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PECORINO AUS PIENZA

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LA LINGUA ITALIANA

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Pienza Pienza

Wo Geschichte und Käse verschmelzen

Pienza ist ein bezaubernder Flecken in der Toskana. Auch wenn das Städtchen nur 2000 Einwohner zählt, so besitzen diese doch das Privileg in einer alten Stadt voller Geschichte zu leben, die seit 1996 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört. Zugleich ist Pienza die Heimat eine der beliebtesten Käsesorten Italiens.

TEXT UND FOTOS JESPER STORGAARD JENSEN

In der Umgebung des Val d’Orcia lebt der romantische toskanische Traum. Wo auch immer man hinsieht, verleihen liebliche Hügel und lange Reihen von Zypressen der Toskana einen sanften Anstrich. Die Region ist außerdem für ihre überbordende Vielfalt an Spezialitäten bekannt- Angefangen bei Rezepten aus der Gegend über Wein bis hin zu diversen Käsesorten. Städte wie Siena, Pienza, Montalcino und Montepulciano verführen an jeder Ecke mit ihren Düften und Aromen. Man denke nur an die berühmten Rotweine, den Brunello aus Montalcino oder den Vino Nobile aus Montepulciano. Doch wie wir alle wissen, gewinnt ein guter Wein durch die Gesellschaft eines geeigneten Käses noch weiter an Qualität. Aus diesem Grunde auch sollte Pienza ganz obern auf der Liste eines jeden Toskanaurlaubers stehen. Wegen seiner Geschichte und der Architektur darf man den Ort nicht verpassen - und den Käse halten viele für den leckersten des ganzen Landes.

Historische Wurzeln

Der Pecorino di Pienza ist ein Schafskäse mit historischen Wurzeln. Manche behaupten gar, dass es sich um einen der ältesten Schafskäse der Welt handelt. Schon die Römer und vor ihnen die Etrusker haben Pecorino hergestellt und konsumiert. Getreu historischer Gastronomiebücher war der florentinische Edelmann Lorenzo de’ Medici (14491492) so verrückt nach Pecorino, dass er aus Florenz bis nach Pienza gereist ist, um den schmackhaften Käse zu ergattern. �ber den Pecorino kursieren zahlreiche Anekdoten, darunter eine Geschichte aus unserer Zeit, die Sardinien mit der Toskana verbindet. Vor rund 50 bis 60 Jahren war das Val d’Orcia noch nicht so angesagt wie heute. Viel mehr war es eine bäuerliche Gegend, in der nicht allzu viele Menschen leben wollten. Seinerzeit auch haben viele Bauern auf Sardinien beschlossen, ihre Höfe zu verlassen. Aus diesem Grunde hat der italienische Staat den Sardiniern riesige Grundstücke in der Toskana zu sehr vorteilhaften Preisen angeboten. Viele von ihnen sind auf dieses Angebot eingegangen, um ihre Zelte fortan in der Toskana aufzuschlagen - mit Hunderten Schafen im Schlepptau.

Der Pecorino wird nicht zusätzlich gewürzt. Das intensive Aroma des Käses entsteht auf vollständig natürliche Weise.

Um Historie und Qualität des Pecorino di Pienza vollständig zu ergründen, beschließe ich die Fattoria Buca Nuova am Rande von Pienza zu besuchen. Der Betrieb existiert seit 1966, als Pietrino Cugusi und seine Frau Mulas Maria Antonia aus Sardinien in die Toskana übergesiedelt sind. Heute ist Pietrinos Sohn Emilio einer der Direktoren. Direkt nach der Begrüßung beginnen wir mit unserem Rundgang durch den Betrieb. „Schon seit Mitte des 20. Jh. haben Bauern aus der Region hier Pecorino produziert, doch sie hatten meist nur kleine Schafsherden“, erzählt Cugusi. „Sie grasten auf Land, das sonst vernachlässigt worden wäre. Langsam aber sicher wurden die Herden größer. So wurde die Produktion immer wichtiger und die Märkte in In-, und später auch im Ausland fragten immer größere Mengen von einem hochqualitativen Produkt nach.“ Gruß aus Sardinien

Die sardischen Ursprünge sind immer noch in der Produktion des Pecorino vorhanden. So kommen ausschließlich sardische Schafrassen zum Einsatz, die sich erheblich von den toskanischen unterscheiden. Nur so wahrt der Käse seine besonderen Eigenschaften.“ Dabei werden dem Käse keinerlei Gewürze hinzugefügt. Das intensive Aroma entsteht auf natürliche Weise. „Ich sage meist, dass er einen ganz spezifischen, runden Geschmack besitzt“, so Cugusi. Als wir uns durch die Produktionsstätte bewegen, hält der Gastgeber mehrmals, um einige Käselaibe in verschiedenen Reisezuständen zu zeigen. „Dieser orangene Pecorino lagert jetzt seit 45 Tagen. Die Farbe entsteht durch die Art der Behandlung der Außenschicht, denn der Käse wird mit einer Mischung aus Tomaten und Olivenöl eingerieben. Dies verleiht dem Käse einen natürlichen Schutz.“ Andere Pecorinosorten sind von einer schwarzen Kruste umgeben oder in ein Bett aus Blättern eingefasst, wie man in den Käsegeschäften Pienzas beobachten kann. Dann gibt es da noch einen Pecorino, dessen Kruste aus Traubenrückstän-

Aufschlagseite: Verkostung des Pecorino, rechts: die Piazza Pio II in Pienza. Links: Gasse in Pienza. Diese Seite: Pecorino mit Trüffeln, unten: Pecorino im Aschemantel.

TIPPS

Wo kauft man Pecorino in Pienza?

1. La Taverna del Pecorino,

Via Condotti 1 2. Antichi Sapori di Pienza,

Corso Il Rossellino 29-31 3. Monaci Remo Srl Olio

Extra Vergine,

Via T. Niccolò Piccolomini 2 4.Nannetti & Bernardini,

Corso Il Rossellino 81 5. La Bottega Del Naturista,

Corso Il Rossellino 16 den besteht. Dies verleiht dem Endprodukt angenehme Weinnoten. „Wie man sieht, gibt es Pecorinos in unterschiedlichen Formaten. Ein klassischer Pecorino wiegt 1,5 Kilo, aber es gibt auch welche, die sechs Kilo wiegen. Der Käse reift standardmäßig anderthalb Monate, doch unser Pecorino Gran Riserva als Spitzenprodukt benötigt zwischen 18 und 24 Monaten“, verrät Cugusi. Auf einigen Käselaiben ist Schimmel zu sehen. Doch wie Cagusi erklärt, braucht man sich darüber keine Gedanken zu machen: „Der Schimmel ist eigentlich ein gutes Zeichen. Den bekommt man, wenn man den Käse nicht mir chemischen Mittelchen behandelt, sondern der Reifeprozess auf natürliche Weise abläuft. Den Schimmel kann man leicht abwaschen.“

3000 Schafe

Der Pecorino also ist ein wahrlich außergewöhnlicher Käse. Das gilt auch für den gesamten Herstellungsprozess, der im Vergleich zu kommerziell hergestellten Produkten durchaus in bescheidenem Rahmen abläuft. Während viele andere italienische Käsesorten durch das EU-Zertifikat DOP (Denominazione di Origine Protetta) geschützt sind, ist dies beim Pecorino di Pienza nicht der Fall. Das bedeutet zugleich, dass es sich beim Pecorino uit Pienza nicht um eine geschützte Marke handelt, wodurch die Gefahr minderwertiger Plagiate besteht. Rund um Pienza existieren lediglich etwa 20 Betriebe, die echten Pecorino produzieren. Hierfür wird die Milch der bescheidenen Zahl von nur 3000 Schafen verwendet. Wenn die gesamte Produktion dessen, was unter dem Namen „Pecorino di Pienza“ verkauft wird, echt wäre, wären allerdings statt 3000 eher 100.000 Schafe vonnöten. Dies zumindest haben Experten berechnet. Nur eines von vielen Problemen sind die aus Frankreich importierten Schafe, die einige Bauern in den zurückliegenden Jahren verwendet haben. Anstelle von einem Liter Milch, was der durchschnittlichen Menge eines sardischen Schafes entspricht, können die französischen Pendants bis zu drei Liter Milch pro Tag geben. Hierdurch kann man mehr Käse herstellen, doch es gibt ein „aber“: der Geschmack des Endprodukts ist weniger gut, als der des Originals. Dies können Besucher am Corso in Pienza überprüfen, wo es viele Fachgeschäfte gibt. Wer vor der Türe steht, dürfte der Versuchung kaum widerstehen können, hineinzugehen. Es duftet verführerisch nach Pecorino und überall werden Stücke zum Probieren angeboten, mit deren Hilfe man Erfahrungen sammeln kann. Und noch etwas zum Abschluss: Wer Pienza am ersten Sonntag des September besucht, kann dort am alljährlich ausgetragenen Geschicklichkeitswettbewerb „Il gioco del cacio al fuso“ teilnehmen. Ziel ist es, einen Pecorino sah nah wie möglich an einen Pfahl zu rollen. Es findet im Ortskern auf der Piazza Pio II statt und es ein wichtiges folkloristisches Ereignis in Pienza. An diesem Tag gehen Freude und eine leichte Verrücktheit Hand in Hand. Eine ideale Kombination, um Pienza richtig kennen zu lernen. •

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