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Verkehrsunfalle mit Wild

Der Verkehrsunfall mit Wild

Rechte und Pflichten der burgenländischen Jägerschaft an Hand eines praktischen Fallbeispiels

I. Einleitung

In der Saison 2017/18 wurden allein im Burgenland insgesamt rund 8.000 Wildtiere (im Vergleich dazu in Österreich gesamt: 74.000) – darunter rund 1.250 Jungtiere (Österreich: 12.000) - bei einem Verkehrsunfall getötet. Somit kommt es im Burgenland statistisch etwa alle 66 Minuten (Österreich: alle 7 Minuten) zu einem Verkehrsunfall mit einem Wildtier. Diese Zahlen und Fakten wurden vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) auf Basis der Verkehrs- und Jagdunfallsstatistik der Statistik Austria im Rahmen einer Presseinformation zuletzt am 02. Oktober 2019 veröffentlicht. Bei derartigen Verkehrsunfällen, die sich besonders häufig in der Zeit zwischen 18:00 und 06:00 Uhr Früh ereignen und sich im Jahr 2018 dabei leider auch 17 Personen im Burgenland (Österreich: 418) verletzt haben, sind es fast ausschließlich die burgenländischen Jägerinnen und Jäger, die für die Beseitigung/Entsorgung der verunfallten/getöteten Wildtiere Sorge tragen. Der wohl häufigste Ausgangspunkt für das regelmäßige Einschreiten der Jägerschaft ist ein Ersuchen bzw. die Information des Wildunfalles durch die Polizei. Denn jeder Verkehrsteilnehmer ist nach den Vorschriften der österreichischen Straßenverkehrsordnung, kurz StVO, verpflichtet, jeden Verkehrsunfall mit einem Sachschaden – und dazu zählt natürlich auch ein Wildunfall – ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen (§ 4 Abs. 5 StVO). Die Organe der informierten Dienststelle haben sich dann zur Unfallstelle zu begeben und die Sach- bzw. Faktenlage unter Mitwirkung des Unfalllenkers vor Ort festzustellen. Sachverhalte, bei denen das verunfallte Wild durch den Zusammenstoß bereits erkennbar getötet wurde oder nach dem Kontakt mit dem Verkehrsteilnehmer nicht mehr sichtbar ist, da z.B. das Wild bereits in einen angrenzenden Wald oder Feldgebiet abgesprungen ist, werden im gegenständlichen Beitrag bewusst nicht gesondert beleuchtet, da nach Ansicht des Verfassers die Lösung derartiger Fälle in rechtlicher Hinsicht von keiner besonderen Schwierigkeit bzw. Relevanz sind. Dem Verfasser geht es vielmehr um jene Wildunfälle, bei denen die einschrei- © OÖ LJV/E. Moser

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tenden Organe der Polizei vor Ort feststellen, dass das verunfallte Wildtier zwar noch lebt, aber durch die Kollision so schwer verletzt wurde, dass es sich von der Unfallstelle nicht mehr entfernen kann bzw. konnte.

II. Fragestellungen

a. Muss in einem derartigen Fall ein von der Polizei informierte Jäger, eine informierte Jägerin – unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit – zur Unfallstelle kommen, um einem verunfallten, noch lebenden

Wildtier den wohl unstrittig erforderlichen Fang- oder Gnadenschuss zu geben? b. Könnte es für den informierten Jäger, die informierte Jägerin bei einer Verweigerung der angeforderten Hilfestellung der Polizei zu jagdrechtlichen (verwaltungsstrafrechtlichen) oder sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen (Stichwort: Tierquälerei) kommen? Nur diese Fragen werden im gegenständlichen Beitrag in rechtlicher Hinsicht näher beleuchtet, da nach bisherigen Erkenntnissen und Erfahrungen sowohl die Polizei als auch die Jägerschaft selbst offenbar von einem Rollenbild der Jägerinnen und Jäger ausgehen, das nach der derzeitigen Rechtslage nach dem Burgenländischen Jagdgesetz 2017 und den dazu ergangenen Verordnungen näher zu beleuchten ist. Ein Blick in die Informationsplattform zur Förderung des Wissens und zur Förderung des Dialoges zu den Themen Natur, Wild & Jagd unter www. jagdfakten.at zum Thema „Wildunfälle auf Österreichs Straßen“ (Herausgeber dieser Plattform ist nach den Angaben im Impressum der „Dachverband Jagd Österreich“) macht dies wohl am besten deutlich, denn da wird zur Rolle des Jägers bei Wildunfällen folgendes geschrieben: „Die Jäger sind dafür zuständig, dass

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verunfallte Wildtiere keine weiteren Qualen erleiden müssen. Es kann vorkommen, dass die verunfallten Tiere noch leben. Hier muss der zuständige Jäger das Tier von seinen Leiden erlösen.“ Da es sich bei dieser Informationsplattform offenbar um eine österreichweit tätige Institution handelt, konnte nicht verifiziert werden, nach welchen Rechtsgrundlagen, insbesondere nach welchem Landesjagdgesetz, der Verfasser diese Pauschalaussagen herleitet. Anhand des nachfolgenden Praxisfalles, der vom Verfasser in seiner Funktion als Rechtsanwalt (aber auch als praktizierender Jäger und Jagdhundeführer) erst kürzlich bearbeitet wurde, sind diese Aussagen zumindest nach dem Burgenländischen Jagdrecht so nicht aufrecht zu erhalten.

III. Praxisfall – zusammengefasster

Sachverhalt

Ein „einfaches“ Mitglied einer burgenländischen Genossenschaftsjagd (kein Aufsichtsjäger oder Jagdleiter dieser Jagdgesellschaft) wird um ca. 23:30 Uhr von einer Bezirksleitstelle der Polizei telefonisch kontaktiert und ersucht, so rasch als möglich zu einer Wildunfallstelle zu kommen, da ein Rehbock nach einer Kollision mit einem PKW offenbar so schwer verletzt wurde, dass er jedenfalls von einem Jäger „weidgerecht“ erlegt werden müsse. Der verunfallte Rehbock befand sich in Sichtweite zum Unfallsort. Der ersuchte Jäger, der zum Zeitpunkt dieses Anrufes bereits geschlafen hat, verweigerte sein Kommen einerseits unter Hinweis auf die fortgeschrittene Zeit und andererseits mit dem Argument, dass er weder der Jagdleiter noch ein Aufsichtsjäger, somit nicht zuständig sei. Auch bei einem zweiten Anruf, dieses Mal durch den einschreitenden Polizeibeamten bei der Unfallstelle vor Ort, blieb der Jäger bei seinem Standpunkt. Da der Jäger, insbesondere nach dem zweiten Telefonat, von weiteren Schwierigkeiten ausging, wenn er nicht zur Unfallstelle fahren würde, entschloss er sich letztlich doch zum Vorfallsort zu fahren. Als er kurz nach Mitternacht bei der Unfallstelle eintraf, konnte er nurmehr den Tod des Rehbocks feststellen, zumal dieser zuvor vom einschreitenden Beamten mit zwei Schüssen aus seiner Dienstpistole erlegt wurde. Der Jäger nahm den erlegten Rehbock, schärfte das Haupt ab, entsorgte in weiterer Folge den restlichen Wildkörper in der BTKV und veranlasste die Eintragung ins Jagd-Online Portal als Fallwild. Wenige Tage nach diesem, für den Jäger bereits erledigt geglaubten, Vorfall erhielt der Jäger allerdings Post von der Polizei, nämlich eine Ladung als Beschuldigter wegen des Verdachtes der Tierquälerei durch Unterlassung gemäß § 222 StGB iVm § 2 StGB. Da es sich beim Vorwurf der Tierquälerei (auch durch Unterlassung möglich) um ein Offizialdelikt handelt, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht ist, war es für den betroffenen Jäger vollkommen klar, sich in dieser Angelegenheit von Beginn an anwaltlich beraten und vertreten zu lassen.

IV. Rechtliche Beurteilung der

Staatsanwaltschaft Eisenstadt

Die für die Beurteilung des Sachverhaltes letztlich zuständige Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat sich sehr rasch aber auch eingehend mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis, nämlich die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Jäger, mit nachstehender Begründung gelangt: • Weder das Burgenländische Jagdgesetz 2017 noch die dazu ergangenen Verordnungen noch die

Straßenverkehrsordnung (StVO) selbst sehen überhaupt eine recht-

liche Verpflichtung für einen Jäger (Jagdausübungsberechtigten) vor, auf Aufforderung der Polizei, nach einem Verkehrsunfall mit Wild, an die Unfallstelle zu kommen und dort dem Wild den Fang- oder Gnadenschuss zu versetzen. Nur eine solche rechtliche Verpflichtung kann jedoch eine Garantenstellung eines verdächtigen Jägers iSd § 2 StGB begründen, bei deren Verletzung er sich wegen Unterlassens gerichtlich einer Tierquälerei strafbar machen könnte. Eine Garantenstellung eines Jägers - nicht einmal für einen Aufsichtsjäger – im Sinne des Strafrechts besteht jedoch nicht. Die gesetzliche Normierung des § 117 Abs. 4 des Burgenländischen Jagdgesetzes 2017, wonach alle Mitglieder des Jagdverbandes verpflichtet sind, den Verband bei

ZUR PERSON:

RA Mag. Wolfgang Rebernig ist Jäger und Hundeführer und seit 2002 Rechtsanwalt. Seit 2012 Partner bei Riegler Rebernig Rechtsanwälte – ALL RIGHT und auf verschiedenste Fachgebiete spezialisiert, u.a.: Arbeitsrecht, Vertragsrecht und Vereinsreicht. Seit 2017 ist er der Leiter der “Ombudsstelle für Sport- und Vereinswesen” im Auftrag des Landes Burgenland. Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, das Ansehen der Jägerinnen und Jäger stets zu wahren, sich jederzeit weidgerecht und dem bodenständigen Brauchtum entsprechend zu verhalten und die Interessen des Tier- und Naturschutzes zu berücksichtigen, ist eine bloße Zielbestimmung! Aus dieser Gesetzesnorm, vor allem aus der Verpflichtung von Jägern (als Mitglieder des burgenländischen Jagdverbandes bei Innehabung einer burgenländischen Jagdkarte) die Interessen des Tierschutzes zu berücksichtigen, ist keine rechtliche Verpflichtung abzuleiten, auf Aufforderung der Polizei, die jederzeit mit ihrer Dienstwaffe, einer Glock 17, Kaliber 9mm, einem schwerverwundeten Tier den Gnadenschuss geben kann und muss, zu kommen und solche Gnadenschüsse durchzuführen.

V. Weitere rechtliche Bestimmungen zum Wildunfall

Noch ergänzend - von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt für ihre rechtliche Gesamtbeurteilung des gegenständlichen Praxisfalles explizit nicht erwähnt - werden zwei weitere Bestimmungen des Burgenländischen Jagdgesetzes in Erinnerung gerufen:

§ 84 (Durchführung des

Abschussplanes)

(3) Kümmerndes, offensichtlich krankes oder sichtbar verletztes Wild darf unbeschadet der Bestimmungen des Tierseuchengesetzes - TSG, RGBl. Nr. 177/1909, in der Fassung des Gesetzes BGBl. I Nr. 163/2015 über den genehmigten Abschussplan selbst während der Schonzeit erlegt werden, wenn dies zur Gesunderhaltung des Bestandes oder zur Behebung von Qualen des Wildes unerlässlich ist. Die Erlegung ist unverzüglich nach dem Abschuss unter Darlegung der hiefür maßgebenden Gründe der Hegeringleiterin oder dem Hegeringleiter bekannt zu geben und ihr oder ihm auf Verlangen vorzulegen. Für verletzte Stücke ist ein tierärztliches Gutachten über die Art und Ursache der Verletzung der Anzeige anzuschließen.

§ 85 (Abschussliste)

(1) Die oder der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, das während des Jagdjahres in ihrem oder seinem Jagdgebiet erlegte, verendete, verendet aufgefundene oder gefallene Wild aller Art in einer für jedes Jagdgebiet gesondert geführten Abschussliste unverzüglich zu verzeichnen. Angeschossenes Wild, das in einem fremden Jagdgebiet zur Strecke gekommen ist, ist in der Abschussliste für jenes Jagdgebiet zu verzeichnen, dessen Jagdausübungsberechtigten das Wildstück, bei Trophäenträgern die Trophäe, zufällt. Bei jedem abschussplanpflichtigen Wildstück ist ferner der Tag der Erlegung, das Gewicht, - davon ausgenommen sind das Auer- und Trappwild - bei Trophäenträgern die Altersklasse, Name und Anschrift der Erlegerin oder des Erlegers sowie Art der Verwertung bzw. die Unverwertbarkeit des Wildstückes zu vermerken. Die Landesregierung hat durch Verordnung die Art und den näheren Inhalt der zu führenden Abschusslisten festzulegen. Aus diesen beiden Bestimmungen kann auch keine gesetzliche Verpflichtung der burgenländischen Jägerschaft abgeleitet werden, auf Aufforderung der Polizei, nach einem Verkehrsunfall mit Wild, an die Unfallstelle zu kommen, um dort dem verletzten Wild den Fang- oder Gnadenschuss zu versetzen. § 84 Abs 3 ist überhaupt nur als „Kannbestimmung“ (Arg.: darf) formuliert und nach der Bestimmung des § 85 Abs 1 besteht „nur“ die Verpflichtung, „erlegtes, verendetes, verendet aufgefundenes oder gefallenes Wild aller Art in einer für jedes Jagdgebiet gesondert © Mag. Wolfgang Rebernig

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geführten Abschussliste unverzüglich zu verzeichnen. Die Nichteinhaltung dieser Norm könnte selbstverständlich zu einem verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren und allenfalls einer Bestrafung durch die zuständige Bezirkshauptmannschaft führen, was im gegenständlichen Praxisfall aber auch nicht zum Tragen gekommen ist, da auch diese Norm eingehalten wurde.

VI. Zusammenfassung und persönliche Anmerkungen

• Infolge der immens hohen Wildunfallsfrequenz auf den burgenländischen Straßen (alle 66 Minuten) kann jeder burgenländischer Jagdkarteninhaber sehr rasch in eine ähnliche Situation kommen, wie im zuvor dargestellten Sachverhalt; • Auch wenn es sich „nur“ um eine rechtliche Beurteilung durch die

Staatsanwaltschaft Eisenstadt als der zuständige öffentliche Ankläger handelt, so war die (jagd-) rechtliche Auseinandersetzung mit dem zu beurteilenden Sachverhalt schon sehr beeindruckend, umfassend und sicherlich richtungsweisend, nicht zuletzt auch für die Polizeiorgane; Alle burgenländischen Jägerinnen und Jäger sollten sich über ihre rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Jagdausübung von Zeit zu Zeit informieren. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Kurse des Burgenländischen Landesjagdverbandes zum Thema Jagdrecht und Brauchtum hingewiesen.

Die burgenländische Jägerschaft sollte den gegenständlichen Praxisfall und die daraus resultierenden Rechtsbeurteilungen allerdings nicht zum Anlass nehmen, hinkünftig alle Unterstützungsan-

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fragen der Polizei oder anderer Blaulichtorganisationen einfach zu ignorieren, sondern im Gegenteil weiterhin diese bestmöglich unterstützen und alles unternehmen, um nicht nur das Ansehen aller Jägerinnen und Jäger sondern insbesondere die Interessen des Tier- und Naturschutzes zu wahren und zu fördern. •

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