Wirtschaft
Juli 2022 Ausgabe Nr. 33
Im Fokus: Start-ups in der Region
Szenario Gaskrise am Horizont
Wie lange verhindern Einzelinteressen noch mehr Klimaschutz für alle? Auf Pump
Auf teurem Grund
Vorm Kadi
Immer mehr Junge in der Schuldenfalle
Neue Bodenrichtwerte für Freiburg
Stadtbau verliert am Landgericht
Editorial
Alarmstufe Rot Wie sich Südbaden auf einen kalten Winter einstellt
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delsf lächen. Die Bundesnetzagentur hat die erste Stufe des Notfallplans Gas, die Frühwarnstufe, schon gezündet. Die zweite wäre die Alarmstufe, die dritte die Notfallstufe.
Wird die erreicht, regelt der Gesetzgeber „in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern“ die Gasversorgung in Deutschland. In Südbaden müsste die Badenova im Ernstfall 60 Betrieben, die mehr als zehn Megawatt Leistung beziehen, den Hahn abdrehen. Putins irrer Ukraine-Krieg ist längst auch zu einem Wirtschaftskrieg geworden. In unserer Titelgeschichte beleuchten wir, wie sich Südbaden darauf vorbereitet und welche Potenziale Geothermie, Windkraft und Solaranlagen in der Region haben. Klar ist: Trotz der schlimmen Szenarien ist es noch ein langer Weg, bis sich Einzelinteressen der Versorgungssicherheit, einer größeren Unabhängigkeit und mehr Klimaschutz für alle beugen werden. Wenn sie es denn tun. Das bisher von Bürgern und Investoren verhinderte Windrad auf dem Illenberg in Au ist so ein Beispiel für Einzelinteressen. Die Interessen aller treffen in Freiburg die neuen Bodenrichtwerte. Die sind nach einer Explosion vor drei Jahren zwar
jetzt nur moderat gestiegen, aber gestiegen sind sie. Das ist ein Gegenspieler fürs bezahlbare Wohnen. Entweder, weil der Grundstückkauf noch teurer wird, oder weil die Eigentümer die am Richtwert hängenden Grundsteuern an die Mieter weitergeben. Freiburg kassiert bei der Grundsteuer kräftig mit, hat mit einem Hebesatz von 600 den höchsten im ganzen Land. An dieser Schraube zu drehen, verbiete sich aber angesichts der Haushaltslage, sagt Finanzbürgermeister Stefan Breiter im Gespräch mit der Redaktion. Bei den anstehenden neuen Grundsteuerbescheiden laufen sich die Anwälte schon mal warm. Wir wünschen auch bei den anderen Themen dieser 33. Ausgabe anregende Lektüre. Bleiben Sie zuversichtlich. Foto: © Neithard Schleier
eutschland droht ein kalter Winter. Nicht meteorologisch vielleicht, sondern in Wohnzimmern und Büros, in Produktionshallen und Laboren, in Fabriken und auf Han-
Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur
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chilli | business im Breisgau | 07.2022 | 3
Inhalt Titel
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Was, wenn Putin den Gashahn komplett abdreht: So bereiten sich Freiburg und die Badenova auf den Ernstfall vor 6-7 Wie Bürger und Behörden den Zubau Erneuerbarer Energien verschleppen 8-10
Gesellschaft
Mehr als sechs Millionen Deutsche sind überschuldet. „Ich konnte immer nur die dringendste Mahnung zahlen“, sagt eine junge Freiburgerin. Beratungsstellen verzeichnen immer mehr Zulauf 12-13
Genossenschaften
Menschen & Meldungen
Familienheim Freiburg macht Gewinn und will nicht auf Erbbaugrundstücken bauen 17 Bauverein Breisgau bilanziert robust und fordert Stuttgarter Modell für Freiburg
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Start-ups
Immobilien 2900 Euro im Mischgebiet: Das sind die neuen Bodenrichtwerte in Freiburg Warum das Rathaus die Hebesätze trotzdem nicht reduzieren will 14 Wohnmarktbericht 2022: Noch steigen die Preise in Freiburg und der Region. Das könnte sich aber 2023 schon ändern 15 Verfahren: Landgericht verurteilt Stadtbau wegen statisch mangelhafter Reihenhäuser am Spittelacker 16
Warum zwei Nerds die Kassetten-Manufaktur Tape Deck Records gegründet haben 20 Warum die fairen Mobilfunker von WEtell sich selbst enteignet haben 21
IMPRESSUM business im Breisgau Themenheft 07.2022 Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)
Arbeitsmarkt
Die Bilanz im Juni: Wie der Ukraine-Krieg die Arbeitslosenzahlen steigen lässt 28
Unternehmen
Die Schwarzwaldmilch-Gruppe macht erstmals in ihrer Geschichte mehr als 230 Millionen Euro Umsatz
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Die Alte Wache blickt mit Stolz auf ihr 25-jähriges Bestehen zurück
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Breisacher Winzerkeller auf Talfahrt / StreitGruppe eröffnet Dependance in Schwenningen / 7000 beim 5. B2Run in Freiburg / Start-up dotscene gründet Tochter in Granada / Messe vocatium in Freiburg / Mehr als eine Million Euro für Freiburgs Gründerszene / JobRad kauft sich bei LOFINO ein / IG Bau fordert mehr Kontrollen / FAIR ways schüttet 88.000 Euro aus / Ganter Brauerei tritt Klimabündnis bei / Sutter bezieht 20-MillionenEuro-Neubau in Emmendingen 24-27
Ausbildung: In Baden-Württemberg sind noch 38.000 Stellen unbesetzt 29
Fakten bitte Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen
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Chefredaktion: Lars Bargmann
Ein Unternehmen der
Redaktion: Philip Thomas, Till Neumann, Pascal Lienhard
Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung und Einspeicherung in elektronische Systeme. Gleiches gilt für den Nachdruck der von uns entworfenen Bilder und Anzeigen.
Titelcollage: Miriam Hinze; © freepik, istock.com/vertukha Fotos: pixabay, freepik, iStock Grafik: Miriam Hinze Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Giuliano Siegel, Jennifer Patrias, Fredrik Frisch Druck: Hofmann Druck, Emmendingen
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Titel
Ein Gashahn und viele Fragezeichen So reagieren Freiburgs Verwaltung und Badenova auf die Energiekrise
Illustrationen: © freepik.com, Collage: Miriam Hinze
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ach dem Angriff auf die Ukraine hat Wladimir Putin der Bundesrepublik wirtschaftlich den Krieg erklärt und Gaslieferungen massiv gedrosselt. Die Versorgung mit dem Rohstoff über den Winter für Haushalte und Industrie ist nicht gesichert. Beim Energieversorger Badenova und Freiburgs Verwaltung herrschen Ungewissheit und Frust. „Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Ende Juni bei der Ausrufung der „Alarmstufe“ des Notfallplan Gas. Vorausgegangen
war eine Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 um rund 60 Prozent. Mit der zweiten Eskalationsstufe will der grüne Minister Gas einsparen, möglicherweise gehen Kohlekraftwerke zurück ans Netz. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass sich die Lage zuspitzt“, legte Habeck Tage später nach. Mit insgesamt 404.037 Strom- und Gaszählern ist Badenova der größte Energieversorger in Südbaden. Ohne Engpass setzte der Konzern im Jahr 2020 insgesamt 15.371 Millionen Kilowattstunden Gas und 1522 Millionen Kilowattstunden Strom ab. Heute ist die Lage an der Freiburger Tullastraße angespannt. Laut Unternehmenssprecherin Yvonne
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Schweickhardt ist nicht abzusehen, wie sich die Lage entwickelt. Zum Redaktionsschluss am 8. Juli kommt noch ausreichend Erdgas nach Südbaden: „Wir spüren noch keine Einschränkungen bei der Belieferung unserer Kunden.“ Die Lage am Markt sei volatil, die Preisentwicklung sei nicht voraussehbar. Sicher ist: Industrie und Fabriken im Badenova-Bereich verbrauchten vergangenes Jahr rund elf Terrawattstunden an Gas. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein zählt 64.000 Mitgliedsunternehmen. Was passiert, wenn Gas in Deutschland noch knapper wird und die Bundesnetzagentur die Ressource rationieren muss? Laut Schweickhardt existiert bereits eine Liste
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von Kunden, die prioritär zu beliefern wären. Dazu zählten private Haushalte sowie Einrichtungen wie Krankenhäuser, die Feuerwehr, Schulen oder Kitas. Auf der anderen Seite müsste der Energieversorger 60 Unternehmen, die jeweils mehr als zehn Megawatt Leistung beziehen, den Hahn zudrehen. Wie viel Gas aus Russland in Südbaden verbrannt wird, ist schwer zu sagen. Die Badenova kann nicht nachvollziehen, woher genau ihr Gas stammt. Schweickhardt erklärt, dass Stadtwerke und Regionalversorger ihr Gas von Vorlieferanten kaufen. Diese wiederum kaufen ihre Mengen auf Basis bilateraler Verträge oder an einer Börse wie der European Energy Exchange in Leipzig. „Dass ein Großteil des Gases, das in die Netze im Südwesten gelangt, aus Russland kommt, ist zwar wahrscheinlich, quantifizieren kann man das aber nicht“, so Schweickhardt. So manche Megawattstunde Erdgas gehe auf dem Weg von Importeur zu Verbraucher durch zahlreiche Hände. In einigen Transaktionsreihen seien Herkunftsländer nicht mehr zu ermitteln. Laut der Sprecherin können sich Gas-Chargen vermischen. „Einzelne
Marktakteure haben also keine Chance, bestimmte Herkunftsländer auszusortieren, selbst wenn sie es gerne würden“, erklärt Schweickhardt. „Der Import aus bestimmten Ländern ist nur zu beschränken, wenn die Politik die Lieferungen physisch limitiert.“ Auch bei der Freiburger Verwaltung schrillen die Alarmglocken. „Die aktuelle Lage macht unsere Bestrebungen noch dringender“, betont Sandra Hook, Abteilungsleiterin Klimaschutz und Luftreinhaltung der Stadt Freiburg. Knapp 140 Liegenschaften, rund 500 Gebäude, befinden sich aktuell unter dem Dach des Gebäudemanagement Freiburg (GMF). Von 1990 bis zum Jahr 2018 sank der absolute Heizenergiebedarf dieser Bauten zwar um mehr als ein Drittel (36 Prozent), von 2013 bis 2018 stieg der Verbrauch jedoch wieder um sieben Prozent auf 47.385 Megawattstunden. Der absolute Stromverbrauch stieg von 1990 bis 2018 um mehr als 37 Prozent auf 14.446 Megawattstunden. „In dieser Zeit sind die Gebäudeflächen der Liegenschaften fast ein Viertel
»Das fällt uns ganz schön auf die Füße« gewachsen“, erklärt Matthias Rausch, Klimaschutzmanager im Freiburger Umweltschutzamt den Anstieg. Neue Schulen, Kindergärten oder Verwaltungsgebäude brachten auch mehr als 133.000 neue Quadratmeter, die beleuchtet und beheizt werden. Obendrauf komme die neue Digitalstruktur. Zwei Drittel (67 Prozent) der Heizungen liefen laut aktuellem Energiebericht der Stadt Freiburg im Jahr 2018 mit Erdgas. Um Heizöl als Energieträger von 29 Prozent im Jahr 1990 auf 6,5 Prozent zu verdrängen, stieg der Anteil von GasHeizungen in den städtischen Gebäuden
sogar um zwölf Prozent. Nur wenig fossiles Erdgas wurde durch Biogas oder synthetisches Erdgas ersetzt. „Das fällt uns aus aktueller Perspektive ganz schön auf die Füße“, kommentiert Hook. Ideal gewesen wäre laut Hook der Wechsel zur Wärmepumpe sowie ein verstärkter Photovoltaik-Ausbau, um diese dann zu betreiben. Rausch schätzt, dass PV-Anlagen auf sämtlichen GMFGebäuden acht bis zehn Megawatt bringen könnten. Zum Vergleich: Das Dach des neuen SC-Stadions im Wolfswinkel kommt laut Betreiber auf rund 2,4 Megawatt. Das würde nicht nur Emissionen, sondern auch bares Geld sparen. Das Freiburger Rathaus zahlte bereits 2018 insgesamt 5,8 Millionen Euro für Energie. 2,8 Millionen Euro davon für Wärme. 2,6 Millionen Euro für Strom. Neben fehlenden Baukapazitäten verhindere Bürokratie den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Alles ist reglementiert, auf allen Ebenen. Man könnte die Wände hochgehen“, schimpft Hook. Selbst ein vergleichsweise einfaches Projekt wie ein mit Solarzellen überdachter Radweg an der Freiburger Messe ist mittlerweile drei Jahre in Verzug. Trotz gefundenem Betreiber, Einspeisungspunkt und Blend-Gutachten für den Flugplatz kam bisher kein Spatenstich zustande. „Bund, Land, Kommunen – die Ebenen arbeiten nicht optimal zusammen“, kommentiert die Abteilungsleiterin. Kurzfristige Maßnahmen im Zuge der Energiekrise, etwa ein Runterdrehen von Heizungen in öffentlichen Gebäuden, könnte die Stadtverwaltung demnach auch nicht ohne Weiteres erlassen. Einsparen würde das pro Grad Raumtemperatur rund drei Prozent Energie. Rausch: „Aber auch hier gibt es Vorschriften.“ Ob sich Russland an Vorschriften hält, ist zum Redaktionsschluss nicht abzusehen. Am 11. Juli beginnen planmäßige Wartungsarbeiten an der deutschen Lebensader Nord Stream 1. Zehn Tage sollen diese dauern. Ob danach wieder Gas fließt, darf bezweifelt werden.
Philip Thomas und Pascal Lienhard
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Titel
»Kämpfe, Rekorde und ungenutzte Potenziale«
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ussland überfällt die Ukraine und Deutschland stellt fest, dass es am Gashahn eines Despoten hängt. EnergieExperten aus Südbaden sind sich einig: Die Abhängigkeit der Bundesrepublik von Putins Gas und fossilen Brennstoffen ist hausgemacht.
Der Kampf gegen Windmühlen: Windkraft Windkraft in Deutschland ist ein Kampf gegen Windmühlen. Vergangenes Jahr gingen hierzulande lediglich 484 Windräder ans Netz, 31 davon in BadenWürttemberg. Das ist der niedrigste Wert seit 20 Jahren und die Fortsetzung eines Negativtrends. 2018 wurden unter ausgeweiteten Ausschreibungsverfahren und verschärften Abstandsregeln 743 Windmühlen aufgestellt. Im Jahr davor waren es laut Bundesverband Windenergie (BWE) 1792. Der Geschäftsführer der 1994 gegründeten Ökostromgruppe in Freiburg, Andreas Markowsky, zweifelt angesichts solcher Zahlen, dass das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) sein Ziel, 80 Gigawatt bis 2030 an Land zu installieren, einhält. „Dabei spielt Windkraft neben Solar eine überragende Rolle bei der Energiewende. Die werden uns die großen Brocken liefern“, sagt der 70-Jährige. Off- und Onshore produzierten deutsche Windkrafträder laut BWE im vergangenen Jahr insgesamt 122 Terrawattstunden Strom und deckten damit mehr als ein Fünftel des deutschen Bruttostromverbrauchs von 565 Terrawattstunden. Eine von insgesamt vier bei Oberwolfach ans Netz gegangenen 4,2-Megawatt-Mühlen versorgt seit einem Jahr mehr als 3200 Durchschnittshaushalte mit Strom – und spart jährlich rund 4675 Tonnen CO2.
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Das entspricht wiederum so viel Treibhausgas wie 780 Hektar Wald im Jahr speichern. Und die Windkrafträder werden immer effizienter. Markowskys erste Anlage ging vor 25 Jahren im Schuttertal ans Netz und lieferte jährlich 100.000 Kilowattstunden. Eine mit rund sechs Millionen Euro veranschlagte Anlage auf der Holzschlägermatte, nördlich vom Schauinslandgipfel, soll zehn Millionen Kilowattstunden Strom liefern. Durch sogenanntes Repowering können alte Windkraftanlagen durch neue ersetzt werden, mehr Standorte müssen damit nicht ausgelotet werden. Nach rund 20 Jahren Betrieb wurden in Schweighausen im Schwarzwald zwei bis zu 90 Meter hohe Anlagen durch eine neue Windmühle mit einer Höhe von 185 Metern ersetzt. Das Ergebnis: Statt einer Million Kilowattstunden werden dort nun jährlich fünf Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Und das vergleichsweise günstig. Eine Kilowattstunde von der Holzschlägermatte kostet 6,7 Cent. Die gleiche Menge Strom vom Deich kommt auf 4,5 Cent. Allerdings kostet der Transport von Nord nach Süd weitere acht Cent. „Es ist wichtig, lokal zu produzieren. Eine verbrauchsnahe Erzeugung ist volkswirtschaftlich immer günstiger“, kommentiert der Geschäftsführer. 42 Windräder hat Markowsky bisher in Süddeutschland bauen lassen, die meisten unter starkem Gegenwind. Die Sorgen aus der Bürgerschaft sind oftmals groß, die Liste der bürokratischen Hür-
Illustration: © Sven Weis
Experten: So bremsen Politik und Verwaltung den Ausbau erneuerbarer Energien
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den ist in der Regel lang. 1000 Seiten – in dings geschieht, soll Ende Juli im Gezwanzigfacher Ausführung –, mehrere meinderat geklärt werden. Eine Progno100.000 Euro und sechs Jahre sind laut se zur Abstimmung will der SPD-Mann dem Experten für die Genehmigung ei- lieber nicht abgeben: „Die Diskussion ner Windmühle notwendig. „Jeder fünfte ist hochemotional.“ bis sechste Antrag mit guten Chancen Bringt die Debatte um russisches Gas und mehr Klimaschutz nun frischen wird abgelehnt“, so Markowsky. Das Ergebnis: In den vergangenen Wind? Markowsky winkt ab: „Es gibt zwei Jahren gingen in Baden-Württem- viele Ankündigungen, aber bisher nur berg bloß 40 neue Windanlagen ans wenig konkrete Fortschritte. Wenn nicht Netz. „Das ist natürlich viel zu wenig“, noch gravierende Änderungen kommen, findet auch Matthias Schmid, Sprecher scheitert die Energiewende wieder.“ vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Um den Ausbau im Land voranzubringen, hat die Landesregierung die „Taskforce Erneuerbare Energien“ gegründet. Sie soll Klimaneutralität und damit Energieunab- Solarzellen werden immer leishängigkeit bis 2040 bringen. Die tungsfähiger. Der aktuelle EffizienzDauer von Genehmigungsverfahren für Weltmeister, eine Zelle mit einem Windkraftanlagen sollen laut Schmid Wirkungsgrad von 47,6 Prozent, „möglichst“ halbiert werden. kommt aus Freiburg. Die alte BestmarDiese Windmühlen brauchen Platz. ke von 47,1 Prozent halten WissenIm Klimaschutzgesetz des Landes ist schaftler aus dem US-amerikanischen verankert, dass in Regionalplänen künf- Colorado. „Das ist unsere Olympiade“, tig mindestens zwei Prozent der Flächen sagt Frank Dimroth, Abteilungsleiter für Wind- und Solarkraft reserviert sein für Photovoltaik und Konzentratormüssen. Der Koalitionsvertrag ver- Technologie am Fraunhofer-Institut für spricht Voraussetzungen für 1000 neue Solare Energiesysteme ISE. Möglich geWindräder im Land. Aufgestellt wur- macht hat den Rekord eine neue Antireden im ersten Quartal dieses Jahres in flexbeschichtung. „Wir haben Prozesse Baden-Württemberg ganze drei. in der Entspiegelung verbessert, daFür Markowsky ist das nicht genug. durch prallt weniger Sonnenlicht von „Der Regierung ist es bislang nicht ge- der Zelle ab und die Widerstandsverluslungen, sich gegen den Teil der Verwal- te sinken“, erklärt der 51-Jährige. tung durchzusetzen, der bremst“, betont Herkömmliche Silizium-Solarzellen er. Ein weiterer Faktor für die Wind- können Sonnenlicht bis zu einer Welkraft-Flaute ist der Widerstand aus der Bevölkerung. „Viele räumen ihren Einzelinteressen mehr Priorität ein als dem für alle essentiellen Klimaschutz“, so Markowsky. Von Freiburg bis Löffingen steht keine Windkraftanlage. Die Argumente dazwischen seien immer die gleichen: Landschaftsbild, Denkmal-, Natur- und Tierschutz. Davon kann auch Rüdiger Ahlers ein Lied singen. Geht es nach dem Münstertaler Bürgermeister, sollen am Haldenköpfle zwei Windkraftanlagen der Andreas Markowsky: neuesten Generation entstehen und geEinzelinteressen bremsen nug Strom für die rund 5000 Haus- Klimaschutz für alle. halte der Gemeinde liefern. Ob das aller-
Foto: © Eberle
Mit der Sonne um die Wette: Photovoltaik
lenlänge von rund 1200 Nanometern absorbieren. Die vierfach entspiegelte Rekord-Zelle aus Arseniden und Phosphiden nimmt Licht bis zu 1800 Nanometer auf. Ein weiterer Kniff, um das Potenzial zu steigern: Durch Linsen wird einfallendes Licht auf wenige Quadratmillimeter kleine Bauteile gebündelt. Mittelfristig sollen die sogenannten Tandemsolarzellen einen Wirkungsgrad von 50 Prozent erreichen. Wie skalierbar ist die neue Zelle, die in sonnigeren Ländern als Deutschland zum Einsatz kommen und dort ein Drittel Modul-Fläche sparen soll? „Es ist eine Herausforderung, neue Technik marktreif zu machen. Wir sprechen hier von Investitionen im Milliarden-Bereich“, sagt Dimroth. Letztendlich bestimmten Produktionskapazitäten den Preis und damit auch die Nachfrage. Und die ist global nicht gering. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass allein im vergangenen Jahr Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von rund 175 Gigawatt ans Netz gingen. Dieses Jahr soll die weltweit installierte Gesamtleistung erstmals die 1000-Gigawatt-Marke (1 Terrawatt) knacken. Zum Vergleich: Ein mittleres Kernkraftwerk leistet knapp 1,2 Gigawatt. Für Deutschland gibt der Koalitionsvertrag der Ampel einen bundesweiten PV-Ausbau bis 2030 von „circa 200 Gigawatt“ aus. Ein weiter Weg: Aktuell stehen hierzulande laut ISE rund 2,2 Millionen PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 62 Gigawatt. „Das reicht bei Weitem nicht“, sagt Dimroth. Der Ausbau müsste eine Aufholjagd werden. Schließlich wurde der SolarAusbau in Deutschland durch die Novellierung des Erneuerbaren-EnergienGesetzes (EEG) im Jahr 2012 gebremst: Ein Jahr später halbierte sich der Zubau laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) von 7,6 Gigawatt auf 3,3 Gigawatt. „Das war eine Delle“, kommentiert Dimroth. Vergangenes Jahr stieg der Ausbau um 5,2 Gigawatt, 2020 waren es noch 4,8 Gigawatt Zubau. Baden-Württemberg steuerte
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Die Zukunft in den Händen: Frank Dimroth, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE, hat die effizienteste Solarzelle der Welt konstruiert.
Foto: © Fraunhofe; Illustration: © Wärmeplus
0,59 Gigawatt bei und hatte damit zum Jahreswechsel insgesamt 7,4 Gigawatt installiert. Dimroths Kollege Christoph Kost, Leiter der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am ISE, schätzt, dass bundesweit die sechs- bis achtfache PVLeistung installiert werden müsste, um den Strombedarf zu decken. Damit das geschieht, müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen günstiger werden. Private PV-Anlagen kosten je Kilowatt installierter Leistung zwischen 1200 und 1800 Euro. Das ist historisch preiswert. „In 50 Jahren ist SiliziumPhotovoltaik um den Faktor 100 günstiger geworden“, sagt Dimroth. Weil auch die Einspeisevergütung gesunken ist, amortisieren sich solche Anlagen – je nach Energieverbrauch – allerdings erst nach vielen Jahren: Vier Cent zahlt die Badenova derzeit für eine Kilowattstunde aus einer PV-Anlage mit einer Maximalleistung von 10 Kilowattstunden. Vor zehn Jahren waren es fast 40 Cent.
größere Risiken. Darauf baut das Projekt „Erdwärme Breisgau“ der BadenovaTochter Wärmeplus. „Das Potenzial der Erdwärme ist in menschlichen Dimensionen gerechnet quasi unerschöpflich“, sagte der technische Geschäftsführer Klaus Preiser vergangenen Herbst auf einer Regionalkonferenz. Nach Einschätzung des Energieversorgers könnten mit Nutzung der Tiefengeothermie bei einer Investitionssumme von etwa 50 bis 60 Millionen Euro im Endausbau circa 75.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden und rund 40.000 Personen mit CO2freier Wärme versorgt werden. Allein in München und Umgebung sind bereits über 15 Tiefengeothermie-Anlagen zur Wärme- und Stromerzeugung in Betrieb. Es sind vor allem die Erinnerungen an Staufen, aber auch an Basel und Straßburg, die Geothermie ein Imageproblem angehängt haben. In Staufen haben Bohrungen zu Hebungsrissen und einem Millionenschaden geführt, in Basel und Straßburg führten Bohrungen zu Erschütterungen. Preiser und Projektleiter Simon Laub betonen die Unterschiede zu den Negativbeispielen. In Staufen war der sogenannte Gipskeuper durchbrochen worden, das ist in Baden-Württemberg inzwischen verboten. In Basel und Straßburg wurde mit dem petrothermalen Verfahren gearbeitet, das im Ländle unzulässig ist.
Bei „Erdwärme Breisgau“ soll derweil die hydrothermale Tiefengeothermie zum Einsatz kommen. Hierbei wird heißes Wasser in einem geschlossenen Kreislauf aus der Erde nach oben gepumpt, in einem Wärmetauscher abgekühlt und zurück in die Erde transportiert. Dabei wird 2000 bis 3500 Meter in die Tiefe gebohrt. Ein Aufsuchungsgebiet auf dem Gebiet von 19 Kommunen hat die Badenova auf ein Potenzialgebiet auf der Fläche der Kommunen Bad Krozingen, Breisach am Rhein, Ehrenkirchen, Freiburg, Hartheim, Merdingen und Schallstadt eingegrenzt. Anfang des Jahres fanden 3D-seismische Messungen statt, die über die geologischen Strukturen des Untergrunds aufklären sollen. Bohrungen sollen nicht vor 2024 beginnen. Die ersten Haushalte können frühestens ab 2026 versorgt werden. Bevölkerung und Politik sind ins Projekt eingebunden, etwa in Form des Bürgerschaftsrats mit zufällig ausgewählten Bürgern. Nach intensivem Austausch und Meinungsbildung durch Anhörung von Kritikern, Befürwortern, Wissenschaftlern, Projektierern sowie Vertretern von Verbänden und Organisatoren wurde der Badenova und der Politik im Mai ein 60 Seiten starker Schlussbericht übergeben. Fazit: Von 34 Bürgern sprechen sich 31 bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für die Umsetzung des Projekts aus.
Philip Thomas und Pascal Lienhard
Fast grenzenlose Potenziale: Tiefengeothermie Der Begriff sorgt nach wie vor für Unbehagen. Zu viele Negativschlagzeilen hat die Geothermie über die Jahre gesammelt, nicht zuletzt in der Region. Dabei birgt diese regenerative Wärmegewinnung große Potenziale; bei wissenschaftlich korrektem Vorgehen ohne
Die Tiefengeothermie endet bei circa 2000 bis 3500 Metern Tiefe. Oben hat das Bohrloch einen Durchmesser von ungefähr 80 Zentimeter.
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Gesellschaft
»Es
geht um die Existenz«
Preissteigerungen treffen überschuldete Menschen in Freiburg besonders hart
Illustration: © iStock.com/BRO Vector
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ieten, Lebensmittel- und Energiekosten steigen. Besonders betroffen sind jene, die nicht nur wenig Geld, sondern Schulden haben. Beratungsstellen in der Stadt melden verstärkte Nachfrage. Eine Freiburgerin, die sich nach drei Jahren aus der Überschuldung befreit hat, fürchtet, bald wieder rote Zahlen zu schreiben. Eine Sozialarbeiterin sagt: „Bei vielen geht es bereits jetzt um die Existenz.“
Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland sind laut einer aktuellen Untersuchung des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) überschuldet. Ihr Einkommen deckt die monatlichen Ausgaben nicht – mit jedem Kalenderblatt wächst auf dem Konto das Minus. Marisa Käufer (Name von der Redaktion geändert) ist Teil dieser Statistik. Während ihrer Ausbildung in Freiburg verdiente die junge Frau monatlich rund 650 Euro netto. Dem gegenüber standen Verbindlichkeiten von knapp 850 Euro für Auto, Verträge und Miete.
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Durch die Pandemie brach Käufers Nebenjob in der Gastronomie weg. „Auf den war ich angewiesen“, sagt Käufer. Leni Rimpler von der Finanzberatung des Freiburger Studierendenwerks kennt das Problem: „Durch Corona sind riesige Finanzierungslücken entstanden.“ Gelder wie die Studiennothilfe der Albert-Ludwigs-Universität von bis zu 300 Euro im Monat sowie der Nothilfefonds des Landes, ein zinsloses Darlehen oder die Überbrückungshilfe des Bundes (ein Zuschuss von 100 bis 500 Euro) seien gute Instrumente, letztlich aber nur kurzfristige Lö-
Gesellschaft
sungen gewesen. Heute gibt es neue Töpfe wie das Studienabschlussdarlehen in Höhe von maximal 7200 Euro. Zahlreiche junge Menschen in Deutschland nehmen für ihre Ausbildung deswegen einen Kredit auf. Von 2010 bis 2020 waren es allein bei der KfW-Bank eine Viertelmillion Studierende. „Für viele ist es Realität, verschuldet aus dem Studium zu kommen“, kommentiert Rimpler.
»Durch die Inflation laufen bei uns die Telefone heiß« Überschuldete wenden einen außerordentlichen Anteil ihres Einkommens dafür auf, ein Dach über dem Kopf zu haben: Laut Statistischem Bundesamt gaben Überschuldete vergangenes Jahr 38 Prozent ihres durchschnittlichen Einkommens von 1368 Euro für die Warmmiete (im Schnitt 520 Euro) aus. Bei der Gesamtbevölkerung liegt dieser Wert bei 22 Prozent. Dazu kamen bei Käufer jeden Monat noch mal etwa 500 Euro, um den Kühlschrank zu füllen. Am Ende ihrer Lehrjahre zwischen 2019 und 2022 hatte sie Schulden im vierstelligen Bereich. „Ich konnte immer nur die dringendste Mahnung zahlen“, sagt sie. Buch geführt hat sie nicht. Auch damit ist sie nicht allein: Bei etwa jeder vierten Person unter 25 Jahren, die 2018 eine Schuldenberatungsstelle aufsuchte, war unwirtschaftliche Haushaltsführung der Hauptgrund für die finanzielle Schieflage, weiß das Bundesamt. Ein weiterer Faktor sind Handyverträge. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) der unter 25-Jährigen, die im Jahr 2018 eine Schuldenberatungsstelle aufsuchten, hatten Verbindlichkeiten von durchschnittlich 1573 Euro bei Telekom, Vodafone und Co. Das entspricht einem Sechstel der durchschnittlichen Schuldenhöhe von 8849 Euro. Auch Käufer zahlte jeden Monat knapp 100 Euro für ein Zweithandy, das sie gar nicht brauchte. „Der Vertrag wurde mir aufgeschwatzt“, erklärt sie.
So wie Käufer sind viele Schuldner vergleichsweise jung. Fast jeder Dritte der insgesamt 574.523 Menschen, der laut Bundesamt vergangenes Jahr eine Schuldenberatungsstelle kontaktierte, war nicht älter als 35 Jahre. Bei der Schuldnerberatung der Freiburger Caritas war knapp die Hälfte (155) der insgesamt 319 Hilfesuchenden unter 40. „Durch Verteuerung und Inflation laufen bei uns die Telefone heiß“, sagt Sladana Wehrle-Paradzik bei der kirchlichen Schuldenberatungsstelle. Derzeit müssen Schuldner dort für einen Termin bis Mitte Oktober warten. Auch bei der Schuldnerberatung beim Freiburger Amt für Soziales ist laut Sachgebietsleiterin Susanne Steck ein pandemiebedingter Rückstau entstanden. Jährlich
kümmert sie sich um außergerichtliche Einigungen und Insolvenzverfahren von rund 300 Menschen, die Grundsicherung für Arbeitssuchende, „Hartz 4“, beziehen. Laut Wehrle-Paradzik verschafft das zweite Entlastungspaket der Bundesregierung zahlreichen Freiburger Familien ein wenig Luft: „Gerade durch das 9-Euro-Ticket haben viele aktuell mehr Geld in der Tasche.“ Insgesamt sei die wirtschaftliche Lage für Angestellte im Niedriglohnsektor aber katastrophal. „Bei vielen geht es bereits jetzt um die Existenz“, betont die Sozialarbeiterin. Auch Käufer blickt angesichts steigender Lebenshaltungskosten sorgenvoll in den Herbst: „Ich habe ein mulmiges Gefühl.“
Philip Thomas
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Immobilien
Vis-à-vis der Lokhalle: Im Mischgebiet liegt der neue Bodenrichtwert auf dem Güterbahnhof bei stolzen 2900 Euro.
Freiburg hält am höchsten Hebesatz fest Gutachterausschuss veröffentlicht neue Bodenrichtwerte
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Foto: © bar
er Gutachterausschuss der Stadt Freiburg hat die neuen Bodenrichtwerte zum 1. Januar 2022 ermittelt. Nachdem diese Mitte 2019 um bis zu dramatische 74 Prozent im Geschosswohnungsbau förmlich explodiert waren, war die Entwicklung seither moderat: Im Schnitt fünf Prozent legten die Werte im Wohnen zu, bei den Gewerbeflächen 10 bis 20 Euro auf den Quadratmeter. Für die Altstadt entwickelt das Gremium derzeit noch eine neue Bewertungsmatrix.
Die neuen Bodenrichtwerte fußen auf notariellen Kaufverträgen. Da in der Innenstand so gut wie nichts verkauft wird, muss der Ausschuss hier eine Alternative suchen, wie der Vorsitzende Hugo W. Sprenker vor Journalisten erklärte. Die Werte sind für die Bürger in diesem Jahr besonders interessant, weil die vom Bundesverfassungsgericht 2018 geforderte Grundsteuerreform neue Angaben fordert. In Baden-Württemberg gilt, dass der Bodenrichtwert mit der Grundstücksgröße multipliziert wird und auf diesen Wert dann die Grundsteuer angewendet wird. In Freiburg liegt der sogenannte Hebesatz bei 600 – der mit Abstand höchste Wert im Ländle überhaupt. In Stuttgart liegt er bei 520, in Karlsruhe bei 470, in Offenburg bei 420. Hohe Bodenrichtwerte sind ein Feind fürs bezahlbare Wohnen. Ob deswegen im Rathaus an der Hebesatzschraube gedreht wird? „Auch wenn es wünschenswert und richtig wäre, ist das kein Thema“, sagt Finanzbürgermeister Stefan Breiter. 14 | chilli | business im Breisgau | 07.2022
Die Kommune stehe vor so vielen Herausforderungen, dass Steuersenkungen nicht machbar seien. Das Grundsteueraufkommen soll insgesamt neutral bleiben, es werde aber „Gewinner und Verlierer“ geben. Die Quadratmeterpreise für Ein- und ZweifamilienhausGrundstücke liegen in den Gemarkungen Freiburg, Kappel, Ebnet und Lehen zwischen 700 und 1500 Euro, in den Tuniberggemeinden und Hochdorf bei 400 bis 720 Euro. Für den Geschosswohnungsbau ergaben sich Bodenwerte zwischen 640 und 3300 Euro. Diesen Spitzenwert belegt das Mischgebiet an der Ecke Habsburgerstraße und Friedrichring, wo auf einen Quadratmeter Boden 2,4 Quadratmeter gebaut werden dürfen. Damit liegt dort die Geschossflächenzahl (GFZ) bei 2,4. Bei Gewerbegrundstücken liegt der Spitzenwert mit 510 Euro im Güterbahnhof (GFZ: 1,8). Im Rieselfeld liegt der Bodenrichtwert für Mehrfamilienhäuser bei einer GFZ von 1,7 an der Jean-Monet-Straße – also an der Grenze zum geplanten Stadtteil Dietenbach – mittlerweile bei 1500 Euro. Auch die Erbbauzinsen werden traditionell an den Bodenrichtwert gekoppelt. Und nicht nur bei denen wird aktuell heftig zwischen Nutzern und Eigentümern gerungen: Es steht auch außer Frage, dass die neuen Grundsteuerbescheide der Finanzämter zu Tausenden von Rechtsstreitigkeiten führen werden. Lars Bargmann Mehr Info: Unter www.grundsteuer‐bw.de können Eigentümer die Bodenrichtwerte mit wenigen Klicks abfragen.
Immobilien
Preisspirale dreht weiter S-Immo legt zweiten Wohnmarktbericht vor
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Foto: © Neithard Schleier
ie Preise auf dem südbadischen Wohnungsmarkt sind im vergangenen Jahr im Vergleich noch einmal um acht Prozent gestiegen. Das geht zumindest aus dem zweiten Wohnmarktbericht hervor, den die Immobiliengesellschaft der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau (S-Immo) unlängst vorgelegt hat. Manches spricht aber dafür, dass das Ende der Fahnenstange bald erreicht ist.
Inflation, Ukraine-Krieg, Lieferkettenrisse, steigende Bauzinsen und Baupreise. „Es passiert momentan sehr viel, und wegen der steigenden Zinsen steigen nun auch die Renditeerwartungen der Kapitalanleger“, sagte Erich Greil, VizeVorstand der Sparkasse. Vermutlich würden die Bauträger aufgrund extremer Preisunsicherheiten in nächster Zeit weniger Neubau an den Markt bringen. Zudem wollten „die Bauträger heute erst verkaufen, wenn die Gebäude fertig sind, weil sie erst dann wissen, was es gekostet hat“, so Dorothea Müller, die Leiterin des S-ImmoCenters. Auf der anderen Seite verlangen die Banken häufig, dass schon die Hälfte der Wohnungen verkauft wurde, bevor den Bauträgern Millionenkredite gegeben werden. Es wird, da sind sich Marktteilnehmer sicher, erhebliche Bremsspuren im Immobilienbereich geben. Im vergangenen Jahr war das noch nicht der Fall, wie S-Immo-Geschäftsführer Oliver Kamenisch anhand des neuen Wohnmarktberichts erläuterte. Dessen Fundament bildet die Analyse von öffentlichen Angeboten der vergangenen zwei Jahre, deren Preise mit tatsächlich protokollierten Kaufverträgen verglichen – und so bereinigt wurden. Laut dem Bericht kosteten Häuser in sehr guten und top Lagen in Freiburg zwischen 890.000 und 1,98 Millionen Euro. Das günstigste Haus in der schlechtesten Wohnlage ging noch für 325.000 Euro über den Tisch. Im Schnitt lag der Preis bei 791.000 Euro (plus 5,7 Prozent zum Vorjahr). Im Geschosswohnungsbau (Bestand) lag die Preisspanne zwischen 2920 und 8180 pro Quadratmeter (im Schnitt 4855 Euro, plus 8,5 Prozent). Die Mieten spreizten sich von 7 (einfache Lage) bis 21,65 Euro. Der Schnitt lag hier bei 13 Euro (plus 2 Prozent). Der Bericht bildet auch die Preisentwicklungen in den Stadtteilen ab. In Emmendingen kostete ein Haus im Schnitt 653.000 Euro (plus 0,2 Prozent), der Quadratmeter in einer gebrauchten Wohnung lag bei 3280 Euro (plus 11,4 Prozent), die Miete bei 10,05 Euro (plus 2,6 Prozent). Waldkirch war bei den Käufen etwas teurer, bei den Mieten etwas günstiger.
Anflug aus Westen: Freiburg liegt schön, ist aber auch ganz schön teuer. In 2021 hat die S-Immo rund 60 Bestandswohnungen vermittelt. Lag der durchschnittliche Preis 2020 bei 274.000 Euro, kletterte er nun auf 296.000 Euro – ein Plus von rund acht Prozent. Der Immobilienmarkt hat die Pandemie unbeeindruckt vorbeiziehen lassen. „Auch bundesweit gab es deswegen kaum eine Delle“, so Kamenisch. Noch ungebrochen war im vergangenen Jahr auch die Nachfrage der privaten Häuslebauer. Rund 250 Millionen Euro für gut 1500 Kunden finanzierte das 18-köpfige Team um Müller. Auch in diesem Jahr sei das Interesse bisher hoch gewesen. Die explodierenden Zinsen und höhere Eigenkapitalquoten für die Banken wie für die Kunden machten Finanzierungen aber künftig noch anspruchsvoller. „Viele jüngere Leute kennen ja gar nichts anderes als ein bis zwei Prozent Zinsen", sagte Müller. Kamenisch glaubt, dass die Preise im laufenden Jahr noch etwas (5 bis 7 Prozent) steigen werden, für 2023 aber erwartet er jetzt eher eine Seitwärtsbewegung. Im Neubau werden Bauträger ihre Projekte noch stärker auf den Prüfstand stellen und die Zinsentwicklung abwarten. Er vermutet, dass etwas mehr Bestandsimmobilien auf den Markt kommen, „da so mancher Eigentümer infolge der steigenden Versorgungskosten für Gas und Öl gegebenenfalls stärker zum Verkauf tendiert“.
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www.s-immobilien-freiburg.de chilli | business im Breisgau | 07.2022 | 15
Immobilien
Statisch nicht einwandfrei: Insgesamt 60 Reihenhäuser (im rot eingefärbten Bereich) direkt am angrenzenden Seepark hatte die Stadttochter gebaut.
Schlappe für Stadtbau Landgericht verurteilt FSB
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Foto: © AeroWest, GeoBasis-DE/BKG, Maxar Technologies, Kartendaten 2022
as Freiburger Landgericht hat einer Klage von 36 Eigentümern von Reihenhäusern am Spittelacker gegen die Freiburger Stadtbau GmbH größtenteils Recht gegeben und die FSB verurteilt, an diesen Häusern statisch nachzubessern oder Schadensersatz zu zahlen. Entsprechende Informationen des Wirtschaftsmagazins business im Breisgau bestätigt FSB-Sprecherin Marion Uerlings. Die Schadenssumme liegt bei rund 750.000 Euro. Sowohl die FSB als auch die Kläger haben Berufung eingelegt.
Insgesamt 60 Reihenhäuser hatte die FSB im Baugebiet Spittelackerstraße gebaut. Die Häuser im ersten und zweiten Bauabschnitt waren von März 2005 bis September 2007 übergeben worden. Der Haken: Die Reihenhäuser wurden nicht durch einen Prüfstatiker kontrolliert, weil der Bauantrag im Kenntnisgabeverfahren eingereicht worden war. Durch einen beantragten Umbau eines Käufers flog dann auf, dass es den Häusern an horizontalen Aussteifungen mangelt. Mal, so das Gericht, sind Erdbeben und Windlasten nicht statisch ausreichend berücksichtigt, mal nur die Windlasten. Der Konflikt schwelt hinter den Kulissen schon seit mehr als zehn Jahren. Wenig vertrauensbildend war ein Schreiben, das die Stadtbau den Eigentümern im April 2007 in ihre Häuser geschickt hatte, wonach diese noch eine erforderliche Baulast eintragen lassen sollten. Eine „Routineangelegenheit“, hatte es geheißen. Vier Käufer folgten der Aufforderung, andere sprachen von einem Betrugsversuch. Demnach hätten die Eigentümer ihre Häuser etwa erst dann abreißen (etwa nach einem Brand) oder umbauen dürfen, wenn zuvor die Standsicherheit der Nachbarhäuser nachgewiesen worden wäre. Die Häuser stehen sozusagen nur als Riegel sicher, nicht aber als Einzelhaus. Und sie stehen damit auch rechtlich auf wackligen Beinen. 16 | chilli | business im Breisgau | 07.2022
Andreas Steiger, Gründer der Kanzlei Steiger, Schill & Kollegen in Staufen, bestätigt zwar, dass auch er für seine Mandanten in Berufung gegangen ist – weil das Gericht nicht in allen Fällen richtig geurteilt habe –, will sich aber ansonsten aufgrund des schwebenden Verfahrens nicht weiter äußern. In dem der Redaktion vorliegenden Urteil (AZ 14 O 93/14) heißt es unter Berufung auf die Landesbauordnung, dass eine „bauliche Anlage für sich allein standsicher sein muss“ und dass als bauliche Anlage nicht die Hausgruppe, sondern das einzelne Reihenhaus zu verstehen ist. Bei einigen der verkauften Reihenhausgruppen hatte die Stadtbau zuvor eine Vereinigungsbaulast eintragen lassen, wonach diese dann gemeinsam als bauliche Anlage gelten. In diesen Fällen gibt es den Mangel fehlender Selbstständigkeit nicht. Bei anderen aber war eine solche Baulast offenbar vergessen worden. Nach Informationen der Redaktion hatte die FSB versucht, den Tragwerksplaner vor Gericht als Verantwortlichen dingfest zu machen. Und auf 850.000 Euro zu verklagen. Aber bis hin zum BGH verlor sie diesen Prozess. Denn der Planer hatte vorgetragen, wenn doch bei allen Häusern die Baulast eingetragen worden wäre, gäbe es gar keinen Mangel. Nun, nachdem beide Seiten in Berufung gegangen sind, wird hinter den Kulissen weiterverhandelt. Die Kläger liebäugeln dabei in der Mehrzahl mit einer Ausgleichszahlung. „Wir stehen derzeit in Vergleichsverhandlungen und sind nach wie vor daran interessiert, eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden“, so Uerlings. Wenn das schon vor zehn Jahren mit konstruktivem Willen gemacht worden wäre, wären keine sechsstelligen Rechtsanwaltskosten entstanden. Zusätzlich zu den Schadensersatzforderungen. Lars Bargmann
Genossenschaften
»Momentan extrem schwierig zu planen«
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ie Familienheim Freiburg hat 2021 rund 2,5 Millionen Euro Gewinn gemacht und damit das Vorjahresergebnis (2,8 Millionen Euro) knapp verpasst. Das Gesamtvermögen der Baugenossenschaft stieg um 2,8 auf 163,5 Millionen Euro. Insgesamt investierte die Familienheim 9,7 Millionen Euro in Sanierungen sowie Instandhaltungen und 1,1 Millionen Euro in den Neubau. Bei größeren Bauprojekten wie Dietenbach oder Kleineschholz geben sich die Genossen zurückhaltend.
„Das ist ein solides Ergebnis“, fasste der Freiburger Familienheim-Vorstand Alexander Ehrlacher das vergangene Fiskaljahr vor Journalisten zusammen. Trotz Pandemie habe die Baugenossenschaft ihren Bestand modernisiert: Im Freiburger Stadtteil Betzenhausen gaben die Genossen 1,72 Millionen Euro für neue Heizkörper, Bäder und Dämmung von 15 Wohnungen an der Wilmersdorfer Straße 15 und 17 aus. 2,24 Millionen Euro flossen in Häuser an der AngelusSilesius-Straße 8 bis 10. An der Seilmattenstraße 2 in Waldkirch wurden 44 Wohnungen für insgesamt 1,5 Millionen Euro erneuert. An der Angelus-Silesius-Straße 4 bis 16 lässt die Familienheim außerdem seit dem Frühjahr auf einem sanierten Parkdeck bauen. Insgesamt soll dort, unterteilt in vier 4-Zimmer- und vier 2-Zimmer-Wohnungen, auf zwei Etagen 700 Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen. An der Colmarer Straße in Breisach soll dieses Jahr der Spatenstich für zwei Gebäude mit insgesamt 18 Mieteinheiten erfolgen. In Kirchzarten konnte die Familienheim Schlüssel für zehn Wohnungen in
einem Neubau übergeben. Damit befanden sich zum Jahreswechsel 2022 unter dem Dach der Baugenossenschaft 2727 Wohnungen, 38 Gewerbeeinheiten sowie 2039 Garagen und Stellplätze. 2284 der Wohneinheiten sind energetisch modernisiert. Nahezu jede zweite Familienheim-Wohnung (44 Prozent) wird von herkömmlichen Heizungen gewärmt. 38 Prozent verfügen über energieeffiziente Heizungen. Fast jede fünfte Wohnung (18 Prozent) wird mittels regenerativer Energien temperiert. Die Mieten der Genossen stiegen vergangenes Jahr leicht: 2020 zahlten Mieter im Durchschnitt 7,15 Euro für einen Quadratmeter Wohnraum, 2021 waren es 7,19 Euro. Somit lag die Miete im Mittel 2,60 Euro unter dem aktuellen Freiburger Mietspiegel (9,79 Euro je Quadratmeter). Die Mitgliederzahl sank indes von 8519 auf 8483. „Wir haben eine noch restriktivere Aufnahme als zuvor“, kommentiert Ehrlacher. Mietausfälle bei der Familienheim habe es auch im zweiten Pandemiejahr kaum gegeben. Einzelfälle ließen sich „individuell klären“. In die Zukunft blickt die Familienheim eher verhalten: Steigende Baukosten und fehlendes Bauland erschweren die Arbeit der Genossen. „Es ist momentan extrem schwierig, zu planen“, so Vorstandsmitglied Anja Dziolloß. Hinzu kommt die Vergabe von Grundstücken im Erbbau-
Foto: © Familienheim Freiburg
Familienheim Freiburg veröffentlicht Finanzkennzahlen
Stehen vor Herausforderungen: Familienheim-Vorstände Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher recht. „Das ist kein genossenschaftliches Modell“, betont Ehrlacher. Stabile Mieten ließen sich angesichts potenziell steigender Kosten für solche Grundstücke nicht garantieren. Großprojekten wie dem geplanten Freiburger Stadtteil Dietenbach oder dem Quartier Kleineschholz im Stadtteil Stühlinger erteilt der Vorstand keine kategorische Absage, „sicherlich werden wir in Dietenbach oder Kleineschholz aber nicht im großen Stil bauen“, sagt Dziolloß, die sich gegenüber der Stadtverwaltung um Kaufgrundstücke bemüht. „Wir warten auf das Vermarktungskonzept im Herbst.“
Philip Thomas
Familienheim-Bilanz 2021 Bilanzvermögen Anlagevermögen Eigenkapital Jahresüberschuss Durchschnittsmiete Mitglieder
2021: 163,5 Mio. € 2021: 141,7 Mio. € 2021: 72,1 Mio € 2021: 2,47 Mio. € 2021: 7,19 Euro / qm 2021: 8483
2020: 160,7 Mio. € 2020: 141,6 Mio. € 2020: 70 Mio. € 2020: 2,84 Mio. € 2020: 7,15 Euro / qm 2020: 8510
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Genossenschaften
Das jüngste Projekt: An der Basler Landstraße bauen die Genossen 16 Wohnungen und eine Kita.
»Krisenfest aufgestellt«
BVB bilanziert und wünscht sich Stuttgarter Modell für Freiburg
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Illustration: © Bauverein Freiburg i. Breisgau
ezahlbares Wohnen wird eine immer extremere Herausforderung. Sagte Marc Ullrich, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins Breisgau (BVB), bei der Bekanntgabe der Bilanz fürs vergangene Jahr. Die Kosten für einen neuen Quadratmeter Wohnraum beziffert er aktuell auf mehr als 4000 Euro. Günstiger sind indes weiter die Mieten bei Freiburgs größter Baugenossenschaft: Im Schnitt 7,41 Euro zahlen die Mitglieder in den 5071 eigenen Wohnungen, in denen rund 11.000 Menschen leben. 43,7 Millionen Euro stehen für 2021 auf der Einnahmeseite, 41 aus den Mieten (Vorjahr: 38,8), 1,6 aus der Hausverwaltung, 955.000 Euro aus dem Verkauf von Grundstücken (2020: 6,95 Mio.). Unterm Strich 3,8 Millionen weniger als 2020. Der Überschuss blieb mit 8,5 Millionen nahezu auf Vorjahresniveau. Acht Millionen stecken Ullrich und sein Vorstandskollege Jörg Straub in die Rücklagen, das Eigenkapital liegt damit bei 118, das Anlagevermögen bei knapp 450 Millionen Euro. „Wir sind gut und krisenfest aufgestellt“, bilanziert Ullrich.
33,8 Millionen investierten die Genossen in den Bestand und den Neubau – auch von sozialen Immobilien wie Kitas, Pflegegruppen, Seniorenwohnanlagen. Mit 101 übergebenen Neubauwohnungen gab es einen Rekord. Obwohl der Bestand mittlerweile energetisch durchsaniert ist, wartet auf den Bauverein eine opulente Investitionslandschaft: Bis 2045 muss er seinen Gebäudebestand klimaneutral betreiben. Allein bis 2026 stehen dafür 200 Millionen auf der Agenda. 191 Wohnungen befinden sich aktuell im Bau oder in der Entwicklung: in Herbolzheim, in Opfingen, in Gottenheim, in Schallstadt, in Gundelfingen, ganz neu auch in Freiburg-St. Georgen, an der Basler Landstraße, wo der BVB ein Grundstück von einem Privaten gekauft hat und für acht Millionen Euro 16 Wohnungen und eine Kita bauen wird. „Wir wachsen aber fast ausschließlich im Umland“, sagte Straub. Während man in Freiburg „Klinken putzen“ müsse, würden Umland-Bürgermeister von sich aus anrufen: „Das sind zwei Welten.“ 2,8 Millionen Euro hat der BVB an Steuern bezahlt, „es wäre schön, wenn die Stadt bei der Grund-
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stücksvergabe auch solche Fakten berücksichtigen würde.“ Ob sich der Bauverein beim „gemeinwohlorientierten“ Neubaugebiet Kleineschholz engagieren wird, stehe in den Sternen, nicht zuletzt, weil die Grundstücke ausschließlich im Erbbaurecht vergeben werden. „Wir haben die Verwaltung darüber informiert, dass es in Stuttgart für Genossenschaften ein Wahlrecht zwischen Erbbaurecht und Kauf gibt, dieses Modell wünschen wir uns auch für Freiburg.“ Eine Reaktion darauf habe man noch nicht erhalten. Das Marktumfeld bewertet Straub derzeit „nicht positiv“. Zu den horrenden Bau- und Grundstückspreisen komme eine kontraproduktive Politik von Bund (Wegfall von KfW-Programmen und Förderungen für Kita-Projekte) und Kommune (Erbbaurechtsbeschlüsse), steigende Zinsen, Rohstoffmangel und der Ukraine-Krieg. Es gibt aber auch positivere Themen: Mit dem Uni-Carré und dem Carl-Sieder-Hof sind gleich zwei von insgesamt nur drei für den Deutschen Bauherrenpreis nominierten Projekten aus dem Ländle vom Bauverein. Lars Bargmann
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Start-ups
Produzieren Musik-Kassetten: Heiko Borsch (Mitte) und Stefan Ritter
„Irgendwie kultig“
Zwei Musiknerds gründen Kassetten-Manufaktur
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Fotos: © Tape Deck Records
ompact Discs sind von gestern. Vinyl ist im Kommen. Und Kassetten? In gewissen Kreisen gibt es eine zarte Renaissance des analogen Tonträgers. Teil der Bewegung ist der Ortenauer Heiko Borsch. Er hat mit einem Freund die Kassetten-Manufaktur „Tape Deck Records“ gegründet. Für 15 HipHop-Acts haben sie Kassetten produziert. Auch Live-Recordings sind möglich. Kaum einer hat einen Kassettenrecorder zu Hause. Doch für manche ist der Tonträger Kult. Zu ihnen gehört der Offenburger Heiko Borsch. „Ich habe als Kind TKKG-Kassetten gehört und meine Lieblingslieder aus dem Radio aufgenommen“, erzählt der 32-jährige Sozialpädagoge und nebenberufliche Tontechniker. Auch aus Nostalgie hat er 2021 mit dem Studenten Stefan Ritter aus Heidelberg „Tape Deck Records“ gegründet. Die zwei Audiotüftler bieten Kassettenproduktionen an. Und die Nachfrage ist da: Für 15 HipHop-Acts haben sie mit ihren 30 Jahre alten Maschinen Tapes produziert. Darunter auch für den bundesweit bekannten Produzenten Dexter. Auf die Idee brachte sie der Heidelberger Rapper Skinny Finster. Er bringt schon länger Releases auf selbst produzierten Kassetten raus – und ist mit Ritter befreundet. Da Skinny zunehmend Anfragen erhielt, für andere zu produzieren, kam Ritter die Idee, das größer aufzuziehen: „Der hat uns mit seiner Liebe für Kassetten angesteckt.“ Über ebay kauften sie zusätzliche Technik. Mit einem Gerät produzieren sie aus Wave-Dateien die Masterkassette. Dann wandert sie in die Dupliziermaschine (Otari DP8) mit vier Slots. Eine für das Master, drei fürs Überspielen. Mit 16-facher Geschwindigkeit können sie A- und B-Seiten parallel kopieren, erklärt Borsch. So sind die Kassetten in wenigen Minuten produziert. „Wir können bis zu 64 weitere Slavegeräte anschließen“, erklärt Borsch. Die haben jeweils vier Slots zum Überspielen. Drei solche Geräte haben die beiden. Sie können also bis zu 15 Tonträger gleichzeitig herstellen. 20 | chilli | business im Breisgau | 07.2022
Mit dem Service ist das Duo ein Exot. Außer ihnen gibt es in Deutschland nur einen weiteren Anbieter: das Leipziger Unternehmen T.A.P.E. Muzik. Einen Namen machen wollen sich Borsch und Ritter mit Qualität: „Wir hören jede Kassette, die wir hergestellt haben, noch mal ab“, erklärt Borsch. Zudem bieten sie einen analogen Livemitschnitt an. Konzerte können direkt an der Bühne recordet werden. Für den Ortenauer Medienpädagogen sind Kassetten kultig. Sein Kollege Ritter sieht das Projekt auch als Antwort auf den Streamingboom: „Das gibt der Musik eine gewisse Wertigkeit zurück, wenn ich sie in der Hand halten und auch das Artwork betrachten kann.“ Auch um Letzteres kümmert sich Tape Deck Records. Die Kosten einer Produktion hängen von der Stückzahl ab: 50 Tapes kosten 4,80 Euro pro Stück. Bei einer Auflage von 300 sind es 3,30 Euro. Inklusive Cover und Beklebung. Auch farbige Kassetten sind möglich. Das Duo bestellt sie bei einem Hersteller in England. Ob Tapes boomen? „Offenbar finden einige Künstler·innen und Bands die Musikkassette als Idee wieder spannend“, sagt Sigrid Herrenbrück vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI). Sie würden sie zum Beispiel als besonderen Tonträger ihren Deluxe- oder Fan-Boxen beilegen. Die Zahlen des BVMI belegen jedoch keinen Trend: 2021 sind davon fünf Prozent weniger verkauft worden als im Vorjahr. Vinyl hingegen konnte als einziger physischer Tonträger zulegen –mit rund acht Prozent. Ritter sieht dennoch wachsendes Interesse: „Es gab immer eine Szene, die die Kassette hochgehalten hat.“ Ausmaße wie bei der Vinyl-Renaissance werde das vermutlich nicht annehmen. Die Kassette dürfte aber wieder an Bedeutung gewinnen. „Auch wenn man keinen Kassettenrecorder hat“, ergänzt Borsch. Man könne sie sich einfach nach dem Konzert als Andenken mitnehmen und als Deko ins Regal stellen – wie eine Vinyl auch.
Till Neumann
Start-ups
„Super cooles Konstrukt“
Freiburger Mobilfunkanbieter Wetell enteignet sich selbst
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Foto: © Florian Forsbach
ine schrille Hochzeit hat das Start-up Wetell im Juni inszeniert. Die Jungunternehmer haben „ihre Werte geheiratet“, wie sie stolz verkünden. Hinter der glamourösen Aktion in Dragqueen-Kostümen steht ein wegweisender Schritt: Der nachhaltige Mobilfunkanbieter hat sich zum Purpose-Unternehmen gemacht – und damit selbst enteignet.
„Whooohooo: Wir sind Purpose Unternehmen!“, schreiben Wetell auf ihrer Seite. Die Firma möchte damit nach innen und außen klarstellen, dass sie es ernst meint mit ihren hohen Ansprüchen in Sachen Nachhaltigkeit, Fairness und Transparenz. „Wir wollen zeigen, dass es auch nachhaltig funktionieren kann“, betont Andreas Schmucker. Der 38-Jährige ist einer der vier Geschäftsführer des Startups Wetell. Schmucker kommt aus der Solarbranche. Jetzt sitzt er mit blauer Cap auf der grauen Couch vor dem Kreativpark in der Freiburger Lokhalle. Seine Begeisterung sprudelt in Worten aus ihm heraus: „Purpose – das ist ein super cooles Konstrukt – es macht Rechtschaffenheit rechtsbindend.“
Als Purpose-Unternehmen will Wetell dem Turbokapitalismus die rote Karte zeigen. Purpose-Economy lässt sich als „zweckorientierte Wirtschaft“ übersetzen. Der Status schützt davor, zum Spekulationsobjekt oder Opfer von Großinvestoren zu werden. Die Firma wird dafür in ein sogenanntes Verantwortungseigentum überführt. Wesentliche Entscheidungen dürfen dann nur noch von Menschen getroffen werden, die in der Firma arbeiten. Gewinne der Firma müssen direkt in den Betrieb investiert werden. Da es bisher in Deutschland keine Rechtsform für Purpose-Unternehmen gibt, arbeitet Wetell mit der PurposeStiftung aus Hamburg zusammen. Sie bekommt ein Prozent der Unternehmensanteile. Damit hat sie das Recht und die Pflicht zu kontrollieren, dass die Mobilfunker sich an die selbst auferlegten Regeln halten. Die Unternehmenssatzung hat die Firma für den Schritt umgeschrieben. Ein Notar hielt die Änderungen bei der Wertehochzeit fest. Auch wenn der Schritt ein seltener ist, es gibt namhafte Vorbilder: Auch die grüne Suchmaschine Ecosia, TaifunTofu aus Freiburg oder Einhorn Kondome
aus Berlin sind bereits Purpose-Unternehmen. Genau wie das Öko-Versandhaus Waschbär. „Sinn statt Gewinn“ will die Stiftung ermöglichen. „Eine gerechtere und nachhaltigere Wirtschaft ist möglich“, schreibt das internationale Netzwerk auf seiner Website. Auch bei Wetell glaubt man an den Wandel: „Wir wollen die Branche umdrehen, einen Paradigmenwechsel schaffen“, betont Schmucker. Sein Start-up ist das einzige Mobilfunkunternehmen in Deutschland, das diesen Weg eingeschlagen hat. Bei den Mitarbeitenden seien Freudentränen geflossen, als die Chefs sie über den Schritt informierten, berichtet Schmucker. „Es war uns selbst nicht klar, wie heftig das Instrument ist“, erzählt er. Sein Unternehmen ist seit 2020 am Markt. Es verspricht seinen Kunden Klimaschutz, Fairness und Transparenz. Rund 9000 Kunden sind mittlerweile dabei, berichtet Schmucker. 500 bis 700 Neukunden pro Monat kämen hinzu. Anfang 2023 möchte Wetell den Break-Even-Point von 15.000 Kunden erreichen. Ab dann könnte die Firma schwarze Zahlen schreiben.
Till Neumann
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Unternehmen in der Region
Die Führungsriege der Schwarzwaldmilch: „Wir wachsen rein ertragsorientiert und nicht über Aktions- oder Niedrigpreise“, so Geschäftsführer Andreas Schneider (2. v.l.).
Schwarzwaldmilch steigert Umsatz Erstmals mehr als 230 Millionen Euro erlöst
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Foto: © Schwarzwaldmilch
ie Schwarzwaldmilch-Gruppe hat ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 5,4 Prozent auf 232,1 Millionen Euro gesteigert, das stärkste Jahr seit Bestehen des Unternehmens. Maßgeblich hierfür war das weiterhin dynamische Markenwachstum im Lebensmitteleinzelhandel. Der Auszahlungspreis für ihre genossenschaftlichen Milcherzeuger lag im vergangenen Jahr mit 41,12 Cent/kg brutto für konventionelle Milch und mit 58,30 Cent/kg brutto für Bio-Milch über dem jeweiligen deutschen durchschnittlichen Milchauszahlungspreis. „Das Wetter im vergangenen Jahr war im Vergleich zum Jahr 2020 für die Landwirtschaft im Südwesten etwas besser. Doch die Entwicklung bleibt die Gleiche und stellt uns Landwirte vor große Herausforderungen. Heiße und trockene Phasen nehmen zu, gleichzeitig kommt es zeitweise zu massiven Niederschlägen und Unwettern, wobei sich die Bedingungen selbst innerhalb einer eng eingegrenzten Region wie unserem Milcherfassungsgebiet stark unterscheiden können“, erklärt Markus Kaiser, Aufsichtsratsvorsitzender der Schwarz-
waldmilch. „Wir wachsen rein ertragsorientiert und nicht über Aktions- oder Niedrigpreise. Dies zeigt sich am deutlichsten darin, dass der Umsatz um 5,4 Prozent gestiegen ist, bei gleichzeitig leicht gesunkenem Absatz“, erklärt Geschäftsführer Andreas Schneider. Zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsstandorte in Freiburg und Offenburg investierte die Schwarzwaldmilch 4,6 Millionen Euro. Nachdem die Kosten für Rohstoffe, Energie oder Packmittel bereits Ende 2021 im Zuge der pandemiebedingten Verwerfungen stark gestiegen sind, hat der Krieg in der Ukraine zu einer massiven Verschärfung der Situation geführt. Lieferketten sind gestört und die Kosten zahlreicher Güter in ungekannte Höhen gestiegen. Im Mai ist die Inflationsrate auf fast 8 Prozent gestiegen. Auch die Milch- und Butterpreise hatten es in den vergangenen Monaten wieder in die Schlagzeilen fast aller deutschen Medien geschafft. „Diese Entwicklungen haben auch auf Schwarzwaldmilch massive Auswirkungen, wir sprechen hier von Kostensteigerungen um 30, 50, 100 und teils 200 Prozent“, erklärt Schneider. Betroffen sind die Molke-
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rei und die Milchhöfe. „Letztere sind konfrontiert mit deutlich gestiegenen Preisen etwa für Diesel, Dünger und Futtermittel“, ergänzt Markus Kaiser. „Die dramatischen Verteuerungen gehen an die Substanz, wir als Molkerei müssen hier Lösungen anbieten“, so Kaiser. Seit Dezember 2021 hat Schwarzwaldmilch den Milchauszahlungspreis für konventionelle Milch von netto 36,0 Cent/kg auf netto 50,0 Cent/kg (ab Juli) sowie für Biomilch von netto 50,5 Cent/kg auf netto 60,0 Cent/kg (ab Juli) erhöht. „Diese massiven Milchauszahlungspreissteigerungen an unsere genossenschaftlichen Landwirte sind Voraussetzung für den Fortbestand der regionalen Milcherzeugung und damit für den zentralen Beitrag, den die Milchbäuerinnen und -bauern für den Erhalt der Schwarzwälder Kulturlandschaft leisten“, so Schneider. Aufgrund der Baupreisexplosionen hat die Firma den geplanten Bau einer Käsemanufaktur in Titisee-Neustadt (wir berichteten) abgebrochen. „Dies war bereits mit den damaligen Kenntnissen die richtige Entscheidung, und mit dem Wissen von heute hat sich diese Entscheidung mehr als bestätigt“, erklärt Schneider. bar
Unternehmen in der Region
Wein als Mission Die Alte Wache feiert ihr 25-jähriges Bestehen
Beliebter Treffpunkt: Seit einem Vierteljahrhundert zieht die „Alte Wache“ Weinliebhaber aus nah und fern an.
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Fotos: © Spitzbart, Alte Wache
ubiläen sind beliebte Anlässe, in den Rückspiegel zu schauen. Auf ein Vierteljahrhundert blickt die Alte Wache in Freiburg zurück. In diesen Jahren ist die Location am Münsterplatz zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Der Blick von Geschäftsführerin Alixe Winter und ihrem Team ist abseits des Jubiläums nach vorne gerichtet.
Im Gebäude am Rande des Münsterplatzes dreht sich seit dem Sommer 1997 alles um den Badischen Wein. Rund 100 Spezialitäten stehen bereit. Der Betrieb bietet Produkte aus dem Kaiserstuhl, dem Markgräflerland, dem Breisgau, dem Tuniberg und der Ortenau. Zu Freiburger Kultgetränken haben sich das Heißgetränk „Winter Marie“ und der geeiste Weindrink „Kalte Sofie“ gemausert. Winter hat die vergangenen 25 Jahre als Geschäftsführerin entscheidend mitgeprägt. Ihr Weg war vorbestimmt. Die Großväter waren als Holzküfer und Rebveredeler tätig, der Vater war Kellermeis-
ter, die Mutter Winzerin. Sie selbst machte eine Ausbildung zur Weinhandelsküferin, war 1989/1990 Badische Weinkönigin, 1990/1991 Deutsche Weinprinzessin und absolvierte ein BWL-Studium. Nach Ansicht der versierten Weinsensorikerin haben der konsequente und unermüdliche Einsatz ihres Teams, die Entscheidung für und das Festhalten an einer kompromisslosen Qualitätsphilosophie bei der Auswahl der Weine die Kunden der Alten Wache überzeugt. Winter ist sicher: „Erfolg lebt von Veränderung.“ Ganz in diesem Sinne wurden die Räume der Alten Wache von Ende 2019 bis März 2020 umgebaut. Im Erdgeschoss mit Terrasse gibt es nun leicht trinkbare Weine im mittleren Preissegment, im Obergeschoss ausgewählte hochwertige Weine. Das Gestaltungskonzept kommt an und konnte zwei renommierte Werbepreise in Österreich abstauben: Beim „Goldenen Hahn“ und beim „Adebar“, den größten Landespreisen ihrer Klasse, gab es die Topplatzierung in der Kategorie „Gestaltung des Kundenbereichs (POS)“.
Lockdowns und Auflagen verhinderten den erfolgreichen Neustart zunächst. Konnten sich Winter und ihr Team 2019 noch über das erfolgreichste Jahr seit Gründung mit einem Umsatz von nahezu zwei Millionen Euro freuen, waren 2020 und 2021 von der Pandemie geprägt. Im vergangenen Jahr erzielte die Alte Wache einen Gesamtjahresumsatz von rund 1,3 Millionen Euro, das entspricht einem Umsatzplus von 40 Prozent zum Vorjahr. Dennoch fällt das Geschäftsergebnis wegen Lockdowns, abgesagten Events, geringen Corona-Hilfen sowie den Kosten für den nach einer Woche abgesagten Weihnachtmarkt schlechter aus als 2020. Winter und ihre Mitarbeiter·innen haben die Liebe zum Rebensaft nicht verloren. „Badischer Wein war und ist meine Mission und die unseres Teams“, sagt Winter. Es klingt ganz danach, als seien die ersten 25 Jahre erst der Anfang der Geschichte.
Pascal Lienhard
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Menschen und Meldungen
FREIBURG/VILLINGEN-SCHWENNINGEN. Die Streitgruppe hat einen neuen Standort im pulsierenden Kreativ- und Gründerzentrum „Die Halle“ eröffnet. Mit dem Umzug nach Villingen-Schwenningen dockt Streit im Zentrum einer der führenden Industrieregionen in Europa an. Streit fährt zudem seine in Freiburg in der Lokhalle begonnene Linie weiter fort, sich mit einer spannenden Kreativ-, Gründer- und innovativen Wirtschaftsszene stärker zu vernetzen. Mit dem neuen Standort sowie der Einweihung des neuen Firmensitzes in Gengenbach im September dieses Jahres schließt Streit außerdem seinen mehrere Jahre umfassenden Transformationsprozess ab. „Das Gründer- und Kreativzentrum ‚Die Halle‘ entwickelt sich derzeit zu einem spannenden Ort für Austausch und Denkanstöße und bietet einen lebendigen Mix aus Gründerszene, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft“, so Marc Fuchs, Geschäftsführer von Streit Service & Solution.
dotscene gründet spanische Tochter FREIBURG.Das Freiburger Start-up dotscene hat mit der dotscene España SL die erste spanische Tochtergesellschaft mit Sitz im andalusischen Granada gegründet. Aufgrund der hohen Nachfrage nach schneller digitaler Immobilienbestandserfassung setzt dotscene seinen Wachstumskurs nun auf europäischer Ebene fort. 22 dotsceneExpert·innen kümmern sich in Granada ab sofort um die digitale ImmobilienBestandserfassung. „Viele Freiburger Unternehmen haben Tochtergesellschaften im Ausland, aber nur wenige sind in unseren Partnerstädten angesiedelt. Für den Start in unserer wunderbaren spanischen Partnerstadt Granada wünschen wir alles Gute!“, so Martin Horn, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, in einem zugeschalteten Videogrußwort.
Foto: © Nils Theurer – textour
Streit eröffnet Dependance in „Die Halle“
Haben gut lachen: Konrad Pfitzer vom Smart Green Accelerator, Jella Riesterer vom Social Innovation Lab und Sara Boukal von Futur F.
Mehr als eine Million Euro für Freiburger Start-ups Alle Geförderten aus dem Umfeld des Grünhofs
Bis Ende April konnten regionale und landesweite Projektträger Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds Plus beantragen. Insgesamt 13,8 Millionen Euro fließen daraus in sogenannte EXI-Gründungsgutscheine für das Land Baden-Württemberg. Drei Förderzusagen in Höhe von 1.038.000 Euro gehen nach Freiburg und sichern damit für die kommenden drei Jahre kostenfreie Vorgründungsberatungsstellen speziell für Frauen sowie für die Bereiche Green Innovation und Social Entrepreneurship. Mit den EXI-Gründungsgutscheinen können Existenzgründer·innen kostenlose Beratungstermine angeboten werden. In Freiburg freuten sich Futur F, der Smart Green Startup Accelerator sowie das Social Innovation Lab über die Förderung. Alle drei Organisationen stammen aus dem Grünhof-Umfeld, der Freiburger Heimat für Macher·innen und Innova-
Messe vocatium am 19. Juli FREIBURG. Welche Ausbildung ist die richtige für mich? Welches Studium passt zu mir? Wie kann ich ein Unternehmen auf mich aufmerksam machen? Bei solchen Fragen hilft die Fachmesse für Ausbildung und Studium vocatium Freiburg weiter, die am 19. und 20. Juli im Konzerthaus Freiburg wieder ihre
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teur·innen. „Mit dieser Förderung können wir unserer Expertise einen professionellen Rahmen geben und so die bestmögliche Gründungsberatung für Frauen in und um Freiburg anbieten“, so Sara Boukal, Vorständin von Futur F. Sie hat selbst 2020 gegründet und damals an einem Förderprogramm des Social Innovation Lab, der dem Grünhof zugehörig ist, teilgenommen. Co-finanziert werden alle drei neuen rePierino Di Sanzo gionalen EXI-Beratungsstellen von der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM). „Ziel dieses niederschwelligen Beratungsangebotes soll vor allem sein, interessierte Gründungsteams und Einzelpersonen bei der konzeptionellen und planerischen Vorbereitung und Durchführung ihres Gründungsvorhabens bis hin zur Finanzierungsplanung zu unterstützen“, so FWTM-Geschäftsführerin Hanna bib Böhme.
Türen öffnet. Herzstück ist die gute Vorbereitung der Jugendlichen für die Gespräche mit den Ausstellern. „Nach zwei Jahren fast völligem Stillstand in der Berufsorientierung merken wir, wie hoch der Bedarf ist, die Jugendlichen persönlich in ihrer Wahl zu begleiten“, so Yvonne Genster und Judith Haase vom Organisationsteam.
Menschen und Meldungen
SÜDBADEN. Lohn-Prellerei aufgedeckt: Das Hauptzollamt Lörrach, das auch für Freiburg zuständig ist, hat im vergangenen Jahr 29 Verfahren gegen Unternehmen eingeleitet, weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Dabei verhängten die Beamten Bußgelder in Höhe von rund 240.000 Euro. Das teilt die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mit. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Erhebung des Bundesfinanzministeriums für den Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup (SPD), der auch Mitglied im Finanzausschuss des Parlaments ist. Demnach entfielen sieben Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Baufirmen in der Region, gegen die Geldbußen von 28.600 Euro verhängt wurden. „Die Zahlen zeigen, dass es viele Arbeitgeber mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen. Der Zoll sollte daher auch in Freiburg noch mehr Präsenz zeigen. Das Risiko für schwarze Schafe, bei einer Kontrolle erwischt zu werden, ist noch immer zu gering“, sagt die IG BAU-Bezirksvorsitzende Ilse Bruttel.
50 E-Smarts von Stauss FREIBURG. Bei der Aktion „Smart vorwärts kommen – mit Stauss Immobilien“ hat Andreas Stauss bei ei-
nem Event am 25. Juni auf dem Areal von Mercedes-Benz Kestenholz die ersten 16 von insgesamt 50 E-Smarts an Menschen aus der Region übergeben. Die Begünstigten, die sich in der Region für andere einsetzen, können die Stromer nun drei Jahre lang fahren und müssen nur die Ladungen bezahlen. „Uns hat es große Freude gemacht, zu sehen, wie und wofür Bürgerinnen und Bürger in der Region
Foto: © Stauss Immobilien
IG Bau fordert mehr Kontrollen in Freiburg
Land sucht VorreiterKommunen STUTTGART. Mit einem neuen Wettbewerb und 11,5 Millionen Euro spornt das Land seit 1. Juli besonders klimaaktive Kommunen und Landkreise im Südwesten an, die bereits bis 2035 klimaneutral sein wollen. Mit einem ambitionierten Konzept können sie sich je nach Einwohnerzahl um Fördermittel zwischen einer halben und fünf Millionen Euro bewerben. Ziel des Wettbewerbs ist die Auswahl und Förderung von vier Kommunen unterschiedlicher Größe. Interessierte Kommunen müssen ihre Förderanträge bis zum 31. Oktober 2022 bei der KEA Klimaschutz- und Energieagentur BadenWürttemberg (KEA-BW) einreichen. Mehr Info: info@kea-bw.de
JobRad Gruppe erwirbt Mehrheitsbeteiligung an LOFINO
Glücklicher Initiator: Andreas Stauss bei der Übergabe der ersten sechzehn E-Smarts. füreinander da sind“, sagt Stauss, Inhaber von Stauss & Partner und Initiator der Aktion. „Hilfsbereitschaft in Südbaden hat viele Gesichter, das hat Smart vorwärts kommen‘ gezeigt.“
FREIBURG. Mit der Beteiligung an dem Berliner HR-Tech-Unternehmen LOFINO GmbH erweitert die Freiburger JobRad Gruppe ihr Produktportfolio um ein dynamisches, nachhaltiges Start-up. LOFINO bietet aktuell 140 Arbeitgebern und ihren Beschäftigten maßgeschneiderte Bonusund Benefitsysteme an, darunter auch Mobilitätsbudget-Lösungen. „Seit der erfolgreichen Markteinführung der Anzeige
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Menschen und Meldungen
Adler im Marktkauf Kohler in Freiburg HAIBACH, FREIBURG. Adler-Mode gibt es jetzt auch im Marktkauf Kohler Markt in der Gundelfinger Straße 4 in Freiburg: Dort betreibt das
Unternehmen eine 165 Quadratmeter große Verkaufsfläche mit einem Sortiment der attraktivsten und beliebtesten Adler-Produkte. Die Zusammenarbeit ist Teil einer Kooperation mit Edeka Südwest, die auch SB-Warenhäuser der Marke Marktkauf umfasst. Auf der von Adler betreuten Fläche innerhalb des Lebensmittelmarkts können die Kunden aus der Damen- und Herrenbekleidung der Adler-Eigenmarken wie Steilmann Edition, Choice Essential und Choice, Eagle No. 7, My Own, Via Cortesa Woman und Man wählen oder auch aus ausgewählten Produkten der aktuellen Sommerkollektion von Bexleys Woman und Man.
Foto: © Badischer Winzerkeller
LOFINO-App hat sich gezeigt, dass deren digitale Lösungen die Bedürfnisse von Arbeitgebern und deren Beschäftigten ansprechen. Die strategische Beteiligung an LOFINO ist für uns eine sinnvolle und logische Ergänzung des Produktportfolios der JobRad Gruppe“, so Holger Tumat, Geschäftsführer der JobRad Holding GmbH. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht.
Trotzdem ein Gläschen: André Weltz, Vorstandsvorsitzender (l.), und Christian Schätzle, Vorstand Produktion und Oenologie
Winzerkeller auf Talfahrt
Externe & interne Gründe für schlechte Bilanz BREISACH. Beim Badischen Winzerkeller sackte der Umsatz im Geschäftsjahr 2021 um 11,6 Prozent auf 41,1 Millionen Euro ab. Mit 14,9 Millionen Litern verkaufte Badens größte Erzeugerkellerei zwei Millionen weniger als im Jahr 2020. Das Traubengeld für die Winzer ist nach Angaben des Unternehmens nach wie vor unbefriedigend, wie hoch es ist, ließ die Geschäftsführung offen. Gründe für das schlechte Ergebnis von fast zwei Millionen Euro Verlust sind eine extrem kleine Ernte, die Folgen der Pandemie und betriebsinterne Altlasten (wie berichteten). Der neue
Vorstandschef André Weltz setzt alle Hebel in Bewegung, um die Firma Pierino wieder Di Sanzo auf Kurs zu bringen. Die Personalkosten wurden um 10,2 Prozent gesenkt, das Sortiment um zwei Drittel verkleinert, der Groß- und Kleingebindekeller wurden zusammengelegt, der Vertrieb umgebaut, die Schulden reduziert. Dennoch sind auch die Aussichten fürs laufende Jahr keineswegs rosig: Im Keller lagert viel zu wenig Wein, Flaschen und Kartons werden um bis zu 30 Prozent teurer, die Menschen sparen beim Einkauf, und Preiserhöhungen sind im Lebensmittelhandel kaum durchzusetzen. bib
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FAIR ways: 88.000 Euro für Engagement in der Region FREIBURG. 88.000 Euro, 43 Preisträger·innen und alles für die gute Sache: Gemeinsam mit seinen 15 „FAIR ways“-Partnern unterstützt der SC Freiburg auch dieses Jahr wieder gemeinnützige Institutionen und Vereine aus der Region, die sich wie der Sport-Club in den Bereichen Bewegung, Bildung, Umwelt und Solidarität engagieren. Seit 2012 hat sich der „FAIR ways Förderpreis“ zu einem der bedeutendsten Sozialpreise Südbadens entwickelt. Seit der ersten Vergabe wurden 613.000 Euro ausgeschüttet. Für den 11. „FAIR ways Förderpreis“ wählte die „FAIR ways“-Jury aus 107 eingegangenen Bewerbungen insgesamt 43 Preisträger·innen aus, von denen 24 Institutionen bereits in den vergangenen Jahren eine Förderung durch den FAIR ways Förderpreis erhalten hatten. 19 Institutionen können sich zum ersten Mal über die Unterstützung freuen. Der von den SC-Partnern baden.fm, Wall und Münchrath/Ideen + Medien sowie der Wilhelm-Oberle-Stiftung gestiftete Sonderpreis „Gute Tat mit Radio und Plakat“, der 2022 zum dritten Mal im Rahmen des FAIR ways Förderpreises vergeben wird, geht an den Verein „Bildung für alle“. Die Institution erhält über die „FAIR ways“Förderung hinaus eine werthaltige Kampagne mit Plakaten in Freiburg und Radiospots bei baden.fm.
Volksbank Freiburg spendet 2000 Euro für Sternwarte FREIBURG. Schon seit Mitte der 1980er-Jahre betreibt der Verein „Sternfreunde Breisgau“ auf dem Gelände des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik auf dem Schauinsland eine Vereinssternwarte. Sie verfügt über zwei Kuppeln mit fest installierten Teleskopen, einen freistehenden Beobachtungsplatz sowie einen beheizten Aufenthaltsraum. Die Sternwarte wurde von den Vereinsmitgliedern in Eigenarbeit errichtet und bis heute in Stand
Menschen und Meldungen
Foto: © B2Run
7000 beim B2Run
Am Start: „Ideale Veranstaltung, um die Integration zu fördern.“ FREIBURG. Bei idealem Laufwetter um die 22 Grad waren beim 5. B2Run Freiburg rund 7000 Läufer aus 350 Unternehmen und Institutionen am Start. Lautstark angefeuert von Kolleginnen und Freunden liefen die Teilnehmenden 5,2 Kilometer rund ums Europa-ParkStadion. Schnellster Läufer war Filmon Teklebrhan-Berhe von der Hatho GmbH. Er brauchte nur 15:54 Minuten. Nach 19:54 Minuten lief als schnellste Frau Corona Peglow von der SICK AG ins Ziel ein. „Der B2Run ist eine ideale Veranstaltung, um über den Sport die Integration zu fördern, sagt Werner Wißler, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Finanzen des Caritasverbands Freiburg-Stadt. „Von den sportlichen Anforderungen ist der B2Run ein Event, das
jeden anspricht», sagt Felix Fürst von der Jobrad GmbH, die 200 Mitarbeitende ins Ziel brachte.
Waldhaus trotzt Bier-Flaute WALDHAUS. Das Braujahr 2021 war aufgrund der anhaltenden CoronaSituation für die deutschen Brauereien ein ausgesprochen schwieriges Jahr: Wiederholter sechsmonatiger Lockdown, tausende retournierte und dann vernichtete Fass-Hektoliter und der schlechteste Sommer seit vielen Jahren. Die Schwarzwälder Privatbrauerei konnte sich nach eigener Aussage diesem Trend weitgehend entziehen. Vor allem mit den alkoholfreien Bieren sowie Waldhaus Hell verbuchte man deutliche Absatzsteigerungen. So habe der Marktanteil im Handel um rund 13 Prozent gesteigert werden können, wobei die Fassbiermengen immer noch mehr als 40 Prozent unter dem Vorjahr lagen. Man sei mit einem blauen Auge davongekommen, so Geschäftsführer Dieter Schmid. Sehr zu schaffen machten dem Mittelständler die starken Preissteigerungen in nie gekanntem Ausmaß für Braumalz, Energie, Kronkorken, Etiketten, Kartonagen und Paletten. Mehr als 1,5 Millionen Euro investierte die Brauerei in ein neues, energiesparendes Kochsystem, sechs neue Gärtanks sowie zwei Hefe-Reinzucht-Tanks und kaufte 1,2 Millionen Flaschen. Für Schmid war einer der Schwerpunkte, die Wei-
Foto: © Waldhaus
gehalten. Eines der in die Jahre gekommenen Teleskope wird nun ersetzt, dafür muss auch die Befestigung in einer der Kuppeln erneuert werden. An den Kosten für diese Arbeiten beteiligt sich die Volksbank Freiburg mit einer Spende in Höhe von 2000 Euro. „Mich faszinieren besonders die beeindruckenden Fotografien von Galaxien, Sternhaufen und Nebeln, die die Vereinsmitglieder durch ihre Teleskope erstellen. Mit seinen Führungen und Vorträgen für die Öffentlichkeit leistet der Verein außerdem einen tollen Beitrag für die Allgemeinheit“, so Alexander Jacobs, Leiter des Vorstandsstabs, bei der Spendenübergabe.
Die Waldhaus-Crew: (v.l.)Vertriebsleiter Thomas Witt, Kaufmännischer Leiter Jürgen Berthold, Dieter Schmid, Logistikleiter Nico Albiez und Technischer Leiter Benjamin Röttel
chen zur klimaneutralen Brauerei zu stellen. Hierzu seien noch weitere erhebliche Anstrengungen notwendig, bis das Unternehmen 2030 klimaneutral sei: „Dies ist zwar ein hochgestecktes und sehr anspruchsvolles Ziel, aber hohe Ziele liegen wohl in unserer Unternehmens-DNA.“
Brauerei Ganter tritt Klimabündnis bei FREIBURG. Die Brauerei Ganter wird Mitglied des Klimabündnisses Zielgerade2030. Mit dem Bündnis unterstützen die IHK Südlicher Oberrhein und die Energieagentur Regio Freiburg Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Ganter ist das erste Mitglied, das direkt Konsumenten bedient. Die Weichen hin zu einer nachhaltigeren Produktion bei der Brauerei Ganter sind längst gestellt. Es sind viele kleine Schritte über alle Ebenen hinweg, die Geschäftsführer Detlef Frankenberger aufzählt: Naturpapieretiketten statt Glanzpapier, mehr Bügelflaschen anstelle von solchen mit Kronkorken, eine zweite Photovoltaikanlage, eine modernere Kühlung, die erheblich weniger Ammoniak verbraucht, und ein Blockheizkraftwerk zur effizienten Stromund Wärmegewinnung: „Als lokale Brauerei wollen wir hier vorangehen.“
Sutter bezieht neuen Firmenstandort in Emmendingen EMMENDINGEN/FR EIBURG. Der Medizintechniker Sutter hat seinen neuen Firmensitz in Emmendingen bezogen. Zuvor war das Unternehmen 50 Jahre lang in Freiburg zu Hause. Der Neubau ist nahezu CO2-neutral. Vor zwei Jahren, im Jahr des 50-jährigen Bestehens, hatte Firmeninhaber Bert Sutter den Grundstein für den 20 Millionen Euro teuren Neubau gelegt. Das rund 17.000 Quadratmeter große Areal bietet noch Expansionsmöglichkeiten. Für Sutter arbeiten jetzt in Emmendingen 130 Beschäftigte. Das Unternehmen setzte zuletzt rund 25 Millionen Euro um.
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Arbeitsmarkt
Mehr Geld für Garten-und Landschaftsbauer: Seit 1. Juli sind die Löhne um 2,8 Prozent auf mindestens 17,82 Euro gestiegen. Die IG BAU-Bezirksvorsitzende Ilse Bruttel spricht von einer „fairen Anerkennung“.
Deutlich mehr Arbeitslose Ein außergewöhnlicher Juni und ein außergewöhnlicher Grund
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Foto: © IIG BAU
ie Zahl der Arbeitslosen im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg ist im Juni spürbar angestiegen. Zum Stichtag waren in der Stadt Freiburg und den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen insgesamt 12.867 Frauen und Männer ohne Beschäftigung, 692 mehr als im Mai. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Punkte auf 3,4 Prozent. Für einen Juni ist der Anstieg außergewöhnlich hoch. Das hat seinen Grund im Ukraine-Krieg. Die Arbeitslosenquote in Freiburg stieg um 0,1 Punkte auf 4,7 Prozent, im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald um 0,3 Punkte auf 2,9 Prozent, im Landkreis Emmendingen um 0,1 Punkte auf 2,6 Prozent. „Der Arbeits-
markt ist weiter sehr stabil. Daran ändert auch der aktuelle Anstieg nichts“, hält Andreas Finke, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur, den Ball flach. Im Laufe des Juni waren Geflüchtete aus der Ukraine vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Grundsicherung gewechselt, so stieg die Zahl der Arbeitslosen mit ukrainischem Pass von 172 im Mai auf 910 im Juni. Ohne diesen statistischen Sondereffekt wäre ihre Zahl um 46 Personen gesunken. „Die Jobcenter haben in Zusammenarbeit mit den Kommunen Großartiges geleistet und für einen reibungslosen Übergang gesorgt“, so Finke. Die Integration der Ukrainerinnen und Ukrainer in den Arbeitsmarkt sei indes kein Selbstläufer. Für einige werde es ein langer und mühevoller Weg
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werden, wenn etwa die Kinderbetreuung noch nicht geklärt ist, die Sprache noch nicht ausreicht oder Schul- und Berufsabschlüsse erst noch anerkannt werden müssen. Vor dem Hintergrund drohender Fachkräfteengpässe wirbt Finke in den Unternehmen dafür, bei den Themen Ausbildung und Qualifizierung im Engagement nicht nachzulassen. Die Arbeitskräftenachfrage bewegt sich zwar weiter auf hohem Niveau, die 1206 neu gemeldeten offenen Stellen sind aber 101 weniger als vor einem Jahr. Mitte Juni lagen der Agentur insgesamt 6395 Aufträge zur Stellenbesetzung vor (82,5 Prozent für Fachkräfte, Experten und Spezialisten, 17,5 Prozent für Helfer). Das hingegen ist erneut ein Rekordwert.
bib
Stellenmarkt
Noch 38.000 Ausbildungsplätze frei Last-minute-Börse am 29. Juli bei der Arbeitsagentur
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andesweit sind aktuell noch 38.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Damit liegt das Angebot wieder auf Vorkrisenniveau. Auf einen Bewerber kommen in Baden-Württemberg derzeit 1,6 Ausbildungsplätze. Es gebe „hervorragende Chancen für Jugendliche", so Arbeits- und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.
test und Praktika. Zu besichtigen gibt es zudem ein Einsatzfahrzeug des Technischen Hilfswerks. Junge Künstler begleiten die Last-Minute-Lehrstellenbörse musikalisch. Mit der 2020 in Kraft getretenen Reform des Berufsbildungsgesetzes steigt 2022 die Mindestvergütung von Auszubildenden auf 585 Euro, im kommenden Jahrdann auf 620 Euro. bib
Foto: © Pixabay
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Bei der Agentur für Arbeit in Freiburg sind seit Jahresbeginn 3624 Ausbildungsstellen und 3031 Bewerber gemeldet. 1989 Stellen (+ 30 Prozent zum Juni 2020) waren Ende Juni noch unbesetzt, 1390 Bewerber unversorgt. Auf einer Last-minute-Börse 2022, einer Gemeinschaftsaktion der Agentur für Arbeit Freiburg, der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein und der Handwerkskammer Freiburg, können Betriebe und potentielle Azubis am 29. Juli noch zueinander finden. Die Veranstaltung findet outdoor auf dem Gelände der Arbeitsagentur (Lehener Straße 77, von 13 bis 15.30 Uhr) statt. Hier haben Bewerberinnen und Bewerber ohne Ausbildungsstellen noch gute Chancen, wenn neben dem Wunschberuf auch viele Alternativberufe offeriert werden. Berufsberater·innen der Agentur sowie Ausbildungsexpertinnen und -experten der Kammern informieren Jugendliche und junge Erwachsene, die in diesem Jahr noch mit einer Ausbildung starten wollen. 40 Arbeitgeber aus unterschiedlichen Branchen sind vor Ort, präsentieren auf der Börse ihre offenen Lehrstellen, führen Gespräche mit Interessierten und nehmen Bewerbungsunterlagen entgegen. Expertentipps gibt es zu den Themen Berufswahl, Bewerbung (mit Unterlagen-Check), Vorstellungsgespräch, Eignungschilli | business im Breisgau | 07.2022 | 29
Fakten
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Private Konsumausgaben in Baden-Württemberg 2020 pro Kopf (in Euro) ����������������������������������������������������������������������������������������� 21.690 Sparquote der privaten Haushalte 2020 (in Prozent) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������17,6 Private Konsumausgaben in Baden-Württemberg 2019 pro Kopf (in Euro) ���������������������������������������������������������������������������������������� 23.060 Sparquote der privaten Haushalte 2019 (in Prozent) ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 13 Geburtenrate in Baden-Württemberg im Jahr 2021 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 113.500 Geburtenrate in Baden-Württemberg im Jahr 2020 ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 108.024 Kinderzahl pro Frau in Baden-Württemberg im Jahr 1960 ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 2,47 Kinderzahl pro Frau in Baden-Württemberg im Jahr 2021 �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 1,63 Bodenrichtwert an der Jean-Monet-Straße im Rieselfeld in 2016 (in Euro) ������������������������������������������������������������������������������������������������ 700 Bodenrichtwert an der Jean-Monet-Straße im Rieselfeld in 2022 (in Euro) ���������������������������������������������������������������������������������������������� 1500 Bodenrichtwert östlich der Paul-Ehrlich-Straße / Güterbahnhof Nord in 2016 (in Euro) ����������������������������������������������������������������� 260 Bodenrichtwert östlich der Paul-Ehrlich-Straße / Güterbahnhof Nord in 2022 (in Euro) ������������������������������������������������������������� 2900 In Deutschland stationierte deutsche Soldaten 1985 �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 478.000 In Deutschland stationierte amerikanische Soldaten 1985 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������246.000 In Deutschland stationierte deutsche Soldaten 2021 ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 183.000 In Deutschland stationierte amerikanische Soldaten 2021 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������37.000 Weltweite Produktion von Fleisch im Jahr 2000 (in Mio. Tonnen) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 230 Weltweite Produktion von Fleisch im Jahr 2010 (in Mio. Tonnen) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 293 Weltweite Produktion von Fleisch im Jahr 2020 (in Mio. Tonnen) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 338 Preis pro Tonne Weizen am 2.2.2022 an der Warenterminbörse Paris (in Euro) ������������������������������������������������������������������������������������� 264 Preis pro Tonne Weizen am 16.5.2022 an der Warenterminbörse Paris (in Euro) ����������������������������������������������������������������������������������� 438 Anteil der Afrikaner, die sich keine gesunde Ernährung leisten können (in %) ��������������������������������������������������������������������������������������������80 Anteil der Europäer und Nordamerikaner, die sich keine gesunde Ernährung leisten können (in %) ������������������������������������������� 2 Zahl der Menschen, die in Gebieten mit akutem Wassermangel leben ��������������������������������������������������������������������������������� 1.200.000.000 Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg im Jahr 1990 (in Mio. To. Co2-Äquivalenten) �������������������������������������������������90,6 Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg im Jahr 2021 (in Mio. To. Co2-Äquivalente) �������������������������������������������������������73 Arbeitslosenquote in Freiburg im Jahr 2005 (in Prozent) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 9,2 Arbeitslosenquote in Freiburg im Jahr 2021 (in Prozent) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 5,4
Quellen: Militarisierungsatlas der Bundesrepublik, The Military Balance.GIE, Statistisches Landesamt BW, geoportal.freiburg.de/freigis, Greenpeace, Statista 30 | chilli | business im Breisgau | 07.2022
bar/Idee: Brandeins