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Schlossleben in la Haute-Saône

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Schlossherrin Marie-France Smith nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise durch eine recht unbekannte Region Frankreichs: La Haute-Saône in Burgund-Franche-Comté. Eine charmante Begegnung mit Hügeln voller Burgen und Schlösser, in denen sie und ihre Freunde leben und arbeiten.

t A ls ich Marie-France in einem gut besuchten Hotel in Paris traf, erzählte sie mir, dass sie die Stille der Haute-Saône vermisse, einer Gegend, „an der selbst Franzosen vorbeifahren, weil sie kaum etwas darüber wissen“. Nicht, weil es nicht schön wäre. Sie beschrieb nahezu lyrisch die riesigen Wälder, die Hügellandschaft, das ungespritzte Gemüse und die enorm freundlichen Bewohner. Es ist das wohl am wenigsten bekannte Département dieser ohnehin dünn besiedelten Region von Burgund-FrancheOben: Comté. Die nahegelegenen Vogesen und das Marie-France Smith und ihr Mann Geoffrey; Juragebirge mit den hohen Bergen und den

Château de la Presle. Skigebieten werben die Touristen ab. Hier jedoch gibt es keine Industrie, keine Nachtclubs, nicht einmal eine Autobahn. Die größte Stadt Vesoul wurde zwar von Jacques Brel besungen, bekam aber erst vor kurzem bezahlte Parkplätze. Aber, was gibt es dann doch? Saubere Luft - und MarieFrance lud mich ein, diese zu schnuppern. Nach einer Fahrt durch dunkle Wälder, vorbei an verlassenen Weilern und Bauernhöfen mit verrammelten Fensterläden, leuchten die Fenster des Château de la Presle einladend hinter einem gusseisernen Tor auf. Es ist spät. Wir sind sogar zu müde für einen Tee und wollen einfach nur in der Stille und dem riesigen Bett mit den antiken, mit Spitzen besetzten Laken versinken. Am folgenden Morgen gehen wir vorsichtig die knarrenden, soeben gewachsten Holztreppen hinunter. Wir

fühlen uns wie in einem englischen Kostümfilm. Kein Zufall, denn Marie-France importierte jahrelang englische Antiquitäten nach Frankreich, daher ist ihr Haus voller Schränke mit englischem Porzellan und Gemälden mit typisch englischen Szenen. Sie „importierte“ auch ihren englischen Ehemann Geoffrey, der als Anwalt weltweit Opfer von mißlungenen Bauprojekten verteidigt. Wenn er zu Hause ist, serviert er den Gästen Tee und macht den Abwasch. „Die Dorfbewohner nennen ihn le Butler“, lacht sie, „oder le mari de la châtelaine (den Gatten der Schlossherrin)“. Die Scones sind ebenfalls englisch und Teil des burgwürdigen Frühstücks, zu dem auch Lachs, hausgemachter Joghurt und Saft von Äpfeln aus dem Garten, sechs Käsesorten und frische Croissants serviert werden. Unter der 250 Jahre alten Rotbuche kann man auch bei Regen zu Mittag essen, ohne nass zu werden. Es ist nur einer der vielen Reize des Parks, der uns umgibt. Begleitet von zwei Golden Retrievern erkunden wir den Rest: die Wanderwege, den Esel, den Gemüsegarten und die Nebengebäude einschließlich eines Ferienhauses. Marie-France und Geoffrey sind vor sieben Jahren hergezogen. Marie-France hatte ein Antiquitätengeschäft und einen Antiquitätenhandel in Paris und arbeitete zuvor in London und im Irak als Übersetzerin für die Vereinten Nationen. Aber sie wurde des Verkehrs in Paris müde, vermisste die Orte ihrer Kindheit und wollte in der Nähe ihrer Eltern leben. „Hier liegen meine Wurzeln. Von Paris aus, kamen wir oft für ein langes Wochenende her, um Rad zu fahren und im Fluss zu schwimmen. Wir hatten das Gefühl, zehn Tage weg gewesen zu sein, und waren immer sehr ausgeruht.“

Originaldetails Das Schloss war in einem schlechten Zustand, als sie es kauften, aber sie wurden von den originalen Türen, Treppen und Fliesen verführt. Nach 18 Monaten Renovierung war es wieder einladend, wie es jahrhundertelang gewesen war. Sie vermietet vier Zimmer und zwei Suiten, die so geschmackvoll eingerichtet sind, dass man sie kaum verlassen möchte. Ein Sekretär am Fenster mit Blick auf die hohen Bäume im Park verstärkt das Jane-AustenGefühl, das sich immer wieder einstellt. MarieFrance’ autodidaktischer künstlerischer Einsatz – sie absolvierte nur einen kurzen InnenarchitekturKurs in Mailand – wurde belohnt: Die Zeitung Le Figaro führte ihre Zimmer in der Liste der 200 besten Chambres d’hôtes in Frankreich auf.

Die Haute-Saône zu entdecken bedeutet, stundenlang zu fahren und zu wandern und Augen und Gedanken im Grünen schweifen zu lassen. Hier sollen die meisten Wälder in Frankreich liegen. Sie wechseln sich mit Hügeln voller Sonnenblumen und Kühen ab. Bisweilen unterbricht ein kleines Dorf das Grün. Passanten studieren neugierig unser Nummernschild. Ein Bauer treibt in aller Seelenruhe seine Kühe durch die Hauptstraße. >

Reitausflug über das Plateau de Mille Etang, einem rauen Naturgebiet. Die malerischen Dörfer in der Haute Saône sind alles andere als überlaufen. Rechts: Ferienwohnung im Park des Château de la Presle.

„Hier hat sich seit 50 Jahren nichts geändert“, sagt Marie-France, die mit dem Bauern schwatzt. „Menschen nehmen sich Zeit für einander und sehen Touristen nicht nur als Einnahmequelle. Ein Bauer ist glücklich, wenn man auf seinem Land spaziert. Er wird sich sofort nähern und ein Gespräch beginnen, wo ein Bauer in England wahrscheinlich laut würde; und in touristischeren Regionen in Frankreich ist fast alles auf dem Land eingezäunt.“ Fast jedes Dorf hier hat eine eigene Burg oder. Schloss. Einer ihrer Favoriten ist das mittelalterliche Schloss Ray-sur-Saône in dem Dorf, in dem sie die Sommer ihrer Kindheit mit ihren Großeltern verbrachte. Hier spielte sie mit den Schlosskindern in den Gärten und Küchen, „wo

Mäuse über den Tisch liefen“. Jetzt lebt dort eine 75-jährige Baronin, die sie von Zeit zu Zeit besucht. „Es war jahrhundertelang in derselben Familie, aber sie hat keine Nachkommen. Wir haben Angst, in wessen Hände es nach ihrem Tod fallen wird. Die Reparatur des Daches allein schon kostet 300.000 Euro. Wer kann sich das leisten?“

Trödel - Café Wir trinken einen Kaffee mit ihren Freunden Corinne und Peter Egli, die 2006 ein Schloss im Dorf Colombier gekauft haben. Er war viele Jahre als Berater in Entwicklungsländern tätig. Sie beschlossen, nicht auf ihre Pensionierung zu warten und tauschten Afrika gegen ein Schloss in Frankreich. Als die einzige Kneipe im Dorf schloss, übernahmen sie die Schanklizenz und eröffneten eine Bar im ehemaligen Haus des Gärtners. Da sie selbst süchtig nach Flohmärkten sind und ihr eigenes Zuhause sich mehr und mehr füllte, beschlossen sie, das Café auch als Trödelladen einzurichten. So kann man den Löffel des Kaffees, den man gerade bestellt hat, ebenso kaufen wie den Tisch, an dem man sitzt. Peter: „Alle unsere Funde stammen aus der Zeit vor 1960. Es ist keine einfache Zeit, Flohmärkte zu besuchen, da die steigenden Verkäufe über das Internet die Märkte ein wenig ruiniert haben. Aber zum Glück sind wir gute Schatzgräber.“ Sie genießen die Natur, obwohl Corinne sich manchmal nach einer Hütte in Afrika sehnt. Sie formuliert es diplomatisch. „Im Winter ist es hier ruhig. Die Menschen leben oft seit Generationen im selben Dorf, deshalb haben sie >

Oben: Esel im Park vom Château de la Presle. Rechts: Mit Wagen und Karren bei einem Reitausflug.

eine andere Mentalität als wir, weil wir so lange im Ausland gelebt haben. Es fällt auf, dass fast jeder, der hier unternehmerisch ist, eine Weile außerhalb Frankreichs war. Es macht dich zu einer anderen Art von Person.“

Geheimtipps der Schlossherrin Michel Leimgruber kommt auf ein Glas herein. „Ah, da ist Père Noël“ (der Weihnachtsmann), lacht Marie-France. Er wohnt um die Ecke und ist Schreiner. Seine Werkstatt und sein Geschäft lassen in der Tat Kinderherzen höher schlagen. Es ist voll von Autos und Pferden aller Größen, fröhlich gestrichenen Stühlen und Tischen, aber auch Klobrillen und Bilderrahmen. Er scherzt: „In la Haute-Saône lebst du länger, weil die Leute fünfzig Jahre zurückliegen. Deshalb mag ich es hier so sehr.“ Seine vier Kinder zogen in den Süden, weil sie es für zu ruhig hielten, aber zwei kehrten bald zurück, weil „es zu heiß und zu trocken war und die Menschen zu kühl“. Marie-France empfiehlt den Gästen alle diese besonderen Adressen. Auch in ihrer Rolle als Finanzberaterin der Gemeinde und als Vizepräsidentin von Gites de France in Burgund-FrancheCompté wirbst sie mit leidenschaftlicher Überzeugung für den Charme ihrer Region. „Einige finden mich exzentrisch, weil ich den Tourismus fördern möchte. Ich wollte einen Kredit bei der Bank beantragen, damit meine Zimmer Touristen anziehen. Die erste Mitarbeiterin, mit der ich sprach, hat mich ausgelacht. Sie selbst machte ausschließlich Urlaub an der Côte d’Azur. Deshalb fand sie meinen Plan sehr seltsam. Glücklicherweise erkannte die zweite Bank die Bedeutung und

lieh mir 12.000 Euro. Die Leute wollen nicht mehr einen einzigen fernen Urlaub pro Jahr machen, sondern ab und zu ein paar Tage nicht allzu weit weg fahren. Sie sehnen sich nach Natur, Radfahren, Wandern und einem Schloss für ein paar Nächte. La Haute-Saône hat noch nicht den gleichen magischen Klang wie die Provence, der die Augen der Menschen zum Leuchten bringt, aber eines Tages wird es passieren.“ Kein Mangel an Begeisterung. Sie strahlt eine Art Urkraft aus. „Da mein Mann zwei Wochen im Monat am anderen Ende der Welt ist, mache ich viel alleine. Wenn der Kessel in einem Haus voller Gäste kaputt ist, muss man sich eben allein behelfen.“

Ruhe als Reiz Am nächsten Tag treffen wir den Maler und Bildhauer Marblo, der in seinem Château de la Hussardiere ein Atelier hat und Zimmer vermietet. Er stellt im renommierten Grand Palais in Paris und in Museen in Spanien aus, wo er nach einem wilden Start ins Künstlerleben in Montparnasse und Südfrankreich viele Jahre verbracht hat. Seine Frau Sylviane renovierte das Schloss, von dem ein Teil aus dem 14. Jahrhundert stammt. Jetzt warten drei Gästezimmer auf Touristen. Sie sind mit Antiquitäten eingerichtet und Marblos Gemälde zieren die Wände. Er ist froh, wieder in seiner Heimat zu sein. „Ich brauche keine Sonne, sondern Wiesen mit Kühen und ausgedehnten Wälder, in denen ich Pilze sammeln kann. Zweimal am Tag mache ich einen Spaziergang auf unserem Gelände und beobachte, wie sich die Jahreszeiten ändern. Ich sehe, wie die Vögel in der frisch gepflügten Erde picken. Ich grüße die Schlangen und Rebhühner

„Ich grüße die Schlangen und die Rebhühner und schätze mich glücklich, an dem schönsten Ort Frankreichs zu leben.“

und schätze mich glücklich, an dem schönsten Ort Frankreichs zu leben.“ Am letzten Abend kocht Marie-France für uns; auf dem Tisch eine antike Tischdecke, Kristallgläser und uraltes Silber. Im Hintergrund erklingt Bach. Sie kocht mit derselben Leidenschaft, mit der sie ihr Schloss eingerichtet hat. Ihre Rezepte stehen auch in einem Buch über die 100 besten Köche in Burgund-Franche-Comté. „Ich koche seit langem Table d’hôte für Familie und Freunde. Jetzt mache ich es auch beruflich.“ Auf dem Tisch kommt eine Zander-Mousse, ein Fisch, der in Frankreich nur von professionellen Fischern gefangen werden darf, gefolgt von hausgemachter Foie Gras mit Trüffel und Apfelkuchen mit Trüffeleis. Erst am Tag selbst entscheidet sie, was sie kochen wird. „Ich koche genauso, wie ich mein Haus einrichte und Klavier spiele: mit Liebe und Intuition. Ich schaffe es nicht, klassische Stücke perfekt einzustudieren, aber ich improvisiere dafür ein bisschen jazzig.“ Am späten Abend erwartet sie ein Hochzeitspaar. Sobald die anderen Gäste zu Bett gegangen sind, wird sie Rosenblätter auf die Treppe streuen. Sie kühlt Champagner und am Morgen werden sie einen separaten Tisch mit weiteren Überraschungen bekommen. Sie dürfen so spät frühstücken, wie sie möchten, „auch wenn es um drei Uhr nachmittags ist!“ Als wir ihr sagen, wie sehr sie uns mit dem Essen und auch den guten Weinen verwöhnt hat, die sie übrigens all ihren Gästen serviert, wehrt sie ab. Sie ist genauso unaufdringlich wie die von ihr so geliebte Region, die sich genau deshalb so sehr zu besuchen lohnt.

* TEXT CATHELIJNE VAN VLIET

FOTOS GABRIELA HENGEVELD

Tipps & Adressen

Unternehmen ☛ Der Hauptort des Départements ist Vesoul (15.000 Einwohner). Andere größere Städte sind Lure, Grey und Luxeuil-les-Bains. Besonders das alte Luxeuil ist mit seinen heilenden Quellen, seiner Abtei und seiner Vergangenheit der Spitzenherstellung einen Besuch wert. Das älteste Thermalbad Frankreichs wurde im 18. Jahrhundert erbaut. Das modern eingerichtete historische Thermalgebäude liegt schön in einem Park. Es finden Sommermärkte mit lokalen Produzenten, Musik und Tischen voller Lebensmittel statt. www.luxeuil.fr

☛ Hausboot ohne Bootsschein Ohne Bootsschein oder große Erfahrung kann man den Fluss Saône befahren (130 km lang). Voll ausgestattete Boote für 2-12 Personen ab 1.000/Woche. www.leboat.de/hausbooturlaub/ frankreich/burgund

☛ Jardin Aquatique in Autoreille Schöner Wassergarten von 2 Hektar wie ein Stück Asien in Frankreich. Es erwarten Sie romantische Spaziergänge an Teichen umgeben von Bambus, Wasserfällen und Bänken. Eintritt 7,50. www.jardin-aquatique-acorus.fr

☛ Kirschen essen Die Region hat das Schutzsiegel AOC (Appellation d’Origine Contrôlée) für kleine Kirschen. Eingetaucht in Likör werden sie Griottines genannt und schmecken hervorragend zu Kuchen und auch Fleischgerichten. Im L’institutGriottines können Sie feine kulinarische Souvenirs mit Griottines als Basis kaufen, aber auch Wein, Pralinen aus bester beste Schokolade, Macarons und Foie Gras. In der Nähe liegt ein Museum über die Herstellung von Kirschen. L’Institut-Griottines, 43, Avenue Claude Peureux, Fougerolles, www.distilleriespeureux.com

☛ Café-brocante du

Château de Colombier

11, Rue du Château, Colombier, www.cafe-brocante.fr Geöffnet Freitag bis Sonntag 16.00-21.00 h.

☛ Holzkünstler Mic’Jouebois

(Michel Leimgruber)

20, Rue du Château, Colombier, www.mic-jouebois.com

☛ Bisons beobachten beim

Château de Presle in Breurey les Faverney

Reservierungen unter www.bisons-elevage.com

Übernachten ☛ Château de la Presle Drei Doppelzimmer, zwei Suiten und ein Ferienhaus für bis zu sechs Personen, fantastisch eingerichtet und praktisch mit schnellem Internet, Minibar, Wasserkocher und Fernseher. Billardzimmer und Hammam. DZ ab 115, Ferienhaus ab 450 / Woche und ein unvergessliches Abendessen für 50 (Menü inkl. Aperitif, halber Flasche Wein, Tee/Kaffee und Käseteller). MarieFrance organisiert auch Themenwochenenden zu Trüffel, Foie Gras und französischer Küche. 3, rue Louis Pergaud, Breurey les Faverney, +33 3 84914170, www.chateaudelapresle.com resa@chateaudelapresle.com ☛ Château de La Hussardière Drei schöne Räume im Schloss des französischen Künstlers Marblo, der auch für seine Gäste in der Küche kreiert. DZ ab 90. 1, route de Roche, Vaite, +33 3 84316469, http://chateau-de-la-hussardiere. franche-comte-hotels.com

☛ Cabanes des Grands Lacs Auf einem 150 Hektar großen Gelände mit 5 Seen können Sie in 21 Cabanes in Bäumen und auf einem See übernachten. Letzteres erreichen Sie mit dem Ruderboot. Das höchste Baumhaus liegt auf einer Höhe von 12 Metern und ist mit Leiter und Seilbahn erreichbar. Für weniger sportliche Gäste gibt es auch eine Eiche in 5 Metern Höhe mit einer Treppe. DZ ab 145/Nacht. Chassez les Montbozon, www.cabanesdesgrandslacs.com

Essen ☛ Hôtel-restaurant

Château de Rigny

Schon vor 50 Jahren aß Marie-France als Kind in diesem Schloss die herrlichsten Gerichte. Das Château de Rigny bietet eine authentische hochwertige Küche, die saisonal zubereitet wird. Man kann auch in mit Antiquitäten dekorierten Zimmern übernachten. Zimmer 3 hat ein Bett aus dem 18. Jahrhundert. Schwimmbad. DZ ab 150/Nacht, Menü ab 35. 70, rue des Epoux Blanchot, Rigny, +33 3 84652501, www.chateau-de-rigny.com.

Weitere Informationen ☛ www.bourgognefranchecomte.com ☛ www.destination70.com

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