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DIE GÄRTEN VON PALERMO
Palermo Der liebliche Frühling von
Die Villa Giulia und der Botanische Garten sind herrlich im Frühjahr. Neben den Wundern der Natur gibt es Anekdoten über verliebte Schriftsteller zu hören. Wer mag, kann sich zudem mit Tricks zur Bewahrung des historischen Erbguts vertraut machen. Das Italien Magazin war vor Ort.
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TEXT UND FOTOS JESPER STORGAARD JENSEN
Man kann sich kaum etwas so bezauberendes vorstellen, wie den Frühling auf Sizilien. Die Luft ist mild, die Sonne noch nicht so intensiv und überall duftet es nach Frühling. In Palermo kommen die Wunder der Natur am besten in den beiden historischen Parks zum Ausdruck: Der Villa Giulia und dem Botanische Garten. Dort muss man hin, wenn man verstehen möchte, was der chilenische Dichter Pablo Neruda einst mit den folgenden Worten beschrieben hat: „Selbst wenn man alle Blumen stutzt, wird man den Frühling nicht aufhalten können.“
Die Villa Giulia Spaß für Städter
Im Jahre 1777 hat der Senat von Palermo nach einem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Ideen den Architekten Nicolò Palma beauftragt, den ersten öffentlichen Park der Stadt anzulegen. Nicht weit entfernt vom Meer, mit als wichtigster Aufgabe, den Städtern Vergnügen zu bieten. Die geradlinige Villa orientiert sich an einem klassisch geometrischen Entwurf. Sie ist aufgeteilt in acht Bereiche, die eine Piazza umschließen. Dabei ist sie von einem eisernen Zaun umgeben. Benannt ist sie nach Giulia d’Avalos, der Frau des damaligen königlichen Statthalters Marcantonio Colonna. Das Herz der Villa wird von vier Exedren (halbrunde Nischen) im pompejanischen Stil bestimmt, die der Architekt Giuseppe Damiani Almeyda entworfen hat. Wer sie betritt, blickt auf außergewöhnlich kunstvoll dekorierte Kuppeln. Es ist ein romantischer Flecken, wo sich Paare niederlassen, um die farbenfrohe Opulenz der Umgebung zu genießen. Aber man kann die Villa Giulia auch genießen, ohne ein romantisch veranlagtes Paar zu sein. Während seiner Italienischen Reise 1786 hat auch Johann Wolfgang von Goethe die Villa Giulia aufgesucht - und zwar ganz alleine. Er saß im Schatten zwischen den frisch gepflanzten Zitrusbäumen und hat Homer gelesen. Goethe mochte die Villa Giulia sehr und bezeichnete sie als „schönsten Flecken auf Erden“. Ein weiteres wichtiges Element in der
Goethe saß im Schatten zwischen den neu gepflanzten Zitrusbäumen und hat Homer gelesen. Er liebte die Villa Giulia und nannte sie den „schönsten Flecken auf Erden“
Villa ist die zwölfseitige Dodekaeder-Uhr, die an jeder Seite eine Sonnenuhr hat, die der Mathematiker Lorenzo Federici entworfen hat. Die Skulptur steht inmitten eines runden Brunnens und wird von einem gebückten jungen Mann getragen. Früher haben vor allem Familien mit Kindern die Villa Giulia aufgesucht. Man konnte Räder mieten, ein Eis kaufen und einen alten Löwen begutachten, der auf den Spitznamen Ciccio hörte und der in einem kleinen, eher traurigen Käfig gegenüber des Eingangs an der Via Lincoln lebte. Der Löwe ist lange fort, doch in der Erinnerung der Palermer lebt er bis heute fort. Wer hier umherläuft, muss Goethe zustimmen. Es ist ein zauberhafter Garten mit zahllosen idyllischen Flecken. Zu gegebener Zeit im Juli sind viele der Spazierwege fast vollständig von einem feuerroten Dach überspannt. Es sind >
Aufschlagseite und diese Seite: Idyllische Orte in den Gärten der Villa Giulia.
TIPPS
• Villa Giulia
Via Lincoln/Foro Italico Öffnungszeiten: täglich 8-20 Uhr Eintritt: kostenlos
• Orto Botanico
Via Lincoln 2 Öffnungszeiten: täglich 9-19 Uhr Erwachsene € 6, Kinder € 3 ortobotanico.unipa.it die Blüten des Brachychiton acerifolius, auch Flammenbaum genannt. An einer Ecke der Villa können Besucher in den Botanischen Garten von Palermo wechseln, den man nicht verpassen darf, wenn man die Schönheit der Natur mag.
Der Botanische Garten Pflanzenstudien in exotischen Sphären
Mit der Anlage des Orto Botanico von Palermo wurde 1779 begonnen, 1795 war er fertig. Das macht ihn zu einem der ältesten öffentlich zugänglichen Gärten für botanische Studien in ganz Europa. Die Universität der Königlichen Akademie benötigte während der Ägide von König Francesco I. mehr Platz für ihre Forschung, also bekam sie 1786 direkt neben der Villa Giulia zehn Hektar für diese Zwecke zugewiesen. Es war der französische Architekt Léon Dufourny, der mit dem Bau angefangen hat, ehe ihn sein italienischer Kollege Giuseppe Venanzio Marvuglia abgelöst hat. Beide gemeinsam zeichneten auch für einige neoklassizistische Gebäude verantwortlich. Schon seit seinen Kinderschuhen war der Garten Schauplatz bedeutender wissenschaftlicher Studien zu vielen Pflanzenspezies vor allem aus den Subtropen und Tropen. So darf die Einführung und Verbreitung sowohl der Mandarine wie auch der Mispel nach Europa den Forschern aus Palermo zugeschrieben werden. Hinzu kommt der Anbau von Nutzpflanzen wie Baumwolle, Soja, Ramie und der süßlichen Sorghumhirse
im Botanischen Garten von Palermo. Dabei war der Garten mehrmals Gegenstand großflächiger Zerstörungen. 1892 etwa während des Aufstands der Bourbonen, als Zehntausende royalistische Soldaten das Areal elf Tage lang besetzten, wobei sie viele Pflanzen zerstörten - ebenso wie 18.000 Blumentöpfe. Eine weitere kuriose Episode datiert auf das Jahr 1946, als sich der Stadtrat in den Kopf gesetzt hatte, eine breite Straße durch den Garten zu ziehen, wodurch die wissenschaftliche Arbeit vierer universitärer Institute in Gefahr gebracht wurde. Der damalige Direktor des Garten, Francesco Bruno, fürchtete gar um den Fortbestand. Er führte eine langwierige Kampagne, ohne jedoch das gewünschte Resultat zu erreichen. Also traf er die drastische Entscheidung, mitten in der Nacht mithilfe viele Gärtner die Ruine einer Kirche aus dem 15. Jh. aus einem benachbarten Park auf die geplante Trasse zu bringen. Die Arbeit wurde in einer Nacht verrichtet, wodurch sich die zustände Behörde veranlasst sah, die Pläne für die neue Straße zu beerdigen. Die alte Kirche durfte schließlich nicht abgerissen werden. Anstelle einer geschäftigen Straße zieht sich daher eine breite Allee durch den Park, die Viale Francesco Bruno. Noch immer führt die Universität von Palermo hier wichtige botanischen Forschungsarbeiten durch, wobei das Institut inzwischen über eine ansehnliche Bibliothek verfügt, deren Herz aus einer Sammlung von mehr als 1000 alten Publikationen zu botanischen Fragen besteht. Außerdem verfügt sie über eine Bank mit den Samen aller erdenklicher vom Aussterben bedrohten Pflanzen. Ebenso wie die Villa Guilia besitzt auch der Botanische Garten eine angenehm exotische Atmosphäre und viele versteckte Ecken, malerischen Alleen sowie Tausenden Pflanzen und Bäumen. Die größte Attraktion ist der Ficus magnolioides, eine gigantische Feige mit einem Blätterdach, das sich über mehr als 1000 Quadratmeter erstreckt. Damit ist es das größte seiner Art in ganz Europa. Wer die Villa Giulia und den Botanischen Garten besucht hat, dürfte den französischen Schriftsteller Victor Hugo verstehen, der da behauptet hat: „In meinem Kopf mag es Winter sein. Doch in meinem Herzen herrscht immerzu Frühling.“ •
Links: Botanische Safari. Unten: Seerosen, andere Wasserpflanzen und der größte Feigenbaum Europas.