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schau Geschichte
Der dritte Teil der schau-Serie führt von Gradisca d’Isonzo – die nahezu „Uneinnehmbare“ – bis nach Gorizia, der Provinzhauptstadt, die heute „In-City“ geworden ist. Hart an der slowenischen Grenze gelegen, spricht man hier drei Sprachen. Die Gegend strotzt nur so vor Weingebieten.
„The Great War“ in Gradisca d’Isonzo
TEXT VON HELMUT STRUTZMANN
GRAUSAME Schlachten mit Millionen Toten, Gefangenen und Verletzten – dafür ist das Gebiet um den Isonzo bekannt. Italienische Truppen kämpften gegen die k. u. k. Armee, welche von den deutschen Streitmächten unterstützt wurde. In diesen zahlreichen, aus heutiger Sicht absurden Auseinandersetzungen wurden immer wieder ein paar Quadratmeter gewonnen und aber auch wieder verloren, das eigentliche Kriegsziel wurde aber nie erreicht: Stellungskrieg (defensive Form der Kriegsführung zur Sicherung der Fronten) unter schrecklichen Umständen. Nach dem Eintritt der USA in den Konflikt schaffte Italien sich wieder zu stabilisieren und ein Jahrhundertkrieg, der heute noch von den Amerikanern „The Great War“ genannt wird, war vorbei. – An die entsetzlichen Isonzo-Schlachten erinnern heute noch Dutzende Friedhöfe, Mahnmäler und Museen in Italien, Slowenien und Österreich. Besonders beeindruckend ist der Soldatenfriedhof von Redipuglia, wo mehr als 100.000 Gefallene begraben sind (siehe Foto rechts). Insgesamt gab es zwölf Schlachten am Isonzo zwischen Juni 1915 und Oktober 1917, weit über 600.000 Soldaten ließen hier ihr Leben.
Das versteckte Juwel im Friaul
Die Stadt Gradisca d’Isonzo gilt heute aus mehreren Gründen als verstecktes Juwel in Friaul. Die Festungsstadt in Oberitalien aus der Renaissance wirkt, als wäre sie auf dem Reißbrett geplant worden. Die Venezianer hatten Gradisca im Jahr 1497 aus dem Boden gestampft, als Festung gegen die Angriffe der Türken. Diese waren 1472 überraschend
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TIPP: „Porta Nuova“ in Görz ist der ursprüngliche
Zugang durch die ehemalige Stadtmauer.
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TIPP: Das historische Museum des Monte San Michele zeigt Erinnerungsstücke aus dem grausamen Krieg.
ins Friaul eingefallen und stellten eine permanente Gefahr für Venedig dar. Der Name „Gradisca“ kommt aus dem Slawischen und bedeutet „befestigter“. „La Gradisca“ war noch dazu eine der Heroinnen in Federico Fellinis Film „Amarcord“ aus dem Jahre 1973. Gradisca wurde zum Vorbild vieler europäischer Festungsstädte – am Grundriss der Stadt kann man auch heute noch sehr gut nachvollziehen, warum. Rund um die Piazza d’Italia gruppieren sich Häuser und Palazzi. Beeindruckend ist besonders nach wie vor das Castello, welches während der österreichischen Herrschaft als Gefängnis benutzt wurde. Die Stadtmauer ist bis auf kleine Lücken unversehrt erhalten geblieben. Im 17. und 18. Jahrhundert erlebte Gradisca eine zweite Blüte, und zwar war sie ein eigenes kleines Fürstentum. Der Ort am Isonzo lebte weitgehend vom Handel, reiche Kaufleute siedelten sich an und bauten prachtvolle Palazzi.
Besuch des heutigen Gradisca d’Isonzo
Mitten im Weingebiet des Collio liegt Gradisca d’Isonzo. Hier befindet sich das große Museum des Ersten Weltkriegs, mit Fotos, Reliefs, Mul
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timedia-Darstellungen und konkreten Objekten aus dem tragischen Krieg zwischen Italien und der österreichischen k. u. k. Armee. Ein Monument des Schreckens ist zum Beispiel die architektonisch interessante „Area Pacis“, im nahe gelegenen Medea, wo die Erde aller der Dutzenden Soldatenfriedhöfe gesammelt liegt. Der beeindruckendste Ausflug verspricht aber der auf den Monte San Michele zu werden. Ein Berg, von dem aus man – auch jenseits der Schlachtenerinnerung – einen wunderbaren Rundblick über die Region genießen kann. Die weiten Weinbaugebiete, die geduckten Städte, das Meer und die Silhouette von Triest runden den Ausblick ab.
Görz: Quasi ein kleines Berlin
Nicht nur der Fluss Isonzo schuf Grenzen, Konflikte und Kriege. Die Stadt Görz ist ebenso eine Geteilte – quasi ein kleines Berlin: „Nova Gorica“, der slowenische, und „Gorizia“, der italienische Teil. Die Bewohner sprechen zum Großteil drei Sprachen: Slowenisch, Italienisch und Furlanisch, jener Dialekt, der die gesamte Region prägte. Görz, oder auch Gorizia, ist heute eine offene Stadt, mit starken Verbindungen nach Österreich,
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TIPP: In den Schauräumen des historischen Museums kann man zahlreiche Fotos und Landkarten sehen.
insbesondere nach Graz und zur dortigen Universität. Görz, „das Tor nach Italien“, ist die grünste Stadt Italiens, denn Parkanlage reiht sich an Parkanlage, und man findet Leben überall. Der Isonzo fließt ruhig und das Grün der Bäume und Pflanzen zieht sich durch die ganze Stadt. Es ist eine lebendige Kleinstadt und sie besitzt eine aufmüpfige Jugend, die von den Vätern und Großvätern fordert, man möge endlich die Geschichte aufarbeiten: nämlich Versöhnen und Verarbeiten, nicht Verdrängen. Jedes Jahr am 10. Februar wird der Tag der Erinnerung begangen, zumeist begleitet von internationalen Konferenzen. Man kann sich wie in Österreich, Italien und Slowenien zugleich fühlen: die traditionellen Cafés und die Osterie, die typischen Gerichte, die aus einem kulturellen Mix – wie kaum woanders – kommen. Görz: Eine Stadt zum Leben. Eine Stadt, die zeigt, wie man sich – trotz grausamer Konflikte, Kriege, Zerstörungen – wieder versöhnen kann. ///
info
Museum Monte San Michele
Salita San Michele, 22 I - 34078 Sagrado (GO) Tel.: +39 0481 92002 (Museum des Monte San Michele); Tel.: +39 0481 489024 (Militärgedenkstätte Redipuglia - Direktion)