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Waldecks Wallfahrten
Phil Waldeck ist der Don Quijote unter den Pilgervätern. Ich bin sein Fotograf und Sancho Pansa. Unsere Rosinantes auf den Wallfahrten sind Fahrräder, Roller, Motorräder, City-Zwerge, Cabrios und Roadsters. Wir lieben die Individualverkehrsmittel, weil sie uns dorthin bringen, wo wenig Menschen und viele Windmühlen sind, gegen die wir kämpfen können. Dennoch haben wir Hochachtung vor den pünktlichen und sauberen Öffis in Ost-Österreich. Manchmal fahren wir auch damit. Das Bild zeigt das Weinviertel in einem Moment, da wir auf den Zug warten. So lernen wir wieder eine Geduld, die wir auf unseren Zweirädern und Vierrädern nicht brauchen, also nach und nach verlieren würden. Diese Fotografie ist demnach eine Reverenz an die Wiederentdeckung der Langsamkeit. – Helmut A. Gansterer
TEXT VON PHIL WALDECK. FOTOS: HELMUT A. GANSTERER
Ein Müßiggänger spaziert durch die Stadt und fährt rund um Wien herum.
SONNTAG 16:28 UHR LOKALITÄT: DIE SPITZE DES LEOPOLDSBERGS BETR.: OST-ÖSTERREICH ALS ZENTRUM EUROPAS UND EIN HÜGEL ALS MITTELPUNKT DES MITTELPUNKTS
Willkommen, kluge Leserin, schöner Leser, zur zweiunddreißigsten Wallfahrt. Manchmal pilgere ich mit Cabrio, Roadster, Scooter, Motorrad oder E-Fahrrad durch einen Landstrich, der mir vertraut ist. Den ich, wie man sagt, auswendig kenne. Dann kann es vorkommen, dass sich der Blick nach innen richtet. Dann sehe ich nicht mit den Augen, sondern mit dem Hirn. Dafür gibt es ein eigenes Wort: Denken. Ich tu mir dabei nicht leicht. Das lässt sich an leichtem Kopfweh erkennen, das mit Baby-Aspirin bekämpft wird. So auch jetzt, da ich über die Flughafenautobahn Richtung Burgenland fahre, wo mir jeder Meter so vertraut ist, dass ich lieber denke als schaue. Zum Beispiel denke ich an Briefe, in denen mir Pilgerschwestern schwierige Fragen stellen (Pilgerbrüder fragen nie). Eine Leserin namens Agatha schreibt: „Ich teile Ihre Liebe und die des schau-Magazins zu den Bundesländern Burgenland-Niederösterreich-Wien. Doch braucht nicht jede Liebe einen Mittelpunkt, in der sie sich symbolisch verdichtet? Gibt es einen solchen für Ost-Österreich?“ Nach viel Aspirin kam ich zu drei Antworten an Agatha.
ANTWORT 1: „Ich bezweifle Ihre These, dass Liebe einen Mittelpunkt braucht. Ich hoffe zumindest, dass Sie Ihren Mann nicht allein wegen eines singulären Elements vergöttern. Von Männern weiß ich, dass sie so großzügig sind, ihre Frauen als Gesamterscheinung zu lieben.“
ANTWORT 2: „Eine summarische statt einer zentralen Orts-Liebe scheint mir auch bei Bundesländern und Regionen angeraten. Die drei Länder B-NÖ-W zeichnen sich selbst landes-intern eher durch spannende Vielfalt als durch Gemeinsamkeiten aus. Im Burgenland ist kein gültiger Liebes-Mittelpunkt für Südburgenland, Eisenstadt und Neusiedlersee auffindbar; in Niederösterreich keiner für Waldviertel, St.Pölten und Thermenregion; in Wien keiner für Hietzing, Innenstadt und Simmering.“
Warum eigentlich Kahlenberg? Nicht mal die Bürger des Nobelbezirks Döbling, auf dessen Areal der Leopoldsberg liegt, wissen, dass er früher der „Kahlenberg“ war. Leopold I. ließ dort nach dem Sieg über die Türken eine Kapelle, die diese zerstört hatten, wieder erbauen und widmete sie dem Heiligen Leopold. Bei dieser Gelegenheit wurde der Kahlenberg auf Leopoldsberg umgetauft.
ANTWORT 3: „Interessanterweise ginge dies noch leichter für die gesamte Region Ost-Österreich, die in der EuropaZentrale Brüssel als erstklassig geschätzt wird. Wenn Sie, Agatha, darin partout einen geografischen Mittelpunkt wünschen, so wüsste ich nur einen, der von den meisten Ost-Österreichern akzeptiert werden könnte.“
Gemeint ist der Leopoldsberg. Er ist nur 425 Meter hoch, aber ein Denkmal für ganz Österreich, wenn nicht Europa. Er überragt in seiner geschichtlichen Eminenz alle höheren Erhebungen Ost-Österreichs, auch alle europäischen Riesen in den Alpen und Pyrenäen. Man darf sagen: An den Hängen des Leopoldsbergs wurde das komplette christliche Abendland gerettet. Dort – in letzter Sekunde, wie an den Schulen gelehrt wird – tauchte am 12. September 1683 der polnische Feldherr Sobieski an der Spitze eines deutschpolnischen Entsatz-Heeres auf und schlug den Türken, die Wien belagerten, so kräftig auf den Fez, dass sie fortan für immer verzichteten, ihr orientalisches Reich nach Europa auszudehnen. Das war in der so genannten „Schlacht auf dem Kahlenberge“. Warum eigentlich Kahlenberg? Nicht mal die Bürger des Nobelbezirks Döbling, auf dessen Areal der Leopoldsberg liegt, wissen, dass er früher der „Kahlenberg“ war. Leopold I. ließ dort nach dem Sieg über die Türken eine Kapelle, die diese zerstört hatten, wieder erbauen und widmete sie dem Heiligen Leopold. Bei dieser Gelegenheit wurde der Kahlenberg auf Leopoldsberg umgetauft. Der Name Kahlenberg (er war einst zur leichteren Verteidigung entholzt worden) wanderte zum Nachbarberg weiter, der bis dahin Sauberg genannt ward. Dies als Bruchteil der reizvollen Historie des Ortes, die ihn als Symbol für Ost-Österreich geeignet macht. Auch seine Schönheit spricht dafür. Von weither bezaubert der Anblick der christlichen Stätte und des Burg-Areals. Sie satteln den allerletzten Ausläufer der Alpen, der als steile Nase zur Donau hin abfällt und mit dem jenseits der Donau liegenden Bisamberg die geologisch berühmte „Wiener Pforte“ bildet, durch die sich der große Strom ins Wiener Becken ergießt.
Ein würdiger Mittelpunkt also? Geschichtlich ja. Geografisch auch, zumal er die Bundesländer B-NÖ-W insofern verbindet, als man, auf Wiener Grund stehend, weit ins Niederösterreichische blickt, bei klarem Wetter auch zum südöstlichen Horizont ins Burgenländische. All dies wird leider durch eine erbärmliche Gegenwart entwürdigt. Die Stätte, von ferne schön anzusehen, verrottet in unvorstellbarer Manier. Sie ist Gegenstand eines seit Jahren wogenden Sanierungs-Trauerspiels, in dem viele Parteien eine merkwürdige Rolle spielen. Darunter Grund- & Sakraleigentümer Stift Klosterneuburg, das Bundesdenkmalamt, Wiener Lokalpolitiker und ein Architekt, dem man 100-jähriges Baurecht zubilligte und der seither als untätig scheinender, steinerner Gast alle Presse-Anfragen abweist. Für detaillierte Schuldzuweisungen fehlt mir der Sachverstand. Ich empfehle Lokalberichte von „Wiener Zeitung“ und „Kurier“ im Netz. So, wie er jetzt aus der Nähe aussieht, ist der Leopoldsberg für die fantastischen Bundesländer B-NÖ-W kein Symbol, schon gar kein tauglicher Liebes-Schwerpunkt im Sinne meiner Leserin Agatha. Er ist eine Schande.
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In den „Wallfahrten“ des schauMagazins erfuhr das Elektrofahrrad (E-Bike, Pedelec) seine finale Emanzipation. Es steht längst gleichwertig neben Motorrädern, Scooters und City-Cars in meiner Test-Garage. Heute lobe ich absichtsvoll zwei österreichische Altmodelle. Sie sind bei mir im härtesten Langzeit-Test, geschunden auch von Frau und Kindern. Bisherige Fehlerquote: exakt Null. Auch die komplexen (und teuren) Batterien überwinterten makellos. Das Puch Kraftwerk geht in die dritte, das KTM e-Fun in seine vierte Saison. Meine guten Erfahrungen werden von zirka 200 Marken-E-Bike-Kollegen, die ich ansprach, geteilt. Diese Botschaft schien mir im Frühling 2014 wichtiger als der Test eines Neufahrzeugs. Denn im Vorjahr erschienen konzertierte Horror-Tests, die skandalös absichtsvoll schienen, mindestens aber weltfremd waren.
DIENSTAG 11:05 UHR LOKALITÄT: FLORIDSDORFER WIRTSHÄUSER BETR.: DIE KREATIVEN INDIVIDUAL-ORTE VON B-NÖ-W
Floridsdorf und Donaustadt waren einst verachtete Arbeiterbezirke jenseits der Donau, in „Transdanubien“. Vielleicht gerade deshalb die heutige Erinnerungs-Liebe von Prominenten, die dort ihre Jugend verbrachten. Jüngst sah ich eine berührende Doku, in der Erika Pluhar, Gerald Pichowetz und Hannes Androsch in symphonischer Nostalgie auftraten. Das heutige Floridsdorf gefällt auch dem Fremden. Sofern er es schätzt, im modern gewordenen Bezirk immer noch eine Spur einstiger Solidarität zu fühlen, eine höhere Herzlichkeit der Gemeinschaft, und einen nach Wien-Maßstäben ruhigen Pulsschlag, der daher rühren mag, dass die Ränder Floridsdorfs schon ins bukolische Land verfließen. Ich komme oft her, weil die feinen Radwege rund um die Donauinsel zu schönen Abstechern in den 21. Bezirk ermuntern, zu meinem neuen Lieblings-Italiener „Tartufo“, zu den „Am Spitz“ gelegenen Lokalen wie „S’Amterl“, „Zum Neusiedler“ und eine schöne Niederlassung von „Segafredo“. Auch die Kantine von Pichowetz’ „Gloria-Theater“ garantiert, wie das Theater selbst, heitere Stunden. Bin nun von dort wieder zurück an der Donau, stromaufwärts in „Auerhahn’s Jausenstation“, wo ich den Leopoldsberg in voller Pracht sehe. So komme ich nochmals zum ersten Kapitel dieser Wallfahrt zurück. Wäre schön, wenn dort bald alles in Ordnung käme. Instinkt lässt mich zweifeln. Zumal ich höre, dass nach neuesten Sanierungsplänen trotz der sagenhaften Lage keinerlei Jausenstationen fürs hiesige Volk und die Touristen eingeplant sind.
KTM e-Fun: Stabil wie die Donauschleuse
kolumne
Der Autor
Philipp „Phil“ Waldeck schreibt die Kult-Kolumne „Waldecks Wanderbriefe“ in der autorevue.
Der Fotograf
Helmut A. Gansterer schreibt u.a. für trend, seine Bücher „Endlich alle Erfolgsgeheimnisse“ und „Darf man sich’s urgut gehen lassen (Wo es doch allen so schlecht geht)“ sind aktuelle Bestseller. Er wurde von Waldeck und schau-Magazin als Fotograf entdeckt.
„Demokratie wird weit überschätzt“, sagt Stacy Keach im TV-Serien-Blockbuster „House of Cards“. Vielleicht ist es diese Geisteshaltung, die hier dominiert. Ich wehre mich noch innerlich dagegen, sie mit dem Stift Klosterneuburg in Verbindung zu bringen. Ich schätze das Stift aus drei Gründen. Erstens ist es eine der schönsten, auch gepflegtesten Architekturen Ost-Österreichs. Zweitens verdanken wir der glänzenden Weinfachschule des Stifts viele unserer kreativen Winzer. Drittens kenne ich persönliche Dankbarkeit. Vom Fenster meiner ländlichen Schreibstube am Bisamberg blicke ich leutselig nieder auf den Doppelturm. Die Gravität geistlicher Gebäude erleichtert die Geistesarbeit. Dies muss fairerweise gesagt sein. Andererseits ist man glücklich, sein kleines Studio auf eigenem Grund zu wissen, nicht auf den auch diesseits der Donau dominierenden Pachtgründen des Stifts. Viele Nachbarn stöhnen unter der Geschäftstüchtigkeit der Chorherren. Selbst wenn der Leopoldsberg wider Erwarten schnell und schön saniert und mit christlicher Nächstenliebe gestaltet wird (ein schöner Heuriger muss nicht automatisch heißen, dass die Leopoldskapelle dem VandalismusTod geweiht ist – wo bleibt der Glaube ans Gute?), gibt es keine Notwendigkeit, aus ihm den zentralen, freundlichen Vulkan Ost-Österreichs zu machen. Diese Region ist ein Paradies dezentraler Feuerstellen, an denen eigene Lieder gesungen werden. Ich merke dies grad jetzt wieder, da ich die Liste meiner Wallfahrts-Motorräder für 2014 studiere. Jedes erinnert an witzige, individuelle Orte im Burgenland, Niederösterreich und Wien, die ich mit Vorgänger-Modellen heimgesucht habe. ///
Ihr Fokus liegt auf dem PO-larisieren: Lukas „G-Neila“ Plöchl und Manuel „Manix“ Hoffelner schwimmen gegen den
Strom und das aus
Überzeugung. schau hat die beiden Musiker zu ihrer
Erfolgsstrategie befragt.
Wir sind wir
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TEXT VON NINA NEKOUI UND CHRISTOPH BERNDL FOTO: RENE WALLENTIN
SCHUACHBLATTLA BOOGIE, so heißt einer der vielsprechenden Titel auf dem neuen Album „TS 4“ der Trackshittaz. „Das Lied ist auch durch einen Zufall entstanden“, erzählt Lukas Plöchl und spielt dabei auf ihre erste Erfolgs-Single „Oida taunz“ an, welche sich ebenso nur aus einer Spielerei entwickelt hat. Auch der neue Song verspricht wieder ein Kracher für die Tanzfläche zu werden – eine eigene Choreografie gibt’s natürlich auch dazu. „Dabei habe ich doch nie einen Schuachblattler getanzt“, lacht der Wiener.
Mix aus Volkstum und HipHop
„Wiener Wiesn“, Helene Fischer, Lederhosen und Dirndl – der Trend ist eindeutig volkstümlich. „Es ist an der Zeit, dass man wieder zu Österreich stehen darf, das ist eine gute Bewegung. Ich hoffe, dass es nicht nur ein Trend ist, sondern eine Bewusstseinsänderung“, wünscht sich Lukas Plöchl offen. Er steht dazu, dass die „Quetschn“ und die Lederhose in Österreich Tradition sind. Der eigensinnige Mix aus volkstümlichen Beats und Hip-Hop ist ein Ergebnis des Herumprobierens am Synthesizer. „Wo jetzt im Lied die Quetschn zu hören ist, war eigentlich die Kuhglocke“, beschreibt Manuel „Manix“ die Entwicklung ihrer unverwechselbaren Songs. Ob sie den Trend damit ausgelöst haben oder ob sie einfach reingerutscht sind, beschreibt Lukas so: „Es ist immer ein Geben und Nehmen. ‚Oida taunz‘ hat allerdings bei dem Trend schon stark mitgemischt und es zu der Zeit am besten auf den Punkt gebracht.“
„Uns interessiert die Diskussion nicht mehr, was man in Österreich darf und was nicht.“
Lukas Plöchl
Jugend trifft Erfahrung
info
Mit seiner Juroren-Kollegin Stefanie Werger in der TV-Show „Herz von Österreich“ versteht sich Lukas Plöchl prächtig: „Sie verkörpert genau das, was wir auf dem Album machen: Sie sagt alles direkt.“ Von 30 Jahren Musikbusiness-Erfahrung kann man nur lernen, so schwört der junge Musiker dank ihr auf Langfristigkeit: „Lass Dich nicht von Sachen runterziehen, weil sie jetzt nicht funktionieren. Das Leben ist ein langer Weg.“ Aber nicht nur vom Schlager-Urgestein haben die beiden Hip-HopMusiker gelernt, betont Manuel Hoffelner: „Wenn die Leute uns als nervig empfinden, dann sollen sie das. Wir wollen es nicht allen recht machen. Entweder man mag uns und das, was wir tun, oder eben nicht.“ Der Erfolg gibt ihnen recht, denn ehrlich währt ja bekanntlich am längsten. ///
Trackshittaz
Das neue Album „TS 4“ des österreichischen Erfolgsduos erscheint am 21. März 2014. Lukas Plöchl wird in dem neuen Film „RISE UP! AND DANCE - Folge deinem Herzen“ ab Mitte März 2014 in den Kinos zu sehen sein. In dem DanceMovie geht es um einen Bauernbuben, der nur eines will: Tanzen. Manuel Hoffelner macht eine Tanzpause, denn er muss demnächst seinen Zivildienst im Sozialbereich ableisten.
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Pierce Brosnan
Meine Frau ist mein Polarstern
INTERVIEW VON JULIA PÜHRINGER
Pierce Brosnan spielt in „A Long Way Down“ einen skandalgebeutelten, lebensmüden Moderator aus dem Frühstücksfernsehen. Bei der Berlinale erzählte er schau in einem sehr persönlichen Interview von seiner Familie, seinen Lebensdramen und seiner irischen Heimat.
Vier ganz verschiedene
Menschen lernen sich auf dem Hochhausdach kennen, von dem sie sich alle eigentlich hinabstürzen wollten.
Film „A Long Way Down“
Tragikomödie, Australien / GB 2014 Nach einem Roman von Nick Hornby Regie: Pascal Chaumeil Darsteller: Pierce Brosnan, Aaron Paul, Toni Collette, Imogen Poots Kinostart in Österreich: 4. April 2014
NICK HORNBY schrieb bereits 2005 seinen Selbstmörder-Selbsthilferoman um vier Depressive, die sich auf dem Dach eines Hochhauses treffen und einen Pakt schmieden. Nun wurde das Buch mit Pierce Brosnan, „Breaking Bad“-Star Aaron Paul, der fabelhaften Toni Collette und Imogene Poots verfilmt Der Film feierte bei der Berlinale Premiere. Während die Journalisten ermahnt wurden, nicht allzu privat nachzufragen, erlaubt Brosnan selbst höchst intime Einsichten.
schau: Im Film zerbrechen Sie fast an einer Lebenskrise – was verleiht Ihnen Stärke?
Pierce Brosnan: Meine Familie, meine Frau, sie ist mein Polarstern. Ich kann mich unendlich glücklich schätzen, dass ich (nach dem Krebstod seiner ersten Gattin, Anm. d. Red) noch einmal eine neue Partnerin fand, eine Familie gründen konnte. Ich bin in Irland aufgewachsen und katholisch erzogen worden, das bleibt einem – einmal Katholik, immer Katholik. Natürlich kamen im Laufe der Zeit auch andere Lebensphilosophien dazu. Letztlich entkommt niemand dem Herzschmerz und dem Leid – man versucht einfach, das Beste draus zu machen. Wenn man weiß, wer man ist, hat man glücklicherweise eine gute Basis, um damit umzugehen.
Frühstücks-TV-Moderator Martin Sharp, Ihre Rolle im Film, sehnt sich ja danach, wieder berühmt zu sein. Wie erleben Sie den Ruhm?
Man muss das entspannt sehen und immer mit Humor nehmen. Ruhm kommt und geht, kann sehr hell brennen, unberechenbar sein, schön und verführerisch … und dann ist er plötzlich wieder weg. Wenn das passiert, ist es wichtig, gute, echte Freunde zu haben.
Hatten Sie jemals Angst vor dem Scheitern?
Ich kann sehr selbstkritisch sein, das ist kein rasend angenehmes Gefühl. Es ist ein wenig besser, seitdem ich ein bisschen älter und weiser bin. Als ich jung war, hab ich mich echt verbogen. Ich habe auf solche Gedanken viel zu sehr gehört – die guten Dinge sind an mir vorübergerauscht, während ich viel zu lang mit den schlechten gerungen habe.
„A Long Way Down“ hat auch zum Thema, wie man die Story kontrolliert, die Medien über einen berichten. Ist Ihnen das wichtig?
Nein. Außer es beeinträchtigt meine Frau oder meine Kinder. Es kann natürlich passieren, dass man Dinge sagt, die einen dann einholen, wo man sich denkt, das hab’ ich nicht ganz so gemeint. Aber ganz ehrlich, ich lese das alles nie. Ich kann mich noch erinnern, bei „Mamma Mia!“ stand in der ‚Sun‘, „Pierce Brosnan könnte nicht mal einen Ton treffen, wenn er so groß wie der Kopf der Queen wäre“ (lacht). In dem Fall habe dann aber ich zuletzt gelacht.
Wie war Ihr eigener Vater?
Ich hatte keinen. Er verließ uns, als ich noch ein kleines Kind war. Meine Mutter und ich haben viel versäumt, ich habe viel Zeit mit meinen Großeltern verbracht. Mein Großvater war meine Vaterfigur. Er war ein liebenswürdiger Mann, sehr respektiert. Die Leute haben ihn um Rat gefragt.
Kritisiert Sie Ihre Familie manchmal?
Oh ja, bei „Mamma Mia!“ hatten sie alle davor Angst, mich singen zu hören. Aber sie unterstützen mich – meine Söhne sind 13 und 17, die beginnen jetzt schon, Filme zu machen. Auch ich unterstütze sie: Wäre ich Schuhmacher, würden sie eben Schuhe machen. Ich bin eben Künstler und Filmemacher.
Aaron Paul, Toni Colette und Imogen Poots wirken im Film, als ob sie sich gut verstehen würden – wie war die Stimmung am Set?
Es war tatsächlich so, dass wir gemeinsam frühstückten, mittagessen und abendessen gingen. Toni Colette hat das Rudel angeführt, sie und ihr Mann lieben gutes Essen und guten Wein, sie haben immer das Restaurant ausgesucht und ich brauchte nur mehr mitzugehen.
Was bedeutet Mut für Sie?
In der Lage zu sein, sich selbst ins Gesicht zu sehen. Mut ist, die Schicksalsschläge einzustecken, die das Leben einem zumutet, die Trauer, die Verluste, und es zu schaffen, dabei nicht draufzugehen oder emotional dicht zu machen.
Sie tragen viel Verantwortung – gibt es trotzdem Momente, in denen Sie sich frei fühlen?
Ja, ich bin frei. Als ich meine Frau vor 20 Jahren kennengelernt habe, hab ich ihr gleich gesagt: Du willst Abenteuer? Na, dann halt mal deinen Hut fest! Und schon ging es los – bergab, bergauf und auch im Kreis. Aber sie ist eine wunderbare Frau und eine großartige Gärtnerin, ich kann ein bisschen schauspielen und so meistern wir das Leben ganz gut (lacht).
Was verbinden Sie mit Ihrer irischen Herkunft?
Es hat schon einen romantischen Touch, irisch zu sein, eine gewisse Gefühlsbetontheit, die Iren haben ihren Mystizismus, besitzen Charakterstärke und sie wissen definitiv auch, wie man eine gute Zeit hat. Ich bin von Geburt an irisch und das trage ich wohl immer in mir, auch wenn ich einen amerikanischen Pass habe und die USA jetzt meine Heimat sind.
Was raten Sie Ihren Kindern?
Lerne. Arbeite hart. Sei gütig.
Vielen Dank für das Gespräch! ///
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