f79 – Das Schülermagazin für Freiburg und Region

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GENDERN // SCHULDEBATTE ÜBERS STERNCHEN

CHEMIE // EXPERINAUTEN LASSEN ES RAUCHEN TEST // DIVERSITY-HELDIN ODER SPRACHSKEPTIKER?

COMPUTER-AG // SO WIRD IM NETZ ABGEZOCKT

PROMI-ECKE MIT BIATHLETIN LEONIE WALTER // JOBSTARTER // BERUFS-INFOMESSEN

für 14bis 20-Jährige

No. 54 //03.23 // www.f79.de

Wir sagen DANKE!

Das Bildungsprojekt f79 ist seit 2009 am Start. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 480 Schulen und 2600 Jugendeinrichtungen aus ganz Südbaden an verschiedenen Bildungs-, Berufs- und Medienangeboten beim f79 Schülermagazin: Von Freiburg bis Weil a.R., von

Rheinfelden bis Waldshut, BreisgauHochschwarzwald, von Emmendingen bis in die Ortenau, vom SchwarzwaldBaar-Kreis bis Bodensee. Somit sind alle Schulen aller Schularten und ein Großteil der Jugendeinrichtungen in Südbaden an das Projekt angebunden.

Nur mit Hilfe von Förderern der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft, Stiftungen, dem Land BadenWürttemberg und der EU kann diese Projektarbeit umgesetzt werden. Dafür möchten wir uns auch im Namen aller Schülerinnen und Schüler bedanken.

Wir suchen weitere Kooperationspartner. Interessiert? Infos unter bildungssponsoring@f79.de

www.f79.de JOBSTARTER // FRAUEN IM HANDWERK // BILDUNGSMESSEN // REISEN & HELFEN TECHNIK // FREIBURG FUNKT ZUR ISS KLIMAPROTESTE MIT KLEBSTOFF DEPRESSIONEN // KRANK DURCH DIE KRISE PROMI-ECKE JOBSTARTER AZUBI-ABC SOZIALES // KREATIVE BERUFE GESCHICHTE // SCHÜLER BESUCHEN KZ CHILLER ODER PARTY-TIER? ESSEN RETTEN // CONTAINERN UND FOODSHARING PROMI-ECKE // LEHRERPREIS 2022 // COOLE FREIZEIT-SPOTS // JOBSTARTER ERDKUNDE // BESUCH BEI KLIMAREBELLEN GRÜNER GEIST ODER WÜSTER WANDERER? FRUST UND CHANCE // WAS SCHULE BESSER KANN für 14bis 20-Jährige No. 52 // 09.22 www.f79.de PROMI-ECKE MIT SPRACHENÜBERFLIEGER // JOBSTARTER FÜR KARRIERETIPPS BIOLOGIE // EINFRIEREN FÜR EWIGES LEBEN TEST MENSAMUFFEL ODER CAFETERIA-CRACK? UM DIE WURST // MENSEN WERDEN VEGETARISCH für 14bis 20-Jährige No. 53 // 12.22 www.f79.de

IMPRESSUM

f79 // Das Schülermagazin für Freiburg und Region

Redaktionsbüro //

Paul-Ehrlich-Straße 13 // 79106 Freiburg

fon // Redaktion 0761-76 99 83-85

fon // Anzeigen 0761-76 99 83-0

Website www.chilli-freiburg.de/chilli/f79

Herausgeber // chilli Freiburg GmbH

Trägerverein // Kinderstadt Freiburg e. V.

Geschäftsführerin (V.i.S.d.P.) & Projektleitung // Michaela Moser // moser@f79.de

Redaktionsleitung // Till Neumann // redaktion@f79.de

Redaktion // Philip Thomas (pt), Pascal Lienhard (pl), Jennifer Patrias (jp)

Koordination Schulen // Erika Weisser // weisser@f79.de

Pressearbeit // Jennifer Patrias

Publizistischer Berater // Lars Bargmann

Schülerredaktion dieser Ausgabe // Jonny Braun, Franka Arens

Titelbild // © iStock.com/Khosrork

Fotos // Schülerredakteure

Bildagenturen // iStock, freepik, pixabay

Grafik & Layout // Miriam Hinze, Tatjana Kipf, Katharina Fischer, Benedikt Schmidlin

Lektorat // Beate Vogt

Anzeigenberatung // Jennifer Patrias, Nathalie Braun, Marion Jäger-Butt, Miriam Hinze, Armando Sainovic

Druckunterlagen // anzeigen@f79.de

Druck & Weiterverarbeitung // Freiburger Druck GmbH & Co. KG

Auflage // 25.000 Exemplare

Auslagestellen // an 480 HS, RS, Gymnasien, berufl. Schulen in Südbaden: von Freiburg bis Weil a.R., von Rheinfelden bis Waldshut, Breisgau-Hochschwarzwald, von Emmendingen bis in die Ortenau, vom SchwarzwaldBaar-Kreis bis Bodensee. Alle Agenturen für Arbeit in diesem Gebiet, alle BZ-Geschäftsstellen sowie über 2600 Jugendeinrichtungen in Südbaden (Jugendzentren, Vereine, Stadt- & Ortsverwaltungen, Büchereien, Fahrschulen, Haus- & Zahnärzte).

Druckunterlagenschluss für Heft-Nr. 55 // 10. Mai 2023. Es gilt die Preisliste Nr. 14.

Ein Unternehmen der f79 wird gefördert // vom Land Baden-Württemberg und dem Europäischen Sozialfonds

STERNCHEN ODER NICHT

f79 ist Preisträger des SPIEGELSchülerzeitungswettbewerbs

2012, 2014 und 2015

f79 ist Mitglied der

Gendern sorgt immer wieder für Aufreger: Für manche macht es die Sprache kaputt. Für andere ist es diskriminierend, nicht zu gendern. Die Tendenz bei jungen Menschen ist jedoch eindeutig: Dort ist Gendern angesagt beziehungsweise längst Standard. Wozu führt das in der Schule? Dürfen junge Menschen da mit Unterstrich, Sternchen oder Punkt gendern wie sie möchten? Was passiert, wenn Lehrkräften das gar nicht passt? Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist ja klar gegen das Gendern im Klassenzimmer.

Unser f79-Autor Pascal Lienhard hat sich auf die Suche gemacht. Was sagen Lehrer*innen, Schüler*innen, Politiker*innen oder Gewerkschaften dazu? Und was können sie aus deutschen Schulen berichten: Wird Gendern dort sanktioniert?

Unstrittig ist dagegen, dass die Mobilitätswende in Gang kommen muss. Auf deutschen Straßen fahren zu viele Autos. Zug, Bus und Rad sind die nachhaltigere Alternative. Im März gibt es dazu einen mittelgroßen Paukenschlag in Baden-Württemberg: Das Land startet das Jugendticket BW.

Für 365 Euro im Jahr können junge Menschen dann mit dem öffentlichen Personennahverkehr durchs Ländle cruisen. Doch lohnt sich das, wenn schon im Mai das

49-Euro-Ticket kommt? Das jetzt übrigens Deutschlandticket heißt. Die f79-Redaktion hat einen Frage-Antwort-Beitrag erarbeitet, der euch zeigt, was das Jugendticket BW kann – und was nicht.

Ans Herz legen möchten wir euch auch das Interview von Franka Arens mit den zwei Macherinnen der Experinauten. Das ist eine witzige Wissensshow aus Freiburg, bei er es ordentlich raucht und knallt. Was die zwei Experinautinnen damit im Bereich Chancengleichheit bewegen wollen? Lest selbst auf den Seiten 14 bis 15.

Euch selbst weiterhelfen könnt ihr mit dem Jobstarter im zweiten Teil des Magazins. Da gibt’s Tipps und Tricks rund um den Karriereeinstieg. Wie finde ich meinen Weg in die Pflege? Was bietet eine Teilzeitausbildung? Wie funktioniert eine Ausbildung im Ausland? Im Jobstarter berichten wir auf Augenhöhe. Das heißt, junge Menschen erzählen von ihren Erfahrungen bei einem Praktikum, bei einer Ausbildung, bei einem Studium oder einem Freiwilligendienst.

Viel Spaß beim Lesen und kommt gut in den Frühling

Till Neumann & das f79-Team

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ERSTE STUNDE Wie klappt Gendern
Foto // © iStock.com/AndreyPopov
in der Schule?
f79 // 03.23

DIE REDAKTION DIESER AUSGABE

TILL NEUMANN

SCHULE // OsterburkenGanztagsgymnasium

ALTER // 39

BEITRAG // Redaktion & Jobstarter

PASCAL LIENHARD

SCHULE // Abi am Windeck Gymnasium Bühl

ALTER // 30

BEITRAG // Redaktion & Jobstarter

ÜBER MICH // To live is the rarest thing in the world. Most people exist, that is all. (Oscar Wilde)

PHILIP THOMAS

SCHULE // Wöhler Gymnasium

Frankfurt

ALTER // 34

BEITRAG // Redaktion & Jobstarter

ÜBER MICH // Immer von Spiel zu Spiel denken.

JENNIFER PATRIAS

SCHULE // Walter-Eucken-Gymnasium Freiburg

ÜBER MICH // Reden ist Silber, Schreiben ist Gold.

KATHARINA FISCHER

SCHULE // Gertrud Luckner Gewerbeschule

ALTER // 23

BEITRAG // Layout und Gestaltung

SCHULE // Gertrud Luckner Gewerbeschule

ALTER // 19

BEITRAG // Layout und Gestaltung

ÜBER MICH // Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken noch für Gefühle. Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt.

BEITRAG // Redaktion & Jobstarter

ÜBER MICH // Was man vergisst, hat man im Grunde nicht erlebt.

ALTER // 31

ÜBER MICH // Träume von der Zukunft, lebe im Hier und Jetzt.

FRANKA ARENS

SCHULE // Abi 2018 am Gymnasium Nackenheim

ALTER // 22

AUSBILDUNG // bei der Volksbank Freiburg

ALTER // 22

BEITRAG // Azubi-ABC

ÜBER MICH // Hard work beats talent, every time.

BENEDIKT SCHMIDLIN

SCHULE // Gertrud Luckner Gewerbeschule

ALTER // 24

BEITRAG // Layout und Gestaltung

ÜBER MICH // Jede Entscheidung, die ich treffe, bringt mich zu Momenten, die ich nie verlieren möchte.

BEITRAG // Experinauten

ÜBER MICH // Thinking is difficult, that’s why most people judge. (Carl Jung)

KLASSENFOTO
TATJANA KIPF
f79 // 03.23 4
JONNY BRAUN

Seite 4 // Klassenfoto

Wir sind f79! Die Blattmacher dieser Ausgabe

Seite 6-9 // Hauptfach

Gendern in der Schule

Seite 10-11 // Gemeinschaftskunde

Fragen und Antworten zum Jugendticket BW

Seite 12-13 // Sozialkunde

So können sich Jugendliche vor Abzocke im Netz schützen

Seite 14-15 // Chemie

Entertainment-Wissenschaftlerinnen im Interview

Seite 16-18 // Test

Diversity-Held*in oder Sprachskeptiker – Gender-Typen im Test

Seite 19-21 // Jobstarter

Ausbildung, Studium, Beruf // Starten statt warten

Seite 22-23 // Berufswelt

Zoff im Job: Boomer versus Gen Z

Seite 24 // Handwerk

Diese Vorteile bieten Teilzeitausbildungen

Seite 25 // Ausbildungs-ABC

Nicht grübeln – nachfragen // Kommmunikation ist wichtig

Seite 26-28 // Pflegeberufe

Neue Wege in die Pflege // Ausbildung bei den BDH-Kliniken

Seite 30-33 // Ausbildung I

Food-Jobs // Versicherungen für Azubis

Seite 34 // Weiterbildung

Doppelt gemoppelt // Ausbildung und Abitur

Seite 35 // Bildungsmessen

Diese Veranstaltungen in der Region bringen euch weiter

Seite 36-37 // Ausbildung II

Laptop & Schraubenschlüssel // Kfz-Mechatroniker geben Gas

Seite 38 // Praktikum im Ausland

Azubis gucken über den Tellerrand

Dein Thema nicht dabei?

Werde selbst f79-Reporter! // Kontakt: redaktion@f79.de

Einmal auf dem Treppchen stehen – das hat Biathletin Leonie Walter geschafft. Nachdem sie im März 2022 bei den paralympischen Spielen in Peking trotz Seheinschränkung Gold holte, wiederholte sie im Januar ihren Golderfolg. Wie die 19-Jährige Schule und Training unter einen Hut bekommt, hat sie f79Volontärin Jennifer Patrias verraten.

f79 // Wie bist du zum Biathlon gekommen?

Leonie // Mit acht Jahren wurde ich gefragt, ob ich zusätzlich zum Laufen auch schießen möchte. Das habe ich ausprobiert, hatte Spaß daran und bin seitdem dabei. Mit 14 Jahren bin ich mein erstes Biathlonrennen gelaufen.

f79 // Wie sieht dein Training und deine Wettkampfvorbereitung aus?

Leonie // Ich habe acht bis neun Mal die Woche Training. An Schultagen ist die erste Einheit meist noch vor der Schule. Vor den Wettkämpfen schauen wir uns die Strecke vor Ort an. Da wird besprochen, an welchen Ecken man mehr Schwung mitnehmen muss und wo man Zeit aufholen kann.

f79 // Wie funktioniert das Schießen mit nur fünf Prozent Sehkraft?

Leonie // Ich sehe die Scheiben nicht, ich höre sie. Das Gewehr liegt schon bereit, genauso wie Kopfhörer, die ein akustisches Signal an mein Ohr senden. Sobald man das Ziel anvisiert hat, ist der Ton am lautesten.

f79 // Welche Aufgabe hat dein Guide Pirmin Strecker (Foto oben)?

Leonie // Hauptsächlich soll er das ersetzen, was mir durch das Sehen fehlt. Er sagt mir, wohin ich laufen soll und wie weit die Kurve entfernt ist. Er schaut auch, dass ich beim Schießstand am richtigen Platz stehe.

f79 // Was waren deine größten Erfolge?

Leonie // Die Goldmedaille in Peking und dieses Jahr die beiden Weltmeistertitel in Östersund.

F79 // Was ging dir denn durch den Kopf, als du Gold in Peking geholt hast?

Leonie // In den ersten fünf Minuten war es nur Erleichterung. Als ich im Ziel angekommen bin, wusste ich nicht, ob es von der Zeit gereicht hat. Und als es dann doch gereicht habe dachte ich nur: „Oh krass, irgendwie hat es doch gereicht.“

5 INHALTSANGABE
PROMI-ECKE
Foto // © Ralf Kuckuck/DBS
INHALT f79//03.23 f79 // 03.23

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Gendern im Schulunterricht – das Thema schlägt immer wieder hohe Wellen. Der Baden-Württembergische Ministerpräsident hält wenig davon, auch die Landes-FDP ist dagegen vorgegangen. f79-Volontär Pascal Lienhard hat sich in Schulen und bei bildungspolitischen Gruppen umgehört. Er ist auf Offenheit und Sorgen gestoßen.

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Wie die Schulen der Region mit dem Gendern umgehen

HAUPTFACH
Text // Pascal Lienhard Illustrationen // iStock.com/melitas Fotos // David Matthiessen, Thomas Clemens; iStock.com/AndreyPopov

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist kein Fan gendergerechter Sprache. „Die Schulen müssen sich an das halten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgibt“, sagt der ehemalige Lehrer. Sonst habe man am Ende keine einheitliche Rechtschreibung mehr. Der Rat, seit 2004 maßgebliche Instanz in Sachen Orthografie, hatte 2021 entschieden, Genderstern, Unterstrich und ähnliche Formen nicht ins „Amtliche Regelwerk“ aufzunehmen. Der Rat wolle die Entwicklung des Schreibgebrauchs aber weiter beobachten.

Nach Ansicht Kretschmanns sei es schlimm genug, dass viele Grundschüler*innen nicht lesen können. „Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht“, sagte der GrünenPolitiker Anfang des Jahres. Auch die FDP brachte unlängst einen erfolglosen Vorschlag in den Landtag ein: Amtliche, behördliche und (hoch)schulische Einrichtungen sowie nachgeordnete Behörden sollten sich an gültige Grammatik- und Rechtschreiberegelungen halten.

An der Freien Waldorfschule in Emmendingen scheint die Diskussion keine hohen Wellen zu schlagen. Friedemann Dreher besucht dort die 11. Klasse. Persönlich legt der 17-Jährige zwar keinen großen Wert darauf, dass Personen in seinem Umfeld gendergerechte Sprache nutzen. „Wenn ich aber merke, dass es meinem Gegenüber wichtig ist, dann gendere ich schon“, erklärt er. Ihm sei es wichtig, sprachlich Rücksicht auf andere zu nehmen. Das betreffe aber eher den privaten Freundeskreis, bei Mitschüler*innen und Lehrer*innen sei Gendern kaum Thema.

Der Landeschülerbeirat Baden-Württemberg sowie die Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz haben vergangenes Jahr gefordert, dass Gendern in der Schule nicht als Fehler angestrichen werden dürfe.

Dieser Punkt wurde auch in Emmendingen diskutiert. „Im Unterricht ging es um die Frage, ob wir in den Abschlussarbeiten gendern dürfen beziehungsweise sollen“, erklärt Dreher. Seine Lehrerin habe empfohlen, darauf zu verzichten.

Wer sich dennoch für ein Sternchen oder andere Formen entscheide, müsse auf Einheitlichkeit achten – ansonsten werde es als Fehler gewertet.

Der Gesamtelternbeirat Freiburg (GEB) betrachtet das Thema differenziert. Sebastian Kölsch vom GEB führt ein ähnliches Argument wie Kretschmann ins Feld: In den jüngsten Rankings zeigten Schüler*innen in BadenWürttemberg in den Klassen 5 bis 8 erhebliche Defizite in der Rechtschreibung. „Das Augenmerk der Schule sollte sich zunächst primär darauf richten, den Kindern den korrekten Umgang mit der deutschen Sprache zu vermitteln“, sagt Kölsch. Die Nutzung gendergerechter Sprache setze voraus, dass man die Standardsprache beherrsche. „Insofern könnte man darüber nachdenken, ob gendergerechte Sprache in die Bildungspläne gegen Ende der Schullaufbahn aufgenommen wird“, erklärt Kölsch.

Derweil rät die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den 4500 Schulen des Landes zu Gelassenheit. „Unsere Schüler*innen sprechen im Jahr 2023 nicht mehr wie vor 100 Jahren“, sagt Landesvorsitzende Monika Stein. „Sprache verändert sich und ist immer auch ein Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen gewesen.“ Wenn sich die Sprache wandle, müsse sich die Schule damit auseinandersetzen. Nach Einschätzung Steins seien Lehrkräfte Profis genug, um die richtigen Maßstäbe im Umgang mit gendergerechter Sprache zu setzen.

Insgesamt befürwortet die GEW laut Landesgeschäftsführer und Pressesprecher Matthias Schneider einen differenzierten Ansatz. Bei einem Diktat müsse das Gendern anders bewertet werden als bei einer Textaufgabe in Mathe oder in einem mehrseitigen Essay. Während in der Grundschule oder bei Deutsch als Zweitsprache das Lernen im Zentrum stehe, gehöre zu einem differenzierten Umgang mit dem Fach Deutsch an weiterführenden Schulen auch die gendergerechte Sprache.

Ein prominenter Kritiker des deutschen Schulsystems ist Bob Blume. Der 40-jährige „Blogger des Jahres“ und Bestseller-Autor unterrichtet in Bühl bei Baden-Baden Englisch, Geschichte und Deutsch. Die Forschungslage zeige, dass Sprache Wirklichkeit erzeuge und es daher wichtig sei, sprachlich alle miteinzu-

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Begreift Sprache als Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen: GEW-Landesvorsitzende Monika Stein

beziehen. Dennoch gehe Blume mit dem Gendern an der Schule offen und locker um.

Einige seiner Schüler*innen nutzen das generische Maskulinum, andere nennen beide Geschlechter, wieder andere sprechen die Doppelform. Das ist ganz in Blumes Sinn. Neben dem Lernen gehe es in der Schule auch darum, eigene Haltungen auszuarbeiten. „Wer wäre ich, den Schülerinnen und Schülern meine Meinung aufzubürden?“, fragt er sich. Seine Aufgabe sei es, gesellschaftliche Entwicklungen darzustellen – ohne Schüler*innen mit seinen Überzeugungen zu überfahren. Das Thema wird weiterhin Schlagzeilen generieren. In Hamburg sammelt aktuell eine Volksinitiative Unterschriften, um das Gendern in Verwaltung und Bildung zu verbieten.

Zudem hat ein Vater beim Verwaltungsgericht Klage gegen das Land Berlin eingereicht. Seiner Meinung nach werde an der Schule, die sein Nachwuchs besucht, zu viel gegendert. Im Sportunterricht würden „Hampelmenschen“ gemacht statt „Hampelmänner“. Solche Nachrichten sorgen dafür, dass das Thema präsent bleibt. Ob es der gendergerechten Sprache zum Vor- oder Nachteil gereicht, bleibt offen.

Schüler Friedemann Dreher aus Emmendingen würde sich freuen, wenn das Gendern in einem schleichenden Prozess immer normaler wird. Ob das mit Kretschmann, FDP und Co. zu machen ist –das steht noch in den Sternen.

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Will Schüler*innen nicht mit seinen Überzeugungen überfahren: Lehrer Bob Blume

GEMEINSCHAFTSKUNDE

EIN EURO AM TAG

Jugendticket BW startet im März – Fragen und Antworten

Die Mobilitätswende ist im Gange. Das zeigt sich auch mit dem Jugendticket BW. Das Land Baden-Württemberg will damit jungen Menschen für 365 Euro im Jahr nahezu uneingeschränkte Mobilität ermöglichen. Start ist am 1. März. Beim f79 gibt’s alle Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Text // Till Neumann Fotos // © iStock.com/izusek; Pixabay/geralt

Illustration // RVF

Was ist das Jugendticket?

Baden-Württemberg betritt mit dem Fahrschein Neuland: Er kostet 365 Euro im Jahr – also einen Euro am Tag. Pro Monat sind das 30,42 Euro. Möglich ist damit, im gesamten Bundesland Bus und Bahn zu fahren. Egal wo, egal zu welcher Uhrzeit. Bei Zügen sind Regionalbahnen nutzbar. ICE und IC sind nicht inbegriffen – genau wie beim 9- oder 49-Euro-Ticket auch. Eine Ausnahme ist lediglich die IC-Linie Stuttgart –Singen – Konstanz.

An wen richtet sich das Jugendticket?

Der Fahrschein ist erhältlich für Schülerinnen und Schüler, Studierende, Azubis und Freiwilligendienstleistende. Entscheidend ist, dass sie ihren Wohnsitz in Baden-Württemberg haben –oder hier zur Schule gehen. Ein weiteres Kriterium ist das Alter: Kinder und Jugendliche können das Jugendticket bis sie 20 Jahre alt sind erhalten. Schülerinnen, Schüler, Studierende, Azubis oder Freiwilligendienstleistende können es bis zum einem Alter von 26 Jahren kaufen.

Wo gibt es das Ticket?

Das Ticket wird bei den Verkehrsverbünden verkauft – und im Internet bei den Verkehrsverbünden.

Wie groß ist das Gebiet?

Baden-Württemberg hat 19 Verkehrsverbünde. Deren Grenzen sind mit dem Ticket aber

unwichtig. Es gilt schließlich fürs ganze Bundesland. Von Freiburg ist Konstanz damit in rund 2,5 Stunden erreichbar. Nach Stuttgart sind es knapp drei Stunden. In Mannheim sind junge Menschen in rund 90 Minuten.

Was ist daran neu?

Ein vergleichbares Ticket gab es bisher nicht. Wer durchs Land fahren wollte, nutzte einen Einzelfahrschein, ein Regioticket für eine bestimmte Verkehrszone oder ein Baden-WürttembergTicket. Letzteres ist für nur einen Tag gültig.

Wie viel kann ich damit sparen?

In Freiburg gibt es bisher eine Monatskarte für Schüler und Azubis. Sie kostete im Januar 46,50 Euro pro Monat. Das Jugendticket ist also monatlich 16,08 Euro günstiger. Im Jahr macht das knapp 193 Euro aus. Zudem gibt’s die Möglichkeit, damit durchgehend in ganz Baden-Württemberg unterwegs zu sein. Aber Achtung: Das Jugendticket BW gibt’s nur für ein ganzes Jahr. Es rentiert sich also nur für Dauerfahrer.

Gibt es weitere Rabatte?

Ja, speziell für Freiburg sind das beispielsweise Ermäßigungen bei der Miete eines FreloLeihrads, einer VAG-Fahrrad-Box oder beim Carsharing. Auch die Schauinslandbahn wird günstiger: Eine Berg- und Talfahrt kostet mit dem Jugendticket 11 Euro statt 14. Mehr Details gibt’s auf vag-freiburg.de/tickets

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Was ist damit nicht möglich?

Das Jugendticket BW ist nicht übertragbar. Es können auch keine weiteren Personen mitgenommen werden. Auch die 1. Klasse ist tabu. Und noch ein wichtiger Punkt: Das 365-Euro-Ticket gibt es nur für ein ganzes Jahr. Wer es lediglich für einen Monat braucht, geht leer aus. Zahlbar ist das Ticket monatlich oder gleich für ein ganzes Jahr.

Wie kann ich von einem bestehenden Abo aus wechseln?

Einige Verkehrsverbünde stellen das Ticket auf Wunsch automatisch um. Am besten fragen Besitzer direkt bei ihrem Verkehrsverbund nach oder informieren sich dort online. Bei der VAG Freiburg heißt es: „Alle heutigen Kundinnen und Kunden mit SchülerAbo

müssen nichts tun, sie erhalten ab März automatisch das RVF JugendTicketBW.“ Alle anderen könnten ab Februar das neue Ticket am einfachsten online bestellen: auf abo.vag-freiburg.de/jugendticket soll sich dann eine entsprechende Eingabemaske finden.

Was sagen Kritiker?

Die Landesregierung Baden-Württemberg ist überzeugt: „Dank dem günstigen Preis und der landesweiten Gültigkeit macht das Jugendticket BW den ÖPNV zum attraktivsten Verkehrsmittel für junge Leute in BadenWürttemberg.“ Doch es gibt auch Gegenwind. Die politische Opposition im Stuttgarter Landtag sieht das Jugendticket in Konkurrenz zum 49-Euro-Ticket, das ab Mai kommt. Bei der FDP heißt es: Das Jugendticket ist durch das 49-Euro-Ticket überflüssig. Die SPD

fordert, das Jugendticket deutschlandweit gelten zu lassen – genau wie das 49-EuroTicket auch. Der Grüne Verkehrsminister Winfried Herrmann ist jedoch überzeugt, dass das Jugendticket ankommt. Denn viele junge Menschen seien vor allem in Baden-Württemberg unterwegs.

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„DA MUSS MAN GANZ VORSICHTIG SEIN“

Verbraucherschützerin warnt vor Betrugsmaschen im Internet

Betrug findet mittlerweile hauptsächlich im Internet statt. Mehr als 130.000 Fälle von computerbezogener Kriminalität listet die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 in Deutschland. Britta Vögele, Expertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, warnt im f79-Interview: Betroffen sind alle Altersgruppen und die Betrüger werden immer professioneller. Die erbeuteten Summen reichen von wenigen Euro bis zu fünfstelligen Beträgen.

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Text // Philip Thomas Fotos // © iStock.com/Just_Super; privat

f79 // Frau Vögele, welche Plattformen liegen bei Betrügern im Trend?

Vögele // Betrüger nutzen die Plattformen, mit denen sie die meisten Menschen erreichen können. Zuvor war es Facebook, aktuell sind es Whatsapp und TikTok – Betrüger gehen mit der Zeit.

f79 // Welche Betrugsmaschen sind dort verbreitet?

Vögele // Im Netz existiert viel Werbung für sogenannte Fakeshops. Also Händler, die es gar nicht gibt. Oftmals leiten Pop-ups mit vermeintlich unschlagbaren Angeboten auf solche Seiten um. In der Regel kann dort nur per Vorkasse gezahlt werden. Ebenfalls verbreitet sind falsche Gewinnspiele: Vermeintlichen Gewinnern wird suggeriert, sie hätten Unsummen an Geld gewonnen. Auch in Videospielen gibt es Abzock-Maschen. Mit Werbung werden Nutzer in Abo-Fallen gelockt oder dazu verleitet, echtes Geld in Währung wie digitale Diamanten zu investieren.

f79 // Wovor sollte man sich außerdem in Acht nehmen?

Vögele // Ein Klassiker ist der Enkeltrick. Um an Geld zu gelangen, geben sich Betrüger am Telefon oder in Textnachrichten als Verwandter aus. Das Prinzip beim Tochter- oder Sohntrick ist dasselbe: „Hallo Mama, ich habe mein Handy verloren, das hier ist meine neue Nummer.“ Später meldet sich die neue Nummer mit einer vermeintlich finanziellen Notlage und bittet um Geld.

f79 // Diese betrügerischen Nachrichten sind gerne voller Rechtschreibfehler ...

Vögele // Die Rechtschreibung wird immer besser. Mittlerweile ist es recht einfach, eine glaubhafte Homepage zu gestalten. Heute muss man genau hingucken, manchmal sind Fakeshops nur im Impressum erkennbar. Unter dem Strich werden Betrüger professioneller, es gibt weniger Einzeltäter. Wir bemerken auch einen Anstieg von Beschwerden und Schadenssummen. Uns erreichen quasi täglich Meldungen von neuen Fakeshops und Gewinnspielen.

f79 // Welche Anzeichen für einen Betrugsversuch gibt es?

Vögele // Die Betrüger arbeiten gerne mit Gefühlen, positiv wie negativ. Entweder wird ein Gewinn versprochen oder von einem Unglück berichtet. Konkret auffällig ist, dass in Fakeshops oftmals nur per Vorkasse bezahlt werden kann. Auf Rechnung oder andere Zahlungsmöglichkeiten fehlen. Das Geld ist dann weg. Auch Mega-Schnäppchen sind verdächtig. Die Unternehmen haben schließlich nichts zu verschenken. Da sollte man ganz vorsichtig sein. Fakeshop-Finder oder ein Blick ins Impressum können helfen: Sitzen die Unternehmen in Deutschland? Schicken sie Originalware?

f79 // Wie können sich Jugendliche vor Betrug schützen?

Vögele // Bei unbekannten Nummern aus dem Ausland sollte man nicht ans Telefon gehen, in keinem Fall sollten dabei Bankdaten herausgegeben werden, auch wenn Betrüger ihre potenziellen Opfer unter Druck setzen. Es ist wichtig, die Ruhe zu bewahren. Außerdem sollte man nicht auf Links in Nachrichten klicken oder Dateien herunterladen, deren Absender unbekannt sind. Grundsätzlich sollte man im Internet nur die absolut nötigsten persönlichen Daten angeben. Es ist außerdem sinnvoll, Smartphone-Apps nur bestimmte Berechtigungen zu geben. Braucht etwa ein Spiel unbedingt Zugriff auf Kontakte oder Kamera? Viele Datenabgriffe geschehen unbemerkt.

f79 // Welche Möglichkeiten gibt es außerdem?

Vögele // Passwörter sollten mindestens aus acht Zeichen bestehen, Groß- und Kleinschreibung sowie Sonderzeichen enthalten. Ein Passwort mit vier Stellen ist innerhalb von Sekunden geknackt.

Apps sollten grundsätzlich nur in offiziellen Stores runtergeladen und laufend aktualisiert werden. In-App-Käufe können deaktiviert oder mit Passwörtern gesichert werden. Es kann sich lohnen, beim Mobilfunkanbieter eine Drittanbietersperre einrichten zu lassen, um Kostenfallen auf der Rechnung vorzubeugen.

f79 // Was können Betroffene nach einem Betrug tun?

Vögele // Jeder Betrug sollte bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Dazu ist es wichtig, Beweise wie Nachrichten mit Screenshots zu sichern. Im Falle von Abofallen können sich Betroffene an eine Verbraucherzentrale wenden. In der Regel sind Verträge von Minderjährigen, die ohne Wissen der Eltern abgeschlossen wurden, nicht wirksam zustande gekommen: Personen unter 18 Jahren sind in Deutschland nicht voll geschäftsfähig. Allerdings existiert ein sogenannter Taschengeldparagraf. Wenn Jugendliche etwas aus eigenen Mitteln finanzieren, dann kann ein Vertrag wirksam sein.

f79 // Worauf kommt es dann an?

Vögele // Es ist wichtig, keine Zeit zu verlieren und schnell zu reagieren. Die meisten Verträge, die im Internet oder am Telefon abgeschlossen werden, können mit einer Frist von 14 Tagen widerrufen werden. Es macht also keinen Sinn, Scham zu zeigen. Wenn etwas schiefgelaufen ist, sollten Jugendliche schnell zu ihren Eltern gehen. Spätestens bei der nächsten Kreditkartenabrechnung kommt sowieso alles ans Licht.

f79 // Frau Vögele, vielen Dank für das Gespräch.

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Hat fast täglich mit neuen Fake-Shops zu tun: Verbrauerschützerin Britta Vögele

„STARKE FRAUEN AUF DER BÜHNE“

Als Experinauten bieten zwei Freiburgerinnen explosive Wissensshows

Es raucht, knallt und funkt, wenn Esra Mandaci (40) und Nicola Gepperth (43) auf der Bühne stehen. Die beiden verbinden als „Experinauten“ Experimente und Entertainment. Bei ihren Shows geht es witzig zu – gleichzeitig vermitteln sie Wissenschaft zum Anfassen. Im Interview mit Franka Arens berichten die beiden von Leidenschaft, Pannen und ihrer Mission.

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f79 // Wie kam euch die Idee zu den Experinauten?

Esra // Wir haben beide Biologie studiert und schon ab 2014 zusammen gearbeitet. Irgendwann haben sich beruflich unsere Wege getrennt, aber wir wussten, wir haben Lust, miteinander zu arbeiten und auch in dem Bereich, also Bildung und Naturwissenschaften. Und dann haben wir angefangen zu brainstormen, worauf wir Lust haben.

Nicola // Wir hatten einfach selbst noch viele Ideen und wollten die verwirklichen. Und das ging bei der Anstellung eben nicht so, wie es dann in der Selbstständigkeit geht.

f79 // Wie kommt ihr auf die Ideen zu euren Experimenten?

Nicola // In der Bildungslandschaft wird das Rad selten neu erfunden. Es gibt einfach einen riesigen Pool an Experimenten, die man machen kann. Aber wie man die in einer Show zum Beispiel darstellt, kann ganz unterschiedlich sein. Und wir hatten Lust, die Experimente zu zeigen, aber dabei Rollen einzunehmen und starke Frauen auf der Bühne zu zeigen. Esra ist Haustechnikerin in unserer Show und ich bin die Wissenschaftlerin. Aber wir sind auf Augenhöhe. Jede hat ihre Kompetenzen und kann der anderen helfen. Und das macht glaub ich aus, wie wir arbeiten und wie unsere Experimente dann dargestellt werden: Es hat immer mit einer Geschichte zu tun.

f79 // Was könnt ihr damit bewirken?

Nicola // Wir wollen zeigen, dass Wissenschaft Spaß macht. Wir hatten ein richtig tolles Erlebnis bei unserer ersten Show: Da kam eine Mutter mit ihrer Tochter im Grundschulalter und hat gefragt, was wir studiert haben und ob wir wirklich Wissenschaftlerinnen sind. Dann hat sie zu ihrer Tochter gesagt: Guck, das kann man dann auch als Wissenschaftlerin machen. Und wir waren so geflasht, dass wir unsere Mission erfüllen und : Genau das ist passiert, was wir wollten.

f79 // Haben euch die Frauenvorbilder in der Wissenschaft gefehlt?

Nicola // Also in der Schule war es ganz, ganz schlimm, fand ich. Gerade Physik und Chemie waren Fächer, da habe ich das Gefühl, ich habe gar keine Chance, gut zu sein. Ich hab tatsächlich mal den Satz vom Physiklehrer gehört: Ich weiß eh, was ihr alle am Ende des Jahres für ne Note habt. Das war so eine richtige Bremse. Ich fand, im Studium war das nicht mehr so. Und jetzt im Beruf erleben wir, dass wir gefördert werden und viele Menschen sich freuen, dass wir Frauen in Naturwissenschaften sichtbar machen

Esra // Also ich finde, das Problem geht sogar noch tiefer. Dass ich überhaupt gar nicht mit dem Gedanken gespielt habe, Technik oder Physik zu studieren, obwohl mir das immer Spaß gemacht hat. Aber es war von vornherein so: Kein anderes Mädchen hat das gemacht. Und ich hab da meinen Platz einfach nicht gesehen. Deswegen ist das auch unsere Mission, wir möchten zeigen: Frauen haben ein Gesicht in der Wissenschaft. Kinder sollen nämlich nicht schon von vornherein,

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Text Franka Arens Fotos // tln , Freepik

bevor sie ihren Beruf gewählt haben, denken: Das kann ich ja gar nicht.

f79 // Sind Naturwissenschaften so langweilig, dass es eine Show braucht?

Nicola // Nein, aber sie macht neugierig. Ich glaube, der Schlüssel ist das Ausprobieren. Ich denke, wenn man mehr Praxis in der Schule hätte, dann würden sich Kinder oder Jugendliche mehr für MINT-Berufe oder -Ausbildungen interessieren. Weil sie einfach Berührungen mit Naturwissenschaften hatten – also mit den Händen.

Esra // Und Chemie und Physik sind nicht trocken. Das ist ja unser Alltag: Das sind Backprozesse in der Küche, das ist unsere Technologie, das betrifft uns alle. Im Grunde ist es super spannend, wenn man ein bisschen Background-Wissen zu seinem Alltag hat.

f79 // Ist beim Durchführen der Experimente schon mal was schiefgegangen?

Nicola // Ja, das war ganz schön nervenaufreibend. Wir hatten ein Experiment, da geht`s ums Thema Raketenstart. Es sollte auf der Bühne eine Explosion geben und das hat zwei Mal hintereinander nicht funktioniert. Das Schlimme war eigentlich nicht, dass es nicht funktioniert hat, sondern wir haben auf der Bühne nicht gecheckt, warum nicht. Und dann haben wir es abgebrochen, weil es einfach auch Zeit kostet, das wieder alles neu aufzubauen. Wir können gut improvisieren, deswegen ist es nicht aufgefallen, dass was nicht geklappt hat. Im Nachhinein haben wir rausgefunden, woran es lag. Wir haben das Experiment beim Freiburger Lehrerpreis im Jazzhaus gezeigt und es hat richtig gut geklappt. Das war so geil.

Die Experinauten

Die Entertainment-Wissenschaftlerinnen Esra Mandaci und Nicola Gepperth sind als Experinauten an Grundschulen aktiv, sie begleiten dabei Viertklässler*innnen. Außerdem geben sie Workshops und halten Vorträge und geben Fortbildungen. Auch für Feiern und Events sind sie buchbar.

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Lassen es rauchen: Nicola Gepperth (links) und Esra Mandaci bei ihren Shows

Diversity-Held*in oder

Sprachskeptiker *in?

Welcher Gendertyp bist du?

Diskussionsrunden, Aufklärungsarbeit, aber auch Gegenwind aus allen möglichen Ecken: Die sprachliche Gleichstellung von Mann und Frau hat in den vergangenen Jahren einige Steine ins Rollen gebracht. Während sich selbst die Politiker über einen einheitlichen Gebrauch streiten, stellt sich die Frage: Was für ein Gendertyp bist du? Eher eine knallharte Kämpferin oder doch ein gemeiner Grinch? Mit dem f79-Test findest du es heraus.

1. Genderst du?

a) Ja K

b) Nein G

c) Ich hab es versucht, aber das ist mir dann doch zu viel Aufwand. A

d) Ich werde von Jahr zu Jahr besser. F

2. Wie stehst du zu Petitionen?

a) Laaangweilig F

b) Wo kann ich unterschreiben? Und braucht ihr noch freiwillige Helfer? K

c) Warum kann nicht einfach alles so bleiben, wie es war? G

d) Ich mache nur mit, wenn Freunde und Verwandte mich dazu zwingen. A

3. Mit der Zeit haben sich eine Menge Genderbezeichnungen ergeben. Wie viele sind anerkannt?

a) Es gibt nur drei. Warum sollte es auch mehr geben? G

b) 60 K

c) 210 F

d) 25 A

4. Studieren*de: Sitzt das Sternchen richtig?

a) Das interessiert mich nicht. G

b) Das Wort ist geschlechtsneutral, daher ist das S ternchen unnötig. K

c) Richtig wäre Student*innen A

d) Keine Ahnung F

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Illustration // © iStock.com/melitas
Text // Jennifer Patrias
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5. Welchem Geschlecht ordnest du dich zu?

a) Ganz egal, Hauptsache es passt. K

b) Das bleibt mein Geheimnis. F

c) Was soll die dämliche Frage? G

d) Zum eigenen Geschlecht. A

6. Hand aufs Herz: Weißt du überhaupt, was das Wort „Gender“ bedeutet?

a) Mann und Frau F

b) Das soziale Geschlecht K

c) Politisches und gesellschaftliches Chaos! G

d) Das zugewiesene Geschlecht A

7. Bei maskulinen Berufsbezeichnungen ging man früher einfach davon aus, dass alle Menschen mit diesem Beruf gemeint sind, auch wenn es eine feminine Bezeichnung gibt. Wie siehst du das?

a) Ich finde es sehr diskriminierend und möchte, dass es geändert wird. K

b) Es ist nicht toll, aber ich kann alleine recht wenig dagegen tun. A

c) Beruf ist Beruf, egal was für eine Bezeichnung dahintersteht. F

d) Warum muss eigentlich immer alles infrage gestellt werden? G

8. Es ist Party angesagt. Was ziehst du an?

a) Anzug, Krawatte und teure Schuhe G

b) Hauptsache bunt und außergewöhnlich K

c) Warum umziehen? Ich hab doch schon was an. A

d) Jogginghose, Shirt und Sneakers: gibt nichts Bequemeres F

9. Wofür steht LGBTQ+?

a) Ist das eine neue Art von Monopoly? F

b) Da will ich erst gar nicht drüber nachdenken. G

c) Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer & viele mehr K

d) Ich glaube, es sind Gendertypen. A

10. Was soll mit dem Gendern erreicht werden?

a) Mehr Gleichberechtigung K

b) Die deutsche Sprache noch komplizierter machen F

c) Ist mir egal. G

d) Gleichgewicht zwischen Mann und Frau. A

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Auflösung

K Knallharte*r Kämpfer*in

Unterschriftensammlungen, Demonstrationen für eine geschlechtergerechte Sprache und Aufklärungsarbeit: Überall, wo Arbeit anfällt, bist du am Start. Es ist eine Herzensangelegenheit für dich, die Gesellschaft ein wenig zu verbessern – auch wenn du den ein oder anderen Rückschlag hinnehmen musst. Aber aufgeben ist keine Option. Die Sprachveränderungen und Prinzipien sind verinnerlicht und du bist auf einem guten Weg, dein Wissen an Familie und Freunde weiterzugeben. Dabei ist dir egal, was die Menschen von dir denken. Denn du bist so bunt wie die Community selbst.

A Angestrengte*r Anfänger*in

Beidnennung, Neutralisierung, Gender-Zeichen: All dies hast du schon einmal gehört. Du gibst dir trotz einiger Unsicherheiten Mühe, alles richtig umzusetzen. Manchmal klappt es, meistens eher noch nicht. Doch trotz diverser Fehler gibst du nicht auf! Immerhin weißt du, dass ein falsch verwendetes Pronomen auch die Gefühle der Menschen verletzen kann. Und das willst du auf gar keinen Fall. Und wenn dir doch einmal ein kleiner Fehler unterläuft, hast du genug Charme, um dem Fettnäpfchen besser schlecht als recht zu entkommen.

F Fliegendes Fähnlein

Männlich, weiblich – und weiter? Du hast keine Ahnung, wie viele Genderformen es gibt (es sind 60). Aber du bist nicht grundsätzlich dagegen. Ein, zwei Dinge sind in deinem Kopf hängengeblieben, wahrscheinlich aber eher unbewusst. Für einen gendergerechten Blick auf die Sprache musst du am Ball bleiben und offen für Neues sein. Lass dich nicht von anderen von deinem Weg abbringen. Ein guter Zwischenweg ermöglicht dir einen neuen, erfrischenden Blick auf das soziale Geschlecht.

G Gemeiner Grinch

Genau wie der Grinch Weihnachten hasst, hältst du die Gendersprache für völligen Quatsch. Generell ist das „Gendern“ ein Fremdwort für dich – und du hast kein Interesse, dieses Wort in deinen Wortschatz aufzunehmen. Warum auch? Ist doch eh alles nur unnötiges Gebrabbel. Individualität und Weiterentwicklungen werden deiner Meinung nach völlig überbewertet. Dein Motto lautet: Warum muss sich die Welt eigentlich dauernd neuen Quatsch ausdenken? Kann nicht einfach alles beim Alten bleiben? Eine Einstellung, die aufgrund der sich wandelnden Gesellschaft noch einmal überdacht werden sollte.

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Fotos
iStock.com/
// ©
Molly_Wolff_Photography/ Halfpoint/ BrianAJackson/ Amparo Garcia

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