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ZU VERKAUFEN! VILLA MIT CARAVAGGIO

Der historische Reichtum der

Villa Ludovisi

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Die letzte Adelsvilla im Zentrum Roms kommt unter den Hammer. Die Prinzessin von Boncompagni Ludovisi öffnet zum letzten Male und exklusiv für das Italien Magazin die Pforten. Ein wahrer Kunstschatz mit einem Caravaggio.

TEXT EWOUT KIECKENS FOTOS MATTEO ROSSI

Zwei schwere Metallpforten öffnen sich automatisch und wir schreiten über einen breiten Pfad auf einen Hügel. Oben kommt eine Villa in Sicht, mit einem großen Garten in dem klassischen Statuen stehen. Auch sehen wir Zypressen, als wären wir mitten in der Toskana. Doch der Schein trügt. Wir sind in Rom, auf dem Grundstück der Villa Ludovisi, auch Casino dell’Aurora genannt. Das letzte nennenswerte historische Domizil in Rom, das noch von der ursprünglichen Familie bewohnt wird. Bei der Villa werden wir von Vera, einer Haushälterin – der einzigen, wie sich später herausstellt – zur Stanza dei Paesi geführt, wo wir auf unsere Audienz warten. Der Raum verfügt über prächtige Fresken mit Landschaften („paesi“) unter anderem von Paul Bril, einem Maler aus dem Antwerpen des 17. Jh. Dieser war zugleich ein Meister des Trompe l’oeuil. Tanzende Putten, nackte Engelchen, scheinen aus einer ausgemalten Kuppel nach unten abzusteigen. Wie sind so in die illusionistischen Malereien versunken, dass wir fast überhören, dass die Bewohnerin erschienen ist. Sie muss sich gerade soeben noch nicht räuspern. Rita Boncompagni Ludovisi ist eine elegante Frau von fragiler Statur, die uns freundlich auf Englisch begrüßt. Rita wurde vor 72 Jahren in Texas geboren und hat ein bewegtes Leben hinter sich, worüber sie lieber nicht spricht. Die Prinzessin legt mit der Bemerkung los, dass sie einige Vorfahren in Nordeuropa hat. Gleichwohl seien ihre Bande mit Italien enger. Die nahmen ihren Lauf, als sie als 16-jähriges Schulmädchen mit ihren Eltern in Rom war. Wie sie erzählt, warf sie eine Münze in den Trevibrunnen und wünschte sich, dass sie eines Tages einen Römer heiraten würde. Dies sollte ihr mit einiger Verspätung nicht versagt bleiben: 2005 trat sie mit Principe Nicolò Boncompagni Ludovisi in den Hafen der Ehe. Dies war zugleich ihr Entree in eines der ältesten Adelsgeschlechter Europas. Klassische Familienfehde

Die Prinzessin lässt mich auf einem Sofa im Stile Ludwig XVI. Platz nehmen, während sie sich selbst auf einem Sessel aus der selben Epoche niederlässt. Zwischen uns steht ein niedriger Salontisch, während an der Decke die Putten tanzen. Sie scheinen traurig zu gucken, und dafür gibt es wohl auch allen Anlass. Ein

Sie warf eine Münze in den Trevibrunnen und wünschte sich, dass sie irgendwann einen Römer heiraten würde

Gericht hat vorigen Herbst entschieden, dass die Villa gegen Gebot verkauft werden muss. Innerhalb eines Jahres muss die Prinzessin ihr Haus verlassen. „Als die Richterin ihr Urteil verlas, war ich schockiert. Zählt es denn gar nicht, dass ich hier schon 18 Jahre wohne (sie lebte hier schon vor der Hochzeit, Anm. d. Red.), dass ich die Villa renoviert und für Besucher geöffnet habe? Zudem hatte mein Mann mir in seinem Testament den Nießbrauch der Villa zugesprochen. Der Verkauf ist das vorläufige Ende einer klassischen Familienfehde um das Erbe. Nach dem Tod Nicolòs 2018 standen die Zeichen zwischen der Witwe und seiner drei Kinder aus erster Ehe auf Konfrontation. Der Kampf ums Geld kannte keine Grenzen. Die Prinzessin zeigt mir ein drei Monate altes Foto auf dem sie mit einem Oberstleutnant der Carabinieri zu sehen ist. Dieser brachte eine wichtiges Dokument aus dem Archiv zurück, das verloren gegangen war. „Verloren? Es wurde von Familienmitgliedern gestohlen!“, sagt Rita mit entschlossener Stimme. >

Aufschlagseite: die Prinzessin in der Türöffnung der Stanza dei Paesi und im Garten. Links: mit ihrem Ehemann, rechts: Außenansicht der Villa.

Arbeit adelt

Principessa Boncompagni-Ludovisi wird am 25. November 1949 als Rita Sue Carpenter in San Antonio, Texas, geboren. Mit 26 heiratet sie den Abgeordneten John Jenrette, der als Kongressmitglied vor allem durch eine Schmiergeldaffäre auffällt, wegen der über ein Jahr ins Gefängnis muss. Kurz vor ihrer Scheidung von Jenrette lässt sich Rita 1981 für den Playboy fotografieren Auf den Fotos ist sie nackt mit lediglich einer Boa aus Straußenfedern um den Hals zu sehen. Im Begleittext schreibt sie, dass sie einst mit Jenrette auf den Marmortreppen des Kapitols „Liebe gemacht hat“. Diese Worte verursachen einen mittleren Aufruhr in Washington. 2011 schließlich erzählt sie, die inzwischen Prinzessin in der Stadt mit dem anderen Kapitol ist, dass sie die Geschichte erfunden hatte. 1984 kommt sie abermals in den Playboy, diesmal sogar auf das Cover. Im Blatt sieht man in Aktion mit einem deutlich jüngeren Nacktmodell. Vielsagende Überschrift: „Ältere Frauen, jüngere Männer“. In den 80er Jahren gelingt es ihr, eine bescheidene Karriere als Schauspielerin in Los Angeles aufzubauen. Wirklich erfolgreich aber wird sie als Maklerin im New York der 90er Jahre. 1998 verkauft sie das General Motors Building für 800 Millionen an Donald Trump. Dieses Talent dürfte sich auch bei der Versteigerung der Villa Ludovisi vorteilhaft bemerkbar machen 2003 trifft Rita ihren dritten Mann (zwischendurch war sie noch kurz in Texas verheiratet). Die Begegnung mit Nicolò Boncompagni-Ludovisi kommt durch einen Geschäftskontakt zustande, der Rita mit einem Prinzen aus Rom bekannt machen möchte. „Klar, ein Prinz, jeder in New York nennt sich Graf oder sonst irgendetwas, habe ich noch gedacht.“ Doch einmal in Rom angekommen, verliebt sie sich Hals über Kopf in den Prinzen. So ändert sie zum zweiten Mal ihren Namen. •

Auch vier Jahre nach dem Tod ihres Prinzen am 8. März 2018 vermisst die Prinzessin ihren „Darling“ noch wie am ersten Tag

Die Witwe ist vollständig schwarz gekleidet. Sie trägt eine Strickjacke von St. John Knits auf eine Wildlederhose von Gucci und Schuhe von Chanel mit halbhohen Absätzen. Ein fünffarbig gestreifter Schal von Yves Saint Laurent bildet einen fröhlichen Akzent. Auf dem niedrigen Salontisch liegt die Einladung zur Hochzeit von William und Kate Middleton aus dem Jahr 2011. „Wir konnten nicht dabei sein. Nicolò fühlte sich nicht gut. Mir war es egal. Nicolò war mir viel wichtiger.“ Aus all dem geht hervor, dass die Prinzessin ihren Prinzen - der am 8. März 2018 starb - auch vier Jahre danach noch ernstlich vermisst. Als er gestorben war, hat sie alles daran gesetzt, ihrem „Darling“ eine würdige letzte Ruhestätte zu vermachen. „Ich habe im Vikariat des Vatikan, beim Amt für Denkmalpflege und beim Bürgermeister vorgesprochen, damit mein Mann in der Kirche Sant’Ignazio beerdigt werden konnte. Das war seine Kirche, unsere Familienkirche.“ Das ist noch milde ausgedrückt. Die Ignatiuskirche, die 200 Meter vom Pantheon entfernt ist, wurde von Nicolòs Urgroßonkel der neunten Generation, Kardinal Ludovico Ludovisi

Links: Rita am Altar für ihre große Liebe. Unten: Bei der einzigen Deckenmalerei, die Caravaggio hinterlassen hat.

in Auftrag gegeben. Er war nicht der einzige Prälat der Familie. Die Boncompagni haben Papst Gregor XIII. hervorgebracht, dem wir den gregorianischen Kalender verdanken. Die Ludovisi steuerten später Papst Gregor XV. bei. Beide Familien haben sich Ende des 17. Jh. zu einer Dynastie vereint. Pikanter Caravaggio

Der Aufgang zur ersten Etage der Villa Ludovisi besteht aus einer schmalen, muschelförmigen Treppe, die Carlo Maderno entworfen hat, der auch für die Fassade des Petersdoms verantwortlich zeichnet. „Als Woody Allen mal hier war, hat er sich ein bisschen erschrocken und nach der Hand von Soon-Yi gerufen, ganz reizend“, so die Principessa, während sie voraus schreitet. So hat die Villa über die Jahrhunderte einige illustere Gäste von innen gesehen. Im 18. und 19. Jh. waren unter anderem Goethe, Gogol, Stendhal und Tschaikowski zu Besuch. Henry James hat die Treppenstufen zu Beginn des 20. Jh. genutzt. In seinen Italian Hours schreibt er über eine „sich windende Steintreppe mit Ausblick von der Loggia (...) mit einem Himmel aus verblichenem Saphir“. Seit Rita das Zepter in der Hand hält, sind vor allem amerikanische Stars vorbeigekommen, Madonna als sie auf Tour war, oder Bette Midler („so eine kultivierte Frau“). All die Berühmtheiten kommen vor allem wegen des Caravaggio in die erste Etage. Der italienische Barockkünstler hat geschätzt etwa 80 Ölgemälde angefertigt. Doch der Ludovisi-Caravaggio ist einzigartig, denn es ist die einzige Deckenmalerei des Malers. Auch das Motiv ist ungewöhnlich. Caravaggio ist vor allem für seine wüsten, oft biblischen Darstellungen bekannt. Hier aber sehen wir die Götter Jupiter, Neptun und Pluto mit drei mythologischen Tieren, die sie symbolisieren, wie sie über den Wolken in einer Art Erdkugel schweben. Auffällig ist, wie Pluto als Gott der Unterwelt sein Geschlecht mitsamt üppigen Schamhaars zur Schau stellt. Als Kind hatte Nicolò Boncompagni Ludovisi das Fresko nie gesehen, weil er verdeckt war, um sein zartes Gemüt nicht zu verletzen. Seine amerikanische Frau hat weniger Probleme mit der expliziten Darstellung, auch wenn sie lächelnd hinzufügt: „In Texas würde dies heute verboten werden.“ Wegen Motiv und des Standort wurde lange angezweifelt, ob es sich um einen Caravaggio handelt, doch nun sind sich die Experten einig. Der Auktionator hegt ohnehin keine Zweifel. Das Mindestgebot von fast einer halben Milliarde Euro wäre wohl sonst auch etwas übertrieben - auch wenn es sich um eine Villa mit 2800 Quadratmetern Wohnfläche mit 6700 Quadratmeter großem Garten handelt. Nein, der Preis geht auf den Caravaggio zurück.

Auffällig ist, wie Pluto als Gott der Unterwelt sein Geschlechtsteil und sein üppiges Schamhaar zur Schau stellt

Als wir die Treppe wieder hinuntergehen, hält Rita auf einem Überlauf inne. Sie öffnet eine niedrige Türe und sucht mit ihrer Hand den Lichtschalter. Als das Licht angeht, sehen wir ein kleines, sorgsam gehaltenes Familienarchiv mit vielen alten Dokumenten. Die Prinzessin verrät, dass sie alle 50.000 Stücke in Kooperation mit der amerikanischen Universität von Rom hat digitalisieren lassen. Darunter auch Briefe der französischen Königin Marie Antoinette an einen Boncompagni Ludovisi, der sie als „Cousine“ bezeichnet. Propagandamaler

Zurück im Erdgeschoss sehen wir noch eine Wandmalerei eines berühmten Barockkünstlers, Guercino. Er hat mit viel Gefühl für Atmosphäre Aurora, die Göttin der Morgendämmerung, abgebildet. Sie kommt bei Tagesanbruch in einem Streitwagen durch den Himmel geritten, ein beliebtes Motiv im 17. Jh. Es bedarf nicht viel Phantasie, um die Aussage zu interpretieren: So wie Aurora die Nacht vertreibt, bricht mit dem LudovisiPapst – der auch Auftraggeber war – ein neues Zeitalter an. Guercino erweist sich auch in einem anderen Saal als talentierter Propagandamaler. Seine Deckenmalerei zeigt hier die Göttin Fama, die triumphierend in eine Trompete bläst, während sie Ehre und Tugend ins Schlepptau nimmt. Auch hier stößt man voll des Lobes über die Ludovisi ins Horn: Die Gewänder der drei Figuren sind in den Familienfarben gehalten: karmesinrot und goldgelb. Als Guercino 1621 mit den Gemälden begann, war die Villa gerade in die Hände des Ludovisi-Papstes gelangt. Errichtet wurde sie 30 Jahre zuvor auf dem Gelände, wo sich früher die Horti Sallustiani befanden. Das waren die Gärten von Sallust, dem römischen Dichter aus dem 1. Jh. Davor befand sich das Grundstück in Besitz von Julius Caesar. Welch ein Reichtum an Geschichte! Da fragt man sich fast, warum die Villa nur eine halbe Milliarde Euro wert ist. •

Links: im Garten, Jugendporträt von Rita, Salon mit Deckenmalereien von Guercino. Unten: elegante Pose vor der Gartentür.

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