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Revierarchitektur –aus Alt mach Neu

Tipps und Kniffe für die Anlage von Hecken und Sträuchern, die Finanzierung von „Beetle Banks“ und Entenwannen und wie Sie Steine in Gold (Fasane) verwandeln.

© Alle fotos: Christian Toth

02/2020

Einst war die Feldhasendichte im Südburgenland und in der Südoststeiermark ähnlich hoch wie jene im Nordburgenland. Sie konnte sogar mit den guten Hasenrevieren in Niederösterreich mithalten. Heute kommt im Schnitt ein erlegter Feldhase auf 5-10 Jäger pro Jahr. Dafür gibt es in dieser Region jetzt mehr Reh-, Rot- und Schwarzwild als früher. Das Revier Heiligenkreuz zeigt, dass die Zeiten fürs Niederwild noch nicht vorbei sind. Der Niederwild-Referent des Bezirks und ehemalige Jagdleiter von Heiligenkreuz Dipl.Tzt. Bernhard Takacs berichtet über seine Erfahrungen. Im Laufe der Jahre war das Revier Heiligenkreuz vielen Veränderungen ausgesetzt: Anfang der 80er Jahre wurde die Lafnitz reguliert und die heutige Mogersdorfer Landstraße mitten durch das Kerngebiet des Niederwild-Reviers gebaut. Anfang der 90er Jahre entwickelte sich der Business Park Heiligenkreuz samt Industriegebiet, welches in Summe ca. 100 ha des Reviers in Anspruch nahm. Im Zuge des Strukturwandels der Landwirtschaft fanden eine Flurbereinigung und ständige Zusammenlegungen von Feldstücken statt. Wiesen wichen dem Ackerland, Streusiedlungen kamen auf und die Pflege von öffentlichem Gut unterlag ebenso der Mechanisierung wie der Acker- und Waldbau. Bernhard Takacs: „Die erste und wichtigste wirksame Maßnahme zur Verbesserung des Lebensraumes ist eine drohende Verschlechterung zu verhindern, zu stoppen oder abzuschwächen. Dabei entscheidet aber in erster Linie die Politik. Somit ist es eben wichtig, dass sich die Jagd (egal in welcher Farbe) in die Regionalpolitik einbringt. Entweder wir Jäger übernehmen Mitverantwortung und bringen uns in die Politik ein, oder wir müssen akzeptieren, was andere (Nichtjäger) zum Leid des Reviers entscheiden.“ Bei der Schaffung und Erhaltung von

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Mit einem Niederwild-Konzept konnte die Strecke im 3. Jahr ab Umsetzung gesteigert werden

Lebensraum zählt heute jeder Quadratmeter. Es ist daher notwendig, vorhandene Ressourcen im Revier zu finden und zu erhalten, wie z.B.: ungenutzte Flächen, Ödland, (ungenutzte) Flächen im Eigentum der Kommune, Eigentum der Jagdpächter und Mitjäger, Flächen kooperativer Landwirte, Industriegebiete, von Bund oder Land verwalteten Flächen, Kirchengrund, öffentliches Gut, Hausgärten usw. Sobald ein Grundbestand an potentiellen Flächen vorliegt, ist ein Wild-RaumKonzept für die lokalen Voraussetzungen unabdingbar. Das Konzept für ein Niederwild-Projekt unterscheidet sich in vielen Punkten von dem eines Schalenwildreviers. Die Betreuung des Niederwildes ist deutlich zeitintensiver, da neben der Komponente „Lebensraum“ (=Wohnzimmer) auch noch der Schutz vor Prädatoren (legale Mittel ausschöpfen!) bzw. die Unterstützung mit artgerechten Futter dazu kommen. Bernhard Takacs: „Speziell für ein Niederwild-Projekt im Revier müssen Schwerpunkte gesetzt werden, sonst verlaufen alle Maßnahmen im Sand. Die Mindestgröße ist nicht notwendigerweise der Hegering, sondern schon ab 250 ha zusammenhängender Fläche, evtl. auch revierübergreifend kann man erfolgreich arbeiten, sofern das Biotop geeignet ist. Man beginnt dort, wo sich das Niederwild am längsten halten konnte bzw. wo Restbestände der Populationen vorkommen. Dort sind noch essentielle Voraussetzungen vorhanden.“ Auf und um diese wertvollen Flächen müssen sich die drei Säulen Lebensraumpflege, Fütterung und die Raubwildbejagung konzentrieren. Das zuvor angesprochene Revier-Konzept hilft, die Zielvorstellungen nicht aus den Augen zu verlieren bzw. die gesetzten Maßnahmen auch zu evaluieren (z.B. durch regelmäßige Zählungen). Bei der Realisierung des Niederwild Projektes gilt das Motto: zuerst nicht gefressen werden, dann schöner wohnen. Raubwild muss durch konzentrierte Bejagung reduziert werden und wird durch den punktuellen hohen Jagddruck in Folge auch vergrämt. Es ist dabei in jedem Fall zu achten, dass ausschließlich legale Mittel und Methoden zum Einsatz kommen und nur das gesetzlich erlaubte Raubwild und Raubzeug weidgerecht und nachhaltig bejagt wird. Geschütztes Wild kann im

Bei Windschutz ist auf die bleibende Funktionalität der Struktur zu achten. Ansitzwarten von Greifvögel (Altholz) sind zu entfernen (indirekte Vergrämung). Offene Stellen in der Wiese/Brache bringen Lebensraum für Jungwild

Revier durch klug gesetzte Vergrämungsmaßnahmen vertrieben werden, wie z.B.: Ansitzwarten für Greifvögel (abgestorbene, aus dem Bestand stehende Bäume und Äste) im Niederwildlebensraum reduzieren oder entfernen (passives Greifvogelmanagement). Bernhard Takacs: „Nachdem wir mittels Fallen und Vergrämungsmaßnahmen die bestehende Übermacht der Beutegreifer für ca. 2 Jahre im Zaum halten

AUSSTATTUNG DES REVIERS GJ HEILIGENKREUZ:

Jagdfläche rund 1.300 ha Geschaffene Lebensraumelemente der letzten 20 Jahre: • Ca. 10 ha Naturschutzwiesen • 10 ha Wildäcker und LR-Flächen • Mehrere 1000 Sträucher • Ca. 6 km Hecken • 7 neue Steinhaufen • 12 ha Ausgleichsflächen • 500 Wildobst- und Obstbäume alter Sorten • 8-12 Biberdämme • Natürliche und künstliche

Wasserstellen u.v.m. konnten, konnte sich das Niederwild so vermehren, dass es wieder zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Räuber und Beutetier kam. Damit war es uns möglich, ab dem 3. Jahr einen jagdlich nachhaltigen Überstand abzuschöpfen, ohne die Bestände zu gefährden. Und wieder zeigt sich: Ohne Nutz kein Schutz!“ Das Schlagwort „Lebensraumverbesserung“ umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen. Im Wesentlichen wird darunter die Flächenpflege bzw. –gestaltung verstanden. Die Vorbereitung, Gestaltung und Erhaltung von Blühwiesen oder mehrjährigen Brachen sind zweifelsohne wichtige Maßnahmen. Durch die Mehrjährigkeit von Wiesen wird der Nahrungsengpaß im Frühjahr durch samentragenden Gräser und Pflanzen etwas abgefangen. Eine unterstützende Fütterung mit artgerechten Futtermittel (Vogelfutter und Rüben) und der ausschließlichen Verfügbarkeit für Niederwild (Fütterungsbestimmungen im Jagdgesetz) sowie der Schaffung von Wasserstellen hilft nicht nur dem jagdbaren Niederwild sondern kommt auch anderen Vogelarten und Insekten zugute. Zusätzlich zur Flächenpflege gilt es auch, Randlinien zu schaffen. Eine Randlinie ist ein Übergang von einer Struktur in eine völlig andere. Je größer der Unterschied, umso hochwertiger ist diese Zone, z.B. Feld- Asphalt, Wiese- Feldweg, Vegetation – Erde, Land – Wasser, Erde – Schotter usw. Speziell Insekten brauchen diese Übergänge. Und wo Insekten sind, ist Leben. Bernhard Takacs: „Im Revier Heiligenkreuz gingen in den letzten 50 Jahre ca. 200 km Randlinien verloren. Unser Motto: mit jedem Kilometer Randzone den wir schaffen, kommen ein Fasan und ein Hase zurück, mit jeden 10.Kilometer ein Rebhuhn ins Revier.“ Die Jagdgesellschaft Heiligenkreuz sah ihre Aufgabe darin, neben der Flächenpflege vor allem die Qualität (Vielfalt) der Randzonen zu erhalten oder zu reparieren. Es wurden Wegränder neu eingesät, gemäht statt gemulcht, große Feldstücke durch Linien unterteilt. Zusätzliche Schwerpunkte waren die

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Schaffung von Blühstreifen, Altgras, sog. „Beetle Banks“, Schwarzbrache usw. Wie zuvor beschrieben, wurden die Maßnahmen in erster Linie dort umgesetzt, wo sich noch existierende Niederwild-Bestände finden. Das hat den Vorteil, dass die Maßnahmen gleich Verbesserungen für das dort lebende Wild bringen und nicht zuerst viel Geld und Zeit investiert wird, um Lebensraum zu schaffen und dann zu hoffen, dass etwas kommt und sich ansiedelt. Das ist der (im Naturschutz oft angewendete und mit Steuergeld bezahlte) falsche Weg. In der Umsetzung von niederwildfreundlichen Begleitmaßnahmen im Rahmen von diversen Bauprojekten ist seitens der Jagdgesellschaft unbedingt das Gespräch mit den Betreibern/Bauherren (Gemeinde, Straßenbau, ASFINAG, Wirtschaftspark) zu suchen. So können viele Missverständnisse abgefangen werden und zielorientierte Lebensraumverbesserungen vorgenommen werden (win-win-Situation für alle Beteiligten) Es besteht allerdings noch ein großes Potential im Bereich der öffentlichen Flächen im Besitz des Landes. Das Burgenland will Vorreiter im Bezug/Bereich biologischer Landwirtschaft sein. Mit den eigenen Flächen geht es aber oft sehr brutal um. Es werden immer wieder Pflegemaßnahmen in der Zeit der Jungenaufzucht ohne Rücksicht auf Verluste und Bedrohung der Arten in Form von häckseln, mulchen statt mähen oder Heuwerbung für FutterzweRandlinien bereichern das Revier

cke durchgeführt. Im Bedarfsfall gibt es selten Ansprechpartner, keine genauen Zuständigen, keine Vorgespräche und kaum Lösungsansätze, obwohl das vom Land herausgegebene Handbuch „Naturnahe Pflege von Begleitgrün“ gute und genaue Anleitungen für derartige

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Steinhaufen sind Kleinstlebensraum und wertvolle, punktuelle Strukturelemente

Maßnahmen gibt. Spezielle Pflegemaßnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes könnten viel zeitgerechter, schöner, schonender und gemeinnütziger durchgeführt werden. Solche Flächen verteilen sich auf das ganze Burgenland und haben eine sehr hohe ökologische Wertigkeit. Deshalb fun-

DIPL.TZT. BERNHARD TAKACS

ist praktischer Tierarzt in Güssing, zur Zeit Niederwildreferent im Bezirk Jennersdorf und Veterinärreferent des BLJV. Er ist bekannt für seine praktische Herangehensweisen. Er trägt in den Fortbildungskursen der Werkstatt Natur zu den Themen Reviergestaltung, Wildbrethygiene und erste Hilfe beim Jagdhund vor. Dieser Artikel ist eine Kurzfassung des Niederwildprojektes „DER KÜCHENGARTEN“ seiner Jagdgesellschaft in der GJ Heiligenkreuz i/L. gieren sie sehr oft als ökologische Falle. Es sei zu hoffen, dass sich das auch in unserem Bundesland bessern wird, denn österreichweit hat man das Potential dieser Flächen schon lange erkannt und behandelt sie mit der dementsprechenden Sensibilität. Der Mehraufwand lohnt sich allemal. Bei all den möglichen Umsetzungsmaßnahmen (Pacht/Ablöse von Grünstücken, Saatgut, Pflanzen, Maschinen, etc.) stellt sich natürlich die Gretchenfrage: „Wer soll das alles bezahlen?“ Neben Aufwendungen durch die Jagdgesellschaft bestehen Möglichkeiten zur Finanzierung vor allem durch die gesetzlich vorgeschriebenen 10% des Jagdpachtbetrages (Jagdgesetz 2017). Zusätzlich können Agrarförderungen, Umweltprojekte mit Partnern wie den Gemeinden, Land, EU, LEADER, Naturschutz usw., Gelder aus Vereinsaktivitäten zur Finanzierung diverser Projekte (Schmetterlingswiese, Feuchtbiotop) Förderpreise (siehe Stinatz), Spenden und Fördermittel aus der Jagdabgabe lukriert werden. Bernhard Takacs: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Auch das kleinste und strukturärmste Revier kann man aktiv mit Liebe gestalten. Jede und jeder der damit beginnt und Erfolge erreicht hat, wird von dem Trieb neue Lebensräume in unserer Kulturlandschaft zu schaffen, für immer gefesselt sein. Lange Zeit lebten wir in der Jagd von dem was uns unser Revier an Überschuss schenkte. Heute merken wir, dass diese Ressourcen zu Ende gehen. Um unseren Kindern intakte bejagbare Reviere weitergeben zu können, müssen wir beginnen dem Revier etwas zurückzugeben. Ein gelungenes Landschaftselement ist wie eine Trophäe, die im Revier bleibt und über das Leben seines Architekten und Schöpfer hinaus dort verweilt, nachkommende Generationen erfreut und nicht in einem Bananenkarton verschwindet. Ein besonderer Dank gilt der Gemeinde Heiligenkreuz, dem Wirtschaftspark, der Firma Lenzing , der Firma Agrar 42 und der Firma Klimesch für die Bereitstellung von Flächen und der Firma Freiland/ASFINAG und den ortsansässigen Bauern für die gute und entgegenkommende Zusammenarbeit. •

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