CLV-Schulblatt Ausgabe Juni 2020

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Schule zu Kriegsende

Schule zu Kriegsende: Das Jahr 1945 im Spiegel der Schulen Die Schulen standen in der Endphase des 2. Weltkriegs vor großen Herausforderungen: Schulsperren, Belegung durch Flüchtlinge, Requirierung als Lazarett.

A

us den fast bis zuletzt sorgfältig geführten Schul-Chroniken lässt sich ein gutes Bild der Umbruchszeit gewinnen. Am Beispiel einiger Schulen des Salzkammerguts – wo der Krieg am längsten dauerte – soll dies beleuchtet werden. Der Druck auf die Schule zu Beginn 1945 war sehr hoch. Die männlichen Lehrer wurden an der Front gebraucht und auf die gut eingerichteten Schulgebäude richteten sich längst Begehrlichkeiten, sie entweder für Lazarettzwecke oder zur Flüchtlingsunterbringung zu entfremden.

Schulsperre So wie 2020 gab es auch 1945 eine lange Schulsperre. Manche Schulen sperrten schon nach den bis 15. Jänner verlängerten Weihnachtsferien gar nicht erst wieder auf: „Mit 16. 1. wurde nebst vielen anderen Schulen auch die unsere geschlossen, um als Flüchtlingslager für Oberschlesi-

er eingerichtet zu werden“, schreibt der Schulleiter von St. Agatha. Die Maßnahme kam so überraschend, dass die bereits erschienen Kinder wieder nach Hause entlassen wurden und auf sich allein gestellt waren. Das war vermutlich die Ursache, warum sich dann diese Tragödie abspielte: „Am Morgen mussten wir die Schüler wieder heimschicken und zwei davon, Schiendorfer und Stieger ertranken einige Stunden nachher im See, sie waren im Eise eingebrochen.“ Auch die Mädchenhauptschule Goisern öffnete erst gar nicht wieder: „... Die Schule sollte mit ungarischen Flüchtlingen belegt werden. ... So blieb die Jugend ohne Unterricht. Wegen der fehlenden Räume war auch die Schaffung eines Notunterrichts schwierig...“. Kaum 14 Tage später verhängte der Gauleiter eine generelle Schulsperre auf unbefristete Zeit. Begründet wurde dies mit der Ersparnis an Heizmaterial und die Bereitstellung von Räumen für

Flüchtlinge. Erst jetzt wurde manchen im inneren Salzkammergut klar, dass der Krieg nun auch in die abgelegenen Täler eindrang: „So erfreulich es war, dass wir bisher in unserem Unterrichtsbetrieb von den Kriegsverhältnissen so wenig gestört worden waren, hatten wir doch zufol-

» Die Schule sollte mit ungarischen Flüchtlingen belegt werden. ... So blieb die Jugend ohne Unterricht. « ge unserer Entfernung nicht einmal alle Fliegeralarme wahrgenommen, so hat uns nun doch auch das Schicksal erreicht: Flüchtlingsströme aus dem Osten wälzen sich auf unseren Straßen, jede Ersparnis an Brennstoffen ist dringendst nötig geworden, so hat die Reichsstatthalterei die Schließung aller Schulen auf unbestimmte Zeit angeordnet.“ (VS Langwies). Die Lehrkräfte wurden den Parteidienststellen oder verschiedenen Verwaltungsangelegenheiten in der Gemeinde zugeordnet. Diese Vorgangsweise stieß auf verständlichen Unmut und gerade bei männlichen Lehrern auf die Sorge, noch eingezogen zu werden. Vorsorglich wurde das Heizmaterial konfisziert, weil man zu Recht fürchtete, sie würden entwendet.

Flüchtlingswelle

Auszug aus der Schulchronik von Obertraun 1945

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JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT

Eine nie gekannte Anzahl an Entwurzelten (später „displacedpersons“ genannt) überflutete Europa zu Ende des Krieges, die diejenige von 2015 weit in den Schatten stellte, die Herausforderungen waren ähnlich, zuerst die Einquartierung, dann die Versorgung und was die Kinder anbetraf, die Einschulung. „Nach der Verhängung der Schulsperre für alle Schulen wurde am 3. 2. die Knabenhauptschule als Auffanglager für 800 Flüchtlinge aus Schlesien, teils aus Galizien benutzt“ vermeldet die


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