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PFLEGE, MINDESTLOHN, WIRTSCHAFT

„SCHWACHE IN DER GESELLSCHAFT NICHT ALLEINE LASSEN“

DER NEUE LANDESRAT FÜR SOZIALES UND WIRTSCHAFT, LEONHARD SCHNEEMANN, WILL DAS PFLEGESYSTEM STÄRKEN. DAZU STARTET DIE LANDESREGIERUNG AUCH EINE INITIATIVE AUF EU-EBENE.

Ein paar Stunden nur hat er über das Angebot von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, als neuer Landesrat in sein Regierungsteam zu kommen, nachgedacht. Überredungskünste von Seiten Doskozils hat es nicht gebraucht, der Spitzenmanager des Gesundheitsresorts Bad Tatzmannsdorf hat nicht lange gezögert und für sich eine Entscheidung getroffen: „Es gibt sehr gute Strukturen und Rahmenbedingungen im Burgenland.“ Auch die gerade Linie und Zielstrebigkeit des Landeshauptmannes gefalle ihm, sagte Schneemann bei seiner Vorstellung als Nachfolger von Landesrat Christian Illedits.

Auch Doskozil sparte nicht mit Vorschusslorbeeren: „Mit seiner fachlichen Kompetenz und persönlichen Empathie bringt er alles mit, um ein guter Soziallandesrat zu sein.“

Nach der Präsentation am 12. August ging alles sehr schnell. Am 13. August wurde Schneemann nach erfolgreicher Wahl (30 von 35 anwesenden Landtagsabgeordneten stimmten für ihn) als neuer Landesrat angelobt.

Bei unserem ersten Interview hob Leonhard Schneemann „Soziales als das Schlüsselthema der Zukunft“ hervor, auch wenn Wirtschaft seit Jahren seine Domäne ist. „Beides gehört zusammen“, betont der Politiker. „Die

DORNER IM EU-AUSSCHUSS DER REGIONEN

Nach dem Rücktritt von Landesrat Christian Illedits, der Mitglied im EU-Ausschuss der Regionen (AdR) war, rückt Landesrat Heinrich Dorner nach. Für den ehemaligen Manager eines internationalen Unternehmens ist diese Aufgabe in Brüssel kein Neuland. „Ich freue mich darauf, und ich werde die Anliegen und Interessen des Burgenlands in dieser EU-Institution engagiert vertreten.“ Dorner legt Wert darauf, dass er seine Funktion im Ausschuss der Regionen in enger Abstimmung und in Verbindung mit dem neuen Landesrat für Soziales und Wirtschaft, Leonhard Schnee mann, fortführen und weitertragen werde. Die vom Land Burgenland bereits in den AdR eingebrachte Initiative für eine breite europäische Debatte über Pfege und Betreuung will Dorner forcieren. Dabei geht es ihm um Chancen und Herausforderungen der Pfege und Betreuung auf dem Arbeitsmarkt. Was die Finanzierung des Sozialsystems angeht, will Dorner dafür auch Gelder aus den EU-Fördertöpfen lukrieren.

beiden Bereiche kann man nicht getrennt sehen. Es braucht eine prosperierende Wirtschaft, um die Leistungen im Sozialbereich fnanzieren zu können. Wir brauchen dazu auch Leitbetriebe, die Arbeitsplätze schaffen. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das die Schwachen in unserer Gesellschaft nicht alleine lässt.“

„Gut gerüstet“

Mit Soziales, Arbeitsmarkt und Wirtschaft hat Schneemann ein Mega-Dossier zu verantworten, die Corona-Krise macht den Job nicht einfacher. „Die Corona-Folgen sind eine große Herausforderung für die Wirtschaft und das Sozialsystem.“ Er weist darauf hin, wie gut und effzient die Landesregierung auf Corona reagiert hat und für eine mögliche zweite Welle „gut gerüstet“ ist. Was den wirtschaftlichen Ausweg aus der Krise angeht, erwartet er „mit neuen Aufträgen im Herbst aus der Kurzarbeit herauszukommen“. Die Arbeitslosenzahlen im Burgenland haben sich coronabedingt fast verdoppelt, die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei fast zwölf Prozent. Der Arbeitsmarkt stabilisiert sich nur langsam.

Der Kompass für die künftige Arbeit als Landesrat ist der „Zukunftsplan Burgenland“. Den Mindestlohn will er in allen landesnahen Betrieben ein

© Land Burgenland/Sziderics Landesrat Schneemann: Anstellung pflegender Angehöriger ist „ein Meilenstein“

führen und dafür auch die nötigen Rahmenbedigungen schaffen: „Wir wollen den Unternehmen die erforderliche Beratung zur Verfügung stellen.“ Die Umsetzung des Mindestlohns in der Höhe von 1700 Euro netto monatlich „muss auch mit entsprechenden Strategien in den Unternehmen verbunden sein“, sagt der neue Landesrat. Es gehe schließlich darum, „den sozialen Ausgleich zu schaffen, damit man von dem Lohn, den man für die Arbeit bekommt, auch gut leben kann“.

Die Ausweitung des Mindestlohns auf möglichst viele Wirtschaftsbereiche ist ein Ziel der Landesregierung. Das andere Ziel ist die Absicherung des Pfege- und Betreuungssystems. Europaweit gilt das Burgenland mit seinem Modell der Anstellung pfegender bzw. betreuender Angehöriger als Vorbild. Die Corona-Krise hat allen vor Augen geführt, welche Probleme es mit den 24-Stunden-Pfegekräften aus Ostund Südosteuropa geben kann, wenn plötzlich Grenzen geschlossen werden oder sonstige Restriktionen gelten. 15

Schneemann zieht daraus eine Lehre: „Wir müssen unabhängiger von ausländischen Pfegekräften werden.“

Er zeigt die Schritte auf, die das System attraktiver machen sollen: „Mit dem Anstellungsmodell werden wir unabhängiger. Wenn möglichst viele Pfegekräfte aus dem eigenen Land rekrutiert werden, gibt das Sicherheit. Auch die Verbesserung der Ausbildung der Pfegekräfte und ihre Arbeitsbedingungen sind ein Teil davon.“

Derzeit sind im Burgenland mehr als 120 pfegende Angehörige angestellt und damit auch sozialversichert. Dieses Konzept garantiert, dass zu pfegende Angehörige so lange wie möglich zu Hause betreut werden können. „Das ist ein Meilenstein“, sagt Schneemann. Erst wenn es gar nicht mehr geht, sollten Betreuungseinrichtungen zum Zug kommen. Der Landesrat weiß, wovon er spricht: Im vergangenen Jahr musste auch sein Vater für einige Monate in ein Pfegeheim. n

Margaretha Kopeinig

ZUR PERSON

Geboren 31. Oktober 1968 Ausbildung Handelsakademie Oberwart; Studium Wirtschaftspädagogik und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien (Abschluss mit Mag. Dr.). Karriere Ab 2015 Vorstandsdirektor der Kurbad Tatzmannsdorf AG. 2007 bis 2013 Leiter der Aus- und Weiterbildung von Lehrern an berufsbildenden Schulen in der Pädagogischen Hochschule Burgenland, davor Lehrer. Politische Funktionen Landesrat für Soziales und Wirtschaft, zuständig auch für Jagd und Fischerei. 2006 bis 2016 Bürgermeister von Unterkohlstätten, zuvor Gemeindevorstand. Privat Verheiratet, einen Sohn. Hobbys Reisen, Lesen, Radfahren, Natur, passionierter Jäger.

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