schaugeschichte
Vorhang auf fürs letzte Stegreiftheater der Welt TEXT VON HEDI MATHIAS
Draußen in der Vorstadt, inmitten von Wohnhäusern und Gärten, liegt das letzte Stegreiftheater Wiens.
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UM 1900 HATTEN die typischen Wiener Stegreifbühnen ihren Anfang in den Varietévorführungen der Vergnügungsetablissements im Wiener Prater. Eine Hochblüte erlebten sie dann in der Zeit zwischen den beiden großen Kriegen, einer Zeit also, in der Arbeitslosigkeit und Inflation – kurz, der Kampf ums tägliche Überleben – den Alltag der Menschen in der Vorstadt prägten. An die zwanzig Stegreifbühnen gab es damals, in denen es möglich war, um wenig Geld für ein paar Stunden alle Probleme zu vergessen. Beheimatet waren sie in den Arbeiterbezirken am Rande Wiens wie Meidling, Fünfhaus, Ottakring, Hernals, Leopoldstadt, Brigittenau und Floridsdorf. Gespielt wurde, was auch an großen Bühnen der Fall war, angepasst an die Gegebenheiten – was zum Beispiel die Anzahl der Schauspieler betraf. So wurden „Romeo und Julia“ oder „Die Räuber“ genauso gegeben wie Märchen, Volksstücke und Bauernpossen. Aber im Gegensatz zu den „anderen“ Thea-
tern besteht das Prinzip des Stegreiftheaters darin, dass im Prinzip nur das Stück und die Rahmenhandlung fix sind. Vor der Vorstellung instruiert der Spielleiter seine Schauspieler über den Handlungsablauf, alles ohne Proben. Und dann, im Spiel, entwickelt jeder Schauspieler seine Rolle selbst – eigentlich die ursprünglichste Form der Schauspielerei, ohne die Zwänge eines vorgegeben Textes. Was wurde aus den vielen Stegreiftheatern?
Nach den Aufbauarbeiten im zerstörten Wien wurden viele Flächen an der Peripherie, wo die alten Pawlatschenbühnen einst standen, für Neubauten genutzt und so verloren die Ensembles – bereits dezimiert durch den Krieg – ihre Heimstätten. Zudem brauchte man nun auch für alles eine „Konzession“ – und, nicht zu vergessen, man brauchte auch Schauspielerpersönlichkeiten. Einer Bühne gelang jedoch das Überleben:
dem Tschauner. Zwar musste auch die Tschauner Bühne umziehen, bis 1957 in der Maroltingergasse 43 ein Platz gefunden wurde. Vom Einsatz mit Herzblut
Um die Konzession musste die Prinzipalin, Frau Karoline Tschauner, in den fast fünfzig Jahren ihrer Leitung des Öfteren kämpfen. Sie ist als Spross einer Schaustellerfamilie noch in der Welt des Varietés, der Hutschenschleuderer und eines Liliom groß geworden (so treffend beschrieben vom Wiener Volksbildungswerk). Doch „der Tschauner“ schaffte etwas, was den anderen nicht gelang: Mit herausragenden Künstlerpersönlichkeiten wie zum Beispiel Ferry Glas und Walter Mittler und der auch heute noch vom Publikum verehrten Emmy Schörg gelang es, ein Stammpublikum heranzuziehen. Zwar kämpfte die Prinzipalin jedes Jahr ums Überleben, denn viel gab es nicht an Subvention und die Einkünfte waren, da aljuli/august 2014
FOTOS: ARCHIV TSCHAUNER BÜHNE (3), CHRISTOPH BÖHLER
Musik, Lachen und Unvorhergesehenes erfüllt die Luft in Sommernächten: Willkommen beim Tschauner!