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Bäume in der Fotografie aus der Sammlung SpallArt
„In der Fotografie gibt es eine Realität, die so subtil ist, dass sie realer wird als die Realität.“
Alfred Stieglitz
Bäume sind wahre Pioniere auf der Erde, wachsen sie hier doch seit über 300 Millionen Jahren. Menschen hingegen gibt es erst rund 300.000 Jahre. Bäume sind unabdingbar für die Existenz aller Lebewesen auf unserem Planeten. Und wohl kaum jemand kann sich dem Zauber zart sprießender Bäumchen, dem satten, duftenden Grün eines Waldes, der imposanten Wuchtigkeit alter Baumriesen entziehen.
Seit Erfindung der Fotografie sind Bäume ein überaus beliebtes Motiv von Fotografen. Die hier gezeigten Werke stammen allesamt aus der Sammlung SpallArt. Seit rund dreißig Jahren erwirbt die Sammlerin Andra Spallart Bilder namhafter Fotokünstlerinnen und Fotokünstler für ihre Privatkollektion, so auch Baumfotografien.
Die Auswahl aus der umfangreichen Sammlung ermöglicht einen Einblick in ganz unterschiedliche Lebensräume der Bäume, von Landschaftsaufnahmen unberührter Natur bis hin zu Bäumen in der Großstadt, von zart knospender Natürlichkeit, wildem, knorrigen Wuchs, Kampf ums Überleben, künstlerischen Verfremdungen bis hin zur perfekten Attrappe aus Kunststoff.
Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Für diese Serie wurden verschieden große, aus diversen künstlichen Materialien realitätsgetreu gefertigte Pflanzen vor einem neutralen weißen Hintergrund platziert, fotografiert und jeweils in Originalgröße geprintet. Mit den Fotografien wird die Ästhetik der WerbeBildsprache und deren raffinierte Symbiose von Verlockung und Manipulation gleichzeitig zitiert und konterkariert: Die Pflanzen „posieren“ in ihrer ganzen Schönheit und bieten sich als glückverheißende Ware an. Aber alles ist Täuschung, denn tatsächlich sind sie nur Ersatznatur, Massenprodukt und Dekoelement.
(Robert F. Hammerstiel)
Robert F. Hammerstiel
geb. 1957 in Pottschach (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)
•
Ohne Titel, 2010–2014 aus der Serie Trust Me
C-Print auf Aluminium, 211 × 163 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1888, © Robert F. Hammerstiel
Nikolaus Kratzer
Ein Baum kann viel bedeuten. Für den Dendrologen Alan Mitchell ist klar, was einen Baum auszeichnet und seine Definition ist für alle eindeutig nachvollziehbar: „Ein Baum ist eine holzige, ausdauernde Pflanze, die wenigstens eine Höhe von etwa sechs Meter erreicht; der Stamm kann sich schon sehr weit unten verzweigen, jedoch muss dies oberhalb des Bodens erfolgen.“ 1 Für die Ökologie bedeutet der Baum wiederum Zukunft. Aktuell betont die Debatte zur Klimakrise, dass dem Baum eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung zukommt. Das Schicksal des Menschen scheint an jenes des Baumes geknüpft zu sein. Gleichzeitig lässt sich das Motiv des Baumes als Symbol menschlichen Daseins über Jahrtausende zurückverfolgen.
Beschäftigt man sich mit dem Baum in der Fotografie, so ergibt sich ein ähnlich vielfältiges und verzweigtes Bild. Eine stringente Problemgeschichte von 1839 bis heute lässt sich jedenfalls aufgrund der schieren Masse an Baumfotografien nicht formulieren. Es lohnt sich vielmehr, individuelle Pfade durch das Dickicht zu schlagen. Fokussiert man den Blick, so lässt sich in der frühen Geschichte der Fotografie ein Zeitfenster bestimmen, das dem Motiv des Baumes eine ganz spezifische Bedeutung zuweist. Gemeint ist der kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts (vor allem in Frankreich) erstarkte Gegensatz zwischen moderner Großstadt und unberührter Natur. Diesem Themenblock wird sich der erste Teil des vorliegenden Aufsatzes widmen. Darauf aufbauend wird es im zweiten Teil um die in der Ausstellung aufgefächerte Vielfalt von Fotografien des 20. und 21. Jahrhunderts gehen, die jeweils höchst individuelle Blicke auf das ebenso zeitlose wie aktuelle Thema des Baumes darstellen.
Metropole und Natur
Paris und der Wald von Fontainebleau2
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts ordnete Napoleon iii. eine der gesamtgesellschaftlich betrachtet folgenreichsten Maßnahmen seiner Regentschaft an: Die Neugestaltung von Paris. In diesem Zusammenhang betraute die Stadtregierung (neben anderen) den Fotografen Charles Marville damit, zum Abriss bestimmte Gebäude und Straßen abzulichten.3 Denn der Bau der heute allseits bekannten Boulevards brachte mit sich, dass organisch gewachsene Stadtviertel verschwanden. Marvilles Aufnahmen sollten als architekturhistorische Dokumente die Erinnerung an das alte Paris wahren.4 Im selben Atemzug inszenierte der Fotograf die neue Stadt: „Charles Marville fotografierte auch das moderne Paris mit den von Davioud entworfenen Straßenlaternen, von denen er wahre ‚Porträts‘ erstellte, er fotografierte die Markthallen von Baltard und im Stadtviertel von La Villette, den Stadtrand von Paris und die gewaltigen Straßenbauarbeiten für die Avenue de l’Opéra und den Boulevard Henri iV. Auf der Weltausstellung 1878 wurden die Bilder dieses neuen Paris neben denen der alten Stadt gezeigt.“ 5 Während in Paris die Abriss- und Umbauarbeiten voranschritten, besuchte Marville mehrere Male den südlich der Hauptstadt gelegenen Wald von Fontainebleau, der Paris aufgrund der hohen Dichte an Sandsteinvorkommen als wichtige Quelle für Pflastersteine diente.6 Andererseits wurden Teile des alten Waldbestandes gerodet, um dem erhöhten Bedarf an Brenn- und Konstruktionsholz nachzukommen.7 Zudem führte die im Jahr 1849 erfolgte Anbindung an das Eisenbahnnetz dazu, dass der Wald von Fontainebleau im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer touristischen Attraktion für die Stadtbewohner, insbesondere die neue Schicht des Bürgertums, avancierte.8
Charles Marville geb. 1813 in Paris, gest. 1879 in Paris (fr) •
„Homme allongé au pied d‘un chàtaignier“, 1850–1853 Salzpapierabzug (nach Blanquart-Évrard) vom Papiernegativ, 20,9 × 16,2 cm
Quelle: The Metropolitan Museum of Art/Harris Brisbane Dick Fund, 1946
Zwischen 1850 und 1853 gelang Marville im Wald von Fontainebleau die Fotografie eines unter einem Baum ruhenden Mannes. Sarah Kennel bezieht diese Aufnahme direkt auf die Modernisierung der Großstadt und bemerkt, dass der Fotograf Natur als Gegenpol zur fortschreitenden Urbanisierung inszeniert: „Marville, who first began to photograph in the early 1850s, executed a number of landscape studies for the Lille-based publisher Blanquart-Évrard, including a rustic portrayal of a man relaxing under a chestnut tree that suggests the protective, generative force of nature.“ 9 Eine Aufnahme aus dem Jahr 1853 zeigt einen Steinbruch, der wiederum auf die natürlichen Rohstoffe verweist, die den Umbau zur Metropole ermöglichten.10 Dass der Berufsfotograf Marville im Wald von Fontainebleau Kontakte zu Malerkollegen pflegte, die zeitgleich ähnliche Themen in ihrer Kunst behandelten, verdeutlicht eine seiner Aufnahmen aus der Zeit um 1854, die Jean-Baptiste Camille Corot und Diaz de la Peña, zwei der wichtigsten Vertreter der sogenannten Schule von Barbizon, auf einer Felsformation im Wald von Fontainebleau zeigt.11
Ähnlich wie Marville befasste sich auch der Fotograf Henri Le Secq, parallel zu seinen staatlichen Aufträgen im Rahmen der berühmten „Mission héliographique“, mit zivilisatorischen Eingriffen in Fontainebleau. So verweist etwa ein zersägter Baumstamm von 1852/53 auf die massive Rodung.12 Die kritische Auseinandersetzung mit dem Ökosystem des Waldes verbindet Le Secq mit dem Maler Théodore Rousseau, der speziell in den 1850er und 1860er Jahren zahlreiche Fontainebleau-Ansichten in den Pariser Salonausstellungen präsentierte.13 Rousseau hielt sich zunächst saisonal im Wald von Fontainebleau auf, um schließlich 1847 ein eigenes Haus in Barbizon zu erwerben.14 Der feste Wohnsitz ermöglichte es Rousseau, alternierende Wettersituationen ganzjährig zu studieren. Dabei kam vor allem der Wintersaison eine besondere Rolle zu, da Künstler wie Rousseau und Millet in dieser Jahreszeit ohne Störungen durch den von Paris ausgehenden Tourismus arbeiten konnten.15 Demnach rückt der Mensch bei Roussau in den Hintergrund. In einem Gemälde, das gigantische Eichen zeigt (The Great Oaks of Old Bas-Bréau, 1864), betont der Künstler durch die Integration einer Menschenfigur, die zufällig neben den Baumriesen innezuhalten und diese zu bewundern scheint, die imposanten Dimensionen des alten Waldbestandes.
Théodore Rousseau (1812–1867)
„The Great Oaks of Old Bas-Bréau“, 1864, Öl auf Leinwand, 90 × 117 cm
Quelle: The Museum of Fine Arts, Houson
Neben der Inszenierung der von der Industrialisierung betroffenen Natur können stilistische Parallelen zwischen Le Secqs und Rousseaus Werken gezogen werden. So erwähnt Sarah Kennel, dass zeitgenössische Kunstkritiker die Werke der Künstler verglichen.16
Auch Ulrich Pohlmann kommt in einem Aufsatz zur Landschaftsfotografie im Wald von Fontainebleau auf die enge Verbindung zwischen Le Secq und den Malern der Schule von Barbizon zu sprechen: „Schon zu Lebzeiten wurden Le Secqs Landschaften, die er ab 1854 auch bei Händlern und Verlegern wie Goupil, Vibert, Martinet und Lerebours zum Kauf anbot, mit den Werken der Maler von Barbizon verglichen, von denen er mit Diaz, Decamps und Dupré in freundschaftlichen Beziehungen stand.“ 17
Ein weiterer Fotograf, dessen Werk motivische und stilistische Vergleiche mit Rousseaus Malerei erlaubt, ist Eugène Cuvelier. Cuvelier, Sohn des mit Corot befreundeten Adalbert Cuvelier, ließ sich ab 1859 dauerhaft in Barbizon nieder. Er heiratete die dort ansässige Louise Ganne, deren Eltern die legendäre Auberge Ganne 18 betrieben, eine Gastwirtschaft, die zahlreichen Malern als Unterkunft diente. Dass Cuvelier bereits bei seiner Ankunft in Barbizon mit einigen Malerpersönlichkeiten bekannt war, verdeutlicht die Tatsache, dass ihm Théodore Rousseau und Camille Corot
bei seiner Hochzeit als Trauzeugen zur Seite standen.19 Im Gegensatz zu Fotografen wie Charles Marville oder Gustave Le Gray, die akademisch geschult waren, Ateliers in Paris betrieben, offizielle Aufträge entgegennahmen und private Kundschaft betreuten, wandte sich Eugène Cuvelier sowohl von der Großstadt als auch von einer kommerziellen Nutzung des Mediums weitgehend ab, um sich auf die Auseinandersetzung mit dem Wald von Fontainebleau zu konzentrieren.20 Allerdings beschäftigte sich der Fotograf keineswegs mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten Kanon an Sehenswürdigkeiten, die dem Wald immer größere Massen an Touristinnen und Touristen bescherten. Die Aufmerksamkeit galt vielmehr dem Unscheinbaren, Chaotischen und Geheimnisvollen. Bei seinen Aufnahmen griff Cuvelier auf das von William Henry Fox Talbot entwickelte Kalotypie-Verfahren zurück, das in den 1860er Jahren bereits als überholt galt. Die Wahl dieser veralteten Technik ist als bewusste, ästhetische Entscheidung zu begreifen. Denn Kalotypien zählen zu den Papiernegativ-Verfahren und weisen im Vergleich zu Glasnegativ-Verfahren, die ab 1860 zur bevorzugten Technik der Fotografie-Industrie avancierten, geringere Schärfengrade auf.21 Ausgehend von Kalotypie-Negativen fertigte Cuvelier Salzpapier- und Albuminabzüge an, die aus einer Silberschicht beziehungsweise einer Silber- und Albuminschicht auf Papier aufgebaut sind, wobei das Salzpapier-Verfahren eine gröbere Körnung aufweist. Die Albumintechnik wurde deshalb im Gegensatz zur Salzpapiertechnik vermehrt für Porträtaufnahmen verwendet und erlangte nicht zuletzt durch die beliebten Carte-de-visite-Fotografien große Verbreitung.22
Rousseau und Cuvelier lebten ganzjährig in Barbizon und hatten deshalb die Möglichkeit, nicht nur unterschiedliche Wettersituationen zu unterschiedlichen Tageszeiten zu beobachten, sondern auch die Abfolge der Jahreszeiten und die damit verbundenen Metamorphosen des Waldes in ihrem Gesamtwerk zu thematisieren.23
In seiner wohl berühmtesten Fotografie, die den schlichten Titel Wald von Fontainebleau (Forêt de Fontainebleau) trägt, taucht Cuvelier die Szenerie in eine geheimnisvolle Nebelstimmung. Während im Vordergrund Bäume, Sträucher und Laub noch klar zu erkennen sind, verschwinden die Bildelemente des Hintergrundes nach und nach in den Trübungen der Nebenschwaden. Als Betrachte-
rin und Betrachter wird man über einen Pfad in die Bildtiefe geführt, doch auch der Weg verliert sich schließlich in der Nebelbank. Die Darstellung erinnert an Rousseaus Darstellungen von dunklen Waldausschnitten, die zur selben Zeit entstanden und eine ähnliche Form der optischen Intransparenz oder physischen Undurchdringlichkeit vor Augen führen. Andererseits sollten Rousseaus Gemälde organischen Wachstum und Veränderungen versinnbildlichen. Auch in dieser Hinsicht scheint es eine Übereinstimmung mit Cuvelier zu geben, da der Nebel im Werk des Fotografen das Erscheinungsbild des Waldes transformiert. Cuvelier und Rousseau rückten durch die Darstellung von Gestrüpp, Dickicht, Unterholz, Chaos, undurchdringbaren Waldzonen und in Nebelbänken verschwindenden Pfaden eine Welt in den Vordergrund, die sich in maximaler Weise von den radikalen Umbauten in Paris und der fortschreitenden Industrialisierung des gesamten Landes unterschied.
Eine Wechselwirkung zwischen Fotografie und Malerei ergab sich auch bei den jungen Impressionisten, die, angeregt durch die Protagonisten der Schule von Barbizon, ebenfalls den Wald von Fontainebleau besuchten. Dabei ergeben sich vor allem klare Analogien zwischen Arbeiten Gustave Le Grays und Claude Monets. Wenn Pohlmann zu Le Grays Waldansichten bemerkt: „Seine Vorliebe galt den verschatteten Bodenzonen, in denen sich das Licht fleckenartig durch die Baumkronen oder das Unterholz ausbreitet.“24, so lässt sich diese Beschreibung auf einige Gemälde Monets übertragen. Eine 1865 entstandene Waldansicht Monets ist in zwei Bereiche unterteilt: Den Boden einerseits und das den gesamten oberen Bildbereich einnehmende Geäst der Bäume andererseits. Beide Sphären sind durch hellere und dunklere Partien strukturiert, die Abstufungen des Lichteinfalls darstellen. Die Komposition lässt sich sowohl mit Fotografien Gustave Le Grays (um 1856) als auch mit Werken Eugène Cuveliers (frühe 1860er Jahre) vergleichen. Der fokussierte Blick auf die Bildproduktion im Wald von Fontainebleau nach der Jahrhundertwende zeigt, dass Fotografen wie Le Gray, Cuvelier, Le Secq oder Marville sich (zeitgleich zu und nicht in Nachahmung von den Malern der Schule von Barbizon) auf pionierhafte Weise mit dem Thema des Waldes beziehungsweise des Baumes beschäftigten. Dabei spiegeln sich nicht nur formale Experimente, sondern auch gesellschaftlich relevante Fragestellun-
gen, etwa zu frühem Tourismus oder zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen, in den Fotografien wider.
Wenn wir uns nun den in der Ausstellung präsentierten Baumdarstellungen des 20. und 21. Jahrhunderts zuwenden, so lassen sich Formenkanon und Entstehungskontext der Bilder nicht so klar umschreiben, wie es in Fontainebleau der Fall war. Dennoch kann man bei einigen Fragestellungen, die bereits im 19. Jahrhundert aufgeworfen wurden, ansetzen und Themenblöcke schnüren, die an das bisher Beschriebene anschließen.
Ein markantes Erscheinungsbild
Das erste Beispiel für einen solchen Themenblock sind Bäume von besonderer Gestalt, wobei sich vor allem die Schwarz-Weiß-Fotografie dazu eignet, Strukturen, die sich durch Stämme, Äste, Blätter, Licht und Schatten ergeben, als Komposition umzusetzen. Dies gelingt etwa Hugo Brehme (Ohne Titel, 1930er Jahre), Edward Weston (Cypress, Point Lobos, 1940) und Barbara Morgan (Beech Tree IV, 1945). Bei Ansel Adams (Oaktree, Snowstorm, Yosemite National Park, California, 1948) und Alfred Eisenstaedt (Two ice covered trees, near Saint-Moritz, Switzerland, 1947) verstärken Schnee und Schatten den Abstraktionsgrad des Arrangements. In Jens Knigges zeitgenössischer Fotografie frozen tree von 2015 lädt der einsame Baum die Betrachterinnen und Betrachter gleichsam dazu ein, sich mit dem Dargestellten zu identifizieren.
Der mystische Wald
Eine zentrale Qualität von Eugène Cuveliers Fotografien besteht darin, den Wald von Fontainebleau als lebendigen, wuchernden, ständigen Metamorphosen unterzogenen Organismus darzustellen. Mystisch anmutende Wälder lassen sich auch in der Ausstellung finden. Bei Floyd B. Evans (Winter Fog, 1930er Jahre) mutet die Aufnahme durch den Nebel nicht nur mystisch, sondern auch malerisch an.
In Max Baurs Sanssouci: Herbstwald von 1945 erkennt man im Vordergrund filigrane Zweige mit einzelnen Blättern, während im Hintergrund massige Baumstämme in einer Nebelwand erscheinen. Die Absenz eines Mittelgrundes unterstreicht die künstlerische Qualität der Aufnahme.
Eine letzte Oase Für einige der eingangs erwähnten Fotografen und Maler stellte der Wald von Fontainebleau einen Zufluchtsort dar, um der Metropole Paris, der Umgestaltung, dem Kunstmarkt oder einfach der Gesellschaft zu entfliehen. Der Sehnsuchtsraum Wald ist bis heute ein medial gerne gebrauchtes Sinnbild für den Rückzug in die Natur. In der Ausstellung ergibt sich speziell zwischen paradiesischen Aufnahmen wie den saftigen, dicht bewachsenen Waldausschnitten Thomas Struths (Yakushima, 2004) und konzeptuellen, inszenierten Fotoprojekten ein interessanter Kontrast. So setzt Hans Kupelwieser die Folgen des Sturms Kyrill (2007) ins Bild. Durch Blitzeinschläge gespaltene Stämme, zufällig in der Natur entstandene Konstellationen werden als ästhetisch anmutende Objekte entdeckt.
Fabian Knecht implementierte 2017 einen White Cube in der Natur. Ein Ausstellungsraum wurde mitten im Wald aufgestellt und über den Waldboden gestülpt. Gegenüber der umgebenden Natur wurde ein kleines Stück künstlich isoliert. Es entstanden mehrere Fotografien – wie etwa Isolation (Dead Tree) Detail – die den Kontrast zwischen künstlich geschaffenem Raum und organisch Gewachsenem, zwischen musealen Objekten aus vergangenen Zeiten und „bedrohter“ Gegenwart reflektieren. Der Wald ist das Kunstwerk, das im Ausstellungsraum präsentiert wird.
1 Alan Mitchell, Die Wald- und Parkbäume Europas. Ein Bestimmungsbuch für Dendrologen und Naturfreunde, Hamburg/Berlin 1975, S. 13.
2 Dieser Absatz basiert auf auf Forschungsergebnissen, die der Autor im Rahmen seiner Dissertation erarbeitete. Einige Passagen wurden aus der Dissertation übernommen. Andere wurden abgeändert und an das Thema der Ausstellung angepasst. Während die Dissertation das Bezugssystem zwischen Fotografie und Malerei thematisiert, liegt der Fokus in diesem Aufsatz auf den Darstellungen von Bäumen und Waldausschnitten. Siehe dazu: Nikolaus Kratzer, Fotografie und Impressionismus, phil. Diss. (unpubl.), Wien 2020, S. 77–98.
3 Karin Sagner, Gustave Caillebotte. Ein Impressionist und die Fotografie, in: Dies./Max Hollein (Hg.), Gustave Caillebotte. Ein Impressionist und die Fotografie, Ausst. Kat. (Schirn Kunsthalle, Frankfurt 2012/2013), München 2012, S. 22.
4 Ebd.
5 Virginie Chardin, Paris und die Geschichte der Fotografie zwischen 1839 und 1900, in: Museum Folkwang (Hg.), Bilder einer Metropole. Die Impressionisten in Paris, Ausst. Kat. (Museum Folkwang, Essen 2010/2011), Göttingen 2010, S. 149.
6 Kimberly Jones, Landscapes, Legends, Souvenirs, Fantasies. The Forest of Fontainebleau in the Nineteenth Century, in: In the Forest of Fontainebleau. Painters and Photographers from Corot to Monet, Ausst. Kat. (National Gallery of Art, Washington 2008; The Museum of Fine Arts, Houston 2008), Washington 2008, S. 6.
7 Ebd.
8 Hinsichtlich der touristischen Erschließung des Waldes kommt vor allem dem Unternehmer ClaudeFrançois Denecourt eine zentrale Rolle zu. Zu einer genauen Analyse von Denecourts strategischer Vorgehensweise siehe: Kimberly Jones, Landscapes, Legends, Souvenirs, Fantasies. The Forest of Fontainebleau in the Nineteenth Century, in: In the Forest of Fontainebleau. Painters and Photographers from Corot to Monet, Ausst. Kat. (National Gallery of Art, Washington 2008; The Museum of Fine Arts, Houston 2008), Washington 2008, S. 14–19.
9 Sarah Kennel, An Infinite Museum. Photography in the Forest of Fontainebleau, in: In the Forest of Fontainebleau. Painters and Photographers from Corot to Monet, Ausst. Kat. (National Gallery of Art, Washington 2008; The Museum of Fine Arts, Houston 2008), Washington 2008, S. 159.
10 Ulrich Pohlmann, „Etudes d’après nature“. Barbizon und die französische Landschaftsphotographie von 1849 bis 1875, in: Christoph Heilmann/Michael Clarke/John Sillevis (Hg.), Corot, Courbet und die Maler von Barbizon. „Les amis de la nature“, Ausst. Kat. (Haus der Kunst München, München 1996), München/Berlin 1996, S. 409.
11 Ebd., S. 430.
12 Ebd., S. 411.
13 Simon Kelly, The Mystery of the Forest. Paintings of Fontainebleau at the Salon, in: In the Forest of Fontainebleau. Painters and Photographers from Corot to Monet, Ausst. Kat. (National Gallery of Art, Washington 2008; The Museum of Fine Arts, Houston 2008), Washington 2008, S. 145.
14 Christoph Heilmann, Barbizon – Wege zur Natur, in: Christoph Heilmann/Michael Clarke/John Sillevis (Hg.), Corot, Courbet und die Maler von Barbizon. Les amis de la nature, Ausst. Kat. (National Gallery of Art, Washington 2008; The Museum of Fine Arts, Houston 2008), Washington 2008,
15 Ebd.
16 Sarah Kennel 2008, S. 160/161.
17 Ulrich Pohlmann 1996, S. 411.
18 Malcolm Daniel, Eugène Cuvelier. Photographer in the Circle of Corot, Ausst. Kat. (The Metropolitan Museum of Art, New York 1996/1997), New York 1996, S. 3.
19 Daniel Challe, Eugène Cuvelier oder die Legende vom Wald, in: Eugène Cuvelier, Ausst. Kat. (The Metropolitan Museum of Art New York, New York 1996/1997; Grafische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, 1997; Musée d’Orsay, Paris 1997) Ostfildern 1996, S. 21.
20 Sarah Kennel 2008, S. 163.; Malcolm Daniel 1996, S. 9.
21 Bertrand Lavédrine, Photographs of the past. Process and Preservation, Los Angeles 2009, S. 224.
22 Ebd., S. 112.
23 Sarah Kennel 2008, S. 163.
24 Ulrich Pohlmann 1996, S. 407.
Gustave Le Gray
geb. 1820 in Villiers-le-Bel (fr), gest. 1884 in Kairo (eg)
•
„Hêtre, Forêt de Fontainebleau“, um 1856
Albuminabzug, 31,8 × 41,4 cm
Quelle: National Gallery of Art, Washington/Patrons’ Permanent Fund
Im September 1856, im Alter von neunzehn Jahren, besuchte Eugène Cuvelier Barbizon. Diese kleine Stadt am Rande des alten Waldes von Fontainebleau diente den Vorimpressionisten, die die Pleinairmalerei populär machten, als Heimstatt. Drei Jahre später heiratete er Louise Ganne, die Tochter des Gastwirts von Barbizon, in dessen Auberge sich die Maler zum Essen, Trinken und zum Reden über Kunst trafen. Obwohl sich das junge Paar in Arras niederließ, kehrte es oft nach Barbizon zurück, wo Cuvelier mit Stativ und Kamera die Straßen des Dorfes und den nahe gelegenen Wald erkundete, so wie es seine Malerfreunde mit ihren Staffeleien und Farbkästen taten. Gesegnet mit Talent, einer frühen technischen Ausbildung und der freundschaftlichen Betreuung durch die naturalistischen Maler, schuf Cuvelier einige der lyrischsten und sensibelsten Landschaftsfotografien des 19. Jahrhunderts. Seine Waldansichten sind vielfältig in Ausdruck und Motiv und geben meisterhaft das gedämpfte Licht des Waldinneren wieder, die greifbare Atmosphäre einer nebligen Waldlichtung, die muskulöse Kraft der blattlosen Eichen, die sich vor einem winterlichen Himmel erheben, oder die Zartheit eines jungen Baumes im Frühling. Wie der Wald selbst laden uns Cuveliers exquisite Fotografien dazu ein, der modernen urbanen Welt für einen Moment zu entfliehen und die Luft eines Ortes zu atmen, an dem die Natur die Sinne und die Seele beeindruckt. (The Metropolitan Museum of Art, New York)
Eugène Cuvelier
geb. 1837 in Arras (fr), gest. 1900 in Thomery (fr)
•
Forêt de Fontainebleau, frühe 1860er (Negativ 1859–1862)
Salzpapierabzug vom Papiernegativ, 19,8 × 25,8 cm
Quelle: The Metropolitan Museum of Art/The Howard Gilman Foundation and Joyce and Robert Menschel Gifts, 1988
Besonders am Motiv des Baumes lässt sich ein Vergleich seiner Darstellung in der Geschichte der unterschiedlichen Stilrichtungen in der Fotografie zeigen. Ab der ersten Fotografie im Jahr 1826 und der folgenden Jahrzehnte ging es mehr um die technischen Herausforderungen bei der fotografischen Aufnahme. Unmengen an Material wie Glasplatten, Dunkelkammern und großen Kameras mussten zum Ort der Aufnahme transportiert werden und die meisten Fotografien wurden zu dokumentarischen Zwecken erstellt. Allgemein galt die Auffassung, die Natur selbst sei Schöpferin der Motive. Erst die Erfindung der Trockenplatten im Jahr 1871 brachte eine technische Erleichterung und das Aufommen des Naturalismus in der Malerei bescherte auch der Fotografie einen ersten Höhenflug. Die Darstellungen waren dabei aber noch immer so naturgetreu wie möglich. Erst die Piktoralisten versuchten Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre mit ihren malerisch wirkenden Fotografien eine symbolische Darstellung von Gemütszuständen und grundlegenden Werten zu erreichen. Ziel war, die Fotografie als eigenständige Kunstrichtung zu etablieren. Um diesen künstlerischen Tendenzen mit stringent objektiver Bildsprache entgegentreten zu können entwickelte sich ab den 1920er Jahren daneben die straight photography, im Deutschen unter den Begriffen Neues Sehen und Neue Sachlichkeit bekannt.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Félix Bonfils und seine Frau Lydie stammen aus dem Süden Frankreichs. Félix wurde als Fotograf von einem Neffen des Fotopioniers Joseph Nicéphore Niépce ausgebildet und hielt sich im Jahr 1860 während der französischen Militärexpedition im Libanon auf. Bald beschloss er, seine Tätigkeit dorthin zu verlegen und so wurde 1867 in Beirut das erste professionelle Fotostudio der Region gegründet. Seine Frau, die bald vom gemeinsamen Sohn Adrien unterstützt wurde, fertigte Porträts und Genreszenen an, während sie den Libanon, Palästina, Ägypten, die Türkei und Griechenland bereisten und ihre Aufnahmen zurückbrachten. Das Atelier Bonfils war vor allem für seine Landschaften, Sehenswürdigkeiten und Architekturansichten bekannt, die zunächst für Künstler:innen, wohlhabende Reisende, Kunsthistoriker:innen, Archäolog:innen und später für eine wachsende Zahl von Touristen angefertigt wurden.
Zu Beginn der 1870er Jahre umfasst der Katalog des Ateliers etwa 15.000 Aufnahmen aus Ägypten, Palästina, Syrien und Griechenland sowie 9.000 stereoskopische Ansichten. Im Jahr 1876 kam Konstantinopel hinzu. Das gesamte Werkverzeichnis der Firma Bonfils ist ebenso umfangreich wie interessant, vor allem weil diese Bilder ein dokumentarisches Anliegen mit einer ästhetischen Herangehensweise an Komposition und Rahmung verbinden. Die große Zahl der Fotografen erklärt die offensichtlichen Qualitätsschwankungen. Die große Nachfrage, die Anforderungen des Handels und das Interesse der Kundschaft am offensichtlich Pittoresken erklären, warum ein Teil der Produktion als eher mittelmäßig eingestuft werden kann und zu Unrecht die Werke von großer Qualität verdunkelt. (Sylvie Aubenas, Bibliothèque Nationale de France)
Félix Bonfils
geb. 1831 in Saint-Hippolyte-du-Fort (fr), gest. 1885 in Alès (fr)
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„Source de Aïn-Fidjeh“, Quelle des Aïn-Fidjeh, 1868–1878
Albuminabzug, 21 × 28 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-711
William Dassonville, ebenfalls Chemiker und einstiger Nachbar von Ansel Adams, stellte seine eigenen Fotopapiere und Emulsionen für künstlerische Effekte in seinen Abzügen her und erweiterte später seine Tätigkeit auf die Herstellung von Fotopapier, wie z. B. sein berühmtes Charcoal Black. Sein unter anderem von Ansel Adams und Imogen Cunningham verwendetes Fotopapier bescherte Dassonville einen kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg, der aber im Zuge der wachsenden Ablehnung piktorialistischer Fotografie in den 1930er Jahren einbrach. Der Abzug ist Teil eines Musterbuchs als Beispiel für die verschiedenen Papiere und Effekte, die Dassonville mit seinen wunderschönen Charcoal Black Papieren erzielte. (Bassange)
Als Piktorialist strebte er nach harmonischen Kompositionen, die Gemälden nachempfunden waren, damit seine Abzüge als bildende Kunst gelten konnten, und verwendete Weichzeichner und einen begrenzten Tonwertumfang, um seine Motive zu idealisieren. Damit widersprechen seine poetischen Bilder dem Wesen der Fotografie als Spiegel der Realität – und das in einer Zeit der starken Industrialisierung in Nordkalifornien. (McIntosh Collection)
William Edward Dassonville geb. 1879 in Sacramento (US), gest. 1957 in San Francisco (US)
„San Francisco from Telegraph Hill“, um 1925 aus dem Musteralbum Dassonville Charcoal Black Gelatinesilberabzug (Charcoal Black) in ein Albumblatt eingeklebt
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2608, © Estate of William E. Dassonville / Courtesy of Susan Herzig & Paul Hertzmann, Paul M. Hertzmann
Der hauptsächlich als Fotojournalist arbeitende Fotograf Robert Bothner zeigt in zwei Schichten gestaffelte Bäume, die in ihrer kontrastreichen und grafischen Erscheinung an Kalligraphie erinnern. (Fritz Simak)
Robert Bothner
geb. 1899 in Stuttgart, gest. 1967 in Stuttgart (de) •
Ohne Titel, 1950er
Gelatinesilberabzug, 23 × 14 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-440, © Robert Bothner Estate
Die alte Linde in Harste im Landkreis Göttingen in Deutschland war eine sogenannte 1.000-jährige Linde und ein ausgewiesenes Naturdenkmal. Auch bekannt als Gerichts- und Tanzlinde ist sie mehr als 1.000 Jahre alt geworden. Heute ist nur noch der Torso der alten Linde vorhanden, aus seinen Wurzelresten ist jedoch schon ein neuer Trieb gewachsen, der an den alten Baumveteranen erinnert. Albert Renger-Patzsch fotografierte diesen prächtigen Baum für sein Buch Bäume. Photographien schöner und merkwürdiger Beispiele aus deutschen Landen, das 1962 als eine kleine exklusive Auflage erschien. Er schrieb dazu folgenden Text: „Kein Baum ist so mit dem Menschen verbunden, so oft besungen worden wie die Linde. Man sucht sie nicht im Walde, wo sie nur zerstreut vorkommt, sondern längs der Wege, auf Dorfplätzen und in Bauerngärten. Dort breitet sie ihre großkugelige, wohlgeformte Krone, in der die Äste sich regelmäßig bis zu feinsten Zweigspitzen aufteilen, und entfaltet darin alljährlich ein dicht-heimeliges Laubdach. Im frühen Sommer erscheinen die Blüten, die sich zur Bestäubung nicht dem Wind anvertrauen, sondern mit Honig und süßem Duft die Bienen herbeilocken. Dann ist der Lindenbäume und der Menschen schönste Zeit im Jahre. Kurz ist ein Menschenleben vor dem Lindenbaum. Tausend Jahre sagt man mancher Linde nach, und wenn auch oft nur die Hälfte davon richtig ist, so bleibt die freundliche Würde ihrer Erscheinung davon unberührt.“ (Christoph Fuchs)
Albert Renger-Patzsch
geb. 1897 in Würzburg (de), gest. 1966 in Wamel (de) •
„Linde in Harste bei Göttingen“, um 1962 Gelatinesilberabzug, 28,5 × 38,4 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1898, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht, Wien
„Die Stabilität und Stärke dieser alten Pappeln prägt sich eindringlich in unser Bewusstsein ein, wenn sie in ihrer ganzen Majestät über dem malerischen kleinen Bauernhaus mit den weißen Wänden aufragen. Wie schützend wirken diese großen Bäume ... grüne Wächter, die das bescheidene kleine Bauernhaus am Ende der Straße bewachen. Aber diese großen Pappeln sind Veteranen vieler Kampagnen ... des Zorns der Natur ... von Wind und Sturm, in den vielen Jahren, in denen sie tapfer auf ihren Posten gestanden haben. Nun fängt das Alter an, an ihren Stämmen hinaufzukriechen. Seht, wie sich Silberfäden in den buschigen, belaubten Zöpfen zeigen. Und doch wiegen und beugen sie sich vor der sanften Brise mit der Anmut der Jugend. Lebt weiter, ihr tapferen Pappeln! Bewacht mit eurer Kraft und bezaubert mit eurer Anmut ... den doppelten Dienst eurer herrlichen Schöpfung!“ (aus Adolf Fassbender, Pictorial Artistry: The Dramatization of the Beautiful in Photography, 1937)
Adolf Fassbender leistete einen wesentlichen Beitrag zur Fotografie des 20. Jahrhunderts in Amerika. Er war einer der führenden Fotografen zwischen den beiden Weltkriegen. Sein Buch Pictorial Artistry ist nach wie vor die aufwendigste Publikation ihrer Art. Es enthält 40 große von Hand abgezogene Heliogravüren. Viele der Bilder in dem Buch sind ländliche Szenen, atmosphärisch weich und moralisch erhebend. Fassbender war ein unverbesserlicher Optimist, der nur das Gute im Leben darstellen wollte. Diese Bilder gehören zu den schönsten Beispielen der Fotogravüre aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Das Timing von Pictorial Artistry war jedoch unglücklich. 1941 traten die Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg ein, und die antideutsche Stimmung – sowohl gegen Fassbender als auch gegen den Verlag – stoppte den Vertrieb des Buches bis zum Ende des Krieges. Fassbender hatte einen Großteil der Kosten persönlich übernommen und verlor schließlich auch das investierte Geld in das Buch, das heute ein begehrtes Sammlerstück ist. (Christoph Fuchs)
Adolf Fassbender
geb. 1884 in Grevenbroich (de), gest. 1980 in Newton (US)
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„The Sentinels“, 1937 aus dem Buch Pictorial Artistry: The Dramatization of the Beautiful in Photography Heliogravüre, 27 × 20 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-84, © Center for Creative Photography, The University of Arizona Foundation
Die Backwaters sind die Seiten- oder Nebenarme einer Flusslandschaft, wie sie sich häufig in Aulandschaften finden. Welche Aulandschaft hier abgebildet wurde ist nicht überliefert.
Besonders interessant an dieser Komposition sind nicht die Bäume selbst, sondern deren Spiegelung im Wasser. Diese besonders malerischen Formen und der Kontrast zu den realistisch abgebildeten Bäumen standen wohl im Interesse des Piktoralisten Sigismund Blumann. (Christoph Fuchs)
Sigismund Blumann
geb. 1872 in New York City (US), gest. 1952 in Oakland (US)
Backwaters, 1920er
Bromöldruck (Lithobrome) auf Karton, 26 × 33 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-324, © Sigismund Blumann Estate
• Jan Brueghel der Ältere (1568–1625)
Diana, nach der Jagd ruhend
© Residenzgalerie
Diana’s Mirror oder auch das Heiligtum der Diana Nemorensis am Nemisee liegt etwas südöstlich von Rom. Zentrum des Heiligtums war eine der Göttin Diana (gleichgesetzt der griechischen Göttin Artemis) geweihte Eiche, die von einem Priesterkönig, dem rex nemorensis, bewacht wurde. Dieser war ein entlaufener Sklave, der Tag und Nacht den Baum bewachte. Er hatte sein Amt so lange inne, bis es einem anderen Entlaufenen gelang, ihn zu töten, einen Ast von der Eiche zu brechen und so seinerseits dieses gefährliche Amt zu übernehmen. Vermutlich stammt dieser, für Christen unübliche Kult, aus vorgeschichtlicher Zeit.
Dass Blumann diese Aufnahme jedoch tatsächlich in Italien anfertigte, ist zu bezweifeln. Eher handelt es sich um eine Aufnahme aus Kalifornien, wo sich Blumann gerne in der Natur aufhielt, auch zum Fotografieren. Vielleicht wollte der Künstler mit dem Titel auch auf das kunsthistorische Motiv der Diana anspielen, die bei ihrem Bade überrascht wird. (Christoph Fuchs)
Sigismund Blumann
geb. 1872 in New York City (US), gest. 1952 in Oakland (US)
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„Diana’s Mirror“, 1920er
Gelatinesilberabzug (Lithobrome) auf Karton, 26 × 33 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-325, © Sigismund Blumann Estate
„Überlassen wir die Kunst den Künstlern und versuchen wir mit den Mitteln der Fotografie Fotografien zu schaffen, die durch ihre fotografischen Qualitäten bestehen können“, so schreibt Albert Renger-Patzsch im Buch Lob des Rheingaus im Jahr 1953. Das Familienunternehmen C. H. Boehringer & Sohn beauftragt den damals schon bekannten Fotografen Renger-Patzsch mit zunächst einem Bildband über den Rheingau. In den gesamt vier Bänden würdigt Renger-Patzsch die Schönheit und die kulturellen Aspekte der Rheingau-Region in Deutschland. Der Rheingau ist eine Weinregion, die entlang des Flusses Rhein liegt und für ihre Weinproduktion und malerischen Landschaften bekannt ist.
Das Unternehmen C. H. Boehringer & Sohn (heute Boehringer Ingelheim) ist ein Pharmaunternehmen, das 1885 von Albert Boehringer in Ingelheim am Rhein gegründet wurde. Es ist das größte forschende Pharmaunternehmen in Deutschland. Das Kerngeschäft von Boehringer Ingelheim ist das Erforschen, Entwickeln, Herstellen und Vertreiben von Arzneimitteln für Mensch und Tier. Alleine am Standort Ingelheim sind heute mehr als 8.000 Menschen beschäftigt. Einige Jahre nach den Bildbänden 1959 initiierte der Unternehmer Ernst Boehringer die „Internationalen Tage“, eine Veranstaltungsreihe, um die Wertschätzung und das Verständnis für unterschiedliche Kulturen zu fördern. Mit einer Vielzahl an Events und einer Kunstausstellung sind die „Internationalen Tage“ seitdem ein jährliches Highlight des Ingelheimer Veranstaltungskalenders. Sie widmen sich jedes Jahr einem besonderen Thema, zu dem Länder, Regionen oder auch Künstlerinnen und Künstler präsentiert werden, wie Paul Klee, Andy Warhol, Pablo Picasso, Marc Chagall und Käthe Kollwitz. (Christoph Fuchs)
Albert Renger-Patzsch
geb. 1897 in Würzburg (de), gest. 1966 in Wamel (de)
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„Landschaft auf einer Rheinaue bei Ingelheim“, 1949 Gelatinesilberabzug, 28 × 38 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-215, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht, Wien
Der relativ unbekannte Fotograf Floyd Butler Evans schuf mit diesem Bild ein wunderbares Beispiel für den Piktorialismus, einer Stilrichtung der Fotografie, die ihre Blütezeit Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg hatte.
Ziel des Stiles war es, nicht lediglich ein Abbild eines Augenblicks der Realität zu schaffen, sondern eine symbolische Darstellung von Gemütszuständen zu erzielen. Dabei galt, im Piktorialismus die Fotografie allgemein als vollwertiges künstlerisches Ausdrucksmittel zu etablieren. Stilistisch orientierte man sich zunächst insbesondere am Naturalismus in der Malerei. Die Diskussion, ob die Fotografie eine Kunst sei oder jemals eine werden könne, beschäftigte die Kunsttheoretiker seit der Erfindung der Fotografie. Während sich das damals neue Medium für Porträts und Reportagen rasch durchsetzte, blieb die künstlerische Anwendung selten. Das Hauptargument gegen die Fotografie als Kunstform war, Fotografie sei ein technischer Vorgang, bei dem der Fotograf lediglich den Auslöser zu betätigen habe. Die Fotografie sei also nur Abbild der Natur, während wahre Kunst eine Verarbeitung sein müsse. Aus dem von der Natur angebotenen Farben- und Formenreichtum müsse der bildende Künstler auswählen, um die beabsichtigte Aussage zu treffen. Diese Auswahl sollte mit den Stilmitteln des Piktorialismus auch in der Fotografie erreicht werden. (Christoph Fuchs)
Floyd B. Evans geb. 1890, gest. 1966
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„Winter Fog“, 1930er monochromer Karbrodruck auf Karton, 11 × 16 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-307, © Floyd B. Evans Estate
Im Unterschied zu den Piktoralisten eröffnet uns Hugo Brehme nur ein paar Jahre später mit dem Abbild einer fast identen Situation wie zuvor Floyd Butler Evans (siehe Seite 39) einen ganz anderen Blick. Mit dem Neue Sehen, als fotografisches Pendant zur Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit in der Malerei, schufen Fotografen ab den 1920er Jahren ein Abbild möglichst nahe an der Realität. Die technischen Verbesserungen wie etwa bessere Objektive ermöglichten größeren Detailreichtum und lichtempfindlichere Emulsionen führten zu kürzeren Belichtungszeiten. Das Neue Sehen entstand gleichzeitig mit fotografischen Experimenten, in denen die abstrakten Möglichkeiten des Abbildens mittels einer Kamera (oder auch ohne) erprobt wurden. Vielfach wurde das Neue Sehen auch als selbstreflexives Moment in der Fotografiegeschichte beschrieben: Die Fotografie besinnt sich ihrer Mittel. (Christoph Fuchs)
Hugo Brehme
geb. 1882 in Eisenach (de), gest. 1954 in Mexiko (MX) •
Ohne Titel, 1930er
Gelatinesilberabzug auf Karton, 22 × 36 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-147, © Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Das Verrücken des Fluchtpunktes der Baumallee aus der Bildmitte verleiht der Komposition eine besondere Spannung. Das macht diese sehr frühe, stimmungsvolle Winterlandschaft in außergewöhnlicher Qualität zu einer besonderen Fotografie und das, obwohl man nicht einmal die Urheberin oder den Urheber kennt.
Zur Zeit der Entstehung des Bildes war es nicht möglich, einen schnellen Schnappschuss zu machen. Die Kamera, vermutlich eine Plattenkamera, musste unter einem Tuch anhand des seitenverkehrten, sehr dunklen Abbild auf der Mattscheibe eingerichtet werden. Die Belichtung betrug bei schlechten Lichtverhältnissen, wie hier der Fall, oftmals mehrere Minuten. Neben der Ausrüstung, die damals nicht jedem und jeder zur Verfügung stand, war technisches Wissen und viel Geduld notwendig, um eine so lapidar wirkende Aufnahme umzusetzen. (Christoph Fuchs)
unbekannt
• Ohne Titel, 1910er Pigmentdruck, 30 × 40 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-277
Das Bild entstand, wie viele andere des Spätwerks des Fotografen
Albert Renger-Patzsch, in seiner späten Heimatstadt Wamel in Nordrhein-Westfalen. Nachdem der Zweite Weltkrieg mit seinen verheerenden Bombenangriffen einen Großteil seines Werks vernichtet hatte, zog sich Renger-Patzsch nach Wamel in der Gemeinde Möhnesee zurück und pflegte die Naturfotografie.
Albert Renger-Patzsch lehnte die Kunstfotografie ab und wollte nicht als Künstler gelten. Er betrachtete sich selbst als Fotograf und forderte nachdrücklich dazu auf, die Kunst den Künstlerinnen und Künstlern zu überlassen und sich stattdessen auf ehrliche und sachliche fotografische Qualität zu konzentrieren. In mehreren Essays betonte er diesen Standpunkt und sprach sich gegen jegliche Interpretation seiner Arbeiten aus, bestand darauf, dass sie ausschließlich als fotografische Dokumentation verstanden werden sollten. Diese Philosophie prägte sein gesamtes Werk und war wegweisend für die Neue Sachlichkeit.
Obwohl er selbst keine künstlerische Absicht verfolgte, besitzen die Fotografien von Albert Renger-Patzsch einen großen ästheti-
schen und künstlerischen Wert. Besonders seine fein komponierten Aufnahmen moderner Landschaften, in denen Fabrikschornsteine und Bäume zu einem faszinierenden Zusammenspiel von Bauwerk und Natur verschmelzen, zeigen seine bewusst melancholisch-düstere Bildsprache. Somit sind die vermeintlichen Dokumentationen von Albert Renger-Patzsch stets mehr als nur bloße Abbildungen.
Etwa ein Jahrzehnt nachdem Renger-Patzsch die Aufnahme gemacht hatte, erschien sie in einem Bildband der Siepmann-Werke, einem Stahlbau-Unternehmen in der Nachbargemeinde. „Wir zeigen den Freunden unseres Werks in diesem Band Bilder der Landschaft, in der wir leben und arbeiten, aus der uns Freude und Kraft für unser Tagewerk zufließt. Wir suchten wiederzugeben, was sich uns im vertrauten Umgang erschloß: ihre wesentlichen Züge, heimliches Leben, das dem flüchtigen Blick entgeht, Schönheiten, die sich abseits vom Wege aufspüren lassen, den Reichtum der Formen im Wandel des Jahres. Albert Renger-Patzsch hat dies zu finden und festzuhalten gewusst“, schreibt Walter Siepmann im Vorwort des Bildbandes 1957. (Christoph Fuchs)
Albert Renger-Patzsch
geb. 1897 in Würzburg (de), gest. 1966 in Wamel (de)
„Eichenkamp bei Wamel“, 1945/1946
Gelatinesilberabzug, 29,8 × 39,7 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2506, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht, Wien
Der bedeutende amerikanische Fotograf Edward Weston ist besonders für seine Natur- und Landschaftsmotive bekannt. Als Pionier der modernen Fotografie wird er für seine präzise Komposition und sein Spiel mit Licht und Schatten geschätzt. Weston war neben
Ansel Adams und Imogen Cunningham Teil der berühmten Gruppe f/64. Der Name bezieht sich auf die fotografische Blendenöffnung, die eine sehr hohe Tiefenschärfe und somit Schärfe über das gesamte Bild hinweg ermöglicht. Die Gruppe setzte sich für eine klare und scharfe Bildgebung ohne weiche Unschärfezonen ein und betonte die Verwendung von großen Blendenwerten für detailreiche Fotografien. Ihre Werke zeichneten sich vor allem durch Präzision und Klarheit aus, was im absoluten Gegensatz zum Anfang des 20. Jahrhunderts noch vorherschenden Piktoralismus und einer gewollt malerischen Wirkung der Bilder stand. (Christoph Fuchs)
Diese magisch anmutenden Bilder vereinen beide abstrakte und anthropomorphe Formen im Bild. Während jedoch das Bild auf der rechten Seite wesentlich durch den Ausschnitt und durch das Belassen einer vorgefundenen Konfiguration von Objekten gestaltet wurde, ist im Bild links durch die Gestaltung des Fotografen eine bestimmte Komposition wahrnehmbar. (Fritz Simak)
Edward Weston
geb. 1886 in Highland Park (US),gest. 1958 in Carmel (US) •
„Cypress, Point Lobos“, 1944
Gelatinesilberabzug auf Karton, 19 × 24 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-150
„Cypress, Point Lobos“, 1940
Gelatinesilberabzug auf Karton, 19 × 24 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-134, © Center for Creative Photography, Arizona Board of Regents
Cole Weston war der vierte und jüngste Sohn des berühmten Fotografen Edward Weston. Seine erste Kamera, eine 4 × 5 Inch Auto Graflex, erhielt Cole mit 16 Jahren von seinem Bruder Brett Weston. Im Jahr 1946 zog Cole zu seinem Vater Edward nach Carmel in Kalifornien. Zu dieser Zeit schickte Eastman Kodak seinen neuen Farbfilm, Kodachrome, zum Ausprobieren an Edward. Cole nutzte die Gelegenheit, um mit dem neuen Medium zu experimentieren und wurde zu einem der weltweit größten Meister der Farbfotografie. Daneben unterstützte Cole seinen Vater bei der Arbeit und erlangte damit auch für die Herstellung von Schwarz-Weiß-Abzügen in der Dunkelkammer meisterliches Wissen. Edward ermächtigt Cole, nach seinem Tod Abzüge von seinen Negativen zu machen, und so setzte Cole die Arbeit seines Vaters noch 30 Jahre nach dessen Tod fort.
Dieses Bild ist ein schönes Beispiel für Cole Westons eigene Arbeit mit Schwarz-Weiß-Film und die Ähnlichkeit zum Blick seines Vaters. Cole geht jedoch einen bewussten Schritt weiter und inszeniert einen männlichen Akt, eingebunden im „Schoß der Natur“. Die Grundidee lässt an Rudolf Koppitz ikonisches Werk Im Schoß der Natur aus dem Jahr 1923 denken. (Christoph Fuchs) •
Rudolf Koppitz (1884–1936)
Im Schoß der Natur, Nr. 3, 1923
Pigmentdruck, 36,8 × 26,9 cm
Foto: Christie’s
Cole Weston
geb. 1919 in Los Angeles (US), gest. 2003 in Carmel (US)
•
Ohne Titel, 1954
Gelatinesilberabzug auf Karton, 24 × 19 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-193, © Cole Weston Estate
Nirgends teilt sich das Geäst, kein Weg führt ins Innere des Waldes. Die Aufnahmen aus der Serie Paradies zeigen Thomas Struths Suche nach einer wilden, unkultivierten Vegetation, einer Natur, die sich vor uns verschließt. Unser Auge sucht nach Haltepunkten und gleitet doch immer wieder an den Stämmen, den Blättern und Farnen, den Ästen und Lianen ab, sucht forschend einzudringen und bleibt doch außen vor. Statt eines Raumes mit Tiefe und Volumen breitet sich vor uns eine einzige, undurchdringbare Fläche aus, bei der sich Vordergrund und Hintergrund auf einer Ebene unlösbar verknüpfen. Das Gehölz, der Wald, der Dschungel stehen wie eine Wand vor uns, ein filigran durchbrochener Vorhang, von Licht durchflutet, doch keiner, der sich beiseite schieben ließe – letztlich eine uneinnehmbare Festungsmauer. (Christoph Heinrich)
Thomas Struth
geb. 1954 in Geldern (de), lebt und arbeitet in Düsseldorf und Berlin (de)
• „Yakushima“, 2004 aus der Serie Paradies, griffelkunst Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 30 × 39 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1219, © Thomas Struth / Bildrecht, Wien
Der Goldrausch zog Mitte des 19. Jahrhunderts viele Abenteurer in den amerikanischen Westen nach Kalifornien. Auch der Tischler Galen Clark (1814–1910) kam als Goldgräber nach Kalifornien ins Yosemite-Tal und war fasziniert von der Schönheit des Tals und den Bergen der Umgebung. 1857 baute er sich ein Blockhaus am Zugang zum Yosemite Tal. Sein Blockhaus, bald bekannt als „Clark’s Station“, versorgte die Besucherinnen und Besucher mit Mahlzeiten, Obdach und Platz, wo die Pferde weiden konnten. Clark unterhielt seine Gäste mit einer Vielfalt von Themen über Fauna und Flora bis zur Geschichte der indigenen Bevölkerung und über die Geologie des Parks. Clark erkundete von hier aus die umliegenden Wälder und entdeckte dabei auch den „Mariposa Grove of Big Trees“, den Wald mit den Mammutbäumen.
Unter den naturbegeisterten Besucherinnen und Besucher war auch der Fotograf Carleton Eugene Watkins, der im Jahr 1861 eine Serie von Ansichten des Yosemite Valley anfertigte. Die Kunstfertigkeit und die raue Schönheit dieser Fotografien waren mit ein
Grund dafür, dass Präsident Lincoln am 30. Juni 1864 ein Gesetz unterzeichnete, das das Yosemite Tal in den Besitz des Staates Kalifornien übertrug und damit den Grundstein für das amerikanische National Park System legte. Mitten im brutalen Bürgerkrieg und seiner Zerstörung von Mensch und Land sah Lincoln in der Erhaltung eines kleinen, aber außergewöhnlichen Stücks amerikanischer Wildnis ein fortschrittliches Ziel, das er mit der Republik teilen wollte. Das Gesetz sah vor, „Dass der Staat das Land unter der ausdrücklichen Bedingung erhält, dass das Gelände der Nutzung durch die Öffentlichkeit als Ferienort und zur Erholung für alle Zeit unabdingbar zur Verfügung steht“. Zum Schutz des Gebietes setzte der Staat Kalifornien eine achtköpfige Kommission ein zu der auch Clark gehörte. Im Jahr 1867 wurde Galen Clark zum ersten Parkwächter „guardian of the grant“ (später Ranger) ernannt.
Viele Fotografinnen und Fotografen folgten den ersten Pionieren in das Yosemite Valley. Der wohl bekannteste unter ihnen ist Ansel Adams (1902–1984).
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Die Aufnahme des Fotografen Carleton Eugene Watkins zeigt Galen Clark vor dem „Grizzley Giant“ im Mariposa Grove im Yosemite National Park. Der „Grizzley Giant“ gehört zu den größten Riesenmammutbäumen und somit zu den größten Bäumen der Erde.
Bei diesem Abzug handelt es sich nicht um die Aufnahme aus dem bekannten Portfolio, aufgenommen bei Watkins erstem Besuch des Mariposa Grove im Jahr 1861. Dies ist erkennbar an der unterschiedlichen Lage der Äste und der Handhaltung der Flinte von Galen Clark. Vermutlich stammt die Aufnahme von einer weiteren Tour durch das Valley von Watkins im Jahr 1865–1866.
Der „Grizzley Giant“ ist ein Riesenmammutbaum. Er wurde schon oft vermessen; 1990 berechnete Wendell Flint sein Volumen auf 962,9 m3, was ihn zu einem der größten lebenden Riesenmammutbäume der Welt macht. Der Grizzley Giant ist der älteste Mammutbaum im Mariposa Grove, dem größten Riesenmammutbaum-Hain im Yosemite National Park, mit mehreren hundert ausgewachsenen Exemplaren. Früher galt er als der älteste und größte Baum der Welt. Im Jahr 2019 führten verfeinerte wissenschaftliche Datierungsmethoden zu einer neuen Altersschätzung und legten es auf 2.995 Jahre fest. Am 16. Juli 2022 bedrohte das Washburn-Feuer den Grizzley Giant und andere Bäume im Mariposa Grove. Der National Park Service setzte Sprinkleranlagen ein, um den berühmten Baum zu schützen. (Christoph Fuchs)
Carleton Eugene Watkins 1829 in Oneonta (US), gest. 1916 Napa (US)
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„Trunk of the ‚Grizzley Giant‘ 90 Feet in Circumference“, 1865–1866 Albuminabzug auf Karton, 20,5 × 30,5 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2605
Carleton Watkins war der herausragendste Fotograf des amerikanischen Westens. Geboren in Oneonta, New York, zog er 1849 nach Kalifornien, brachte sich selbst das neue Medium der Fotografie bei und begründete seinen Ruf 1861 mit einer erstaunlichen Serie von Ansichten des Yosemite Valley.
Watkins beherrschte das schwierige Nasskollodium-Verfahren virtuos, und die bemerkenswerte Klarheit seiner „Mammut“-Abzüge (18 × 22 Inch) war unübertroffen. Er gab die Weite und Erhabenheit der Gletschertäler, der dramatischen Wasserfälle, der massiven Felswände und der majestätischen Bäume des Yosemite mit exquisiter Finesse wieder. Watkins produzierte dieses Werk mit einem Dutzend oder mehr Maultieren, die etwa zweitausend Pfund an Ausrüstung trugen, darunter seine überdimensionale Kamera, große Glasplatten und brennbare Chemikalien. Es ist an sich schon ein Wunder, dass überhaupt Fotografien diese Strapazen überstanden haben. (The Metropolitan Museum of Art, New York)
Das Bild zeigt ein beliebtes Sujet im kalifornischen Yosemite National Park in den USA, das auch etwa von Ansel Adams festgehalten wurde. Durch die relativ lange Belichtungszeit wird die Bewegung des Wassers unscharf abgebildet. Später wurden lange Belichtungszeiten, obwohl es aufnahmetechnisch nicht mehr notwendig war, von unzähligenFotografen als „kreatives“ Stilmittel eingesetzt, um oberflächliche Effekte zu erzielen. Bei Watkins ergibt sich dieser Effekt von selbst und ist dadurch verknüpft mit der Entstehungszeit und dem Entstehungsort. (Fritz Simak)
Als Watkins in den 1870er Jahren bankrott war, hat Isaiah Taber zusammen mit dem Gläubiger John G. Cook die Negative und die Galerie von Watkins übernommen. Dieser Abzug ist von einem Negativ von Carleton Eugene Watkins aus 1861; gedruckt zwischen 1875 und 1881 von Taber. Die Galerie und die rund 80 Tonnen Porträtnegative und weitere 20 Tonnen Negative wurden im Jahr 1906 durch ein verheerendes Feuer nach dem Erdbeben in San Francisco zerstört. (Bassenge, Berlin)
Carleton Eugene Watkins 1829 in Oneonta (US), gest. 1916 Napa (US)
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„87. The Vernal Falls, 343 feet, Yosemite, Cal.“, 1861 (Abzug 1875–1881)
Albuminabzug auf Karton, 40 × 51 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-771
William Edward Dassonville ist ein wichtiger Vordenker für die Art der Wahrnehmung wie sie später von Ansel Adams, Edward Weston und vielen anderen gesehen wurde. Sie konzentrieren sich auf ein Objekt, das aber nicht isoliert betrachtet wird, sondern in enger Verbindung mit der Umgebung steht – hier der Baum in Verbindung mit den Wolken. (Fritz Simak)
William Edward Dassonville geb. 1879 in Sacramento (US), gest. 1957 in San Francisco (US)
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Carleton Eugene Watkins 1829 in Oneonta (US), gest. 1916 Napa (US)
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„Tip top of Sentinel Dome“, 1867 Albuminabzüge auf Karton (Stereograf)
Quelle: CarletonWatkins.org
Carleton Eugene Watkins fotografierte die Jeffreys Kiefer ( Jeffrey Pine) am Sentinel Dome im Yosemite National Park das erste Mal im Jahr 1867. Viele Fotografen, darunter auch Ansel Adams, folgten. Die Kiefer starb in der großen Dürre 1976, obwohl viele Menschen Wasser auf den Berggipfel trugen, um den Baum zu retten. Im Jahr 2003 fiel die abgestorbene Kiefer endgültig um. (Christoph Fuchs)
Ansel Adams geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US)
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„Jeffrey Pine, Sentinel Dome, Yosemite National Park, California“, 1940 (Abzug 1970er) aus der Serie: Photographs of Yosemite, Special Edition Gelatinesilberabzug auf Karton, 19 × 24 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-32, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
Die berühmte Kiefer (Jeffrey Pine) am Sentinel Dome im Yosemite National Park wurde von Generationen von Fotografen – wie hier von einem unbekannten amerikanischen Fotografen – abgelichtet, wobei im Vergleich die gestalterische Kraft von Ansel Adams Abzug augenscheinlich wird. (Fritz Simak)
Ansel Adams nahm dieses Bild 1948 mit einer 8 × 10 Inch Fachkamera auf. Diese hoch aufragende Eiche am westlichen Rand von El Capitan Meadow war eines seiner Lieblingsmotive. Seit Adams den Baum zum ersten Mal fotografiert hat, hat das Alter seinen Tribut gefordert und in den letzten Jahren ist er einem Feuer zum Opfer gefallen. Die hoch aufragenden Felsen zwischen Bridalveil Fall und Cathedral Spires, die sich im Nebel hinter der Eiche auf diesem Foto abzeichnen, sind jedoch so stabil wie eh und je. Der Sierra Club veröffentlichte Oak Tree, Snowstorm 1948 zusammen mit elf anderen Fotografien von Ansel Adams im Portfolio I. Später wählte Adams das Bild für seine Museum Set Collection aus, ein retrospektives Portfolio mit den seiner Meinung nach besten Arbeiten. Weiters wurde das Bild auch in Classic Images, dem Buch, das auf dem Museum Set basiert, veröffentlicht. Das Bild ist eine von Adams’ Ikonen und wurde auch im Buch Ansel Adams Monograph und in den beiden Portfolios, Yosemite and the High Sierra und Yosemite, veröffentlicht.
Von allen amerikanischen Landschaften, die Ansel Adams in seinen Bildern verewigt hat, war der Yosemite die persönlichste. Im Yosemite fand er seine geistige Heimat und gründete auch seine Familie. Er besuchte den Park zum ersten Mal im Jahr 1916 und kehrte danach jedes Jahr zurück, lernte dort seine Frau kennen und zog seine Familie in der Pracht des Yosemite auf. Adams hoffte, dass
seine Bilder die Parkbesucherinnen und Besucher dazu inspirieren würden, sich für den Erhalt des Yosemite einzusetzen und eine tiefere Verbundenheit mit der natürlichen Welt und den Wunsch, sie zu schützen, zu entwickeln. Mit diesem Ziel vor Augen konzipierte
Ansel in den späten 1950er Jahren diese Serie von Yosemite Special Edition Photographs. Mit Bildern des Half Dome, des Lake Tenaya, des Merced River und anderen lud er alle ein, sich an seiner „Kunst als Aktivismus“ zu beteiligen, indem er die Abzüge zu einem erschwinglichen Preis anbot. Heute, da Amerikas Wildnis zunehmend bedroht ist, bleibt seine Vision für die Special Edition Photographs so aktuell wie nie zuvor.
Die Yosemite Special Edition Photographs sind die originalgetreuesten fotografischen Reproduktionen von Ansel Adams Meisterwerken, die von seinem ehemaligen Assistenten Alan Ross in sorgfältiger Handarbeit von originalen Negativen erstellt wurden. Alan Ross arbeitete von 1975 bis 1984 unter Adams direkter Anleitung und fertigte die Serie nach Adams Anweisungen an. Jeder Abzug schimmert in brillantem Glanz, mit reichlich perfektionierten Schwarz-Weiß-Tönen. Aus einer Auswahl von 29 atemberaubenden Bildern des Yosemite wird jedes Foto in 8 × 10 Inch gedruckt und vom Ansel Adams Publishing Rights Trust autorisiert. (Ansel Adams Gallery)
Ansel Adams
geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US)
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„Oaktree, Snowstorm, Yosemite National Park, California“, 1948 (Abzug 1970er)
aus der Serie Photographs of Yosemite, Special Edition Gelatinesilberabzug auf Karton, 23 × 18 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-225, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
Ansel Adams fertigte diese Aufnahme um 1959 mit einer 8 × 10 Inch Fachkamera. Das Bild wurde einst für einen Werbeauftrag verwendet, wie Adams selbst im Buch Ansel Adams: Eine Autobiographie beschreibt, „1969, bei einem meiner letzten kommerziellen Aufträge, wählte ich das Foto Yosemite Valley, Winter [...] für die Reproduktion auf einer Hills Brothers Kaffeedose aus. Die Idee war, etwas von dauerhafter Attraktivität zu schaffen, nachdem der ursprüngliche Inhalt der Dose verbraucht worden war [...] Potenziell kitschig: tatsächlich vernünftig. Es gab Tausende von Drei-Pfund-Dosen, die mit Kaffee gefüllt waren und landesweit in Lebensmittelgeschäften für 2,35 Dollar pro Stück verkauft wurden.“ Als die zuverlässig bissige Imogen Cunningham die Kaffeedosen sah, kritisierte sie Adams für seinen Ausverkauf. Cunningham hatte ihre Arbeiten zusammen mit Adams und Edward Weston 1932 in der Ausstellung der Gruppe f/64 im M. H. de Young Memorial Museum in San Francisco gezeigt. Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, ließ sie einen Freund eine mit Mist gefüllte Dose mit einer sprießenden Marihuanapflanze überbringen und nannte sie einen „pot in a pot“. Ansel Adams nahm die Sticheleien gut auf und sagte: „Ich habe Imogens Scherz genossen, aber als mein guter Freund und Fotografenkollege Henry Gilpin, damals stellvertretender Sheriff von Monterey County, vorbeikam und die Pflanze sah, schlug er mir leise vor, sie zu vernichten. Das tat ich.“ Das Bild wurde jedoch nicht nur auf der Kaffeedose „veröffentlicht“, sondern ziert auch das Cover des Buches Yosemite and the High Sierra. (Nicky Guerreiro, The Ansel Adams Gallery)
Ansel Adams geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US)
• „Yosemite Valley from Inspiration Point, Winter“, um 1940 (Abzug 1990er) aus der Serie: Photographs of Yosemite, Special Edition Gelatinesilberabzug, 17,6 × 24 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1993, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
Ansel Adams begann 1958 mit der Yosemite Special Edition Photograph Series, um schöne Abzüge seiner Bilder als erschwingliche Alternative zu Originalfotografien anzubieten. Die signierten Fotos der Serie wurden von Ansel Adams Studioassistenten in den Jahren zwischen 1958 und 1972 von den Originalnegativen abgezogen. Jeder dieser Abzüge im Format 8 × 10 Inch trägt die Unterschrift von Ansel Adams und ist mit einem speziellen Stempel auf der Rückseite des Passepartouts versehen. (Ansel Adams Gallery)
Ansel Adams geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US)
„Winter Forest Detail“, 1949 (Abzug 1960er) aus der Serie: Photographs of Yosemite, Special Edition Gelatinesilberabzug, 24 × 18 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-195, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
Die Leidenschaft für Schwarz-Weiß-Fotografie reicht bei Robert Werling lange zurück. Sein Schlüsselerlebnis war der Besuch einer Ausstellung von Ansel Adams in der Yosemite Gallery 1965. Seit diesem Zeitpunkt widmete er sich der Landschaftsfotografie, zunächst als Schüler und später als Freund von Ansel Adams. Durch diese Verbindung lernte Robert Werling viele andere „alte“ Meisterinnen und Meister der amerikanischen Westküste kennen, darunter bekannte Namen wie Brett Weston, Ruth Bernhard und Imogen Cunningham. Deren Bildsprache und Motivwahl spiegelt sich auch in Werlings Arbeiten wieder. (Christoph Fuchs)
Robert Werling
geb. 1946 in San Francisco (US), lebt und arbeitet in Santa Barbara (US)
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„El Capitan in Fog, Yosemite“, 1980er Gelatinesilberabzug auf Karton, 49 × 39 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1473, © Robert Werling
Mehr als 50 Jahre fotografiert der Amateurfotograf Gordon H. Hastings auf höchstem Niveau die Landschaft Kaliforniens und des amerikainischen Westens mit Groß- und Mittelformatkameras, hauptsächlich mit Schwarzweißfilmen. Neben der Sierra Nevada, dem Owen’s Valley, der Central Coast, der Mojave-Wüste und dem Death Valley ist Hastings immer wieder im Yosemite Park unterwegs. Als Mitglied der Photographic Society of Orange County unternimmt er immer wieder gemeinsame Reisen und Ausflüge zum Fotografieren. Seine Motivwahl orientiert sich an großen amerikanischen Fotografen wie Ansel Adams und Edward Weston. Die Qualität seiner Bilder ist dabei überragend.
Im Bild die markante Felsformation El Capitan im Yosemite National Park in Kalifornien. Die teilweise senkrecht abfallenden Flanken erheben sich bis zu 1.000 Meter über dem Yosemite Valley. Der höchste Punkt des Felsens befindet sich auf 2.307 Meter. Durch seine Abmessungen ist El Capitan eine auffällige Landmarke im Yosemite Valley und gilt als eines der Wahrzeichen des National Parks. Der Name El Capitan kommt aus dem Spanischen und bedeutet so viel wie Anführer oder Hauptmann. Er soll im Jahr 1851, relativ kurz nach der Annexion Kaliforniens durch die USA, von Angehörigen des Mariposa-Bataillons geprägt worden sein, einer Freischärlertruppe aus US-Siedlern, die seinerzeit als erste Weiße das Yosemite-Tal betraten. Die Überlieferung der Etymologie stammt von Lafayette Bunnell, einem Mitglied dieser Truppe. Ihm zufolge soll sich El Capitan vom Namen Tu-tock-ah-nu-lah aus der Sprache der Ahwahnee ableiten, einer Volksgruppe der Paiute und Ureinwohner des Yosemite-Tales. Tu-tock-ah war der Name eines Häuptlings der Ahwahnee. Die Volksgruppe hatte also den Felsen nach einem ihrer Häuptlinge benannt, woraus die „Weißen“ dann den Häuptlingsfelsen El Capitan machten. (Christoph Fuchs)
Gordon H. Hastings
lebt und arbeitet in Anaheim (US)
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„El Capitan, Yosemite late Afternoon Light“, 1988 Gelatinesilberabzug, 34,2 × 26,3 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2561, © Gordon Hastings
unbekannt
• El Capitan, Yosemite National Park, California, 1910er
Gelatinesilberabzug auf Karton, 50 × 23 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-302
Ansel Adams hat dieses Bild vor 1950 mit einer 8 × 10 Inch Fachkamera aufgenommen; das genaue Datum ist unbekannt. Die sich abzeichnende Dunkelheit der Granitwand steht in dramatischem Kontrast zur Helligkeit der schneebedeckten Bäume auf beiden Seiten des Merced River. Andere Aufnahmen dieses Motivs haben eine umgekehrte Tonalität, dunkle Bäume und Schatten umrahmen den helleren Felsen. An Wintertagen, wenn die Sonne die gefrorene Felswand des El Capitan erwärmt, stürzen oft Felsen von oben herab, wenn das Eis, das sie festhält, schmilzt. Nach dem Fall aus dreihundert Meter Höhe explodieren die Felsen beim Aufprall und erfüllen das Tal mit einem dröhnenden Echo. Im Laufe seiner Karriere machte er viele Bilder von der dramatischen Felswand des El Capitan, insbesondere eines seiner ersten bekannten Fotos, das er 1916 auf seiner ersten Reise ins Yosemite Valley aufnahm. Mit einer Kodak #1 Box Brownie gab er einen frühen Hinweis auf die Visualisierung, die später sein Markenzeichen werden sollte, indem er die blasse Granitwand mit grünen Bäumen im Vordergrund einrahmte, um die überwältigende Größe des El Capitan herunterzuspielen. Nach dieser frühen Aufnahme kehrte Ansel Adams immer wieder zum El Capitan zurück und fotografierte ihn zu jeder Tageszeit, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Licht, das ihm möglich war. Dieses besondere Bild des El Capitan ist nicht veröffentlicht worden.
(Ansel Adams Gallery)
Ansel Adams geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US)
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„El Capitan, Winter, Yosemite National Park, California“, 1950 (Abzug 1970er) aus der Serie: Photographs of Yosemite, Special Edition Gelatinesilberabzug, 23 × 18 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-224, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
geb. 1952 in Brisbane (AU), lebt und arbeitet in Chiemgau (de) •
„The One and Only Tree“, Sierra Nevada, Andalusien, Spanien, 2010 (Abzug 2021) Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 70 × 50 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2449, © Jill Seer
Barbara Morgan
geb. 1900 in Buffalo (US), gest. 1992 in North Tarrytown (US)
„Beech Tree IV “, 1945 (Abzug 1980er)
Gelatinesilberabzug, 34 × 34 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-327, © Barbara and Willard Morgan photographs and papers,
Library Special Collections, Charles E. Young R
Die Licht- und Schattenspiele der mächtigen Buche erinnern an anthropomorphe Formen. Vermutlich ist diese Aufnahme im Rahmen der Serie Bäume. Photographien schöner und merkwürdiger Beispiele aus deutschen Landen von Albert Renger-Patzsch entstanden, hat es aber dann nicht in das 1962 erschienene Buch mit den 65 ausgewählten Bäumen geschafft. Zu einer sehr ähnlichen Buchengestalt auf Tafel 15 steht geschrieben: „Bemerkenswert sind die Gegensätze, unter denen die Teile eines Baumes leben müssen. Der Wipfel taucht in hellstes Sonnenlicht; doch nur ein Bruchteil davon gelangt ins Innere der Krone, wo die Blätter viel weicher und zarter sind. Der Stamm aber steht im schattigen, kühlen, feuchten Innenraum des Waldes, oder wird beim freistehenden Baum von einer großen Krone beschattet. Die Wurzeln endlich stoßen in kalte Tiefen vor, wo der Wechsel von Tag und Nacht, von Sommer und Winter nicht mehr spürbar ist. Zwischen diesen Gegensätzen aber webt sich ein einheitliches Lebensgefüge.“ dendrologische Erläuterung von Wolfgang Haber. (Christoph Fuchs)
Albert Renger-Patzsch
geb. 1897 in Würzburg (de), gest. 1966 in Wamel (de)
• ohne Titel, 1957
Gelatinesilberabzug, 22 × 16 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-388, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann u. Jürgen Wilde, Köln / Bildrecht, Wien
Siskind
geb. 1903 in New York (US), gest. 1991 in Providence (US)
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„The Tree #36, Martha’s Vineyard“, 1973
aus dem Portfolio The Eighth Annual Portfolio of the Photographic Education Society, Rhode Island School of Design
Gelatinesilberabzug auf Karton, 16 × 17 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-263, © Aaron Siskind Foundation
Außergewöhnliche Gestaltung des viel beanspruchten Sujets: Bäume im Wald. Harry Callahan versteht es, den nahezu in der Mitte befindlichen „Hauptbaum“, durch raffinierte Staffelung der übrigen Bäume in ein Geflecht kalligrafischer Formen einzubetten.
Im Vergleich dazu The Tree von Aaron Siskind der durch unterschiedliche Helligkeit Tiefe im Bild schafft. Die Formen aus der Natur erinnert an den Menschen in Bewegung. (Fritz Simak)
Harry Callahan
geb. 1912 in Detroit (US), gest. 1999 in Atlanta (US)
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„#6 Aix en Provence“, 1958 (Abzug 1972) aus dem Portfolio Landscapes 1941–1999
Gelatinesilberabzug auf Karton, 18 × 18 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-380, © The Estate of Harry Callahan / courtesy Pace/MacGill Gallery, New York
Ich kann mit Bescheidenheit und Stolz sagen, dass ich glaube, dass Südkorea und ich gute Freunde geworden sind. Zwischen 2005 und 2018 habe ich mindestens ein Dutzend Mal den Norden, Süden, Osten und Westen erkundet und fotografiert. Südkorea und seine Menschen waren äußerst gastfreundlich zu mir, und ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Ich mag immer Orte, die ein Geheimnis und eine Atmosphäre haben, vielleicht eine Patina des Alters, eher eine Andeutung als eine Beschreibung, eine Frage oder zwei. In dieser Hinsicht ist Südkorea für mich ein Schatz, da es schon so lange bewohnt ist. Erinnerungen und Spuren sind überall, in der Luft und in der Erde verankert. Südkorea ist technisch gesehen immer noch ein Land, das sich im Krieg mit Nordkorea befindet, was sein Aussehen und seine Atmosphäre dramatisch beeinflusst. Ich hatte zum Beispiel noch nie Strände gesehen, die durch Stacheldraht geschützt waren. Ich fand, dass die Wachtürme der Rettungsschwimmer immer bedrohlicher wirkten, je näher ich der DMZ kam. Südkorea hat mir faszinierendes Material zum Fotografieren geliefert. Ich kann mir nicht vorstellen, was ich in Nordkorea vorfinden würde, aber ich hoffe, dass ich eines Tages die Gelegenheit haben werde, mich selbst davon zu überzeugen. (Michael Kenna, aus: Michael Kenna, Korea, Gallery K.O.N.G., Südkorea 2019)
Michael Kenna
geb. 1953 in Widnes (gB), lebt und arbeitet in San Francisco (US)
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„Mountain Tree, Study 1, Danyang, Chungcheongbukdo, South Korea“ 2011 (Abzug 2023)
Gelatinesilberabzug, 20 × 19,2 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2726, © Michael Kenna / Bildrecht, Wien
Der japanische Fotograf Koichiro Kurita studierte an der Kanseigakuin-Universität in Kobe Wahrnehmungspsychologie und nutzte seine Kamera ausgiebig, um die Funktion des Auges in seiner Forschung zu simulieren, in der er untersuchte, wie Menschen bewegte Objekte unter wechselnden Umständen wahrnehmen. Als junger Mann arbeitete er für eine Werbeagentur in Tokio, bevor er ein erfolgreicher unabhängiger Fotograf und Regisseur von Werbespots wurde. Im Alter von vierzig Jahren, angeregt durch die Lektüre des Buches Walden des amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Henry David Thoreau (1817–1862), beendete Koichiro Kurita seine lukrative Karriere, um seine Fotografie ganz auf meditative Ausdrucksformen seiner Verbundenheit mit der ländlichen Natur auszurichten. Er konzentrierte sich auf großformatige Landschaftsfotografie und zog sich in ein Studio in den YatugatakeBergen hundert Meilen nordwestlich von Tokio zurück, wo, wie er schreibt „das Gefühl Walden war“. Nachdem er ein Stipendium des Asian Cultural Council erhalten hatte, das von John D. Rockefeller III gegründet wurde, um den internationalen Dialog zwischen asiatischen und amerikanischen Künstler:innen und Wissenschaftler:innen zu fördern, konnte er in Kanada, den Vereinigten Staaten und Großbritannien reisen und fotografieren.
Seit 1993 unterhält Kurita Studios in New York, Massachusetts und Fukusumi und konzentriert seine Eindrücke von der Natur –stille Wälder in Neuengland, abgelegene Seen und Felsen in den Boundary Waters in Minnesota und Kanada oder Naturmerkmale in Kalifornien –, indem er poetische Details aus der größeren Landschaft extrahiert. Dabei verwendet er fotografische Edeldruckverfahren aus dem 19. Jahrhundert, um monochromatische Abzüge herzustellen. Seine eigenhändigen Platin Palladium-, Albumin- und Salzpapierabzüge auf handgeschöpften Gampi-Papier, welches aus der Rinde des japanischen Gampi-Baumes hergestellt wird, verstärken die Zartheit und subtile Resonanz seiner Bilder und verbinden historische und doch zeitlose Qualitäten mit seiner zeitgenössischen Vision.
Seine Aufnahmen, wie das Werk Fall, zeigen die Natur, wie er sie im Sinne von „Chi Sui Ki“ (地 水 気), oder Terrasphäre, Hydrosphäre und Atmosphäre sieht, und die Grenzen, die jeder dieser Bereiche miteinander und mit allen Lebensformen teilt. Kuritas laufendes Projekt Beyond Spheres (Jenseits der Sphären) handelt von seiner visuellen Reise, um Thoreaus Wahrnehmungen zu verstehen, während er den Spuren des Schriftstellers durch Neuengland folgt. Es ist die logische Fortsetzung von Kuritas fortwährender Suche nach einer Antwort auf die Frage: „Was wäre, wenn Thoreau ein Fotograf gewesen wäre?“
In Kuritas Worten besteht das Ziel des Projekts darin, „Thoreaus ldeen und Schriften durch den Einsatz fotografischer Techniken eine bildliche Form zu geben, indem er die von seinen Zeitgenossen verwendeten Edeldrucktechniken anwendet“. Weiter erklärt er: „lch habe zwei Mentoren. Der eine ist Henry David Thoreau, der dazu drängte, die Beziehung zwischen Natur und Mensch neu zu erleben. Der andere ist Henry Fox Talbot (1800–1877), der lehrte, was Fotografie ist. Beyond Spheres ist ein Projekt, das am Ende eine Dankesrede an meine beiden Mentoren sein wird, denen ich nie begegnet bin.“
Talbot beschrieb seine Arbeit als photogenes Zeichnen, „die Bilder der Naturmalerei. die die Glaslinse der Kamera in ihrem Fokus auf das Papier wirft“ – die Fotografie als Bleistift der Natur (The pencil of nature), eine Formulierung, die er als Titel für sein Buch verwendete, das von 1844 bis 1846 in Fortsetzungen erschien. Das Erscheinen des Buches, nur ein Jahr bevor Thoreau nach Walden Pond zog, um dort auf einem von seinem Freund, dem Schriftsteller Ralph Waldo Emerson, erworbenen Grundstück zu leben, ist für Kurita von Bedeutung. Kuritas fotogene Zeichnungen, die durch seine interpretation von Thoreau und der Natur angeregt werden, sind seine eigenen Meditationen des Lebens mit den Mitteln der Kunst. Kurita lässt sich von Thoreaus Analogie des Blattes als grundlegende Einheit inspirieren. die das Gefüge der Natur aufbaut und eint: Er versucht, die Erde, Flüsse, Vögel, Menschen und verschiedene Dinge in der Welt als „Blätter“ zu beschreiben. Dies führt zu der Erkenntnis, dass die verschiedenen Dinge in dieser Welt ein gemeinsames Urbild haben … In gewissem Sinne ist alles miteinander verbunden und steht in einer Beziehung. Hier ist eine große Perspektive der Natur, die über die japanische oder westliche Sicht der Natur hinausgeht. Begriffe wie „Natürliche Auslese“ oder „Überleben des Stärkeren“ werden assoziiert mit einer Wettbewerbsgesellschaft, in der die Wirtschaft im Vordergrund steht. Unser gegenwärtiges soziales Umfeld ist ein Wettbewerb um die Herstellung und den Umlauf vieler Produkte, während die Welt ihrer Ressourcen beraubt wird. Unser Verhältnis zur Gesellschaft und zur Umwelt sollte nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen, der Harmonie einen hohen Stellenwert einräumen und sich in einen ruhigen und „einfachen gemeinsamen Lebensraum“ verwandeln. Das ist der Geist von Beyond Spheres. (Jane Bianco, aus: Johanna Breede PHOTOKUNST, Koichiro Kurita, 2023)
Koichiro Kurita
geb. 1943 in Manchurei (CN), lebt und arbeitet in New York (US), Massachusetts (US) und Fukusumi (JP)
• „Kirigamine“, Nagano, Japan, 1987
Platin-Palladium-Druck auf Gampi Japanpapier, 0 × 0 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2741, © Koichiro Kurita
Der Photograph vor dem Winter
Das Hier und Jetzt ist der Stoff der Photographien. Am Auslöser ist unweigerlich Gegenwart. Gerhard Trumler sucht in dieser Gegenwart Motive, die Relikte einer vergangenen Zeit sind. Die letzten Zeugen und Zeugnisse einer Welt, die sich der Moderne zuwendet und damit alles Regionale löscht. Der Gemischtwarenladen im Dorf, der bröckelnde Putz des Bauernhauses, der alte Reisigbesenbinder, das letzte Strohdach des Waldviertels, immer wieder gefurchte Gesichter und Acker, schwielige Hände, emaillierte Blechhäferl. Hymnen auf die Kittelschürze! Trumler kommt kurz bevor es das alles nicht mehr gibt: gekalkte Stuben, kariertes Bettzeug, Herzjesu- und Herzmariäbilder, Walzen und Schablonendekor in den Kammern, marode Herrgotte an den Wegen und die bewachsenen Steine in den Wiesen. Das ist der Nachsommer der Heimat, das Land vor dem Winter.
Und immer wieder der vertrauensvolle Blick in die Kamera. Bei allem Respekt vor der jenseitige Ewigkeit vermittelnden Macht des Pfarrers doch die Hoffnung, dass der Photograph dem Dasein hiesige Dauer verleihen wird! Er raubt das Bild, aber er schenkt Menschen und Dingen Nachleben.
Was bleiben soll in der Schwemme der Photographien, das braucht inhaltliche und bildgraphische Evidenz. Und dazu greift Trumler schon auch mal ein in die Wirklichkeit. Er hat keine Scheu vor dem Arrangement, wenn es dem Bild einen Markt und dem Abgebildeten damit ein Bleiben gibt: Das Bleiben – ein Austrag in effigie!
Den vergänglichen Menschen samt ihrem hinfälligen Lebenswerk gibt der Photograph Dauer. Es scheint ein Widerspruch, dass er aber das, was selbst nahezu ewig ist, die Steine in den Wäldern des Wald- und Mühlviertels, der Vergänglichkeit überantwortet. Der ganze Gebirgszug vom Oberpfälzer über den
Bayerischen und Böhmerwald bis zum Mühl- und Waldviertel ist durchsetzt mit Granithärtlingen. Sie haben nicht die Schrunden der von den Gletschern zurückgelassenen Findlinge. Diese Steine sind einfach stehengeblieben, während Frost und Wasser das umgebende weichere Gestein abgetragen haben. Und sie werden noch lange unverändert so stehen, von beintrockenen Flechten überzogen und mageren Bäumen besiedelt. Adalbert Stifter hat sie mit immer neuen Worten gepriesen: „Und zwischen den Stämmen ist die Saat der Granitblöcke ausgebreitet, einige grau, die meisten mit Moos überhüllt dann scharen sich die Millionen Waldkräuter, die Waldblumen, dann sind die vielfarbigen Schwämme, die Ranken und Verzweigungen der Beeren, die Gesträuche, und es ist manches Bäumchen, das sein junges Leben beginnt.“ (aus dem Bayerischen Walde)
Dieselben Steine sind bei Gerhard Trumler ausgesetzt im ersten überweißen Schnee, sie wachsen nicht aus dem Boden, sondern versinken darin, gesellen sich zu entlaubten Bäumen, werden graphische Gebilde. Die Körnung des Granits wird zum Äquivalent der Körnung des Lichtbildes. Der ewige, unverrückbare Stein wird Blatt, wird flüchtiges Bild, das angewiesen ist auf den Lichtbildner, der es fixiert. Diesen Widerspruch lebt der Wiener Photograph Gerhard Trumler rastlos.
Von Tirol bis ins Burgenland hält er im Lichtbild fest, was zu vergehen droht: die alten Menschen, das einfache Leben, die mürbe Schönheit der Natur. Und weil er, anders als die Menschen, die ihm Bild stehen, der Dauerhaftigkeit des Lichtbildes nicht völlig vertraut, lässt er Bücher drucken, ebenso rastlos, mehr als achtzig inzwischen. Am Auslöser ist unweigerlich Vergänglichkeit. (Martin Ortmeier, aus: Gerhard Trumler, Photographien 1970–2000, 2001, erstmals erschienen in Gerhard Trumler, Granit, 1998)
Gerhard Trumler
geb. 1937 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Wien und Langschlag (AT) •
„Felsenbaum von Norden, Prandegg“, 1976 Gelatinesilberabzug, 44 × 36 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1607, © Gerhard Trumler
Demut gegenüber der Natur und ihrer unnachahmlichen Erhabenheit: dieses Gefühl befällt Jens Knigge auf seinen Winterreisen an den nördlichen Polarkreis. Seine Impressionen von den verschneiten Landschaften und dem geheimnisvollen Nordlicht hat er in zumeist kleinformatigen Platin-Palladium-Prints festgehalten. Die Kontaktabzüge von analog generierten Negativen zeigen im Kern das Scheitern bekannter Formensprachen und Ausdrucksweisen. Denn schier unmöglich scheint es zu sein, das Wesen der Naturerfahrung mit fotografischen Mitteln darzustellen. So changieren Knigges Bilder zwischen Figuration und Abstraktion; als umkreiste der Künstler mit jedem neuen Bild einen mystischen Raum, der sich zwischen Fläche und Tiefe auftut. Knigges Landschaftsaufnahmen leben davon, dass der Wille zu Dokument und Darstellung letztlich immer wieder an einem „weißen Abgrund Unendlichkeit“ strandet. (Ralf Hanselle)
•
„frozen tree“, Norwegen, 2015 aus der Serie: northern light Platin-Palladiumdruck, 5,3 × 6,8 cm
Jens Knigge
geb. 1964, lebt und arbeitet in Berlin (de)
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„tenojoki“, Finnland, 2015 aus der Serie: northern light Platin-Palladiumdruck, 42 × 59 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1878 und S-1879, © Jens Knigge
Flirrendes Blätterspiel auf Mauern und Wänden, in nächtliches
Licht getauchte Landschaft, von gleißendem Sonnenlicht durchflutete Schneelandschaften, scheinbar tanzende Bäume: Schatten, der unabdingbar von einer oder mehreren Lichtquellen abhängt, unterstreicht die porträtierten Gegenstände, setzt ihnen ein Spannungsfeld entgegen, verfremdet, konkurriert und macht den eigentlichen Motiven mitunter die Hauptrolle streitig.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Obwohl es sich um eine präzise fotografierte reale Landschaft handelt, vermittelt uns das großformatige Bild Ohne Titel 1434 ein Gefühl von Ort- und Zeitlosigkeit. Alle Orientierungsmerkmale sind getilgt: Weder eine Horizontlinie noch Personen, Dinge oder der Titel, der nur eine Seriennummer ist, geben einen Bezugsrahmen. Das Wo-Wann-Was ist hier nicht relevant. Ohne weißen Rand –grenzenlos – wird das Bild freigestellt auf der Fläche präsentiert, ein detailgetreuer, tiefenscharfer Ausschnitt aus der Realität, der dennoch weit entfernt davon ist, diese abzubilden. Durch diese Abstraktion ist das Bild autonom geworden und somit offen für Fragestellungen zur Repräsentationsfähigkeit bzw. Bildinformation von fotografischen Bildern. (Petra Noll)
Boris Becker
geb. 1961 in Köln, lebt und arbeitet in Köln (de)
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„Ohne Titel 1434“, 1997
C-Print auf Aluminium auf Acrylglas (Diasec), 200 × 160 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-938, © Boris Becker / Bildrecht, Wien
Als Mediziner und fotografischer Autodidakt entdeckte Otto Steinert das künstlerische Potenzial der Fotografie neu, indem er experimentelle Neuerungen der Avantgarde-Kunstbewegungen der 1920er Jahre in das fotografische Medium integrierte. Dominierend in seinen Fotografien ist nicht das Bildsujet selbst, sondern seine subjektive Sichtweise auf das Sujet, das er häufig verfremdet. Dies hat den Effekt, den Betrachter vom Motiv wegzulocken und die Aufmerksamkeit auf kontrastreiche, dem Licht selbst innewohnende Eigenschaften und konkurrierende Formen zu lenken. Mit langen Belichtungszeiten schuf er Momentaufnahmen, die Zeit und Raum zu trotzen scheinen – flüchtige Bilder von sich bewegenden Objekten, die gleichzeitig anwesend und abwesend zu sein scheinen.
(Claudia Wente, Kicken Gallery, Berlin)
Otto Steinert
geb. 1915 in Saarbrücken (de), gest. 1978 in Essen (de)
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„Bäume vor meinem Fenster II“, 1956
Gelatinesilberabzug auf Karton, 50 × 61 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1712, © Stefan Steinert / Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen
Dreißig Meter neben dem Haupteingang von Schloss Schönbrunn in Wien, den jährlich hunderttausende Besucherinnen und Besucher durchschreiten, bietet sich nächtens ein unglaubliches Schauspiel: Das Licht der punktförmigen und hellen Straßenlampen erzeugt, nachdem es die Kastanienallee passiert hat, auf der den Park umgrenzenden Schlossmauer jene Licht-Schatten-Kombinationen.
(Fritz Simak)
Fritz Simak geboren 1955 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT) •
Schönbrunn-Mauer bei Nacht 10, 2010 Gelatinesilberabzug, 75 × 95 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1346, © Fritz Simak
Auf den ersten Blick wirken die Nachtaufnahmen der mächtigen Berg- und Gebirgslandschaften wie Langzeitaufnahmen bei hellem Mondlicht. Betrachtet man die außergewöhnlichen Ansichten jedoch genauer, zeigen sich meisterliche Werke der Inszenierung.
Adrian Bischoff ist Werbefotograf aus Frankfurt am Main und beschäftigt sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt mit der fotografischen Aufnahme von Bergen bei Dunkelheit. Mittels zwanzig Kilometer weit strahlenden Punktlichtscheinwerfern beleuchtet er die steinernen Formationen meist von mehreren Standpunkten aus. Aus hunderten von Einzelaufnahmen montiert er dann in der Nachbearbeitung am Computer, wie bei einem Puzzle, eine Ansicht, die es so nie gegeben hat. Bischoff meint dazu: „Es ist faszinierend, was da rauskommen kann: Ich habe eine schwarze Leinwand und meißle mein Kunstwerk heraus.“
Die Scheinwerfer werden bei der mehreren Stunden lange dauernden Aufnahme-Inszenierung geschickt positioniert und deren relativ kleiner Lichtkegel langsam über die Bergrücken bewegt. Die Dramatik der Schatten entsteht durch das ungewohnte Unterlicht, das so in der Natur nur bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang
vorkommen kann. Die zusätzliche Irritation entsteht durch den Kamerastandpunkt, der meist weit entfernt von den Scheinwerferstandpunkten liegt.
Die Liebe zu den Bergen liegt in Adrian Bischoffs Kindheit: Seine aus der Nähe von Salzburg in Österreich stammende Mutter verbrachte mit ihren Kindern gerne Zeit in der Natur und in den Bergen. Was damals noch als lästiger Familienausflug und Pflicht wahrgenommen wurde, drückt sich heute für Bischoff als Faszination und Bewunderung für die Steinriesen aus.
Die ausgeklügelte Patchwork-Technik seiner Aufnahmen entstand durch jahrelange Versuche mit Blitzen, Leuchtraketen und Millionen Watt starken Scheinwerfern, die zur Erkenntnis führten, dass so eine große Fläche wie ein Berg nur in einzelnen kleinen Teilen beleuchtet werden kann. Insofern führt uns Adrian Bischoff mit seinen Werken an die eigentliche Bedeutung des Worts Fotografie, zusammengesetzt aus den altgriechischen Wörtern φως phōs für Licht (im Genitiv φωτός photós) und γραφή graphē für zeichnen, malen oder schreiben – das „Zeichnen mit Licht“. (Christoph Fuchs)
Adrian Bischoff
geb. 1959 in Frankfurt (de), lebt und arbeitet in Maintal/Frankfurt (de)
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„Uri-Rotstock 1 46°51’N 8°32’E“ (Ausschnitt), 2011
C-Print auf Aluminium auf Acrylglas (Diasec), 52 × 70 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1574, © Adran Bischoff
Max Baur gilt als ein bedeutender Potsdam-Fotograf des 20. Jahrhunderts. 1934 zog Baur nach Potsdam, wo er einen Verlag mit Atelier gründete. Um der Einziehung zum Volkssturm am Ende des Zweiten Weltkriegs zu entgehen, tauchte er im Herbst 1944 bei seiner Mutter in Süddeutschland unter. Nach dem Krieg kehrte er nach Potsdam zurück und gründete 1946 erneut einen Ansichtskartenverlag. Von 1934 bis 1939 entstandenen zahlreiche Fotografien im beeindruckenden Schloss Sanssouci, die die Atmosphäre des Schlosses und des umliegenden Parks in beeindruckender Präzision und meisterlicher Sensibilität interpretieren. Die besten Aufnahmen hat Baur in einer kleinen Publikation dazu veröffentlicht. 1953 zog Baur mit der Familie von Potsdam nach Aschau im Chiemgau, verbunden mit einem wirtschaftlichen Neubeginn. 1954 gründete er dort einen Laden für Fotografie und betrieb ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1988. Stark durch Avantgarde und Bauhaus beeinflusst, entwickelt Baur in seiner künstlerischen Arbeit ebenso wie in der Auftragsfotografie einen eigenen Stil, der die formalen Ausdrucksmittel späterer Fotografinnen und Fotografen vorwegnimmt. Baur wandte sich verschiedenen Genres zu, befasste sich aber besonders mit Architektur- und Industriefotografie, Sachfotografie sowie Landschaftsaufnahmen. Der besondere Reiz seiner Arbeiten liegt, neben deren außergewöhnlicher Qualität darin, dass er sich scheinbar allgegenwärtiger Ansichten widmet, so wie in dieser Aufnahme. Jede und jeder kennt den nebelverhangenen Blick durch die Stämme im Wald. (Christoph Fuchs)
Max Baur
geb. 1898 in Günzburg (de), gest. 1988 in Aschau (de)
• Buchenwald, 1940er
Gelatinesilberabzug, 29 × 21 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2390, © Lichtbild-Archiv Max Baur
Eeva Karhu
geb. 1980 in Kirkkonummi (fI), lebt und arbeitet in Helsinki (fI)
„Path 3“, 2011
C-Print auf Aluminium auf Acrylglas (Diasec), 100 × 160 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-555, © Eeva Karhu
Die Arbeit von Eeva Karhu ist stark vom Impressionismus beeinflusst, vor allem von Künstlern wie Claude Monet und William Turner. Um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, folgt sie dem Konzept, einen Moment durch Licht und Farbe einzufangen. Das Licht als Ausgangspunkt ihrer Arbeit als Fotografin schafft nicht nur die Möglichkeit, ein Gefühl zu übertragen, sondern dient auch dem Wesen der Farbe. Die Methode ihrer Arbeit ist kubistisch, die Resultate impressionistisch: In einem Bild sieht man hunderte Fragmente eines Motives aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. (Galerie Taik, Helsinki)
Die Serie Graubaum und Himmelmeer entstand in der Zeit von 2019 bis 2022 auf der Insel Rügen, einem Ort, den sich die Künstlerin als Rückzugsort ausgesucht hat. Im Nationalpark Jasmund begann sie, den Buchenwald zu fotografieren und setzte diesen Aufnahmen Blicke auf die Weite der See gegenüber.
Das Atmen fällt leichter in Sassnitz. Ein schnelleres Licht dort und die Blätter im Mai wie Schmetterlinge auf den feinen Zweigen.
Der Boden um die Buchen ist näher und Fliehen nicht nötig. Die Muskeln entspannen. Graue Bäume, die mich kennen, denn vom Karpatenrücken komme ich, aus zurückgelassenem Buchenland. In Sassnitz noch ein Meer am Waldesrand. Es kann nicht nach mir schnappen. Es wirft das Licht zurück und kennt alle Grau. Dann stehen wir an diesem Rand mit Armen und Zweigen und Wurzeln, die einander fassen und nähren und nichts tut mehr weh.
(Loredana Nemes)
Loredana Nemes
geb. 1972 in Sibiu (rO), lebt und arbeitet in Berlin (de)
„Graubaum #47“, 2021 aus der Serie Graubaum und Himmelmeer
Gelatinesilberabzug auf Baryt, 60 × 45 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2509, © Loredana Nemes / Bildrecht, Wien
Dirk Obracy
geb. 1976 in Hagen (de), lebt und arbeitet in Thalgau bei Salzburg (AT) •
„Winter-Apfelbäume, Thalgau“, 2017
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 30 × 30 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2751, © Dirk Obracy
Am 10. März 1947 erscheint im LIFE Magazin der Artikel „The War is Over, and Cocktails are Being Served: St. Moritz, 1947“ (Der Krieg ist vorbei und es werden Cocktails serviert: St. Moritz, 1947) über den schweizer Ferienort St. Moritz. Alfred Eisenstaedt wurde zuvor von LIFE beauftragt eine Fotoreportage über den luxuriösen Ort und seine extravaganten Besucherinnen und Besucher zu machen, wo unter anderem auch die Aufnahme der beiden eisbedeckten Bäume
Two ice covered trees, near Saint-Moritz, Switzerland entstand. Die im Exil lebenden Könige und Königinnen, die kleinen Prinzen und Prinzessinnen, Schönheiten, Beinahe-Schönheiten, Sportlerinnen und Sportler sowie Bankiers der internationalen Szene betrachteten St. Moritz als den Ort, an dem sie ihre Winterferien verbringen. Das lag nicht nur daran, dass dieses Dorf hoch oben in den Alpen der Südostschweiz ein weltbekanntes Wintersportzentrum war und immer noch ist, mit einer berühmten olympischen Bobbahn, unvergleichlichen Skipisten und kilometerlangen wunderschönen Bergpfaden. Das lag vor allem daran, dass St. Moritz das mondänste Dorf in Europa ist. Seit mehr als einem halben Jahrhundert versammelt sich der Adel auf den alpinen Pisten, in den Cocktailbars unter freiem Himmel und in den luxuriösen Speisesälen. St. Moritz war schon immer der Ort, an dem die Großen der Welt zu sehen waren. Es war auch der Ort, an dem die nicht so Großen gesehen wurden.
Irgendwie hat St. Moritz den Krieg überstanden, ohne geschlossen zu werden. Im Winter 1947 strahlte der Ort trotz der Devisenbeschränkungen noch immer die ganze genussüchtige Eleganz der Vorkriegsjahre aus … nur dass dann, wie ein Einheimischer bemerkte, „die Prinzen keine Prinzen mehr waren“. (Christoph Fuchs)
Alfred Eisenstaedt
geb. 1898 in Dirschau, Westpreußen (heute: Tczew, Pl), gest. 1995 in Martha’s Vineyard (US)
•
„Two ice covered trees, near Saint-Moritz, Switzerland“, 1947 Gelatinesilberabzug, 25,7 × 24,2 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1885, © Alfred Eisenstaedt family estate
Obwohl es sich um eine präzise fotografierte reale Landschaft handelt, vermittelt uns das großformatige Bild ein Gefühl von Ortund Zeitlosigkeit. Alle Orientierungsmerkmale sind getilgt: Weder eine Horizontlinie noch Personen, Dinge oder der Titel, der nur eine Seriennummer ist, geben einen Bezugsrahmen. Das Wo-Wann-Was ist hier nicht relevant. Ohne weißen Rand – grenzenlos – wird das Bild freigestellt auf der Fläche präsentiert, ein detailgetreuer, tiefenscharfer Ausschnitt aus der Realität, der dennoch weit entfernt davon ist, diese abzubilden. Durch diese Abstraktion ist das Bild autonom geworden und somit offen für Fragestellungen zur Repräsentationsfähigkeit bzw. Bildinformation von fotografischen Bildern. (Petra Noll)
Brett Weston
geb. 1911 in Los Angeles (US), gest. 1993 auf Hawaii (US)
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Ohne Titel, 1975 aus dem Portfolio Oregon Gelatinesilberabzug auf Karton, 33 × 27 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-30, © Brett Weston Archive
In den Sümpfen von Arles breitet sich das Land des Jenseits aus. Lucien Clergue bietet uns Einblick in die geheime Camargue, offenbart durch besondere Lichtsituationen, die er sich zu eigen macht. Clergue übt sich darin, die mystischen Zeichen der Landschaften zu lesen – Reisfelder, Sumpfalgen, triumphierende Maisblätter, im Winter überschwemmte Weinstöcke oder den schlafenden Teich. In einem vom Wind umspülten Himmel wird in jedem Augenblick der Prozess des organischen Lebens geboren und organisiert sich im Delirium des Winzers. Zwischen den Mäandern der Rhône finden wir die Vaccares, das Delta und seinen Schlick, die Schönheit des Schilfs, die Weiten des Salzes, die Gewalt der rissigen Erde – großzügige Natur, von der sich der Künstler ernährt, außerhalb der Sichtweite des gewöhnlichen Auges. Wahre Poesie in ihrem tiefsten Sinn ist hier installiert. (Atelier Lucien Clergue, Arles)
Lucien Clergue
geb. 1934 in Arles (fr), gest. 2014 in Nimes (fr)
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„Le Marais d’Arles“, 1960
Gelatinesilberabzug auf Karton, 50 × 59 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-205, © Atelier Lucien Clergue
Tief im Wald liegen die stillen Weiher; stehende, dunkle Gewässer, beschattet von umstehenden Bäumen. Nur sanft darf sich die Oberfläche kräuseln, damit die Spiegelungen sich gut abzeichnen. Die Farben verschwimmen auf den Landschaften, die im Labor um 180 Grad gedreht werden – und daher nicht mehr auf dem Kopf stehen. Schlieren und Flecken ziehen sich über die Bilder, scheinen bisweilen sogar wie mit dem Pinsel aufgetupft. Im Detail sind es geradezu abstrakte Partien, die sich erst zusammen zu einer Landschaft addieren. (Anne Katrin Feßler, der Standard)
Axel Hütte
geb. 1951 in Essen (de), lebt und arbeitet in Düsseldorf (de)
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„Fünf Weiher 2“, 2010
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 114 × 144 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1914, © Axel Hütte
Max Baur gilt als ein bedeutender Potsdam-Fotograf des 20. Jahrhunderts. 1934 zog Baur nach Potsdam, wo er einen Verlag mit Atelier gründete. Um der Einziehung zum Volkssturm am Ende des Zweiten Weltkriegs zu entgehen tauchte er im Herbst 1944 bei seiner Mutter in Süddeutschland unter. Nach dem Krieg kehrte er nach Potsdam zurück und gründete 1946 erneut einen Ansichtskartenverlag. Von 1934 bis 1939 entstandenen zahlreiche Fotografien im beeindruckenden Schloss Sanssouci, die die Atmosphäre des Schloss und des umliegenden Parks in beeindruckender Präzision und meisterlicher Sensibilität interpretieren. Die besten Aufnahmen hat Baur in einer kleinen Publikation dazu veröffentlicht.
Stark durch die Avantgarde und das Bauhaus beeinflusst, entwickelt Baur in seiner künstlerischen Arbeit ebenso wie in der Auftragsfotografie einen eigenen Stil, der die formalen Ausdrucksmittel späterer Fotografinnen und Fotografen vorwegnimmt. Baur wandte sich verschiedenen Genres zu, befasste sich aber besonders mit Architektur- und Industriefotografie, Sachfotografie sowie Landschaftsaufnahmen. Der besondere Reiz seiner Arbeiten liegt, neben deren außergewöhnlicher Qualität darin, dass er sich auch versteckten Partien und ungewöhnlichen Details widmete, so wie in dieser Aufnahme. Der Nebel und die Schärfe der dunklen Blätter im Vordergrund ermöglichen es Baur Tiefe durch zwei Schichten zu erzeugen. (Christoph Fuchs)
Max Baur
geb. 1898 in Günzburg (de), gest. 1988 in Aschau (de)
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„Sanssouci: Herbstwald“, 1945
Gelatinesilberabzug, 17 × 23 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-152, © Lichtbild-Archiv Max Baur
Michael Kenna fotografiert seit rund fünfzig Jahren Bäume. Seine Fotografien, die oft in der Dämmerung oder im Dunkel der Nacht aufgenommen werden, konzentrieren sich auf die Interaktion zwischen der natürlichen Landschaft und den vom Menschen geschaffenen Strukturen. Mit langen Belichtungszeiten halten seine Fotografien Dinge fest, die ansonsten nicht sichtbar sind. Der Blick auf einen Baum sorgt für Ausgeglichenheit und Entspannung. Die Bäume, die Kenna fotografiert, sind zufällige Begegnungen. Er beschreibt sie als seine stillen Freunde, mit denen er sich gerne unterhält. Bei seiner Herangehensweise geht es ihm um das Sehen und „Zuhören“, bis sich ihr ganzer Charakter vor seinen Augen entfaltet. Der Titel einer seiner Fotografien, Philosopher’s Tree, steht für diese Haltung. Es ist eine Begegnung, die sowohl physisch als auch intellektuell und ästhetisch ist, und wenn das Licht genau richtig ist, gewinnen Betrachten und Fotografieren eine fast metaphysische Dimension.
Zeit spielt in Kennas Werk eine wichtige Rolle, nicht nur in der Auseinandersetzung mit seinen Themen, sondern auch bei der Realisierung seiner Arbeiten. Er verwendet die analoge Fotografie mit dem traditionellen Medium der Silbergelatineabzüge und ist vor allem für die intime Größe seiner Fotografien und die hervorragenden handgefertigten Abzüge bekannt, die er in seiner eigenen Dunkelkammer herstellt. „Nichts ist jemals zweimal dasselbe, weil alles immer für immer weg ist, und doch hat jeder Moment unendliche fotografische Möglichkeiten.“ Michael Kenna (Galerie Albrecht, Berlin)
Michael Kenna
geb. 1953 in Widnes (gB), lebt und arbeitet in San Francisco (US)
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„Huangshan Mountains, Study 20, Anhui, China“, 2009
Gelatinesilberabzug, 20 × 20 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2765, © Michael Kenna / Bildrecht, Wien
Die Leidenschaft für Schwarz-Weiß-Fotografie reicht bei Robert Werling lange zurück. Sein Schlüsselerlebnis war der Besuch einer Ausstellung von Ansel Adams in der Yosemite Gallery 1965. Seit diesem Zeitpunkt widmete er sich der Landschaftsfotografie, zunächst als Schüler und später als Freund von Ansel Adams. Durch diese Verbindung lernte Robert Werling viele andere „alte“ Meisterinnen und Meister der amerikanischen Westküste kennen, darunter bekannte Namen wie Brett Weston, Ruth Bernhard und Imogen Cunningham. Deren Bildsprache und Motivwahl spiegelt sich auch in Werlings Arbeiten wieder. (Christoph Fuchs)
Robert Werling
geb. 1946 in San Francisco (US), lebt in Santa Barbara (US)
„Pfeiffer Dune, Big Sur“, 1980er
Gelatinesilberabzug, 37 × 49 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1976, © Robert Werling
Michael Kenna
geb. 1953 in Widnes (gB), lebt und arbeitet in San Francisco (US)
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„French Canal, Study 2, Loir-et-Cher, France“, 1993 (Abzug 2014)
Gelatinesilberabzug, 23,5 × 17,5 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2727, © Michael Kenna / Bildrecht, Wien
Die großartige französische Fotografin Sabine Weiss gilt als die letzte Vertreterin der französischen humanistischen Schule der Fotografie, zu der Fotografen wie Robert Doisneau, Willy Ronis, Édouard Boubat, Brassaï und Izis gehören. Bis ins hohe Alter von über 90 Jahren war sie aktiv und schuf ikonische Werke, vor allem in Frankreich und insbesondere in Paris.
Um 1952 kam Sabine Weiss auf Empfehlung von Robert Doisneau zur Agentur Rapho. Ihr persönliches Werk wurde in den Vereinigten Staaten sofort von der Kritik gewürdigt und erhielt Ausstellungen in den renomiertesten Museen. Drei ihrer Fotografien wurden 1955 von Edward Steichen für die berühmte Ausstellung The Family of Man im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) ausgewählt, und Weiss erhielt langfristige Verträge mit dem New York Times Magazine, Life, Newsweek, Vogue, Point de vue-Images du monde, Paris Match, Esquire und Holiday. Von dieser Zeit an bis in die 2000er Jahre arbeitete Sabine Weiss für die internationale illustrierte Presse sowie für zahlreiche Institutionen und Marken, wobei sie nahtlos von Reportagen zu Modestrecken und von Werbung zu Porträts von Prominenten oder zu sozialen Themen überging. (Christoph Fuchs)
Sabine Weiss
geb. 1924 in Saint-Gingolph (CH), lebt und arbeitet in Paris (fr)
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„L’homme qui court, Paris“, 1953
Gelatinesilberabzug, 34,5 × 25 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2243, © Sabine Weiss / Bildrecht, Wien
Durch dunkle Bäume hindurch blicken wir auf eine kleine Lichtung inmitten eines Waldes. Nur schemenhaft sind im Hintergrund knorrige Bäume zu erkennen; dichter Nebel liegt über der Landschaft. Eine märchenhaft-mystische Aura bestimmt die Szenerie. Was zunächst wie ein statisches Bild erscheint, entpuppt sich bei längerem Hinsehen als Videoprojektion. Sanft bewegen sich die Blätter der Bäume, der Wind wird zeitweise stärker und lässt dann wieder nach. In Erwartung eines Geschehens fokussieren wir die freie Stelle zwischen den Bäumen, die sich uns darbietet wie die Bühne für ein bevorstehendes Ereignis. Das Auge sucht nach Verstecktem, nach Anhaltspunkten für eine mögliche Handlung und versucht den Nebel zu durchdringen. Sekunden, Minuten vergehen, ohne dass jemand die Bühne betritt, und schließlich verstärkt sich der Verdacht, dass hier nichts passieren wird. Der einzige Akteur bleibt der Nebel, der sich kaum wahrnehmbar lichtet, um sich dann wieder zu verdichten. Er gibt schemenhaft die Sicht auf die Bäume frei und versperrt sie kurz darauf doch wieder.
Mit der aufgehobenen Erwartungshaltung eröffnet Karen Irmers Arbeit Hauch eine neue Ebene: Sie wird vom potenziellen Handlungsträger zur Kontemplationsfläche. Die atmosphärische Situation des geheimnisvollen Waldes präsentiert sich als eigentlicher Gegenstand der Arbeit. Spätestens jetzt offenbart das Video seinen poetischen, meditativen Charakter. Die konzentrierte Beobachtung weicht einer zweckfreien Betrachtung, die eine kontemplative Versenkung ermöglicht.
Das ästhetische Spiel mit der Wahrnehmung ist ein im Werk Karen Irmers charakteristisches und stets wiederkehrendes Moment. Was ist und was könnte sein? Ihre Arbeiten stellen Wahrnehmungsmuster infrage und lösen Irritationen aus. Sein oder Schein? – eine eindeutige Antwort gibt es nicht.
Karen Irmer arbeitet in den Medien Fotografie und Video. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit atmosphärischen Stimmungen und zeichnen sich durch eine hohe ästhetische und reduzierte Bildsprache aus. (Simone Kimmel)
Karen Irmer
geb. 1974 in Friedberg (de), lebt und arbeitet in Augsburg (de)
• „Hauch“, 2014
Videoinstallation, 12 min
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2756, © Karen Irmer
Im Gegensatz zur schnelllebigen Stadt ist der langlebige Baum ein Ruhepol im hektischen urbanen Alltag. Bäume in Straßen und Parks machen uns den Zyklus der Natur bewusst. Wir können an ihnen den Wechsel der Jahreszeiten ablesen und ihre Zähigkeit bewundern, sich im manchmal unwirtlichen Umfeld durchzusetzen und zu überleben. Im Sommer spenden sie auf Straßen und Plätzen angenehmen Schatten und sorgen durch Verdunstung für eine spürbar kühlere Umgebungsluft. Sie filtern Schadstoffe und Feinstaub und verbessern so die Luftqualität.
Bäume prägen raumgreifend das Stadtbild, ermöglichen gestalterische Effekte und erweisen sich zudem als wertsteigernde Faktoren auf dem Wohnungsmarkt. Mit einem Anteil von fast 60 Prozent kommt „das Grün” in der Stadt Salzburg in unterschiedlicher Größe, Qualität und Funktion vor und sorgt für eine hohe Lebensqualität und Attraktivität. Die Stadtwälder und rund 35.000 Bäume spielen dabei eine zentrale Rolle.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Städtische Galerie Rosenheim, 2023
Ähnlich wie bei den früheren Serien After this darkness there is another, The cubes und Maschera entstehen auch die Bilder der neuen Werkgruppe The Colours zumeist auf Reisen durch das südliche Europa. Präsentierte Marc Peschke früher surrealistische Nachtoder auch Negativbilder seiner Reisen, so zeigt er in der aktuellen Werkgruppe andere Bilder. Nicht so sehr die Verunklärung oder Verschlüsselung des Gefundenen ist hier sein Thema, nicht das Experiment, sondern die konkrete Darstellung einfacher Bildmotive. Sei es nun Schatten auf Mauern, ein Vorhang oder die Hand einer Marmorskulptur – die zumeist monochromen Details überraschen in ihrer kräftigen Farbigkeit, einem abstrahierenden Minimalismus und gleichzeitig einer sonnendurchfluteten Vitalität. Es sind Bilder an der Grenze zwischen Reisefotografie und Kunstbild – zwischen Dokument, Abbild und Phantasie. (Marc Peschke)
Marc Peschke
geb. 1970 in Offenbach am Main (de), lebt und arbeitet in in Wertheim am Main, Wiesbaden und Hamburg (de)
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„The Colours 9“, 2018
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Aluminium, 42 × 31,5 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2291, © Marc Peschke
Malerei, Grafik oder Fotografie? Verwischte Details und unscharfe Konturen erschweren die Zuordnung. Und das ist beabsichtigt: Um 1900 experimentierte der Fotopionier Heinrich Kühn mit sogenannten Edeldruckverfahren wie dem Gummidruck oder wie hier dem Farbverfahren Autochrom. Er wollte damit das damals neue Medium Fotografie aufwerten. Untrennbar verband Kühn dadurch unterschiedliche Medien miteinander und schuf besonders atmosphärische Aufnahmen.
Diese Aufnahme zeigt aus besonderer Perspektive eine kleine Gruppe Spaziergängerinnen mit Regenschirmen unter einem Kastanienbaum. Dominiert wird das Bild von den herbstlichen Farben des Kastanienbaums. Die ersten Farbverfahren, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts praktiziert wurden, waren kaum praktikabel. Erst mit der Erfindung der Autochrom-Farbrasterplatten durch die Brüder Lumière 1907 konnte mit einem einzigen Auslöser ein Farbfoto angefertigt werden. Das Autochrom sollte das einzige massentaugliche Farbverfahren bis zur Einführung des modernen Farbfilms Mitte der 1930er Jahre bleiben.
Weil es sich bei den Autochromen um Durchscheinbilder (Diapositive) handelt, wurden diese entweder mit lichtstarken Projektionsapparaten auf Leinwände vergrößert oder in Durchlicht-Betrachtungsapparaten gezeigt. Die Farbqualität war derart grandios, dass Kühn wörtlich von „gefährlich bunten Bildern“ sprach. (Johann Werfring, Wiener Zeitung, 2014)
Heinrich Kühn
geb. 1866 in Dresden (de), gest. 1944 in Birgitz (AT)
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„Herbstspaziergang, Tirol“, 1912 (Abzug 2008)
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck von original Autochrom, 17 × 24 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-433
Als Sudek 1936 in einem Interview gefragt wurde, ob Fotografie eine Kunst sei, erwiderte er: „Das ist es nicht. Es ist ein schönes Handwerk, das ein gewisses Maß an Geschmack erfordert. Es kann keine Kunst sein, weil es ganz von Dingen abhängt, die es schon vorher gab, nämlich von der Welt um uns herum.“ Die Aussage mag ein Reflex der zahlreichen Auftragsarbeiten sein, doch aus einer übergreifenden Perspektive spiegelt sich darin das Dilemma der damaligen Fotografie im Ganzen wider. In einer Zeit, in der sich die Fotografie erst als künstlerisches
Medium vom bloß Handwerklichen emanzipieren musste, changiert das Werk Sudeks in seiner Uneindeutigkeit zwischen dem Anspruch des 19. Jahrhunderts nach dokumentarischer Strenge einerseits und dem Drang nach Subjektivität und Exzentrik andererseits. Erst in der letzten Schaffensperiode fand Sudek zu jener Vielfalt an Bildersprachen, die sein eigentliches Wesen ausmachte. Seine Bedeutung ergibt sich gerade daraus: Wie kein anderer Fotograf seiner Zeit hat er all diese Widersprüche in seiner Person evident und zugleich fruchtbar gemacht. (Anton Medrela)
Josef Sudek
geb. 1896 in Kolin (CZ), gest. 1976 in Prag (CZ)
• „Z cyklu Príchod jara do Prahy“, 1965 (Abzug 1976) aus der Serie Frühlingseinzug in Prag Gelatinesilberabzug, 22 × 27 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1465, © Josef Sudek Estate / Bildrecht, Wien
Idyllisches und typisches Bild für Paris – nicht ohne Grund, hat doch der Fotograf Albert Monier über 80 Millionen Postkarten seiner Aufnahmen verkauft. Er hat damit sicher auch zum uns geläufigen romantisierten Bild der Stadt der Liebe beigetragen.
Im Hintergrund die zweitälteste noch erhaltene Steinbogenbrücke der Stadt, die Pont Marie und rechts im Bild der Quai de Bourbon auf der Seine-Insel Île Saint-Louis. Die Aufnahme wurde von der Brücke Pont Louis Philippe über der Seine gemacht, ganz in der Nähe der Katedrale Notre-Dame. (Christoph Fuchs)
Albert Monier
geb. 1915 in Savignat, Chanterelle (fr), gest. 1998 in Paris (fr) •
„Bord des Quais de la Seine“, 1950er Gelatinesilberabzug, 25 × 24 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-360, © Collection Musée d‘Art et d‘Archéologie Ville d‘Aurillac, France
• Franz Schwechten und Curt Stoeving
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Berlin-Charlottenburg, 1893
Tusche aquarelliert, weiß gehöht auf Karton, 88,6 × 65,9 cm
© Architekturmuseum TU Berlin
Mystische Ansicht der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, ein bekanntes Berliner Wahrzeichen. Die dunkle Kontur der Kirchenreste vor dem hellen Wolkenband und der helle Mond vor dem dunklen Himmel bilden eine eigenartig anmutende, surreale Lichtstimmung im Bild. Dem relativ unbekannten deutschen Fotografen Walter Bartsch ist hier ein wahres Meisterwerk gelungen.
Die evangelische Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde Ende des 19. Jahrhunderts im neoromanischen Stil errichtet, um Kaiser Wilhelm I. zu ehren, im Auftrag seines Enkels Kaiser Wilhelm II. Mit einer Höhe von 113 Metern war ihr Kirchturm damals der höchste der Stadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche schwer beschädigt. Nach einer Debatte über den Wiederaufbau wurde beschlossen, das Kirchenschiff abzureißen und die Turmruine als Mahnmal gegen den Krieg zu erhalten. Zwischen 1959 und 1963 wurde das Baudenkmal von Egon Eiermann im modernen Stil erweitert (vgl. wikipedia.org). Das Bild zeigt so nicht nur eine magische Ansicht, sondern vielmehr eine historische Ansicht. (Christoph Fuchs)
Walter Bartsch
geb. 1906, gest. 1968 •
Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche, Berlin, 1957
Gelatinesilberabzug, 17 × 12 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-148, © Nachlass Walter Bartsch
Max Lohr zählt zu den Pionieren der Fotokunst. Seine puristischen, und doch experimentierfreudigen Arbeiten gerieten lange Zeit in Vergessenheit. Mittlerweile zählen sie, nicht nur als historische Dokumente, zu nachgefragten Raritäten auf Auktionsmärkten. Die längste Zeit lebte der Ingenieur und Fotograf in der oberbayrischen Kleinstadt Weilheim. Dieses Bild zeigt ein gelungenes Beispiel einer relativ frühen Nachtaufnahme. Sie erinnert an die bekannten in den 1930er Jahren entstandenen Nachtbilder des berühmten in Paris tätigen Fotografen Brassaï. Er war einer der ersten, der die damals schwierige Technik der Fotografie bei Nacht meisterte.
Höchstwahrscheinlich nutzte Lohr die leichte Unschärfe in seiner Fotografie als Stilmittel. So wirken die Bäume im Gegenlicht verschwommen, eher wie in einer der Drucktechniken der Piktoralisten, die damit eine malerische Wirkung erzielen wollten. (Christoph Fuchs)
Lohr
geb. 1909 in Regensburg (de), gest. 1992 in Weilheim (de)
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Stille Straße, um 1928
Gelatinesilberabzug auf Karton, 23 × 17 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-297, © Max Lohr Nachlass
Herbert List geb. 1903 in Hamburg (de), gest. 1975 in München (de)
„Jardin des Tuileries, Paris. View on the rue de Rivoli“, 1936 Gelatinesilberabzug, 28 × 22 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1474, © Herbert List / Bildrecht, Wien
Fritz Simak musste immer wieder für längere Zeit stationär in das Allgemeine Krankenhaus (AKH) in Wien aufgenommen werden. Das Krankenhaus, eines der größten Krankenhäuser in Europa, liegt am Gürtel, einer Hauptverkehrsader der österreichischen Hauptstadt. In der Mitte der mehrspurigen Straße verläuft auch die alte Stadtbahn, die heute die Linie U6 der Wiener U-Bahn ist. Die Platanenallee entlang des Gürtels wird nicht nur vom Licht der Straßenbeleuchtung erhellt, sondern erhält ein besonderes Glühen von den vorbeifahrenden U-Bahn-Zügen – wenn man, so wie hier, notwendigerweise minutenlang belichtet.
Bereits in den 1930er Jahren fertigte der deutsche Bildjournalist Alex Stöcker eine interessante und sehr modern wirkende Nachtstudie in Berlin. Auch hier zeichnen die Lichter der vorbeifahrenden Straßenbahnen gespenstisch helle Streifen. (Christoph Fuchs)
Alex Stöcker
geb. 1896 in Berlin, gest. 1962 in Berlin (de)
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Ohne Titel (Berlin), 1930er
Gelatinesilberabzug, 14 × 21 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1228, © Alex Stöcker Nachlass
Fritz Simak
geb. 1955 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT)
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„Gürtel“, 2002
Gelatinesilberabzug, 24 × 29 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-357, © Fritz Simak
„Die Phantasie ist das Ding, aus dem die schönsten und ungewöhnlichsten Bilder entstehen. Gehen Sie mit mir an diesem See entlang und bestaunen Sie das, was wie ein versunkenes Schloss im schimmernden Wasser aussieht. Sehen Sie, wie es uns folgt, während wir weitergehen, und sich bei jeder Bewegung in groteske und seltsame Formen verwandelt. Schlangen scheinen an den Rändern auf und ab zu laufen! Da, jetzt kommt ein Baum auf uns zu, auf dem Kopf stehend. Wir bleiben stehen. Und der Baum auch! Er streckt seine flatternden Arme aus, als wolle er das Schloss umarmen. Auf dem Grund des Sees liegen noch mehr zitternde Blätter. Alles scheint auf dem strudelnden Wasser zu vibrieren. Die sanfte Brise, die das Wasser aufwirbelt, klingt wie Musik, die vom versunkenen Schloss mit seinen Türmen der Herrlichkeit herüberweht ... eine Stadtsymphonie.“ (aus Adolf Fassbender, Pictorial Artistry: The Dramatization of the Beautiful in Photography, 1937)
Adolf Fassbender leistete einen wesentlichen Beitrag zur Fotografie des 20. Jahrhunderts in Amerika. Er war einer der führenden Fotografen zwischen den beiden Weltkriegen. Sein Buch Pictorial Artistry ist nach wie vor die aufwendigste Publikation ihrer Art. Es enthält 40 große von Hand abgezogene Heliogravüren. Viele der Bilder in dem Buch sind ländliche Szenen, atmosphärisch weich und moralisch erhebend. Fassbender war ein unverbesserlicher Optimist, der nur das Gute im Leben darstellen wollte. Diese Bilder gehören zu den schönsten Beispielen der Fotogravüre aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Das Timing von Pictorial Artistry war jedoch unglücklich. 1941 traten die Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg ein, und die antideutsche Stimmung – sowohl gegen Fassbender als auch gegen den Verlag – stoppte den Vertrieb des Buches bis zum Ende des Krieges. Fassbender hatte einen Großteil der Kosten persönlich übernommen und verlor schließlich auch das investierte Geld in das Buch, das heute ein begehrtes Sammlerstück ist. (Christoph Fuchs)
Adolf Fassbender
geb. 1884 in Grevenbroich (de), gest. 1980 in Newton (US)
• „City Symphony“, 1937
aus dem Buch Pictorial Artistry: The Dramatization of the Beautiful in Photography Heliogravüre, 27 × 21 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-105, © Center for Creative Photography, The University of Arizona Foundation
„Es sind die scheinbar trostlosen Gegenden, die mich besonders beeindrucken“, sagt der Künstler Josef Hoflehner. Ein klarer analytischer Blick, die Reduktion des Bildinhalts auf das Wesentliche, das Herausfiltern grafischer Elemente, die strukturelle Analyse eines Ortes und die absolute Meisterschaft der technischen Möglichkeiten der Fotografie sind die stetigen Begleiter des Autodidakten. Mit großer Geduld erwartet Josef Hoflehner den richtigen Augenblick, um den Auslöser zu betätigen, der aus einer reinen Abbildung ein Kunstwerk von zeitloser Ästhetik und Erhabenheit macht. Das viel zitierte „punctum“, ein Begriff des französischen Philosophen Roland Barthes, ist die große Kunst des Josef Hoflehner. Auf den zahlreichen Reisen durch die USA, auf die ihn sein Sohn Jakob, ebenfalls Fotograf, begleitet, entstehen Momentaufnahmen, die einer meditativen Annäherung an die Struktur einer Gesellschaft gleichkommen, welche an ihrer Geschäftigkeit und Schnelllebigkeit zu zerbrechen droht. Mit der Werkgruppe American Landscapes wandelt der Künstler auf den Spuren amerikanischer Fotogeschichte. (Katja Mittendorfer)
Josef Hoflehner
geb. 1955 in Wels, lebt und arbeitet in Wels (AT)
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„Central Park, Study 1, Manhattan, New York“, 2015 aus der Serie „American Landscapes“
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 70 × 93 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1714, © Josef Hoflehner
Wie aus dem Titel des Portfolios Homage to Kertész bereits hervorgeht, handelt es sich bei der Aufnahme von Wolf von dem Bussche um nahezu eine Wiederholung des Motivs, des hohen Standpunktes, des Ortes und der Bildinhalte, was im Vergleich mit André Kertész Washington Square, New York aus dem Jahr 1954 sofort zu erkennen ist. Auch Gerhard Trumlers Komposition zeigt das gleiche Motiv, ebenfalls einen hohen Standpunkt, die gleichen Bildinhalte, nur verlegt er das Geschehen auf den Heldenplatz in Wien.
(Fritz Simak)
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André Kertész
„Washington Square, New York“, 1954
Quelle: Detroit Institute of Arts
Wolf von dem Bussche
geb. 1934 in Pforzheim (de), gest. 2014 in Mission Viejo (US)
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„Man with Blanket, Washington Square Park“, 1976 aus dem Portfolio Homage to Kertész
Gelatinesilberabzug, 22 × 15 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-761, © Wolf von dem Bussche Estate
Gerhard Trumler
geb. 1937 in Wien, lebt und arbeitet in Wien und Langschlag (AT)
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„Heldenplatz“, 1985
Gelatinesilberabzug, 41 × 37 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1613, © Gerhard Trumler
Schon durch den Titel der Arbeit wird die Entstehungsgeschichte dieser Fotoarbeit beschrieben. 45 Schritte, jeweils durch eine Fotoaufnahme dokumentiert. Es wurden fünf Bäume und ein Mast passiert und die Fotografin ist knapp dem Malheur entkommen, in einen Hundehaufen zu treten. Die 45 Fotografien sind in der Arbeit diagrammartig angeordnet, wobei sich die abgeschrittene Strecke, infolge eines „blinden“ durch die Kamera blickenden Gehens, als holprige Stufenreihe darstellt. Unterhalb der fotografischen Darstellung ist ein Balkendiagramm aufgezeichnet, welches mit schwarzen und weißen Balken die Schritte beschreibt, mit grauen Balken die Bäume und den Mast. (Jutta Strohmaier)
Jutta Strohmaier
geb. 1966 in Tulln (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)
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„45 steps, 5 trees, one pole and almost stepping into dogs droppings...“, 2008
C-Print auf Aluminium auf Acrylglas (Diasec), 67 × 257 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1328, © Jutta Strohmaier / Bildrecht, Wien
Die Orte liegen immer abseits dessen, was ein schaulustiges Publikum aufsuchen würde. Das triste Aufeinanderstoßen von Hinterhöfen, die öden Ansichten eines Hafens, die schroffen Felsen des Hochgebirges bei bedecktem Himmel – wahrlich keine Motive für die Postkartenproduktion. Den Salzburger Fotografen Hanns Otte treibt es dennoch in diese Räume und Landschaften, um sie entlang ihrer Nahtstellen zwischen menschgemachter Intervention und Rückeroberung durch die Natur abzuschreiten. Hanns Otte sucht keine Orte auf, die schon tausendfach abgelichtet wurden – so wie die Serie Zwischenräume, die seit 1984 Hinterhöfe in verschiedensten Städten zeigt. Seine Aufmerksamkeit gilt der Peripherie. Diese kann sowohl in Vororten als auch im Zentrum hinter Fassaden geortet werden.
Hanns Otte ist folglich kein strikter Dokumentarist, kein vermeintlich leidenschaftsloser Logistiker vom Schlage der Becherschule, obwohl ihn seine unermüdliche Spurensuche in die Riege der akribischen Sammler unter den Fotografen stellt. Dass es ihm auch um räumliche Koordinaten geht, die er global aufnimmt, macht die Tragweite seines Unternehmens aus. Auch das erweist ihn aber als glühenden Weltbeobachter, der nicht ruhen wird, ehe er nicht die für ihn relevanten Weltgegenden mit dem Netz seiner Fotografien überzogen hat. „Langzeitprojekte“ nennt Otte die Serien, an denen er arbeitet; und es ist wahrscheinlich, dass er diese wird niemals ganz abschließen können. (Milena Greif, Eikon, Nr. 43/44, 2003)
Hanns Otte
geb. 1955 in Salzburg, lebt und arbeitet in Salzburg (AT)
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Ohne Titel, 2004 aus der Serie Zwischenräume
C-Print, 57,4 × 71,3 cm
Sammlung SpallArt, Inv. S-1739, © Hanns Otte
Ineinander verwobene Wurzeln, Stämme mit glatter oder borkig rauer Oberfläche, gezeichnet durch Verletzungen, Vernarbungen, Markierungen, weit ausladende oder hoch aufschießende Äste, facettenreiches Blattwerk: Ausschnitte, die durch genaues Hinsehen und ins rechte Licht setzen die Schönheit der Bäume im Detail sichtbar machen.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Der japanische Fotograf Koichiro Kurita studierte an der Kanseigakuin-Universität in Kobe Wahrnehmungspsychologie und nutzte seine Kamera ausgiebig, um die Funktion des Auges in seiner Forschung zu simulieren, in der er untersuchte, wie Menschen bewegte Objekte unter wechselnden Umständen wahrnehmen. Als junger Mann arbeitete er für eine Werbeagentur in Tokio, bevor er ein erfolgreicher unabhängiger Fotograf und Regisseur von Werbespots wurde. Im Alter von vierzig Jahren, angeregt durch die Lektüre des Buches Walden des amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Henry David Thoreau (1817–1862), beendete Koichiro Kurita seine lukrative Karriere, um seine Fotografie ganz auf meditative Ausdrucksformen seiner Verbundenheit mit der ländlichen Natur auszurichten. Er konzentrierte sich auf großformatige Landschaftsfotografie und zog sich in ein Studio in den YatugatakeBergen hundert Meilen nordwestlich von Tokio zurück, wo, wie er schreibt „das Gefühl Walden war“. Nachdem er ein Stipendium des Asian Cultural Council erhalten hatte, das von John D. Rockefeller III gegründet wurde, um den internationalen Dialog zwischen asiatischen und amerikanischen Künstler:innen und Wissenschaftler:innen zu fördern, konnte er in Kanada, den Vereinigten Staaten und Großbritannien reisen und fotografieren.
Seit 1993 unterhält Kurita Studios in New York, Massachusetts und Fukusumi und konzentriert seine Eindrücke von der Natur –stille Wälder in Neuengland, abgelegene Seen und Felsen in den Boundary Waters in Minnesota und Kanada oder Naturmerkmale in Kalifornien –, indem er poetische Details aus der größeren Landschaft extrahiert. Dabei verwendet er fotografische Edeldruckverfahren aus dem 19. Jahrhundert, um monochromatische Abzüge herzustellen. Seine eigenhändigen Platin Palladium-, Albumin- und Salzpapierabzüge auf handgeschöpften Gampi-Papier, welches aus der Rinde des japanischen Gampi-Baumes hergestellt wird, verstärken die Zartheit und subtile Resonanz seiner Bilder und verbinden historische und doch zeitlose Qualitäten mit seiner zeitgenössischen Vision.
Seine Aufnahmen, wie das Werk Fall, zeigen die Natur, wie er sie im Sinne von „Chi Sui Ki“ (地 水 気), oder Terrasphäre, Hydrosphäre und Atmosphäre sieht, und die Grenzen, die jeder dieser Bereiche miteinander und mit allen Lebensformen teilt. Kuritas laufendes Projekt Beyond Spheres (Jenseits der Sphären) handelt von seiner visuellen Reise, um Thoreaus Wahrnehmungen zu verstehen, während er den Spuren des Schriftstellers durch Neuengland folgt. Es ist die logische Fortsetzung von Kuritas fortwährender Suche nach einer Antwort auf die Frage: „Was wäre, wenn Thoreau ein Fotograf gewesen wäre?“
In Kuritas Worten besteht das Ziel des Projekts darin, „Thoreaus ldeen und Schriften durch den Einsatz fotografischer Techniken eine bildliche Form zu geben, indem er die von seinen Zeitgenossen verwendeten Edeldrucktechniken anwendet“. Weiter erklärt er: „lch habe zwei Mentoren. Der eine ist Henry David Thoreau, der dazu drängte, die Beziehung zwischen Natur und Mensch neu zu erleben. Der andere ist Henry Fox Talbot (1800–1877), der lehrte, was Fotografie ist. Beyond Spheres ist ein Projekt, das am Ende eine Dankesrede an meine beiden Mentoren sein wird, denen ich nie begegnet bin.“
Talbot beschrieb seine Arbeit als photogenes Zeichnen, „die Bilder der Naturmalerei. die die Glaslinse der Kamera in ihrem Fokus auf das Papier wirft“ – die Fotografie als Bleistift der Natur (The pencil of nature), eine Formulierung, die er als Titel für sein Buch verwendete, das von 1844 bis 1846 in Fortsetzungen erschien. Das Erscheinen des Buches, nur ein Jahr bevor Thoreau nach Walden Pond zog, um dort auf einem von seinem Freund, dem Schriftsteller Ralph Waldo Emerson, erworbenen Grundstück zu leben, ist für Kurita von Bedeutung. Kuritas fotogene Zeichnungen, die durch seine interpretation von Thoreau und der Natur angeregt werden, sind seine eigenen Meditationen des Lebens mit den Mitteln der Kunst. Kurita lässt sich von Thoreaus Analogie des Blattes als grundlegende Einheit inspirieren. die das Gefüge der Natur aufbaut und eint: Er versucht, die Erde, Flüsse, Vögel, Menschen und verschiedene Dinge in der Welt als „Blätter“ zu beschreiben. Dies führt zu der Erkenntnis, dass die verschiedenen Dinge in dieser Welt ein gemeinsames Urbild haben … In gewissem Sinne ist alles miteinander verbunden und steht in einer Beziehung. Hier ist eine große Perspektive der Natur, die über die japanische oder westliche Sicht der Natur hinausgeht. Begriffe wie „Natürliche Auslese“ oder „Überleben des Stärkeren“ werden assoziiert mit einer Wettbewerbsgesellschaft, in der die Wirtschaft im Vordergrund steht. Unser gegenwärtiges soziales Umfeld ist ein Wettbewerb um die Herstellung und den Umlauf vieler Produkte, während die Welt ihrer Ressourcen beraubt wird. Unser Verhältnis zur Gesellschaft und zur Umwelt sollte nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen, der Harmonie einen hohen Stellenwert einräumen und sich in einen ruhigen und „einfachen gemeinsamen Lebensraum“ verwandeln. Das ist der Geist von Beyond Spheres. (Jane Bianco, aus: Johanna Breede PHOTOKUNST, Koichiro Kurita, 2023)
Koichiro Kurita
geb. 1943 in Manchurei (CN), lebt und arbeitet in New York (US), Massachusetts (US) und Fukusumi (JP)
„Fall“, Mystic, Connecticut, USA, 1991
Platin-Palladium-Druck auf Gampi Japanpapier, 0 × 0 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2742, © Koichiro Kurita
Sandra Kantanen begann sich bereits während ihres Studiums in Helsinki für die traditionelle chinesische Landschaftsmalerei zu interessieren. Auf ihrer ersten Reise nach China wurde sie mit dem Widerspruch zwischen den idealisierten Landschaften, die in der langen Geschichte der chinesischen Landschaftsmalerei dargestellt werden, und der Realität des modernen Chinas konfrontiert, dessen Landschaft sich durch unkontrollierte wirtschaftliche Entwicklung und Umweltverschmutzung drastisch verändert hat. Sandra Katanen kommt aus einem Land, in dem die Schönheit der Natur in der Vorstellung von Wildnis, Unberührtheit und Natürlichkeit liegt. In China wurde ihre Vorstellung von natürlicher Schönheit mit einer Kultur konfrontiert, in der das Ideal der Naturschönheit in der Gestaltung der Natur durch den Menschen, in der Idee des „Gartens“ liegt.
Zu Beginn ihres Aufenthaltes wurde sie von der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei beeinflusst. Sandra Kantanen fotografierte die heiligen Berge, die von den alten chinesischen Meistern dargestellt wurden. Doch schon bald war sie mit dieser Herangehensweise unzufrieden und sah sich gezwungen, ihre eigenen „Mindscapes“ zu schaffen, eine Mischung aus persönlichen idealistischen Landschaften und der chinesischen Maltradition.
In letzter Zeit hat sich Sandra Kantanen von ihrer frühen Praxis distanziert und erforscht alternative Wahrnehmungsmethoden. In ihren Fotografien nutzt sie weiterhin die Natur und die Landschaft als primäre Inspirationsquelle, aber anstatt eine idealisierte Einzelansicht einer bestimmten Landschaft zu präsentieren, verwirft die Künstlerin ihr Thema immer wieder und lädt die Betrachtenden so ein, es auf vielfältige, sich verändernde Weise zu erkunden. (aus: The Helsinki School, Vol. 4, A Female View, 2011)
Sandra Kantanen
geb. 1974 in Helsinki, lebt und arbeitet in Helsinki (fI)
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„Untitled (Sakura 2)“, 2009 Pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Aluminium, 128 × 108 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-791, © Sandra Kantanen
„Isolation (Dead Tree)“, 2017
Die Serie Isolation zeigt Fotografien von konventionellen Ausstellungsräumen (White Cubes), die Fabian Knecht an unterschiedlichen Orten in der Natur installiert hat. Statt ein Readymade oder eine Repräsentation der Wirklichkeit in den Ausstellungsraum zu überführen, bringt Knecht den Ausstellungsraum in die Wirklichkeit, isoliert ein Segment mithilfe des White Cubes: ein Flussbett und ein Sockel eines verschwundenen Denkmals in der Ukraine, ein zugefrorenes Meer in Wladiwostok, eine Brache in Berlin und ein Waldstück in Nordrhein-Westfalen. Die Natur wird in ihrer Komplexität zum Werk erhoben und ausgestellt, in situ, ohne in vorgefundene Formen und Lebensformen einzugreifen. Mitunter werden – wie beiläufig – kanonische Kunstwerke ins Bewusstsein gerufen: von Caspar David Friedrichs Eismeer (1823/24) bis zu Robert Smithsons Dead Tree (1969). Isolation kommentiert, invertiert, so nicht nur das klassische Konzept des Readymades, sondern auch das traditionelle Verhältnis von Kunst und Natur, natura naturans und natura naturata (schaffender und geschaffener Natur).
„Dann wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie …“, schreibt Albrecht Dürer. Wer sie an Ort und Stelle belässt, umgrenzt und zeigt – der hat sie auch.
Der Ausstellungsraum wird zum Medium und damit vom Hintergrund zum Werk (gleichermaßen ungebunden wie ortsbezogen und fotografisch vermittelt, beinahe unwirklich) – um dann vom Foto im nächsten Schritt erneut zum Hintergrund gemacht zu werden: ein Werk an der Naht- und Bruchstelle zwischen Raum, Natur und Fotografie. Die Fotos hängen im Ausstellungsraum. Die Ausstellungsräume sind abgebaut. Die Natur – berührt und unberührt – bleibt dort, wo sie war: jenseits des Rahmens. (Institut für Raumexperimente, Universität der Künste Berlin)
Fabian Knecht
geb. 1980 in Magdeburg (de), lebt und arbeitet in Berlin (de)
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„Isolation (Dead Tree) Detail“, 2017 aus der Serie Isolation
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 46 × 66 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2242, © Fabian Knecht / Bildrecht, Wien
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„Ohne Titel (Äste)“, 2014
C-Print, Pflaumenholzrahmen geölt mit rauer Kante, 26 × 26 cm
Die Arbeiten sind Teil der Installation Land in der sich Alfredo Barsuglia mit dem Raum auseinandersetzt, hinsichtlich der vielfältigen Ausformungen: Innenräume, Außenräume, imaginäre Räume. Ein Raum wird gemeinhin durch Grenzen definiert und die jeweilige Grenzziehung erfolgt entlang einer geschlossenen Linie, die den Rand eines Systems bezeichnet. Die Etymologie des Wortes legt nahe, dass Raum auch ursprünglich als begrenzt verstanden wurde. Barsuglia arbeitet mit den unterschiedlichen Vorstellungen und Bestimmungen von Raum. Seit dem „Spatial Turn“ oder der so genannten „topologischen Wende“ wird Raum nicht mehr als kartesianische Kiste begriffen, die durch die konventionellen Parameter Länge mal Breite mal Höhe bestimmt ist, sondern als sozio-kulturelle Größe, als Möglichkeitsfeld. Das Ziel ist nicht einfach nur einen Raum zu betreten und mehr oder weniger in ihm zu sein, sondern mit diesem Raum in Beziehung zu treten, mit ihm zu interagieren. Barsuglia begreift Raum dementsprechend als Netz von Ereignissen, die in assoziativen Beziehungen und Verhältnismäßigkeiten zueinander stehen, dessen Wahrnehmung aus einem Involviert-Sein in diese Ereignisse stattfindet. So funktioniert die Kunstbetrachtung und Erkenntnisproduktion bei ihm durch ein „Hineingehen“ in Erfahrungen. (Roman Grabner)
Alfredo Barsuglia
geb. 1980 in Graz (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)
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Ohne Titel, 2012–2013
Aceton-Transfertechnik auf Holzplatte, 19 × 26 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1524 und S-1525, © Alfredo Barsuglia
• „Charon bestellt sich einen Grappa, 1“, 2009
Nikolaus Similache beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit schon lange mit dem Wald und dem Baum an sich. Auf der kanarischen Insel El Hierro findet er den bekannten Wacholderwald El Sabinar. Das Besondere an den hier wachsenden Bäumen sind ihre bizarren Formen. Ihre gebückte und verdrehte Haltung verdanken sie einem permanenten Fallwind. Besonders alte Exemplare trotzen ihm seit einigen hundert Jahren. Heute sind viele der Bäume bereits so weit gebogen, dass die Kronen den Boden berühren. Solche Bäume und Sträucher, deren Wuchsform durch vorwiegend aus einer Himmelsrichtung wehenden Wind bestimmt wird, bezeichnet man auch als Windflüchter.
Der eindrucksvolle Drehwuchs der alten Wacholderbäume gilt in dieser Form als weltweit einzigartig und macht sie zu einem der Wahrzeichen El Hierros. Gerade ihre verwachsene Statur hat diese Sabinas vor dem Schicksal ihrer wohl gewachsenen Artgenossen bewahrt. In der Vergangenheit war der Westen El Hierros dicht mit Wacholderwäldern bewachsen. Wachsender Bedarf nach Bauholz vor allem auf den Nachbarinseln und intensive Rodung für Viehwirtschaft setzten den Wacholderwäldern zu, bevor ein Waldbrand Anfang des 20. Jahrhunderts bis auf die Bäume von El Sabinar die letzten Bestände vernichtete.
Die Form des Wacholderstocks erinnerte Nikolaus Similache an den mythologischen Fährmann Charon, der mit seinem Boot die Toten über den Fluss Acheron in die Unterwelt bringt und der – wohl in einer Pause – mit einer Handgeste den Kellner um einen Grappa bittet. Durch das Platzieren des Objekts gegen den Himmel direkt vor Ort auf der Insel, in Verbindung mit dem mittäglichen Sonnenlicht, wird seine Präsenz besonders hervorgehoben. Gleichzeitig steht die weiße Schönwetterwolke in Bezug zu der geschwungenen Form des Holzstückes. Similache bringt das Stück Holz mit nach Wien in sein Atelier und fertigt eine zweite Aufnahme mit künstlicher Beleuchtung und schwarzem Hintergund, um das Objekt noch stärker in Erscheinung treten zu lassen. (Christoph Fuchs)
Nikolaus Similache geb. 1955 in Wien, lebt und arbeitet in Wien (AT)
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„Charon bestellt sich einen Grappa, 2“, 2009 aus der Serie The Blue C-Print auf Karton, je 30 × 45 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-423 und S-424, © Nikolaus Similache
Obwohl die Entstehungszeit dieser Bilder mehr als 20 Jahre auseinanderliegt, kann man ein ähnliches Gestaltungsprinzip erkennen. Während die Schneefläche bei Coburn einheitlich im Ton erscheint, geht bei Freytag durch die Beleuchtung mittels Straßenlaterne der helle Ton im Vordergrund sanft bis zum tiefen Schwarz oben im Bild über. (Fritz Simak)
Im Bild von Heinrich Freytag ist es vermutlich das Licht einer Straßenlaterne, das den kleinen Baum und seine vom Schneereif bedeckte Krone dramatisch in Szene setzt. Das Kontrastspiel zwischen feiner Zeichnung in den dünnen Ästen und stumpfer Fläche im Schnee, zwischen den Schattierungen im aufgeschütteten Schnee am Straßenrand und dem bis ins Schwarz verlaufenden Schatten im Hintergrund wirkt wie inszeniert, doch ist es mit Sicherheit eine landläufige Situation, wie wir sie alle kennen und allzu oft auch selbst schon gesehen haben. Die Besonderheit an diesem Bild ist die Wahl des Ausschnitts, die uns erst auf den zweiten Blick die Situation entschlüsseln lässt. (Christoph Fuchs)
geb. 1904 in Zeulenroda (de), gest. 1989
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Ohne Titel, 1929
Bromöldruck, 29 × 21 cm
Alvin Langdon Coburn
geb. 1882 in Boston (US), gest. 1966 in Rhos-on-Sea (UK)
• „Decorative Study“, 1906 aus Camera work, Nr. 15
Heliogravüre auf Karton, 20 × 16 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-558, © Alvin Langdon Coburn Estate
Heinrich Koch
geb. 1896 in Uherské Hradiště (HU), gest. 1934 in Prag (CZ)
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Ohne Titel, 1929–1932
Gelatinesilberabzug auf Karton, 22 × 15 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-364
Durch die Wahl des Bildausschnitts generiert Robert Bothner im Bild rechts ein neues Objekt. Die kalkulierte Gestaltung manifestiert sich durch die Zweige im Hintergrund zwischen den beiden Ästen vorne, was eine besondere Tiefenwirkung entstehen lässt.
Ganz im Gegensatz dazu, obwohl die beiden Motive eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, schafft Heinrich Koch im Bild links mit der Wahl des Bildausschnitts eine expressive Wirkung. Durch den als Verstümmelung wirkenden Beschnitt des Stammes und den parasitös darauf lebenden Baumschwamm, wirkt das Bild als Memento mori und eröffnet eine völlig andere Metaebene. (Christoph Fuchs)
Robert Bothner
geb. 1899 in Stuttgart, gest. 1967 in Stuttgart (de) •
Ohne Titel, 1950er
Gelatinesilberabzug, 23 × 17 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-361, © Robert Bothner Estate
Angelika Krinzinger hat es wieder getan. Spuren gesucht. Und gefunden. Dieses Mal im Wald. Sagt sie. Beweise hat sie dafür keine. Betrachtet man ihre neue Serie Woodnotes, geht man so richtig nahe an die Bilder heran, kann es passieren, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Wenn es denn überhaupt Bäume sind. Ist dieses eine Bild dort nicht die Makroaufnahme eines Gebirgszugs aus Schokoladeneis auf dem sich zäh ein Gletscher aus Zitroneneis windet, flankiert von einem Hauch Pistazienstaub, der die ausgefranste Baumgrenze dieser süßen Topografie markiert. Und dort, zeigt diese Aufnahme nicht die Stirn eines, in unzählige Jahre gekommenen Elefanten, der müde vom lauten Treiben im indischen Volksfest sein Auge schließt? Anlässlich des besonderen Tages wurde der alte Riese in weiße und rote Farbe getüncht. Dieses Barbie-Rosa, da auf dem nächsten Bild: Von unzähligen unregelmäßigen Schindelchen blättert es ab. Ist es das Kleid eines tausendjährigen Fischwesens aus unerforschten Tiefen, der ausgerechnet in Angelika Krinzingers Kamera lugt. Oder handelt es sich doch um die Aufnahme einer Zelle, wie sie noch kein Wissenschafter unter sein Mikroskop bekam? Und wo mag sich der Ort befinden, an dem die Fotografin diesen verwitterten Steinboden ablichtete? Über die ungleichen Platten zieht sich eine Blutspur. Sie sieht aus, als sei sie von einem chinesischen Meisterkalligrafen mit dem Pinsel gezogen worden. Wohin führt sie? Zu einem Mord? Vielleicht in den Wald? In den Wald, von dem Angelika Krinzinger behauptet, sie habe darin Wegzeichen auf Bäumen fotografiert, Grundstücksbegrenzungen oder Markierungen der Forstbehörde, die für den betreffenden Baum das Todesurteil bedeuten könnten. Was auch immer man
sehen mag, diese Arbeiten zeigen auch Malerei. Anonyme Malerei, die unsigniert Zeichen gibt und Entscheidungen fordert, wie es das Leben tut: Weitergehen, abbiegen, stehen bleiben, umdrehen, auf den Auslöser drücken. Oder eben nicht. Angelika Krinzinger zeigt mit ihren Woodnotes einmal mehr wie tiefgründig Oberflächen sein können. Sie hat Spuren gefunden. Ja. Wohin sie führen, bleibt dem Betrachtenden überlassen. Und das ist gut so.
Bäume werden aus unterschiedlichen Gründen markiert. Einerseits um Stellen zu kennzeichnen, etwa um Grundstücke abzugrenzen oder Wege anzuzeigen, andererseits um die Bäume selbst zu markieren, etwa um Schädlingsbefall oder eine Freigabe zur Fällung zu signalisieren. Gemeinsam ist den Markierungen jedenfalls, dass sie dazu da sind um Ordnung zu schaffen, Übersichtlichkeit, wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Sie bringen also Struktur in die Natur, machen sie nutzbar.
Die Fotografien selbst zeigen die rauen Oberflächen der Bäume, die mit Farbe überzogen sind. Es sind Ausschnitte gewählt, die die Flächigkeit einer Leinwand suggerieren, dies aber durch die Tiefenunschärfe an den Rändern der Fotografie und in der Rinde wieder brechen. Das L’art pour l’art der Malerei wird hier konterkariert durch die Funktionalität der Markierungen, die erst durch den Filter der Fotografie ins Zwielicht der Abstraktion gezogen werden. Der künstlerische Duktus eines charakteristischen Strichs verschwindet hier zugunsten der Geste des Markierens, die wiederum als Verweis auf die Einflussnahme des Menschen so für sich stehen bleibt. (Michael G. Hausenblas)
Angelika Krinzinger
geb. 1969 in Innsbruck (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)
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„untitled“, 2008
aus der Serie Woodnotes
C-Print auf Aluminium, 30 × 40 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1235, © Angelika Krinzinger
Nikolaus Korab
geb. 1963 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Wien und Niederösterreich (AT) •
„Brandrodung, Washington“, 2001 (Abzug 2013)
Gelatinesilberabzug auf Baryt, 102 × 73 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1336, © Nikolaus Korab / Bildrecht, Wien
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„4 Le corrigan effeuillé“, 1962
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-608
• „5 Hic“, 1962
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-609
Nach einer Knochentuberkulose wurde der damals erst 17-jährige Andre Villers in ein Sanatorium in Vallauris in Südfrankreich eingewiesen, wo er acht Jahre lang blieb. In dieser Zeit lernte er die Fotografie kennen und machte 1952 seine ersten Experimente in der Dunkelkammer sowie Bilder von Vallauris und seinen Einwohnerinnen und Einwohner. Im März 1953 traf er dort auch Pablo Picasso, der ihm seine erste Kamera, eine Rolleiflex, schenkte. Villers fertigte zahlreiche Porträts des Malers an, und aus ihrer Beziehung entwickelte sich eine Zusammenarbeit, bei der hunderte von Bildern auf der Grundlage fotografischer Experimente entstanden. Picasso hatte 1961 zahlreiche Köpfe und Figuren von Menschen und Tieren aus Papier ausgeschnitten, wobei er eine schon 1943 verwendete Technik weiterentwickelte. Villers montierte diese zerschnittenen Figuren auf dreißig verschiedene Fotografien und stellte sie so in realistische Kontexte und Situationen. Jacques Prévert schließlich erzählte die vergnügliche Geschichte dieser kurzlebigen Wesen vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Im Jahr 1962 gab Heinz Berggruen das Buch Diurnes (Tagfalter) heraus, das auf 30 dieser Bilder basiert. (S. Goeppert) Als Grundlage für die Überarbeitung von Picasso dienten Fotogramme, die durch das Auflegen etwa von Blättern, Reis, Blumen, Federn oder Gewebe erzeugt wurden. Daneben gibt es auch fotografische Aufnahmen von zweidimensionalen Strukturen, die etwa auf Baumrinden, Glasscheiben oder Mauern zu finden sind.
Auch Landschaftsdetails mit Bäumen, Sträuchern und Wasser sind das Ausgangsmaterial für Picassos Scherenschnitte, die dann auf das vorbelichtete Fotopapier gelegt und nochmals belichtet wurden. Auch ein reiner Scherenschnitt (Nr. 16) ist zu finden. Diese wunderbaren Arbeiten überzeugen durch eine spielerische Leichtigkeit und geben Zeugnis von einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit von Fotograf und bildendem Künstler. (Fritz Simak)
Pablo Picasso
geb. 1881 in Málaga (eS), gest. 1973 in Mougins (fr)
André Villers
geb. 1930 in Beaucourt (fr), gest. 2016 in Le Luc (fr)
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„14 Midas“, 1962
aus dem Portfolio: Diurnes. Découpages et Photographies
Collotypien, je 39 × 29 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-618, © Estate of Pablo Picasso / Bildrecht, Wien
Im Herbst endet bei den meisten Bäumen die Zeit der Belaubung und sie verlieren ihre Blätter. Sie bekommen keine Nährstoffe mehr, vertrocknen und fallen ab. Dabei verformen sie sich, rollen sich ein, bekommen ein neues Aussehen. Sie verlieren ihre Individualität als Blatt, werden zu einem Haufen Laub am Boden. Doch die Form dieser verfallenen Blätter will entdeckt werden. Die Intention des Fotografen ist, diese Formenvielfalt vertrockneter Herbstblätter festzuhalten und dafür jedes Blatt wie eine Skulptur in Szene zu setzen. Tatsächlich folgen zwar die Blätter einer Baumart gemeinsamen Regeln beim Vertrocknen, aber äußere Umstände und Eigenschaften der einzelnen Blätter führen doch zu deutlichen Unterschieden. So hat letztlich jedes Blatt seine individuelle Erscheinung und Form. Das erste Mal wurden Aufnahmen der Serie Verfallsdatum erreicht im Jahr 2008 präsentiert. In der gleichnamigen Ausstellung im Jahr 2023 wurden die Aufnahmen in einem Bürgerhaus in Rosenheim ohne Titel präsentiert, obwohl Heinz-Martin Weiand für viele der Aufnahmen selber Arbeitstitel verwendet. So ist es der Betrachterin und dem Betrachter überlassen, die Formen zu interpretieren. Schließlich ist es eine lebenswichtige Eigenschaft und Stärke des Menschen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen – die sogenannte Pareidolie. So werden den an sich „toten“ Blätter Namen und manchmal auch menschliche Eigenschaften und Emotionen zugeordnet. Die Blätter werden zum Individuum, erhalten ein zweites Leben. Für Weiand ist es eine faszinierende Verbindung von visueller Wahrnehmung und Übersetzung in Begreifbares und Benennbares. (Heinz-Martin Weiand)
Heinz-Martin Weiand
1955 in Oberhausen (de), lebt und arbeitet in Rosenheim (de)
ohne Titel (#4955), 2008/2023 aus der Serie Verfallsdatum erreicht
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck montiert auf Karton, 70 × 50 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2628, © Heinz-Martin Weiand
Der Orkan Kyrill zerstörte im Januar 2007 mit Windgeschwindigkeiten bis über 200 km/h weite Teile Europas, mehr als 40 Menschen kamen ums Leben. Hans Kupelwieser dokumentiert die Folgen dieses Orkans auf eindrucksvolle Weise. Er erweist sich dabei als exzellenter Beobachter, der Vorgefundenes in eindringlicher und gleichzeitig unprätentiöser Weise vermittelt. Die heftige Entwicklung des Tiefdruckgebiets wurde unter anderem durch das relativ warme Wasser des Nordatlantiks begünstigt.
Die Erderwärmung betrifft zu über 93 % das Meer. Die letzten zehn Jahre gelten als die wärmsten Jahre für die Ozeane seit Beginn der Messungen. Anfang April 2023 erreichte die Meeresoberflächentemperatur einen Durchschnittswert von 21,1° Celsius; das entspricht einem neuen, alarmierenden Rekord.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Städtische Galerie Rosenheim, 2023
Hans Kupelwieser
geb. 1948 in Lunz am See (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT) •
„Kyrill“, 2007
Pigmentbasierte Tintenstrahldrucke auf Aluminium-Dibond, je 106 × 81 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-525, 526, 529, 530, © Hans Kupelwieser / Bildrecht, Wien
Wäldern und Bäumen werden seit jeher magische Kräfte zugeschrieben, sie sind Gegenstand von Mythen und Märchen. Als sich vor 12.000 Jahren die Gletscher der Eiszeit nach und nach zurückzogen, fasste die Birke (neben der Kiefer) als erste Baumart Fuß. Im germanischen und slawischen Volksglauben war sie der Göttin Freya geweiht. Ihr Name bedeutet „die Schimmernde“; das indogermanische Wort berkio verbirgt sich darin.
Die Birke ist sehr lichtbedürftig, klimatisch anspruchslos, schnellwüchsig, verträgt Kälte, toleriert Trockenheit und gilt als anpassungsfähig. Dementsprechend kommt diese Pionierin unter den Bäumen weit verbreitet vor, sie ist Wegbereiterin für andere Baumarten wie die Buche oder die Eiche. Die Zähigkeit und Biegsamkeit ihres Holzes wird nicht nur in der Möbelverarbeitung geschätzt. Unverkennbar an ihrem silbrig-hellen, wie mit hauchdünnem Papier umwickelten Stamm steht die Birke schlank und hoch aufschießend, flirren ihre feinen, stark verästelten Zweige im Wind. Die Blätter der Birke liefern ätherische Öle, Gerbstoffe und harntreibende Substanzen, die als Aufguss zur Blutreinigung und bei Gicht angewendet werden. Die Knospen enthalten Öl, das galletreibend wirkt. In der Rinde hat man Betulosid sowie Betulin nachgewiesen, Wirkstoffe zur Behandlung von Rheuma, Nierensteinen und verschiedenen Hautkrankheiten. Birkensaft dient zur Herstellung von Haarwasser und Salben. Neueste Forschungen ergaben, dass die Birke Mikroplastik aus den Böden aufnimmt und so zu deren Sanierung beitragen kann.
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
Ausstellungsansicht, Body Check, Lenbachhaus, München, 2019
Die Collage ist eine Erweiterung der ursprünglichen Arbeit als Installation. Martin Kippenberger greift in der Installation das Motiv des Waldes auf. Dieser wurde in der deutschen Romantik zum Sehnsuchtsort, Idyll und Resonanzraum. Die anthropomorphen Formen der Birkenstämme, ebenso wie die dazu gruppierten, unterschiedlich gekrümmten Laternen lassen sich als ironische Selbstporträts lesen. Körperbezug haben auch die aus Holz gedrechselten, überdimensionalen Pillen, die zwischen den Stämmen liegen: Es sind die Tabletten, die Kippenberger aufgrund seiner Erkrankung täglich schlucken musste, und die wiederum Einfluss auf seine physische und psychische Verfassung hatten.
Der Titel ich geh jetzt in den birkenwald, denn meine pillen wirken bald dieser vielteiligen Installation ist ein typischer Schüttelreim, dessen Form im deutschen Sprachraum seit dem 19. Jahrhundert überwiegend für vergnügliche Zweizeiler verwendet wurde. Dieser Satz erklärt die gesamte Arbeit mit dem für Kippenberger typischen hintergründigen Humor, der hier indirekt seine Suche bzw. Sehnsucht nach Heilung und Besserung zum Ausdruck bringt. (Lenbachhaus, München)
Martin Kippenberger geb. 1953 in Dortmund (de), gest. 1997 in Wien (AT)
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„ich geh jetzt in den birkenwald, denn meine pillen wirken bald“, 1993 Collage, C-Prints auf Karton, 89 × 67 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1347, © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Köln
Die subtilen Farbfotografien der Werkgruppe Patience von Josef Hoflehner entstanden zwischen 2006 und 2013 in Kooperation mit Jakob Hoflehner, dem 25 Jahre alten Sohn des Künstlers. Die Sujets fanden die Fotografen auf Reisen durch Japan, China, Australien, USA, Kuba, Vietnam und Russland. Es ist nicht das Spektakuläre und Gewaltige, sondern es ist die stille Schönheit des Gewöhnlichen, die Josef Hoflehner mit seiner Kamera einfängt. Den Fotografien geht ein langer und sorgfältig geplanter Entstehungsprozess voraus: derselbe Ort muss oft mehrmals aufgesucht werden bis die Wetter- und Lichtbedingungen stimmen und sich das Sujet so zeigt, wie es der Künstler vorab in seiner Vorstellung sieht. Im Genre der Landschaftsfotografie changieren die Werke von Josef Hoflehner zwischen Realismus und Utopie. Grafische Strenge paart sich mit lyrischem Stimmungsgehalt. Die fotografische Meisterschaft von Josef Hoflehner sowie sein unbestechlicher Blick für das Besondere und Charakteristische eines Motivs verdichten sich in seinen Fotografien zu sorgfältig komponierten Kunstwerken. (Galerie Ruzicska, Salzburg)
Josef Hoflehner
geb. 1955 in Wels, lebt und arbeitet in Wels (AT)
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„Birch Forest, Japan“, 2012 aus der Serie Patience
Pigmentbasierter Tintenstrahldruck, 85 × 108 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1587, © Josef Hoflehner
Ansel Adams ist bekannt für seine Landschaftsaufnahmen von Naturschutzgebieten vor allem aus dem Yosemite National Park. Zeit seines Lebens hat er vierzig Nationalparks in Nordamerika besucht.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bewarb sich Adams bei der John-Simon-Guggenheim-Stiftung um ein Fellowship (Stipendium), damit er seine Arbeit in den Nationalparks für ein eigenes Buchprojekt fortsetzen konnte. Adams erhielt das Guggenheim-Stipendium zweimal: 1946 und 1948. Das Stipendium ermöglichte ihm unter anderem eine Flugreise in das südliche Alaska.1 Eine dieser Reisen brachte ihn vermutlich auch in den Redwood National Park (Redwood National and State Parks) in Praire Creek an der kalifornischen Pazifikküste nahe der Grenze zu Oregon. Der Nationalpark ist bekannt für seine Küstenmammutbäume und die großen Roterlenhaine.
Auf den ersten Blick möchte man aufgrund der sehr hellen, fast weißlichen Rinde der Bäume in der Schwarz-Weiß-Fotografie meinen es seien Birken. Es handelt sich aber um Roterlen (Alnus rubra) aus der Familie der Birkengewächse. Das Holz der Bäume ist rötlich-gelb und der Farbstoff kann durch das Abkochen der Rinde gewonnen werden. Er wurde von der indigenen Bevölkerung Nordamerikas genutzt, um Fischernetze zu färben, sodass sie im Wasser weniger sichtbar waren.2
Der Abzug stammt aus dem Portfolio VI, das 1974 von Parasol Press, New York veröffentlicht wurde. Adams wählte dafür zehn außergewöhnliche Motive und fertigte Abzüge in einer Gesamtauflage von 110 Stück. Im Vorwort des Portfolios schreiben Beaumont und Nancy Newhall: „Adams ist der Meinung, dass er zu lange und zu Unrecht als ‚Naturbursche‘ abgestempelt wurde: Seine Arbeit mit und für den Sierra Club, für den Yosemite selbst und sein bedeutender Kampf für den Naturschutz waren sicherlich spektakulär, aber sie haben ihn in eine Schublade gezwängt. Er ist der Meinung, dass es an der Zeit ist, dass die Öffentlichkeit die Chance hat, mehr von der immensen Bandbreite seiner Arbeit zu sehen, und wir denken, dass er Recht hat. Wie bei früheren Portfolios sind einige der Fotografien umstritten und nicht die erwarteten Adams-Fotos. Einige werden diesen Rückschritt bedauern, andere werden ihn als eine neue Perspektive auf Adams und seine Reaktionen auf den Menschen, seine Werke und die Natur begrüßen. Und obwohl alle seine Drucke seit seiner Jugendzeit wunderschön waren, übertreffen die Drucke, die er jetzt machen kann, alles, was er in der Vergangenheit gemacht hat. Vielleicht sind es die schönsten Abzüge, die je mit dem Medium Fotografie gemacht wurden.“3
Die Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel für das von Adams entwicklte Zone-System und ist mit Sicherheit eines der Highlights der Sammlung SpallArt. (Christoph Fuchs)
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Ansel_Adams
2 https://de.wikipedia.org/wiki/RotErle
3 Beaumont und Nancy Newhall, Foreword, Ansel Adams. Portfolio VI, 1974 (übersetzt mit deepl.com), https://issuu.com/alexandrodiaz/docs/the_portfolios_of_ansel_adams__phot
Ansel Adams
geb. 1902 in San Francisco (US), gest. 1984 in Monterey (US) •
„Alders, Prairen Creek Beach, Northern California“, um 1949 Gelatinesilberabzug auf Karton, 39 × 49 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1511, © The Ansel Adams Publishing Rights Trust
1 Herbert Bayer, Visuelle Kommunikation, Architektur, Malerei. Das Werk des Künstlers in Europa und USA, Ravensburg 1967, S. 203.
2 Ebd., S. 10: „Die frühen Jahre am Bauhaus wurden das grundlegende Erlebnis für mein späteres Werk.“
3 Ebd.
4 Ebd., S. 11.
5 Ebd., S. 10.
Herbert Bayers Arbeiten stellen grundlegende Fragen zur Darstellungsweise – gegenständlich oder abstrakt – und führen über eine reine Wirklichkeitsdarstellung hinaus. Dem entspricht auch Bayers Ansicht, wonach ein Künstler „die Natur nicht nachahmen, sondern eine eigene geistige Welt neben der Natur erschaffen [soll]“.1 Herbert Bayers künstlerischer Ansatz rekurriert auf die 1920er Jahre und damit auf seine Zeit als Student und Lehrer am Bauhaus2 in Weimar und später in Dessau. Als angehender Künstler vertiefte er sich zunächst in Kandinskys Werk Über das Geistige in der Kunst und erlernte farbtheoretische Grundlagen in einem Vorkurs bei Johannes Itten. Er erfuhr dadurch Grundlegendes über die Struktur und den Aufbau von Formen und Farben.
Über stilistische Einflüsse der Bauhaus-Künstlerinnen und Künstler berichtet er: „Die meisten von uns erfüllte romantischer Expressionismus. Dadaismus entsprach unserer Ablehnung jeder geheiligten Ordnung. Die Arbeit der Stijl-Gruppe, anziehend in ihrer Reinheit, hatte kurzen formalistischen Einfluss. Der Konstruktivismus trug seinen Teil zum künstlerischen Aufruhr bei, aber die Welt der Maschinenproduktion mit den ihr eigenen Fakten und Funktionen bestimmte schon das Zukunftsbild.“3
Durch seine fotografischen Experimente, zu denen auch Fotomontagen zählten, fand Bayer einen Weg aus der rein abbildhaften Darstellung. Er setzte die Kamera als – wie er es nannte – „subjektives Gestaltungsmittel“4 ein. In den daraus resultierenden „dynamischen Konzepten“5 konnte der Künstler einen Gegenstand in einer „Vielzahl von Standpunkten“ darstellen. (Brigitte Reutner-Doneus, Lentos, Linz)
Herbert Bayer geb. 1900 in Haag am Hausruck (AT), gest. 1985 in Montecito (US)
• „In Search of Time Past“, 1959 (Abzug 1969) aus der Edition 10 fotomontagen 1929–1936, mappe 1 Fotocollage, Gelatinesilberabzug, 23 × 34 cm Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-1211, © Herbert Bayer Stiftung / Bildrecht Wien
Durch das Gestaltungsprinzip der rhythmischen Wiederholung der Baumstamm-Paare gelingt es Henry Gilpin, ein abstraktes Geflecht zu strukturieren. (Fritz Simak)
Henry Gilpin
geb. 1922 in Cleveland (US), gest. 2011
• Ohne Titel, 1987
Gelatinesilberabzug auf Karton, 39 × 50 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-268, © Henry Gilpin Estate
•
Ohne Titel, 1930er
Gelatinesilberabzug auf Karton, 23,5 × 17,3 cm
Max Baur
geb. 1898 in Günzburg (de), gest. 1988 in Aschau (de)
• Ohne Titel, 1930er
Gelatinesilberabzug auf Karton, 16 × 22 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-272 und S--2398, © Lichtbild-Archiv Max Baur
Eine besondere Position in der Ausstellung ist der österreichischen Fotografin Elfriede Mejchar zu ihrem 100. Geburtstag gewidmet. In der Sammlung SpallArt sind neben zahlreichen Bildern aus der bekannten Blumenserie auch eine Vielzahl an eher unbekannten Landschaftsaufnahmen und Baumstudien der Fotografin vereint. Besonders spannend ist die direkte Zusammenschau mit international bekannten „Meistern“ wie etwa Albert Renger-Patzsch, Aaron Siskind oder Harry Callahan, denen Mejchars Werk um nichts nachsteht.
Elfriede Mejchar wurde 1924 in Wien geboren. Sie wuchs in Niederösterreich auf und absolvierte in den Kriegsjahren eine Fotografinnenlehre in Norddeutschland. In den ersten Jahren nach Kriegsende kam sie zurück nach Österreich und fand eine Anstellung als Fotografin beim Bundesdenkmalamt. Im Auftrag des BDA war sie in ganz Österreich unterwegs, um Kulturdenkmäler und Industriebauten zu dokumentieren. Dabei entstanden neben den beauftragten tausenden Aufnahmen von Statuen, Kapellen, Kirchen, Eisenbahnbrücken, Fabriken, Backsteinbauten und verlassenen Hammerwerken auch unzählige Fotografien für ihre künstlerische Arbeit wie die Serien Hotel, Holzhütten, Vogelscheuchen, Telemasten und auch zahlreiche Landschaftsaufnahmen.
Der Kunsthistoriker und langjährige Wegbegleiter Fritz Simak schreibt: „Man muss schon Zeit investieren und Elfriede Mejchars Bilder konzentriert betrachten. Dann wird erkennbar, dass ihr gelingt, was zum Schwierigsten in der Fotografie gehört: nämlich die Dinge so darzustellen, dass der vermeintliche Widerspruch zwischen einer subjektiven Sichtweise eines Gegenstandes und dem Objekt an sich aufgehoben zu sein scheint – durch ihre völlig unprätentiöse und selbstverständliche Weise, Bilder zu erzeugen. Das gelingt nur mit langer Erfahrung, einem wohltrainierten Auge und mit virtuoser Beherrschung der technischen Möglichkeiten.“
Diesem lebenslangen Ringen um das richtige Abbild der Wirklichkeit verdanken wir ein fast unüberschaubares Œuvre, das neben vielem anderen auch eines ist: ein visuelles Inventar der österreichischen Provinz und damit, zwangsläufig, auch der österreichischen Seele. Elfriede Mejchar verstarb im Jahr 2020 und hinterließ ein sehr unfangreiches Werk mit weit mehr als 30.000 Aufnahmen. (Christoph Fuchs)
• Ausstellungsansicht, Verzweigt, Sammlung SpallArt Depot, Salzburg, 2024
geb. 1924 in Wien, gest. 2020 in Wien (AT)
• Ohne Titel, 1979-1980
Gelatinesilberabzug, 25,7 × 24 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2586, © Nachlass Elfriede Mejchar
1924 in Wien, gest. 2020 in Wien (AT)
• Ohne Titel, 1975
Gelatinesilberabzug, 26 × 35,3 cm
Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung
VERZWEIGT. Fotografie aus der Sammlung SpallArt
2. März bis 5. Oktober 2024 im Depot der Sammlung in Salzburg
Der Katalog ist eine zweite, erweiterte Auflage der Ausstellung in der Städtischen
Galerie Rosenheim (22. September bis 5. November 2023). Nähere Informationen und
Bilder der Ausstellung finden sich auf www.sammlung-spallart.at
Impressum
Herausgeber
Sammlung SpallArt
Jakob-Auer-Straße 8, 5020 Salzburg mail@sammlung-spallart.at www.sammlung-spallart.at
Konzeption, Redaktion und grafische Gestaltung
Christoph Fuchs
Lektorat
Melanie Gadringer
Druck und Bindung
Holzhausen, Wolkersdorf, Österreich
© 2024 Sammlung SpallArt und die Autor:innen
Die fotografische Arbeit Über allen Wipfeln ist Ruh’ zeigt verschiedene, in Transportnetzen verpackte Christbäume. Sie sind in Originalgröße vor weißem Hintergrund abgebildet. Der geschmückte und prächtig entfaltete Christbaum, Symbol eines der Familie gewidmeten Festes, ist hier zusammengepresst und weist in seiner Verlorenheit und Isolierung auf das Trügerische der Idylle hin. (Robert F. Hammerstiel)
Robert F. Hammerstiel
geb. 1957 in Pottschach (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT)
Über allen Wipfeln ist Ruh #7, 2000
C-Print auf Aluminium, 312 × 167 cm
Sammlung SpallArt, Inv. Nr. S-2454, © Robert F. Hammerstiel