Der Schwarm folgte später Streckenflug-Premiere in Ostdeutschland vor 30 Jahren TEXT UND FOTOS: CLAUS GERHARD †
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ie DDR gehörte zu den besten Sportnationen der Welt mit insgesamt 755 Olympiamedaillen und etwa ebenso vielen Weltmeister- wie Europameister-Titeln, aber das Drachen- und Gleitschirmfliegen hatte die Regierung seit 1980 wegen der befürchteten Flucht durch die Luft verboten. Es war ein peinliches Alleinstellungsmerkmal, denn nirgendwo auf der Welt existierte ein ähnliches Gesetz! Als dieses Flugverbot noch kurz vor der politischen Wende aus dem Luftfahrtgesetz der DDR verschwand, stellte sich heraus, dass ostdeutsche Hängegleiter-Piloten seit Jahren heimlich ins benachbarte Tschechien oder nach Ungarn zum Fliegen gereist waren. Allerdings reichten ihre begrenzten Flugerfahrungen für die neue Freiheit des Flachland-Streckenfliegens nicht aus. Auch Drachenflieger aus West-Berlin, die bis dahin quer durch die DDR zum Fliegen in die Alpen gefahren waren, mussten lange Zeit dazulernen. Claus Gerhard, Pionier der ostdeutschen Drachenflugszene und Weltrekordhalter im Streckenzielflug in Norddeutschland, erinnert sich heute: In der Nachwendezeit, als Gerd Langwald im westfälischen Minden bereits aus der Winde die 200-km-Marke geknackt hatte, suchten wir Berliner noch mit großem Enthusiasmus aber mit viel zu kurzen Windenseilen auf ehemaligen Agrarflugplätzen der DDR nach Flachlandthermik, die man dort fast nie erreichen konnte. Erst die Autoschleppmethode und das Starten der Drachen hinter Ultraleichtflugzeugen brachten den ersehnten Thermikanschluss und
führten nach und nach zum Durchbruch im Streckenfliegen in Ostdeutschland. Unsere ersten Drachenflüge Anfang der 90er Jahre erzeugten manche Aufregung, denn das sowjetische Militär in Ostdeutschland mit seinem Bedrohungspotenzial war überall spürbar. Aus der Luft entdeckten wir, was die Wälder an Raketenstellungen, Bunkern und Schießplätzen rund um Berlin verbargen, und waren entsetzt. Es dauerte bis 1994, bevor die Russen ihre fast 50 ostdeutschen Militärflugplätze vollständig geräumt hatten, von denen aus sie Tag und Nacht für den Ernstfall trainierten. Uns West-Berlinern saß darüber hinaus die heimliche Angst vor den unfreundlichen Volkspolizisten noch lange in den Gliedern. Ich werde nie vergessen, wie mich ein Trabbi einmal erschreckte, der nach meiner Landung auf einem holprigen Feldweg buchstäblich auf mich zu raste. Als zwei ältere Herren heraussprangen, überfiel mich sofort ein mulmiges Gefühl, weil ich irgendeine unbekannte Gesetzes-Übertretung vermutete. Die beiden wollten aber nur den Drachen aus der Näh e sehen. Ein anderes Mal schleppten wir in der Nähe eines Militärflugplatzes, als in Sichtweite neben mir plötzlich ein russisches Transportflugzeug startete und in einer riesigen Platzrunde um mich herum in den Wolken verschwand. Da dauerte es einige Minuten, bis sich meine Beklemmung wieder gelegt hatte. Der erste dokumentierte Streckenflug in Ostdeutschland am 28. Juli 1991 war für mich ein besonderer Aufreger. Aus dem Autoschlepp von Til Kaiser am Flugplatz Reinsdorf bekam ich zwar sofort Thermikanschluss, aber schon
← Vor genau 35 Jahren haben Volkmar Kienöl und Klaus Kuschmierz versucht, von diesem Hochhaus nach WestBerlin zu fliegen. Der Flug endete leider auf dem Schulhof davor.
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