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Dr. Michael Rosenberger
Gedanken zur Weihnacht
Jesu Armut spüren
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Hätte jemand vor einem Jahr die gegenwärtige Situation Europas und der Welt vorausgesagt, wäre er wahrscheinlich für verrückt erklärt worden. Der erbitterte und durch Russland immer weiter eskalierende Krieg in der Ukraine; die perfide Zerstörung ukrainischer Infrastruktur der Energie- und Wasserversorgung; die Blockade der Getreideausfuhren, die viele Millionen Menschen weltweit in den Hunger treibt; das Embargo der vertraglich zugesagten Energielieferungen nach Europa. Obwohl am östlichen Himmel unübersehbar dunkle Wolken standen, war eine derartige Zusammenballung von Aggression und Menschenverachtung nicht zu erkennen. Man weiß gegenwärtig ja gar nicht mehr, was die nächste Eskalationsstufe der Auseinandersetzung sein wird und ob man sich überhaupt noch auf irgendetwas verlassen kann.
Einschneidende Beschränkungen
Keine Frage also: Wir leben in bedrückenden und extrem herausfordernden Zeiten. Derart einschneidende Beschränkungen unseres täglichen Lebens haben die meisten wohl noch nie in ihrem Leben ertragen müssen. Wir müssen die Heiztemperatur herunterdrehen, um die Kosten in Grenzen zu halten und eine sogenannte „Mangellage“ der Energierohstoffe zu vermeiden. Wir müssen nicht nur für den Weihnachtsbraten, sondern für jeden Lebensmitteleinkauf deutlich mehr ausgeben und werden womöglich auch da manche Abstriche machen. Wir können uns womöglich weniger Weihnachtsgeschenke leisten als zuletzt und werden damit am Heiligen Abend ganz sichtbar spüren, dass die Zeiten schwerer geworden sind. Am schlimmsten ist jedoch die Unsicherheit, was noch kommen wird. Kommt es zu einer weiteren Eskalation des Ukrainekriegs, womöglich bis zum Einsatz von Atomwaffen? Werden vielleicht noch mehr Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns Schutz und Hilfe suchen? Wird die Inflation weiter in die Höhe schnellen, die unser Erspartes auffrisst und eine Kreditaufnahme verunmöglicht, weil die Zinsen steigen?
Voranschreitende Klimaerwärmung
All diese Fragen treiben uns um – und sind wahrlich gewaltig. Doch sollten wir nicht vergessen, dass das viel größere und langwierigere Problem ein anderes ist: Die unaufhaltsam voranschreitende Klimaerwärmung. Jahrzehnte haben wir die Klimakrise vor uns her geschoben und uns damit vertröstet, es bleibe ja noch genügend Zeit. Allen prophetischen Mahnungen zum Trotz haben wir die fossile Wirtschaft weiterbetrieben und so getan, als sei alles halb so schlimm. Jetzt aber wird die Zeit zur ökologischen Umkehr enorm knapp. Außerdem hängt unsere Energieabhängigkeit unmittelbar mit mangelndem Vorankommen beim Klimaschutz zusammen. Hätten wir schon auf 100 Prozent erneuerbare Energie umgestellt, könnten wir Putin eine lange Nase zeigen.
Das Kind liegt auf kratzigem Stroh
Was kann uns in dieser Krisenzeit die Weihnachtsbotschaft sagen? An Weihnachten schauen wir auf eine Familie, die bittere Not leidet. Die Geburt Jesu findet nicht in einer beheizten Wohnung statt, sondern im eiskalten Stall. Das Kind liegt nicht in einem komfortablen Bettchen, sondern auf kratzigem Stroh. Aber wir schauen nicht nur auf drei Menschen vor 2000 Jahren, sondern erblicken in ihnen zugleich die ungezählten Menschen, die heute rund um den Globus Not leiden. Die Ukraine ist ein Land, in dem viele dieser Menschen leben, aber bei wei-
Dr. Michael Rosenberger
» Die Geburt Jesu findet nicht in einer beheizten
Wohnung statt, sondern im eiskalten Stall. «
Adobe St ock / Foto: R. Gino Santa Maria