter durch einen Hinweis tatsächlich hohe Einnahmen entgingen, hält der Stadtrat für unrealistisch: „Ich bin mir sicher, dass viele gerne zahlen würden, wenn man sie darauf hinweist, für was das Geld ist. Zwei Euro sind ja auch kein Betrag, über den man sich aufregt.“ Vor allem, weil die Besucher dafür einige bekannte Bands erwarten – von Unojah über Cris Cosmo bis hin zu The Brothers. Letztere treten übrigens nach dem Schloss­bergfest auf dem Weinstetter Hof in Eschbach auf – Eintritt: 16 Euro. Und für ein Konzert der Band Unojah haben die Besucher im April 12 Euro im Jazzhaus gezahlt. Auf dem Schlossberg würden diesmal allein 10.000 Euro für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen fällig, so Gurath: „Das kriegt man nicht wieder rein.“


AUSSTELLUNG

Revolutionärer Rohstoff WIE EISEN DIE GESELLSCHAFT AM SÜDLICHEN OBERRHEIN VERÄNDERT HAT

ZAHLEN UND FAKTEN Ausstellungsdauer: 15 bis 20 Jahre Kosten: rund 100.000 Euro 85% der Exponate sind Dauerleihgaben des Landes 15% in städtischem Besitz Aktionstage: Keramik der Eisenzeit – Klassisch schön Mi., 13., 20. & 27.9. 18.30-21 Uhr Eisen macht erfinderisch Sonntag 24. 9., 11-16 Uhr Archäologisches Museum Colombischlössle, Freiburg www.freiburg.de/museen Öffnungszeiten: Di-So, 10-17 Uhr

Fotos: © Axel Kilian

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teilung. Wie heute, galt auch damals schon: Wissen ist Macht. Kenntnisse über die Herstellung von Eisen verhalfen einzelnen Personen zu enormem Reichtum. Diese Macht spiegelte sich ebenso in den Grabkammern, in denen zu Beginn der Eisenzeit einzelne Menschen beerdigt wurden, wider. Die Hinterbliebenen statteten die aus Eichenholz gebauten Kammern mit kostbaren Beigaben aus Bronze und Eisen aus und schütteten darüber große Grabhügel auf. Im Archäologischen Museum haben die Im Erdgeschoss erwartet den Besucher Besucher die Möglichkeit, eine begehbare ein chronologischer Rundgang durch die Grabkammer hautnah zu erleben. DetailgeStein-, Bronze- und Eisenzeit. Die nun- treu wurde in einem der Ausstellungsräume mehr fünf Räume der Dauerausstellung das Prunkgrab von Kappel am Rhein nachsind hell und offen gestaltet. Im Mittel- gebaut. In den gläsernen Vitrinen liegen punkt steht die Interaktion mit dem Besu- die kostbaren Beigaben der Bestattung um cher: Kurze Videoclips und Bildtafeln ma- 620 v. Chr. Darunter ein bronzener Halschen die Ausstellung greifbar. An vielen ring, ein verzierter Dolch, Lanzenspitzen aus Eisen, sowie vier WaStationen ist sogar An­ genräder und Trinkgeschirr fassen und Ausprobieren Über 380 Exponate aus Bronze. ­erwünscht. „Uns ist es Der letzte Raum der Aus­ wichtig, dass sich mög- aus der Region stellung thematisiert die lichst viele verschiedene Gruppen angesprochen fühlen“, er- Handelsbeziehungen und die Stadtentklärt Museumsdirektorin Helena Pastor wicklung während der Eisenzeit. HöheBorgoñón. Ebenso wichtig sei auch der punkt und auch wertvollstes Stück der AusBezug zur Region, den das Museum ver- stellung ist die älteste Glasschale, die je folge – alle Exponate stammen vom süd- nördlich der Alpen gefunden wurde. Sie wurde in einem Grab bei Ihringen am Kailichen Oberrhein. Die Erweiterung der Ausstellung rückt serstuhl entdeckt und beweist den regen die drei Themen Bestattung, Handelsbe- Handel in Europa. Denn zur damaligen ziehungen und Stadtentwicklung in den Zeit konnte man am Oberrhein noch kein Fokus. Mit Einsetzen der Eisenzeit verän- Glas herstellen. „Wir sind privilegiert, dass derten sich die gesellschaftlichen Struktu- wir so etwas in Freiburg ausstellen dürfen“, ren. Durch den aufwendigen Herstellungs- betont die Museumschefin. prozess und die damit verbundenen Spe­zialkenntnisse verstärkte sich die Arbeits­ Valérie Baumanns it der Ausstellung „Eisen – Macht – Reichtum. Kelten am südlichen Oberrhein“ hat das Archäologische Museum Colombischlössle seine bestehende Dauerpräsentation jetzt um zwei neue Räume erweitert. Es zeigt herausragende archäologische Funde aus der Eisenzeit und verdeutlicht, wie technische und soziale Entwicklungen zusammenhingen.

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„Wir finden uns mega fresh“ DIE FUNK-ROCKER COSMIC MINTS MÖGEN’S BUNT UND PSYCHEDELISCH

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it dem dritten Gig schon im Lokal-Derby-­ Finale – das macht den Cosmic Mints so schnell keiner nach. Auch wenn die sechs Freiburger beim Fürstenberg-­Wettbewerb in Donaueschingen nicht den Titel geholt haben – die immer zu Späßen aufgelegten Musiker sind am Durchstarten. Und waren schon zweimal Sieger der Herzen.

von Till Neumann

Die Aufmerksamkeit des Publikums auf dem Stühlinger Kirchplatz war den Paradiesvögeln damit sicher. Ein Vorteil für eine Band, die erst seit Oktober am Start ist. Nach Einsteigern klingen sie dennoch nicht: Die Cosmic Mints kreieren treibende Beats, getragen von bis zu drei Gitarren und effektbeladenen Keys. Mal wabernd, mal wuchtig, mal zerbrechlich. Psychedelic Fuzz & Roll nennen sie das, Fuzz ist ein berühmtes Gitarren-Pedal. Die Band ist mit Herz und Seele dabei, das ist schwer zu übersehen. Frontmann

Auf ihrem Bandfoto fliegen die „Kosmischen“ in schriller Verkleidung durch Raum und Zeit. Auch bei „Freiburg Stimmt Ein“ zeigten sie zuletzt ihren Hang zum Extremen: Beim Publikum kommen Sänger Alexander Emmert (35) rockte oberkörperfrei sie besser an als bei der Jury in silberner Legginghose, Drummer Sven Maurer spielte mit knall- Emmert singt mit schmerzverzerrtem Ge­ rotem Motorradhelm, und Bassist Joey Ssy- sicht, tanzt ekstatisch oder greift selbst zur mank hatte einen selbst gebastelten Alu­ Gitarre. Der schmale Lkw-Fahrer fällt auf: kreis auf dem Kopf. Flippig ist Programm, Vollbart, unzählige Tattoos, „der Weg ist aber auch Message: „Gestern war CSD in das Ziel“ steht auf seiner Brust. Er war Freiburg, da hat die Luft gebrannt“, rief schon in mehreren Bands, konzentriert sich jetzt auf die Cosmics. Maurer ins Mikro. 64 CHILLI CULTUR.ZEIT JULI/AUGUST 2017

Foto: © Promo CosmicMints

MUSIK


NEWCOMER Wie eingeschworen die sechs sind, wird spätestens beim Knipsen klar: Für das Band­foto legen sie sich gemeinsam auf den Boden. Sechs kosmische Körper, komprimiert zu einer Einheit. Und warum das „Mints“ im Namen? Wegen einer Pfefferminzdose, die sie zur Grasdose umfunktioniert haben, erzählen sie. „Und wir finden uns einfach mega fresh“, ergänzt Emmert. Das Selbstbewusstsein ist groß. „Eine wirklich gute Band gewinnt nie einen Contest“, sagt der Sänger zum dritten Platz beim Lokal Derby. Viel wichtiger ist ihnen das kosmische Comeback: „Wir werden irgendwann wieder triumphal in Pimmelonias Galaxie einziehen“, prophezeien sie. Und dann sollen alle sagen: Damit haben wir nicht gerechnet. Foto: © tln

Das Cockpit seines Trucks nutzt Emmert auch mal als Proberaum. Viel Strecke hat die Band dennoch bisher nicht zurückgelegt, aber das Tempo ist hoch: Für die Vorrunde des Lokal Derbys qualifizierten sie sich mit nur einer Stimme im Fanvoting. „Wir hatten uns erst am letzten Tag angemeldet“, erinnert sich Gitarrist Attilio Ferrarese. Die Jury half ihnen in den Vorentscheid. Im Jos Fritz Café spielten sie Ende Mai um den Finaleinzug. Als Zweiter hinter dem späteren Derby-Sieger Walter Subject aus Reutlingen schafften sie dank Publikumsjoker den Sprung unter die besten fünf Bands. Auf der Megabühne in Donaueschingen holten die Freiburger in knallbunten Hawaii­ hemden schließlich Platz drei. 1000 Euro gab’s dafür. Ein Erfolg? „Ein bisschen enttäuscht bin ich schon“, sagt Keyboarder Julian Wey-­ and. „Der zweite Platz wäre drin gewesen.“

„Pimmelonia“ hat sie von ihrer Galaxie verbannt

Flippig: Bei „Freiburg Stimmt Ein“ treten die Cosmic Mints in schrillen Kostümen auf. Im Proberaum in der Wiehre werfen sie sich fürs Bandfoto einfach übereinander. Foto: © tln

Sänger Emmert legt noch einen drauf: „Ich fand uns besser als die anderen.“ Auch wenn die Konkurrenz deutlich professioneller unterwegs sei. Auf eine Sache sind sie dennoch stolz: Wie ihnen zu Ohren gekommen ist, haben sie im Vorentscheid und dem Finale die meisten Publikumsstimmen geholt. Sieger der Herzen, den Titel nehmen die „Cosmic Mints“ gerne an, erzählen sie vor ihrem Proberaum in der Wiehre. Entspannt geht’s zu, bei Bier und Kippen. Wir kommen von einer anderen Galaxie, sind sie sicher. „Pimmelonia heißt die Herrscherin dort, sie hat uns wegen eines Miss­ verständnisses verbannt“, scherzt Bassist Joey Ssymank. Auf Planet Erde haben sie zuletzt eine Demo-CD mit zwei Songs rausgebracht. Bald soll mehr kommen. Ob EP oder LP, darüber diskutieren sie noch. Hitzig wird’s auch im Proberaum: „Wir fetzen uns regelmäßig über die Softness der Songs“, sagt Attilio Ferrarese. Die Entwürfe von Emmert und Küppers findet der Rest oft nicht rough genug. „Alex hat eine musikalisch sehr weiche Seele, auch wenn man es ihm nicht ansieht“, berichtet Ferrarese. Doch alle finden: Sich zoffen zu können ist gut, und am Ende wird man sich einig. Ein bisschen wie bei einer großen Familie.

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e n g a a n r F ... 3

RECONSTRUCTING DEBUSSY

Soul Messin’ Records

Hyperharmonic

LAB EXPERIMENTS VOL.1: MIXIN’

MARC ROMBOY

Foto: © tln

... Bea Blumrich und Marie-Luise Erne

COOKIN’ ON 3 BURNERS

„EINE GROSSE CHANCE“

Die zahmen Siebziger

Debussy reloaded

Die Freiburger Gebärdensprachendolmetscherin Bea Blumrich (33) wagt sich auf neues Terrain: Beim Zelt-Musik-Festival ZMF wird sie das Kon­zert von Otto Normal begleiten. Ihr erster Einsatz mit einem Rapper. Unterstützt wird sie bei den Vorbereitungen von Marie-Luise Erne (30), die selbst nur wenig hört. Wie der Einsatz laufen soll, erklären die zwei im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann.

(tbr). Nachdem sie in eine Zeitmaschine gestolpert sind, wurden Cookin’ On 3 Burners ins Jahr 1971 geschleudert. Dort sind sie in das Chemielabor einer Highschool eingebrochen und haben „Lab Experiments Vol. 1: Mixin’“ zusammengemischt. So zumindest die offizielle Entstehungsgeschichte zum neuen Album der australischen Band. Tatsächlich kommt die neue Platte – die es auch in der Vinylvariante zu kaufen gibt – mit Sepia-Foto und knalligen Farben nicht nur optisch im 70er-Style daher. Auch die Mischung aus Soul, Deep Funk und Organ Jazz hat dank Hammond Orgel einen deutlichen Retro-Touch. Das Highlight des Albums findet sich gleich am Anfang. Für „Real Life Baby“ hat sich das Aussie-Trio die Sängerin Emmi ins Labor geholt. Mit ihrer souligen Stimme und den entspannten Wohlfühlklängen steht der Song dem bisher einzigen großen Band-Hit „This Girl“ von 2016 in nichts nach. Das sommerliche Liebeslied hat das Potenzial, die 20-jährige Band zum „Two-Hit-Wonder“ zu befördern. Leider fallen die Songs danach ab. Vor allem die rein akustischen Stücke wirken leicht verstaubt und ähneln sich viel zu sehr. Hier wäre ein bisschen weniger 1970 und mehr 2017 angesagt gewesen.

(mik). Claude Debussy? Klingt nach Klassik. Der Franzose († 1918) war einer der bedeutendsten Künstler des Impressionismus und Pionier der „Neuen Musik“. Seine Stücke galten unter Fachleuten als „stillos“ und „unlogisch“. Heute wird er als Superstar der französischen Komponisten gefeiert. Neues erschaffen. Das Ziel vereint Debussy und den deutschen DJ und Produzenten Marc Romboy. „Ungehörtes und faszinierende Klänge“ möchte er mit den Dortmunder Philharmonikern erzeugen. Dafür rekonstruiert er Werke seines Lieblingskomponisten, unterlegt sie mit atmos­phärischen Elementen elektronischer Musik. Hoch- trifft Subkultur. Zaghaft beginnt das Orchester mit einer sublimen Version von „Prélude à l’après-midi d’un faune“. Die Harmonie und Perfektion des Orchesters sind eine Wohltat für die Ohren. Nach einem intensiven Spannungsaufbau von knapp zehn Minuten verschmilzt die Schönheit der Klassik mit den hallenden Klängen von Romboys stetem, aber emotionalen Elektrobeat. Romboy zeigt, wie sich Elektro und Klassik im Schlagabtausch anhören. Und siehe da: Es funktioniert. Bis der Hörer realisiert, was das dramatische Auf und Ab bedeutet – ob er sich gerade in einem Sci-Fi-Szenario befindet oder mitten im Konzerthaus –, ist er längst im Bann ...

Bea, Rapper Pete ist bekannt für seine Freestyle-­ Einlagen. Das übersetzt du? Ich bin auch gespannt, wie das gehen soll. Das wird der lustigste Teil des Konzerts. Pete ist ein Wortakrobat, ich werde schnell sein müssen. Die Songs kannst du bis zum Konzert auswendig? Ich habe gerade ein hohes Pensum, höre mir jeden Tag die Lieder an. Ich werde nicht jedes Wort über­setzen. Wichtiger ist, den Song zu erfassen, Bilder entstehen zu lassen. Die werde ich fürs Publikum gebärden. Marie-Luise, wie ist das beim Konzert, wenn man wenig hört? Ich liebe es, wenn der Bass und die Stimme vibrieren. Am liebsten stehe ich direkt vor der Box. Töne höre ich gut. Wenn es laut wird, verstehe ich die Texte aber nicht. Dass Bea dabei ist, ist eine große Chance. So können alle mitfeiern und wir auf uns aufmerksam machen. Hoffentlich gibt es noch mehr Konzerte mit Gebärdensprache. Das Interview in voller Länge gibt’s auf: bit.ly/chilli_gebaerden. Otto Normal spielen am Sonntag, 23. Juli, auf dem ZMF. 66 CHILLI CULTUR.ZEIT JULI/AUGUST 2017


4COLOURS

ZWEIERPASCH

BMG

Rummelplatzmusik

SEVEN

DOUBLE VIE

DER SOUNDDRECK ... ... zum Handy

Titel: Mandy oh Mandy Finger vom Handy Urheber: Boh Jahr: 2017

Bunt getrieben

Kernige Botschaften

(tln). Vier Farben, vier Genres, ein Album. Der Schweizer „Seven“ macht seit Jahren von sich Reden. Mit samtweicher Stimme war er Vorband der Fantastischen Vier, war als erster Schweizer bei der TV-Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“, veröffentlichte neun Studioalben, holte fünf Gold Awards. Jetzt hat er sein aufwendigstes Album rausgebracht: 4Colours. Jede der vier Farben steht für ein Genre. Gelb für Soul, Lila für Funk, Rot für R’n’B, Blau für Elektro. So bunt klingt das auch: mal nach zarter Ballade mit Kuschelpiano (Don’t help me), mal nach schrillem Diskopop (Trick!), mal nach lässigem Kopfnick-Beat (Die Menschen sind wir) mit den Rappern Kool Savas und Nico Suave. Auch Thomas D. ist Gast auf dem Album. Eine Platte mit vier sortierten Minialben ist selten. Nicht einfach, den Bogen zu spannen. Seven versucht’s mit vier Orchester-Intros. Gelingen tut das nicht, denn auch diese stehen mehr für sich als fürs folgende Genre. Bindeglied ist dafür Sevens Stimme. Souverän, soulig, wandelbar. Von den 19 Tracks sind viele hörenswert. Gerade im Soulteil mit dem großartig groovenden „To Go“. Seven treibt’s bunt. Nicht jedem wird das farbenfrohe Konzept schmecken, aber jeder dürfte ein paar Rosinen finden. Der rote Faden ist eben vierfarbig.

(bar). Da stehen sie auf dem Hartmannswillerkopf und rappen sich einen: Felix Neumann und Till Neumann, Brüder im Geiste, Zwillingsbrüder im Körper. Sie wissen, warum sie da stehen, auf der Gedenkstätte für 30.000 tote Franzosen und Deutsche. Der seichte Pop ist nicht ihr Ding. Statt Liebeslieder zu trällern, rappen sie kernige Botschaften in die bergige Landschaft hinaus. „Double Vie“, das jüngste Album der beiden Grenzgänger, kommt dicht, voluminös und kräftig daher, ambitioniert produziert vom erst 18-jährigen Freiburger „The Orbit“. Für „World Music 2“ haben die Brüder Warrior Singhateh aus Gambia und den iranischen Rapper Ajmal eingeladen, „Peace ist nicht verhandelbar“, heißt es da. Auch wenn Friede meist Ergebnis von Verhandlungen ist, offenbart das Stück die Denke, den Spirit von Zweierpasch. In Colombes de la paix geht es um Botschafter, die ihre Stimme gegen die Rechtspopulisten erheben. Unterlegt mit coolem Beat, sphärischem Background, zweisprachig, kommt das weltoffen, unaufgeregt, aber immer bestimmt daher. Der Novize aus der Zweierpasch-Produktionsgarage erzählt in Plastique De Rêve auch aus dem Leben einer Plastiktüte über eine besinnungslose Wegwerfgesellschaft. Am Ende wird es dann besinnlich, sogar melancholisch. Zweierpasch reift.

Wie jedes Jahr bei der Geschmackspolizei: Hochkonjunktur im Juli. Abibälle. Dass Abibälle sich in den letzten Jahren zu einer Abiballindustrie entwickelt haben mit Eintrittspreisen bis nahe am dreistelligen Euro-Bereich geht uns nichts an. Leider ist jegliche Form ritualisierten und determinierten Feierns anfällig für kulturelle Verbrechen, die sich bewusst in diese Strukturen einzecken. Titel wie „Es gibt nur ein Gas – Vollgas“ oder „Pack ihn ein“ sind hier noch die harmloseren Vergehen. Leider wurde dieses und auch letztes Jahr versucht, ein Handylied über Abisong Mixtapes zu verbreiten, bei dem keine Gesprächsbereitschaft vor dem harten polizeilichen Vorgehen mehr angezeigt ist. „Mandy oh Mandy / Finger vom Handy“ Und weiter: „Jeder hat ein Handy Mandy hat zwei, Sie glaubt ohne Handy wär sie nicht dabei“ Dann die Krönung: „Finger vom Handy Mandy oh Mandy Finger vom Handy das tut ja so gut Mandy mit Handy War gestern sagt Mandy Finger am Handy das ist doch Ballast.“ Zu beachten für alle Abiturienten: „Mandy oh Mandy Finger vom Handy Finger vom Handy Mandy oh Mandy“ Literarisch gesehen, handelt es sich hier um eine simplifizierte Form des Chiasmus. Also eine X-Förmige Figur, in ähnlicher Wort- und Inhalts­ reihenfolge. Eigentlich eine Figur zur Unterstreichung von Sinnzusammenhängen oder halb­ironischen Wiederlegungen. Hier eher Sättigungsbeilage. Wir müssen drangehen, für Ihre Geschmackspolizei Freiburg, Benno Burgey


KINO

Interkulturelles Potpourri Zum Verwechseln ähnlich

Frankreich 2016 Regie: Lucien Jean-Baptiste Mit: Aïssa Maïga, Lucien Jean-­Baptiste u.a. Verleih: Neue Visionen Laufzeit: 95 Minuten Start: 13. Juli 2017

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oeben haben sich Salimata und ihr Mann Paul den Traum vom eigenen Blumenladen erfüllt. Das Migranten­pärchen lebt glücklich im ­eigenen, reno­ vierungs­bedürf­tigen Haus in der Vorstadt von Paris und hat sich in der französischen Mittelschicht bestens integriert. Einen ­Wermutstropfen hat die ganze Geschichte jedoch: Das junge Paar kann keine Kinder bekommen. Mehr als alles andere wünschen sie sich ein Kind, seit Jahren läuft der Adoptionsantrag. Um ihr Leben perfekt zu machen, wenden sie sich an die ASE, das französische Amt für Jugendfürsorge. Eines Tages klingelt das Telefon und Madame Mallet von der ASE verkündet die frohe Botschaft, dass es da ein Baby gebe, das neue Eltern sucht. Allerdings kann man dem schwarzen Ehepaar leider nur ein weißes Baby zur Adoption anbieten. Nach dem ersten Schreck über die Hautfarbe sind die beiden jedoch total entzückt, als sie Benjamin das erste Mal sehen. Das Baby ist hinreißend süß, ein echter Wonne­ proppen. In einer liberalen Welt sind Patchwork-Familien jeglicher Couleur fest etabliert, sind sich die beiden sicher. Doch als Salimata beim Kinderarzt und auf dem Spielplatz stets nur für die Nanny gehalten wird und der erste Besuch der jungen Familie bei den senegalesischen Großeltern die erste (Farb-) Krise auslöst, stellen sie fest, dass die Welt doch nicht so aufgeklärt und aufgeschlossen ist, wie sie dachten. Salimatas Eltern Mamita und Ousman – aus dem überwiegend muslimischen Senegal – sind entsetzt über ihr Enkelkind: nicht nur, weil es weiß ist, sondern weil sein Name Benjamin auf eine jüdische Abstammung hindeutet. Für die Großeltern bedeutet das einen Kulturschock. Ihnen wäre sogar ein Kongolese lieber gewesen.

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Foto: © Neue Visionen

ETHNOKOMÖDIE MIT FARBENFROHER BOTSCHAFT EINER PATCHWORK-FAMILIE

Auch die misstrauische Amts­dame Mallet ist wenig hilfreich, da sie den Eltern in den unpassendsten Situationen auflauert, in der Hoffnung, den ultimativen Erziehungsfehler zu finden. Als eine babysittende Freundin ohne Aufenthaltserlaubnis von der Polizei mit dem kleinen Benjamin aufgegriffen wird, ist das Chaos perfekt ... Offensichtlich ist die Multikulti-Gesellschaft doch noch nicht so fortschrittlich, dass alle Patchwork-Varianten akzeptiert werden. Inzwischen ist es längst normal, wenn weiße Paare farbige Babys adoptieren. Damit auch niemand diese Merkwürdigkeit vergisst, setzt Regisseur Jean-Baptiste in der Adoptionsklinik und später beim Kinderarzt Bilder allerlei Adoptionsaufstellungen ein: Ein homosexuelles Paar mit Baby, ein weißes Paar mit schwarzem Kind und eben ein schwarzes Paar mit weißem Baby. Die vergnügliche, offenherzige Ethno­ komödie überrascht mit so manch pointiertem Element. Unmissverständlich zeigt die Culture-Clash-Komödie ihre farbenfrohe Bot­schaft. Durch seine gewollt polarisierende Form greift Jean-Baptiste das unbequeme Thema jener Fremdenfeindlichkeit auf, die auch Migranten (er)leben. Das Thema Adoption wird dabei zu einem Code für Toleranz. Regisseur Jean-Baptiste versteht es, ein vielfarbiges Spektrum auf die Kinoleinwand zu bringen und sein Publikum mit bestem französischem Komödienkino zu amüsieren. Michaela Moser


KINO

Frankreich 2016 Regie: Nadège Loiseau Mit: Karin Viard, Philippe Rebbot u.a. Verleih: Wild Bunch Laufzeit: 100 Minuten Start: 20.7.2017

Großbritannien 2017 Regie: Sally Potter Mit: Patricia Clarkson, Bruno Ganz u.a. Verleih: Weltkino Laufzeit: 71 Minuten Start: 27.7.2017

DIE GÖTTLICHE ORDNUNG

Foto: © Neue Visionen

THE PARTY

Foto: © Adventure Pictures Ltd

Foto: © Neue Visionen

DAS UNERWARTETE GLÜCK

Schweiz 2017 Regie: Petra Volpe Mit: Marie Leuenberger u.a. Verleih: Alamode Laufzeit: 97 Minuten Start: 3.8.2017

Auf den Kopf gestellt

Karriere, Koks und Konflikte

Frauenwahl als Teufelswerk

(ewei). Als sich Nicole nach einer nervenaufreibenden Autofahrt an der Mole eines nicht näher benannten Hafens übergibt, glaubt sie zunächst an eine Stressreaktion ihres Körpers: Mit viel Improvisationstalent hatte die 49-Jährige ihre notorisch chaotischen Familienmitglieder zusammengetrommelt, um sich vom ältesten Sohn zu verabschieden, der als U-Boot-Koch für mehrere Monate abtaucht. Doch bei ihrer Ankunft schlagen gerade die letzten Wellen über Boot und Sohn zusammen. Kurze Zeit darauf entpuppt sich der Schwächeanfall an der Mole indessen als Schwangerschaft. Und die stellt Nicoles Leben auf den Kopf – und das ihrer Familie gleich mit. Denn nun muss Nicole sich schonen, kann nicht mehr die ungeteilte Verantwortung übernehmen für ihre schon leicht demente Mutter, den nicht eben arbeitswütigen Ehemann, die nicht erwachsen werden wollende Tochter und die quirlige Enkelin. Ein frischer Film über den eigentlich ernsten Schwangerschaftskonflikt einer liebenswerten Familie.

(ewei). Janet wurde von ihrer Partei in das Schattenkabinett berufen; im Falle des Wahlsiegs ist ihr der Posten der Gesundheitsministerin sicher. Das ist Anlass für eine kleine, aber feine Feier, zu der sie selbst die Häppchen vorbereitet. Zum Umtrunk im trauten Heim erscheint nur der engste, zur Oberschicht gehörige und konfliktträchtige Freundeskreis der Karrierefrau. Ein junger, koksender Investmentbanker gehört dazu, dessen Frau später dazukommt, außerdem Janets beste Freundin April samt ihrem verschrobenen Gatten Gottfried und ein lesbisches Pärchen, das zu gegebener Stunde selbst einen Grund zum Feiern bekannt geben will. Ja, und natürlich ist da auch Janets Ehemann Bill, der missmutig ein Glas Rotwein nach dem anderen trinkt und mit einem altmodischen Plattenspieler für Stimmung sorgt. Doch die kippt bald – und ziemlich schnell werden alle Anwesenden aus der Bahn geworfen. Ein großartiges bitterböses Vergnügen mit geschliffenen Dialogen; Gilde-Filmpreis der Berlinale.

(ewei). Nora lebt mit ihrem Mann Hans, den beiden Söhnen und einem gleichermaßen traditionalistischen wie griesgrämigen Schwiegervater in einem beschaulichen Dorf im Kanton Appenzell. Sie hat vor ihrer Heirat eine Ausbildung in einem Reisebüro gemacht und würde jetzt, da die Kinder sie nicht mehr rund um die Uhr benötigen, gerne wieder arbeiten gehen. Doch dazu braucht sie die Zustimmung von Hans. Der verweigert sie ihr indessen; will, schon allein wegen der anderen Dorfbewohner, an der angeblich gottgegebenen Ordnung festhalten, nach der Frauen auch nicht wählen dürfen. Als die eigentlich ganz zufriedene Nora den Zusammenhang zwischen ihrer privaten Gängelung und der gesellschaftlichen Ungleichstellung der Frauen erkennt, beginnt sie, sich mit ein paar Mitstreiterinnen für das Frauen­wahlrecht einzusetzen, gegen dessen Einführung Ende der 1960er Jahre nicht nur die Männer sind. Eine hintersinnige und berührende Tragikömodie über Frauen, die trotz Rückschlägen zum Ziel kommen.


KINO

Foto: © Patrick Allgaier, Gwendolin Weisser

KINONÄCHTE IM SCHWARZEN KLOSTER

10 Tage verbrachten die beiden Freiburger Globetrotter während ihrer Reise um die Welt in dieser Hütte im georgischen Wald. Ihr Film wird beim Sommernachtskino drei Mal gezeigt.

Internationale Stars unter heimischem Sternenhimmel (ewei). Nun ist es bald wieder soweit: Pünktlich zum Beginn der großen Ferien am 27. Juli startet um 21.30 Uhr das Sommernachtskino im Innenhof des Schwarzen Klosters, das längst eine feste Größe unter den Freiburger Sommer-Events ist. Dieses Jahr dauert es sogar ein paar Tage länger als sonst; bis zum 2. September gibt es auf großer Leinwand insgesamt 38 Vorstellungen. Und noch etwas ist dieses Jahr anders als sonst: Zum ersten Mal ist ­Michael Wiedemann, der jahrzehntelange Geschäftsführer der Kinos Harmonie, Friedrichsbau und Kandelhof, nicht mit im Organisationsteam: Im Januar 2017 hat er die Geschäfte und die Verantwortung an Ludwig Am­ mann und Michael Isele vom Kool-­ Filmverleih übergeben, die fünf Jahre zuvor eingestiegen waren und bei Wiedemann das Arthaus-Kinogeschäft von der Pike auf lernten. Dass sie es bestens beherrschen, zeigt nicht nur das ausgezeichnete Pro­gramm für die Sommernachts­ kino-Saison 2017, die außer zehn Premieren brandneuer Pro­duktionen auch zwei „klasse Klassiker“ und eine erlesene Auswahl der besten Filme der letzten 12 Monate umfasst. Eine 70 CHILLI CULTUR.ZEIT JULI/AUGUST 2017

Auswahl, bei der es Cineasten schwer­fallen dürfte, nicht jeden Abend in dem lauschigen Freiluftkino zu verbringen (siehe chilli-Veranstaltungskalender). Den Auftakt macht der diesjährige Freiburger Überraschungserfolg „Weit – die Geschichte von einem Weg um die Welt“, der inzwischen bundesweit angelaufen ist. Er wird gleich dreimal gezeigt: 27. Juli, 6. August und 1. Sep­tember – zu unterschiedlichen Anfangszeiten, die sich nach den kürzer werdenden Tagen richten. Bei allen Vorführungen sind die beiden filmemachenden Weltreisenden Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier anwesend. Den Abschluss bestreitet ein anderer großer Erfolgsstreifen, der den Deut­ schen sowie den Europäischen Filmpreis abgeräumt und es gar bis zur Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film geschafft hat: Maren Ades „Toni Erdmann“. Wegen seiner Laufzeit von zweieinhalb Stunden beginnt die Vorführung schon um 20.30 Uhr. Der Kartenverkauf hat schon begonnen. Einzelheiten dazu und zum Programm: www.sommernachtskino.de


DVD LION – DER LANGE WEG NACH HAUSE

1789 Frankreich 1974 Regie: Ariane Mnouchkine Mit: Roland Amstutz, Lucia Bensasson u.a. Studio: Alamode Laufzeit: 155 Minuten Preis: ca. 18 Euro

Australien 2016 Regie: Garth Davis Mit: Dev Patel, Rooney Mara u.a. Studio: Universum Film GmbH Laufzeit: 118 Minuten Preis: ca. 16 Euro

JACKIE USA 2016 Regie: Pablo Larraín Mit: Natalie Portman, Peter Saarsgard u.a. Studio: Universum Film Laufzeit: 100 Minuten Preis: ca. 13 Euro

Die Wirren einer Revolution

Heimweg mit Luftaufnahmen

Sturz ins Bodenlose

(ewei). Paris, 1791. Zwei Jahre nach der Französischen Revolution spielen Gaukler die wichtigsten Ereignisse dieser Zeit auf der Bühne. Und zeigen, dass die Aristokratie des Adels lediglich durch die des Geldes ersetzt wurde und die Hoffnungen des Volkes enttäuscht wurden. Diese meisterhafte und intensive Inszenierung der Wirren jener Jahre durch das Théâtre du Soleil und die Regisseurin Ariane Mnouchkine wurde 1974 zum Kultfilm, den es nun endlich auch auf DVD und Blu-ray gibt.

(ewei). Der Inder Saroo Brierley ging als 5-jähriges Kind bei einem Streifzug auf dem Bahngelände seines Heimatdorfs verloren – und fand es 25 Jahre später durch intensive Google Earth-Recherche wieder. Sein 2014 veröffentlichter autobiografischer Bestseller „A Long Way Home“ diente als Vorlage für das eindringliche und preisgekrönte Drama „Lion“. Ein berührender, angenehm klischeefreier und hervorragend besetzter Film über einen Menschen auf der Suche nach seinen Wurzeln.

(ewei). Im Mai wäre John F. Kennedy 100 Jahre alt geworden – vergönnt waren dem 35. US-Präsidenten nicht einmal 50: Im November 1963 fiel er einem Attentat zum Opfer. In dem Moment, in dem die Schüsse fallen, setzt Pablo Larraíns Film ein, der in leisen, eindringlichen Momentaufnahmen den Absturz von Kennedys Witwe Jacqueline ins Bodenlose erlebbar macht. Sehr feinfühlig lässt Natalie Portman die verletzliche Person hinter der Fassade der starken Frau durchscheinen.

PATERSON USA 2016 Regie: Jim Jarmusch Mit: Adam Driver, Golshifteh Farahani u.a. Studio: Weltkino Laufzeit: 118 Minuten Preis: ca. 14 Euro

DIE SCHÖNEN TAGE VON ARANJUEZ Frankreich, Deutschland 2016 Regie: Wim Wenders Mit: Reta Kateb, Sophie Semin u. a. Studio: Warner Home Video Laufzeit: 94 Minuten Preis: ca. 13 Euro

DIE HÄNDE MEINER MUTTER Deutschland 2016 Regie: Florian Eichinger Mit: Andreas Döhler, Jessica Schwarz u.a. Studio: Lighthouse Laufzeit: 101 Minuten Preis: ca. 11 Euro

Ein filmisches Gedicht

Sommerdialog im Garten

Kindheitsschatten

(ewei). Paterson ist Busfahrer in einer Kleinstadt, die genauso heißt wie er. Ihre Bewohner inspirieren ihn zu Gedichten, die er in der Mittagspause auf einer Parkbank verfasst. Während seine Welt in ruhigen Bahnen verläuft, ist die seiner Frau Laura in ständigem Wandel. Täglich hat sie neue Träume, die sie in eigentüm­ liche Projekte umsetzt. Sie lieben sich sehr und bewundern sich gegenseitig. Durch maximalen Minimalismus gelingt Jarmusch ein buchstäbliches Gedicht von einem Film.

(ewei). Auf einer grün umrankten, zu einem üppigen Garten führenden Terrasse sitzen eine Frau und ein Mann und reden. Stundenlang. Über Erfahrungen in der Liebe, über Kindheit, über das Wesen des Sommers, über weibliche Sicht und männliche Wahrnehmung, darüber, was Frauen und Männer unterscheidet. In einem der Zimmer des Hauses sitzt ein Mann an der Schreibmaschine und scheint sich diese Dialoge gerade auszudenken: Peter Handke, dessen Kammerspiel Wim Wenders verfilmt hat.

(ewei). Auf der Geburtstagsfeier seines Vaters wird Markus ohne jede Vorwarnung schlagartig mit lange verdrängten Geschehnissen konfrontiert, die sich in seiner Kindheit ereigneten. Als seine Mutter mit seinem kleinen Sohn Adam von der Toilette zurückkommt und dieser eine kleine Blessur an der Schläfe hat, erinnert er sich plötzlich an die Hände der Mutter auf seinem wehrlosen Kinderkörper. Und an die Vertuschung des Missbrauchs seitens des Vaters. Ein kluger Film zu einem Tabuthema. JULI/AUGUST 2017 CHILLI CULTUR.ZEIT 71


LITERATUR

Literarische Entschleunigungskur DER KARTOFFELMARKT WIRD ZUM FREILICHT-LESEWOHNZIMMMER

P

von Erika Weisser

Schrecklich schön und weit und wild – Warum wir reisen und was wir dabei denken von Matthias Politycki Hoffmann und Campe, 2017 350 Seiten, gebunden Preis: 22 Euro

Informationen: www.stadtlesen.com/ lesestaedte/freiburg/

ünktlich zum Beginn der Sommerferien wird Freiburg für einen Abend und drei Tage zur Lesestadt. Vom 27. bis 30. Juli kann jeder Mensch, der Zeit und Muße findet, auf dem Kartoffelmarkt verweilen und in einer der dort präsentierten 3000 Neuerscheinungen lesen, schmökern, nachschlagen oder einfach nur blättern. Bei freiem Eintritt, bis zum Einbruch der Dunkelheit, nach Herzenslust und obendrein gemütlich: Neben einem riesigen Bücherturm laden Hängematten und Sitzsäcke zur entspannten und entspannenden Lektüre ein. Oder zum Zuhören – denn an allen Veranstaltungstagen gibt es auch Lesungen.

Entspannte Lese-Oase auf dem Kartoffelmarkt.

Bereits zum fünften Mal organisiert die Stadtbibliothek dieses Open-Air-Lesefestival namens „StadtLesen“. Zur großen Freude von Bibliotheksdirektorin Elisabeth Willnat. Denn für sie gehört die Präsentation, die öffentlichkeitswirksame Vermittlung von Literatur genauso zu den Aufgaben einer Bücherei wie die Ausleihe und die Gewährleistung eines gut sortieren Angebots. Für sie ist „StadtLesen“ eine „Liebeserklärung an das gedruckte Buch“, eine schöne Gelegenheit, Menschen einen sinnlichen, haptischen Zugang zur Lektüre zu eröffnen und dafür zu begeistern. Der Zeitpunkt der Veranstaltung ist nach Willnats Auffassung „geradezu ideal“. Und bewusst gewählt: Es ist die Zeit des Übergangs von der Arbeits-, Studien- oder Schulzeit in die Sommerpause. Gestresste Menschen kön­nen sich in diesem „Lesewohnzimmer unter freiem Himmel“ schon einmal auf das Abschalten, auf die Muße einstellen. Sie können sich, wie Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach in seinem Grußwort schreibt, einer „wohltuenden Entschleunigungskur mittels Literatur“ hingeben. Passend zur Sommerferienzeit können sich die Gäste im Lesewohnzimmer aber auch mit dem wohl beliebtesten aller Urlaubsthemen beschäftigen, sich zusammen mit dem Autor und passionierten Reisenden Matthias Poli­ tycki Gedanken über Fernweh, Entdecker­ drang und Abenteuerlust machen. Er liest am

Eröffnungsabend aus seinem neuen Buch „Schrecklich schön und weit und wild “, einer höchst kurzweiligen, erlebnisreichen, ziemlich philosophischen und von einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe getragenen Abhandlung über den Sinn des Reisens. Diese im Programm als „bibliophiles High­ light“ bezeichnete Eröffnungslesung mit einem bekannten Autor gehört zu den Vorgaben der in Salzburg ansässigen Innovationswerkstatt, die das Projekt „Stadt­Lesen“ vor acht Jahren entwickelte und seither in ausgesuchten Lesestädten im deutsch­sprachigen Raum umsetzt. Außer den Rahmenbedingungen, zu denen auch ein Integrations- und ein Familienlesetag gehören, liefert sie die Bücher, die Sitz- und Liegegelegenheiten, die Regale, die Bühne und die Technik. Und lässt den örtlichen Partnern bei der inhaltlichen Gestaltung des Programms freie Hand. Diese müssen sich dabei aber schon anstrengen: Nach Auskunft von Elisabeth Will­nat ist es nicht selbstverständlich, zur Lesestadt gekürt zu werden. Für die Vergabe dieses Titels ist außer einer jährlichen Neubewerbung auch das Votum des Publikums auf der Website der Innovationswerkstatt ausschlaggebend. Und dass Freiburg nun zum fünften Mal in Folge den Zuschlag erhält, wertet sie als Anerkennung des Engagements der Mitarbeiter der Stadtbibliothek.

72 CHILLI CULTUR.ZEIT JULI/AUGUST 2017


FREZI

SCHWARZWÄLDER HIRSCHWASSER

von Klaus Karlitzky Verlag: Silberburg-­ Verlag, 2017 128 Seiten, gebunden Preis: 12.90 Euro

BADEN-WÜRTTEMBERG FÜR ANFÄNGER

von Andreas Braun Verlag: Silberburg-­ Verlag, 2017 144 Seiten, gebunden Preis: 19,90 Euro

DREISAMNEBEL

von Harald Rudolf Verlag: Silberburg-­ Verlag, 2017 363 Seiten, kartoniert Preis: 12,90 Euro

Hirsch der Wald!

So tickt der Südwesten

Wo ist die Weinprinzessin

(tbr). Ein Elch, der auf zwei Beinen steht und in hohem Bogen in eine Flasche pinkelt: Das Cover der Cartoon-­ Sammlung „Schwarzwälder Hirsch­ wasser“ zeigt dem Leser sofort, wie der Titel gemeint ist. Ob Uhr-wald, Schwatzwaldverein oder das Daisy-Reh – Autor Klaus Karlitzky spielt mit der Sprache und bringt seine neuen Wortschöpfungen in humorvollen Zeichnungen aufs Papier. Nachdem der bei Emmendingen lebende Künstler bereits fast alle Bereiche des Lebens von Beziehungen über Weihnachten bis hin zu den Medien behandelt hat, widmet er sich nun seiner Heimat, dem Schwarzwald. In vier Kapiteln erstrecken sich die Themen von Landleben und Land­liebe bis hin zu Wald und Outdoor. So stellt Karlitzky etwa die Wanderraute der Merkelraute gegenüber. Er lässt einen weißen Spargel seinen Feldnachbarn mit grünem Köpfchen fragen: „Geht’s dir nicht gut?“ Und der Wandersmann, der einen Hirsch fragt „Wo isch der Wald?“ bekommt als Antwort: „Hirsch der Wald!“ „Die dunkle Seite des Waldes hat auch meinen Humor gefärbt, von grey über dark bis very black forest“, schreibt der Künstler in der Einleitung. So richtig schwarzer Humor bricht allerdings eher selten durch. Karlitzky spielt stattdessen viel mit Klischees: mal hintergründig, mal recht platt – aber immer unterhaltsam.

(vba). Der Kunststoffdübel, das Blitzlicht für Fotoapparate, die Idee der dualen Ausbildung, der Zeppelin, der Alleskleber – all diese Erfindungen haben eine Gemeinsamkeit: Sie kommen aus Baden-Württemberg. Der einstige Chefredakteur von Sonntag Aktuell und baden-württembergische Tourismusmarketing-Chef Andreas Braun räumt in seinem Buch „Baden-Württemberg für Anfänger“ mit vielen Klischees über den Südwesten auf. Auf humorvolle Weise und mit sanfter Ironie erklärt er Neu-Baden-Württembergern, wie der Südwesten tickt. Was ist das Besondere am Ländle? Was macht das Land, die Menschen, die Eigenarten aus? Und worauf sollte man als Zugezogener achten? Dabei rückt Braun die unterschiedlichen Regionen in Baden-­ Württemberg in den Vordergrund seiner Erzählungen. In mehreren Kapiteln erklärt er anhand von nicht selten etwas überspitzten Darstellungen Land, Leute, Traditionen, Ess- sowie Trinkgewohnheiten und Eigenarten. Geschichte, Politik, Kultur, Fußball, Vorurteile und Klischees – kaum etwas wird ausgelassen. Doch Braun beschreibt nicht nur den Südwesten in seinem Buch, er gibt auch Tipps, wie man sich als Neuankömmling in diesem vielseitigen Bundesland am besten verhält. Erste Lektion: Der Bindestrich trennt immer noch zwei Landesteile.

(ewei). Seit 30 Jahren wird in einem fiktiven Dorf im Kaiserstuhl jährlich eine örtliche Weinprinzessin gewählt. Die lokale Besonderheit veranlasst die Ehefrau des Bürgermeisters im Herbst 2016 zu einer Jubiläumsveranstaltung, bei der all die 30 Frauen mit erlesenen Speisen und Weinen verwöhnt werden sollen. Doch eine erscheint nicht und lässt auch nichts von sich hören. Die Bürgermeistergattin Ulla und der ehemalige SC-Profi Florian Buch­m ann, der in seinem neuen Beruf als Wein- und Feinkosthändler für das Catering zuständig war, machen sich auf die Suche nach der ehemaligen Weinprinzessin, die, wie sich bald herausstellt, schon seit drei Jahren spurlos verschwunden ist. Die Spurensuche in der Uniklinik Freiburg, in einer Pfarrei im Glottertal und bei einem anderen ehemaligen SC-Spieler in Italien verläuft zunächst ergebnislos. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich der Autor zu sehr an Details über die heimliche Liebesbeziehung von Ulla und Florian aufhält – vor allem an der Erscheinung der „knackigen Fünfzigjährigen“. Als diese Affäre wegen eines vor­ übergehenden Zerwürfnisses dann erst einmal an Bedeutung verliert – und eine weitere junge Frau verschwindet –, gewinnt der Krimi an Fahrt und wird doch noch richtig spannend. JULI/AUGUST 2017 CHILLI CULTUR.ZEIT 73


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