mei Dahoam Frühjahr/Sommer 2022

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BESSER LEBEN

„DORT WO DIE ANGST IST DA GEHT‘S LANG!“ Dr. Gabi Pörner ist Psychologin und Pädagogin. Neben ihrer Arbeit als Trainerin und Coach für Führungskrä e und Privatpersonen veröffentlicht sie Bücher zur Persönlichkeitsentwicklung, Selbstführung und Stärkung des Selbstvertrauens. Sie lebt und arbeitet in Grünwald. Im Interview spricht sie über ihr neuestes Buch „Aus der Angst in die Kra “

Frau Dr. Pörner, Sie sprechen in Ihrem Buch davon, dass Angst zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Wie meinen Sie das? Angst dient zuerst dazu, dass wir blitzschnell handeln können, sie schützt uns vor Gefahren und sichert damit unser Überleben. Heutzutage bekommen wir aber oftmals Angst, wenn es nicht unmittelbar um das Überleben geht – z.B. vor Präsentationen, Prüfungen oder wenn es darum geht, die eigene Meinung zu vertreten oder Nein zu sagen. Viele Menschen verstehen Angst als Gegner, den sie möglichst schnell loswerden wollen. Wir können Angst unter einem positiven Blickwinkel betrachten. Angst wirft uns auf uns selbst zurück und will unser Selbstbild schützen. Sie enthält viele Chancen für persönliches Wachstum: • Sie rüttelt an Gewohnheiten, stellt Vertrautes infrage und legt so den Samen für weitere Entwicklung. • Sie kann uns auffordern, ehrlich zu uns selbst zu sein, auch wenn es erst mal nicht nur angenehm ist, uns selbst mit unseren Stärken und Schwächen wahrzunehmen und uns zu akzeptieren. • Sie kann der ausschlaggebende Antrieb für Veränderungen sein, lässt uns kreativ nach neuen Lösungen suchen. • Sie weist uns auf Probleme hin, kann uns auf bestimmte Überzeugungen und Verhaltensweisen aufmerksam machen und zu guter Planung und Vorbereitung verhelfen. Das ist doch eine Menge! Sie sagen, dass Glaubensmuster aus der Kindheit unser heutiges Verhalten auch in Sachen Angst steuern. Wie ist das genau zu verstehen? Wir werden in ein bestimmtes Umfeld mit bestimmten Werten und Normen hineingeboren und lernen durch Erziehung, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen in diesem Umfeld als wünschenswert bewertet werden. Wenn wir uns entsprechend verhalten haben, wurden wir gelobt und fühlten uns gut. Wenn wir etwas falsch gemacht haben, wurden wir geschimpft und fühlten uns schlecht. Auf diese Weise entwickelten wir im Zusammenspiel mit unseren Talenten im Lauf der Zeit bestimmte Überzeugungen, die

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FOTO: PRIVAT

I N T E RVIEW SA NDRA J OHNSON

auch Glaubenssätze genannt werden, die uns selbst betreffen. Diese sind weitgehend unbewusst, bestimmen aber unser Verhalten. Je mehr wir einen Glaubenssatz verinnerlicht haben, desto mehr glauben wir, dass es „so ist und nicht anders“. Wir müssen uns auf eine bestimmte Weise verhalten, um uns Anerkennung, Wertschätzung und Liebe zu sichern. Manche Menschen haben gelernt, dass sie sich anstrengen, bescheiden oder hilfsbereit sein müssen. Andere müssen schnell, stark sein oder viel leisten. All diese Eigenschaften sind hilfreich, doch wenn wir uns auf eine bestimmte Weise verhalten müssen, dann ist dies zwanghaft. Wir haben keine Wahl im Hinblick auf unser Verhalten und treiben uns ständig an. Das ist einseitig, bringt uns in Stress. Wir geraten aus der Balance. Angst kommt dann hoch, wenn wir von unseren Glaubenssätzen abweichen. Zum Beispiel, wenn jemand hilfsbereit sein muss, so hat


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