September 2008

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Goodbye Youssef Chahine

«Gedanken haben Flügel, niemand hält sie auf!» 10

Tierschutz am Roten Meer

Automobilclub für alle Ägypter

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Single im muslimischen Land

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Ägypten Heute ist eine monatlich - kulturelle, touristische und politische Zeitung

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Fernsehprogramme

Deutsche Frau und ägyptischer Mann

24 September 2008

2 € / 16 L.E


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Inhalt In den ländlichen Gegenden Ägyptens gehört Kinderarbeit zum Leben - von klein auf helfen die Kinder, entweder im Familienbetrieb oder beim Großbauern nebenan. Auch die Sekem-Farm in der Nähe von Bilbeis, nordöstlich von Kairo, die Baumwolle, Lebensmittel und Kräuter in biologisch-dynamischer Landwirtschaft für den ägyptischen und den europäischen Markt produziert, beschäftigt Kinder. Allerdings unter einer Bedingung: Die Eltern müssen einwilligen, dass diese Kinder in die Schule gehen.

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Es stellt sich die Frage, ob sich die Deutschen in Hurghada in dieser deutschen Art und Weise als Ausländer oder Gastarbeiter fühlen. Eins muss klar sein: Die Bezeichnung als Ausländer unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Begriff „Gastarbeiter“. Der Ausländer kann in dem Land für immer leben, im Gegensatz zum Gastarbeiter, der irgendwann gehen muss.

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Die Lebensräume ägyptischer Männer und Frauen sind die meiste Zeit über voneinander getrennt. Beide Geschlechter werden dazu erzogen, im jeweils anderen Geschlecht ausschließlich potentielle Sexualpartner zu sehen, vor deren physischer Nähe man sich unbedingt schützen muss. Sexualität wird ausschließlich durch das Eingehen der Ehe legitimiert.

5 Schnell gewöhnt man sich den ägyptischen Schlendergang an, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Bloß nicht westlich hektisch erscheinen. Langsam, aber doch mit großen Schritten schlendernd und auffällige Mimik vermeidend, kann man sich anpassen an den Rhythmus der Menschen, die hier ihren Alltagsbesorgungen nachgehen. Selbst die viel befahrenen Straßen kann man so überqueren.

7 Management by “insha’ allaah”

Eine Golfanlage mitten in der Wüste zu managen mutet zunächst einmal für einen Europäer wie ein Märchen aus “1001 Nacht” an und ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache oder Wunscharbeitsplatz. Ein Golfclubmanager aus Berlin sieht das inzwischen anders. Für fast fünf Jahren war er Manager des El Gouna Golf Club im gleichnamigen exklusiven und privaten Ferienort am Roten Meer.

Single-Frau im muslimischen Land

In der Zwickmühle der legalen Politik

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Deutsche Frau mag ägyptische Männer

Der Scheich Yussuf al-Badri sucht in Sachbüchern, Romanen und Gedichten nach einem Wort, das er als unislamisch, ketzerisch oder religionsbeleidigend deutet. Findet er ein solches, bezeichnet er den Autor als ungläubig, als Apostaten und verlangt womöglich seine Zwangsscheidung.

Ältere ägyptische Männer wollen nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr attraktiv sind. Sie glauben, uns Frauen genüge, dass sie «Männer» seien - was auch immer das heissen mag. In Ägypten gilt: Die Ehefrau sollte unbedingt jünger als ihr Mann sein, ihm sind altersmässig nach obenhin kaum Grenzen gesetzt. Am Nil sind Hausmeister, Chauffeure und Dienstboten den lieben langen Tag auf der Strasse und wissen genau, wer wo wann kommt und geht, und was er sagt oder macht. Sie sind die eigentliche Sittenpolizei in Ägypten, und Fremde, die ein Haus betreten, werden von ihnen unverzüglich bemerkt. Dann werden die Besucher durch die Moralmangel genommen. Ausserehelicher Sex ist das grösste Tabu am Nil. Frauen traut man in Ägypten viel «Schlechtes» zu, und Geschiedenen sogar das «Allerschlechteste» - nämlich Lust auf Sex.

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Gastarbeiter oder Mitbürger?

Kamillenkinder

Spaziergang durch Kairo

Ägypten Heute

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Vorwort Normalerweise schreibt der Chefredakteur das Vorwort, aber heute schreibt unser Berater Werner Witpeerd über das Wetter und seine Probleme damit! Was ist schöner, im ägyptischen Sommer zu schwitzen oder im kühlen und nassen deutschen Sommer zu frieren? Dieses Erlebnis hat es verdient, auf der dritten Seite platziert zu werden.

Heimweh nach Ägypten!

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Ich will dahin, wo das Wetter dauerhaft schön ist.

m 1. Juni musste ich leider das Sonnenland verlassen und flog zurück nach Deutschland. Was mich erwartete war klar, Regen, kühle Temperaturen und eine Hecke, die das Schneiden unbedingt nötig hatte. Durch die Wärme im April und den darauf folgenden Dauerregen hatte sich die vordere Begrenzung unseres Grundstückes urwaldähnlich entwickelt. Da keiner meiner Söhne sich erbarmt hatte, das gute Stück zu stutzen, blieb es mir vorbehalten, sie wieder in Form zu bringen. In Ägypten ist so etwas sehr einfach, man rollt das Stromkabel aus, schließt die Heckenschere an und los geht’s. Im Siebengebirge, da, wo ich in Deutschland wohne, war das nicht so einfach. Kaum hatte ich alles, was ich brauchte zurechtgelegt, da näherte sich der erste Schauer. Also, alles wieder einpacken und auf ein Regenloch warten. Das kam dann auch, so nach einer Stunde und der Countdown begann. Hurtig alles wieder vorbereitet und los ging es mit dem ersten von 20 Metern. Sogar die Sonne ließ sich kurz blicken und dann zog ein Gewitter auf. Dem ersten Blitz folgte ein gewaltiger Donner und dann blitzte es noch einmal ganz leicht, doch dieser Blitz kam nicht vom Himmel, sondern aus dem Kabel, welches ich vor Schreck durchtrennt hatte. Somit war nach nur etwas mehr als 8 Metern das wettermäßige und technische Aus für mein Vorhaben, unsere Hecke wieder in Form zu bringen, gekommen. Es hat dann wetterbedingt noch 3 Tage gedauert, bis ich die Arbeit endlich erledigt hatte. Das wäre mir in Ägypten bestimmt nicht passiert, dort hätte ich auch nicht die Heizung wieder anstellen müssen oder den Kamin angemacht, um gegen die Kälte und Feuchte im Haus anzuheizen. Als sich dann herausstellte, dass ich frühestens am 28. Juni erst wieder zurück in die Sonne, sprich in meine zweite Heimat nach El Gouna am Roten Meer reisen kann, da kam Heimweh auf. Zumal sich da die Tagestemperatur am Rhein oft nicht über die 20 Grad Celsius hinaus bewegte. Nun bin ich seit ein paar Tagen wieder in dem wunderschön warmen und sonnigen Ägypten. Glauben Sie mir, es ist wesentlich schöner ein wenig zu schwitzen, als im kühlen und nassen deutschen Sommer zu frieren. Jetzt ist es mittlerweile auch Winter in Ägypten geworden, nur mit dem Unterschied, dass man hier unsere Sommertemperaturen antrifft.

Werner Witpeerd

Leider konnte Ägypten Heute über einen längeren Zeitraum nicht erscheinen. Wir bitten unsere verehrten Leserinnen und Leser dies zu entschuldigen. Ab sofort wird die Zeitung einmal pro Monat zur Verfügung stehen. Wir haben für Sie ein ganz besonderes Geschenk vorbereitet: Mit der nächsten Ausgabe starten wir unseren privaten Anzeigenmarkt! Aber wo ist da das Geschenk werden Sie Sich jetzt fragen? In den nächsten 3 Ausgaben veröffentlichen wir Ihre Privatanzeige völlig kostenlos! Ihr Redaktionsteam

Ägypten Heute September 2008

Errichtet am 28 Oktober 2002, veröffentilcht monatlich von Ghofran Publishing Company Limited. London Registration No: 4279535 Herausgeber & Chefredakteur

Ayman Scharaf

Autoren dieses Heftes: Ahmed Mortada Andreas Kilb Beke Hoppe Birgit Svensson Cosmopolitana Esther Saoub Kristina Bergmann Mazen Okasha Monier Helmi Rolf Böhmer Samir Grees Werner Witpeerd

Design und Bildredaktinon Amr Attwa D & B Assistent Elham Abdel-Karim Archive Ahmed Gomma Produktionseinheit

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Kultur

Ägypten Heute September 2008

Zum Tod Youssef Chahine Von Andreas Kilb

Zwischen Saladin, Nasser und Bonaparte

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er Film „al-Massir“ (Das Schicksal) beginnt mit Bilder einer öffentlichen Verbrennung. Drei christliche Häretiker – wir sind im zwölften Jahrhundert – stehen in einer südfranzösischen Stadt auf dem Scheiterhaufen, ringsum eine gaffende Menge. Das Feuer erstickt die Schreie der Sterbenden, zuletzt sieht man ihre verkohlten Leichname an den Pfählen hängen. Die nächste Einstellung führt ins islamische Córdoba. Ibn Rushd, der Philosoph, den die Christen Averroës nennen, sitzt im Kreis seiner Familie. Seine Kinder helfen ihm bei seinen Studien, während der Kalif Al-Mansur seine schützende Hand über ihn hält und ihn zum obersten Richter macht. Doch religiöse Fanatiker hetzen gegen den Philosophen; schließlich sorgen sie dafür, dass Ibn Rushd ins marokkanische Exil gehen muss. Nur in seinen Studenten lebt sein freiheitlicher Geist noch einige Zeit weiter. „Al-Massir“, 1997 gedreht, ist in seiner formelhaften Bildersprache, der Statuarik der Schauspieler und der Feierlichkeit der Dialoge ein für Youssef Chahine untypischer Film. Dennoch war es der erste Spielfilm Chahines, der – durch den Enthusiasmus eines Freiburger Kleinverleihs – je in die deutschen Kinos kam; von den dreißig Filmen, die der ägyptische Regisseur zuvor seit 1950 gedreht hatte, war nur ein kleiner Teil im Fernsehen gelaufen. Im Nachhinein gesehen hat

es gleichwohl seine Richtigkeit, dass Chahine bei uns durch „alMassir“ entdeckt wurde. Denn dieser Film ist mehr als ein Geschichtsbilderbogen: Er ist ein verschlüsseltes Porträt seines Regisseurs. Kosmopolitische Geistigkeit Auch Youssef Chahine ist in einem Land großgeworden, dessen Machthaber ihn lange Zeit schützten; auch er hat das Wirken der Zensur und den Wahnsinn der Intoleranz kennengelernt, auch er ist aus seiner Heimat emigriert (allerdings nur für kurze Zeit), auch in ihm verbinden sich kosmopolitische Geistigkeit und panarabischer Patriotismus. Wie Ibn Rushd war auch Chahine das Symbol eines Jahrhunderts, in dem die Freiheit des Denkens mit den Mächten des Aberglaubens in Fehde lag. Chahine selbst sprach von einer „schwarzen Wolke“, die von den Golfstaaten herüberziehe, um die alte Sinnenfreude des ägyptischen Volkes zu zerstören. Dessen Nationalcharakter drückte sich auch in seinen Filmen aus, in denen Dialogszenen und Musiknummern, Geflüster und Gebrüll, Rührseligkeit und Intrige, homo- und heterosexuelle Liebe einander in rascher Folge abwechseln. Mit seinem Tod verstummt eine große Stimme der arabischen Welt, ein Künstler, dessen Kino eine Brücke zwischen den Erfahrungen der Kolonialzeit und den neuen Gefahren des einundzwanzigsten

Chahines Kino war politisch nicht durch seinen Inhalt, sondern durch die Freiheit seines Blicks.

Jahrhunderts bildet. Von Alexandria aus Chahine, 1926 als Sohn eines maronitischen Christen und einer Griechin geboren, wuchs in der Stadt auf, in der die Vielvölkerwelt des östlichen Mittelmeers noch bis zum Zweiten Weltkrieg blühte: Alexandria. Seine autobiographische Filmtrilogie, die 1978 mit „Alexandria . . . warum?“ begann, erzählt die Geschichte dieser Welt von ihrem Ende her. Chahines Alter ego, ein junger Schauspieler, schlägt sich im Kriegsjahr 1942 zwischen britischen Soldaten, Nazi-Sympathisanten, Saboteuren und Kollaborateuren durch, verliebt sich und träumt von einem besseren Leben in Amerika. Aber die Freiheitsstatue ist nur eine Schmierenschauspielerin, ihr Glücksversprechen eine Illusion. Etwas Ähnliches muss auch Chahine erlebt haben, der 1948 mit einem Schauspieldiplom aus Kalifornien zurückkehrte, denn seine ersten Filme haben nichts von Hollywood, sie sind Melodramen, Komödien und Musicals aus dem Geist des Neorealismus und des levantinischen Theaters. Für „Tödliche Rache“ (1954) entdeckte er den jungen Omar Sharif, mit „Bahnhof Cairo“ (1958) wurde er in Europa bekannt, und mit dem Kostümspektakel „Sultan Saladin“ (1963) drehte er den teuersten ägyptischen Film aller Zeiten. Im Jahr 1968 ließ sich Chahi-

ne von Nassers Regime für das Propagandaprojekt „Menschen am Nil“ einspannen, das den Bau des Assuan-Staudamms feiern sollte. Aber die erste Fassung fiel bei den sowjetischen Finanziers durch, und auch Chahines folgende Filme bekamen immer wieder Ärger mit der Zensur. Waren es in den siebziger Jahren noch politische Gründe, so sah sich der Regisseur später immer öfter mit Anklagen wegen Verletzung religiöser und sittlicher Gefühle konfrontiert. Sein Epos „Der Emigrant“, in dem er die biblische Josephsgeschichte verfremdete, war vier Monate lang verboten, sein Kostümdrama „Adieu Bonaparte“ wurde als vaterlandsverräterisch geschmäht. In vielen arabischen Ländern stehen Chahines Filme bis heute auf dem Index. Chahines Kino war politisch nicht durch seinen Inhalt, sondern durch die Freiheit seines Blicks. Wie alle großen Kinoerzähler suchte auch er vor allem nach dem richtigen Bild: „Manchmal, wenn ich in die Wüste gehe, ungefähr um elf, sehe ich nichts. Alles ist weiß . . . Also setze ich mich hin und warte. Auf einmal sagt eine Düne zu mir: ,Schau, wie schön ich bin!‘ Und ich beginne zu drehen.“ Am Sonntag, 27 Juli, ist Youssef Chahine in Kairo im Alter von zweiundachtzig Jahren gestorben. (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung)


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Gesellschaft Kamillenkinder - nur wer zur Schule geht darf arbeiten!

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Von Esther Saoub

In den ländlichen Gegenden Ägyptens gehört Kinderarbeit zum Leben - von klein auf helfen die Kinder, entweder im Familienbetrieb oder beim Großbauern nebenan. Auch die Sekem-Farm in der Nähe von Bilbeis, nordöstlich von Kairo, die Baumwolle, Lebensmittel und Kräuter in biologisch-dynamischer Landwirtschaft für den ägyptischen und den europäischen Markt produziert, beschäftigt Kinder. Allerdings unter einer Bedingung: Die Eltern müssen einwilligen, dass diese Kinder in die Schule gehen. Die «Kamillenkinder» arbeiten einen Teil des Tages, in der übrigen Zeit lernen sie. Zehn Kinder zwischen 12 und 15 Jahren stehen um einen Holzkasten und streifen Guavenblätter für Heilkräutertees von frisch geschnittenen Ästen. Die Jungen tragen grüne Overalls, die Mädchen Hemden in derselben Farbe, dazu beige Hosen. Damit ihnen die Arbeit leichter von der Hand geht, singen sie. Esther Saoub ist seit Juli 2006 ARD-Hörfunkkorrespondentin in Kairo. Sie wurde 1969 in Stuttgart geboren und studierte in Berlin und Damaskus Literaturwissenschaft, Islamwissenschaft und Judaistik.

er Vorsänger, Ahmad, ist zwölf und seit drei Jahren im KamillenkinderProjekt. „Hier ist es besser als draußen: Hier gibt es Käsebrot und Mittagessen. Wir werden von einem Bus geholt und heimgebracht und morgens trinken wir Milch. Meine Brüder arbeiten in Werkstätten, ihr Tag ist schrecklich. Sie haben keine Pausen, sie lernen nichts. Wir hier lernen Lesen und Schreiben und Englisch!“ Als Paradies für die Kinder bezeichnet Schulleiter Gamal as-Sayid Ibrahim das Kamillenkinderprojekt. Er ist ausgebildeter Lehrer und stammt selbst aus einem Dorf in der Umgebung. Verglichen mit den üblichen Lebensumständen dieser Kinder ist das wirklich ein Paradies. Das Wichtigste für Kinder dieses Alters ist nicht Essen und Trinken, das Wichtigste ist, dass man sie wie menschliche Wesen behandelt. „Bitte Ahmad, sei so gut, Mohammed“ Statt: „Hey du, komm her“. Wenn man mit Kindern redet, ohne sie zu respektieren, zerbricht man sie, sie sind nicht wie Erwachsene, sie sind sensibel, verletzlich. Manchmal zeigen sie es nicht, aber es macht sie wütend und hinterlässt ein negatives Gefühl. Wenn wir zu ihnen sagen: „Entschuldige Mohammed, was machst du hier“, erleben sie, dass jemand sie wie Menschen behandelt. Wie viele Kinder in Ägypten wirklich arbeiten, ist schwer zu sagen, da die meisten von ihnen im inoffiziellen Sektor tätig sind: Sie arbeiten als Straßenhändler, in Haushalten oder als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. Nach einer Schätzung von UNICEF verdingen sich jährlich über eine Million Kinder in der Baumwollernte, elf Stunden täglich, bei Temperaturen von über 40° C, nicht selten mit prügelnden Vorarbeitern. Auch Ahmad arbeitet, seit er acht Jahre alt ist, in der elterlichen Landwirtschaft. Die Schule hat er nach drei Jahren geschmissen. In Sekem ist es besser, sagt er, obwohl sein Tagesablauf für ein europäisches Kind immer noch eine Zumutung wäre. Drei Stunden Arbeiten, fünf Stunden lernen, dazwischen Essen, beten, Ruhepause; das sind die Tage im Kamillenkinderprojekt. Es ist fast so alt wie die Sekem-Farm selbst: Als sie für ihre erste Kamillenblütenernte Arbeiter suchten, brachten ihnen die Bauern aus der Umgebung ihre Kinder. Die gehören in die Schule, beschloss das Sekem-Team, seither läuft ein Betreuungsprojekt für die 13 Dörfer in der Umgebung der Farm. Sozialarbeiter, wie Muhammad, versuchen, die Eltern zu überzeugen ihre Kinder in die Schule zu schicken, statt zur Arbeit. „Wir arbeiten an zwei Fronten: Einerseits versuchen wir, Kinder bis 12 Jahre in die Schule zurück zu bringen. Wenn sie Probleme mit einem Lehrer haben, setze ich mich mit ihm hin und suche eine Lösung. Auf der anderen Seite nehmen wir die Kinder, die über 12 sind und arbeiten wollen, statt die Schule fortzusetzen, in unser Programm auf.“ Rund die Hälfte aller arbeitenden Kinder in Ägypten – schätzt UNICEF - verlassen irgendwann die Schule: sie kommen nicht mehr mit und die Lehrer nehmen ihnen die Motivation, statt sie zu fördern. Sind sie älter als neun und waren länger draußen, nimmt die staatliche

Ägypten Heute September 2008

Schule sie nicht zurück; wie die dreizehnjährige Dalia. Sie arbeitet in Sekem, seit sie zehn ist. Sie wurde ausnahmsweise als Kamillenkind genommen, obwohl das Mindestalter zwölf ist. Ein Lehrer erklärt Dalia, wie sie einen Kissenbezug nähen soll. Dalia gefällt die Arbeit in der Schneiderwerkstatt, sie hofft, später einmal eine Stelle in der Textilfabrik zu bekommen. Als Kamillenkind verdient sie 150 Pfund im Monat, das sind umgerechnet gut 20 Euro, viel Geld in einem Land, in dem ein Grundschullehrer gerade anderthalb mal so viel verdient. „Wirtschaftlich lohnt sich die Arbeit der 150 Kinder nicht für die Sekem-Gruppe, im Gegenteil“, sagt Gamal Ibrahim. „Die Kinder verursachen Kosten, nicht nur ihr Gehalt, sondern auch Essen, Trinken, Kleider und medizinische Betreuung. Das kostet w alle 6000 Pfund sprich: rund 900 Euro im Monat. Aber wenn Sekem sich abkapseln, und sich nicht um die Gesellschaft kümmern würde, die uns umgibt, dann würden um uns Menschen heranwachsen, für die nie jemand gesorgt hat. Eines Tages werden sie Diebe oder Terroristen und brechen vielleicht hier ein. Sie sind es, die irgendwann die Gesellschaft zerstören. Wir können nicht nur unseren wirtschaftlichen Nutzen berechnen, sondern müssen auch den Gewinn für die Gesellschaft mit einbeziehen.“ Drei Jungen und ein Mädchen um die 16 sitzen im Festsaal der Schule und spielen Blockflöte. Sie sind konzentriert, auch wenn ihnen der Umgang mit dem zarten Instrument offensichtlich nicht leicht fällt. Der deutsche Lehrer wiederholt geduldig die Tonfolgen. Kunst, Musik, Theater, Sport gehören neben den theoretischen Fächern zur Ausbildung. Das System folgt dem Dreigliederungsgedanken Rudolf Steiners. Gamal Ibrahim erklärt, warum. „Sekem baut auf folgendes: - Wer ist das Kind? - Wir lernen nicht nur mit dem Kopf, es ist sehr wichtig zu wissen, dass wir auch mit dem Herzen und den Händen lernen. Der Lehrer muss diese Dreigliederung kennen und einen langen Atem haben. Vermutlich versteht niemand in Ägypten den Menschen in diesen drei Dimensionen, dem Denken, dem Fühlen und dem Wollen, außer uns hier in Sekem. In dieser Hinsicht kann Sekem ein Modell sein, wie man das Problem der Kinderarbeit lösen könnte.“ Unterricht in der Alphabetisierungsklasse. Fünf Jungen und fünf Mädchen sitzen, schön getrennt, in hölzernen Bänken. Die Lehrerin hat einen kurzen Text an die Tafel geschrieben und erklärt die Wörter. Arabische Hochsprache ist zuweilen wie eine Fremdsprache für die Kinder hier. „Die Kinder hier sind spätestens nach der vierten Klasse aus der Schule gegangen. Sie kommen nach ein oder zwei Jahren hier her, und wissen nichts mehr. Wir alphabetisieren sie Schritt für Schritt, damit sie am Ende ein Zeugnis bekommen. Wir fangen ganz von vorne an, wie in der ersten Klasse“, erklärt sie uns. “Eine gesunde Wohnung und gesundes Essen sind wichtig für die Familie“, liest stockend der 13-jährige Tamer. Das Familienoberhaupt verdient das Geld für Wohnung und Essen. Tamer selbst gibt jeden Monat seinen Arbeitslohn dem Vater, genau wie sein Bruder, der sechs Tage in der Woche bei einem Bäcker arbeitet, weit weg von zuhause. Arbeitende Kinder in Ägypten tragen rund ein Drittel des Familieneinkommens. Wenn Tamer sechzehn ist, wird er ein Alphabetisierungszeugnis haben, samt beruflicher Spezialisierung. Vielleicht kann er in Sekem noch ein Handwerk erlernen und eines Tages ein Einkommen haben, das für die ganze Familie reicht, damit seine Kinder in die Schule gehen, statt zu arbeiten.


Gesellschaft Der Tod eines 12-jährigen Mädchens aus dem oberägyptischen Gouvernement -Minya hat den Gesundheitsminister in Kairo veranlasst, die Beschneidung in allen öffentlichen und privaten Kliniken zu verbieten. Der Gouverneur der Stadt hat 36 unlizenzierte private Kliniken in der Gegend schliessen lassen. «Wir werden alles tun, um diese Tradition auszuradieren», erklärte Suzanne Mubarak an einem Treffen des Nationalen Rates für Mutter und Kind. Die Beschneidung sei eine Verletzung der Menschenrechte der Mädchen und könne grossen Schaden anrichten, betonte die Frau des Staatspräsidenten. Sie versprach, sich für ein Gesetz stark zu machen, das die Beschneidung kriminalisiert.

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Beschneidung in Ägypten ist verboten E

ndlich sind künftig Beschneidungen von Mädchen und Hochzeiten unter 18 Jahren verboten. Ein entsprechendes Gesetz hat das Parlament in Kairo verabschiedet. Wer sich an einer Beschneidung beteiligt, dem droht nach dem neuen Gesetz eine Gefängnisstrafe zwischen drei Monaten und zwei Jahren oder eine Geldstrafe bis zu 940 US-Dollar (knapp 600 Euro). Nur bei “medizinischer Notwendigkeit” soll die Beschneidung von Mädchen noch erlaubt sein. Sie ist eine weit verbreitete Sitte in Ägypten, die wegen der Infektionsgefahr sogar zum Tode führen kann. Das neue Heiratsverbot betrifft Frauen und Männer unter 18 Jahren. Bislang galt bei Mädchen eine Altersgrenze von 16 Jahren. Wer legal heiraten will, muss sich den Berichten zufolge in Zukunft zuvor auch medizinischen Tests unterziehen. Mit dieser Maßnahme soll die hohe Zahl an Neugeborenen mit Gendefekten verringert werden. Der Brauch der Klitorisbeschneidung, um das sexuelle Verlangen einzudämmen, ist vor allem in afrikanischen Ländern verbreitet. Er ist älter als der Islam. In Ägypten ist die Beschneidung vor allem in den

Von Ayman Scharaf ungebildeten Schichten immer noch sehr verbreitet, und zwar bei Muslimen wie bei Christen. Ein Verbot gilt eigentlich schon seit vielen Jahren, es wird aber nicht rigoros durchgesetzt. Solange die Überzeugung verbreitet ist, dass die Beschneidung nötig sei ¬ und das sagen immer noch 75 Prozent der erwachsenen Ägypterinnen ¬ birgt das Verbot zudem die Gefahr, dass die Genitalverstümmelung von Pfuscherinnen vorgenommen wird. Die älteste bekannte Dokumentation einer Beschneidung ist ein ägyptisches Relief, das auf das Jahr 2420 v. Chr. datiert wird. Tatsächlich ist dieser Brauch als Initiationsritus bei manchen Naturvölkern noch sehr viel älter. Praktiziert wird auch heute noch die Beschneidung in großen Teilen Afrikas, bei den australischen Aborigines, bei wenigen neuseeländischen Stämmen, auf den Philippinen, auf den Fidschi-Inseln, auf Samoa und auf Borneo. Es wird vermutet, dass die ägyptischen Priester von den beschnittenen Penissen nubischer Sklaven beeindruckt waren. Da-

Die Frau des ägyptischen Präsidenten Mubarak fordert, dass die Beschneidung von Mädchen kriminalisiert wird.

her führten sie die Beschneidung auch in Ägypten ein. Die Juden lernten dann dort diese Praktik. Unter dem Diktat von Moses wurde die Beschneidung von Neugeborenen (“milah”) zur Pflicht. Bis ins zweite Jahrhundert wurde diese Beschneidung in einer weniger radikalen Form durchgeführt. Dann wurden Fälle bekannt, dass sich Männer in ähnlicher Weise wie das heute wieder aktuell ist, ihre Vorhaut wiederherstellten. Um das in Zukunft zu verhindern, wurde die verschärfte Praktik des “Parijah” eingeführt. Dabei trennt der “Mohel” seinem schreienden Opfer schließlich mit seinem geschärften Daumennagel auch noch die innere Hautschicht ab. Heute werden oft “moderne” Instrumente dafür benutzt. Der Prophet Mohammed ordnete die generelle Beschneidung von Knaben an. Diese wird daher auch heute noch bei Söhnen von Moslems im Kindesalter durchgeführt. Obwohl fast durchweg praktiziert, gibt es auch im Islam unterschiedliche Ansichten, ob die Beschneidung von Mädchen tatsächlich Pflicht ist, da sie nicht im Koran, sondern in der nicht so hoch bewerteten Sunna erwähnt und dort als “empfohlen” definiert ist.


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Deutsche in Ägypten

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Der Weg vom Flughafen ins Zentrum auf den viel befahrenen Strassen einer Stadt, in der Verkehrsregeln lediglich einen nicht ernst zu nehmenden Vorschlag darstellen. Dichtes Verkehrschaos, untermalt von nie enden wollendem Autogehupe.

S P

paziergang durch Kairo

er Zufall habe ich ein richtiges „Luxustaxi“ erwischt, entfernt von der Ankunftshalle, um einen vernünftigen Preis auszuhandeln. Der Wagen ist neuer als seine Dutzend schrottreifen Brüder, die rund um die Uhr im Einsatz sind. Neonblaue Innenbeleuchtung, neue Reifen und sogar ein Minibildschirm oberhalb des Beifahrersitzes. Ich schaue mir eine ägyptische Komödie an und hey, diverse Wörter kann ich verstehen bzw. sie fallen mir schlagartig wieder ein. Und natürlich, kaum am Hotel angekommen, versucht der Fahrer den vereinbarten Preis zu erhöhen. Wäre Kairo sonst Kairo? Das Toilettenwasser des Hotelzimmers läuft und läuft, wen kümmert´s? Ich drücke den Hebel hoch, um dem Dauerrinnsal ein vorübergehendes Ende zu bereiten. Mit einer Dreifachlage Papier entferne ich die verkrusteten schwarzen Haare meines Vorgängers aus dem Abfluss der Badewanne. Die Nachricht, die an der Rezeption für mich hinterlegt wurde, ist nicht an mich weitergeleitet worden. Ja, das ist Ägypten, das ist Kairo. Ein 4-Sterne Hotel ist das hier, genauso wie das 4-Sterne Hotel in Alexandria , in dem der Putz von der Decke bröckelte und die Tür nicht abschließbar war. Kann man Sterne in Ägypten kaufen? Ich ziehe die Gardinen zurück, öffne das Fenster im fünften Stock, lasse Geräuschkulisse und visuelle Eindrücke auf mich einströmen. Lasse ein kleines bisschen von dieser turbulenten, exotischen und doch irgendwie vertrauten Welt von draußen nach drinnen. Der Anblick grauer, verstaubter Häuserfassaden… So hoch mit ihren vielen, kleinen und großen Wohneinheiten, dass ich den Kopf in den Nacken legen muss, um den Himmel sehen zu können. Hier die Wäsche, die über den Autoabgasen im Wind flattert, dort die Dachterrasse mit den völlig verstaubten Palmen, bei denen man gerade noch erahnt, dass sie einmal grün gewesen sein könnten. Bei der einen Wohnung fehlt die Fensterfront völlig; drinnen streicht jemand die Wände vanillegelb. Ein kleiner privater Farbtupfer in der Betonwüste. Hübsch irgendwie. Unten auf

der Strasse die in doppelten Reihen geparkten Autos; die Besitzer lassen jeden Tag die Karosserie reinigen. Inseln der Sauberkeit. Die Autos müssen sauber sein und die Schuhe, auch wenn´s nie lange anhält. Auf den Bürgersteigen neben den geparkten Autos Männer in Galabiyyas, die auf Plastikstühlen vor den Geschäften sitzen und dort ewig auszuharren scheinen. Zeit, was ist das? Im Hintergrund dieses permanente Gehupe von der Hauptstrasse, das man irgendwann mental ausblendet, wenn man länger hier lebt. Der ein oder andere in ägyptischem Dialekt über die Strasse gerufene Satz. Daneben das sonore Dröhnen unzähliger Klimaanlagen, die nach drinnen kühlen und nach unten auf die Passanten tropfen. Nein, es regnet nicht. Wäre auch eher ungewöhnlich im Juni in dieser Stadt. Der Ruf des Muezzins erschallt rechts und wie ein mystisches Echo leicht zeitversetzt von links; er scheint den Moment für kurze Zeit der Wirklichkeit zu entrücken. Ich ziehe mir weite, bequeme Kleidungsstücke an, verlasse das Hotelzimmer, nehme die Treppe nach unten und gehe durch die Straßen Zamaliks, vorbei an vielen, bunten Straßencafés, in denen sich die jungen Kairoerinnen und Kairoer treffen, die hipp und westlich sein wollen wie die Ausländer, die hier mit großer Vorliebe verkehren. Vorbei an gelangweilt dreinschauenden Wachposten vor einer ausländischen Botschaft. Schnell gewöhnt man sich den ägyptischen Schlendergang an, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Bloß nicht westlich hektisch erscheinen. Langsam, aber doch mit großen Schritten schlendernd und auffällige Mimik vermeidend, kann man sich anpassen an den Rhythmus der Menschen, die hier ihren Alltagsbesorgungen nachgehen. Selbst die viel

Der Ruf des Muezzins erschallt erst rechts, dann leicht zeitversetzt von links; er scheint den Moment für kurze Zeit der Wirklichkeit zu entrücken...

Von Cosmopolitana

befahrenen Straßen kann man so überqueren. Dass man öfters auf dem Mittelstreifen steht und gerade links und rechts die Autos vorbeirasen, bevor man die andere Straßenseite erreicht, ist nichts Ungewöhnliches. Hauptsache, immer ruhig und gelassen dreinschauen... Ich passiere weitere kleine Läden, dazwischen ein brachliegendes Grundstück, auf dem sich der Müll ansammelt. Vor dem abbruchreifen Haus hat ein Obdachloser sein Lager aufgeschlagen, jeder führt seinen eigenen kleinen Überlebenskampf. Vor dem Zaun versucht ein fliegender Obsthändler sein Verkaufsglück, eine Straßenecke weiter werden Fladenbrote, auf langen Holzplanken arrangiert, zum Verkauf angeboten. Überall in der Stadt sieht man junge Männer, manchmal sind es noch Kinder, auf dem Fahrrad mit einer für westliche Augen akrobatisch anmutenden Geschicklichkeit die langen Holzbretter auf dem Kopf durch den Verkehr jonglieren, um einen Verkaufsstand zu beliefern. Langsam nähere ich mich einer Brücke, die über den Nil führt. Der Nil ist ein schmutziger Fluss, ohne Frage. Die Autos auf der Brücke verursachen eine riesige Abgaswolke, die durch die Hitze verstärkt zu werden scheint. Die städtischen Ufer des Nils sind Parkplatz für Hausboote und Kreuzfahrtschiffe, ein ganz eigenes Sammelsurium an Farben und Formen, willkürlich arrangiert und doch nicht wegzudenken aus der Stadtkulisse Kairos. Unter Bäumen schlendere ich am anderen Nilufer entlang Richtung Innenstadt. Es ist angenehm kühl im Schatten der Bäume und so tummeln sich hier viele junge Leute. Verliebte Pärchen stehen händchenhaltend und flirtend am Geländer. Wie überall auf der Welt, irgendwie… (Mit freundlicher Genehmigung von OPINIO)


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Deutsche in Ägypten

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olf Böhmer, der mehr als zwei Jahrzehnte renommierte Golfclubs in Deutschland als Geschäftsführer geleitet hatte und dabei auch zwei Golfanlagen im Berliner Umland von A-Z aufgebaut hatte, wollte zu Beginn des neuen Jahrtausends aus dem Golfclub Management aussteigen und sich als freier Journalist im Golf-, Business- und Societybereich tummeln. Dies hat er auch in Berlin getan. Bei einem Aufenthalt im exklusiven privaten Ferienresort El Gouna am Roten Meer, wo er eine Reportage über den dortigen Golfplatz und die Freizeitangebote schreiben wollte, hat er seine Meinung geändert und das Angebot, die dortige Golfanlage zu leiten, angenommen. Der Reiz dieser Herausforderung war zu interessant, um sie abzulehnen. Nur 48 Stunden hat er überlegt und dann der Familie in Berlin seine Entscheidung mitgeteilt. Nun hat er schon zusammen mit seiner Ehefrau Jacqueline den El Gouna Golf Club für fünf Jahre geleitet und das außergewöhnliche arabische Management im täglichen Betrieb praktiziert. “In sha’ allaah”, im übertragenen Sinne „mit Gottes Willen“, als Anhang zu jeder Äußerung und Zusage für eine Erledigung in naher oder ferner Zukunft, soll in der Praxis bedeuten: ‘Es liegt ja nicht in meiner Hand, nur wenn, wann und wie Gott es will, wird es geschehen’. Mit dieser vagen Zusicherung im täglichen Arbeitsleben managen die beiden Europäer mit Engagement, Mut und viel Improvisationstalent einen 18 Loch Golfplatz mit großzügiger Übungsanlage für überwiegend europäische Golfsporturlauber inmitten einer traumhaften Lagunenlandschaft mit 365 Sonnentagen im Jahr. Die arabische Lebenseinstellung genießen die Urlauber zumindest während ihres Aufenthaltes mit amüsanter Geduld, beanspruchen jedoch auch ihre Dienstleistungserwartung für die fast europäischen Preise und Gebühren. Es ist gerade mal 6.30 Uhr und die Sonne ist gerade über dem Roten Meer aufgegangen. Der Clubmanager sitzt mit seiner Frau auf der Clubhausterrasse beim Kaffee und sie bereiten den Tag vor. Noch ist es still um sie herum, nur Greenkeeper setzen neue Löcher auf dem Putting-Green. “ Good morning Sir, how are you, have a nice day” grüssen sie freundlich in schwer verständlichem Englisch. Die restlichen Clubmitarbeiter, 25 an der Zahl, treffen langsam ein und allen ist noch Müdigkeit anzusehen. In Ägypten geht man insbesondere im Sommer eben erst zwischen 2 und 3 Uhr morgens oder oftmals auch gar nicht ins Bett. Als er sie am Vorabend mit ‘see you tomorrow’ verabschiedet hat, haben sie alle freundlich geantwortet ’see you tomorrow Sir, in sha’ allaah’. Das gibt stets gewisse Zweifel für den nächsten Tag. Also lieber selber früh aufstehen, damit gesichert ist, dass jemand den Golfern die Türen aufschließt. In diesem Zusammenhang können auch allgemeine Zusagen von Mitarbeitern, Handwerkern, Firmen und Behörden wie zum Beispiel “after five minutes”, “after one hour”, „after one day“, “after one week” zu endlosen und oftmals aussichtlosen Wartezeiten werden. Es scheint dennoch ein guter Tag zu werden. Die Startzeiten sind alle ausgebucht, eine erfrischende Brise weht bei 25 Grad Morgentemperatur und das Mitarbeiterteam ist vollzählig erschienen und wohl auch bei bester Laune. Die clubinternen Mitarbeiter begrüßen auch “Mrs. Jackie” mit Namen, sie genießt Achtung und Akzeptanz bei den männlichen Mitarbeitern.

Ägypten Heute September 2008

Eine Golfanlage mitten in der Wüste zu managen mutet zunächst einmal für einen Europäer wie ein Märchen aus “1001 Nacht” an und ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache oder Wunscharbeitsplatz. Ein Golfclubmanager aus Berlin sieht das inzwischen anders. Für fast fünf Jahren war er Manager des El Gouna Golf Club im gleichnamigen exklusiven und privaten Ferienort am Roten Meer, nördlich der Touristenhochburg Hurghada.

Management by “insha’ allaah” In Ägypten geht man insbesondere im Sommer eben erst zwischen 2 und 3 Uhr morgens oder oftmals auch gar nicht ins Bett. Als er sie am Vorabend mit ‘see you tomorrow’ verabschiedet hat, haben sie alle freundlich geantwortet ’see you tomorrow Sir, in sha’ allaah’. Das gibt stets gewisse Zweifel für den nächsten Tag. Also lieber selber früh aufstehen, damit gesichert ist, dass jemand den Golfern die Türen aufschließt.

Von Rolf Böhmer

Probleme lassen nicht lange auf sich warten. Von den 50 Golf Carts, über die der Club verfügt, werden einige nicht einsatzbereit sein, da das Aufladen während der Nacht durch das Security Personal vergessen worden ist. Aber für den nächsten Tag haben die Wachmänner des Nachtdienstes Besserung versprochen – insha’ allah. Batterien sind mal wieder zusammengebrochen, Lenkungen ausgeschlagen und Bremsen defekt. Der Clubmechaniker bemüht sich um Notreparaturen. Er will es sobald als möglich schaffen -“in sha’ allah”. Ersatzteilbeschaffung – und das noch für Golfausrüstung und Technik - ist ein nicht unerhebliches Problem in Ägypten. Entweder man muss im fernen Kairo bestellen – sofern man eine entsprechende Firma/Quelle findet - oder auf den zahllosen „Ersatzteilmärkten“ suchen oder gleich in Europa oder USA bestellen. Und das dauert und kann teuer werden, da die örtlichen Zollbeamten keine Skrupel haben Einfuhren und Freigabe von Launen, Gebühren und Zuwendungen abhängig zu machen. So lagern unter anderem noch 30 Liter Massage Öl aus Sri Lanka für den Club seit Oktober 2003 im Zoll und der Manager des Steigenberger Hotels will seine 2000 Flaschen Champagner, die er für die “Milleniumsfeier 2000 ” geordert hatte, jetzt auch nicht mehr auslösen. Mit Grauen aber auch mit einem Schmunzeln erinnert sich Böhmer an die Situation

im Januar 2003. Seit Anfang November 2002 lagen 18.000 “Floater Bälle” für die Driving Range (El Gouna hat eine Aqua-Range) im Zoll und warteten auf Freigabe. An eine Auslieferung war nicht zu denken. Immer wieder hieß es: “Maybe after two or three days, “in sha’ allaah”. Der Bestand an Übungsbällen schrumpfte von Tag zu Tag. Im Januar stand ein Pro-Am (Professional & Amateur Turnier) auf dem Programm. Als die Tage des Turniers immer näher kamen und selbst “wichtige Persönlichkeiten” keinen Vermittlungserfolg hatten, mußte gehandelt werden. In Windeseile wurden in allen ägyptischen Golfclubs normale Rangebälle und Spielbälle aufgekauft und auf der Range eingesetzt. Die versanken natürlich in den Lagunen und kamen nicht wieder an die Wasseroberfläche. Nächste Entscheidung: Fünf Taucher wurden acht Stunden täglich eingesetzt um die versunkenen Bälle wieder an Land zu holen. Am Ufer standen die Turnierteilnehmer und erhaschten sich Bälle zum Einschlagen. Sie haben es am Ende mit Humor genommen und El Gouna wird wohl der einzige Golfclub bleiben, wo ein PRO-AM mit getauchten Range Bällen durchgeführt wurde. Ende Februar 2003 kam dann die Nachricht: Die Lieferung kann aus dem Zoll. Wo Europäer der Verzweiflung nahe sind, bleiben die Einheimischen gelassen. Schlechtes Gewissen kommt dabei nicht auf – es lag ja nicht in ihrer Hand.


Deutsche in Ägypten “In sha’ allaah”, im übertragenen Sinne „mit Gottes Willen“, als Anhang zu jeder Äußerung und Zusage für eine Erledigung in naher oder ferner Zukunft, soll in der Praxis bedeuten: ‘Es liegt ja nicht in meiner Hand, nur wenn, wann und wie Gott es will, wird es geschehen’.

Die Sorgen und Nöte des Clubmanagers in der Wüste sind breit gefächert und unberechenbar wie der Wind und vor allen Dingen wiederholen sie sich täglich aufs Neue – das erspart die Überraschung und fördert den Gewöhnungsprozess. Er muss Mitarbeiter motivieren, die nicht gelernt haben selbstständig zu denken und zu handeln und natürlich keinerlei Berufskenntnisse und -erfahrung mitbringen. Aus ganz Ägypten zusammengewürfelt arbeiten in El Gouna mehrere tausend Menschen in allen Dienstleistungsbereichen deren Arbeitsund Privatleben in einem Ordnungssystem peinlich genau geregelt und reglementiert ist. 4-6 Wochen durchgehende Arbeit, dann Urlaubstage, dann wieder Arbeit. Insgesamt etwa 90 Tage Urlaub stehen ihnen während des Jahres zu, d.h. jede Stelle sollte vorsorglich doppelt besetzt sein, weil ständig einer in Urlaub ist. Der Urlaub wird allerdings in der Regel nicht wirklich geplant, sondern wird nach Stimmung, Laune und Müdigkeit oder nach den Bedürfnissen der Familie oftmals kurzfristig ohne vorzeitige Ankündigung beansprucht. Auch hier mußte der Golfmanager einen neuen wichtigen Begriff erlernen. ’I am tired’ heißt bei den Ägyptern nicht übersetzt ’ich bin heute müde’, nein das bedeutet ’nun habe ich genug gearbeitet, ich bin gestresst’. Bei der Verabschiedung eines Mitarbeiters in den Urlaub wird die Zusage auf pünktliche Rückkehr ebenfalls mit “in sha’ allaah” ergänzt – also mal sehen, ob und wann man zurückkommt. Es kann durchaus sein, dass man für den Ernährer der Familie inzwischen einen anderen Job bei Freunden oder Bekannten gefunden hat und dann hat sich die Rückkehr ohnehin erledigt. Allerdings stehen dann sofort Dutzende neue Bewerber für einen Job vor der Tür. Für den Anschaffungspreis eines zeitgemäßen Computers einschließlich entsprechender Software kann man nämlich mehrere Mitarbeiter über Jahre hinaus kostengünstiger beschäftigen - Effektivität und Qualität ist dabei nicht unbedingt ausschlaggebend. So mußte man im Golfclub bei der Einführung eines europäischen Golf Programms die gesamte Software wieder ummodeln, praktisch zum Handbetrieb, damit die „Buchhalter/Accounting“ wieder genügend Papier zur Bearbeitung bekommen. Signierte Papiere und Dokumente sind in Ägypten ohnehin ein „Wunderwerk“ der Bürokratie.

Da vom einfachen Arbeiter bis hoch in die Führungsetagen keiner eine Verantwortung übernehmen möchte (und oftmals auch nicht darf), bedarf es Unterschriften für alles, damit man wenigstens eine Person verantwortlich machen kann. Am Vorabend hat der Clubmanager von Gästen erfahren, dass man auf der Anlage Übungsbälle unter der Hand kaufen kann, dass Mitarbeiter ”lost & found Bälle” für 1€ auf dem Platz anbieten und dass man im Caddy-Haus für ein paar Euro die Erlaubnis erhält auch am 10. Tee abzuspielen, was nicht gestattet ist. War wohl ein gravierender Fehler, den Caddymaster auch als Starter und Marshal einzusetzen. Zur Rede gestellt beteuert er mit Schwüren, dass er so etwas nie tun würde und die Gäste ihm nur Böses wollen. Die Wahrheit werde ans Tageslicht kommen – in sha’ allaah. Gleichzeitig erwähnt er aber auch, dass der Lohn und die Trinkgelder so gering seien und er doch für mehrere Kinder zu sorgen habe. Trotz allem - Abmahnung schreiben. Und dann ist da noch ein Problem im Caddy Haus. Zur Kühlung ihrer täglichen Wasserrationen hatte man den Caddies einen Kühlschrank gekauft. Nach einer Woche ließ allerdings der Umsatz bei Wasser in der Clubbar rapide nach. Es stellte sich heraus, dass die Caddies Wasser im Dorf zum niedrigen einheimischen Preis eingekauft hatten und aus ihrem Kühlschrank mit Aufschlägen an die Golfer verkauften. Die nahmen diesen Zusatzservice natürlich gerne in Anspruch, zumal viel preisgünstiger als an der Bar. Also weg mit dem Kühlschrank. Fairerweise muß man allerdings auch erwähnen, dass viele Golftouristen das so genannte “monkey business” aus Sparsamkeit fördern, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Mitarbeiter, die für jedes nachgewiesene Vergehen gegen die betriebliche Ordnung mit Lohnabzügen oder gar mit Entlassung bestraft werden. Beim Auffahren der PC Anlage stellt sich heraus, dass keine Internetverbindung für die Beantwortung zahlreicher Reservierungen besteht. Die Anfrage bei der zuständigen Serverstation bringt kein Erfolgs-

Der Urlaub wird allerdings in der Regel nicht wirklich geplant, sondern wird nach Stimmung, Laune und Müdigkeit oder nach den Bedürfnissen der Familie oftmals kurzfristig ohne vorzeitige Ankündigung beansprucht.

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Ägypten Heute September 2008

erlebnis. Man arbeite daran und werde sich bemühen die Störung zu beheben, “in sha’ allah“. Das kann dann manchmal Tage dauern. Also wendet man sich anderer Büroarbeit zu. Nach Einsetzen einer neuen Druckerpatrone bringt der Drucker keine Zeichen. Obwohl fabrikneu verpackt, wohl kein Inhalt vorhanden. Der Haustechniker äußert die nahe liegende Vermutung ‘ausgetrocknet’. Ein Anruf im örtlichen Bürogeschäft, kein Erfolg, denn es ist Freitag und damit moslemischer Sonntag, also geschlossen. Im Store-Lager sind auch keine Vorräte, also warten. Zum Tagesgeschäft ohne EDV. Ein Mitarbeiter braucht einen Vorschuss, die Familie hat um Unterstützung gebeten. Ein anderer braucht neue Diensthemden. Seine hat ihm die Wäscherei mit mehreren Löchern versehen. Und da ist auch noch die Streitigkeit zwischen zwei Mitarbeiten im Housekeeping zu schlichten. Beide haben sich und ihre Familien im Streit gegenseitig beleidigt. Problemlösung: Sofortiger Personalaustausch, einer zur Security und der andere zur Maintenance, dann ist erstmal Ruhe und man hat zumindest Sozialarbeit geleistet. Als die Sonne hinter den Bergen verschwindet sitzen der Clubmanager und seine Frau wieder auf der Clubhaus-Terrasse. Sie genießen die Stille und lassen den Tagesablauf passieren. Langweilig war es nicht und irgendwie hat man es mal wieder geschafft die “kleinen und großen” Probleme wenigstens für den Tag zu überwinden und zu mildern. Den nächsten Tag werden sie auch wieder meistern, “in sha’ allah”. Jackie Böhmer hat neben ihrem Pro-Shop auch die Frontdesk-Organisation und Gästebetreuung fest im Griff. Der Tag war ohne große Zwischenfälle abgelaufen. Auch am nächsten Tag wird alles gut – insha’ allah”. Menschen und Mentalitäten kann und sollte man nicht versuchen, zu ändern. Mit dem Gegebenen zu leben und mit Anpassung und seinen eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen daraus das Beste zu machen, das bringt langfristig auch Erfolg im Land der Pharaonen, es dauert nur etwas länger. Rolf Böhmer und seine Familie fühlen sich wohl in der paradiesischen Lagunenstadt El Gouna und die Sehnsucht nach europäischen Gefilden ist äußerst minimal – wenn nicht gar verflogen. Sie haben ihre Entscheidung nicht bereut, dort zu arbeiten und zu leben, wo sie oftmals das Verhalten und die Reaktionen der Menschen nicht immer gleich verstehen, diese aber akzeptieren können und wollen. Der Gesundheit schadet es jedenfalls nicht, Dinge des täglichen Lebens auch im Beruf nicht so ernst zu nehmen, wie dies in Europa weit verbreitet ist – wenngleich es oftmals schwer vereinbar mit der europäischen Mentalität ist. Wenn man allerdings freundliche, hilfsbereite und mitfühlende Menschen sucht, ist man in Ägypten richtig, auch wenn es oft nicht ganz uneigennützig ist, dafür aber sympathisch. Gefragt sind auf jeden Fall jede Menge Phantasie, ständige Improvisation, Ruhe bewahren und Geduld, Geduld und nochmals Geduld. Alles wird gut, “in sha’ allah”.


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Gesellschaft In Ägypten leben immer noch sehr viele Hunde und Katzen auf der Straße. Sie können überleben, da es keine funktionierende Müllentsorgung gibt. Der von Menschenhand produzierte Abfall liegt für sie leicht zugänglich auf der Straße. Und dieser reicht nicht nur aus, um das Überleben der Tiere zu sichern, sondern auch, um ihre unkontrollierte Vermehrung zu gewährleisten. Dies wiederum bedingt Inzucht und die rasche Verbreitung ansteckender Krankheiten.

Deutsche Tierärztin berichtet

Tierschutz am Roten Meer Dr. Beke Hoppe

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ine große Population wird zur Belastung für die Bevölkerung. Selbst der eingefleischteste Tierliebhaber wird leise fluchen, wenn er nachts von wild bellenden Hunderudeln oder schreienden Katzen wach gehalten wird. Selbst dem mutigsten Hundebesitzer wird es ein bisschen mulmig zumute, wenn etwa 15 wilde Hunde auf ihn zustürzen. Selbst den hartgesottensten Ökofreak wird es ein wenig schaudern, wenn er die verrotzten und verpilzten Kätzchen zu Gesicht bekommt. Von öffentlicher Seite wird versucht dem Ganzen durch Vergiftungs- und Erschießungsaktionen einen Riegel vorzuschieben. Doch der Vergiftungstod kann qualvoll sein und das Erschießen bleibt oftmals nur ein Anschießen. Von dieser Tatsache einmal abgesehen, ereilt der Tod zumeist solche Tiere, die ein Zuhause haben und dadurch, dass sie kastriert, geimpft und entwurmt sind, kaum eine Belästigung oder Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Aber wer sagt mir, dass nicht eines Tages ein Kind einen für Tiere ausgelegten Giftköder in den Mund nimmt? Oder ein angeschossenes Tier aufgrund der Schmerzen zubeißt, wenn es nicht mehr fliehen kann und dadurch Tollwut überträgt? Es gibt eine bessere Alternative – aufwändiger und kostenintensiver, aber effektiver und tierschutzgerecht: Die Kastration ganzer Wildhunderudel und streunender Katzen und Kater. Für eine großflächige Umsetzung dieser Alternative kämpfen wir in Hurghada. Hierbei gilt es

die Straßenhunde einzufangen, zu untersuchen, gegebenenfalls zu behandeln, zu kastrieren und gegen Tollwut zu impfen. Alle Tiere bekommen anschließend die aktuelle Jahreszahl ins Ohr tätowiert, damit man sofort erkennt, wann der Hund kastriert und geimpft wurde. Da sich längst nicht alle Straßenhunde anfassen und einfangen lassen, muss man auf kleine Tricks und Betäubungsmittel zurückgreifen. Betäubte Tiere versuchen oft zu fliehen, um sich an einem ruhigen Plätzchen zu verstecken. Glücklicherweise wirkt das Medikament relativ schnell, sodass man den Hund gut im Auge behalten und in einem für das Tier nicht bedrohlichen Abstand verfolgen kann, bis es einschläft.

Da das Narkosemittel bei jedem Tier unterschiedlich stark wirkt, ist auch bei dem scheinbar schlafenden Tier immer Vorsicht geboten. Daher wird den Hunden für den Transport zum Tierschutzzentrum „Bluemoon animal center“ ein Maulkorb aufgesetzt. Dort angekommen, kann dem Tier die für eine Operation notwendige tiefere Narkose verabreicht werden. Im Tierschutzzentrum, das von der Schweizerin Monique Carrera Gad el Karem ins Leben gerufen wurde und nun von ihr geleitet wird, arbeiten zum Großteil ehrenamtliche Helfer zusammen mit einheimischem Hilfspersonal. Unterstützt wird die Einrichtung von der schwei-

Von öffentlicher Seite wird versucht dem Ganzen durch Vergiftungsund Erschießungsaktionen einen Riegel vorzuschieben.

Ägypten Heute September 2008

zerischen Organisation „SusyUtzinger-Stiftung“, sowie durch Sachspenden. Hier werden die Kastrationsaktionen durchgeführt, bei denen die operierten Tiere wieder dort ausgesetzt werden, wo sie eingefangen wurden, um das ursprüngliche Rudel mit seiner bestehenden Hierarchie zu erhalten und immer neuen Rangordnungskämpfen vorzubeugen. Allerdings werden operierte Tiere verstärkt im Auge behalten und bei auftretenden Komplikationen gegebenenfalls erneut behandelt. Katzen werden vorwiegend in Hotelanlagen zum Kastrieren eingefangen, da sich die Tiere hier durch das enorme Nahrungsangebot der „tierlieben“ Touristen zahlreich vermehren und schnell zu einer Plage werden können. Das „Bluemoon animal center” hat es sich, neben der Versorgung und Vermittlung kranker oder verletzter Tiere, ebenso zur Aufgabe gemacht, ägyptische Tierärzte weiterzubilden und sie mit europäischen Standards vertraut zu machen. Aus diesem Grund kamen die Tierärzte Markus Traechsel und Werner Haas im Juni diesen Jahres zusammen mit der Tierarzthelferin Angelika und Stiftungsgründerin Susy Utzinger eigens aus der Schweiz angereist. Zusammen mit ihren ägyptischen Kollegen untersuchten, behandelten und operierten sie diverse Hunde und Katzen, vermittelten sowohl praktische Fähigkeiten als auch theoretisches Wissen. Und wieder einmal wurde deutlich wie viel man mit ein paar einfachen Mitteln und viel Kreativität und Flexibilität erreichen kann! Aber nicht nur Hurghadas Tiere profitierten von dem Können der Schweizer: einen Tag lang verbrachte das gesamte Team in Safaga. Hier wurde eine kleine Aula zum Operationssaal umfunktioniert, so dass fast eine Art Hochschulatmosphäre entstand, als Dr. Markus am Beispiel einer Wildhündin und eines Rüden aus demselben Rudel die Kastrationsmethoden erläuterte. Viele einheimische Tierärzte, Tiermedizinstudenten und anderweitig Interessierte verfolgten ebenso wie ein lokaler Fernsehsender die Aktionen der Schweizer Ärzte. Am Nachmittag blieb dann noch Zeit für die Erläuterung und das Ausprobieren einiger Nahttechniken. Ein gelungener Tag ging schließlich mit dem Versprechen zu Ende, in absehbarer Zeit wiederzukommen, um auch in Safaga weiterhin aktiv zu werden. Und auch, wenn es manchmal aussichtslos erscheinen mag, jeder noch so kleine Erfolg zählt!


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Politik Ägypten feiert Besucherrekorde, ist nach Innen jedoch in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit äußerst repressiv. Reporter ohne Grenzen kritisiert das Land insbesondere als „Feind des Internets“

Ägypten Heute September 2008

Von Ahmed Mortada

Meinungsfreiheit im Schatten der Pyramiden M

it elf Millionen Touristen im Jahr 2007 stellte Ägypten einen historischen Rekord auf. Im selben Jahr wurde der 22jährige Abdel Kareem Nabil Suleiman („Kareem Amer“) zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er Präsident Hosni Mubarak in seinem Blog kritisiert hatte. Er wurde als erster ägyptischer Blogger für seine Aktivitäten im Internet verurteilt, und erhielt die höchste Strafe von allen ägyptischen CyberdissidentInnen. Ägypten nimmt im weltweiten Ranking der Pressefreiheit Rang 146 (von 169 untersuchten Staaten) ein und erscheint auch auf der ROG-Liste der „Feinde des Internets“ . Wenn Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG) „die harte Realität im Land der Pharaonen“ brandmarkt, so zielt dies in zwei Richtungen. Die Offenheit gegenüber internationalen Besuchern, die schließlich auch dringend benötigtes Geld ins Land bringen, muss auch nach Innen gelten. Den Blick auf die Missstände zu richten, ist sicher ein Weg. Ein verschärftes internationales Augenmerk übt langfristig Druck aus. Auf der anderen Seite bringen Besucher aus aller Welt auch Gedanken und Freiheitsgrade aus aller Welt in das noch immer sehr repressive Land. Das schafft mittelfristig eine geistige Beweg-

Die „6. April-Gruppe“ nutzte die NetworkingSeite Facebook um UnterstützerInnen für einen Streik zu sammeln.

Verhaftet und in ihrer Arbeit behindert werden Journalisten, Kameraleute, Herausgeber, die von Misshandlungen, sozialen Missständen und Demonstrationen berichten.

lichkeit, die über die Bande gespielt hoffentlich auch den Bürgern mehr Beweglichkeit ermöglicht. „Wenn Sie in ein Internet-Café gehen, werden Sie kaum Probleme haben, Seiten aufzurufen, da das Internet kaum gefiltert wird. Doch die Behörden beobachten alle Einträge, die sich mit Religion oder Politik beschäftigen, ganz genau (vor allem jene Seiten, die die verbotene Muslimbrüderschaft erwähnen). Ägyptische Blogger kennen die Risiken, die sie eingehen, wenn sie im Internet kritische Statements veröffentlichen. Schikanen und Einschüchterungsversuche bringen sie oft dazu, ihre Blogs zu schließen. Auch den Betreibern blockierter Websites steht keine Berufungsinstanz offen“, so Reporter ohne Grenzen. „Wenn Sie Ägypten besuchen, denken Sie daran, dass kurz vor Ihrer Ankunft mindestens 300 Menschen verhaftet wurden“, so die Pressefreiheitsorganisation weiter. „Und das nur, weil sie gestreikt und auf den Straßen der Hauptstadt und der Arbeiterviertel nördlich von Kairo protestiert hatten,“ erinnert Reporter ohne Grenzen. Wundern Sie sich auch nicht, wenn Sie nicht alle ägyptischen Fernsehkanäle empfangen können: der halb-öffentliche Sat-Anbieter Nilesat hat

den privaten Sender Al-Hiwar ohne Begründung aus dem Programm genommen. Und die Informationsminister der arabischen Staaten haben am 12. Februar beschlossen, die Sendefreiheit der Satellitensender einzuschränken und anstößige Programminhalte zu sanktionieren.“ „Und wenn Sie Erinnerungen aus Ägypten mit nach Hause nehmen, dann vergessen Sie nicht auf den 22-jährigen Studenten Kareem Amer, der seit 600 Tagen einzig und allein wegen seinem Blog in Haft ist,“ so Reporter ohne Grenzen abschließend. Was besichtigen? Kairo: Die ägyptische Hauptstadt zählt zu den Orten mit der höchsten Dichte an Medienniederlassungen. Hier sind auch die Regionalbüros von Al-Jazeera, dessen MitarbeiterInnen zählen zu den am häufigsten bedrohten des Landes. Verhaftet und in ihrer Arbeit behindert werden Journalisten, Kameraleute, Herausgeber, die von Misshandlungen, sozialen Missständen und Demonstrationen berichten. So wurde der Herausgeber der unabhängigen Wochenzeitung Al-Dustour, Ibrahim Issa, am 26. März 2008 zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er „falsche Berichte“ veröffentlicht hatte, „die zu Verletzungen der öffentlichen Ordnung und zur Schädigung des Rufs Ägyp-

tens führen könnten“. Alexandria: Hier hat von 17. bis 19. Juli 2008 eine der wichtigsten Zusammenkünfte der freien Meinungsäußerung stattgefunden: Wikimania. Internet-User aus der ganzen Welt kamen in Scharen zusammen, um den weltweiten Austausch von Nachrichten und Inhalten über das Internet voranzutreiben. Unterdessen hat der Student Kareem Amer in der Nachbarstadt Borg el Arab schon über 600 Tage hinter Gittern verbracht. Er wurde wegen „Anstiftung zum Hass gegen den Islam“ und „Beleidigung des Präsidenten“ zu vier Jahren Haft verurteilt.


Deutsche in Ägypten

D

Von Mazen Okasha

as Wort „Ausländer“ ist im deutschen Sprachraum mit so vielen negativen Werten besetzt, dass sich der Ausländer in Deutschland extrem fremd fühlt. Er muss stärker kämpfen als ein Deutscher, um anerkannt zu werden. Er muss sich dreimal mehr anstrengen, um Erfolg zu haben, wird von einigen Kreisen diskriminiert und von anderen sogar bedroht. Neben dieser Wahrnehmung als Ausländer taucht auch die Problematik des Gastarbeiterdaseins auf. „Gastarbeiter“ in der deutschen Historie bezieht sich auf „Ausländer“, die für einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag ins Land kommen und nach Ablauf dieses Vertrages wieder in ihr Heimatland zurückgehen. Der Begriff „Gastarbeiter“ wird assoziiert mit dem zeitlich begrenzten Aufenthalt in einem Land, dass man sich nicht zuhause fühlt, in diesem Land nicht für immer leben möchte und deshalb keine Zukunftspläne in Bezug auf dieses Land macht. In diesem Fall ist keine Integration notwendig, da man das Land in absehbarer Zeit wieder verlässt. Es stellt sich für mich die Frage, ob sich die Deutschen in Hurghada in dieser deutschen Art und Weise als Ausländer oder Gastarbeiter fühlen. Eins muss klar sein: Die Bezeichnung als Ausländer unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Begriff „Gastarbeiter“. Der Ausländer kann in dem Land für immer leben, im Gegensatz zum Gastarbeiter, der irgendwann gehen muss. Von daher besteht bei dem Ausländer, der möglicherweise für immer in dem Land leben möchte, das Interesse zu Förderung des Landes, während diese Motivation bei dem Gastarbeiter fehlt. Entscheidend für das Engagement in einem Land ist der Charakter des Landes selber, in unserem Fall der des Landes Ägypten. Ägypten liegt geographisch, klimatisch und ethnisch in der Mitte der Welt. Viele Völker kamen nach Ägypten oder zogen durch das Land, u.a. Griechen, Römer, Araber, Perser, Türken, Engländer und Franzosen. Einige kamen als militärische Mächte, andere kamen als Kaufleute. Es ist also kein Wunder, dass Ägypter den Umgang mit Ausländern sehr gewohnt sind. Ende des 19. Jahrhunderts befanden sich viele Ausländer in Ägypten, z.B. als Geschäftsleute, Banker, Fotografen, Ingenieure, Schauspieler, Journalisten, Politiker und sogar als Ministerpräsident (Nubar Pascha, Armenier). Der Anteil der Ausländer in der ägyptischen Szene war damals besonders hoch. Der Ägypter konnte damit ohne Probleme leben, da selbst der König aus Albanien kam und der Sultan der ganzen islamischen Welt in der Türkei lebte! Es war immer bekannt, dass der Ägypter wie ein Schwamm wirkt, der vieles aufsaugt.

Wie versprochen, schreibe ich erneut aus Hurghada über den Kulturdialog zwischen Deutschen und Ägyptern – über den Umgang miteinander, die Berührungs- und Konfrontationspunkte. Ich frage mich, wie sich Deutsche mit ihrem kultur-historischen Hintergrund als „Ausländer“ in einem Land fühlen.

Ausländer, Gastarbeiter oder Mitbürger?

Im ägyptisch–arabischen heißt das Wort „Ausländer“ Khauaga. Darunter versteht der Ägypter einen fremden Menschen, dem er helfen muss, da dieser aus einem anderen Land kommt und sich daher in vielerlei Hinsicht nicht auskennt.

Es ist demnach ein großer Unterschied, ob man Ausländer in Deutschland oder in Ägypten ist!! Das deutsche Wort „Gastarbeiter“ gibt es nicht einmal in der ägyptischen Sprache. Ägyptens Geschichte kennt dieses Phänomen nicht.

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Ägypten Heute September 2008

Er verdaut das Fremde und setzt es kreativ um. Die Natur der Ägypter ist gastfreundlich, weltoffen, flexibel und tolerant im Hinblick auf den Fremden. Im ägyptisch–arabischen heißt das Wort „Ausländer“ Khauaga. Darunter versteht der Ägypter einen fremden Menschen, dem er helfen muss, da dieser aus einem anderen Land kommt und sich daher in vielerlei Hinsicht nicht auskennt. Hierzu hat die Geschichte und Geographie beigetragen, da das islamische Imperium von China bis Frankreich reichte und alle Menschen in diesem Reich auf den drei Kontinenten ein Volk waren! Es ist demnach ein großer Unterschied, ob man Ausländer in Deutschland oder in Ägypten ist!! Das deutsche Wort „Gastarbeiter“ gibt es nicht einmal in der ägyptischen Sprache. Ägyptens Geschichte kennt dieses Phänomen nicht. Es hat sich nie die Frage gestellt, ob und wann die Ausländer, die nach Ägypten kommen, wieder in ihre Heimat zurückkehren. Der Deutsche hingegen, der mit den Erfahrungen und Vorurteilen aus Deutschland nach Hurghada kommt, meint, dass er hier als Ausländer genau so gesehen und behandelt wird, wie es in Deutschland gegenüber den Ausländern der Fall ist. Dadurch wird der Start im neuen Land jedoch erschwert. Oft bleiben die Ausländer unter sich, bilden Ghettos, so dass keine Freundschaften zu Einheimischen entstehen und sie Land und Leute nicht kennen lernen. Auf diese Weise bleiben sie oft Gastarbeiter, die in diesem Land bleiben, solange es gerade passt. Viele können sich nicht vorstellen, hier für immer zu leben. Von diesen Menschen kann man nicht viel erwarten im Bezug auf das Zusammenwirken, den kreativen Austausch zwischen den Kulturen oder die Integration. Ich erkenne darin das Defizit eines fehlenden kulturellen „Fingerabdruckes“, der bleibt. Wir in Hurghada hingegen wollen den aktiven Ausländer, der etwas bewirkt, der bewegt, der lernt und beibringt, der mitmacht. Wir möchten keine Gastarbeiter, sondern aktive Mitbürger. Ich hoffe, dass Deutsche und Ägypter in Zukunft in Hurghada zusammenarbeiten, ihre Lebensstile austauschen, ihre Philosophien gegenseitig kennen lernen, ihre Werte und Einstellungen gegenseitig respektieren, ohne dabei das Wertesystem des hiesigen Landes zu verletzen, so dass wir uns neugierig einander annähern, uns gegenseitig verstehen lernen und einander mögen. Die Stadt, in der wir leben, sollte diese besondere Mischung der Kulturen widerspiegeln. Es gilt den isolierten Inseln der Ausländer in Hurghada entgegenzuwirken, um ein schönes Gesicht der multikulturellen Gesellschaft zu prägen.


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Altes Ägypten

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Von Monier Helmi

Nofretete Streit

nicht überzeugend, erklärte die Kampagne “Nofretete geht auf Reisen”. Experten sollten prüfen, ob das Risiko kalkulierbar und vertretbar ist. Behauptungen, dass Deutschland legitime Besitztitel für die Büste habe, seien unhaltbar. Es gebe Zweifel, ob die Teilung der Grabfunde unter der ägyptischen Kolonialverwaltung den üblichen Regelungen entsprochen habe. Mit Ägyp-

Erstes offizielles Statement des Botschafters von Ägypten: “Das können wir nicht akzeptieren!” Wo bleibt Wowereit? Neumann Hosny Al-Orabi

September 2008

ten sollte ein Dialog geführt werden, der auch das Interesse und die Rechte der Ägypter an der Nofretete-Büste würdigt, erklärte die Kampagne. Der ägyptische Kultsminister Faruk Husny möchte die Kalksteinbüste bei der Eröffnung des Echnaton-Museums in der oberägyptischen Stadt Minia 2010 ausstellen. Das 3300 Jahre alte Kunstwerk wurde 1912 bei einer Grabung der Deutschen Orient-Gesellschaft zwischen Luxor und Kairo in einer ehemaligen Bildhauerwerkstatt gefunden. Die Spitze der Berliner Museen aber auch der Konservatorenverband hatten vor irreparablen Schäden für den Fall eines Transports der Büste gewarnt. Das Klima auf der Reise und am Ausstellungsort seien das größte Problem. Der Kalkstein-Kern sowie die Grundierung aus Gips und die darauf aufgetragenen Farben würden auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen unterschiedlich reagieren. Dr. Wafaa El Saddik , Generaldirektorin des Ägyptischen Museums, Kairo sagt „Ich finde es sehr schade, dass man zurzeit um Besitztümer der Kunst streitet. Da Kunst ein weltweit verbindendes Medium darstellt, sollte man die großen Kunstschätze jedem Land zur Verfügung stellen, um Sie überall auf der ganzen Welt rühmen zu können. Gerade in der Kunstwelt pflegen Deutschland und Ägypten sehr gute Beziehungen zueinander. Jedoch erscheint mir die Begründung der Bundesregierung, die Nofretete könne beim Transport beschädigt werden, unakzeptabel.“Auch Dr. Katja Lembke, Leitende Direktorin und Geschäftsführerin des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim GmbH ist für und sagt „Es ist nicht einleuchtend, dass Kairo den Museen auf der ganzen Welt seine Kunstschätze zur Verfügung stellt, ja sogar ganze Ausstellungen nach Europa bringt, selbst aber nichts dafür empfängt. Die Anfragen aus Ägypten kann man nicht alle mit Verweisen auf restauratorische Risiken ablehnen. Die Statue des Hemiunu ist beispielsweise transportfähig.“

Der ägyptische Botschafter, S.E. Mohamed Al-Orabi, fordert eine ÄgyptischDeutsche-Kommission zur Transportfähigkeit der Nofretete und geht von einer Ausleihe der Nofretete nach Ägypten aus. m Interview mit Botschaftsmagazin „Berlin HauptstadtDepesche“ fordert der ägyptische Botschafter S.E. Mohamed Al-Orabi die Bildung einer Ägyptisch-Deutschen Kommission. Wörtlich meint er:„Wenn es um die Frage der Transportfähigkeit der Büste geht, könnte man doch eine Ägyptisch-Deutsche Kommission bilden. Es gibt sowohl hier wie in Ägypten sehr gute Wissenschaftler. Sie könnten sich zusammensetzen und darüber beraten.“ Denn der Botschafter glaubt, dass es sich bei der Frage der Transportfähigkeit der Büste nur um eine Ausrede handelt, um Nofretete nicht ausleihen zu müssen. „Erzählen sie mir nicht, dass sie zu zerbrechlich wäre. Alle Dinge sind weniger zerbrechlich als menschliche Wesen und die kann man auch von Ort zu Ort transportieren. Ich glaube, dass ist nur ein Vorwand hinter dem sich die deutsche Regierung versteckt, um sie nicht nach Ägypten schicken zu müssen.“Damit fordert zum ersten Mal ein Vertreter der ägyptischen Regierung die Ausleihe für die Eröffnung des Echnaton-Museums bei Kairo. Gleichzeitig kündigt er an, dass sich Ägypten an geschlossene Verträge zur Rückgabe nach der Ausleihe halten wird. „Was wir versuchen, ist zu zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen. Wir bitten um einige Dinge und hoffen, dass wir eine Einigung finden und werden uns auch an die Verträge halten.“ Der ägyptische Botschafter S.E. Mohamed Ol-Arabi bestätigte „Nofertete ist seit 95 Jahren in Berlin, aber sie bleibt ägyptisch.“ „Wenn wir unsere deutschen Freunde bitten uns die Büste einige Zeit auszuleihen, dann gehen wir eigentlich von einer positiven Antwort aus.“ Die Befürworter einer Ausleihe der Nofretete-Büste an ihr Herkunftsland Ägypten haben eine Expertenkommission gefordert, die Möglichkeiten für einen Transport des Schatzes prüfen soll. Bedenken des Bundestags sowie von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und der Berliner Museen gegen den Transport seien

Ägypten Heute


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Nachrichten

Steirische Nachhaltig- V keit begrünt ägyptische Wüste

Prof. Ibrahim Abouleish

or kurzem war Prof. Ibrahim Abouleish, Alternativer Nobelpreisträger 2003 und Energieberater der ägyptischen Regierung, bei KWB Biomasseheizungen zu Gast. Die Nachhaltigkeits-Experten des Vereins Ökocluster und des TRIGOS-Preisträgers KWB Biomasseheizungen bieten konkrete Lösungen für die Dezentrale Energieversorgung Ägyptens. Somit kann in Zukunft österreichisches Wissen zur Begrünung ägyptischer Wüstengebiete genützt werden. Gemeinsam mit 15 hochkarätigen Experten aus dem Netzwerk des Ökoclusters diskutierte Prof. Ibrahim Abouleish zukünftige Kooperationsmöglichkeiten und

Strategien. Abuleish setzt sich dafür ein, den europäischen Fehler, die Energieversorgung über große, zentrale Energieversorger abzuwickeln, zu vermeiden. Stattdessen sollen in Ägypten kleine, dezentrale Anlagen mit erneuerbaren Energietechnologien zum Einsatz kommen. Das Projekt Komeos in Österreich hat sich exakt mit dieser Thematik auseinandergesetzt - dieses Wissen kann nun auch für die nachhaltige Energieversorgung Ägyptens genutzt werden. Der Ökocluster und seine Partner werden die ägyptische Situation evaluieren und Projekte umsetzen. 2003 erhielt Abouleish den alternativen Nobelpreis. Er hat 20 Jahre in Graz gelebt, dort studiert und ist bis heute mit

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einer Grazerin verheiratet. Er liebt Graz. Er gründete in Ägypten die Entwicklungsinitiative SEKEM, auf einem 70 Hektar Wüstenstück nordöstlich von Kairo. Sekem steht für nachhaltiges Wirtschaften in Ägypten www.sekem.com Es wird eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem Ökocluster-Netzwerk angestrebt. Kombinierte Energietechnologien werden in Ägypten implementiert: 1. Humusaufbau in Wüstengebieten, 2. erneuerbare Energie, 3. fruchtbare Böden. Grundlage für diese Kooperation ist die Zusammenarbeit des Ökoclusters mit KWB: Das Projekt KOMEOS – Konzeption multifunktionaler Energiezentren in der Oststeiermark.

Endlich ein richtiger Buchladen in Hurghada! Herzlichen Glückwunsch, Mr. Okasha!

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as gesamte „Ägypten heute“- Redaktionsteam gratuliert Mazen Okasha zur Eröffnung seines Buchladens „Red Sea Bookstores“ in Hurghada! Endlich gibt es in Hurghada einen Buchladen der besonderen Art, in dem gehobene Literatur in arabischer, deutscher, englischer, französischer und russischer Sprache angeboten wird. Die Themenschwerpunkte der Bücher lie-

gen auf Politik, Geschichte, Literatur, Kultur und Lebensweise in Ägypten sowie auf den Ökosystemen Rotes Meer und Wüste. Ebenso findet man Kinder-, Koch- und Wörterbücher, neben Romanen, Landkarten und historischen schwarzweiß Fotos Ägyptens – und natürlich unser „Ägypten heute“! Zusätzlich zu den Büchern präsentiert „Red Sea Book-

stores“ die Produkte verschiedener ägyptischer Organisationen, wie z.B. „Egyptian Women Handcraft“ und „Fair Trade“. „Red Sea Bookstores“ liegt zentral in Hurghada an der Al-Hadaba-Straße in

der Zabargad Mall.

Wir wünschen Dir, Mazen, viel Freude und Erfolg für die Zukunft und den lesebegeisterten Menschen in Hurghada viel Spaß!

Privater Anzeigenmarkt ab der nächsten Ausgabe!

Ein kostenloser Service für unsere privaten Kunden und Leser; in den nächsten 3 Ausgaben veröffentlichen wir Ihre Kleinanzeige kostenlos, danach berechnen wir für jede Anzeige 5 € oder 40 LE. Liebe Leserinnen und Leser, suchen Sie nicht auch schon lange nach einer Möglichkeit per Kleinanzeige Dinge günstig zu kaufen oder zu verkaufen? Ab sofort bieten wir Ihnen die Möglichkeit dazu.

Wir werden mit folgenden Rubriken beginnen: Auto Möbel und Hausrat Vermietungen Immobilien Verschiedenes Der Text Ihrer Anzeige darf nicht länger als 140 Zeichen (inklusiv aller Leerzeichen) sein. Bitte senden Sie eine Email an:

Frau Rosi Aschenbrenner, Anzeigen Management Ägypten Heute rosi-aschenbrenner@web.de Tel: 0049 0162 4095507 Frau Aschenbrenner schickt Ihnen dann per Email ein Formular, in das Sie Ihre Anzeige eintragen können. Wir freuen uns sehr, Ihnen diesen Service anbieten zu können und hoffen Sie machen regen Gebrauch davon. Ihr Redaktionsteam


Sport Deutsche in Ägypten

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365 Tage sonniges Wetter, ein angenehmes trockenes Klima an den Küsten des Roten Meeres, sandige Badebuchten und Strände, traumhafte Tauch- und Schnorchelplätze, exzellente Sport- und Freizeitmöglichkeiten und Hotelund Ressortanlagen aller Kategorien sind nur einige der attraktiven Ferien- und Erholungsangebote, die Ägypten Urlaubern bietet. Und dies alles bei noch modesten Preisen und nur 4 ½ Stunden Flugdauer von vielen europäischen

Flughäfen. Für Golfer tut sich ein neues Eldorado auf. Neben den alteingesessenen traditionellen Golfanlagen und Sportclubs in Kairo und um die Millionenmetropole herum sind in den letzten Jahren neue Golfanlagen an der nördlichen Mittelmeerküste, am Roten Meer und auf dem Sinai entstanden, die Golfanlagen in Europa durchaus das Wasser reichen können. Auch die Zukunft scheint rosig auszusehen. Die zustän-

digen Tourismusministerien und – unternehmen haben offensichtlich erkannt, dass Golf für Ägypten ein zusätzlicher interessanter Markt ist, und dass man hierdurch auch zahlungskräftige Zielgruppen ansprechen und anziehen kann. Also ist man dabei, neue Golfanlagen in Verbindung mit Ferienressorts zu planen – zumindest auf dem Papier. Allerdings – und hier beginnen die Probleme – müssen Investoren die Eigenarten des Golf-Businesses schnell er-

lernen, begreifen und akzeptieren. - Ein Golfplatz, der einen internationalen Standard präsentieren will, kostet Geld – viel Geld. - Mit einem Golfplatz verdient man zunächst kein Geld wie mit einem Hotel, weil die Unterhaltungs- und Pflegekosten relativ hoch sind, unabhängig ob fünf oder hundert

Gäste spielen. Ein Golfplatz unterstützt die Attraktivität einer Feriendestination und beschert Hotels, Restaurants und Geschäften eine bessere (zahlungskräftigere) Klientel. Der „break even“ ist nachweislich zunächst das höchste Unternehmensziel einer Golfanlage. - Eine Golfanlage verlangt beständig eine optimale Pfle-

ge um seinen Qualitätsstandard zu halten (größtes Werbemittel) - Golfplätze zu überbuchen oder die Missachtung der Golferqualität (Etikette, Spielstärken) wirken sich mittel- und langfristig negativ auf die Anlage aus, da die Mund-zu-Mund Propaganda der Golfer schnell weiter Kreise zieht.

Golf par excellence im Land der Pharaonen

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Investoren müssen die Eigenarten des Golf-Businesses schnell erlernen, begreifen und akzeptieren.

Eine Golfanlage verlangt beständig eine optimale Pflege um seinen Qualitätsstandard zu halten (größtes Werbemittel)


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Sport Der neue Sitz des Automobilclubs in Marina.

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Von Monier Helmi

Automobil-Club für alle Ägypter as erste Auto, daß in Ägypten 1890 wahrscheinlich gesichtet wurde, war ein französischer De Dion im Besitz des Prinzen Aziz Hassan. 1904 unternahm er zusammen mit zwei Freunden die 210 km lange Reise von Kairo nach Alexandria in rund zehn Stunden, trotz fehlender Straßen und Brücken. 20 Jahre später wurde der ägyptische Automobil-Club gegründet. Prinz Hassan wurde Präsident des ersten Automobil-Clubs im Lande. In der Frühzeit des Automobils machten französische Marken wie Peugeot, Renault, PanhardLevassor, Clement-Bayard und Darraq den Hauptteil des ägyptischen Fahrzeugbestands aus. In Alexandria bewarb die Société d’Entreprises Générales d’Électricité zudem Elektroautos.

Ägypten Heute

Ende 1905 soll es in Kairo rund 110 Kraftfahrzeuge gegeben haben, in Alexandria weitere 56. Hinzu kamen Motorräder mit Beiwagen und die ersten zwei Dietrich Omnibusse der neuen Kairoer Busgesellschaft. 1907 wurde dann auch ein Taxi-Unternehmen in Kairo mit UNIC Autos gegründet. Nun war die Motorisierung nicht mehr aufzuhalten. Autos galten als Statussymbol. Breite Straßen wurden durch die Städte getrieben, Shell und später auch Mobil Tankstellen entstanden. Auch das Straßennetz zu den wichtigsten Städten und Touristenattraktionen wurde ausgebaut. Über 84 Jahre ist der Automobil-Club ein Treffpunkt der ägyptischen Elite. Im Jahre 1927 besuchte König Fuad die Erste Auto Show, die der Automobil-Club organisierte. Sein

Nachfolger, Faruk, war Gast verschiedener Events im Club. Presidenten des Clubs waren oftmals Prinzen und Paschas. Nach der Juli-Revolution 1952 gab es keine Prinzen und Paschas mehr. Aber der Automobil-Club blieb Favorit der Elite. 2007 belief sich der Haushalt des Automobil-Clubs auf 28 Millionen Pfund. Der ägyptische Automobilclub spielt eine wichtige soziale Rolle. Er sucht eine Lösung für eines der schrecklichsten Probleme in Ägypten. Bei den vielen Verkehrsunfällen kommen jährlich etwa 70.000 Menschen zu Tode. Der Club vereinfacht die Einreise mit dem Auto. Er gibt den Ausländern eine befristete Genehmigung für grenzüberschreitenden Verkehr aus. Damit können diese ihre Auto für einen begrenzten Zeitraum

Der Club vereinfacht die Einreise mit dem Auto. Er gibt den Ausländern eine befristete Genehmigung für grenzüberschreitenden Verkehr aus.

in das Land bringen, ohne Gebühren zu bezahlen. Der ägyptische AutomobilClub (ATCE) ist der einzige Vertreter von Alliance Internationale de Tourisme (AIT) und Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) in Ägypten. Um seine Rolle weiter zu stärken, startete der Automobil-Club 2007 die erste Runde des kreativen Programms: “Entdecken Sie Ägypten”. Das Programm strebt an das Verkehrs-Bewusstsein zu erhöhen. Der Club unterstützt und bestärkt die Menschen sich für mehr Sicherheit und die Einhaltung der Verkehrsregeln einzusetzen. Neben verschiedenen Funktionären, Stars aus Musik, Film und Fernsehen sowie Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft, haben mahr als 50 Bewerber an diesem Programm teilgenommen.

Das erste Auto Show, das Ford in Ägypten organisierte.

Bei Events in Dubai hat der ägyptische Automobilclub auch teilgenommen.

1927 besuchte König Fuad das Erste Auto Show


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Altes Ägypten

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Tod am Nil Woran starb Tutanchamun? Von Cay Rademacher

Pharao Tutanchamun, der Sohn des „Ketzerpharao“ Echnaton, starb etwa 1323 v. Chr. in jungen Jahren – aber woran? Darüber wird bis heute gerätselt

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chon Howard Carter, der Entdecker des Tutanchamun-Grabes, und sein Team untersuchten in den Jahren nach der Öffnung der Sargkammer 1923 die Mumie des Herrschers und gingen dabei alles andere als zimperlich vor: Der Körper war einst mit Harzen einbalsamiert worden, die sich im Laufe der Jahrtausende zu einer zäh klebenden Masse verwandelt hatten. Carter und seine Leute brachen bei der Auswicklung der Leiche aus ihren Bandagen Knochen des Königs, ja, sie sägten seinen Kopf ab, um ihn anschließend mit angewärmten Messern aus der berühmten goldenen Gesichtsmaske zu schälen. 1968 und 1978 wurde die malträtierte Mumie erneut geröntgt, entscheidende neue Erkenntnisse kamen dabei jedoch nicht zutage - bis der amerikanische Paläopathologe Bob Brier 1998 in einer der damals 30 Jahre alten Aufnahmen eine Verletzung des hinteren Schädels über dem Nacken zu erkennen glaubte. Briers Schlussfolgerung: Ein Schlag auf den Hinterkopf habe den Pharao gefällt, Tutanchamun sei ermordet worden. Sein Buch (auf Deutsch unter dem Titel „Der Mordfall Tutanchamun“ erschienen) war eine Detektivgeschichte aus dem alten Ägypten - und wurde populär. Zweifel bleiben angebracht Doch im Frühjahr 2005 legte ein ägyptisches Forscherteam (dessen Ergebnisse von Wissenschaftlern aus der Schweiz und Italien überprüft wurden) den toten Pharao in einen modernen Computertomographen (CT) legte. Mehr als 1700 Bilder

machte das Gerät vom Inneren des Körpers, detailgenauer als alle früheren Aufnahmen. Einmütige Erkenntnis der Wissenschaftler danach: „Es gibt am Schädel KEIN Anzeichen für einen Mord.“ Keine Verletzung, kein Schlag, nichts. Aber was ließ den Pharao dann, wie es in altägyptischen Texten umschreibend heißt, „in den Westen reisen“? Tutanchamun, das zeigen Indizien wie etwa das Zusammenwachsen der Knochennähte im Schädel oder der Zustand seiner Weisheitszähne, ist wahrscheinlich 19 Jahre alt geworden. Seine Knochen verraten kein Zeichen für schlechte Ernährung (was bei einem Pharao nicht überraschend ist) und auch keines für eine schwere, gar tödliche Krankheit. Kam Tutanchamun bei einem Unfall ums Leben? Sein linker Oberschenkelknochen ist allerdings auffällig gebrochen. So ersetzten 2005 einige Forscher aus dem CT-Team die Mord- durch eine kaum weniger gewagte Unfallgeschichte: Tutanchamun habe sich einen offenen Oberschenkelbruch zugezogen, die Wunde sei nicht geheilt, eine Infektion habe den Herrscher schließlich dahingerafft. Kunstwerke in seinem Grab zeigen Tutanchamun im leichten Streitwagen bei der Jagd. Ist der Pharao vielleicht bei der Straußenhatz aus dem Wagen geschleudert worden? Oder hat, wie unromantisch, ein unglücklicher Sturz auf irgendeiner Palast- oder Tempeltreppenstufe sein Leben beendet? Müßige Spekulationen: Denn einige Spezialisten aus dem

„Es gibt am Schädel KEIN Anzeichen für einen Mord.“ Keine Verletzung, kein Schlag, nichts.

CT-Team widersprachen ihren Kollegen und wiesen darauf hin, dass Haut und Muskelgewebe um die Bruchstelle keine Hämatome oder Spuren schwerer Blutungen zeigen - die aber müsste ein solch fürchterlicher Bruch zu Lebzeiten ausgelöst haben. Nach Ansicht dieser Forscher ist deshalb auch die Verstümmelung des Oberschenkels auf die handfeste Untersuchung der Leiche in Zeiten Howard Carters zurückzuführen. Noch immer keine Klarheit Das Rätselraten um die vielleicht berühmteste Leiche der Weltgeschichte darf also weitergehen - zumal im alten Ägypten bei der Mumifizierung die meisten inneren Organe aus dem Körper entfernt und gesondert einbalsamiert wurden, sodass man sie heute nur schwer untersuchen kann. Manche Analysen, die Pathologen heute bei Leichen vornehmen, können deshalb bei

Mumien nicht durchgeführt werden. Andere Befunde sind zwar zu gewinnen, aber schwer zu interpretieren. Der CT-Scan von 2005 zeigt beispielsweise, dass Tutanchamuns Brust offen ist: Brustbein und vordere Rippenbögen sind sauber herausgeschnitten worden. Auch von Howard Carter, der Schmuckstücke von der Brust der Mumie lösen wollte? Carter selbst erwähnt dies allerdings vielleicht verständlicherweise - mit keinem Wort. Verschwörungstheoretikern mag eine andere Variante gefallen: Tutanchamun wurde doch ermordet, durch einen Stich ins Herz. Und bei der Mumifizierung hat man seinen Brustkorb geöffnet, um für immer jede Spur der tödlichen Wunde zu beseitigen. Beweise erst mal einer, dass es nicht so war... (Quelle: GEO EPOCHE)


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Europäer in Ägypten

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Daniel Breitbach, Leiter der El Gouna Investments Abteilung, ist seit vier Jahren für das Unternehmen Orascom tätig und weiß: „Ein Umzug nach Ägypten und die Verwirklichung einer Geschäftsidee bringt viele Herausforderungen mit sich.

Familie Plha

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edes Jahr verlassen tausende von Europäern ihre Heimatländer, um als Auswanderer in der Ferne eine neue Erfahrung zu machen und mit ein wenig Erfolg gar eine neue Heimat zu finden. Auch wenn Länder wie Spanien und Australien zu den begehrtesten Auswanderer Destinationen weltweit gehören, so entwickelt sich derzeit in dem exklusiven Ferienort El Gouna am Roten Meer eine kleine, aber erfolgreiche Gruppe von Europäern, die den beschaulichen Ort als ihre neue Heimat gewählt haben. Der Ferienort El Gouna, abgeleitet vom arabischen Wort für Lagune, wurde 1989 von dem deutschsprachigen Ägypter und Investor Samih Sawiris, der die Deutsche Schule in Kairo besuchte und anschließend an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurswesen studierte, ca. 23 km nördlich von Hurghada gegründet. Heutzutage erstreckt sich El Gouna, das wegen seiner zahlreichen Lagunen auch als ‚kleines Venedig am Roten Meer’ bekannt geworden ist, über ein Areal von 36 Millionen Quadratmetern und beherbergt nicht nur 14 Hotels mit so bekannten Namen wie Steigenberger, Sheraton und Mövenpick, sondern auch ca. 2300 private Apartments und Villen. Für die ca. 4000 permanenten Einwohner aus mehr als 30 Nationen bietet die kleine kosmopolitische Stadt eine Infrastruktur, die kaum Wünsche offen lässt: einen privaten Flughafen, nahezu 200 Geschäfte, zahlreiche Restaurants und Bars, eine Internationale Schule sowie das erstklassig ausgerüstete Krankenhaus. Viele der in El Gouna lebenden Ausländer haben sich für den Ort entschieden, da er bequem in nur viereinhalb Stunden aus Europa erreichbar ist, das ganze Jahr über angenehme Temperaturen bietet und bei niedrigen Lebenskosten und hohem Lebenskomfort eine kleine internationale Gemein-

Marlis Seves

Breitbach

Erfolgreiche Auswanderer in El Gouna berichten Von ÄH Redaktion

schaft offeriert, in der die besten Seiten Ägyptens mit denen Europas friedlich vereint sind. Für die Schweizerin Marlis Seves stand seit ihrer Ankunft in El Gouna 2005 fest, dass dies ihr neues zu Hause sein würde. Schon im Alter von 25 Jahren, als sie noch auf Teneriffa lebte, trug sie den Wunsch in sich, ein eigenes Restaurant direkt am Strand zu betreiben. „Nun, in El Gouna hat sich dieser Traum verwirklicht“, sagt sie mit einem Lächeln. Neben der „Buzzah Beach Bar“ betreibt Seves das florierende Bekleidungsgeschäft „Bollywood“ sowie das im Jachthafen schwimmende Feinschmecker Restaurant „Pier 88“. Auch wenn sie sagt, dass all dies nur mit harter Arbeit entstanden ist und man flexibel sein muss in Ägypten, schaut sie auf ihre Zeit in El Gouna sehr zufrieden zurück. Auch der Deutsch-Ägypter Khalid Khalil, der die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland verbrachte, beschloss nach einer erfolgreichen Karriere als Computer Ingenieur in Europa, sich 2003 gemeinsam mit seiner Frau in El Gouna niederzulassen, um sich eine Auszeit zu gönnen. El Gouna Gründer Samih Sawiris meinte jedoch schon bald zu Khalil, das es noch ein wenig zu früh sei, sich zur Ruhe zu setzen und animierte ihn somit, Partner in dem kleinen und schicken Turtle’s Inn Tauch-Hotel mitten im El Gouna Jachthafen zu werden. Das Projekt stellte sich als gute Entscheidung heraus, so dass Khalil nun bereits an der Verwirklichung eines weiteren Hotels in dem derzeit im Bau befindlichen neuen Jachthafen El Gounas beteiligt ist. Doch nicht alle ausländischen Einwohner El Gounas haben sich direkt im Tourismusgewerbe selbständig gemacht. Der Däne Niels Jörgen Hojfeldt, ehemaliger Besitzer einer Sofware Firma, entdeckte El Gouna. Nach

Fertigstellung seines Hauses im Sommer 2003, erhielt Hojfeldt einen überraschenden Anruf seines Gärtners, der ihn fragte, ob er nicht Interesse habe, die angeschlagene Gartenfirma zu übernehmen. Er nahm die Herausforderung an, begab sich an die Umstrukturierung der Firma und legte somit den Grundstein seines Geschäftes Nile Garden & Pool, das schon bald erfolgreich neue Geschäftsbereiche übernehmen sollte. Drei Jahre später vertreibt Hojfeldt auch Solarheiz- und Wasserreinigungssysteme und entwirft seit einiger Zeit äußerst erfolgreich hochwertige Küchen und Badezimmer. Vom Potential El Gounas ist auch der Türke Veysel Karagoz überzeugt. Vor ca. acht Jahren begann der erfahrene und international gereiste Kapitän seine Erfolgsgeschichte in El Gouna als Kapitän einer Luxusjacht, doch verwirklichte er schon bald darüber hinaus seinen Traum einer Jacht Management Firma sowie eines Geschäfts für Bootszubehör. Motiviert vom Erfolg dieser Erfahrung und dem Marktpotential des Ortes, entschied sich Karagoz vor drei Jahren nach sorgfältiger Planung für einen größeren Schritt: zusammen mit seinem ägyptischen Partner und dem in London ansässigen international agierenden Unternehmen Sunseeker London Ltd. verwirklichte er die offizielle Repräsentanz des renommierten Luxus Jacht Herstellers für ganz Ägypten. Mehrere hundert ausländische Familien und Personen haben El Gouna bereits als ihre neue Heimat gewählt. Daniel Breitbach, Leiter der El Gouna Investments Abteilung, ist seit vier Jahren für das Unternehmen Orascom tätig und weiß: „Ein Umzug nach Ägypten und die Verwirklichung einer Geschäftsidee bringt viele Herausforderungen mit sich. Wir helfen Interessenten nicht nur mit

Hojfeldt

Neben guten Bedingungen für Existenzgründer, bietet El Gouna ein ideales Umfeld für Familien mit Kindern.

Karagoz

Mehrere hundert ausländische Familien und Personen haben El Gouna bereits als ihre neue Heimat gewählt.

allgemeinen Informationen über Leben und Geschäftspraktiken in El Gouna sowie Ägypten generell, sondern leisten auch ganz konkrete Hilfestellung, wenn es beispielsweise um Themen wie die Gründung einer Firma und ähnliche Fragen geht. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass sich neue europäische Geschäftspartner in El Gouna nicht nur geschäftlich, sondern auch privat schnell und erfolgreich integrieren.“ Neben guten Bedingungen für Existenzgründer, bietet El Gouna ein ideales Umfeld für Familien mit Kindern. Die vierköpfige Familie Plha aus Bayern wanderte bereits ein Jahr nach einem ersten Besuch im Sommer 2005, nach El Gouna aus und hat sich inzwischen in der eigenen 400 Quadratmeter Villa gut eingelebt. Die Eltern arbeiten im Tourismus- und Immobilienbereich, die beiden Kinder im Alter von acht und zehn Jahren, besuchen die Internationale Schule in El Gouna, wachsen mehrsprachig auf und lernen andere Kulturen und Gebräuche kennen. Schnell hatten die Kinder neue Freunde gefunden und sich an das Leben in der neuen Heimat gewöhnt. Für die Plhas fiel die Entscheidung zum Weggang aus Deutschland leicht, erklärt der 31-jährige Familienvater: „Ein großer Vorteil gegenüber typischen Auswanderungsländern wie Australien und den USA sind die niedrigen Lebenshaltungskosten und wenig bürokratische Hürden.“ Hinzu kommt die räumliche Nähe zu Europa: „In vier Stunden ist man in Deutschland. Wenn man in München lebt, kann man auch nicht eben schnell nach Berlin fahren. Das macht keinen Unterschied.“ Nach einem Jahr in Ägypten haben die Plhas ihre Entscheidung, nach El Gouna auszuwandern, nicht bereut, auch wenn sie den diesjährigen Sommerurlaub nicht mehr in Ägypten, sondern in Deutschland gebucht haben..


Tourismus Wie verhält man sich am besten, wenn man sich als Frau – groß, dunkelblond, hellhäutig – allein für längere Zeit in einem muslimisch geprägten Land aufhalten will? Vor der Planung meiner Reise hatte ich eifrig nachgelesen, welche Verhaltensweisen als Frau in diesem Kulturkreis unbedingt zu vermeiden wären, um keine unerwünschte männliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen

Von Cosmopolitana

Single-Frau im muslimischen Land Sind Sie verheiratet?

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an solle sich stets bedeckt kleiden, d.h. kein bauchfreies, schulterfreies, rückenfreies oder beinfreies Stück Haut zeigen, figurbetonte Kleidung meiden ebenso wie längeren Blickkontakt zu Männern. So weit, so gut und für den Reiseerfahrenen eigentlich auch nicht weiter verwunderlich. Um auf Nummer sicher zu gehen, veränderte ich noch meine Haarfarbe von dunkelblond auf dunkelbraun, dann konnte die Reise losgehen. Schon bei meiner Ankunft in Kairo war mir klar, dass ich trotz oben angeführter Vorsichtsmassnahmen eine auffällige Erscheinung im Straßenbild sein würde. So gut wie alle Frauen tragen Kopftuch, viele Frauen zudem lange Gewänder und manche (allerdings nur ein sehr geringer Prozentsatz) eine Burka, d.h. ein schwarzes Gewand, schwarzes Kopftuch, ein Gesichtstuch mit Augenschlitzen und dazu enge schwarze Handschuhe. Als Deutsche, die einen relativ zwanglosen Umgang der Geschlechter miteinander gewohnt ist, erscheint das Errichten von Textilbarrieren zwischen Mann und Frau zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig. Nachdem ich nun eine gewisse Zeit in Kairo verbracht habe und etwas mehr mit den Denk- und Handlungsweisen der Ansässigen vertraut bin, kann ich mittlerweile eher die Notwendigkeit der Geschlechtertrennung verstehen. Die Lebensräume ägyptischer Männer und Frauen sind die meiste Zeit über voneinander getrennt. Beide Geschlechter werden dazu erzogen, im jeweils anderen Geschlecht ausschließlich potentielle Sexualpartner zu sehen, vor deren physischer Nähe man sich unbedingt schützen muss. Sexualität wird ausschließlich durch das Eingehen der Ehe legitimiert. Der Verlust der Jungfräulichkeit der Frau vor der Ehe würde den Verlust der Ehre der ganzen Familie bedeuten und ist daher in jedem Falle zu vermeiden. Eine Ehe kann ein Mann jedoch nur dann eingehen, wenn er ausreichende finanzielle Mittel in die Ehe einbringen kann. Dies ist für viele der Männer, die arbeitslos sind oder die für sehr geringes Geld arbeiten, teils gar nicht, teils jedoch erst in mittlerem Alter möglich. Im Klartext bedeutet dies, dass durch die erzwun-

gene Sexabstinenz das erlernte Bild der Frau als Sexobjekt noch verstärkt wird. Man muss sich als unverschleierte westliche Frau also darüber im Klaren sein, bei Männern einer bestimmten Altersgruppe als Projektionsfläche für nicht auslebbare sexuelle Bedürfnisse herzuhalten. Was in den Köpfen der Männer vorgeht, die mich ansehen, wenn ich die Strasse entlanggehe und die mir teilweise hinterher grölen oder pfeifen, verdränge ich im Alltag natürlich. In der Zwischenzeit habe ich mir eine Vielzahl schützender Verhaltensweisen im Umgang mit Männern angeeignet, die mir ein „kulturell angepasstes“ Leben in Kairo ermöglichen. Meine Mimik ist mittlerweile so versteinert und ausdruckslos wie die einer ägyptischen Sphinx. Ein Lächeln könnte als Einladung zur Anmache missdeutet werden. Ich meide Augenkontakte mit Männern sowie jede Art der zufälligen physischen Berührung mit einem Mann (manchmal schwierig bei der Geldübergabe beim Einkaufen o.ä.). Im Taxi setze ich mich wie die einheimischen Frauen auf die Rückbank hinter den Beifahrersitz. Ich halte mich nie allein zusammen mit einem Mann in einem Zimmer auf. Wenn ich gefragt werde, ob ich verheiratet sei, antworte ich mit „Ja“ und zeige bei Bedarf das Foto meines Bruders vor (ja, er hat mir hierfür die Erlaubnis gegeben;-). Es gibt auch Männer, die es gut mit mir als Westfrau meinen. Das sei hier ausdrücklich erwähnt. Männer z.B., die mit westlichen Denkweisen vertraut sind und die mich vor den „bad thoughts“ anderer Männer warnen. Da ist mein Sprachlehrer, der sich immer aufs vorsichtigste bemüht mich bei Korrekturen in meinem Heft nicht zufällig zu berühren. Auch den Bleistift fasst er bei der Übergabe immer ganz hinten auf der anderen Seite an. Oder kürzlich der Herr im Zug nach Alexandria, der mit seiner Familie reiste und zufällig die Sitznummer neben mir erwischt hatte. Spontan hat er mit seiner Frau den Platz getauscht... Sehr angenehm ist der Kontakt mit älteren Familienvätern und den ganz alten Männern, die westliches Verhalten tendenziell nicht falsch interpretieren und manchmal sogar fürsorgliche Züge an den Tag legen. ...Und nein, verheiratet bin ich immer noch nicht. (Mit freundlicher Genehmigung von OPINIO).

und elf Millionen Reisende aus aller Welt besuchen Ägypten pro Jahr - nicht ohne Folgen für die Umwelt. In El Gouna geht daher eine Kooperation der privaten Partner AGEG Consultants eG und der Orascom Hotels and Developments mit dem Namen „Green Star Hotel Initiative” in die Testphase. Ziel des neuen Ecolabels ist, die Natur und die eindrucksvolle Landschaft Ägyptens vor den Auswirkungen des florierenden Tourismus zu schützen und das ökologische Denken und Wirtschaften der Hotelindustrie zu verstärken. „Green Star Hotel” ist das erste Öko-Siegel, das auf die extremen geographisch-klimatischen Bedingungen Ägyptens zugeschnitten ist. Durch den boomenden Tourismus und die stetig wachsende Bevölkerung entsteht nicht nur ein Mehrbedarf an Wasser und Energie, sondern auch ein wachsendes Abfall- und Abwasseraufkommen, bei unzureichenden Entsorgungskapazitäten. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH unterstützt im Rahmen des Public Private Partnership (PPP)Programms, das sie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung (BMZ) durchführt, die Implementierung eines Systems zur Verbesserung der Management- und Ausbildungsstandards für umweltgerechte Hotelbewirtschaftung in Ägypten. Ziel ist es, die Umweltbelastung durch die Hotellerie zu minimieren und gleichzeitig die Attraktivität der Destination Ägypten zu steigern. In El Gouna finden derzeit Schulungen, Workshops und ein „Train the Trainer” Programm statt, bei denen die Mitarbeiter und Ausbilder von Hotels in Sachen Umwelterhaltung geschult werden. Weiterhin wird der Lehrplan der El Gouna Hotelfachschule durch ein Weiterbildungsprogramm für nachhaltiges Wirtschaften erweitert. Das PilotAudit der „Green Star Hotel Initiative” in den Anwärter-Hotels wird Ende Oktober durchgeführt. Da das Angebot an umweltfreundlich hergestellten Produkten derzeit in Ägypten noch sehr gering ist, hoffen die Unterstützer des Projekts, dass die Konkurrenz des Nahost Pioniers und Trendsetters Orascom Hotels and Developments, bald nachzieht und somit auch die Produktion von ökologischen Produkten, wie recycelte Papiertücher oder umweltverträgliche Reinigungsmittel, angekurbelt wird.

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El Gouna: Pilotdestination für neues Ecolabel

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Ägypten Heute


Religion

Das Kreuz unterm Halbmond

Wie leben Christen in einem mehrheitlich muslimisch geprägten Umfeld? Zu Besuch bei einer deutschen katholischen Gemeinde in Kairo... Je länger ich als Zugereiste in Kairo lebe, desto stärker werde ich in den Bann gezogen von der religiösen Prägung des Alltags. Nicht zu überhören ist der tägliche Ruf des Muezzins, der die Muslime an ihre Pflicht erinnert, fünf Mal täglich das Gebet zu verrichten. Freitags breiten die Männer mitten in der Stadt ihre großen grünen Gebetsteppiche aus und stoppen den sonst nie enden wollenden Verkehr.

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ie aber leben eigentlich Christen in diesem Umfeld? Wie frei sind sie darin, ihre Religion in Ägypten zu praktizieren? In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird Religionsfreiheit wie folgt definiert: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden.“ In Ägypten leben ca. 12 % koptische Christen, evangelische und katholische Christen bilden eine weitere nicht genau statistisch erfasste Minderheit. Die Zahl der deutschsprachigen Christen wird in ganz Ägypten auf ca. 4000 geschätzt. Mitten in der Innenstadt Kairos in der deutschen Schule der Borromäerinnen (katholischer Orden) sowie im feinen Stadtteil Maadi pflegen katholische deutschsprachige Christen ihre Religion und ihr eigenes Gemeindeleben. Eine eigene Kirche, die nur mithilfe eines Präsidialerlasses (und somit

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des Wohlwollens des jeweiligen Regierenden) baubar wäre, gibt es für die Zielgruppe nicht. Dies wird begründet mit der sehr überschaubaren Zahl der aktiven Katholiken und die bereits vorhandene Infrastruktur der Borromäerinnen vor Ort. Kirchen als Gebäude gibt es durchaus mehrere im Stadtbild Kairos. Der Pfarrer der kleinen katholischen Gemeinde vergleicht seine Situation mit derjenigen des Urchristentums, bei denen sich die Christen in kleinen Gruppen und durchaus auch an informellen Orten zur Ausübung ihrer Religion zusammenfanden. Der ägyptische Staat räumt der christlichen Minderheit mehr Rechte ein, als man zunächst vermuten würde. In ganz Ägypten gibt es insgesamt 160 katholische Schulen. Zudem haben Christen das Recht innerhalb der muslimisch organisierten Wochenstruktur (d.h. Wochenende Freitag/ Samstag und nicht Samstag/Sonntag) die ersten beiden Stunden am Sonntag von der Arbeit fern zu bleiben, um in die Kirche zu gehen. Das koptische Weihnachtsfest (am 07.01.) gilt als Feiertag in ganz Ägypten. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass ägyptische Muslime durch ihren eigenen sehr stark religiös geprägten Alltag

Ägypten Heute September 2008

durchaus Verständnis dafür haben, bzw. es als selbstverständlich empfinden, dass Christen sich zu ihrem eigenen Glauben bekennen und Gebeten nachgehen. Auf Unverständnis stoßen dagegen Menschen aus westlichen Gesellschaften, die sich stolz dazu bekennen, Atheist zu sein. Ein westlicher Gesprächspartner, der sich gegenüber seinem muslimischen Counterpart als praktizierender Christ zu erkennen gibt, wird deutlich höhere Anerkennung geniessen als ein Atheist. Nichtsdestotrotz muss man sich der Tatsache bewusst bleiben, einer Minderheit anzugehören. Das bedeutet aufzufallen, anders zu sein und sich in der schwächeren Verhandlungsposition zu befinden. Nicht zuletzt ist die Tolerierung von Minderheiten in jeder Gesellschaft stark von politischen Interessen und Stimmungen abhängig, die sich schnell ändern können. Zudem darf an dieser Stelle ein Halbsatz der oben zitierten Definition von Religionsfreiheit nicht unter den Tisch fallen, und zwar „die Freiheit seine Religion oder Überzeugung zu wechseln“. Zwar darf ein Christ zum Islam konvertieren, nicht jedoch ein Muslim zum Christentum. Letzteres ist durch die Scharia strikt untersagt.


Altes Ägypten Eines der großen Rätsel der Alt-Ägypten-Forschung scheint gelöst: Ägyptische Archäologen haben nach einjährigen Forschungsarbeiten die Mumie der legendären Königin Hatschepsut identifiziert. Die Identität des lange Zeit unbeachtet gebliebenen, mumifizierten Frauenleichnams aus dem Tal der Könige sei durch DNA-Analysen und computertomografische Tests zweifelsfrei erwiesen, sagte Ägyptens Kulturminister Faruk Hosni auf einer Pressekonferenz im Ägyptischen Museum in Kairo.

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atschepsut, die einzige weibliche Herrscherin im alten Ägypten bis zu den Ptolemäern mit Kleopatra ab 200 vor Christus, hat nach dem Tod ihres Gatten und Halbbruders, des Pharaos Tutmosis II., zwischen 1502 und 1482 vor Christus regiert. In Kairo wurde die Identifizierung der Mumie als «archäologische Sensation» gefeiert. Die Mumie der Hatschepsut war wie man nunmehr weiß - bereits 1903 bei Grabungen im Tal der Könige gefunden, aber nicht erkannt worden. Der britische Archäologe Howard Carter war in einer weniger bedeutend erscheinenden Grabkammer auf zwei Mumien gestoßen. Eine davon, die der Krankenpflegerin von Hatschepsut, Sittre-In, ließ er ins Ägyptische Museum bringen, die zweite ließ er zurück. Neu aufgerollt wurde der Fall der Pharaonin, als ein Team von Archäologen unter Leitung des Chefs der ägyptischen Altertümer-Verwaltung, Zahi Hawas, im Vorjahr damit begann, die Bestände des Museums zu durchforsten und erstmals mit modernen Labormethoden wie DNA- und CT-Analysen zu untersuchen. Hawas hoffte zunächst, dass sich unter den drei bislang unidentifizierten Frauen-Mumien im Museumslager die der legendären Hatschepsut befinden würde. Doch das Ergebnis fiel negativ aus. Hawas erinnerte sich nun an die von Carter zurückgelassene

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Legendäre Hatschepsut identifiziert Von ÄH Redaktion Frauenmumie aus der Kammer der Sitre-In und ließ diese nach Kairo bringen. Von Hatschepsut selbst hatte man bis dahin einen Zahn, der in einer Holzkiste aus ihrem prächtigen Totentempel lag, und Organe, die in Krügen waren, die als Grabbeigaben gedient hatten. Nun ging es nur mehr noch darum, das Puzzle zusammenzusetzen. Und es fügte sich zusammen. Die DNA-Analysen des Gewebes der Mumie aus dem Krankenpflegerinnen-Grab ergab, dass die Tote mit Hatschepsuts Vater Tutmoses I., ihrem Halbbruder Tutmosis II. und ihrem Halb-Neffen Tutmosis III. verwandt gewesen sein musste. Und die Computer-Tomographie ergab zweifelsfrei, dass der Zahn aus Hatschepsuts Holzkiste genau in die Zahnlücke der Mumie passte. Hatschepsut, die zur Zeit der 18. Dynastie im Neuen Reich regierte, übernahm die Macht im pharaonischen Ägypten zunächst nur als Regentin. Als ihr Gatte und Halbbruder Tutmosis II. starb, war dessen Sohn, der aus einer Verbindung mit einer Nebenfrau stammte, noch ein Kind. Hatschepsut nahm aber bald alle Attribute eines Pharaos an und herrschte über ein Großreich, dessen Blütezeit sie aktiv mitgestaltet hat. Nach ihrem Tod wurden Kartuschen und Reliefs und Statuen mit ihrem Namen und ihrer Gestalt zerstört. Forscher sahen als Hauptverdächtiger lange Zeit Tutmosis III., da seine

Stiefmutter ihn um den Thron gebracht hatte. Jedoch wurden die Zerstörungen auf eine jüngere Zeit datiert. Da ein persönlicher Feind eine Zerstörung jedoch so bald wie möglich veranlasst hätte, wird vermutet, dass ein späterer Nachfolger nicht akzeptieren konnte, dass eine Frau geherrscht und auch Großes vollbracht hatte. In der offiziellen ägyptischen Geschichtsschreibung sollte möglicherweise die Kontinuität der männlichen Erbfolge und damit auch der männlichen Pharaonen erhalten bleiben. Die Identifizierung ihrer Mumie beweist schließlich nun auch eindeutig, dass Hatschepsuts Herrschaft mit ihrem natürlichen Tod - Krebs oder Diabetes - endete. Immer wieder hatte es Spekulationen gegeben, die Pharaonin wäre von ihrem Neffen - und Stiefsohn - Tutmosis III. oder Neidern am Hof ermordet worden. Die wissenschaftliche Forschung hatte aber schon bisher dazu geneigt, diese Annahmen als unbegründet anzusehen. Der Direktor des Ägyptischen Museums mahnte dennoch zur Vorsicht bei der Aussage, dass der Nachweis der Identität wissenschaftlich wirklich gelungen sei. Er kenne die jetzigen Nachrichten noch nicht im Detail. Wissenschaftler seien aber verpflichtet, «solche Dinge mit äußerster Zurückhaltung zu prüfen und an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn alle Proben positiv verlaufen sind».

Hatschepsut übernahm die Macht im pharaonischen Ägypten zunächst nur als Regentin


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Erfolgsgeschichte

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«Ich kann nicht mit Menschen arbeiten, die unzufrieden sind. Das zieht mich runter.»

Der ägyptische Milliardär Samih Sawiris ist ein Vermittler zwischen Orient und Okzident - er ist weltgewandt, spricht perfekt Deutsch und betreibt mit Stipendien und Literaturpreisen auf unkonventionelle Weise Kulturpolitik. Vor allem jedoch ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann, der die Lagunenstadt El Gouna am Roten Meer aus dem Wüstensand gestampft hat.

Weltbürger und Visionär Z usammen mit seinen Brüdern Nagib, dem größten Telefonanbieter des Nahen Ostens, Afrikas und Pakistans, und Nasif, der den Baumarkt beherrscht, bildet Samih Sawiris mit seinen Unternehmungen das Orascom-Imperium. Heute tragen allein drei der fünf Top-Unternehmen an der Kairoer Börse den Namen Orascom, das Siegel der Familie Sawiris; das sind insgesamt 40 % des Umsatzes an der ägyptischen Börse. Das Orascom-Imperium ist der einzige Konzern des Landes, der zu den Global Players zählt. Samih Sawiris gehört zu den reichsten Männern der Welt und wohnt bescheiden in dem Dreisterne-Hotel Ali Pasha. Es liegt am Abu Tig, dem Yachthafen von El Gouna am ägyptischen Roten Meer. Im Hotel gibt es 34 Zimmer und die Wohnung des Hausherrn. Hier verbringt der Weltbürger seine Wochenenden. Die Einrichtung seines Apartments widerspiegelt auch seine Welt: «Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich ein typischer Ägypter bin, aber ich bin auch kein typischer Europäer.» Diese Lebensphilosophie hat den Mann weit gebracht. Es grenzt an ein Wunder, wie es der 50-jährige schaffte, dass die Schweizer Bauern im Urserental ihn als Messias ihres vergessenen Andermatts feiern. Und der Bundesrat hat bestehende Gesetze entsprechend angepasst: Der Ausländer darf ein «Mountain Resort» am Fuße des Gotthards bauen. Sawiris Erfolgsgeschichte liest sich wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Er lebte in Kairo, träumte von einem Haus am Roten Meer. Nördlich von Hurghada fand er El Gouna. Erst wurde ihm der Kauf der Wüsten verweigert – als er versprach, dass er für jedes Ferienhaus auch ein Hotelbett

baue, kam das Okay. Der Unternehmer erstellte ein Hotel mit 25 Doppelzimmern und 50 Villen. Heute gibt es in El Gouna 15 Hotels mit über 2600 Zimmern, mehr als 2450 Villen und Wohnungen sind gebaut und an die Eigentümer übergeben worden, weitere entstehen und die Nachfrage an Immobilien ist ungebrochen. Schulen, ein Institut der amerikanischen Universität Kairo, eine Bibliothek, ein modernes Hospital, eine Kirche für ägyptische Christen, eine Moschee, eine Bierbrauerei, eine Weinkelterei, Bäckereien, Kaffees, Boutiquen, ein Yachthafen, ein Golfplatz machen El Gouna zu einer wunderschönen und völlig eigenständigen Stadt direkt am Roten Meer. Die Immobilienbesitzer kommen aus den verschiedensten Ländern. Engländer, Italiener, Deutsche, Schweizer, Österreicher, Ägypter, Skandinavier usw. haben sich inzwischen hier niedergelassen. «Wir müssen erreichen, dass El Gouna nicht nur in Ferienzeiten belebt ist», erklärt Sawiris. «Es sollten hier noch mehr Leute ständig leben, das ist der Grund, wieso wir weiterbauen.» Der Geschäftsmann erstellt keine Mauer, bevor er sie nicht verkauft hat. Für 1 Quadratmeter fertige Wohnfläche sind rund $ 3000 zu bezahlen. «Wir geben uns absolut Mühe, dass sich hier keine Cliquenstadt aus nur einer Nation entwickelt», sagt der Manager. Er hat die Biografie des Fürsten Potemkin genau gelesen: «Der baute Dörfer für Hunderttausende von Menschen in Russland.» Aber Potemkin war ein Blender. Als Kaiserin Kathatrina Potemkins Dörfer in der Krim besuchte, liess der kurzerhand Fassaden aus Pappe vor schäbigen Hütten aufstellen. Pappkulissen in El Gouna sind kein The-

Sawiris Erfolgsgeschichte liest sich wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Er lebte in Kairo, träumte von einem Haus am Roten Meer.

ma. Die Marina ist das St.-Tropez am Roten Meer. Jeder reiche Ägypter besitzt hier eine Bleibe. Im Hafen ankern Hochseeyachten. So auch die von Sawiris. Aber er will sich nicht vor dem Boot fotografieren lassen: «Das sind absolut schlechte Manieren.» Am liebsten trägt er Bermudas. Wie viele Leute er in seinem Unternehmen beschäftigt, weiß er nicht: «Monatlich bezahlen wir bis zu 7000 Löhne, und zähle ich alle Hotels dazu, dann müssten das gegen die 10 000 sein», sagt er. Samih Sawiris entwickelt mit seiner Firma Orascom Hotels & Development Ferienorte in Ägypten, Jordanien, Oman, Marokko, den Arabischen Emiraten, Mauritius – neuerdings und auch im Schweizer Bergdorf Andermatt. Schon bald wird er das Leben in der Schweiz beeinflussen. Der Kanton Uri rechnet mit 2000 neuen Arbeitsplätzen. Und Sawiris schwärmt vom intakten Dorf Andermatt. «Aber wir müssen noch viel tun, damit die jungen Leute nicht mehr wegziehen.» «Life as it should be – Leben, wie es sein sollte», sein Leitsatz ist auf Plakaten und Broschüren in El Gouna zu lesen. Wird dieses Motto auch auf der Ortstafel von Andermatt stehen? Sawiris hofft auf Positives in der Schweiz: «Ich kann auch nicht mit Menschen zusammenarbeiten, die unzufrieden sind, das zieht mich absolut runter.» Er ist ein Chef der knappen Worte. Er managt am liebsten per SMS. Pausenlos klingelt sein Handy: Mal spricht er Arabisch, mal Englisch oder Französisch, aber auch Deutsch. In Kairo besuchte er die Deutsche Schule. Mit dem Notendurchschnitt 1,3 seines Abiturs durfte er an jeder Universität in Deutschland studieren. Sein Bruder war damals an der ETH in Zürich. «Aber ich hätte drei Fächer für die Aufnahmeprüfung in der Schweiz nachholen müssen», sagt Sawiris. So wurde er an der Freien Universität Berlin Wirtschaftsingenieur. Nach dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin «Forbes» gehören die Sawiris heute zu den 200 reichsten Familien der Welt: Der Vater ist 77 Jahre alt und hat drei erfolgreiche Söhne. Quelle blick.ch und ZDF-Dokumentation über Samih Sawiris


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Literatur Die arabische Übersetzung von Elfriede Jelineks Roman “Die Liebhaberinnen” wirft viele Fragen auf. Der erfahrene Übersetzer Mustafa Maher hat viele von ihm als vulgär empfundene Wörter ausgelassen. Ist das das Schicksal, das einem kühnen und schockierenden Text in einer konservativen Kultur widerfährt? Mustafa Maher ist Germanistik-Professor an der Ain-Shams-Universität in Kairo. Er hat seit den sechziger Jahren zahlreiche Werke der deutschen Literatur ins Arabische übersetzt, u.a. von Goethe, Kafka, Hesse, Dürrenmatt und Handke. Zuletzt hat er zwei Werke der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek übersetzt: “Die Liebhaberinnen” und “Die Ausgesperrten”. Mit Professor Maher hat der Journalist und Schrifsteller Samir Grees ein Streitgespräch geführt.

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Interview: Samir Grees

Frau Jelinek trüge den Schleier!

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rees: Ihre in Kairo erschienene “Liebhaberinnen” - Übersetzung ist ziemlich problematisch. Sie enthält viele Fußnoten, die manchmal überflüssig und störend wirken. Auch haben Sie viele angeblich vulgäre Wörter ausgelassen und diese Auslassungen mit Pünktchen markiert. Das heißt: Die “arabische” Jelinek entspricht nicht dem Original. Warum? Maher: Am Ende Ihrer Frage sagen Sie: Jelinek auf Arabisch ist anders als das Original. Wenn man Frau Jelinek nach Ägypten holte, sähe sie anders aus, sie trüge ägyptische Kleider und einen Schleier oder eine Burka. Grees: Genau das ist die Frage: Warum soll ich ihren Körper oder ihr Gesicht verdecken? Warum bleibt sie nicht ohne Schleier? Maher: Damit sie besser in die Gesellschaft der Zielkultur passt. Als Übersetzer muss man zunächst einmal einen verständlichen Text präsentieren, d.h. man muss den Sinn korrekt übertragen. Das ist es, was ich im ersten Schritt gemacht habe. Es gibt Dinge, auf die man den Leser aufmerksam machen muss, damit er das Gesagte versteht – deshalb die Fußnoten und Hinweise. Außerdem weiß ich als Übersetzer nicht, welche Zielgruppe die Übersetzung liest. Es gibt Leser, die immer wieder Erklärungen der im Text vorkommenden historischen, geographischen und kulturellen Details brauchen. Als Übersetzer kann ich nicht sagen: Ich übersetze, also existiere ich nicht. Nein, ich übersetze, also bin ich! Ich sage: Ich will, dass dieser Text Grenzen überschreitet und die Menschen erreicht.

Wenn ich den Text entstellt und seinen Inhalt verkehrt hätte, wäre dies ein Fehler gewesen. Einige Stellen hätten jedoch bei einer wörtlichen Übersetzung eine falsche Vorstellung beim Leser in der anderen Kultur erweckt. In diesen Fällen ist es richtig, einzugreifen. Grees: Zum Beispiel? Maher: Bei Todesfällen in Deutschland, beispielsweise, findet das Begräbnis einige Tage nach dem Tod statt. Es gibt dann viele Blumen. Nach der Beerdigung versammeln sich die Leute in einem Lokal und essen Kuchen, trinken Wein, lachen … Einer hat mir erzählt, nach der Beerdigung eines Freundes haben die Versammelten viel gelacht, so dass einer sagte: Wir müssen ihm dankbar sein, er hat uns zum Lachen gebracht und uns unsere Sorgen vergessen lassen! Solche Rituale haben wir nicht. Als ich in Deutschland lebte, war ich überrascht, dass die Friedhöfe so schön waren, wie Gärten, durch die wir spazieren gingen. Wenn man übersetzt, muss man dem Leser all dies vermitteln, man muss ihm sagen, dass die Friedhöfe ganz anders sind als in der arabischen Welt. Was Jelinek angeht, so kann ich nicht ein literarisches Werk in einen anderen Kulturkreis übertragen, in dem die Menschen nicht solche sexuellen Details lesen – Details, die wir nicht sagen können … Doch diese Details tauchen durchaus in der arabischen Literatur auf. Es gibt – vor allem in letzter Zeit – eine Reihe literarischer Werke, die ganz bewusst Sexualität bis hin zur Pornographie behandeln, weil man denkt,

das führe zu höheren Auflagen. Es gibt fast eine Inflation an detailreichen Sexszenen ohne irgendein künstlerisches Ziel. Bei Jelinek ist die Sexualität aber ein Hauptthema in ihren Werken – wenn sie bestimmte Wörter benutzt, so soll man sie getreu übersetzen. Grees: Warum sollte man sie auslassen? Maher: Ich habe nichts ausgelassen. Auslassen ist nicht das richtige Wort – ich fand Stellen, die dem Hauptziel der Übersetzung nicht dienen, nämlich, dass die Leser Jelinek verstehen. Wenn die Menschen den Text lesen würden, wie er ist, würden sie denken, diese Schriftstellerin sei eine schamlose Hure und Zuhälterin! Dies ist aber kein richtiges Bild. Ich habe in Deutschland lange Jahre gelebt und erlebt, wie konservativ das Land war. Ich habe auch die Entwicklung miterlebt. Ich glaube, dass es dem künstlerischen Wert des Romans nicht abträglich ist, nein, ihm sogar erhöht, wenn ich die Worte auslasse, die dem arabischen Leser nicht nützen; im Gegenteil, diese Worte würden ihm ein verkehrtes Bild der westlichen Kultur vermitteln. Wenn Jelinek eine Szene zwischen einem Mann und einer Frau auf der Toilette beschreibt, oder wie eine Frau mit der Rasierklinge an ihrem Körper schneidet … dann sind das keine Worte meiner Sprache. Grees: Als Übersetzer übertrage ich entweder den Text getreu, oder ich sage: Dieses Werk eignet sich nicht zum Übersetzen. Maher: Nein, es eignet sich sehr zum Übersetzen. Es ist, wie ich sage, eines der großen Werke der menschlichen Kultur. Wenn ich

“In der islamischen Rechtswissenschaft sagt man über den sexuellen Akt: Wenn der Schminkstift in die Dose mit Kajal eindringt. Man sagt nicht: Wenn das männliche Glied in die Scheide eindringt”.

es dem Leser überlasse, sich das Geschehnis vorzustellen, wenn ich es mit anderen Worten in einer Fußnote beschreibe, so kann der Leser die Entsprechung finden. Ich muss nicht einen Mann und eine Frau auf eine Art und Weise zeigen, die anders verstanden wird, als von der Schriftstellerin gemeint. Außerdem präsentiere ich ja nicht die einzig mögliche Übersetzung. In der islamischen Rechtswissenschaft zum Beispiel sagt man über den sexuellen Akt: Wenn der Schminkstift in die Dose mit Kajal eindringt. Man sagt nicht: Wenn das männliche Glied in die Scheide eindringt. Grees: Obwohl einige Klassiker der arabischen Sprache und Literatur solche Ausdrücke enthalten. Zum Beispiel das Buch “Fiqh al-lugha” (Die Philologie der Sprache) von al-Thaalibi, das ein ganzes Kapitel über den Beischlaf und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Benennungen enthält… Maher: Ja, aber al-Thaalibi und andere sprachen eine sehr kleine Gruppe von ihresgleichen an. Die breite Masse benutzte damals auch Wörter, die die Gebildeten für nicht züchtig hielten. Es gibt den berühmten Diwan von AbuNawas – die alten Bücher sind voll von diesen Ausdrücken, niemand hat sie gestrichen, doch es sind Werke, die der breiten Masse fern sind. Ich vergleiche das mit Anatomiebüchern, die detaillierte Kenntnisse über die Geschlechtsorgane enthalten, doch sie sind nicht für die Allgemeinheit geschrieben. Meine Übersetzungen aber richten sich an alle.


Deutsche in Ägypten In einer Woche habe ich drei Heiratsanträge von ernsthaften Ägyptern bekommen! Andere kriegen vielleicht jeden Tag so viele, aber für meine Verhältnisse sind drei eine Menge.

Von Kristina Bergmann

Ägyptischer «Heiratsmarkt» Deutsche Frau mag ägyptische Männer

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ach meiner Scheidung hat sich ein Jahr lang kein Mann um mich bemüht - weder, um mich zu ehelichen, noch, um mit mir ins Bett zu steigen. Meine beste Freundin meinte damals, dass man mir meinen Kummer und meine Abwehr gegen jede Art von Beziehungen anmerken würde. Männer spürten, dass ich nichts mit ihnen zu tun haben wolle, und hielten sich deshalb fern. Nun, also drei Jahre später, gleich drei Bewerbungen auf einmal! Um es vorwegzunehmen: Ich will nicht heiraten, und auch, wenn ich wollte, käme keiner der drei in Frage. Dennoch möchte ich über die Kandidaten schreiben, denn sie zeigen einiges über den ägyptischen «Heiratsmarkt» auf. Der erste Anwärter ist zwar nett und gebildet, aber zu alt. Ältere ägyptische Männer wollen nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr attraktiv sind. Sie glauben, uns Frauen genüge, dass sie «Männer» seien - was auch immer das heissen mag. In Ägypten gilt: Die Ehefrau sollte unbedingt jünger als ihr Mann sein, ihm sind altersmässig nach obenhin kaum Grenzen gesetzt. Mein zweiter Verehrer ist zu jung. Er ist also die berühmte Ausnahme, nämlich ein Ägypter, dem das Alter der Frau egal ist. Was ihn ausgerechnet zu mir treibt, verstehe ich nicht. Er meint, er suche die geistige Harmonie. Hört sich nett an, ist auch nett gemeint, für mich aber bei dem Altersunterschied ausgeschlossen. Den dritten Antrag finde ich absurd und deshalb auch am interessantesten. Der Mann würde altersmässig zu mir passen, ist auch sonst ein integrer, kluger Kerl. Die Sache hat einen «kleinen» Haken: Er ist schon verheiratet. Er wolle mich als zweite Frau nehmen, sagt er. In Ägypten ist das relativ selten, aber nicht un-

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möglich. Vor allem geschiedene Frauen ehelichen oft einen bereits verheirateten Mann. Zwar versuchen geschiedene Ägypterinnen, allein zu leben, doch leicht haben sie es nicht. Am Nil sind Hausmeister, Chauffeure und Dienstboten den lieben langen Tag auf der Strasse und wissen genau, wer wo wann kommt und geht, und was er sagt oder macht. Sie sind die eigentliche Sittenpolizei in Ägypten, und Fremde, die ein Haus betreten, werden von ihnen unverzüglich bemerkt. Dann werden die Besucher durch die Moralmangel genommen. Ausserehelicher Sex ist das grösste Tabu am Nil. Frauen traut man in Ägypten viel «Schlechtes» zu, und Geschiedenen sogar das «Allerschlechteste» - nämlich Lust auf Sex. Frauen, die fremde Männer empfangen, sind deshalb «sharamit», Huren! Lebt eine Geschiedene allein, gilt das auf lange Sicht als abnormal. Alle warten darauf, dass die Geschiedene zum «Normalzustand», also der Ehe, zurückfindet. Ein bereits verheirateter Mann zählt in diesem Fall als perfekte Lösung . Denn die Geschiedene ist einerseits nur noch zweite Wahl, andrerseits gönnt man ihr ehelichen Sex. Weigert sie sich zu heiraten, macht sie sich verdächtig. Abwarte, Chauffeure und Dienstboten lauern dann darauf, dass sie sich einen Geliebten nimmt. Mein Verehrer sagte, er habe seinen Lebtag nie an eine Zweitehe gedacht. Er sei glücklich mit seiner Frau und seinen Kindern. Er habe sich auch noch nie in jemanden verliebt, doch mit mir sei es geschehen. Ausserdem tue ich ihm leid so allein, wie ich sei. Er sei ein frommer Muslim, und der Koran erlaube ausdrücklich, dass ein Mann mehrere Frauen heirate. Er wisse, dass der betreffende Koranvers auch als Absage an die Polygamie verstanden werden könne. Doch habe der Prophet Mohammed immer gewünscht, dass Männer sich der Frauen annähmen, die keinen Ehemann mehr hätten, also verwitwet oder geschieden seien. Ich bedankte mich höflich für das Angebot und sagte, ich müsse es leider ablehnen. Ich wolle ganz für meinen Sohn da sein, und ein neuer Ehemann habe in meinem Leben keinen Platz. Ich war froh, als er ging, denn keine Sekunde länger hätte ich den Mund halten können. Laut fluchend tigerte ich nun durch die Wohnung. Wie konnte dieser Typ sich einbilden, dass ich allein nicht zurechtkomme, fragte ich mich? Dass ich mir wünschte, verheiratet zu sein, Sehnsucht nach einem Ehemann hätte? «Affe», schrie ich und «Esel!» Während ich tobte, fiel mir ein Freund meines Exmannes ein, der vor einigen Jahren eine zweite Frau hatte ehelichen wollen. Auch er zog damals den Koran zur Begründung herbei. Doch seine erste Frau sagte ihm auf den Kopf zu, dass es für ihn als Linken lächerlich sei, seinen Heiratswunsch mit dem Islam zu begründen. Wäre ich doch nur lesbisch und hätte mich künstlich befruchten lassen, schoss es mir plötzlich durch den Kopf! Dann gestand ich mir ein: Geht nicht - ich mag Männer nämlich. Quelle: Neue Zürcher Zeitung


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TV-Programme Das Erste

Montag, 1. September 1.20-3.00 Die jungen Wilden, Gerichtsfilm 9.05-9.55 Rote Rosen 10.03-12.00 Frag doch mal die Maus, Familienshow 15.10-16.00 Sturm der Liebe 17.30-18.00 Brisant, Boulevardmagazin 18.50-19.50 Großstadtrevier, Chefsache, Krimiserie, 20.15-21.45 Hilfe - alles wird teurer! So kann ich sparen 21.45-22.15 Fakt, Politmagazin 22.45-0.00 Beckmann, Talkshow Dienstag, 2. September 0.20-1.05 Krömer - Die internationale Show, Comedytalk 1.05-2.45 Vor Hausfreunden wird gewarnt, Komödie 10.35-12.00 Die Liebe kommt selten allein, Komödie 18.00-18.25 Verbotene Liebe

tenmagazin für Kinder 10.03-10.30 Willi wills wissen 12.03-13.30 Charleys Tante Komödie 13.30-14.00 Alfredissimo! Kochen mit Bio und Judy Winter 14.30-16.00 Der Lügner Komödie 18.50-19.20 Das Quiz mit Jörg Pilawa 20.15-23.30 Fußball: WM-Qualifikation

Sonntag, 7. September 0.15-1.45 Mord ist die Rache Actionthriller 1.50-3.40 Der aus dem Regen kam Psychothriller 3.40-5.10 Kugeln tragen keine Unterschrift Italowestern

walze kam Dokumentation 22.45-0.00 Beckmann Talkshow

Dienstag, 9. September 0.20-1.05 Krömer - Comedytalk 1.05-2.35 Verraten - Eine Frau auf der Flucht Kriminalfilm 10.30-12.00 Mein Gott, Anna! Komödie 18.50-19.20 Paralympics Peking 19.45-19.50 Wissen vor acht Reihe 19.55-20.00 Börse im Ersten 20.15-21.05 Die Stein Serie 21.05-21.50 In aller Freundschaft Arztserie 22.45-0.00 Menschen bei Maischberger Talkshow Mittwoch, 10. September

Mittwoch, 3. September 0.20-2.20 Kap der Angst Thriller, 2.25-4.25 Misfits - Nicht gesellschaftsfähig Western 9.05-9.55 Rote Rosen 20.15-21.45 Mein Mann, der Trinker, Ehedrama 23.30-0.15 Planspiel Atomkrieg, Adenauers Kampf um die Bombe

Donnerstag, 4. September 0.35-2.10 Madame de... Melodram, Frankreich/Italien 2.15-3.05 Sturm der Liebe 4.15-5.30 Hart aber fair Aktuelle Diskussion 16.05-17.25 Radsport: Deutschland Tour 18.00-18.25 Verbotene Liebe, Serie 20.15-21.45 Wie deutsch bist du wirklich? 21.45-22.15 Monitor Politmagazin 22.45-0.35 Paycheck - Die Abrechnung, Sciencefiction-Thriller

Freitag, 5. September 0.55-2.55 Police Python 357, Kriminalfilm, 3.00-3.25 Zurück in die Zukunft, Die gestohlenen Erfindungen 3.50-4.20 Unterwegs im Herzen Russlands, Reportage 10.03-10.30 Brisant, Boulevardmagazin 10.30-12.00 Ein Ferienhaus in Marrakesch, Reihe 18.00-18.25 Verbotene Liebe 20.15-21.45 Mein Gott, Anna! Komödie 21.45-23.15 Außer Kontrolle 23.30-0.55 Hochwürdens Ärger mit dem Paradies, Verwechslungskomödie Samstag, 6. September 6.05-6.15 Clinton regiert die Welt! Animationsserie 6.40-8.05 Tigerenten Club Der Club zum Mitmachen 8.05-8.30 Wissen macht Ah! 8.30-8.50 Die Pfefferkörner Detektivserie 8.50-9.20 Ein Fall für B.A.R.Z. Schatzsuche Kinderkrimiserie 9.50-10.00 neuneinhalb Nachrich-

5.15-5.30 Die schönsten Bahnstrecken der Welt China 6.20-6.45 Pet Alien Der Bösewicht, den ich rief! Nackte Tatsachen 7.15-7.45 Sesamstraße 7.45-8.10 Koalas und andere Verwandte Comedyserie 10.30-11.00 Rennschwein Rudi Rüssel Kinderserie 11.00-11.30 Kopfball Wissensreporter im Einsatz 16.30-17.00 ARD-Ratgeber: Gesundheit Butter oder Margarine? 18.49-18.50 Ein Platz an der Sonne Wochengewinner 18.50-19.20 Lindenstraße Serie 20.15-21.45 Polizeiruf 110 Taximord Krimi 23.30-0.00 Druckfrisch Neue Bücher mit Denis Scheck Montag, 8. September 0.00-1.30 Heaven Drama 1.40-3.20 Leo, der Letzte Tragikomödie 3.25-4.25 Anne Will Talk 9.05-9.55 Rote Rosen Telenovela 10.03-10.35 Brisant Boulevardmagazin 15.10-16.00 Sturm der Liebe Telenovela 18.00-18.25 Verbotene Liebe Serie 18.25-18.50 Marienhof Serie 18.50-19.50 Großstadtrevier Hallo Chef Krimiserie 19.52-19.55 Tor der Woche/des Monats 21.00-21.45 Der Tag, als die Feuer-

0.20-2.50 Scarface - Toni, das Narbengesicht Actionfilm 4.10-4.40 ttt - titel thesen temperamente Kulturmagazin 5.05-5.30 Plusminus Wirtschaftsmagazin 18.25-18.50 Marienhof Serie 18.50-19.20 Türkisch für Anfänger Jugendserie 19.52-19.55 Tor der Woche/des Monats 20.15-21.45 Reife Leistung! Tragikomödie 21.45-23.00 Hart aber fair Aktuelle Diskussion 23.30-0.15 Planspiel Atomkrieg Dokumentation Donnerstag, 11. September 0.35-2.25 Die romantische Engländerin Tragikomödie 4.05-4.10 Deutschlandbilder 12.00-12.15 heute mittag Mit Börsenbericht 12.15-13.00 ARD-Buffet 18.00-18.25 Verbotene Liebe Serie 18.50-19.20 Paralympics Peking 19.20-19.45 Das Quiz mit Jörg Pilawa 20.15-21.45 Die Liebe ein Traum Melodram 21.45-22.15 Kontraste Politmagazin 22.45-23.30 Scheibenwischer Kabarett mit Bruno Jonas 23.30-0.00 Polylux

Freitag, 12. September 0.20-2.05 Der Arzt von Stalingrad

Kriegsfilm 2.10-2.35 Zurück in die Zukunft Zeichentrickserie 20.15-21.45 Meine liebe Familie Der Erbe Familienfilm 21.45-23.15 Schimanski: Asyl Kriminalfilm 23.30-1.00 Utta Danella - Der Sommer des glücklichen Narren Liebeskomödie

Samstag, 13. September 1.20-2.50 Der Pate: Die Saga Mafiafilm 5.30-5.45 Tom, Jerry & Co. Zeichentrick-Serien 5.45-6.10 Pet Alien Der Mathematikmarathon Animationsserie 6.35-8.00 Tigerenten Club Der Club

zum Mitmachen 8.25-8.50 Die Pfefferkörner Detektivserie 8.50-9.20 Ein Fall für B.A.R.Z. Fair Play Kinderkrimiserie 11.00-11.50 Weiches Fell und scharfe Krallen Kinderreihe 12.03-13.30 Das Sonntagskind Komödie 14.03-14.30 Simone Thomalla höchstpersönlich Porträt 14.30-16.00 Paralympics Peking 16.00-16.30 Plaza Latina Liebe, die durch die Traube geht Reportage 17.03-17.30 ARD-Ratgeber: Recht 18.00-18.30 Sportschau Fußball: 3. Liga 19.55-20.00 Ziehung der Lottozahlen 37. Ausspielung 20.15-22.45 Das Herbstfest der Volksmusik Präsentiert von Florian Silbereisen 23.05-23.10 Das Wort zum Sonntag spricht Stephan Wahl, Trier 23.10-1.10 Der weiße Hai Thriller

Sonntag, 14. September 2.50-4.50 Dreckige Hunde Antikriegsfilm 5.30-6.00 Felix und die wilden Tiere Reihe 6.45-7.15 Pet Alien Das Schicksal der Porzellankreatur Animationsserie 7.45-8.10 Koalas und andere Verwandte Comedyserie 10.03-10.30 Rennschwein Rudi Rüssel Kinderserie 11.30-12.00 Die Sendung mit der Maus Lach- und Sachgeschichten 12.03-12.45 Presseclub 13.15-13.45 ARD-exclusiv Die Kinder vom Hauptbahnhof Reportage 14.30-16.10 Die Sennerin von St. Kathrein Heimatfilm 16.10-16.30 La Réunion - Naturwunder im Indischen Ozean Reportage

Ägypten Heute September 2008

17.30-18.00 Im Herzen deutsch Königsberger Geschichten 18.00-18.30 Sportschau U.a. Fußball: Bundesliga 18.49-18.50 Ein Platz an der Sonne Wochengewinner 19.20-20.00 Weltspiegel Auslandskorrespondenten berichten 23.35-1.05 Kebab Connection Komödie

Montag, 15. September 1.15-3.00 Infam Melodram 3.05-4.05 Anne Will Talk 4.05-4.35 ARD-Ratgeber: Reise 9.05-9.55 Rote Rosen Telenovela 10.03-12.00 Das Herbstfest der Volksmusik 13.00-15.00 Paralympics Peking 15.10-16.00 Sturm der Liebe 18.00-18.25 Verbotene Liebe 20.15-21.00 Wilde Türkei Dokumentation 21.00-21.45 Der Tag, als die Grube explodierte Dokumentation 22.45-0.00 Beckmann Talkshow

Dienstag, 16. September 0.20-1.05 Krömer - Comedytalk 1.05-2.30 Geschenkt ist noch zu teuer Komödie 4.40-4.55 Die schönsten Bahnstrecken der Welt 10.30-12.00 Meine liebe Familie Familienfilm 16.10-17.00 Elefant, Tiger & Co. Soap 18.25-18.50 Marienhof Serie 19.20-19.45 Das Quiz mit Jörg Pilawa 19.52-19.55 Tor der Woche/des Monats 20.15-21.05 Die Stein Neues Glück Serie 21.50-22.15 Plusminus Wirtschaftsmagazin 22.45-0.00 Menschen bei Maischberger Talkshow Mittwoch, 17. September 0.20-2.15 Jurassic Park Sciencefiction 10.03-10.25 Brisant Boulevardmagazin 11.15-12.00 In aller Freundschaft Arztserie 19.45-19.50 Wissen vor acht Warum ist der Himmel blau? 20.15-21.45 Mit einem Schlag Ehedrama 21.45-23.00 Hart aber fair Aktuelle Diskussion 23.30-0.15 Der Tag, als der Mob die Inder hetzte Dokumentation Donnerstag, 18. September 0.35-2.25 Oldboy Drama, Südkorea 19.45-19.50 Wissen vor acht Reihe 20.15-21.45 Die große Show der Naturwunder 21.45-22.15 Panorama Politmagazin 22.45-0.05 Die Stunde des Jägers Action

Freitag, 19. September 0.25-2.30 Treffpunkt Todesbrücke Actionthriller 2.35-2.55 Zurück in die Zukunft Zeichentrickserie 10.35-12.00 Die Ente klingelt um halb acht Satire


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TV-Programme ZDF

Montag, 1. September 0.25-1.25 nachtstudio Diskussion Rätsel Tiefsee 5.05-5.30 blickpunkt Magazin 18.05-19.00 SOKO 5113 Unglücksstern Krimiserie 19.25-20.15 WISO Wirtschaft & Soziales Neue Regeln für die Rente nach der Scheidung – Das RentnerPrivileg soll abgeschafft werden Dienstag, 2. September 9.05-10.30 Volle Kanne - Magazin 10.30-11.15 Wege zum Glück 12.15-13.00 drehscheibe Deutschland 14.15-15.00 Die Küchenschlacht 15.15-16.00 Tierisch Kölsch Soap 18.05-19.00 SOKO Wien Auge um Auge Krimiserie 19.25-22.15 Fußball: Servus, Olli! (Top-Tipp) 22.15-22.45 37°: Fahrerflucht 22.45-23.45 Markus Lanz Talkshow Mittwoch, 3. September 0.00-0.05 Neu im Kino 0.05-2.05 Eiskalte Leidenschaft Psychothriller 2.40-3.40 Lanz kocht 4.15-4.45 nano Zukunftsmagazin 4.45-5.00 Leute heute Journal 18.50-19.00 Lotto - Ziehung 19.25-20.15 Küstenwache Der letzte Ausweg Polizeiserie 20.15-21.45 Aktenzeichen: XY... ungelöst 22.15-22.45 Abenteuer Forschung Magazin 22.45-23.15 auslandsjournal

Donnerstag, 4. September 3.25-3.55 Gemeinsam statt einsam Neues Wohnen braucht das Land 3.55-4.15 @rt of animation 9.05-10.30 Volle Kanne - Magazin 17.55-19.00 Ein Fall für zwei Schneetreiben Krimiserie 19.25-20.15 Notruf Hafenkante Liebeswahn Polizeiserie 20.15-21.00 Fünf Sterne Umbrüche Hotel-Serie 22.15-23.15 Maybrit Illner PolitTalk 23.15-0.15 Markus Lanz Talkshow

Freitag, 5. September 0.30-1.10 Anna Pihl - Auf Streife in Kopenhagen Polizeiserie 1.10-1.30 Schatten der Leidenschaft Dramaserie 10.30-11.15 Wege zum Glück 15.15-16.00 Tierisch Kölsch Soap 18.05-19.00 SOKO Kitzbühel Wilderer Krimiserie 19.25-20.15 Der Landarzt Freunde in Not Familienserie 20.15-21.15 Der Alte Mitten ins Herz Krimiserie 21.15-22.00 SOKO Leipzig Krimiserie 22.30-23.00 Lesen! Literaturmagazin Samstag, 6. September 0.10-0.55 in Concert - Rosenstolz Das Große Leben Live 0.55-2.45 Die Lady aus dem Kino Shanghai Kriminalfilm 2.50-3.10 Schatten der Leidenschaft

3.30-4.30 Markus Lanz Talkshow 5.05-5.30 citydreams 6.00-6.25 Karlsson vom Dach Das Haus auf dem Dach 6.25-6.50 Martin Morgen Zeichentrickserie 6.50-7.15 Henry der Schreckliche 7.15-8.00 Tabaluga tivi Kindershow 8.25-8.50 1, 2 oder 3 Rateshow 9.00-9.25 pur+ Entdeckermagazin 9.50-10.35 In einem Land vor unserer Zeit Animation 11.05-12.30 Die Küchenschlacht 12.30-13.00 Deutschland-Reise 17.45-18.00 Menschen - das Magazin Film von Marcel Bergmann 19.25-20.15 Hallo Robbie! Familienserie

22.15-0.05 Mord nach Plan Thriller

Dienstag, 9. September 0.20-1.50 Der Pfad des Kriegers Dokumentarfilm 1.55-2.40 Vor 30 Jahren: Brücken von Manhattan 3.30-4.15 Tierisch Kölsch Soap 4.35-5.05 nano Zukunftsmagazin 14.15-15.00 Lafer!Lichter!Lecker! 16.15-17.00 Wege zum Glück Telenovela 18.00-19.00 SOKO Wien Die Falle 19.25-20.15 Die Rosenheim-Cops Bauernopfer Krimiserie 20.15-21.55 Flug 93 Drama 23.10-0.25 Johannes B. Kerner Talkshow

18.00-19.00 SOKO Kitzbühel Krimiserie 19.25-20.15 Der Landarzt Familienserie 20.15-21.15 Der Alte Krimiserie 21.15-22.00 SOKO Leipzig 22.25-22.34 Politbarometer

Samstag, 13. September 0.15-1.00 in Concert - Elton John 1.00-2.35 Verhängnisvolle Freundschaft Psychodrama 2.40-3.00 Schatten der Leidenschaft Dramaserie 3.20-4.25 Johannes B. Kerner Talkshow 4.55-5.05 citydreams 6.00-6.25 Karlsson vom Dach Zeichentrickserie

20.15-21.45 Wilsberg Callgirls Krimi 22.00-23.30 Dornröschens leiser Tod Psychokrimi 23.30-1.10 Red Heat Actionfilm

Sonntag, 7. September 1.15-2.50 Herkules in New York Fantasyfilm 3.35-5.25 Die Lady aus dem Kino Shanghai 6.00-6.35 Briefe von Felix Zeichentrickserie 6.35-7.20 Die Häschenbande Zeichentrickserie 7.45-8.35 Der Sleepover Club Jugendserie 8.35-9.00 H2O - Plötzlich Meerjungfrau Fantasyserie 9.30-10.15 Evangelischer Gottesdienst 10.15-11.03 Ich heirate eine Familie 14.05-15.05 Ciao, Luciano Pavarotti! Auf den Spuren des Tenors in Modena 15.10-17.00 Die Zeitritter Komödie 17.10-18.00 Sportreportage 18.00-18.30 ML Mona Lisa Frauenjournal 18.30-19.00 Sommer, Sonne, Ostseestrand 19.30-20.15 Das Bronzekartell Dokumentation 20.15-21.45 Inga Lindström: Wolken über Sommarholm Liebesfilm 22.00-23.40 Der Preis des Verbrechens: Krimi 23.40-0.25 ZDF-History Der 11. September - Das Geheimnis des dritten Turmes Montag, 8. September 0.30-1.30 nachtstudio Diskussion 4.45-5.00 Global Vision 9.05-10.30 Volle Kanne Magazin 18.00-19.00 SOKO 5113 Krimiserie 20.15-21.45 Der Heckenschütze

Mittwoch, 10. September 0.40-0.45 Neu im Kino „Gomorrha“ von Matteo Garrone 23.45-0.30 „Lederhosen-Blues“ Die CSU und Bayern

Donnerstag, 11. September 0.45-0.50 Lotto - Ziehung am Mittwoch 0.50-2.25 Engel in Schwarz 2.30-3.45 Johannes B. Kerner Talkshow 4.20-4.45 @rt of animation 4.45-5.30 „Lederhosen-Blues“ 11.15-11.35 Reich und schön Familienserie 15.00-15.15 heute/Sport 17.50-19.00 Ein Fall für zwei Krimiserie 19.25-20.15 Notruf Hafenkante Lug und Trug Polizeiserie 20.15-21.00 Fünf Sterne HotelSerie 22.15-23.15 Maybrit Illner PolitTalk 23.15-0.20 Johannes B. Kerner Talkshow

Freitag, 12. September 0.35-1.20 Anna Pihl - Auf Streife in Kopenhagen Polizeiserie 1.20-1.40 Schatten der Leidenschaft Dramaserie 2.50-3.50 Maybrit Illner Polit-Talk 4.20-4.50 nano Zukunftsmagazin 12.00-15.00 Paralympics live 16.15-17.00 Wege zum Glück Telenovela

6.25-6.50 Martin Morgen Zeichentrickserie 6.50-7.15 Henry der Schreckliche 8.00-8.25 Bibi und Tina Alex und das Internat 8.50-9.00 logo! Nachrichten für Kinder 10.35-11.00 Löwenzahn Kinderreihe 11.05-12.30 Die Küchenschlacht 14.00-14.45 Frauenarzt Dr. Markus Merthin Arztserie 19.25-20.15 Hallo Robbie! Familienserie 20.15-21.45 Das Duo Krimi 23.15-0.40 Eiskalte Stille Psychothriller

Sonntag, 14. September 0.45-2.25 Die Bestechlichen Kriminalkomödie 3.10-4.30 Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kriminalfilm 6.00-6.35 Briefe von Felix Zeichentrickserie 7.45-8.35 Der Sleepover Club Jugendserie 8.35-9.00 H2O - Plötzlich Meerjungfrau Fantasyserie 14.00-14.30 Bürger, rettet eure Städte! 14.30-15.30 Evelyn Hamanns Geschichten Reihe 15.35-17.00 Sport extra 18.00-18.30 ML Mona Lisa Frauenjournal 18.30-19.00 Graben, Gießen, Gummistiefel Reportage

Ägypten Heute September 2008

19.30-20.15 Die Vampirprinzessin Dokumentation 20.15-21.45 Rosamunde Pilcher: Melodie der Liebe Melodram 22.00-23.45 Kommissarin Lund Das Verbrechen Krimireihe

Montag, 15. September 1.35-3.20 Gauner gegen Gauner Kriminalkomödie 4.45-5.30 Sex, Tabus und Kalter Krieg Dokumentation 18.00-19.00 SOKO 5113 20.15-21.45 Die Lüge Thriller 22.15-23.50 The Hole - Gefangen in der Dunkelheit Thriller

Dienstag, 16. September 0.05-0.20 Ein Ort der Hoffnung Dokumentation 0.20-1.50 Day Night Day Night Politthriller 2.25-3.05 Vor 30 Jahren: Mitbürger auf Zeit? 3.55-4.35 Das große Rennen Dokumentation 10.30-11.15 Wege zum Glück Telenovela 18.00-19.00 SOKO Wien Katyas Geheimnis Krimiserie 19.25-20.15 Die Rosenheim-Cops Krimiserie 21.00-21.45 Frontal 21 Magazin 22.15-23.00 Neues aus der Anstalt Politsatire Mittwoch, 17. September 0.30-0.35 Neu im Kino 0.35-2.15 The Hole - Gefangen in der Dunkelheit 2.20-3.05 Neues aus der Anstalt Politsatire 14.15-15.00 Die Küchenschlacht 18.00-18.50 SOKO Wismar Katz und Maus 18.50-19.00 Lotto - Ziehung 19.25-20.15 Küstenwache Polizeiserie 20.15-21.45 Im Himmel schreibt man Liebe anders Liebesdrama Donnerstag, 18. September 0.35-1.20 Gefährliche Nachbarschaft Israel und die Palästinenser 14.15-15.00 Die Küchenschlacht 17.50-19.00 Ein Fall für zwei Die letzte Rate 22.15-23.15 Maybrit Illner PolitTalk

Freitag, 19. September 0.35-1.20 Anna Pihl - Die dicke Dame Polizeiserie 2.05-3.10 Johannes B. Kerner Talkshow 4.35-5.05 nano Zukunftsmagazin 15.15-16.00 Tierisch Kölsch Soap 18.00-19.00 SOKO Kitzbühel Ein Bombenschlag 19.25-20.15 Der Landarzt Volles Haus 20.15-21.15 Der Alte Opfer Nummer vier 21.15-22.00 SOKO Leipzig Der unsichtbare Tod

Samstag, 20. September 0.10-3.55 Lange Nacht der Kleinkunst 4.25-5.30 Johannes B. Kerner Talkshow 23.15-0.40 Du stirbst nur zweimal Agententhriller


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Kultur

Ägypten Heute September 2008

Der Scheich Yussuf al-Badri interessiert sich für die Werke ägyptischer Schriftsteller, doch für eine eingehende Lektüre reicht seine kostbare Zeit nicht. Stattdessen sucht er in Sachbüchern, Romanen und Gedichten nach einem Wort, das er als unislamisch, ketzerisch oder religionsbeleidigend deutet. Findet er ein solches, bezeichnet er den Autor als ungläubig, als Apostaten und verlangt womöglich seine Zwangsscheidung.

In der Zwickmühle der legalen Politik

M

Von Samir Grees

an darf diesen Scheich aber nicht als einen “Extremisten” oder “Feind des freien Denkens” bezeichnen. Tut man dies, wie es der bekannte Dichter Ahmad Abdel-Muti Higazy in einem 2003 veröffentlichten Artikel gewagt hat, rächt sich der Scheich sofort: Er strengt einen Prozess gegen den Dichter wegen Verleumdung an, verlangt eine Entschädigung in Höhe von 20.000 ägyptischen Pfund (etwa 3.300 US-Dollar) - und gewinnt. Der 72-jährige Dichter Higazy, einer der großen Erneuerer der modernen Poesie in Ägypten, lehnt es bis jetzt ab zu zahlen, weil er darin nur einen weiteren Angriff der Islamisten gegen die Meinungsfreiheit sieht. Deshalb drohte ihm am 8. August dieses Jahres die Zwangsversteigerung seiner Möbel. Higazy ging in letzter Minute in die Revision und konnte die Vollstreckung des Urteils noch einmal abwenden - vorübergehend. Es ist der letzte in einer langen Reihe von Fällen, mit denen die Fundamentalisten die ägyptischen Säkularisten einschüchtern beziehungsweise mundtot machen wollen. Einer der spektakulärsten war der Fall Nasr Hamid Abu Zaid. Auch hier war es Scheich al-Badri, der als selbsternannter Moralwächter eine Lücke im islamisch orientierten Gesetz Ägyptens entdeckte und 1995 per Gerichtsbeschluss die Scheidung des kritischen Islamwissenschaftlers Abu Zaid von seiner Frau erzwang. Der liberale Koranforscher Abu Zaid plädiert in seinen Werken, wie in seinem ins Deutsche übersetzten Buch Kritik des religiösen Diskurses, dafür, den Text des Korans in seinem historischen Kontext zu lesen. Er vertritt die These, dass der Koran auch mit hermeneutischen Theorien analysiert werden dürfe. Das missfiel dem Scheich und anderen islamistisch-fundamentalistischen Kreisen: Abu Zaid sei mit seinen Gedanken vom Glauben abgefallen. Nach dem Urteil musste Abu Zaid um sein Leben fürchten, das

hatten die Ereignisse der vorangegangenen Jahre gelehrt. Ein Jahr davor hatte ein junger Islamist den Nobelpreisträger Nagib Mahfuz wegen seines “ketzerischen” Romans “Die Kinder unseres Viertels” mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt, der damals 83-jährige Romancier erholte sich von diesem Anschlag bis zu seinem Tode 2006 nicht. Aufgrund einer ähnlichen Fatwa wurde 1992 Farag Foda, einer der vehementesten Vertreter der Trennung von Staat und Religion in Ägypten, ermordet. Im Gericht verteidigte ein anderer bekannter Scheich, Muhammad al-Ghazali, den Täter, dieser habe ja einen Apostaten getötet. Abu Zaid sah sich gezwungen, Ägypten zu verlassen. Seitdem lebt und forscht der 64-jährige Islamwissenschaftler an den niederländischen Universitäten Leiden und Utrecht. Al-Badri feierte seinen Sieg, indem er rund 30 andere Prozesse der Zwangsscheidung gegen Symbole des liberalen Kulturlebens in Ägypten anstrengte, vom Romancier Nagib Mahfuz über den Schauspieler Adel Imam bis zum Dichter Abdel-Muti Higazy. In der Folge dieser Ereignisse änderte man schließlich dieses sogenannte Hisba-Gesetz, so dass nun Einzelpersonen, die nicht direkt betroffen sind, keine Zwangsscheidung mehr durchsetzen können. Ein anderer Fall ist der Schriftsteller Sayyid al-Qimni, der mit seinen kritischen, religionswissenschaftlichen Schriften den Unmut der Islamisten provozierte, bis er 2005 die Drohung bekam, entweder höre er auf zu schreiben oder er werde das gleiche Schicksal wie sein Kollege Farag Foda erleben. Seitdem hat al-Qimni keine einzige Zeile mehr veröffentlicht. Die Schriftstellerin Nawal al-Sadawi wurde von den Fundamentalisten als ungläubig bezeichnet, denn sie habe mit ihren in viele Sprachen übersetzten Romanen Gott und den Islam beleidigt. Man versuchte, ihre Zwangsscheidung durchzusetzen, doch zog al-Sada-

Die säkularen Schriftsteller und Denker Ägyptens sind die Verlierer im Kampf zwischen Islamisten und Staat. Die Justiz bietet kaum noch Schutz.

wi es vor, Ägypten in Richtung USA zu verlassen. Sogar der Philosoph Hassan Hanafi, der den Muslimbrüdern nah steht, blieb von den Angriffen der Islamisten nicht verschont, da er für die Werte der Aufklärung und des Säkularismus plädiere. Nach seiner Verhaftung sagte der junge Fundamentalist, der Nagib Mahfuz angegriffen hatte, Mahfuz sei ein Ungläubiger, das habe der Roman “Die Kinder unseres Viertels” bewiesen. Hatte er den Roman gelesen? Nein, lautete die Antwort, er habe keine Zeit, solch ketzerische Schriften zu lesen; es liege eine Fatwa vor, das reiche. Es gibt also eine Art Arbeitsteilung zwischen den Islamisten. Die einen erlassen die Fatwas, die anderen setzen sie um, eine dritte Gruppe verteidigt sie (der Verband der ägyptischen Anwälte ist fest in den Händen der Muslimbrüder) und den Islamisten nahe stehende Richter verkünden die Urteile. Vorbei ist die Zeit, da die Fundamentalisten ihre Ziele mit blutigen, spektakulären Anschlägen durchsetzen wollten, der letzte Anschlag in Ägypten geschah 1997. Jetzt versuchen sie mit anderen Mitteln, die Gesellschaft zu beherrschen. Nach relativ freien Wahlen sitzen sie im Parlament (etwa ein Fünftel der Sitze), und mit einem gut funktionierenden

Sozialnetz erreichen sie die Armen, die vom korrupten Staat im Stich gelassen worden sind. Die Islamisten unterwandern Polizei und Justiz (siehe die Verfahren zur Zwangsscheidung und zum Fall Higazy), sie berufen sich, wenn es ihnen passt, auf die Menschenrechte und die Zivilgesellschaft, ansonsten beschimpfen sie Tag und Nacht ihre Feinde als “Säkularisten”. Und der Staat? Er konkurriert mit den islamistischen Gruppen, um die religiös orientierten Massen zu gewinnen. Vor ein paar Monaten hat der ägyptische Kulturminister Farouk Hosni in einem Zeitungsinterview einen für ihn folgenschweren Satz gesagt: Er betrachte den Schleier als ein Zeichen der Rückständigkeit. Nach anfänglichen Rücktrittsforderungen gab es eine Befragung im Parlament, in der der Minister nicht nur von den Muslimbrüdern angegriffen wurde. Ebenso wie die Islamisten instrumentalisiert auch das Regime die Religion, um seine Macht zu bewahren. Verfolgt der ägyptische Staat weiterhin diese Politik, werden al-Badri und andere ihre spezielle Lektüre der Werke ägyptischer Schriftsteller fortsetzen. Die Freiheit von Forschung und Lehre und der Meinungsäußerung wird auf der Strecke bleiben.


Henkel f端r Reinigungsmittel und chemische Industrie gratuliert Al Ahly zum Sieg in Afrikas Meisterrunde 2008


Gesellschaft D

r. Izzat Atiyya, der Leiter der Fakultät für Überlieferungswissenschaften (HadithWissenschaften) an der al-Azhar Universität in Kairo, hat das Stillen von Erwachsenen für - im Islam erlaubt - erklärt. Er hat ein Rechtsgutachten erstellt, das Frauen gestattet, ihre männlichen Arbeitskollegen einige Male zu «stillen». Dazu dürfen sie sich mit diesen Männern allein in einem Arbeitszimmer aufhalten. Durch Stillen wird im Islam eine juristische Verwandtschaft hergestellt; ein «Milchbruder» oder eine «Milchschwester» darf niemals geheiratet werden und gilt wie ein leiblicher Verwandter, zu dem ein Heiratsverbot wegen zu enger Verwandtschaft besteht. Atiyya betonte in einem Interview: «Das Stillen von Erwachsenen beinhaltet das fünfmalige Saugen [ergänze: eines Mannes an der Brust einer Frau]. Dazu ist der gemeinsame Aufenthalt [ergänze: in einem geschlossenen Raum, aus islamischer Sicht] erlaubt. Es verbietet jedoch nicht die Möglichkeit der Heirat [ergänze: zwischen der Stillenden und dem Gestillten]. Dieses Stillen muss schriftlich dokumentiert werden. In dem Dokument muss stehen, dass Frau XY den Mann XY gestillt hat. Danach darf die Frau sich vor diesem Mann unverschleiert zeigen.» Atiyya fand in muslimischen Quellen Belege, wie z. B.: «Frau Aischa [Erklärung: eine der Ehefrauen des Propheten] befolgte diese Vorschrift Muhammads. Sie befahl ihren Nichten, erwachsene Männer zu stillen, die sie (Aischa) besuchen wollten. Damit machte Aischa Gebrauch von Muhammads Befehl gegenüber der Ehefrau von Abu Hudaifa, sie solle ihr Adoptivkind Salem stillen, so dass er sich allein mit ihr in einer Wohnung aufhalten konnte». Diese Fatwa wurde vor ca. 1 Jahr erlassen. Seitdem gab es endlose Debatten darüber und die Empörung über die Rechtfertigung einer solchen Praxis ist groß. Die alAzhar Universität in Kairo erhob schweren Protest. Etwa 60 Bücher sollen inzwischen allein in Ägypten von muslimischen Geistlichen gegen diese Fatwa verfasst worden sein. Jedoch besteht der Überlieferungswissenschaftler Atiyya nach wie vor darauf, Muhammads Lehre zum Stillen der Erwachsenen sei eine zweifellose Lehre des Islam, die die höchste Stufe der Authentizität (Glaubwürdigkeit) erreicht habe, die eine muslimische Überlieferung erreichen kann. Obwohl Atiyya, als Auslöser der Debatten über das «Stillen der Erwachsenen» betrachtet wird, ist der wahrscheinliche Auslöser der Unruhen über dieses Thema, der im Exil lebende ägyptische Priester Zakariya Botros. Durch seine, in den arabischen Ländern sehr bekannten Fernsehsendungen, führte er vor einigen Jahren die islamische Lehre vom

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Was ist eine Fatwa? Fatwas (oder eigentlich im Plural: Fatawa) sind Rechtsgutachten islamischer Gelehrter. Diese Gelehrten erläutern durch eine schriftliche Beurteilung eine bestimmte Frage des islamischen Rechtes. Es ist immer ihre persönliche Einschätzung. Fatwas werden in eigener Sache oder im Auftrag einer Institution oder eines Herrschers verfasst. Aber manchmal werden wirklich „komische Fatwas“ durch die Gelehrten erstellt. Hier sind zwei Beispiele zum Lesen oder eigentlich zum Lachen.

Von Ayman Scharaf

Ägypten Heute September 2008

«Stillen der Erwachsenen» in die Debatte ein. Seitdem sorgt dieses Thema für Unruhen in der islamischen Welt. Während einige sie als nicht islamisch betrachten, betonen andere, dies sei doch eine glaubwürdige Lehre Muhammads, die in den vertrauenswürdigen Überlieferungssammlungen von „Al-Bukhari wa Muslim“ stehe. Vor etwa einem Jahr hat eine andere Fatwa einen heftigen Streit ausgelöst. Und das Thema war auch Sex. Dürfen Ehepartner sich zum Geschlechtsverkehr vollständig entkleiden oder nicht? Ein hoher islamischer Rechtsgelehrter in Ägypten verbietet Ehepartnern das Nacktsein beim Sex. «Völlige Nacktheit beim Akt macht die Ehe ungültig», urteilte der frühere Direktor der Rechtsfakultät an der renommierten islamischen al-Azhar-Universität, Raschad Hassan Chalil, in einem religiösen Rechtsgutachten («Fatwa»). Die Fatwa führte in Ägypten zu heftigen Debatten in der populären religiösen Talk-Show der privaten Satelliten-TVs und in der unabhängigen Tageszeitungen. Der Direktor der Fatwa-Abteilung an der al-Azhar-Universität, Abdallah Megawer, argumentierte, Verheiratete dürften sich nach islamischem Recht durchaus voreinander komplett ausziehen, sollten aber den Blick nicht direkt auf die Geschlechtsteile des Partners richten. Megawer empfahl eine leichte Bekleidung. Die Direktorin der Abteilung für Islamische Frauenstudien an der al-Azhar-Universität, Soad Saleh, vertrat die Ansicht, Verheiratete dürften sich durchaus nackt sehen. Der Rechtsgelehrte Abdel-Muti Baiumy vom Zentrum für Islamische Studien wies Chalils Fatwa rundweg zurück. «Beim Sexualakt zwischen Ehepartnern ist nichts verboten außer der widernatürlichen Unzucht», sagte Baiumy in einer TV-Talkshow. In keinem maßgeblichen Religionstext fänden sich Aussagen darüber, ob Verheiratete beim Sex bekleidet sein müssten oder ob sie ihren Blick von diesem oder jenem Körperteil abwenden müssten. Ganz im Gegensatz zu den strengen (aber doch komischen) Fatawas, richten einige Muslime sehr interessante Fragen an die Scheichs. In Saudi Arabien hat der Scheich Abdul-Lah Bin Muhammad alMuaitek auf eine solche Frage geantwortet: «Darf ein Muslim, der mit zwei Frauen verheiratet ist, mit der beiden Ehefrauen gleichzeitig sexuellen Umgang haben? Seine Frauen wünschen dies. Ist es aus islamischer Sicht erlaubt?» Der saudische Scheich sagte, daß mehrere muslimische Geistliche und Gelehrte diese Fragen schon beanwortet haben. Einige Rechtsgutachten heben hervor: «... Aisha [Muhammads Lieblingsfrau] sagte: Der sexuelle Umgang mit zwei Frauen gleichzeitig ist nicht erlaubt...»

Komische Fatwas zum Thema




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