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Baskische Beauty
Baskische Beau�y
Arcangues liegt nur einen Steinwurf von Biarritz entfernt. In dem kleinen Dorf steht das charmante Chambre d’hôtes Les Volets Bleus, voll und ganz erbaut im traditionellen Stil des Baskenlandes und von seinen französischen Besitzern herausgeputzt zu einer ausgesprochen reizvollen Oase der Ruhe.
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TEXT: MONIQUE VAN DER PAUW UND FABIAN TAKX FOTOGRAFIE: TON BOUWER PRODUKTION: COCO FEATURES
Linke Seite: In der Küche steht ein alter Metzgertisch mit Keramikschweinen und einer Käseglocke. Diese Seite: Das Chambre Melisse, Tomettes auf dem Fußboden, mit Kalkfarbe gestrichene Wände und ein Kleiderschrank aus farbigen Brettern, zwischen denen Stoff gespannt wurde.
Der Schein trügt. Das Haus oben am Hügel unweit der majestätischen Stadt Biarritz ist lange nicht so alt, wie es wirkt. Es beherbergt Les Volets Bleus (die blauen Fensterläden) und wurde nicht vor 150 Jahren für irgendeinen Adeligen aus der
Gegend errichtet, sondern Anfang des 21.
Jahrhunderts. Marie de Lapasse (65) und ihr Ehemann Christian (69) lieben den traditionellen
Baustil des französischen Baskenlandes so sehr, dass sie ihr neues Domizil danach gestalten ließen.
Und zwar bis ins Detail. Von überall her organisierten sie alte Baumaterialien und Ornamente, die sie im Gebäude integrierten, bis es ein echtes „Vintage-Haus" wurde. Vier Räume in dem großzügigen Bau sind Gästezimmer. Besucher dürfen auch das gemütliche Wohnzimmer, den großen
Garten voller Blumen und natürlich das herrliche
Schwimmbad nutzen. Im Baskenland kennt man diesen rustikalen Stil auch als Labourdine, nach der
Region, wo er zu finden ist. Man könnte es auch „Country Chic“ oder „Classique de charme“ nennen – aber das sind etwas allgemeinere
Begriffe. Die Eleganz und der raffinierte Charme sind scheinbar ein Markenzeichen einer gebildeten, stilbewussten Schicht Franzosen, als wäre es ihnen von Natur aus gegeben.
Expertin für Düfte Marie de Lapasse ist so jemand. In ihrem vorherigen Leben besaß sie fünf Parfümerien unter dem Namen Espace Parfum, somit liegt es ihr sozusagen im Blut, mit einem gewissen „je ne sai quoi“ ein unbestimmtes zartes Ambiente zu kreieren. Sie wurde in Toulouse geboren, der Hauptstadt von Okzitanien, einer Region, die sich gerne von Paris und Nordfrankreich abhebt und genau wie das Baskenland stolz ist auf die örtlichen Traditionen und Eigenständigkeit. Aber auch Biarritz kennt sie sehr gut, denn dort verbrachte sie in ihrer Jugend die Urlaube mit ihren Eltern. Die ehrwürdige „Grande Dame“ ist schon seit Jahr und Tag der Badeort des Baskenlandes schlechthin, mit der rauen See vor der Tür, prächtigen Gebäuden, Boulevards und exquisiten Restaurants. Obendrein sind auch Spanien und die Pyrenäen als „Garten“ um die Ecke. Auch Maries Mann schätzte die Gegend schon lange; so war der Entschluss >
Im Uhrzeigersinn: Schwimmbad im Garten. Marie de Lapasse, die Küche. Rechts: Stillleben in der Küche
Fensterläden wurden absichtlich schief angebracht, um dem Zahn der Zeit etwas nachzuhelfen.
Links die Küche Rechts: Alte Türen mit Fenstern führen zum Wohnzimmer.
leicht gefasst, nach Arcanques zu ziehen, einem Dorf mit knapp 3.000 Seelen. Dort fand Marie eine neue Mission: Les Volets Bleus.
Windschief Das Ehepaar beauftragte eine Architekten, den Neubau im traditionellen ländlichen Stil des französischen Baskenland zu entwerfen. Dabei nutzten sie so viel wie möglich alte Materialien, auf denen schon die Patina eines vorherigen Lebens schimmerte: zum Beispiel die Tomettes, die bekannten handgefertigten Terracotta-Fliesen, aber auch alte Türen und hölzerne Balken. Letztere bekamen ein neues Leben im Fachwerk an der Fassade, sie bilden jetzt jenes charakteristische Muster aus Balken zwischen weiß verputzen Mauern, wie es so oft in Südfrankreich vorkommt. Die blauen Fensterläden passen natürlich perfekt, auch wenn sie nach alten Vorbildern neu gefertigt wurden, genau wie die Rahmen der Fenster und Türen. Die Liebe zum Detail ging so weit, dass sie Lichtschalter aus Keramik aus Spanien importierten, weil neue Schalter in der alten Aufmachung in Frankreich nicht erhältlich waren. Alles sollte so authentisch wie möglich sein. Marie: „Wir haben sogar die Mauern so dick machen lassen, wie es früher üblich war.“ Teils arbeiteten sie mit raffinierten Tricks: Die Fensterläden wurden >
Linke Seite: Der offene Kamin mit dem hölzernen Sims, darüber ein altes Gemälde aus Familienbesitz. In der Tilleuilsuite: ein moderner Schreibtisch von AM.PM mit einem goldgerahmten Spiegel. Unten: eine Sammlung gläserner Karaffen.
Oben: So schön kann Schlafen bei offenem Fenster sein. Links: SchäfchenStillleben
absichtlich etwas schief angebracht, um dem „Zahn der Zeit“ ein wenig nachzuhelfen. Auch die Fliesen am Boden liegen ein wenig unregelmäßig, wie ein jahrhundertealtes Patchwork. Die Wände wurden nach traditionellen Methoden verputzt und mit Kalkfarbe getüncht, genau wie früher. „Wir haben während des gesamten Projektes mit fantastischen Handwerkern gearbeitet, echte leidenschaftliche Artisans mit viel Liebe zu ihrer Handwerkskunst und zu den alten Materialien und Techniken“, erzählt Marie.
Maßarbeit Marie de Lapasse ist eine charmante Frau mit ausgezeichnetem Geschmack und einem feinen Jagdinstinkt. Schon zwei Jahre vor dem Bau suchte sie nach besonderen alten oder antiken Gegenständen, die ins Haus passen könnten. „Als der Bau begann, war das Material schon vorhanden“, erinnert sie sich mit einem Lächeln. „Das war gut, denn so konnten wir die Mauern und die Rahmen auf Maß fertigen lassen. Die alten Türen zum Beispiel erfordern wirklich Maßarbeit. Die haben wir auch als Schranktüren in den Gästeräumen >
verwendet.“ Alte Luken wurden zu Schranktüren, eine riesige Tür, die einst einen Kühlraum verschloss, feierte ihr Comeback als Zugang zur Waschküche. Im Wohnzimmer steht ein alter Zapfhahn, der aus einer Kneipe stammt. „Jetzt dient er nur als Dekoration, aber er ist funktionsfähig, wir haben alle Leitungen legen lassen, bevor das Zimmer gebaut wurde.
Charmant und gemütlich Gäste werden den Komfort und das subtile Ambiente in den fünf großzügigen Zimmern genießen. Sie sind nach Pflanzen und Kräutern benannt, die sich im Garten finden: Verveine (Verbene), Artichaut (Artischoke), Mélisse, Tilleul (Linde), Amande (Mandel) und Piment (Chilipfeffer). Marie hat sie elegant eingerichtet, ganz „classique de charme“, wie sie es so liebt, mit Kalkfarbe in sanften Pastelltönen an den Wänden. Jeder Raum hat seine eigene Farbgebung. Die Möbel sind eine ausgewogene Mischung aus Alt und Neu, oft frisch bezogen oder neu lackiert. Kunst und andere Accessoires aus ihrem Familienbesitz verleihen dem Ganzen eine persönliche Note. Die Stoffe und Farben wurden sorgsam ausgewählt, so schläft man wie Gott in Frankreich auf weichen, kühlen Leinen unter komfortablen Deckbetten. Ein Tipp von Marie: „Wenn die Wände nicht weiß sein sollen, bedenke, an welcher Seite des Hauses der Raum liegt. An der Nordseite empfehle ich warme Farben wie Altrosa, Perlgrau, Beige oder Sahneweiß. Am besten matt, das hält das Licht besser fest.“ In derart gemütlichen Räumen möchte man am liebsten Tag und Nacht bleiben, aber das wäre doch etwas schade. Allein schon wegen des üppigen Gartens mit dem Schwimmbad unter der baskischen Sonne! Und selbst, wenn die Sonne einmal schwächelt, dann lädt das geräumige Wohnzimmer mit dem großen Sofa und dem offenen Kamin zum Entspannen ein. In diesem Zimmer, mit den baskischen Szenen und Landschaften an den Wänden, frühstücken die Gäste – sofern sie nicht die große Wohnküche bevorzugen. Ein wunderbarer Anfang für einen schönen Tag im Baskenland. ■
www.lesvoletbleus.fr
☛ Tipps von Marie
Lieblings Einrichtungsgeschäfte:
•Brocante Loko in Arcangues •Parme Antiquités, 9 rue Maysonnabe in Biarritz •O Plus dépôt vente, 10 allée de Samadet in Anglet •Cour Intérieure, Avenue Louis Mariano in Biarritz
Landhaus-Möbel:
•Brocante des Docks in Biarritz: letzter Sonntag im Monat •Brocante de Quintaou in Anglet: vierter Samstag im Monat
Oben: die rote antike Badewanne in der Tilleuilsuite. Oben rechts: Die Liebe zum Detail macht den Eindruck perfekt.