Urban Spaces. Der Stadtraum in Fotografien der Sammlung SpallArt

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Urban Spaces

Der Stadtraum in Fotografien der Sammlung SpallArt

Urban Spaces

Der Stadtraum in Fotografien der Sammlung SpallArt

Boulevard du Temple, Paris, 3. Arrondissement, 1838

Louis-Jacques-Mandé Daguerre (1787–1851) Daguerrotypie

Urban Spaces und die Sammlung SpallArt

Die Geschichte der Fotografie ist eng mit dem Stadtraum und der Abbildung der Stadt verbunden. Bereits die erste Fotografie eines lebenden Menschen entstand in der Stadt. Es ist die bekannte Aufnahme von Louis Daguerre vom Boulevard du Temple in Paris aus dem Jahr 1838. Sie zeigt eine belebte Straße, doch bewegte sich der Verkehr zu schnell, um bei der Belichtungszeit von 4–5 Minuten erfasst zu werden. Die Ausnahme ist der links unten erkennbare Mann, der lange genug stillstand, weil er sich die Schuhe polieren ließ.

Mit der Ausstellung haben wir versucht, das Thema Urban Spaces mit Werken aus der Sammlung SpallArt aus unterschiedlichen Gesichtspunkten zu erfassen. In zehn Kapiteln werden einzelne Aspekte des Stadtraums dargestellt. Dabei sind die Grenzen dieser thematischen Blöcke nicht ganz starr zu sehen, viele Arbeiten könnten mehreren Themenblöcken zugeordnet werden.

Die fremde Stadt zeigt mit sehr frühen Aufnahmen, etwa von Domenico Bressolin aus den 1850er Jahren aus Venedig oder Aufnahmen aus Damaskus von Félix Bonfils aus den 1870er Jahren ein exotisches Sehnsuchtsbild der Stadt. In den Räumen der Stadt haben wir versucht, unterschiedlichste Herangehensweisen an die Dokumentation des Stadtraums und besonders die Rolle des Menschens darin, zusammenzustellen, im Gegensatz zum Flimmern der Stadt, das von Licht und Schatten geprägt ist. Die verborgene Stadt zeigt Werke von Hanns Otte, der sich zeit seines Lebens mit den unbekannten und wenig einladenden Räumen der Stadt beschäftigt.

Die produktive Stadt ist in dieser Ausstellung nur ansatzweise vertreten, würde doch die Auswahl an Werken zu diesem Aspekt eine eigene Ausstellung füllen. Im Kapitel Farben der Stadt haben wir mit rein formalem Blick eine Auswahl getroffen, obwohl einige der Bilder zugleich ganz andere Themen aufzeigen. Die Stadt als Bühne und die Eroberung der Stadt zeigen Werke, die sich auf ein Spiel mit der Stadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern einlassen. Auf der Galerie unseres Depots finden sich zwei weitere Kapitel über die dunkle Stadt, in dem Nachtaufnahmen der Stadt gezeigt werden, und die fiktive Stadt, mit Werken, die sich auf spielerische Weise dem Thema nähern und dieses ausweiten.

Mit diesem Katalog wollen wir einerseits unsere Ausstellung im Depot der Sammlung dokumentieren und andererseits weitere wertvolle Informationen zu den einzelnen Werken bieten, die oftmals viel mehr als nur den Stadtraum zeigen. Ich wünsche viel Freude bei der Lektüre und biete Ihnen noch viele weitere Bilder aus der Sammlung SpallArt in unserer Datenbank online zur Ansicht unter www.sammlung-spallart.at

Andra Spallart, März 2023
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Rudolf Sulke war ein österreichischer Amateurfotograf und Sohn vermögender Eltern. Nachdem er schon im Alter von 47 Jahren in Frühpension gegangen war, widmete er sich ausschließlich der Fotografie. Auf zahlreichen Reisen durch Österreich und Italien fertigte er Aufnahmen mit bevorzugt idyllischen Motiven an, die er mit Unschärfe ausstattete, indem er die Abzüge nahezu ausschließlich im Bromölverfahren bearbeitete – so wie auch in dieser Arbeit durch mehrfachen Umdruck. Nach dem Zweiten Weltkrieg beendete er seine fotografische Tätigkeit, beschickte aber nach wie vor Ausstellungen mit früheren Aufnahmen. Sulke gehört zu den österreichischen Lichtbildnern, die die piktorialistische Manier der Jahrhundertwende am längsten praktizierten und propagierten.

Der Piktorialismus war ein fotografischer Stil, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert vor allem in Europa und Nordamerika aufkam. Er zeichnete sich durch die Betonung der ästhetischen Qualitäten der Fotografie, wie Komposition, Tonalität und Textur, und die Ablehnung des rein dokumentarischen Ansatzes aus. Ziel des Piktorialismus war es, die Fotografie auf die Ebene der bildenden Kunst zu heben; Fotografien sollten ebenso ausdrucksstark und schön sein wie Gemälde oder Skulpturen. (Christoph Fuchs)

Rudolf Sulke

geb. 1885 und gest. 1964 in Wien (AT)

Ohne Titel, 1930er

mehrfacher Bromölumdruck, 39 × 29 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-40, © Rudolf Sulke Nachlass

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Das wohl bekannteste Fotobuch Metal der deutsch-niederländischen Fotografin Germaine Krull zeigt industrielle und mechanische Motive wie Fabriken, Maschinen, Brücken und Werften. Das Buch gilt als Meilenstein der Geschichte der Fotografie und ist bekannt für den innovativen Einsatz von Nahaufnahmen und abstrakten Kompositionen. In den Bildern fing Krull die Energie, Kraft und Dynamik der modernen Industrie ein und spiegelte ihre Faszination für das Maschinenzeitalter und die urbane Landschaft vor dem Hintergrund der Dada- und Bauhaus-Bewegung wider.

Die Eisenkonstruktion, vermutlich am Amsterdamer Hafen, wird nicht als solche abgebildet. Die Schärfeebene befindet sich im Gebäude im Hintergrund, sodass die gesamte Eisenkonstruktion davor als rein abstraktes Muster erscheint. In der oberen Bildhälfte überstrahlt der helle Himmel mit seiner einheitlichen Fläche die davorliegende Eisenkonstruktion, sodass rechtwinkelige und rautenförmige weiße Felder entstehen, die ein Eigenleben zu führen scheinen. (Christoph Fuchs und Fritz Simak)

Germaine Krull

geb. 1897 in Posen (heute: Poznań, PL), gest. 1985 in Wetzlar (DE)

Skelett aus Stahl, um 1926

Gelatinesilberabzug, glänzend, auf Karton, 15 × 11 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-639, © Museum Folkwang Essen / Nachlass Germaine Krull

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Henri Cartier-Bresson war ein Vorbild für viele, die sich in den 1980er Jahren der Fotografie annäherten und für die die Pflichtfiguren des entscheidenden Augenblicks, die ausgewogene Komposition und der schwarze Rand um den Abzug – Beweis für den NichtAusschnitt – die einzigen Garanten für eine „gelungene“ Fotografie waren.

In einer Zeit, in der Photoshop es jedem erlaubt, jede Art von Misserfolg wieder gutzumachen und das Bild nach Belieben zu manipulieren, mögen diese Gebote etwas merkwürdig erscheinen. Wie um es durch Widerspruch zu beweisen, wurde aus einer Auswahl von Bildern alles, was den entscheidenden Moment darstellt, ausradiert. Trop tôt, trop tard (Zu früh, zu spät), so der Titel der Serie, ist einem Film von Straub und Huillet entlehnt, der historische Fakten allein durch lange Kamerafahrten auf der Straße und in der Landschaft erzählt.

Das Ergebnis, das ein anderes Verhältnis zur Zeit herstellt, liefert eine neue Lesart des Werkes des französischen Meisters. Es hebt eine Auswahl topografischer Schauplätze hervor, die sich auf ganz bestimmte Gesichtspunkte beziehen, betont die Geometrie der Kompositionen und lädt uns ein, uns die Wanderungen Cartier-Bressons vorzustellen, auf der Suche nach dem perfekten Ort und dem richtigen Moment, um den Knopf zu drücken. Schließlich vermittelt die so rekonstruierte Welt von Cartier-Bresson ein seltsames Gefühl der Einsamkeit. (Isabelle Le Minh)

Auf Seite 91 findet sich eine weitere Arbeit aus der Serie.

Isabelle Le Minh

geb. 1965 in Schötmar (DE), lebt und arbeitet in Paris (fr)

Hyères, France, 1932

aus der Serie Trop tôt, trop tard (After Henri Cartier-Bresson), 2008 pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Baryt, 13 × 20 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1313, © Isabelle Le Minh

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Andreas Fogarasi thematisiert in seinen Werken urbane Entwicklungsprozesse und die damit einhergehende gesellschaftspolitische Inanspruchnahme von Kunst und Kultur. Architektur gilt ihm dabei stets als Spiegel der Ideen und Utopien jener Gesellschaftssysteme, in denen sie in Erscheinung tritt. In den Fotografien der Serie Mobile, die Fogarasi in den letzten Jahren in unterschiedlichen Städten aufgenommen hat, untersucht er das „Bildwerden“ von Architektur und urbanen Räumen. Häufig hält Fogarasi Situationen fest, in denen die gestalterischen, materiellen und damit auch zeitlichen Schichtungen des Stadtraumes kontrastieren. In diesen Konstellationen fokussiert er auf Details, die Rückschlüsse auf den sozialen Funktionswert der Architekturen und Räume zulassen. (Stephanie Damianitsch)

Der fotografierte Weg befindet sich im Bosque de Chapultepec, dem großen Stadtpark in Mexiko-Stadt und einem der größten Stadtparks der Welt. Er erstreckt sich über eine Fläche von über 800 Hektar und ist ein beliebtes Ziel für Einheimische und Touristen. Der Park hat eine lange Geschichte, die bis zu den Azteken zurückreicht, die das Gelände als Jagdgebiet nutzten. Er diente damals den Herrschern als Residenz, später hatten der Habsburger-Kaiser

Maximilian und mehrere mexikanische Präsidenten dort ihre Wohnresidenz. Während des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges diente er als Militärlager. Im 19. Jahrhundert wurde der Park offiziell als öffentlicher Park ausgewiesen, erweitert und verbessert. Heute beherbergt der Bosque de Chapultepec zahlreiche Attraktionen, mehrere Seen, Gärten und Erholungsgebiete, die ihn zu einem beliebten Ort für Picknicks, zum Joggen und Radfahren machen. Andreas Fogarasi zeigt uns in seinem Bild aber nicht die schönen, bekannten Seiten des Parks, sondern ein zerbrochenes Detail und spielt damit auf die wechselhafte Geschichte des Parks und des Landes an. (Christoph Fuchs)

Andreas Fogarasi

geb. 1977 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT)

• Mobile (Footpath with trees in the Parque de Chapultepec, Mexico City), 2017 aus der Serie Mobile pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 6,2 × 11 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-2481, © Andreas Fogarasi / Bildrecht, Wien

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„Wie eine Vision steigt die Markuskirche aus der Erde heraus, …“ so schilderte John Ruskin, der englische Kenner venezianischer Kunst, zum Zeitpunkt dieser Aufnahme seinen Eindruck von der Markuskirche in seinen zwischen 1851 und 1853 publizierten Stones of Venice. Über Jahrhunderte hinweg galt der Markuskirche die besondere Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher Venedigs. Die Hauptfront an der Piazza mit ihrer an Säulen, Goldmosaiken, Bronze und polychromem Marmor reichen Prachtentfaltung ist in der Malerei, der Grafik und schließlich in der Fotografie das Objekt zahlloser Darstellungen geworden.

Dieser Salzpapierabzug, ein Negativ-/Positivverfahren, wurde als Kontaktabzug hergestellt, bei dem das Negativ dem Format des Positivs entsprach. Bei frühen fotografischen Aufnahmen waren die Belichtungszeiten sehr lange, Menschen und Objekte in Bewegung werden dadurch gar nicht oder nur schemenhaft, wie im Bild links unten zu sehen, abgebildet. Das Bild ist zudem ein Zeugnis für das große technische Wissen der ersten Fotografen.

Als Wachspapier (auch Ölpapier) bezeichnet man ein meist holzfreies Papier, das mit weißem Wachs oder Paraffin getränkt ist. Gustave Le Gray (1820–1882) hat 1851 das verbesserte Aufnahmeverfahren mit Wachspapier eingeführt. (aus Dorothea Ritter, Venedig in frühen Fotografien von Domenico Bresolin, 1996 und Christoph Fuchs)

Domenico Bresolin

geb. 1813 in Padua (IT), gest. 1900 in Venedig (IT)

• Markusdom, Venedig, 1851–1853 Salzpapierabzug eines Wachspapiernegativs auf Karton, 24 × 34 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-554

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Félix Bonfils ist vor allem für seine Fotografien antiker Ruinen, Landschaften und architektonischer Monumente im Nahen Osten bekannt, insbesondere in Syrien, Libanon, Palästina und Ägypten. Gemeinsam mit seiner Frau Lydie und seinem Sohn Adrien eröffnete er in den 1860er Jahren in Beirut, Libanon das erste professionelle Fotostudio der Region. Dort entstanden zahlreiche Fotoabzüge und Alben, die an Touristinnen und Touristen als auch an Sammlerinnen und Sammler verkauft wurden.

Bonfils Fotografien zeichnen sich durch ein hohes Maß an technischem Können und künstlerischer Gestaltung aus und dokumentieren die Menschen, die Kultur und die Architektur der Region in einer Zeit des schnellen Wandels und der Entwicklung. Seine Aufnahmen veröffentlichte Bonfils in großformatigen Bildbänden. (Christoph Fuchs)

Félix Bonfils

geb. 1831 in Saint-Hippolyte-du-Fort (fr), gest. 1885 in Alès (fr)

Damas. Grande mosquée et vue genérale de Damas, 1868–1878

Damas. Vue de Damas et de l’Anti-Liban, 1868–1878

Albuminabzüge in Lederband, je 21 × 28 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-718 und S-719

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Lehnert & Landrock war ein Fotoatelier, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Nahen Osten sowie in Tunesien und Ägypten tätig war und für seine orientalistischen Bilder bekannt war. Rudolf Lehnert und Ernst Heinrich Landrock produzierten Bilder von Menschen, Landschaften und der Architektur Nordafrikas für ein vorwiegend europäisches Publikum. Diese Bilder wurden hauptsächlich in Monografien, aber auch als Originalabzüge, Fotogravuren und lithografische Postkarten verbreitet.

Der Ecce-Homo-Bogen liegt in der Via Dolorosa in der Altstadt von Jerusalem und wurde 135 n. Chr. vom römischen Kaiser Hadrian nach dem Sieg über Bar Kochba errichtet. Der Bogen ist Teil einer Dreibogenanlage. Der südliche Bogen ist jedoch in einem angrenzenden Gebäude verbaut, der nördliche in den Chor der Ecce-Homo-Basilika integriert, sodass beide von der Straße aus nicht mehr sichtbar sind.

Mit dem Ausruf „Ecce homo“ – Siehe, der Mensch – stellt nach der Darstellung des Johannesevangeliums der römische Statthalter Pontius Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaret vor, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sieht. (Christoph Fuchs)

Ernst Heinrich Landrock

geb. 1878 in Reinsdorf (DE), gest. 1966 in Kreuzlingen (CH)

Rudolf Lehnert

geb. 1878 in Großaupa (heute: Velká Úpa, CZ), gest. 1948 in Redeyef (TN)

Jerusalem – Ecce Homo Arch, 1920er Gelatinesilberabzug, 23 × 16,7 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1981

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Adolphe Braun war ein französischer Fotograf, der vor allem für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Werbefotografie bekannt ist. Braun begann seine Karriere als Textildesigner, interessierte sich aber früh für Fotografie und eröffnete 1853 ein Fotostudio in Mulhouse in Frankreich. Im Jahr 1856 wurde Braun zum offiziellen Fotografen der Weltausstellung in Paris ernannt, wo er über 5.000 Werke ausstellte.

In Brauns Atelier entstanden unzählige Fotografien, darunter auch Porträts von Königinnen und Königen, Politkerinnen und Politikern sowie Künstlerinnen und Künstlern, die durch Alben und Bücher weite Verbreitung fanden. Braun zählte zu den erfolgreichsten Werbefotografen seiner Zeit, war aber auch bekannt für seine Architekturfotografien und sein Interesse, die Details und Schönheit historischer Gebäude festzuhalten. Er schuf eine Reihe von Fotografien der Kathedrale von Amiens. Die Bilder der Kathedrale zeichnen sich durch ihre Klarheit und Detailgenauigkeit aus und halten die Größe und Schönheit der Architektur fest. Einige seiner Fotografien zeigen die komplizierten bildhauerischen Details und Glasfenster der Kathedrale. Diese Arbeiten sind ein wichtiges Zeugnis der Geschichte und Architektur der Kathedrale und werden heute noch zur Erforschung der Baugeschichte herangezogen.

(Christoph Fuchs)

Adolphe Braun

geb. 1812 in Besançon (fr), gest. 1877 in Mulhouse (fr)

Kathedrale von Amiens, 1870er Pigmentdruck auf Karton, 77 × 63 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-202

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Der Konstantinsbogen wurde um das Jahr 312 begonnen und am 25. Juli 315 geweiht. An diesem Tag feierte der römische Kaiser Konstantin den Beginn seines zehnten Regierungsjahres. Der Bogen wurde an prominenter Stelle errichtet: Er überspannt in unmittelbarer Nähe des Kolosseums die Via Triumphalis. Diesen Weg schlugen traditionell alle Triumphatoren ein, wenn sie vom Circus Maximus kommend den Palatin umrundeten. Der Fotograf hat seinen Standpunkt sehr bewusst gewählt, sodass das rechts sehr nahe Kolloseum nicht störend ins Bild ragt. Es gibt unzählige historische Fotografien des Konstantinsbogens, doch nur wenige mit einer derartigen Größe und perfekten Ausführung als Lichtdruck.

Der Lichtdruck, auch als Kollotypie bezeichnet, ist ein Edeldruckverfahren, das im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zur Herstellung hochwertiger fotografischer Abzüge beliebt war. Eine Glas- oder Metallplatte wird mit einer lichtempfindlichen Emulsion beschichtet. Hierbei entsteht das für den Lichtdruck typische, sehr feine sogenannte Runzelkorn. Anschließend wird ein Negativ auf die beschichtete Oberfläche gelegt und die gesamte Einheit belichtet. Die Emulsion härtet dort aus, wo sie belichtet wurde, während sie in den Bereichen, die nicht belichtet wurden, weich und löslich bleibt. Nach der Belichtung wird die Platte in Wasser eingeweicht, wodurch sich die ungehärtete Emulsion auflöst und ein Reliefbild zurückbleibt, das zur Herstellung des endgültigen Drucks verwendet wird. Das Reliefbild wird dann mit Tinte eingefärbt und auf ein Blatt Papier übertragen.

Da es keine Aufrasterung gibt und das Runzelkorn sogar eine bessere Auflösung bietet als das heute übliche elektronische Raster, entsteht eine so originalgetreue Wiedergabe der Vorlage, wie sie mit keinem anderen Druckverfahren erreicht werden kann. Mit keiner anderen Technik können so feine Linien und Verläufe in allen Tonwerten in einem Druckvorgang hergestellt werden. Das Verfahren war jedoch arbeitsintensiv und teuer und wurde schließlich durch andere, effizientere Druckverfahren ersetzt. (Christoph Fuchs)

unbekannt

Konstantinsbogen, Rom, 1880er Lichtdruck auf Karton, 48 × 66 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-377

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Dieses Bild ist einerseits ein wunderbares Beispiel für eine frühe Farbfotografie und andererseits ein Beispiel aus einem Reise-Fotoalbum. Die Aufnahme zeigt den Dresdner Hauptbahnhof kurz nach seiner Eröffnung im Jahr 1898 in einem Photochromdruck.

Der Technik wurde in den 1880er Jahren vom Zürcher Lithografen Hans Jakob Schmid (1856–1924) entwickelt. Annähernd einhundert Jahre lang war der Photochromdruck das effektivste rasterlose Flachdruckverfahren zur Herstellung von hochwertigen Farbreproduktionen, seine Blütezeit erlebte er in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Der Begriff ist einige Jahrzehnte älter als die heute darunter verstandene Technik. Als Zusammensetzung aus den griechischen Worten photos (Licht) und chroma (Farbe) bedeutet er denn auch nichts anderes als Farblichtbild. Obwohl die Hersteller jahrzehntelang den Eindruck vermitteln wollten, beim Photochromdruck handle es sich um eine Art der Farbfotografie, ist der Photochromdruck in Wirklichkeit ein Flachdruckverfahren. Dabei wird das Negativ einer Schwarzweiß-Fotografie auf einem mit einer Asphaltmischung überzogenen Lithostein belichtet. Für jede zu druckende Farbe wird auf diese Weise eine Platte hergestellt. Dann wird der Stein mit der jeweiligen Farbe eingefärbt und das Motiv in den verschiedenen Farbtönen übereinander auf Papier oder Karton gedruckt. Das komplizierte Verfahren wurde 1888 gleichzeitig in Frankreich und Österreich-Ungarn zum Patent angemeldet.

(Christoph Fuchs)

unbekannt

Dresden Hauptbahnhof, um 1900 aus einem Reisealbum mit Ansichten von Europa und dem Nahen Osten Photochromdruck, 16 × 22 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1290

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Ferdinando Ongania war ein Antiquar, Verleger und höchstwahrscheinlich auch Fotograf mit einem Geschäft am Markusplatz in Venedig. Seine Liebe zu Venedig inspirierte ihn dazu, die Architektur seiner geliebten Stadt in über 170 Büchern festzuhalten, wobei Calli e Canali di Venezia sicherlich sein Meisterwerk war. Das Markusmuseum in Venedig zeigte 2011 eine Ausstellung, die Onganias Werk würdigte.

Diese wunderschönen Originalfotografien auf luxuriösem, dickem Papier zeigen ein Venedig einer vergangenen Ära, das für immer verloren ist – ein Jahrhundert vor der Invasion von jährlich 15 Millionen Touristinnen und Touristen, die die Stadt heute füllen. Die Heliogravuren zeigen die idyllische Alltagswelt aus Palazzi, Kanälen und Brücken in äußerst präzisen und gestochen scharfen Aufnahmen. (Christoph Fuchs)

Ferdinand Ongania

geb. 1842, gest. 1911, lebte in Venedig (IT)

aus der Serie Calli e Canali di Venezia, 1891–1900

Heliogravuren, 34 x 23 cm / 22 × 34 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-S-552

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• Lucas Samaras (*1936)

Photo-Transformation, 1976

Polaroid SX-70

SFMOMA,

Robert Zahornicky bearbeitet und verfremdet seine Ansichten von Venedig als Reminiszenz auf die berühmte Serie Photo-Transformations von Lucas Samaras, entstanden von 1973 bis 1976.

Samaras war bereits als Bildhauer, Maler und PerformanceKünstler bekannt, als er 1969 mit der Fotografie zu experimentieren begann. Mit einer Polaroidkamera schuf er hunderte von üppigen, eigenwilligen Bildern von seinem Lieblingssujet: sich selbst. In der Serie Photo-Transformations erweiterte Samaras die formalen Möglichkeiten des Polaroids, indem er die nassen Farbstoffemulsionen der Sofortbildabzüge während der Entwicklung mit der Hand oder einem Stift ritzte, verschmierte und tupfte. (Christoph Fuchs)

Diese vier Polaroids wurden auf SX-70 Filme aufgenommen, der zur damaligen Zeit noch nicht so perfekt war. Es ließen sich die Schichten der Emulsion mittels Fingernagel oder Bleistift verschieben, das ergab diesen malerischen Effekt. (Robert Zahornicky)

Robert Zahornicky

geb. 1952 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Pressbaum (AT)

Ohne Titel, 1981

Sofortbilder (Polaroid SX-70) bearbeitet, je 10 × 9 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1072 bis S-1075

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Collection Gift of Dr. William and Nancy Tsiaras, © Lucas Samaras

Jeff Nixon zeigt hier eine idealtypische Perspektive der Häuserschluchten von Manhatten in New York mit Blick vom Empire State Building Richtung Süden. Im Vordergrund an der Ecke 5th Avenue und dem durch die Sonne hell erleuchteten Broadway – links im Bild – das 22-stöckige Flatiron Building. Im Gegenlicht in der Ferne zeichnet sich die Silhouette von Lower Manhattan ab. Gut zu erkennen die beiden damals noch bestehenden Türme des World Trade Centers. Die über 400 Meter hohen Wolkenkratzer lösten bei ihrer Fertigstellung 1972 das 381 Meter hohe Empire State Building als höchstes Gebäude der Welt ab, das 41 Jahre lang diesen Titel für sich beanspruchen konnte. (Christoph Fuchs)

Jeff Nixon

geb.

1952 in Oakland (US), gest. 2022 in Salinas (US)

New York City, from the Empire State Building, 1990er

Gelatinesilberabzug auf Karton, 26 × 34 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1215, © Jeff Nixon

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Anton Trofymov stammt aus der Ukraine. Er studierte Theater, Film und Fernsehen in Kiew und arbeitete als Musikvideoregisseur und Regieassistent an der Nationalen Cinematheque der Ukraine. Im Jahr 1999 zog Trofymov in die Vereinigten Staaten nach New York und widmete sich ganz der Fotografie. Seine Arbeitsweise ist noch komplett analog. Er fotografiert auf SW-Negativfilmen mit Mittelformat- und Fachkameras und er produziert von seinen Aufnahmen Silbergelatineabzüge in der eigenen Dunkelkammer.

In großformatigen Bildern zeigt Anton Trofymov ein New York abseits der Attraktionen und Sehenswürdigkeiten. Aus vielen Filmen kennen wir die schönen Backstein-Wohnhäuser mit ihren charakteristischen Stiegenaufgängen in South Brooklyn. Im Bild wirkt es fast so als würde die schöne, renovierte Seite der Stadt, die Gentrifizierung, von links ins Bild kommen und die Stadt erobern. South Brooklyn ist ein historischer Begriff für einen Teil der ehemaligen Stadt Brooklyn – heute ein Stadtbezirk von New York. Es wurde nach seiner Lage am Wasser benannt, das die südliche Grenze des ursprünglichen Village of Brooklyn bildete und ist als umgangssprachlicher Ausdruck weit verbreitet geblieben.

Wichtig ist Trofymov der dokumentarische und ungeschönte Blick auf die Stadt und so werden auch seine Aufnahmen auf das Fotopapier belichtet – direkt und unbearbeitet. Dabei wird auch der Rand der einzelnen Kader mitbelichtet. Kennerinnen und Kenner können so nicht nur den verwendeten Film eroieren sondern auch den verwendeten Kameratypus und manchmal auch die spezifische Arbeitsweise des Fotografens in der Dunkelkammer. Jede Kamera hinterlässt ihre individuellen Spuren an den Rändern der Negative, so sind in diesem Bild die Ecken unbelichtet was auf eine Fachkamera mit einem größeren Negativformat und Planfilm schließen lässt. (Christoph Fuchs)

Anton Trofymov

geb. 1967 in Kiev (UA), lebt und arbeitet in New York (US) •

Union Street 2, South Brooklyn, 2000er Gelatinesilberabzug, 103 × 81 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-305, © Anton Trofymov

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Streifen haben bei dieser Aufnahme Albert Renger-Patzsch in ihren Bann gezogen, denn neben der ausgewogenen Komposition von Häuserzeile mit Feuermauer, dem Zaun, einer Straßenlaterne und dem Kirchturm beherrschen ebendiese Streifen das Bild: Die Straße mit ihren Fahrrinnen, die Straße querende Schatten, der Zaun mit seinen Latten und ein breiter heller Strich in der Mitte der Feuermauer. Das Zusammenspiel all dieser Elemente gibt dem Bild eine surreale Note.

Besonderes Augenmerk dürfte Renger-Patzsch auf die eigentümlichen Laternen in Oberhausen im Ruhrgebiet gelegt haben. Die alten Gaslampen wirken fast wie fremde Wesen in der von Schwerindustrie geprägten Gegend. (Fritz Simak und Christoph Fuchs)

• Bei Oberhausen, 1931

© Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht Wien

Albert Renger-Patzsch

geb. 1897 in Würzburg (DE), gest. 1966 in Wamel (DE)

Straße in Oberhausen, Ruhrgebiet, 1932 (Abzug 1977)

Gelatinesilberabzug, 25 × 18 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-667, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht Wien

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Paul Freiberger war Amateurfotograf in Wien. In seinen Bildern griff er die Anregungen des Neuen Sehens auf. Durch den erhöhten Blickpunkt und die Position der Straßenlaterne im linken Bildrand wird die Modernität des Bildes in ihrer grafischen Struktur unterstrichen. Wie im Vergleich der beiden Bilder zu erkennen ist, verging einige Zeit zwischen den Aufnahmen, die der Künstler vermutlich vom Fenster seiner Wohnung oder seines Ateliers aus angefertigt hatte. Hier wird die Dynamik des Bildes durch die Platzierung der beiden Frauen unterstrichen. (Fritz Simak)

Paul Freiberger

geb. 1896 in Wien, gest. 1962 in Wien (AT)

Die Straße, 1929

Gelatinesilberabzug auf Karton, 28 × 22 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-596, © Paul Freiberger Nachlass

Straße, 1930er

Gelatinesilberabzug auf Karton, 29 × 23 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-443, © Paul Freiberger Nachlass

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Die Auseinandersetzung mit Flüchtigkeit und Dauer findet sich in vielen Arbeiten von Werner Schrödl, so auch in seiner frühen Serie Whyte Avenue. Diese besteht aus sieben Schnappschüssen aus dem Fenster seines temporären Ateliers in Brooklyn auf die hell beleuchtete nächtliche Whyte Avenue, wo sich zum Teil wilde Szenen zwischen Zuhältern und Prostituierten abgespielt haben. Mit der Wirklichkeit ein experimentelles Spiel treibend, konnte es für Schrödl nicht bei diesen Fotos bleiben. So hat er später auf den Originalaufnahmen, auf denen nur flüchtige Erscheinungen, verschwommene Menschen in Bewegung zu sehen sind, Miniaturfiguren in erstarrter Aktion platziert und fotografiert und damit mindestens eine zweite Zeitebene hinzugefügt. In diesen MiniModellwelten werden aus den ursprünglich einmalig festgehaltenen Zeitmomenten „dauerhafte“ Situationen, wie sie sich über lange Zeit immer wieder ähnlich abspielen (könnten). Durch fiktionale und inszenatorische Elemente wird aber gleichzeitig auch konstatiert, dass in einer unstabilen Welt nichts verbindlich, nichts gewiss, nichts von Dauer ist. (Petra Noll)

Werner Schrödl

geb. 1971 in Vöcklabruck (AT), gest. 2019 in Ulm (DE)

Whyte Avenue, 1988

C-prints, je 39

× 49 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1130 bis S-1136, © Werner Schrödl Nachlass

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Die Dokumentarfotografie erlebte in den Vereinigten Staaten in den 1930er Jahren mit dem Beginn der Großen Depression einen wahren Boom. Besonders New York wurde in dieser Zeit im Rahmen des Federal Arts Project und der Works Progress Administration sowie von der 1936 gegründeten Workers Film and Photo League fotografisch dokumentiert. Die Photo League war eine politsch linksorientierte Organisation, die mit dem Ziel gegründet wurde, die sozialen Unterschiede in den Staaten zu dokumentieren. Die Photo League schuf einen Beirat, dem unter anderem Berenice Abbott und Paul Strand angehörten, und gründete Feature Groups, um das Leben in den ärmeren Vierteln zu dokumentieren. Die bemerkenswerteste dieser Feature Groups wurde von Aaron Siskind geleitet und umfasste Morris Engel und Jack Manning. Diese Gruppe schuf eine bemerkenswerte Serie von Fotografien, die als The Harlem Document bekannt wurde und das Leben in New Yorks wichtigstem Zentrum afro-amerikanischer Kultur dokumentieren sollte.

Diese Straßenszene stammt aus einer Serie mit dem bezeichnenden Titel The Most Crowded Block in the World. Das Projekt, das Siskind nach seinem Austritt aus der Photo League umsetzte, umfasste den quadratischen Block zwischen der 142. und 143. Straße sowie der Lenox und der Seventh Avenue und stellte im Wesentlichen eine Erweiterung der Harlem Serie dar. (Christoph Fuchs)

Aaron Siskind

geb. 1903 in New York (US), gest. 1991 in Providence (US)

Street Scene 2, 1940 (Abzug 1980er)

aus der Serie The Most Crowded Block in the World Gelatinesilberabzug, 24 × 21 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-665, © Aaron Siskind Foundation

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Vor den Schaufenstern eines Feinkostladens treten die in der Mitte befindlichen Personen, das junge Mädchen und die alte Frau, direkt mit den Betrachtenden in Blickkontakt, während die anderen vier Kinder untereinander agieren. So spiegeln alle sechs Personen durch ihre Aktionen die unruhige Fassade dahinter wider. Warum Lou Jacobs Jr. diese Aufnahme in England machte ist nicht bekannt. Jacobs Jr. wuchs in Pittsburgh (US) auf, nachdem er im Zweiten Weltkrieg gedient hatte zog er nach Kalifornien, wo er am Art Center College of Design Fotojournalismus studierte und später als Redaktionsfotograf arbeitete. Jacobs Jr. beschreibt sich selbst als Designer und Maler, der zum Fotografen und Schriftsteller wurde. Er begann in den 1940er Jahren mit einer Fachkamera Kunstfotografien zu machen. In dieser Zeit schloss er Freundschaft mit Edward Weston, dem er gelegentlich Abzüge zur Kritik vorlegte. In den 1940er und 1950er Jahren begann er auch, seine Kamera auf die Gesichter befreundeter Künstlerinnen und Künstler zu richten. Später veröffentlichte er eine Vielzahl von Fotografie-Ratgebern wie etwa How to Take Great Pictures und The Secrets of Close-Up Photography. (Fritz Simak und Christoph Fuchs)

Lou Jacobs Jr.

geb. 1921 in Dayton (US), gest. 2019 in US

Rushton, England, 1955 (Abzug 1990er)

Gelatinesilberabzug, 23 × 29 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-565, © Lou Jacobs Jr. Estate

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Anfang 1946 reiste der Fotograf Edward „Ed“ Clark nach Paris, um das Aussehen und die Stimmung der französischen Hauptstadt weniger als ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs festzuhalten. Die Bilder, die er dort machte, zeigen nicht das fröhliche, unzüchtige Paris der populären Vorstellung, sondern einen Ort, der, wie LIfE seinen Leserinnen und Lesern mitteilte, eine „düstere und deprimierende Enttäuschung“ für all jene war, die das Paris des Maxim‘s, des Ritz, der Folies Bergère, des Moulin Rouge und der anderen legendären, libidinösen Vergnügungen der Stadt erwarteten.

Die Pariser selbst waren unterdessen „kalt, hungrig, verwirrt und vor allem müde, zu sehr damit beschäftigt, sich am Leben zu erhalten, um sich um Unterhaltung zu kümmern … (Der typische amerikanische GI in Paris zu dieser Zeit) fühlte sich betrogen. Wo war das Paris, von dem er gehört hatte?“

Das Paris (von Clarks Fotos) ist das Paris der Pariserinnen und Pariser und aller anderen, die es erobern wollen. Es ist ungeschminkt, düster und schön. Die meisten Bilder wurden bei Nebel oder Regen aufgenommen, wenn die scharfen, klaren Linien der Türme und Brücken der Stadt durch einen grauen Vorhang dringen. Dies ist das Paris, das weder die Deutschen noch die GIs ändern konnten. Selbst im Zeitalter der Atombombe ist es so unzerstörbar wie der Fluss.

Wie zahllose Reisende vor ihm im Laufe der Jahrhunderte ist auch Ed Clark in den Bann der großen, wunderschönen Stadt geraten. Tatsächlich behauptete der aus Tennessee stammende Mann einmal, dass er, als er den Auftrag erhielt, „nicht wusste, wo Frankreich liegt, geschweige denn Paris“. Aber als er auf einen jungen Maler in Montmartre stieß, fand er es „so schön, dass ich einfach anfing zu fotografieren“. (Ben Cosgrove und Liz Ronk, LIfE)

Edward Clark

geb. 1911 in Nashville (US), gest. 2000 in Sarasotal (fr)

• Paris flower market, 1945

Gelatinesilberabzug auf Karton, 24 × 25 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-531, © Edward Clark Estate

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Der durch seine Aufnahmen von Föten im Mutterleib bekannt gewordene Lennart Nilsson zeigt hier eine Ansammlung von Stierköpfen, die die Aufmerksamkeit der Betrachterin und des Betrachters auf sich ziehen, während die Personen im Bildhintergrund wohl das für uns nicht sichtbare Geschehen des Abtrennens der Stierköpfe vom Rumpf beobachten. Der gleichsam erstarrte Junge mit Anzug und kurzer Hose blickt gespannt auf das Geschehen. Der Mann links im Vordergrund wetzt sein Messer für eine weitere Bearbeitung der Stierköpfe. (Fritz Simak)

Lennart Nilsson

geb. 1922 in Strängnäs (SE)

• Barcelona, Spain, 1957

Gelatinesilberabzug, 25 × 19 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-524, © Lennart Nilsson Estate

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Ungewöhnlich großer Abzug eines Reportagefotos, das dadurch die Herkunft Hanhs aus dem Bereich der Amateurfotografie offenlegt. Er gilt als einer der profiliertesten Kriegsfotografen Südvietnams, dessen Bilder in vielen Ausstellungen zu sehen waren. (Fritz Simak)

Die dominierenden Elemente im Bild sind der Rauch und die zu Sträußen gebündelten Räucherstäbe in den Armen der Menschen sowie die großen Räucherspiralen, die an der Überdachung angebracht sind. Räucherwerk hat in den buddhistischen Pagoden eine religiöse und spirituelle Bedeutung. Es wird normalerweise während der Zeremonien und Gebete von Mönchen und Gläubigen verwendet, um den Raum zu reinigen und zu erfrischen. Die Verwendung von Räucherwerk hat im Buddhismus eine lange Tradition und wird oft als eine Form der Opfergabe betrachtet. Es wird angenommen, dass der Rauch die Götter und Geister anzieht und sie dazu ermutigt, den Ort zu besuchen und Segen zu bringen. Es wird auch angenommen, dass der Duft das Herz öffnet und den Geist beruhigt, was zu einem erhöhten Gefühl der Spiritualität und Konzentration führt. (Christoph Fuchs)

Nguyen Ngoc Hanh

geb. 1927 in Ha Dong (VN), gest. 2017 in San Jose (US)

• At the Pagoda, 1960er

C-Print auf Karton, 39 × 49 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-777, © Nguyen Ngoc Hanh

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Ruth Orkin (1921–1986)

An American Girl in Italy, 1951

Gelatinesilberabzug

© Ruth Orkin Estate

Etwa gleichzeitig mit Garry Winogrand, der in den 1950er Jahren an der Serie Women are Beautiful zu arbeiten begann und das Projekt bis 1975 fortführte (siehe nächste Seite), zeigt Karl Peters ebenfalls Frauen im urbanen Raum. Während Winogrand schon im programmatischen Titel seinen voyeuristischen Blick und gleichzeitig seine verehrende Einstellung Frauen gegenüber zum Ausdruck bringt, zeigt Peters, ähnlich wie Ruth Orkin im ikonographischen Bild An American Girl in Italy, die Frau als Zielpunkt aggressiver männlicher Begehrlichkeiten. (Fritz Simak)

Karl Peters

geb. 1937 in DE, lebt und arbeitet in Düren (DE)

Ohne Titel, 1965

aus der Serie Die Straße (El Carrer), Barcelona-Raval

Gelatinesilberabzüge auf Karton, je 49 × 60 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1192, © Karl Peters

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Garry Winogrand, der unter anderem mit seiner Serie Women are beautiful international Aufsehen erregte, zeigt in diesem Bild eine Straßenszene am Venice Beach in Los Angeles, wo er seit 1978 auch wohnte. Dieser Schnappschuss besticht durch die Komposition mit den beiden männlichen Figuren im Hintergrund, die gleichsam als Verankerung für den nackten männlichen Rücken und der verzweifelt blickenden, alten und zugeknöpften Frau dienen.

Winogrand veröffentlichte die Serie Women are beautiful in einem Buch 1975, auf dem Höhepunkt der feministischen Frauenbewegung. In der Einleitung des Buches schreibt er: „Wann immer ich eine attraktive Frau gesehen habe, habe ich mein Bestes getan, um sie zu fotografieren. Ich weiß nicht, ob alle Frauen auf meinen Fotos auch schön sind, aber ich weiß, dass die Frauen auf den Fotos schön sind.“

Heutzutage, nach dem Aufkommen der Debatten um Persönlichkeitsrechte und einer Bilderflut über Social Media sind intime Aufnahmen wie diese kaum mehr vorstellbar – denn es scheint als gesichert, dass Winogrand niemals um Erlaubnis fragte, wenn er seinen Auslöser an der Kamera betätigte. (Fritz Simak und Christoph Fuchs)

Garry Winogrand

geb. 1928 in New York (US), gest. 1984 in Tijuana (MX)

• Venice, California, 1979 aus der Serie Women are better than men. Not only have they survived, they do prevail. Gelatinesilberabzug, 22 × 33 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-533, © The Estate of Garry Winogrand

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Ein Bild aus einer Serie, die in Kalabrien in den Jahren 1984 und 1985 entstand und von einem poetischen Text mit dem Titel Il canto dei nuovi emigranti (Das Lied der neuen Emigranten) von Franco Costabile inspiriert wurde, dem wütenden und herzlichen Ausbruch derer, die ihre Heimat verlassen mussten.

Giacomelli besuchte die Ortschaften Cutro, Badolato, Pentedattilo, Caraffa di Catanzaro, Tiriolo und Copanello di Catanzaro und sagt, er habe dort etwas gefunden, was er nicht erwartet habe. Das Szenario, das sich ihm bot, hatte nichts mit dem von Menschen überfüllten und armen Süden des Gargano im Jahr 1958 zu tun, aus dem die Serie Apulien entstand. Auch nicht mit dem malerischen Süden von Scanno, den er 1957 und 1959 bereiste. Für Giacomelli war Kalabrien, mit Costabiles Poesie an der Spitze, der Ort der Abwesenheit, der Präsenz, die auf dem Grat der Abwesenheit balanciert. Die Häuser, die vom Berg zerfressen zu sein scheinen, der durchlöcherte Felsen von Pentedattilo und die rätselhaften Situationen, die Giacomelli uns mit Figuren schildert, die in ewiger Unbeweglichkeit zu verharren scheinen, sind die Protagonisten dieser Serie. (Archivo Mario Giacomelli)

Mario Giacomelli

geb. 1925 und gest. 2000 in Senigallia (IT)

• Calabria, 1984–1985

aus der Serie Il canto dei nuovi emigranti (di Franco Costabile) Gelatinesilberabzug, 20 × 27 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-640, © Archivo Mario Giacomelli, Senigallia

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Eine der bekanntesten Serien des tschechischen Fotografen

František Drtikol war die Serie Courtyards and Shadows, die er in den 1910er und 1920er Jahren schuf. In dieser Serie hielt Drtikol komplizierte Muster und Texturen und das Spiel von Licht und Schatten fest. Er verwendete starke Kontraste und tiefe Schatten, um ein Gefühl von Tiefe und Geheimnis in seinen Bildern zu erzeugen. Courtyards and Shadows ist eine kraftvolle und eindrucksvolle Serie, die Drtikols Beherrschung von Licht und Form unter Beweis stellt. Sie ist ein klassisches Beispiel für die Fotografie des frühen 20. Jahrhunderts. (Christoph Fuchs)

František Drtikol

geb. 1883 in Příbram (CZ), gest. 1961 in Prag (CZ)

• Ohne Titel, 1911 aus der Serie Courtyards and Shadows

Bromölumdruck, 20 × 13 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-155, © František Drtikol Nachlass

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„Die Photographie ist mein Lebensziel, mein Lebenszweck und meine Lebensfreude“, heißt es im Katalog zur Kunstfotografie-Ausstellung Steiermark, veranstaltet vom Club der Amateurfotografen und der Kunstfotografischen Vereinigung, in Graz 1912.

Cécile Machlup hatte 1892 den Industriellen Berthold Machlup geheiratet und verbrachte ab 1901 die Sommer auf ihrem Landgut in der Steiermark an der Grenze zu Slowenien, was ihre Reisen in das 250 km entfernte Görz – damals noch zu Österreich-Ungarn gehörend – erklären könnte. Die Menschen in Machlups Aufnahmen der alten engen Straßen und Gassen sind zumeist Frauen und Kinder. Es scheinen gestellte Szenen zu sein, die sie inszeniert hat, um die Straßenszenen zu verschönern.

Seit 1907 war sie als Amateurfotografin tätig und galt bis in die 1920er Jahre als Anhängerin des Piktorialismus. Als eine der wenigen weiblichen Mitglieder der bekanntesten Fachgruppe Fotografie der Volkshochschule Ottakring gehörte sie zur Bewegung der Wiener Arbeiterfotografie. Diese Fachgruppen waren lose organisierte Arbeitskreise, die über eigene, oft bestens ausgestat-

tete Räumlichkeiten verfügten. Die Ottakringer Fotogruppe verfolgte einen gemäßigten modernen Kurs, zwar wurden die neusachliche Fotografie oder das Neue Sehen vorsichtig rezipiert, aber stilgebend wurde es nicht. Für ihre Genrebilder und Kinderporträts sowie die Qualität ihrer Bromöldrucke wurde Machlup ab 1927 zum Ehrenmitglied ernannt.

Im Februar 1934 verlor die Arbeiterfotografie mit einem Schlag ihre – ohnehin schmale – Öffentlichkeit, als alle sozialdemokratischen Zeitungen und Publikationen verboten wurden.

Machlup starb kurz bevor der Anschluss an das Deutsche Reich im März 1938 in Kraft trat, was schon zuvor zu Angriffen auf Juden wie sie und ihren Mann führte. Die Todesursache ist nicht überliefert, aber sie war im Alter von siebzig Jahren zweifellos von zarter Konstitution und man kann sich vorstellen, dass der Stress der Zeit, als jüdische Geschäftsleute durch die Straßen geführt und ihre Häuser beschlagnahmt wurden, allein schon ihrer Gesundheit geschadet hat. (nach James McArdle und Anton Holzer, Fotografie in Österreich, 2013)

Cécile Machlup

geb. 1868 und gest. 1938 in Wien (AT)

Görz, um 1920

non-silver dichromate, 49 × 34 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-44

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Blanc et Demilly ist der Name des Fotostudios in Lyon, das von Théodore Blanc (1891–1985) und Antoine Demilly (1892–1964) von 1924 bis 1963 betrieben wurde. Blanc und Demilly hatten das Atelier von ihrem Schwiegervater Édouard Bron geerbt, nachdem dieser in den Ruhestand getreten war und beide an seiner Seite eine mehrjährige Lehre absolviert hatten. Blanc und Demilly benannten das Atelier um und spezialisierten sich auf Familienfotos und Porträts von Persönlichkeiten aus Politik, Literatur, Kunst und Medizin in Lyon. Nach der Erweiterung ihres Ateliers eröffneten sie 1935 die Galerie Blanc et Demilly, in der sie ihre künstlerischen Arbeiten und die Bilder talentierter Amateurinnen und Amateure ausstellten. Sie nutzten die Galerie, um die fotografische Gemeinschaft in Lyon zu fördern, verkauften Rolleiflex- und Leica-Kameras (die sie in den späten 1920er Jahren in Lyon einführten), organisierten Workshops und Wettbewerbe und gaben monatlich ein Bulletin d’informations photographiques heraus. Blanc et Demilly wurden beauftragt, fotografische Illustrationen für Publikationen über Lyon anzufertigen. In den 1930er, 1940er und 1950er Jahren nahmen sie an Ausstellungen teil und präsentierten ihre Bilder oft unter ihrem eigenen Namen, aber mit ihrer gemeinsamen Signatur. Sie schlossen die Galerie 1951 und standen 1963 der Ankunft neuer Fachleute und einem Rückgang der Nachfrage gegenüber. Sie verkauften das Atelier, die Signatur und fast alle ihre Negative an René Comte, der das Atelier schließlich drei Jahre später schloss. (Mitra Abbaspour, MoMA)

Blanc et Demilly

Fotostudio 1924 bis 1963 in Lyon (fr)

Lyon, um 1939

Gelatinesilberabzug auf Karton, 50 × 43 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-203, © Estate of Blanc et Demilly

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Auf den ersten Blick scheinen alle Menschen im Bild zufällig nebeneinander. Das Bild präsentiert sich uns wie ein wahlloser Schnappschuss einer Straßenszene, dessen einziger Grund für die Motivwahl die mystische Beleuchtung war, die die Menschen im Bild wie auf einer Bühne auftreten lässt. Bei genauerer Betrachtung konzentriert sich jedoch alles auf eine Person, nämlich jenen Mann mit der Zeitung leicht links der Mitte. Die zwei Männer im Hintergrund kommunizieren miteinander – man achte dabei auf die Hand des Mannes mit der Lederjacke. Der Fahrradfahrer scheint im Vorbeifahren irgendetwas mitzubekommen und es gibt noch eine weitere Person, die die ganze Szenerie beobachtet. Was haben die beiden vor? Wissen die beiden, dass der Wachmann im Schatten des Gebäudes sie beobachtet? Welche Rolle können wir als Betrachtende einnehmen?

Zur Zeit der Entstehung des Bildes arbeitete Stephan Reusse an Geschichten, die ihren Ausgangspunkt in Szenen wie dieser suchten. Es sind Schlüsselbilder für ein Narrativ, das in der Vorstellungswelt der Betrachterinnen und Betrachter entstehen sollte. Meist sind es kleine Details, die das Initial für die Geschichte bilden – so wie im vorliegenden Bild die fast unmerkliche Kommunikation der beiden Männer im Hintergrund. Die Szene war jedoch keine zufällig vorgefundene, alles war genau durchorganisiert, alle Personen und Plätze vor Ort arrangiert und mit einer 4 × 5-Inch-Fachkamera aufgenommen. Wichtig war dabei der Versuch einer Interaktion mit den Menschen vor Ort, die sich zu einer Geschichte zusammenfinden sollten – ähnlich wie in Reusses Werkgruppe der Collaborationen (Christoph Fuchs)

Palermo, 1997

C-Print, 70 × 57 cm

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Stephan Reusse geb. 1954 in Köln, lebt und arbeitet in Köln (DE) Sammlung SpallArt, Inv. S-810, © Stephan Reusse / Bildrecht, Wien

Harry Callahan, als einer der einflussreichsten Fotografen der amerikanischen Nachkriegszeit, war in seiner Arbeit intuitiv und introvertiert, von Beginn seiner Karriere an war seine Frau Eleanor ein zentrales Thema seiner Fotografie und seine Muse. Während seiner gesamten Karriere waren Callahans Fotografien eine zutiefst persönliche Antwort auf sein eigenes Leben: er fotografierte seine Frau und seine Tochter sowie die Straßen, Szenen und Gebäude der Städte, in denen sie lebten oder die sie besuchten. Im Jahr 1956 erhielt er den Graham Foundation Award, der es ihm ermöglichte, von 1957 bis 1958 ein Jahr mit seiner Familie in Frankreich zu verbringen. Er ließ sich in Aix-en-Provence nieder, wo er viele Fotos machte und von wo er vermutlich auch Venedig besuchte. Zwanzig Jahre später war er der erste Fotograf der ausgewählt wurde, um die Vereinigten Staaten auf der Biennale von Venedig 1978 zu vertreten. (Christoph Fuchs)

Das Bild lebt durch das extreme Streiflicht und die dadurch entstehende grafische Struktur. Die Menschen geben dem Ganzen eine dynamische Note. Die Belichtungszeit wurde derart gewählt, dass die Passantin und der Passant leicht unscharf und damit in der Bewegung gut erfasst abgebildet werden. (Fritz Simak)

Harry Callahan

geb. 1912 in Detroit (US), gest. 1999 in Atlanta (US)

• Venice, 1957 (Abzug 1970er)

Dye-Transfer Print, 22 × 34 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-24, © Estate of Harry Callahan / PaceWildensteinMacGill, New York

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Anfang der 1930er Jahre kam Walfred Robert Moisio nach New York und widmete sein Leben über drei Jahrzehnte lang der Beobachtung der sich ständig verändernden Straßen von New York. Er hielt eine Zeit fest, in der elegant gekleidete Geschäftsleute der Wall Street und eine prächtige Skyline aus Stein und Stahl aufblühten, jedoch im Kontrast zur großen Wirtschaftskrise (Great Depression) standen. Moisios Streetphotography fängt viele der kulturellen und historischen Ereignisse der 1930er und 1940er Jahre kunstvoll ein und präsentiert uns gleichzeitig einen ganz eigenen Blickwinkel auf die Stadt. Mit ehrlichem und dokumentarischen Stil erkundet er die sozialen Probleme der Zeit. Die Fotografien seines New Yorks zeigen Optimismus und eine Stadt, die nun längst verloren gegangen ist. Fast ein halbes Jahrhundert lang lagerten Moisios Fotografien im Keller seines Hauses in Massachusetts. Die Öffentlichkeit hatte bis dahin nur eine Handvoll dieser Bilder gesehen. (Scott Berube, American Photography Archives Group)

Walfred Robert Moisio

geb. 1910 in Fitchburg (US), gest. 2002 in Leominster (US)

Depression, New York City, NY, 1938

Gelatinesilberabzug, 23 × 31 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-210, © Walfred Moisio Estate

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Besonders bekannt sind die Aufnahmen von Todd Webb aus New York in den 1940er und 1950er Jahren, die ein lebendiges Porträt der Stadt in einer Zeit bedeutender Veränderungen zeigen. Wie in den Aufnahmen aus den 1920er Jahren von Germaine Krull oder László Moholy-Nagy, bei denen der Schattenwurf von Architekturdetails oft eine wesentliche Rolle spielt, zeigt Todd Webb in diesem Bild streng geometrische Schattenmuster der in New York allgegenwärtigen Feuertreppen. (Fritz Simak)

Todd Webb

geb. 1905 in Detroid (US), gest. 2000 in Auburn (US)

Midtown New York, 1946

Gelatinesilberabzug, 33 × 41 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-652, © Todd Webb, courtesy of the Estate of Todd & Lucille Webb

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Roland Pleterski, ein Österreicher, der jahrelang in New York lebte, war ein Fotograf, der den Glamour suchte. Ausgebildet als Modezeichner und erst spät dem Ruf der Fotografie folgend, ging Pleterski Anfang der 1950er Jahre nach New York, angezogen von der Strahlkraft der amerikanischen Metropole. Dort wurde er Assistent von Irving Penn. Pleterskis elegante, statisch inszenierte Mode- und Porträtfotografien von Zeitgenossen, bekannt durch Vogue, Harper‘s Bazaar, Glamour und andere hochkarätige Modemagazine, sind unverkennbar von der Arbeit des großen Fotografen und Freundes beeinflusst. Trotz eines Werks, das im Laufe seines Lebens thematisch und stilistisch immer vielschichtiger wurde und Stadtansichten, Reisereportagen und später auch immer mehr Aktfotografie umfasste, blieb Pleterskis Bildwelt von Bildern „glamouröser Menschen und Orte“ dominiert. (Anzenberger Gallery)

Roland Pleterski

geb. 1920 in Wiener Neustadt (AT), gest. 2000 in AT

Shadows, New York City, 1950er

Gelatinesilberabzug, 34,4 × 26,9 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1884, © Roland Pleterski / Westlicht

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Hans Blesius stammt aus einer Fotografenfamilie aus Hameln in Niedersachsen. Seine Eltern Heinrich und Anna Blesius gründeten 1899 das Atelier Blesius in dem auch Hans bis zu seiner Einberufung in den Zweiten Weltkrieg tätig war. Das fotografische Handwerk lernte er wohl im Betrieb der Eltern nach traditioneller Schule, seine Bilder waren jedoch geprägt von den Einflüssen des Neuen Sehens, wie uns dieses Bild zeigt. (Christoph Fuchs)

Hans Blesius

geb. in Hameln (DE), gest. 1940

Ohne Titel, 1930er

Gelatinesilberabzug auf Karton, 23 × 18 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-161

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Späterer Abzug eines Glasnegativs aus der Sammlung der Maison de la Photographie in Marrakesch in Marokko. Die Aufnahme zeigt die Souks, das Marktviertel, in Marrakesch. Marrokko galt schon am Ende des 19. Jahrhundert als exotisches Reiseziel für professionelle Fotografen und Amateure. Daraus entstanden ein reger Handel mit Aufnahmen aus dem Maghreb und einige Gründungen von Fotoateliers in der Region so wie jenes des Studio Souissi. (Christoph Fuchs)

Studio Souissi

Fotostudio in Rabat (MK)

Dans les souks, Marrakech, um 1940 (Abzug 2018)

pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 18 × 25 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-901

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Dreißig Meter neben dem Haupteingang von Schloss Schönbrunn, den jährlich hunderttausende Besucher durchschreiten, bietet sich nächtens folgendes Schauspiel: Das Licht der punktförmigen und hellen Straßenlampen erzeugt, nachdem es die Kastanienallee passiert hat, auf der den Park umgrenzenden Schlossmauer jene Licht-Schatten-Kombinationen. (Fritz Simak)

Fritz Simak

geb. 1955 in Wien, lebt und arbeitet in Wien und Niederleis (AT)

• Schönbrunn 5, 2010

Gelatinesilberabzug, 24 × 29 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-376, © Fritz Simak / Bildrecht, Wien

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Der Titel Imaginäres Treffen eines Häuserpaares beschreibt exakt unsere Wahrnehmung des Bildes: Einst war in der linken Bildhälfte das Satteldach eines angrenzenden, jetzt abgerissenen Hauses, wodurch die restliche Wand nicht verputzt werden konnte. Der Schatten eines hinter dem Fotografen stehenden Hauses überlappt mit der sich in der selben Form darstellenden unverputzten Fläche.

Imaginární setkání Ze srubren Dvojice Vilém Reichmann ist ein 1995 erschienenes tschechisches Buch, das grob übersetzt Imaginäres Treffen der beiden aus der Holzhütte: Das Paar von Vilém Reichmann betitelt wurde. Das Buch ist ein fiktives Gespräch zwischen Vilém Reichmann und dem tschechischen Schriftsteller und Journalisten

Jan Drda. Der Titel Ze srubren Dvojice bezieht sich auf die Tatsache, dass Reichmann und Drda während des Krieges gemeinsam in einer Holzhütte lebten.

Das Buch des tschechischen Schriftstellers Zdeněk Mahler stellt ein Gespräch zwischen Reichmann und Drda nach, in dem sie über ihre Erlebnisse während des Krieges und die politische und gesellschaftliche Situation in der Tschechoslowakei nach dem Krieg sprechen. Das Buch enthält Fotografien von Vilém Reichmann sowie Illustrationen des tschechischen Künstlers Jan Fischer und ist eine Hommage an die beiden Männer und ihren Beitrag zur tschechischen Kultur und Geschichte. (Christoph Fuchs)

Vilém Reichmann

geb. 1908 in Brno, gest. 1991 in Brno (CZ)

Imaginární setkání Ze srubren Dvojice, 1962 Gelatinesilberabzug, 15 × 22 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-654, © Reichmann Estate

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Konstruktivistisch mutet die Bildkonstruktion an. Der Standpunkt und der Ausschnitt sind sorgfältigst ausgewählt. Durch die verspiegelten Fassaden, die möglicherweise zum Tod des Spatzen geführt haben, ist dieser gleichzeitig dreimal zu sehen. Der Kontrast zwischen dem scharfen, klaren Bild des Vogels und der unscharfen Reflexion im Spiegel trägt zur surrealen Qualität der Fotografie bei. Die Serie All American konzentriert sich auf die alltäglichen Erfahrungen der Menschen in den USA. Uzzles Bilder erforschen die komplexe Beziehung zwischen Mensch und seiner Umgebung, sie fordern die Betrachtenden auf, darüber nachzudenken, wie wir die Welt um uns herum und unseren Platz darin wahrnehmen. (Fritz Simak und Christoph Fuchs)

Burk Uzzle

geb. 1938 in Raleigh (US), lebt und arbeitet in Wilson (US)

• Mirror and Sparrow, Surreal Reflections, 1980 aus der Serie All American Gelatinesilberabzug, 20 × 30 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-442, © Burk Uzzle

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Henri Cartier-Bresson war ein Vorbild für viele, die sich in den 1980er Jahren der Fotografie annäherten und für die die Pflichtfiguren des entscheidenden Augenblicks, die ausgewogene Komposition und der schwarze Rand um den Abzug – Beweis für den Nicht-Ausschnitt –, die einzigen Garanten für eine „gelungene“ Fotografie waren.

In einer Zeit, in der Photoshop es jedem erlaubt, jede Art von Misserfolg wieder gutzumachen und das Bild nach Belieben zu manipulieren, mögen diese Gebote etwas merkwürdig erscheinen. Wie um es durch Widerspruch zu beweisen, wurde aus einer Auswahl von Bildern alles, was den entscheidenden Moment darstellt, ausradiert. Trop tôt, trop tard (Zu früh, zu spät), so der Titel der Serie, ist einem Film von Straub und Huillet entlehnt, der historische Fakten allein durch lange Kamerafahrten auf der Straße und in der Landschaft erzählt.

Das Ergebnis, das ein anderes Verhältnis zur Zeit herstellt, liefert eine neue Lesart des Werkes des französischen Meisters. Es hebt eine Auswahl topografischer Schauplätze hervor, die sich auf ganz bestimmte Gesichtspunkte beziehen, betont die Geometrie der Kompositionen und lädt uns ein, uns die Wanderungen Cartier-Bressons vorzustellen, auf der Suche nach dem perfekten Ort und dem richtigen Moment, um den Knopf zu drücken. Schließlich vermittelt die so rekonstruierte Welt von Cartier-Bresson ein seltsames Gefühl der Einsamkeit. (Isabelle Le Minh)

Auf Seite 13 findet sich eine weitere Arbeit aus der Serie.

Isabelle Le Minh

geb. 1965 in Schötmar (DE), lebt und arbeitet in Paris (fr)

Sifnos, Grèce, 1961

aus der Serie Trop tôt, trop tard (After Henri Cartier-Bresson), 2008 pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Baryt, 14 × 21 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1312, © Isabelle Le Minh

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Die Orte liegen immer abseits dessen, was ein schaulustiges Publikum aufsuchen würde. Das triste Aufeinanderstoßen von Hinterhöfen, die öden Ansichten eines Hafens, die schroffen Felsen des Hochgebirges bei bedecktem Himmel – wahrlich keine Motive für die Postkartenproduktion. Den Salzburger Fotografen Hanns Otte treibt es dennoch in diese Räume und Landschaften, um sie entlang ihrer Nahtstellen zwischen menschgemachter Intervention und Rückeroberung durch die Natur abzuschreiten. Hanns Otte sucht keine Orte auf, die schon tausendfach abgelichtet wurden – so wie die Serie Zwischenräume, die seit 1984 Hinterhöfe in verschiedensten Städten zeigt. Seine Aufmerksamkeit gilt der Peripherie. Diese kann sowohl in Vororten als auch im Zentrum hinter Fassaden geortet werden.

Hanns Otte ist folglich kein strikter Dokumentarist, kein vermeintlich leidenschaftsloser Logistiker vom Schlage der Becherschule, obwohl ihn seine unermüdliche Spurensuche in die Riege der akribischen Sammler unter den Fotografen stellt. Dass es ihm auch um räumliche Koordinaten geht, die er global aufnimmt, macht die Tragweite seines Unternehmens aus. Auch das erweist ihn aber als glühenden Weltbeobachter, der nicht ruhen wird, ehe er nicht die für ihn relevanten Weltgegenden mit dem Netz seiner Fotografien überzogen hat. „Langzeitprojekte“ nennt Otte die Serien, an denen er arbeitet; und es ist wahrscheinlich, dass er diese wird niemals ganz abschließen können. (Milena Greif, Eikon, Nr. 43/44, 2003)

Hanns Otte

geb. 1955 in Salzburg, lebt und arbeitet in Salzburg (AT)

• Ohne Titel, 2004

aus der Serie Zwischenräume

C-Print, 57,4 × 71,3 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1739, © Hanns Otte

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Hanns Otte ist ein Reisender. Wie schon frühere Arbeiten ist Moonstruck (zu deutsch mondsüchtig) das Produkt einer Reise, eines längeren Aufenthaltes in Rom. Hanns Otte bereist aber nicht nur fremde Städte, Reisender ist er auch in seiner ihm unmittelbar nächsten Umgebung. Seine Aufmerksamkeit gilt dabei auch den Zwischenräumen und dem Abgewandten, das auch als das scheinbar Nächstliegende neu zu entdecken ist.

Reisende sind Fremde. Auf diese Weise streift er durch die Salzburger Vorstädte ebenso wie durch die Hinterhöfe und Parkdecks amerikanischer Großstädte. Das Erlebnis einer unfreiwilligen Nacht im Freien, in der Nähe von Chicago, veranlasst ihn, bewusst die Umgebung von Salzburg des Nachts zu durchwandern. Er erfährt diese Gegend als Ergebnis einer Serie von Blitzlichtaufnahmen erst in der Dunkelkammer. Eine unbekannte Welt erschließt sich. Fremd sind ihm die Orte seiner Reisen, fremd, was dem Auge ist, aber gewohnheitsmäßig übersehen wird. Hanns Otte lehrt das Auge, dieses auch wirklich zu sehen. Und die Nebenschauplätze, egal wo er sie aufnimmt, scheinen sich zu gleichen. Einheit stiftet der Beobachter mit seiner Kamera, erkennt sich und möchte darin erkannt sein. Was ins Bild gesetzt ist, wird objektiviert und vorzeigbar. Der Fotograf erkennt mit Hilfe der Kamera, erkennt sich und möchte darin auch erkannt sein. Seine ansonsten fast menschenleeren Bilder verweisen auf ihr Gegenüber – auf ihn. Dass da einer ist, bleibt in manchem Motiv das allein Tröstliche. Der Fotograf auf der Reise zu sich selbst.

Mit Pathos hält er 1986 den Satz fest: „Mein größter Wunsch ist, dass jeder, der meine Bilder sieht – mich wirkich sieht.“ Da erzählt einer mit der Kamera eine Geschichte, seine eigene. Im März 1990 ergänzt er diese Aussage mit dem Zusatz: „Bin ich nun ein schreibender Fotograf oder ein fotografieren der Schriftsteller?“

Seit Anfang 1989 hat er seine schriftlich festgehaltenen Selbstbeob-

achtungen zu umfangreichen literarischen Versuchen ausgeweitet. Das kommt noch dazu.

Textuelle Bezüge sind in den Bildern des Zyklus Moonstruck häufig. In den Fotografien tauchen sie auf als Werbeplakate an Litfaßsäule und Linienbus, als Blick in ein Bücherschaufenster, beiläufig eingefangen, als Wandgraffiti, eine politische Parole oder Verewigungsgekritzel an historischen Orten. Der Einsatz von Schrift wird auch inszeniert, so z. B. das auf dem Tisch liegende Buch (Prolog) oder auch im Foto mit der Illustrierten auf einer Steinbrüstung. Beredte Bilder gibt es auch ohne Worte: Die heranbrausenden Motorradfahrer auf den heruntergelassenen Rollläden eines Ladengeschäftes und ein anderes, es zeigt ein Stück Stoff, einer Mütze ähnlich, das im Schmutz der Straße neben einem breiten Markierungsstrich liegt. Den Titel seines Portfolios entnimmt Hanns Otte dem im Epilog abgebildeten Filmplakat. Durch dieses Vorgehen, die Bestimmung des Inhalts über das Wort, bekommen alle auftauchenden Textteile einen sinnstiftenden Charakter innerhalb ihres Bildbezuges. Nicht nur der Blick des Betrachters, sondern auch die Deutung hat hier einen Fokus. Dann bleibt aber zu fragen, ob nicht gemäß der dramatischen Ordnung über die Bildfolge hinaus – und schon das Anlegen der Arbeiten in Serien ist von großer Bedeutung – ein Kontext entsteht. Im Einzelbild, gerade in jenem mit dem Buch, ist die Anwesenheit von Schrift mächtig, gar übermächtig.

So liegt ein neunzehnteiliges Ganzes vor, eine Bildserie mit Verweisen auf eine tatsächliche und eine übertragene Lesbarkeit.

Ein geglücktes Verhältnis von Wort- und Dingvorstellung. Für den Fotografen, den Autor eine Gratwanderung. Eine Reise zwischen Schriftstellerei und Fotografie.

Auch der Schlafwandler ist ein Reisender, denn er ist sich selbst fremd. (Christian Gögger, aus Hanns Otte, Moonstruck, 1991)

Hanns Otte

geb. 1955 in Salzburg, lebt und arbeitet in Salzburg (AT)

Moonstruck, 1988

Gelatinesilberabzüge, je 26 × 39 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-2126 bis S-2144, © Hanns Otte

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4 Schornsteine, 1948

Negativdruck, Gelatinesilberabzug, 39 × 29 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-550, © Stefan Steinert / Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen

Mit Otto Steinerts eigenem fotografischen Werk verbindet sich der von ihm eingeführte Begriff der „subjektiven fotografie“. Die Kleinschreibung erinnert nicht zufällig an Gepflogenheiten der 1920er Jahre am Bauhaus. Steinert knüpfte mit seiner subjektiven fotografie bewusst an die Experimente der Bauhaus Künstlerinnen und Künstler und ihre Ideen an. Denn es ging ihm um einen „Rahmenbegriff […], der alle Bereiche persönlichen Formgestaltens vom ungegenständlichen Fotogramm bis zur psychologisch vertieften und bildmäßig geformten Reportage umfasst. ,subjektive fotografie‘ heißt vermenschlichte, individualisierte Fotografie, bedeutet Handhabung der Kamera, um den Einzelobjekten ihrem Wesen entsprechende Bildsichten abzugewinnen“, so Steinert.

Das Bild der 4 Schornsteine taucht 1955 wieder im Negativ im experimentellen Kurzfilm von Otto Steinert Mosaik im Vertrauen auf. Der Film, der auch unter dem Titel Stein auf Stein bekannt ist, besteht aus einer Reihe von abstrakten, in Schwarz-Weiß gehaltenen Bildern, die mosaikartig zusammengesetzt sind. Der Soundtrack besteht aus einer Collage von Geräuschen und Musikfragmenten. Steinert hat den Film im Auftrag des Deutschen Werkbunds gedreht, um das Thema Industriekultur zu behandeln. Mosaik im Vertrauen gilt heute als einer der wichtigsten deutschen Experimentalfilme der Nachkriegszeit und als ein Meisterwerk des abstrakten Films. (Christoph Fuchs)

Otto Steinert

geb. 1915 in Saarbrücken (DE), gest. 1978 in Essen (DE)

4 Schornsteine, 1948

Gelatinesilberabzug, 27 × 18 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-549, © Stefan Steinert / Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen

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Das Künstlerehepaar Bernd und Hilla Becher hat sich auf die Fotografie von Industriearchitektur spezialisiert. In ihrer Arbeit haben sie eine Vielzahl von Hochöfen, Gasometern und Wassertürmen in verschiedenen Ländern und Regionen dokumentiert, wobei sie den Schwerpunkt auf die architektonischen Merkmale und die formale Ästhetik der Gebäude legten. Die Bechers betrachteten Wassertürme als herausragende Beispiele für industrielle Architektur, die oft übersehen oder als selbstverständlich betrachtet wurden. Durch ihre systematische Dokumentation haben sie dazu beigetragen, diese Gebäude als wichtige kulturelle Artefakte zu würdigen und sie vor dem Verfall und dem Abriss zu bewahren. Die Fotografien sind in Schwarz-Weiß gehalten und zeichnen sich durch eine nüchterne, dokumentarische Ästhetik aus, die auf die formale Struktur und Geometrie der Industriearchitektur abzielt.

Der Wasserturm im Bild ist Teil des Hochofenwerk Ilsede, ein ehemaliges Stahlwerk im niedersächsischen Ilsede. Die Bechers haben das Werk als Teil ihrer umfangreichen Serie von Industriefotografien dokumentiert, die sie über mehrere Jahrzehnte hinweg erstellt haben. Der Kugelbehälter mit einer Wassermenge von 1.200 m3 diente zur Notversorgung bei Energieausfall in der Wasserwirtschaft und reichte für etwa 30 Minuten, um die Hochofenarmaturen vor Schaden zu bewahren. Das Gebäude darunter diente der Betriebsleitung und wurde als Café Kröpcke bezeichnet. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Roheisenproduktion 1983 eingestellt und ins nahegelegene Salzgitter verlagert. In den gesamt 123 Jahren wurden etwa 50 Millionen Tonnen Roheisen produziert. Heute ist ein Großteil des Werkes abgerissen, nur noch einige Industriepfad-Stationen zeugen von der Industriegeschichte des Ortes. (Christoph Fuchs)

Bernd Becher

geb. 1931 in Siegen (DE), gest. 2007 in Rostock (DE)

Hilla Becher

geb. 1934 in Potsdam (DE), gest. 2015 in Düsseldorf (DE)

Wasserturm (Kugel) mit Café Kröpcke, 1984 Gelatinesilberabzug, 40 × 30 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-838, © Bernd & Hilla Becher

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Eine Idee, ein klar definiertes Projekt, das sowohl für das Thema als auch für die zu verwendenden Werkzeuge klar ist. Eine rigorose Umsetzung, die mit größter Sorgfalt durchgeführt wurde. Die Suche nach dem Wesentlichen, die dem Menschen gewidmeten Strukturen, die Abwesenheit des Menschen als Akteur, aber seine Präsenz als Gestalter, als Benutzer, sind offensichtlich. Das Licht, oder öfter die Schatten, geometrische Figuren, abstrakte Figuren, welche Kontraste lassen sich durch diese Bilder einfangen! Andrea Tonellotto führt uns an der Hand in eine reale und zugleich abstrakte Welt, er führt uns dorthin, wo die Grenze zwischen Realität und Vision sehr verschwommen ist, er nutzt die soliden Mauern, um uns in die Leere zu führen. Er zwingt uns, nach einem Schimmer nach oben zu suchen, aus den von uns errichteten Gefängnissen zu entkommen, um unserer Phantasie freien Lauf zu lassen. Positive oder negative Interpretation? Jedem das Seine, ich bin optimistisch, Tonellotto versucht uns zu warnen, uns zur Besinnung zu drängen. Er schlägt keine Lösung vor, wir können es akzeptieren zu bleiben oder uns entscheiden zu gehen, Gefangene zu bleiben oder uns zu befreien, aufs Land zu gehen, in die Berge, ans Meer, in größere Räume, in sauberere Luft. Vielleicht sind dort schon alle hin!

Tonellotto bietet weder die Lösung an, noch schlägt er sie vor. Das Ziel seines Polaroids besteht einfach darin, eine Untersuchung durchzuführen, und zwar mit Distanz, mit rigoroser Professionalität. Die Verwendung des Mediums, der Vorrichtungen für sofort entwickelte Filme, stellt keineswegs eine Beschränkung dar, sondern ermöglicht einen rigorosen Ansatz. Es gibt keine Fiktion, es gibt keine Manipulation, es scheint auch keine Interpretation zu geben. Im Gegenteil, es ist gerade die Wahl des Mediums, die seine Interpretation bestimmt, ein Medium, das keine Modifikationen zulässt, das „rein“ ist und deshalb die Wirklichkeit so darstellt, wie er sie gesehen hat, wie er sie uns sehen lassen will. Die Forschung, auch krampfhaft, der Reinheit der Linien, der Komposition, des Gleichgewichts zwischen Flächen und Massen, schlägt uns eine Welt vor, die uns stattdessen unwirklich erscheint, und nur die Überlegung, dass wir es mit Geräten und Filmen mit sofortiger Entwicklung zu tun haben, die per Definition nicht fälschbar sind, bringt uns zu einer greifbaren Realität zurück, die nur mit aufmerksamen Augen und einer guten Sensibilität zu sehen und zu erfassen ist.

(Beppe Bolchi, 2011)

Andrea Tonellotto

geb. 1974 in Campo San Martino (IT), lebt und arbeitet in Piazzola sul Brenta (IT)

piazza (piscina comunale) #1 / piscina comunale #5 / piscina comunale #9, 2011 aus der Serie Nobody. Is there anybody out there?

Sofortbilder (Polaroid impossible), je 10,7 × 8,8 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1908 bis S-1910, © Andrea Tonellotto

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Bereits mit der Wahl des jeweiligen Bildausschnittes reduziert Esther Hagenmaier ihre Motive, meist Architekturen, auf spannungsreiche formale Bezüge, verwirft in der Folge, was ihr als unwichtig, als Ablenkung oder schlichtweg als uninteressant erscheint. In einem langsamen Prozess der Reduktion entfernt sie Bildpartien, schält versteckte Bezüge heraus – noch vorhandene Reste erzählerischer Fragmente fallen endgültig weg. Die Linie gewinnt an Bedeutung, Fläche und Form werden als eigenständige Akteure stark. Der Schatten, der immaterielle Mitspieler, gewinnt an spannungsreicher Kraft, bis er auf manchen Bildern raumprägend das Motiv dominiert. Die fotografierte Architektur tritt zwangsläufig hinter ihr skelettiertes Extrakt zurück.

Für all das hätte die Künstlerin den Weg der digitalen Bildbearbeitung wählen können, hätte sozusagen klammheimlich am Rechner wegpixeln können, was ihr den Blick verstellte. Sie freilich hat eine radikalere, eine spannendere Methode entwickelt. Die Binnenstruktur von Beginn an so reduziert wie möglich, schneidet sie an den Außenkanten einfach weg, was ihr nicht zupass kommt.

Mit den Ergebnissen, die dieses höchste Präzision erfordernde Verfahren hervorbringt, hat Esther Hagenmaier eine künstlerische Form gefunden, die sich zwischen Fotografie und skulpturalem Wand-Objekt bewegt. Sie sucht damit dem angestrebten Ziel möglichst nahe zu kommen: aus dem fotografischen Bild ihre eigene Wahrnehmung zu destillieren.

Esther Hagenmaier erzeugt durch Beschneidung und Reduktion, durch Bescheidung könnte man fast sagen – Rückzugsräume für das Auge. Die Mauer als Grundelement jeder dauerhaften Architektur scheint wie ein Sinnbild tragfähiger Strukturen schlechthin. Die Konzentration aufs Wesentliche schafft Ruhe. Die shaped photographies sind nicht gemütlich, sie bleiben anregende Denkund Aufenthaltsräume. (Birgit Höppl)

Esther Hagenmaier

geb. 1975 in Aalen (DE), lebt und arbeitet in Ulm (DE)

extraction_06, 2016

Detail der Heiligkreuzkirche, Chur (CH), Architekt: Walter M. Förderer, 1967–1969 aus der Serie shaped photography

pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Papier auf Aluminium Dibond, 42 × 45 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-2459, © Esther Hagenmeier / Bildrecht, Wien

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Ähnlich wie bei den früheren Serien After this darkness there is another, The cubes und Maschera entstehen auch die Bilder der neuen Werkgruppe The Colours zumeist auf Reisen durch das südliche Europa. Präsentierte Marc Peschke früher surrealistische Nacht- oder auch Negativbilder seiner Reisen, so zeigt er in der aktuellen Werkgruppe andere Bilder. Nicht so sehr die Verunklärung oder Verschlüsselung des Gefundenen ist hier sein Thema, nicht das Experiment, sondern die konkrete Darstellung einfacher Bildmotive. Seien es nun Schatten auf Mauern, ein Vorhang oder die Hand einer Marmorskulptur – die zumeist monochromen Details überraschen in ihrer kräftigen Farbigkeit, einem abstrahierenden Minimalismus und gleichzeitig einer sonnendurchfluteten Vitalität. Es sind Bilder an der Grenze zwischen Reisefotografie und Kunstbild – zwischen Dokument, Abbild und Phantasie. (Marc Peschke)

Marc Peschke

geb. 1970 in Offenbach am Main (DE), lebt und arbeitet in Hamburg (DE)

• The Colours 9, 2018

aus der Serie The Colours pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Dibond, 42 × 31,5 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-2291, © Marc Peschke / Bildrecht, Wien

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Leo Kandl erkundet mit seiner 4 × 5-Inch-Kamera anonyme und unscheinbare Ecken der Stadt. Es sind gewöhnliche Orte, denen wir in unserem Alltag wenig Aufmerksamkeit schenken. Durch die behutsame Auswahl des Bildausschnitts und die Wahl des richtigen Zeitpunkts mit idealen Lichtverhältnissen entsteht ein perfekt komponiertes Bild. Dieses könnte für viele Orte dieser Welt stehen. (Christoph Fuchs)

Leo Kandl

geb. 1944 in Mistelbach (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)

Durchgang Wien, 2010

C-Print, 65 × 51 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-2391, © Leo Kandl

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In der Serie Alger – Climate de France, die über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren entstanden ist, beschäftigt sich Stéphane Couturier in hoch ästhetischen und gleichzeitig gesellschaftlichsozial ambitionierten Fotografien und Videos mit der Siedlung Climat de France – heute Oued Koriche – in Algier. In den 1950er Jahren nach Plänen des französischen Architekten Fernand Pouillon im Stil der internationalen Moderne errichtetet, ist das ambitionierte Bauprojekt das Zentrum des Stadtviertels Bab El Oued. Heute ist die Siedlung eine Stadt in der Stadt, die von der Politik vergessen und von der Polizei gemieden wird.

Nachdem Stéphane Couturier in der Vergangenheit den Fokus seines Schaffens auf die formalen Eigenheiten der Architektur der Moderne gelegt hat, setzt er sich in seinen neuesten Werken intensiv auch mit den Menschen auseinander, welche die am Reißbrett geplanten Architekturen mit Leben erfüllen und dabei die idealen Bauwerke ihren Vorstellungen und Bedürfnissen anpassen. Die strengen Formen und regelmäßigen Strukturen der Gebäude treffen auf das zufällig Entstandene, auf das Alltägliche, auf das Leben. Die Fotografien und Videos von Stéphane Couturier beziehen ihre Kraft und ihre Lebendigkeit aus eben dieser Spannung: aus dem Zusammentreffen von gebautem Ideal und gelebter Wirklichkeit. Angesicht der Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate erhalten Stéphane Couturiers Werke aus Algier zusätzlich zu ihrer ästhetischen Qualität eine beinahe tagespolitisch aktuelle Komponente. Auf subtile Weise thematisieren die Werke die Folgen des Kolonialismus in Nordafrika und damit auch eine der Wurzeln der aktuellen weltpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen speziell in dieser Region, die bis heute zu spüren sind.

(Julia Ballantyne-Way und Tilman Treusch, 2015)

Stéphane Couturier geb. 1957 in Neuilly-sur-Seine (fr), lebt und arbeitet in Paris (fr)

Alger, Diar el Mahçoul, Façade No.1, 2011–2013 aus der Serie Alger – Climate de France C-Print auf Dibond, 118,5 × 134 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1760, © Stéphane Couturier / courtesy Galerie Kornfeld

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Die Fotoarbeit wurde im österreichischen New Yorker Atelier in der 17th Street an der 8th Avenue während meines Stipendiatsaufenthaltes fotografiert. Die dreißig einzelnen Fotos, die während der Nacht von 22. auf 23. August 2002 belichtet wurden (jedes der Negative wurde etwa sechs Minuten lang belichtet), ergeben nun zusammengesetzt eine Panoramaansicht von New York. Der Kamerastandpunkt befand sich mitten in Manhattan West (Chelsea) auf einem Balkon im 20. Stock des Hauses mit östlicher Blickrichtung und fotografiert wurde etwa zwischen 22:30 und 3:30 Uhr. Somit kommt das Licht in diesen Fotos ausschließlich von den Lichtern in den Straßen, das im sommerlichen nächtlichen Dunst über der Stadt diffus reflektiert und verstärkt wurde. Mit der Wahl eines für Tageslicht sensibilisierten Negativfilmes entstand eine, ikonographisch eher an Sequenzen aus Science Fiction Filmen assoziierbaren Farbgebung, durch die New York City glaubhafter auf einem fremden Planeten geortet werden könnte, als dies beispielsweise mit einem, normalerweise in Prospekten verwertbaren nachtblauen Himmel der Fall sein würde. Durch die Digitalisierung konnten die

einzelnen Frames farblich an ihre entsprechenden Nachbarbilder angeglichen, und erst durch gezielte Bildbearbeitung konnten möglichst viele der den Negativen innewohnenden Tonwerte in der nun vorliegenden Druckversion sichtbar gemacht werden. Ausgehend von meiner ersten Panorama-Arbeit Das Tor (1992), der ein dreidimensionales Splitting und die Thematisierung des Begriffes Kontinuität in der Fotografie zugrunde lag, und der in den Jahren 2001/2002 realisierten Fotoarbeit Dobrac, die eine zweidimensionale Fragmentierung einer „illusionistischen“ Gesamtansicht des fotografischen Objektes „Berg“ verfolgt und realisiert hat, entstand diese Arbeit aus der Faszination über diese atemberaubende Aussicht aus dem Studio im 20. Stock. Die Illusion der Gesamtheit wird trotz perspektivischer Verkippungen der einzelnen Frames erhalten und verstärkt durch ihre Brüche das Verhältnis Illusion – Objekt – Betrachtende: Die Brüche in der Wahrnehmung des Ganzen werden durch die Wahrnehmung der Details definiert und zugleich aus der Fassung gebracht. (Wolfgang Reichmann)

Wolfgang Reichmann geb. 1962 in Villach (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT) •

NYC_B-10 crop, 2002/2012

NYC 2002_08_22/23, 2002/2012

pigmentbasierte Tintenstrahldrucke in Mappe gebunden, 32 × 34 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-2517, © Wolfgang Reichmann

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Seit 1997 entwickelt Erwin Wurm seine one minute sculptures, bei denen es ihm um Verbindung von Skulptur und Alltäglichkeit, die Grenzen zwischen Skulptur und Aktionen, Zeit und Handlungsraum, die Reproduzierbarkeit von Skulpturen und die Einbeziehung des Publikums geht. Die Arbeiten vereinen Situationskomik und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Betrachtung von Kunst und Skulpturen. Sie hinterfragen, in welchem Verhältnis Figuren zu ihrem Fundament oder Menschen zum Raum stehen und wie Wahrnehmung durch einen simplen Perspektivenwechsel verändert werden kann.

Passanten und Passantinnen oder Besucher und Besucherinnen der Ausstellungen, sind dazu aufgefordert für jeweils 60 Sekunden die mitunter ungewöhnlichen Posen, oftmals in Verbindung mit zweckentfremdeten Alltagsgegenständen, einzunehmen. Während eine Minute als Lebenszeit einer Skulptur im klassischen Sinne überaus kurz erscheint, ist das Verharren eines lebendigen Körpers in einer einzigen Position über diesen Zeitraum eine wahre Herausforderung. Das Bewusstwerden über den eigenen Körper, seine Möglichkeiten und seine Grenzen sowie die Beherrschung desselben sind wichtige Aspekte im Werk Erwin Wurms. Während nach Auflösung der temporären Skulptur nichts als die Erinnerung daran bleibt, sind die Fotografien Zeugnis und eine Möglichkeit für den Künstler, seine Skulpturen festzuhalten. (Christoph Fuchs)

Erwin Wurm

geb. 1954 in Bruck a.d. Mur (AT), lebt in Wien und Limberg (AT)

• Ohne Titel, 1999

aus der Serie one minute sculptures

C-Print auf Aluminium, 120 × 80 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-902, © Erwin Wurm / Bildrecht, Wien

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Günter Brus

geb. 1938 in Ardning (AT), lebt in Graz (AT) und auf La Gomera (ES)

Im Rahmen einer Ausstellungseröffnung in der Galerie Junge Generation in Wien verlässt Günter Brus am 6. Juli 1965 mit der Aktion Wiener Spaziergang erstmals den privaten Bereich und dringt als lebendiges Gemälde in den öffentlichen Raum vor: „Am Tag vor dieser Ausstellungseröffnung mit Aktion und Diskussion beschloss ich, dem Kompromisscharakter dieses Unternehmens gewissermaßen vorzubeugen, um meinen künstlerischen Absichten mehr Eindeutigkeit zu verleihen. Man könnte sagen, die zwittrige Aktivität dieser Galerie trieb mich von den Rattenkellern auf die Straße. Ich beschloss, als gleichsam lebendes Bild durch Wiens Innenstadt, vorbei an etlichen historisch bedeutsamen Bauwerken, zu spazieren. Ausgangspunkt meiner Wanderung war der Heldenplatz. Durch das Burgtor, an der Spanischen Hofreitschule und am Dorotheum vorbei, sollte meine Route bis zum Stephansplatz führen. Was dort geschehen sollte, darüber gab ich mir keine Auskunft, zu Recht ahnend, dass bald das wachsame Auge eines Hüters der öffentlichen Ordnung das lebende Gemälde erblicken und festnehmen würde. Dies geschah Ecke Bräunerstraße/Stallburggasse. Ein Polizist führte mich zum Gaudium der Passanten in eine naheliegende Wachstube. Man nahm meine Personalien auf und ließ ein Taxi vorfahren.“ (Günter Brus, 1989)

Wiener Spaziergang, 1965 (Abzug 1989)

Fotograf: Ludwig Hoffenreich

aus der Serie Wiener Spaziergang, herausgegeben von Galerie Heike Curtze und Galerie Krinzinger

Gelatinesilberabzug auf Karton, 39,2 × 39,2 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1810, © Günter Brus

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Und dann der chirurgische Eingriff im World Trade Center in New York City. Natürlich alles streng geheim und illegal. In tagelanger konspirativer Arbeit konstruierten sie irgendwo im 148. Stockwerk mit Hilfe von Baustellenabfällen, die sie mühsam unter ihren Pullovern ins Gebäude geschmuggelt hatten, einen funktionierenden, tragenden Balkon. In einem langwierigen, komplizierten Verfahren kratzten sie Kitt von dem hohen, schweren Fenster, das sich nicht öffnen ließ. Dann zogen sie es mit Saugnäpfen heraus, schoben den Balkon nach draußen, posierten um 6 Uhr morgens darauf und ließen sich für ihre Liebsten zu Hause aus einem Hubschrauber heraus fotografieren. Sie hüllten sich in Schweigen, denn wenn sich ihr Coup herumgesprochen hätte, wären sie wegen Sabotage eines nationalen Kulturguts mit einer hohen Geldstrafe belegt worden. Selbst wenn es von den Japanern gebaut wurde. Als Beweis dafür, dass sie dort waren, klebt heute übrigens ein Stück alter Kaugummi in schwindelerregender Höhe an der Außenseite des Gebäudes. (Tex Rubinowitz)

Gelitin

Künstlergruppe seit 1993, arbeitet in Wien (AT)

The B-Thing, 19. März 2001, zwischen 6.15 und 6.30 Uhr C-Prints, je 40 × 60 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-956 bis S-962, © Gelitin

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Pierre Descamps‘ fotografisches, wandgebundenes und skulpturales Werk konzentriert sich weitgehend auf ein Porträt der städtischen Architektur. Sein klar definierter, geometrischer Schwerpunkt betont den Formalismus der städtischen Konstruktionen und die von Skateboardfahrerinnen und -fahrern benutzten Stadtschranken. Eine zweite Auseinandersetzung zeigt jedoch, dass seine Werke eine Art Periphrase mit den Materialien darstellen und zwei gegensätzliche Kulturen konfrontieren: die Populärkultur und eine andere, elitärere, die sich auf das raffinierte Erbe der konzeptuellen Bewegungen des 20. Jahrhunderts gründet: die aseptische Bildsprache der Düsseldorfer Schule (die Bechers, Thomas Ruff, Thomas Demand) und den ausdruckslosen Einfluss des Pop (Ed Ruscha, Baldessari). Während seine Skulpturen und Fotos an minimalistische geometrische Kompositionen erinnern, haben die von ihm verwendeten Materialien und seine Art, die Werke herzustellen, ganz andere Konnotationen. Andererseits sind die Bilder von Descamps im Gegensatz zu der populären Ikonografie, die man gewöhnlich in der Skateboard-Kultur findet, aseptisch und ohne menschlichen Ausdruck. Das Zeigen von körperlicher Arbeit ohne Arbeiter und Arbeiterinnen, von Skateboardfahren ohne Skateboard, ohne Skater und Skaterin, wenn es sich um eine Praxis handelt, die

ihren größten Verbündeten in den menschlichen Beziehungen hat, ist zweifellos eine Möglichkeit, eine Übung zu monumentalisieren, die auf den Straßen stattfindet, auf natürliche Weise, und die in enge Beziehung zu vielen anderen spontanen Begegnungen gesetzt werden könnte, die manchmal die Grundlagen des Etablierten erschüttern.

In dieser Serie Monuments ist es angebracht, seine Verwendung des Offsetdrucks hervorzuheben, einer Reproduktionsmethode, die der Druckkultur eigen ist. Trotz des Drucks auf minderwertigem Papier, wie es in Zeitschriften verwendet wird (wobei die Titel auf Seitenzahlen anspielen), materialisiert der Künstler das Werk in einem einzigen Exemplar, das er später selbst von Hand rahmt. Der Künstler legt auch großen Wert auf andere Fotografen, die aus den konventionellen Kunstkreisen herausgelöst sind, auf Experten, die Schlittschuhläufer bei ihrer Arbeit zeigen. Mike Blabac, Allen Ying und Michael Burnett arbeiten mit Schärfe, Licht und Blickwinkeln aus einer ganz anderen Perspektive als die oben genannten Künstler und stellen in ihren Bildern den Körper und die Ausdruckskraft in den Vordergrund. Obwohl auf den Fotos von Descamps die Figur selbst (Menschen, Autos usw.) nicht in Erscheinung tritt, bleibt der Schatten ihrer Präsenz bestehen.

Pierre Descamps

geb. 1975 in Amiens (fr), lebt und arbeitet in Berlin (DE)

Monuments, p.340, 2015

Offsetdruck, 30 × 21 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-2190, © Pierre Descamps

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Wenn wir von einem hellen an einen dunklen Ort gehen, erleben wir eine Art Orientierungslosigkeit, unsere Augen haben in den ersten Minuten Mühe, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Mit jeder Minute, langsam, dank des Restlichts, das unter einer Tür oder vielleicht von einer weit entfernten Straßenlaterne durchscheint, beginnt die Realität eine andere Form anzunehmen. Das gedämpfte Licht stützt sich auf die umgebenden Strukturen, indem es ein Spiel achromatischer Flächen zeichnet, indem es mehr oder weniger intensive dunkelgraue Töne malt, die fast bis ins Schwarz reichen. Wie bei einer Lochkamera, bei der ein winziger Lichtstrahl das Bild auf das Negativ malt, entstehen im Auge der Betrachtenden langsam Bilder der Dark Cities, so als befänden sie sich in einem dunklen Raum: eine Vision, die über das Reale hinausgeht, direkt in die Seele, und die Gefühle der Empathie vermittelt, die ich selbst an jenen Orten empfunden habe.

Dies ist der Schlüssel zum Eintritt in die Dunklen Städte. Treten Sie ein in das Universum des Lichts oder, in diesem Fall, seiner Abwesenheit, in ein delikates Spiel von Schatten und Dunkelheit, das uns dazu bringt, gewöhnliche und ungewöhnliche Orte in einer Vision fernab des Alltäglichen zu entdecken. Auf meiner nächtlichen Reise durch die großen europäischen Hauptstädte, in denen die Menschlichkeit fast abwesend ist, herrscht die Stille, die Einsamkeit eines Mannes, der weit weg in der Dunkelheit versunken ist. Ein Mensch fern, verborgen, die Entwicklung der Menschheit beobachtend. Licht und Dunkelheit sind die beiden entgegengesetzten Seiten meines Erzählprojekts über Stadtlandschaften. Gegensätzlich und komplementär, einander unentbehrlich als Schwarz-Weiß, Nacht und Tag. Diese erste Reise in die dunkle Stadt beginnt in Paris, der Stadt der Lichter. Welcher Ort wäre besser geeignet, um die dunkle Seite einzufangen?

(Daniele Cametti Aspri)

Daniele Cametti Aspri

geb. 1968 in Rom, lebt und arbeitet in Rom (IT)

Dark Cities Rome – Il palazzo della Civiltà del lavoro, 2014 aus der Serie Dark Cities pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 29 × 43,3 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-1919, © Daniele Cametti Aspri

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Der Fotograf Fritz Simak zeigt in dieser Nachtaufnahme den Gürtel in seiner Heimatstadt Wien. Der Gürtel ist eine Hauptverkehrsader und führt in einem Ringsegment um den Stadtkern. Er ist die am stärksten befahrene Landesstraße in Österreich und eine der meistfrequentierten in Europa. Der Wiener Gürtel ging im späten 19. Jahrhundert aus dem Linienwall, einer Befestigungsanlage um die Wiener Vorstädte, hervor. In der Mitte der mehrspurigen Straße befinden sich die Stadtbahnbögen, ein historisches Verkehrsbauwerk, das von der ehemaligen Wiener Dampfstadtbahn stammt. Seit Mitte der 1980er Jahre fährt die U-Bahnlinie U6 auf den Stadtbahnbögen. In den Bögen befinden sich zahlreiche Nachtlokale, Bars und Clubs. Die Aufnahme zeigt den Bereich zwischen den Stationen Thaliastraße und Josefstädter Straße, dort befand sich bis 2011 auch ein Teil des Wiener „Straßenstrichs“.

Die lange Belichtungszeit lässt die vorbeifahrende U-Bahn hinter der Mauer als hell leuchtenden Streifen erscheinen, der die Bäume und die Umgebung beinahe mystisch beleuchtet. (Christoph Fuchs)

Fritz Simak

geb. 1955 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT)

Gürtel, 2002

Gelatinesilberabzug, 24 × 29 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-357, © Fritz Simak / Bildrecht, Wien

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Eine sehr modern wirkende Nachtaufnahme des Fotojournalisten

Alexander Stöcker aus Berlin. Ähnlich wie Fritz Simak in Wien (siehe vorige Seite) hat Stöcker die vorbeifahrende Straßenbahn festgehalten. Durch die lange Belichtungszeit sind von der Straßenbahn jedoch nur gespenstische Lichtstreifen zu sehen. (Christoph Fuchs)

Alexander Stöcker

geb. 1896 in Berlin, gest. 1962 in Berlin (DE)

Ohne Titel, 1930er

Gelatinesilberabzug, 14 × 21 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1228, © Alex Stöcker Nachlass

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Weihnachten! Der Zauber der Weihnachtszeit überall … für mich tausendfach verstärkt durch den alles verdeckenden Schneesturm. Aufgeregt peitschten die Schneeflocken und klammerten sich an mein Gesicht und meine Kamera wie unzählige kleine Hände. Ab und zu machte mich das Geräusch knirschender Schritte auf heimlich vorbeigehende Fremde aufmerksam. Der Park war in das Geheimnis dieser leuchtenden Nacht gehüllt. Die hoch aufragenden Gebäude, die den Park einrahmen, verloren sich in der weitreichenden Dunkelheit. Aber der helle Schein im Süden war unverkennbar. Dort steht die Plaza. Ein winziges Glöckchen bimmelt … ein „Weihnachtsmann“, der immer noch irgendwo auf seinem Posten steht und auf Almosen wartet. Die Welt um mich herum, so unnahbar in der verschneiten Stille, enthielt eine Gelassenheit, die mich mit Freude erfüllte … ein unbekanntes Etwas, das für mich der Geist von Weihnachten ist … so herrlich, so weiß, in dieser Nacht der Nächte.

Die Komposition: Wir werden über einen sich schlängelnden schwarzen Bach in das Bildfeld geführt, der einer der vielen seltsamen Formen des chinesischen Drachens ähnelt und in einem geheimnisvollen Leuchten hinter den Bäumen gipfelt. Die fantastischen Türme in der schummrigen Ferne gruppieren sich pyramidenförmig und verleihen dem Drama Würde.

Technische Probleme: Die Gebäude waren nicht sichtbar, aber ihre Position war mir durch die Vertrautheit mit der Umgebung am Tage bekannt. Das Gefühl von Schnee in der Luft ging durch die Langzeitbelichtung verloren und musste durch den Druck einer Textur in das Bild während der Vergrößerung wiederhergestellt werden. Der eisige Schnee setzte sich zwischen den Metallteilen der Kamera und auf dem Objektiv ab, was die Kamera nach einer Aufnahme unbrauchbar machte. (Adolf Fassbender, aus Pictorial Artistry, 1937)

Adolf Fassbender

geb. 1884 in Grevenbroich (DE), gest. 1980 in Newton (US)

• The White Night, 1937

aus dem Buch Pictorial Artistry: The Dramatization of the Beautiful in Photography

Heliogravüre, 28 × 19 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-71, © Center for Creative Photography, The University of Arizona Foundation

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Das Künstlerpaar Trommeter-Szabó arbeitet in vielen Bereichen von Neuer deutscher Fotografie über Rauminstallationen, Neue Medien bis hin zu interdisziplinären Projekten. In ihren fotografischen Arbeiten sind sie an der Düsseldorfer Schule orientiert: sie arbeiten in fotografischen Serien über längere Zeit hinweg an einem Thema, inhaltlich und formal stark konzeptuell. Die Leitmotive artifizielle Welten und real existierende Parallelwelten ziehen sich inhaltlich als roter Faden durch ihr Werk. Sie interessieren sich dabei für Fragen der Wahrnehmung – fotografische Bilder haben eine eigene Wirklichkeit, die über das bloße Abbild hinausgeht. Fotografien sind Gegenstand und Projektionsfläche unserer Objektbezüge und Emotionen. Durch die Sicht der Kamera wird dies nicht gemildert, sondern vielmehr verstärkt.

Trommeter-Szabó fotografieren mit einer analogen Sinar P2 Fachkamera – schweizer Präzisionstechnik – auf Negativfilmen. Das umständliche langsame Arbeiten mit der komplexen, analogen Fachkamera führt zu einem gesteigerten Wahrnehmungsprozess. Die Negative in den Großformaten 4 × 5 Inch, 13 × 18 cm und

8 × 10 Inch bieten auch heute noch eine bis zu zehnmal höhere Auflösung als die neuesten professionellen Digitalkameras. Zudem zeigt das große Aufnahmemedium einen inhaltlich essenziellen und im Ergebnis sichtbaren Vorteil: Dreidimensionalität. Ein mathematisches Verhältnis von Größe des Aufnahmemediums (Negativ), späterer Ausgabegröße und Betrachtungsabstand erzeugt einen echten dreidimensionalen Effekt, der unserem natürlichen Sehen entspricht. Je größer das Aufnahmemedium, desto stärker die dreidimensionale Wirkung des späteren Werks, sie erzeugt eine Art Hyperrealität, welche die Bildinhalte real existierende Parallelwelten und artifizielle Welten auch formal-optisch stützt.

„Nicht das Haus, sondern das Bild von einem Haus. Nicht das Bild von einem Gebäude, sondern die Empfindung eines Gebäudes. Jedem Objekt wohnt ein spezifischer Klang und eine eigene Wirklichkeit inne, die über das bloße Architektonische hinausgeht. Real existierende Parallelwelten“, so Trommeter-Szabó. (Bernhard Springer)

Gregor Szabó geb. in Basel (CH)

Barbara Trommeter

geb. in Dachau (DE)

leben und arbeiten in München (DE)

exposure No. 3, 2006/2008

C-Print, 32 × 40 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1758, © Trommeter-Szabó / Bildrecht, Wien

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Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit von Daniel Leidenfrost sind immer wahrgenommene Situationen und Dinge aus seinem alltäglichen Leben. Diese gesehenen und erlebten Situationen, meist urbane Architektur/Situationen, verschiedenste Plätze und alltägliche, meist unspektakuläre Arrangements sind Grundlage einer Narration, die zuerst in Bildern, später dann in Objekten und zuletzt auch in Fotografien von Modellen entwickelt wird.

Die Verarbeitung von Empfindungen spielt in diesen Erzählungen eine wichtige Rolle. Ein bestimmter zeitlich zuordenbarer Ort, ein konkretes Objekt oder eine erlebte Situation sind Auslöser dieser verbildlichten Geschichten. Diese realen, erlebten Begebenheiten stehen also am Anfang einer neuen Bildidee. Durch die narrative und manchmal poetisch anmutende Verarbeitung dieser Empfindungen tritt das Konkrete, das unmittelbar Erlebte jedoch in den Hintergrund. Der Ausgangspunkt, die Empfindung des Alltäglichen, wird zu einer symbolischen Form.

In Leidenfrosts Bildern, auch wenn es sich um Modelle als Grundlage handelt, wird selten ein konkretes Objekt dargestellt und naturgetreu wiedergegeben, sondern die von ihm ausgeführte Arbeit steht als Stellvertreter, als Simulakrum für bekannte, real existierende Arrangements und damit verbundener Empfindungen unserer unmittelbaren Lebens- und Erfahrungswelt. Die künstlerische Arbeit wird zu einem Modellfall, der eine Empfindung oder ein Erlebnis, die an reales Erleben geknüpft sind, repräsentiert. (Daniel Leidenfrost)

Daniel Leidenfrost

geb. 1979 in Oberndorf (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)

Glorybox Nr. 1, 2016

C-Print auf Dibond, 30 × 40 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1840, © Daniel Leidenfrost

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Die Chicago School, ein Architekturstil, entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts und ermöglichte die ersten Hochhäuser in Stahlrahmenkonstruktion. Diese Weiterentwicklung der Metallskelettkonstruktion hatte den Vorteil, dass keine dicken Mauern mehr notwendig waren. Diese Veränderung führte auch zur Entwicklung des dreiteiligen Chicago Window. Es wurde vom Architekten Louis Sullivan in Chicago entwickelt und bei den weltweit ersten Skelett-Hochhäusern gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt.

Kennzeichnend für das Chicago Window ist, dass es im Fassaden-Raster einer Skelett-Tragstruktur ein ganzes Feld einnimmt. Ursprünglich bestand dieses Fenster aus drei Teilen, einem meist sehr breiten und ausgewogen proportionierten feststehenden Mittelfeld und zwei schmalen seitlichen Schiebefenstern, die sich vor das Mittelfeld schieben.

Die fotografische Recherche zu Urban Codes – Lichtdiagramme begann zunächst von Besucherdecks der höchsten Gebäude Chicagos und anderen US-Städten. Die Belichtung der Digitalkamera wurde dabei so gewählt, dass ausschließlich die Lichtstruktur abgebildet wird und die Fassade im Dunkeln verschwindet. Das nächtliche Abtasten des überwiegend aus Bürogebäuden bestehenden Loops geschah zu Fuß von Straße zu Straße und dauerte mehrere Monate. Teilweise werden einzelne Fenster näher herangezoomt.

Dabei ist nicht das Erkennen von Details oder Ablichten von Personen entscheidend, sondern vielmehr das abstrakte Abbilden der Fenster durch Licht bei möglicher Anwesenheit („arbeiten“) und/oder Abbilden schwarzer Flächen bei Abwesenheit („nicht arbeiten“). Aus diesem Grund sind in den Lichtdiagrammen auch schwarze oder dunkle Bildbereiche mit Inhalt gefüllt: Auch wenn wir sie, im Dunkeln verborgen, nicht erkennen können, sind diese Regionen ganz entscheidend für die Struktur und den Bildaufbau verantwortlich.

Um mich der angestrebten Untersuchung mehr und mehr anzunähern, versuchte ich, wie bereits in einigen früheren Arbeiten, den gesamten Bereich in Downtown Chicago zu durchleuchten. Das unter diesen Kriterien entstandene Bildmaterial umfasst an die 1.600 Fotos und diente als Vorlage für die Erstellung der großformatigen Fotomontagen. Auf den sieben digitalen Collagen von Urban Codes – Lichtdiagramme kann man, aus der Nähe betrachtet, die Fenster detailgenau erkennen. Teilweise sind auch Menschen bei ihren Bürotätigkeiten zu sehen. Aus der Distanz wird das einzelne Fenster jedoch wieder zum Code einer urbanen Lichtstruktur. Diese beiden Ebenen werden, auch aufgrund der gewählten Bildgrößen und Maßstäbe, miteinander verknüpft. (Hubert Blanz)

Hubert Blanz

geb. 1969 in Hindeling (DE), lebt und arbeitet in Wien (AT)

Urban Codes – Lichtdiagramm 04, 2018

C-Print auf Dibond, 112 × 147 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-2241, © Hubert Blanz

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Claudia Larchers Papierobjekte und Architekturcollagen, sind Schichtungen von Seitenfragmenten aus ausgewählten Architekturzeitschriften. Unterschiedliche architektonische Elemente werden freigestellt, zusammengesetzt und übereinandergeschichtet.

Larcher setzt sich mit der Ästhetik der Materialien und der Form und Bewegung unterschiedlicher Konstruktionen auseinander und kombiniert auserlesene Relikte von Innen- und Außenansichten, Details, Luftbildern und Plänen diverser Bauten um daraus neue Gebilde, urbane Utopien zu schaffen. (Yvonne Ruescher)

Claudia Larcher

geb. 1979 in Bregenz (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)

Ornament is Crime, 2018

Video, HD, 12:29 min

Sammlung SpallArt, Inv. S-2236, © Claudia Larcher / Bildrecht, Wien

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Ein surrealistischer Moment in den Straßen von Bagdad. Die Definitionen von Ort und Zeit verschwimmen in einer eng geschnittenen Auswahl von acht großformatigen Bildern, die das zeigen, was wir als den vom Krieg zerrütteten Irak kennen. Die Irritation beginnt, wenn wir erkennen, dass dieses Bagdad möglicherweise nicht im Nahen Osten liegt, sondern vielleicht, nur vielleicht, östlich von Phoenix in Arizona mitten in den USA. (Andrew Phelps)

Andrew Phelps

geb. 1967 in Mesa (US), lebt und arbeitet in Salzburg (AT)

• Baghdad Suite #2, 2008

aus der Serie Baghdad Suite

C-Print, 34,6 × 44,6 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-2461, © Andrew Phelps / Bildrecht, Wien

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Globale Kommunikation und vernetzte Bildsysteme sind die Themen des Medienkünstlers Hubert Blanz. Mit seiner Serie Roadshow bewegt sich der Künstler im Referenzbereich von Bildkonstrukt und visueller Erinnerung: ein wirres System von Autobahnen, Verkehrsknoten, Überführungen, Brücken und Kreuzungen entsteht durch Kombination und Manipulation von Satellitenbildern und Geodaten aus dem Internet. Der Blick gleichsam aus dem Weltraum auf unsere Lebenswelten spielt auf die Absurdität von grenzenloser Mobilität an und entwirft ein grafisch-abstraktes Bildmuster. Blanz konstruiert ein Bild von Welt, das gleichzeitig die Potenziale hochtechnisierter Innovationsstrukturen kommentiert, wie auch Gefühle von Unsicherheit und Unwägbarkeit evoziert. (Margit Zuckriegl)

Hubert Blanz

geb. 1969 in Hindeling (DE), lebt und arbeitet in Wien (AT)

Roadshow, 2009

Audio-/Videoinstallation, 14:20 min

Sammlung SpallArt, Inv. S-1066, © Hubert Blanz

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In der Serie Architekturerweiterungen nimmt die Bezugnahme auf den Raum weniger Bedeutung ein. Im Vordergrund steht eine mehr selbstreflexive Auseinandersetzung. Fotografisch festgehalten sind zumeist Gebäude, die der Geldwirtschaft dienen, wie etwa Finanzämter, Banken und Versicherungen. Es sind strenge Bauten der 1960er und 1970er Jahre, deren Architektur scheinbar auf die inhaltliche Aufgabe verweist. Oft sind es architektonische Details wie Fensterkanten oder Lichtlamellen, die den Eindruck entstehen lassen, dass sich das Gebäude potenziell unendlich fortsetzen ließe. Riedls Kunstgriff besteht darin, dass er die Architektur der Bauten in einer Art „Bild-Redaktion“ aktualisiert, indem er etwa deren Fensteranordnung zeichnerisch weiterführt. Diese Korrelation von „Innen“ und „Außen“ wird in einigen Arbeiten zusätzlich intensiviert, indem die Zeichnung gleichzeitig an die Silhouette eines Berges wie auch an eine Statistikkurve erinnert. (Franz Riedl)

Franz Riedl

geb. 1976 in Bad Ischl (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)

• Finanzamt Lienz, 2016 aus der Serie Architekturerweiterungen Tusche auf Pigmentbasiertem Tintenstrahldruck, 55 × 68 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-2315, © Franz Riedl / Bildrecht, Wien

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Mit Belichtungszeiten von bis zu zwei Jahren dokumentierte Michael Wesely im Auftrag von DaimlerChrysler die Bauarbeiten auf dem Potsdamer Platz in Berlin zwischen 1997 und 1999. Die Bilder wurden von fünf verschiedenen Kamerapositionen aus aufgenommen und verwandeln den chronologischen Ablauf der Bauarbeiten in ein simultanes Gesamtbild, wobei unendlich viele einzelne Momente überlappen, bis sie eine komplexe Struktur von Bruchstücken der Realität bilden. Davor und Danach verschmelzen, unbebauter Horizont ist durch die neu errichteten Gebäude sichtbar. Die massiven Bauarbeiten erscheinen beinahe transparent, während die Sonnenstrahlen am Himmel, die die verschiedenen, saisonalen Positionen der Sonne dokumentieren, überraschend präsent sind. (Michael Wesely)

Michael Wesely

geb. 1963 in München (DE), lebt und arbeitet in Berlin (DE) •

Potsdamer Platz, Berlin, 4.4.1997 – 4.6.1999

C-Print auf Acrylglas auf Aluminium (Diasec), 80 × 110 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-1120, © Michael Wesely / Bildrecht, Wien

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Wofgang Schriever hält in seiner Serie Durch den Kopf gehen unterschiedlichste Orte und Momente fest. Durch das sorgfältige Übereinanderlegen von mehreren Bildebenen entstehen eine Vielzahl von Assoziationen, die eine intensive Betrachtung fordern. Die Bilder verschlingen förmlich die Betrachtenden und rufen schon nach kurzer Zeit das Gefühl hervor, die Situation, den Ort zu kennen. In diesem Bild kann man vor dem historistischen Gebäude, vermutlich eine Kirche oder ein Theater, einen Straßenstand mit Erotikmagazinen erahnen. Als Indiz für die Verortung könnte auch noch die Palme rechts im Bild dienen.

Es handelt sich um den Palacio de Bellas Artes, dem Palast der Schönen Künste, die wichtigste kulturelle Einrichtung in Mexiko. Der Palast befindet sich im historischen Zentrum Mexiko Stadts. Das monumentale Gebäude gilt als das höchste und wichtigste Kulturhaus Mexikos, das sowohl dem Theater, dem Tanz, der Musik und Oper, den visuellen Künsten, der Literatur und der Architektur geweiht ist. Die Erotikmagazine und die dicht befahrene Straße wirken geradezu konträr zum „Hohetempel“ der Kunst. (Christoph Fuchs)

Wolfgang Schriever

geb. 1953 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT)

• o. T., 1998

aus der Serie Durch den Kopf gehen C-Print auf Karton, 29 × 43 cm

Sammlung SpallArt, Inv. S-831, © Wolgang Schriever

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Die fotografischen Arbeiten der Künstlerbrüder Maik und Dirk Löbbert stehen den Installationen in Nichts nach. Der Ansatz bleibt im Kern der gleiche. Reine Geometrie kollidiert mit der Realität. Reine Fläche trifft auf Bilder der Dreidimensionalität. Abstrakte Zeichen treffen auf die gegenständlichen Mittel der Illusion. Aus der größten Freiheit, die Geometrie, Fläche, Abstraktion in der Fotografie unerwartete Kapriolen schlagen lässt, erwächst ein subtiler Bruch. Der Kontrast entfacht einen witzigen Bilddialog, der immer wieder verblüfft. Entscheidend ist, dass die Geometrie nirgends bloße Gags collagiert. Jedes Foto bietet bereits Flächen, die zum Dialog fähig sind: Hauswände, Dächer, Mauern, Wege, ein frontales Baugerüst. Das Spiel mit dem Raum hält sich so im Rahmen einer sorgfältig kalkulierten, formgesicherten Irritation und vermeidet die surreale Poesie des Disparaten oder ein Übermaß an Fantasie. Dieser Bildwitz arbeitet mit Zwischentönen, und gerade deshalb wirkt er so kraftvoll. Er sucht nach Leitlinien, auf denen die Oberfläche Halt findet und sich fest einfügt. Alle fotografischen Arbeiten, bei aller Affinität zu den Installationen, beziehen daraus ihre Autonomie. Mehr noch: Sie verdichten die künstlerische Dialektik von Fläche und Raum und beleuchten damit auch den Umgang mit Architektur.

Maik und Dirk Löbbert

geb. 1958 in Gelsenkirchen (DE) / geb. 1960 in Wattenscheid (DE), leben und arbeiten in Köln (DE)

• Tempel, München, 1998

Fotocollage, Gelatinesilberabzug, Klebefolie auf Karton, 38 × 58 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-835, © Maik und Dirk Löbbert / Bildrecht, Wien

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Ein wichtiges Thema in Waldes Werk ist die Auseinandersetzung mit Veränderung und Transformation von Materie und Zuständen – wie von Bewegung zu Stillstand, von Erscheinen zu Verschwinden. Die Arbeit Yellow stammt aus der Serie Enactments, Fotomontagen mit eingezeichneten Figuren. In fotografische Darstellungen alltäglicher Begebenheiten und realer Situationen werden spielerisch mysteriöse Parallelwelten integriert. Die leicht verschobene Ansicht eines realen urbanen Raums wird in der Arbeit Yellow verrätselt durch die eingezeichnete übergroße Figur eines vermummten Kapuzenmannes mit Reisigbündel an einem Zebrastreifen. Seltsam verloren, anwesend und abwesend zugleich, steht er in einem Spannungsfeld zwischen Tatenlosigkeit und eventuell möglichem Agieren. „Es ist einer dieser aus dem Nichts banaler Alltäglichkeit auftauchender Nobodys, deren Geschichten üblicherweise verloren gehen oder aber […] künstlerische Prozesse unabhängiger Transformationen in Gang setzen können.“ (Anneliese Pohlen, Martin Wald. Die lange Geschichte der Enactments). Ob und was geschieht, bleibt offen für Spekulationen. Die Zeit steht still. Ein irritierender Stillstand, der existenzielle Fragen aufwirft. Durch das Eintauchen des Umfelds des Mannes in ein übernatürliches Gelb – ein Stilmittel von Walde, der die Figuren damit der physischen Wirklichkeit entzieht – sowie die verschobenen Größenverhältnisse von Raum und Figur, ergibt sich eine fantastisch-poetische Konstellation, die unsere festgefügte Wahrnehmung von Ordnung, Realität, Zeit und Raum erheblich irritiert. (Petra Noll)

Enactment (engl. in Kraft setzen, Inkraftsetzung) ist ein Begriff aus der Kommunikationstheorie und bezeichnet den Prozess, durch den eine bestimmte Realität sozial konstruiert wird. So werden Strukturen und Vorfälle, die eine Organisation ausmachen, erst durch Handeln erzeugt. Enactment wurde schon 1928 von William Isaac Thomas beschrieben: „Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich.“ Das Erzeugen von Realität durch Handeln kann man sich am Beispiel eines Pantomimen verdeutlichen. Sein Handeln suggeriert unsichtbare Gegenstände. Dies verdeutlicht der Pantomime durch sein Handeln, indem er sich so verhält, als ob der Gegenstand vorhanden wäre. Er wird sich also auf den scheinbaren Gegenstand aufstützen, ihn umrunden. Beobachtende sehen zwar keinen Gegenstand, aber leiten aus dem Verhalten des Pantomimen die Existenz ab. Man könnte auch sagen, der Gegenstand existiert, solange sich der Mime so verhält als wäre der Gegenstand real. (wikipedia)

Martin Walde

geb. 1957 in Innsbruck (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)

• Yellow, 2006 aus der Serie Enactments pigmentbasierter Tinentstrahldruck, Tinte, Pastel auf Japanseidenpapier, 60 × 81 cm Sammlung SpallArt, Inv. S-780, © Martin Walde

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Alle Werke der Sammlung SpallArt sind online einsehbar unter www.sammlung-spallart.at

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung Urban Spaces. Der Stadtraum in Fotografien der Sammlung SpallArt Dezember 2022 bis November 2023 im Depot der Sammlung SpallArt, Salzburg

Impressum

Herausgeber Sammlung SpallArt

Jakob-Auer-Straße 8, 5020 Salzburg mail@sammlung-spallart.at www.sammlung-spallart.at

Konzeption und grafische Gestaltung Christoph Fuchs

Lektorat Melanie Gadringer

Druck und Bindung Holzhausen, Wolkersdorf, Österreich

© 2023 Sammlung SpallArt und die Autorinnen und Autoren

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