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Buch-Tipps aus der REGIO: Kindheiten in der Schweiz, Kriegszeiten im Elsass, Exzesse am Schluchsee
Buntes Sehvergnügen verbindet die Ausstellung mit spannenden Einblicken in den Lebenslauf von Niki de Saint Phalle.
1992 veröffentlichten Künstlerbuch „Mon secret“ offenbart sie in einem Brief an ihre Tochter, von ihrem Vater als 11-Jährige missbraucht worden zu sein.
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Das „Innen“ erkunden
„Sehr jung erhielt ich die Botschaft, dass Männer Macht hatten, und die wollte ich“, schreibt sie in einem Brief an ihren Förderer Pontus Hultén, den damaligen Direktor des Moderna Museet in Stockholm, „ich wollte, dass die Außenwelt auch mir gehörte.“ In der Kunst fand sie ein Medium, um ihr Trauma zu verarbeiten und ihrem Kampf um Selbstbestimmung Ausdruck zu verleihen. Nach ersten autodidaktischen Versuchen mit Ölmalerei wachsen ihre Werke mehr und mehr in den Raum: Sie klebt Fundstücke auf, komponiert sehr fantasievolle Reliefs mit allem, was ihr in die Finger kommt, vom Plastikschäufelchen über Tannenzapfen, Wollreste, Schrauben bis zum Brautschleier. Schließlich macht sie sich selbst in ihren „Schießbildern“ zum Teil des Werkes – die Geburtsstunde der Aktionskunst. Es gelingt ihr als einzige Frau, Mitglied der Künstlergruppe Nouveaux Réalistes zu werden, zu der unter anderem Antoni Gaudí, Jackson Pollock und ihr neuer Lebensgefährte Jean Tinguely gehören. Das erste gemeinsame Festival 1962 in Nizza bringt ihr Ausstellungsmöglichkeiten in Europa und New York.
Die Welt steht ihr offen, an ihrer Seite die Nanas: „Ich wollte, dass die Nanas die Macht über die Welt übernehmen.“ Die üppigen Frauenfiguren mit ausladenden Hüften haben auf den ersten Blick so gar nichts mit ihrer zarten Schöpferin zu tun – und sind doch Ausdruck ihres persönlichen Ringens. So mag die 25 Meter lange liegende Nana namens „Hon“ mit begehbarer Vulva wie unter einem Brennglas auf der verwundeten Seele ihrer Schöpferin erscheinen.
Die Erkundung des „Innen“ findet in einem Architekturprojekt seinen Höhepunkt: Im gigantischen Tarotgarten in der Toskana mit begeh- und bewohnbaren Skulpturen lebt die Künstlerin einige Jahre mit ihrem Lebensgefährten Jean
Tinguely eine Symbiose von realem Leben und Kunst. „Die Kunst war immer mein bester Freund“, sagte Niki de Saint Phalle, „ohne sie wäre ich schon lange an gebrochenem Herzen gestorben.“
(l.o.) Tea Party, ou Le Thé chez Angelina, 1971, Foto mumok © 2022 Niki Charitable Art Foundation, All rights reserved / ProLitteris, Zurich(l.u.) Nana Mosaïque Noire, 1999, Foto Archiv Würth © 2022 Niki Charitable Art Foundation, All rights reserved / ProLitteris, Zurich
KOLUMNE Alemannisches von Stef an P fl aum
Foto: Till Neumann
HOCH LEBE DIE VIELFALT!
Niki de Saint Phalle Kunsthaus Zürich,Info bis 8. Januar 2023 Schirn Kunsthalle Frankfurt, 3. Februar 2023 bis 21. Mai 2023
Der Mundart-Autor aus Schallstadt über Äpfel und Sprache
Am erschte Wuche-n-End im Oktober het mr könne z Staufe im Obstparadies bim Martin Geng un uff de Landesgarteschau in Neueburg bi de Veranstaltung „Ausflug in die Obstsortenkunde“ staune: bsunders über d Vielfalt an Apfelsorte.
Bim Martin Geng sin 150 devun ussg’schtellt gsin, uff de Landesgarteschau 60. Noch 1950 het mr in Ditschland 4500 Apfelsorte zählt mit 4500 Name. Un schu simmer bi de Sproch, bi de Mundart. Dere gehn aafange Wörter un Redewendunge uss. S git si noch, aber mr hört si allwiil seltener.
So hab i im Wörterbuch „Wäärerdütsch“ (Wehr) vun Bruno Schäuble gfunde: „Du machsch jò wiê d’Muus am Fade.“ Was ä Unterschied zu: „Du übertreibst“! Oder: „Dèmm haa-n-y e Pfanne vòll aaghänkcht“ für „ordentlich Bescheid geben“. Die Voralbergerin Inge Dapunt würd sage: „Was ma alls hört: da könnt ama z Höra und z Saha vergo.“ Und damit uns das Hören und Sehen nicht vergeht und auch nicht das Schmecken, müssen wir sie bewahren: die Vielfalt der Mundart und der Apfelsorten.