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Psychologin Dr. Gabi Pörner im Interview

„DORT WO DIE ANGST IST DA GEHT‘S LANG!“

Dr. Gabi Pörner ist Psychologin und Pädagogin. Neben ihrer Arbeit als Trainerin und Coach für Führungskrä e und Privatpersonen veröffentlicht sie Bücher zur Persönlichkeitsentwicklung, Selbstführung und Stärkung des Selbstvertrauens. Sie lebt und arbeitet in Grünwald. Im Interview spricht sie über ihr neuestes Buch „Aus der Angst in die Kra “

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INTERVIEW SANDRA JOHNSON

Frau Dr. Pörner, Sie sprechen in Ihrem Buch davon, dass Angst zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Wie meinen Sie das?

Angst dient zuerst dazu, dass wir blitzschnell handeln können, sie schützt uns vor Gefahren und sichert damit unser Überleben. Heutzutage bekommen wir aber oftmals Angst, wenn es nicht unmittelbar um das Überleben geht – z.B. vor Präsentationen, Prüfungen oder wenn es darum geht, die eigene Meinung zu vertreten oder Nein zu sagen. Viele Menschen verstehen Angst als Gegner, den sie möglichst schnell loswerden wollen. Wir können Angst unter einem positiven Blickwinkel betrachten. Angst wirft uns auf uns selbst zurück und will unser Selbstbild schützen. Sie enthält viele Chancen für persönliches Wachstum: • Sie rüttelt an Gewohnheiten, stellt Vertrautes infrage und legt so den Samen für weitere Entwicklung. • Sie kann uns auffordern, ehrlich zu uns selbst zu sein, auch wenn es erst mal nicht nur angenehm ist, uns selbst mit unseren Stärken und Schwächen wahrzunehmen und uns zu akzeptieren. • Sie kann der ausschlaggebende Antrieb für Veränderungen sein, lässt uns kreativ nach neuen Lösungen suchen. • Sie weist uns auf Probleme hin, kann uns auf bestimmte Überzeugungen und Verhaltensweisen aufmerksam machen und zu guter Planung und Vorbereitung verhelfen. Das ist doch eine Menge!

Sie sagen, dass Glaubensmuster aus der Kindheit unser heutiges Verhalten auch in Sachen Angst steuern. Wie ist das genau zu verstehen?

Wir werden in ein bestimmtes Umfeld mit bestimmten Werten und Normen hineingeboren und lernen durch Erziehung, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen in diesem Umfeld als wünschenswert bewertet werden. Wenn wir uns entsprechend verhalten haben, wurden wir gelobt und fühlten uns gut. Wenn wir etwas falsch gemacht haben, wurden wir geschimpft und fühlten uns schlecht. Auf diese Weise entwickelten wir im Zusammenspiel mit unseren Talenten im Lauf der Zeit bestimmte Überzeugungen, die

FOTO: PRIVAT

auch Glaubenssätze genannt werden, die uns selbst betreffen. Diese sind weitgehend unbewusst, bestimmen aber unser Verhalten. Je mehr wir einen Glaubenssatz verinnerlicht haben, desto mehr glauben wir, dass es „so ist und nicht anders“. Wir müssen uns auf eine bestimmte Weise verhalten, um uns Anerkennung, Wertschätzung und Liebe zu sichern. Manche Menschen haben gelernt, dass sie sich anstrengen, bescheiden oder hilfsbereit sein müssen. Andere müssen schnell, stark sein oder viel leisten. All diese Eigenschaften sind hilfreich, doch wenn wir uns auf eine bestimmte Weise verhalten müssen, dann ist dies zwanghaft. Wir haben keine Wahl im Hinblick auf unser Verhalten und treiben uns ständig an. Das ist einseitig, bringt uns in Stress. Wir geraten aus der Balance. Angst kommt dann hoch, wenn wir von unseren Glaubenssätzen abweichen. Zum Beispiel, wenn jemand hilfsbereit sein muss, so hat

der- oder diejenige Angst, sich abzugrenzen und Nein zu sagen. Muss jemand schnell sein, so können schon Pausen mit unangenehmen Gefühlen verbunden sein. Es gibt auch Glaubenssätze, die andere betreffen. Diese sind mit unseren eigenen Erwartungen an sie verbunden, beispielsweise: „Andere müssen entgegenkommend, freundlich, hilfsbereit, zuverlässig … sein.“ Wenn diese unsere Erwartungen nicht erfüllen, kann das besonders in Beziehungen Kindheitsängste aktivieren, wie die Angst, nicht gut genug zu sein, abgelehnt oder verlassen zu werden.

Und wie schafft man es, für sich nicht mehr stimmige Glaubenssätze durch neue zu ersetzen?

Wenn wir merken, dass wir in bestimmten Situationen immer wieder in Stress kommen, können wir überlegen, welche mentalen Muster dahinterstecken. Dann können wir neue Sätze kreieren, die zu mehr Wahlfreiheit und Gelassenheit führen. Schon, wenn wir das „ich muss“ durch ein „ich kann“ ersetzen, gewinnen wir mehr Freiraum. Ängste nehmen ab.

Was hat die Bewältigung von Ängsten mit dem Verlassen unserer Komfortzone zu tun?

Wann immer wir kurz davor sind, etwas Neues zu tun, spüren wir unsere Stresssymptome, das ist normal. Sie machen uns wacher, aufmerksam und bereiten uns auf das Handeln vor. Wir interpretieren dies oft als Angst. Prof. Alison Wood Brooks von der Harvard Business School hat eine Studie zum Thema „Umdeuten von Angst“ gemacht und Folgendes festgestellt: Wenn Studienteilnehmende Angst vor neuen Aufgaben, Präsentationen und Prüfungen als „angeregt sein“ oder „aufgeregt sein“ oder gar als „Vorfreude“ bewerteten, dann waren sie zuversichtlicher und erfolgreicher. Es lohnt sich also, immer wieder einen Schritt aus der Komfortzone zu machen. Zudem erweitern wir unseren Horizont, gewinnen an Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Energie und Mut, uns für das, was uns wichtig ist, einzusetzen!

Was sind Ihrer Erfahrung nach wirksame Bewältigungsstrategien?

Bewusste Selbstwahrnehmung ist wichtig, damit wir uns bewusst regulieren und in unserer Kraft bleiben können: • Es gilt zu akzeptieren, dass in manchen Momenten Angst da ist.

Allein das führt oftmals zu Entspannung. • Wir können sie umdeuten oder den Fokus der Aufmerksamkeit verlagern. • Sobald wir Frühsignale von Stress erkennen, können wir bewusst langsam und tief atmen und unsere Aufmerksamkeit verlagern. • Unser Gehirn hat evolutionsgeschichtlich gelernt, auf Dinge zu schauen, die irritierend, verunsichernd oder ängstigend sind.

Dieses Erbe tragen wir in uns. Wir leiden unter einer negativen

Verzerrung der Realität – das hat uns auch Corona gezeigt. Doch gerade in herausfordernden Situationen ist es wichtig, in unserer

Kraft zu bleiben, uns bewusst zu stärken und auf Dinge zu achten, die gut sind, denn selbst in der dunkelsten Nacht leuchten

Sterne! Deshalb ist es wichtig, als Gegengewicht zur Angst bewusst zu fühlen, was uns Kraft gibt – Natur, schöne Erinnerungen, gute Gespräche –, und diese guten Gefühle auch im Körper zu spüren. • Angst bekommen wir, wenn wir uns Sorgen um mögliche zukünftige Ereignisse machen. Wenn wir dies erkennen, können wir bewusst unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart und unsere aktuellen Tätigkeiten lenken. Dies alles ist zu Beginn nicht einfach, aber langfristig lohnenswert, weil wir uns durch diese Übungen selbst stärken, sodass wir uns zuversichtlich auf Neues einlassen und konstruktiv mit Veränderungen umgehen können.

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AUS DER ANGST IN DIE KRAFT

Wie ich meine inneren Stärken erkenne und nutze

ist im Fischer & Gann Verlag erschienen und für 17 Euro im Buchhandel erhältlich.

Wir verlosen drei Exemplare unter verlosung@dahoam-verlag.de, Stichwort „Innere Stärken“ (Einsendeschluss 15. 06. 2022).

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