RUNDU RUNDUM ABZ Allgemeine Baugenossenschaft Zürich 1916 — 2016
Texte : Esther Banz, Urs Fitze, Ruedi Weidmann Fotos : Reto Schlatter
Inhalt Vorwort Am Anfang steht der « Zwänzgerliverein » Entlisberg 1 Besser bauen Entlisberg 2 Das Gute propagieren Balberstrasse 2 Owenweg « Die Spielwiese war unser Trumpf » Balberstrasse 1, Moosstrasse 1, Moosstrasse 2 Erholung und Gartenarbeit Gustav-Heinrich-Weg, Entlisberg 4 Ordnung, Sauberkeit und Disziplin Im Moos 1 + 2 Mutschellenstrasse, Leimbach Räume für die Gemeinschaft Wiedikon 100 000 Franken Beute und viel Häme Zurlinden Erikastrasse, Zweierstrasse Von der Putzfrau zur Präsidentin Kanzlei « Gemeinsam genutzte Räume sind eine grosse Chance », Interview Sihlfeld Dickichte zum Spielen nach 1960 Ottostrasse Neugasse « Wir setzen die Statuten der ABZ um ! » Schaffhauserstrasse Weiterbauen Frohburgstrasse Raum für Lebensformen Vogelsang, Hochstrasse Toblerstrasse Als ein Fax Hektik auslöste Mühlebach, Forchstrasse Krisen und Konflikte Herrlig Fremd in der Wegwerfgesellschaft
5 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82
Genossenschaftsidee Zehn bunte Buchzeichen verweisen auf Seiten zum selben Thema.
Aussenräume Siedlungsleben
Architektur
Älterwerden Begegnungsorte
Umgangskultur Aufwachsen
Verantwortung Arbeiten
Lommisweg, Bristenstrasse Hier hüpft der Hase Waidfussweg 1 + 2 Hönggerberg Füreinander da sein Wipkingen Auch der Baum ist ein Freiraum Rütihof 1, Rütihof 2 Im Vogel zwitschert die Zukunft Oerlikon 1, Birchstrasse Oberwiesen, Goldregenweg Für die Gemeinschaft bauen Regina-Kägi-Hof Günstig und allen nützlich Jasminweg 1, Jasminweg 2 « Verdichtung bedeutet nicht unbedingt mehr Hochhäuser », Interview Wolfswinkel Ein Spiegelbild der Gesellschaft Ruggächern Nachbarschaftliche Unterstützung als Konzept Effretikon, Dietlikon Wallisellen, Dübendorf Raum für urbane Lebensqualität Adliswil, Felsenhof 1, Felsenhof 2 Geben und nehmen – aber wie ? Talstrasse, Wacht, Kilchberg Hilfe beim Neuanfang Kalkofen Die ABZ-Gärten heute und in Zukunft Allmend Gemeinschaftlicher und nachhaltiger Wohnraum Glattpark An der Schwelle zum zweiten Jahrhundert Die Zukunft unserer Organisation Nachwort 100 Jahre ABZ Siedlungsregister Gremien Dank, Bildnachweise, Bildlegenden, Impressum
84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 151 154 156 158 159
Architektur 64 ≥
Aus einer Werbebroschüre der ABZ um 1930 : Eine Arbeiterfamilie zieht aus einem düsteren Arbeiterviertel mit verlotterten Mietshäusern in eine neue ABZ-Wohnung mit viel Sonne und Zentralheizung.
Besser bauen Mit den Siedlungen aus den Jahren 1920 bis 1957 schuf die ABZ eine Gegenwelt zum privaten Mietwohnungsbau. Vier Jahre nach ihrer Gründung konnte die ABZ an der Birchstrasse fünf Reihenhäuser einweihen. Danach baute sie bis 1936 enorm viel, fast 100 Wohnungen pro Jahr. Die ersten Siedlungen übernahmen Bauformen aus dem 19. Jahrhundert: am Stadtrand Reihenhäuser, in der Stadt freistehende Mehrfamilienhäuser wie an der Forchstrasse oder Blockrandbebauungen wie die Siedlung Wiedikon. Es gab Badezimmer und Waschmaschinen im Keller und ab 1928 erste Zentralheizungen. Die Architektur war von hoher Qualität, denn die Bauten sollten den Familien Heimat sein und lange halten. Die Architektur schuf eine bessere Gegenwelt zur spekulativen Umgebung. Die Wohnungen waren gut aus gerüstet, es gab Gärten oder grüne Höfe, immer einen Spielplatz und ab 1928 in grossen Siedlungen ein Kolonie lokal. Siedlungsfeste und gemeinsame Ausflüge waren beliebt. In den Siedlungen hielt man zusammen. Wo viele nebeneinander lagen wie am Entlisberg und in Oerlikon, prägten ihre Gestaltung und der streng organisierte, ge meinschaftliche Lebensstil ganze Quartiere. Die kollektive Selbsthilfe war nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch eine oft betonte Ideologie : Die ABZ nannte ihre Siedlungen «ein Stück neue Welt, vom
Kapitalismus befreite Erde », wie es in einer Werbebroschüre von 1919 heisst. Gegen innen wurde der Zusammenhalt beschworen und daraus die Pflicht zur Einheitlichkeit abge leitet. Strenge Regeln sorgten für Ordnung, Reinlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit Gebäuden, Geräten und Gärten. Die ABZ verstand sich als sozialpolitische Bewegung, nicht als Avantgarde der Baukultur. Sie bevorzugte bewähr te Bautechniken und bei der Architektur den einfachen Heimatstil von Otto Streichers Bauten oder einen etwas moderneren sachlichen Stil wie im Entlisberg 1 und ehema ligen Entlisberg II und III von Schneider & Landolt. Sie wollte ihre Hauptaufgabe, den Bau günstiger Wohnungen, nicht durch Experimente gefährden. Die moderne Archi tektur der Siedlungen Zurlinden und Waidfussweg blieb eine Ausnahme. 1928 entstand aber am Entlisberg erstmals ein modernes Bebauungsmuster: Parallele Häuserzeilen wurden nach der Sonne ausgerichtet, je nach Situation auch quer zu den Strassen. Die Zeilenbauweise sollte nach dem Zweiten Weltkrieg ganze Quartiere wie Albisrieden oder Wollishofen prägen. Doch zuerst unterbrachen ab 1936 die Weltwirtschafts krise und der Krieg das Bauen. Tausende verloren ihre Stelle, viele mussten ihre Wohnung aufgeben, danach waren Baumaterialien für militärische Zwecke reserviert. Gegen das Kriegsende wurden Wohnungen wieder knapp. Bund, Kanton und Stadt förderten ihren Bau mit Subventi onen und der Zuteilung von Baumaterial. Zwischen 1944 und 1957 baute die ABZ die grossen Siedlungen Oberwiesen, Herrlig, Owenweg und Im Moos 1. Zeilenbauweise war nun die Regel. Die Siedlung Im Moos 2 markierte 1957 den Über gang zur gemischten Bauweise mit verschiedenen Haus formen und Bauhöhen. Es war die letzte Siedlung dieser Phase. 1950 hatte der Bund die Wohnbauförderung gestoppt, im Wirtschaftsboom wurde Bauland teuer und die Bau kosten stiegen. Die ABZ wusste nicht mehr, wie sie neue Siedlungen bezahlen sollte.
Lesetipp Das sogenannte Neue Bauen brachte noch mehr Licht und Luft in die Wohnungen, wie hier 1936 am Waidfussweg. Doch in der ABZ blieb diese moderne Architektur die Ausnahme.
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Allgemeine Baugenossenschaft Zürich – 40 Jahre Entwicklung 1916 –1956. ABZ, Zürich 1956.
Aus heutiger Sicht Von 1920 bis 1957 baute die ABZ 38 Siedlungen. Diese Siedlungen passt sie heute gemäss einer langfristigen strategischen Planung sorgfältig an die sich verändernden Bedürfnisse an. Als eine der ersten Wohnbaugenossenschaften begann die ABZ in den 1970erJah ren Siedlungen zu ersetzen. Bis Ende 2015 hat sie 11 ganz und eine teilweise ersetzt, fünf tiefgreifend saniert und drei verkauft. Eine Siedlung wird sie 2017 im Baurecht abgeben. Die übrigen werden laufend sanft renoviert. Die Siedlungen sind in die Jahre gekommen, Wohnungsgrundrisse und Ausstattung, aber auch ihre Energieeffizienz und die Erdbebensicherheit entsprechen nicht mehr den heutigen Standards. Ob eine Erneuerung in Frage kommt oder ob ein Ersatzneubau langfristig den gewünschten Mehrwert bringt, wird jeweils sorgfältig abgewogen. Wenn auf einem Areal heute mehr Wohnungen erlaubt sind, ist das ein weiterer Grund für einen Ersatzneubau, der mehr bezahlbaren Wohnraum für mehr Menschen ermöglicht. So steht die ABZ immer wieder vor der Entscheidung : neu bauen, sanft oder tiefgreifend sanieren. Und einige besondere Siedlungen wie Sihlfeld oder Entlis berg 1 will die ABZ als Zeugen ihrer eigenen Geschichte und der Geschichte des Arbeiterwohnungsbaus erhalten und pflegen.
Bei den Blockrandbebauungen der Genossenschaften drangen Luft und Sonne durch die offenen Ecken in die grünen Innenhöfe, und die Wohnungen waren günstiger und komfortabler als in privaten Mietskasernen. Es entstanden imposante « Arbeiterschlösser » wie an der Ottostrasse.
Zeilen mit durchgehendem Grünraum wie hier am Owenweg prägten nach dem Zweiten Weltkrieg ganze Quartiere.
Ein Vergleich der Bebauungsmuster zeigt den Unterschied : Links private Mietshäuser an der Langstrasse mit Gewerbe in den engen Innenhöfen, in der Mitte die Genossenschaftsbauten um den Bullingerplatz mit grösseren, grünen Höfen, rechts das Schulhaus Entlisberg und die ABZ-Siedlung Im Moos in Wollishofen mit Zeilen in einem durchgehenden Grünraum.
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Siedlung : Erikastrasse ( Nr. 11 ) Adressen : Erikastrasse 2 – 6 / Bremgartnerstrasse 1 – 5 / Seebahnstrasse 105
4-Zimmer-Korridorwohnungen mit einem gefangenen Zimmer.
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Bezug : 1925 ( Abbruch 2017 ) Architektur : Otto Streicher Erneuerung : 1973 / 1986 Mehrfamilienhäuser : 7 Wohnungen : 53 Wohnungsspiegel : 2 × 1 / 9 × 2 / 23 × 3 / 19 × 4 Parkplätze : 2 Besonderes : – 2 Läden ( Coiffeur, Akupunktur )
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Erikastrasse Eine Siedlung als Tauschpfand hergeben ? Kein einfacher Schritt für die langjährigen Bewohnerinnen und Bewohner. Vor dem Laden an der Erikastrasse um 1930.
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Die Siedlung Erikastrasse, ein schlichtes Gebäude auf drei Seiten eines Hofs an der lauten Seebahnstrasse, wird die ABZ 2017 im Baurecht an die städtische Stiftung für Alterswohnen ( SAW ) abgeben. Diese ersetzt sie durch eine neue Siedlung mit zeitgemässen Alterswohnungen. Dafür konnte die ABZ von der Stadt Bauland im Glattpark für 294 Wohnungen erwer ben. Was ursprünglich als Landtausch geplant war, er öffnete der ABZ die Chance, wieder einmal ein grosses Stück Bauland zu kaufen. Doch für die Bewohnerinnen und Bewohner war das natürlich bitter. Eine Siedlung auf zugeben ist laut Statuten nur ausnahmsweise vorgesehen und benötigt eine Dreiviertel mehrheit der Generalversammlung (GV ). In einer ersten Abstimmung kam diese nicht zustande. Doch das Angebot «Erika strasse gegen Glattpark» war verlockend. Schliesslich fand sich ein Weg, den eine aus serordentliche GV im Jahr 2011 guthiess : Die ABZ bleibt Besitzerin und gibt das Land der SAW im Baurecht ab. Die Bewohnerin
nen und Bewohner können bis zum Abbruch bleiben und erhalten eine Ersatzwohnung. Die ABZ tauschte schon einmal eine Siedlung gegen Bauland: 1982 gab sie sechs Zweifamilienhäuser, die sie 1922 in Albis rieden gebaut hatte, an die Siemens AG ab, die dort ihre Kantine baute, und erhielt von Siemens das Bauland für die Siedlung Rütihof 1.
Schon gewusst
Am selben Hof wie die Siedlung Erika strasse liegt die Synagoge der orthodoxen jüdischen AschkenasimGemeinde Agudas Achim. Damit die Gemeinde ein rituelles Bad bauen konnte, trat ihr die ABZ 1989 ein Baurecht für eine unterirdische Bäder anlage unter dem Innenhof ab.
Siedlung : Zweierstrasse ( Nr. 14 ) Adressen : Zweierstrasse 99 –105 Klassische 3-ZimmerKorridorwohnungen
Bezug : 1926 Architektur : Otto Streicher Erneuerung : 1964, 1977, 2014 Mehrfamilienhäuser : 4 Wohnungen : 25 Wohnungsspiegel : 1 × 1.5 / 4 × 2 / 8 × 3 / 12 × 4 Besonderes : – 1 Laden ( Fitnessgeschäft )
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Zweierstrasse Zentral und günstig wohnen, das wird in Zürich immer seltener – hier ist es noch möglich. Eigentlich wollte die ABZ 2007 die Siedlung mit 25 kleinen Wohnungen durch einen Neubau ersetzen. Um ein grösseres Haus bauen zu können, hätte sie gerne den schmalen Grundstückstreifen an der Ecke Seebahn / Zweierstrasse erworben, doch er war nicht zu einem vernünftigen Preis zu haben. So beschloss die ABZ, die Siedlung in bewohntem Zustand innen und aussen sanft zu erneuern. In der Zeile an der Zweierstrasse bilden die zwei nebeneinanderliegenden Treppen häuser und der Dachaufbau eine auffällige Mittelachse. Zwei niedrigere Seitenflügel sind nach hinten abgeknickt. Im Erdgeschoss, wo es einst vier Läden gab, ist ein Fitness geschäft eingemietet. In den vergangenen Jahren wurde die Siedlung mehrmals erweitert und um gebaut. Bereits 1964 wurde der Laden durch eine Hofunterkellerung vergrössert. 1977 folgten die Sanierung und der Umbau der
Bäder und Küchen und neue Fenster wur den eingesetzt. In den beiden Seitenflügeln entstanden 1986 Dachwohnungen. 2014 erhielt die Fassade einen neuen Anstrich, Küchen, Badezimmer und die Linoleumböden wurden erneuert und sämtliche Oberflächen neu gestrichen. Fenster mit Isolierglas wurden eingesetzt, Fensterläden und Sonnenstoren repariert oder ersetzt. Damit können die Wohnungen an zentraler Lage neben dem Bahnhof Wiedikon für weitere 20 Jahre günstig ange boten werden. Neu ist auch ein Hobbyraum geplant.
Um 1930 befanden sich im Parterre noch ein Café, ein Coiffeur, ein Zigarrenladen, eine Drogerie und ein Laden für « Tafelgerät » und Geschenkartikel.
Günstig wohnen mitten in Zürich : die frisch renovierte Siedlung Zweierstrasse.
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übrigens
Die bekannteste Frau, die sich je in der ABZ engagierte, war die aus Deutschland stammende Sozialistin Dora Staudinger. Von Januar 1919 bis Juni 1920 war sie als erste Frau in der Geschichte der ABZ ein gewähltes Mitglied des Vorstands. Dora Staudinger verfasste feurige antikapita listische und progenossenschaftliche Schriften, die noch heute lesenswert sind. Nach ihr ist in der ABZSiedlung Ruggächern in ZürichAffoltern eine Strasse benannt.
Von der Putzfrau zur Präsidentin Die Rolle der Frau in der ABZ war lange die der Hausfrau. Unaufgeregt kam sie zu mehr Einfluss. An diesen Tag im Jahr 1978 erinnert sich Rosa Kohler noch gut. Sie lebte schon seit 31 Jahren in der ABZKolonie Waidfussweg in ZürichWipkingen, eine Hausfrau und Mutter wie so viele in der ABZ, der Mann war häufig auf Geschäftsreise und brachte das Geld nach Hause. An jenem Tag also kam ihr Nachbar zu ihr, ein Lokomotivführer, der soeben zum Friedensrichter gewählt worden war, und fragte sie: «Möchtest du nicht das Präsidium der Koloniekommis sion von mir übernehmen?» Sie staunte, fühlte sich ge schmeichelt : « Ich, als Frau ? ! » – und kandidierte schliesslich. Schon an der nächsten Sitzung der Kolonie wurde sie gewählt, einstimmig, und quasi über Nacht zur ABZweit ersten Frau in dieser Funktion. Viele hätten grosse Augen gemacht, aber « ich habe das Amt einfach übernommen und es ausgeübt, 20 Jahre lang, und es lief gut », erzählt die inzwischen 94Jährige rückblickend und mit einem Augenzwinkern. Rosa Kohler sollte nicht die einzige Präsi dentin einer Siedlungskommission bleiben, es wurden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer mehr. Die Rolle der Frau hat sich aber bereits viel früher schon einmal grundlegend gewandelt : In den Anfangszei ten der ABZ war es die Regel, dass die Ehefrauen arbeiten gingen. Man war auf ihr Einkommen angewiesen. Erst mit den steigenden Reallöhnen ab den 1930erJahren konnten Familien von hoch qualifizierten Facharbeitern auf die Erwerbsarbeit der Frau verzichten. Widmete sie sich ganz dem Haushalt und den Kindern, galt dies als Zeichen für sozialen Aufstieg. Und sofort wuchs der Druck auf diese Frauen. Ihre Männer, deren Kollegen und die Arbeiterorga nisationen inklusive Genossenschaften drängten sie, ihre Arbeit aufzugeben, auch wenn sie vielleicht Freude daran hatten. Zunehmend wurden berufstätige Mütter argwöh nisch betrachtet.
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Stolze Gärtnerin vor der ABZ-Kolonie Schaffhauserstrasse. Doch der Pflanzgarten war keine Domäne der Genossen schafterinnen. Sie arbeiteten viel im Garten, aber die Männer bestimmten, wann und wo welche Gemüse und Blumen angepflanzt wurden.
Was die ABZ schon früh hatte, war eine Frauenkommis sion. Deren Hauptaufgabe war zunächst das Organisieren jährlicher Besichtigungen von Betrieben, die für die Haus frau interessante Produkte herstellten: Seifen, Bürsten oder Würzmittel etwa. Hunderte nahmen jeweils daran teil, manche der Besuche mussten wegen der vielen Anmel dungen gestaffelt stattfinden. Mit der Zeit erhielten Vertre terinnen der Frauenkommission auch vermehrt Einsitz in den Bau und Verwaltungskommissionen und wurden als Expertinnen zur Prüfung von Musterküchen beige zogen. Und sie stellten mit ihren geschulten Augen die wohl gefürchtetsten Wohnungskontrolleure der ganzen ABZ. 1991 wurde mit Christina Zollinger erstmals eine Frau Präsidentin der ABZ, Heidi Hofer Schweingruber löste sie 1993 ab. In den letzten Jahren las man in der Mitglieder zeitschrift ABZforum immer einmal wieder den Aufruf « Frauen für den Vorstand gesucht » – dennoch ist man heute in der strategischen Leitung der ABZ mit nur drei Frauen bei neun Mitgliedern noch weit von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis entfernt. Anders als in der Geschäfts stelle, wo der Frauenanteil 2014 49 Prozent betrug.
Lesetipps
Dora Staudinger : « Unser Kampf gegen die Wohnungsnot ». Zürich 1919. Sambal Oelek : Der Farbanschlag . Zürich 2014. Comic rund um die ABZ und Dora Staudinger.
Ich frage die Frauen. ( …) Wer könnte wohl besser in einer solchen Vereinigung mitarbeiten als ihr, die ihr wisset, was zu einem Heim nötig ist? Wer könnte wohl besser als ihr für die Weiterentwicklung, für das Gemeinschafts leben in der Wohngenossenschaft, für die Pflege der Wohnungen, für die dort lebenden Kinder sorgen ? Dora Staudinger in « Unser Kampf gegen die Wohnungsnot », 1919
Ab 1927 gab es in den Häusern der ABZ Waschmaschinen. Sie waren eine grosse Erleichterung für die Arbeiterfrauen, die die Wäsche bis dahin auf dem Herd in der Küche kochen mussten.
Siedlungsleben ≤ 16 86 ≥
Schon gewusst In vielen Kolonien gab es eine Filiale des Lebensmittelvereins Zürich, eine Bäckerei, einen Metzger und einen Kindergarten. So konnten die Frauen vieles in der eigenen Siedlung erledigen. Praktisch, aber auch eng.
Erst 1999 wurden die « Kolonien » offiziell zu Siedlungen, und die « Koloniekommis sionen » somit zu Siedlungskommissionen.
Siedlung : Sihlfeld ( Nr. 67 ) Adressen : Sihlfeldstrasse 150 –166 / Ernastrasse 19, 27 – 29, 35 / Zypressenstrasse 115 –123
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Bezug : 1928 / 29 Architektur : Otto Streicher ( Erneuerung : Rolf Schaffner ) Erneuerung : 1974, 1998, 2011 / 12 Mehrfamilienhäuser : 11 Wohnungen : 138 Wohnungsspiegel : 5 × 2 / 9 × 2.5 / 58 × 3 / 4 × 3.5 / 37 × 4 / 11 × 4.5 / 4 × 5 / 10 × 5.5 Parkplätze : 2 Besonderes : – – – – – –
1 Gemeinschaftsraum 1 Gastrobetrieb 1 Laden ( Apotheke ) 5 Ateliers 1 Stützpunkt Auszeichnung der Stadt Zürich für nachhaltiges Sanieren
Die Kombination von Balkon und Laubengang im spitzen Winkel des Hofs ermöglichte die Erschliessung von je vier Wohnungen pro Geschoss mit einem Lift. 0
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übrigens
Das merkwürdige Gebäude im Hof baute der Lebensmittelverein Zürich ( LVZ ) 1910 als Remise und Lagerhaus. Im Keller lagen Weinfässer, im Parterre wurden Fuhrwerke und später Lastwagen beladen, im ersten Stock befand sich der Pferde stall. Die Fuhrleute führten die Pferde über die früher offene Rampe hinauf, die sich ums Haus windet. Heute enthält das Haus Räume des städtischen Sportamts.
Der belebte Hof mit den neuen Laubengängen.
Sihlfeld Die aufwendig renovierte Siedlung bietet vielfältigen Wohnraum und belebt das Quartier.
Kunst und bau Wilhelm Hartungs Wandbilder zeigen ländliche Szenen und Symbole für Nahrung und Fruchtbarkeit. Sie weisen auf ewige Werte und verleihen so dem Engagement der Genossenschaft höhere Bedeutung : Häuser für Arbeiterfamilien zu bauen, war eine gute Tat. Die Bilder veranschaulichen die Sehnsucht der Genossenschafter nach einer harmonischen Gesellschaft, in der Arbeiterinnen und Arbeiter akzeptiert und gleichberechtigt sind.
An warmen Abenden entspannt sich im Innenhof ein reger Austausch zwischen Alt und Jung und von Balkon zu Balkon. Gleichzeitig füllt sich vor dem Haus das Café und Kinder planschen im Brunnen becken auf dem verkehrsberuhigten Platz. Stolz steht der Blockrand seit 1929 am Bullingerplatz. An der markanten Fassade über der Ladenzeile prangt ein grosser ABZSchriftzug. Die fünfstöckige Bebauung von Architekt Otto Streicher umfasst einen dreieckigen Hof. Mit ihrer rosaroten Farbe, den Erkern und den Wandbildern von Wilhelm Hartung gehört sie zu den ausdruckvollsten und buntesten Wohn siedlungen Zürichs. 2012 hat die ABZ sie tiefgreifend saniert. Ein Teil der 3ZimmerWohnungen wurde zu Familienwohnungen zusammengelegt. Im Dach entstanden dafür neue Wohnungen und Ateliers, zeitgemäss und kostenbe wusst im Ausbaustandard. Die ursprüngli che Struktur erlaubte es, für gut die Hälfte der Wohnungen Lifte einzubauen. Im spit zen Winkel des Hofs wurden Laubengänge angefügt, die mehreren Wohnungen als Zugang zum Lift und gemeinsamer Balkon dienen. Neue Fenster und Innendämmun gen senkten den Energieverbrauch, die Trittschalldämmung wurde verbessert, eine Wärmepumpe holt die Heizenergie aus dem Grundwasser. Seit der Sanierung steht auch eine kleine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. In der Umbauzeit konnten die Bewoh nerinnen und Bewohner in die Siedlungen Kanzlei, Erikastrasse, Zweierstrasse und
Wiedikon ausweichen. Für die ABZ hat sich die aufwendige Erneuerung gelohnt, auch wenn sie mindestens so teuer war wie ein Neubau. Denn die wunderschöne Siedlung ist ein wertvoller Zeuge des Arbeiterwoh nungsbaus und für die Geschichte der ABZ. Sie steht unter Denkmalschutz. In Zusam menarbeit mit der städtischen Denkmal pflege konnte sie heutigen Bedürfnissen angepasst werden, ohne dass ihre histori schen Werte verloren gingen. Dank der neuen Vielfalt der Wohnun gen ist auch die Bewohnerschaft besser durchmischt. Es gibt wieder mehr Kinder, aber auch etwa ein Viertel der langjährigen älteren Bewohnerinnen und Bewohner ist zurückgekehrt. Man fand sich rasch. Wer wollte, durfte bei der Gestaltung des Innenhofs mitwirken, das hat die Gemein schaft gestärkt. Es entstanden ein Spielplatz für Kleinkinder und ein UrbanGardening Bereich. Dieser zieht sogar Besucher aus anderen ABZSiedlungen an, sie wollen sich über die Hofgestaltung und das gemein same Gärtnern informieren. Ins ehemalige Lager der ABZMaler neben dem Gemeinschaftsraum ist einer der vier regionalen Stützpunkte der ABZGeschäftsstelle eingezogen, und am Bullingerplatz hat das Café du Bonheur eröffnet. Das Bonheur ist rasch zum belieb ten Quartiertreffpunkt geworden, ganz im Sinn der ABZ, die ihre Erdgeschosse stärker für das Quartierleben öffnen will.
Lesetipp
Jan Capol : Die Sehnsucht nach Harmonie. Zürich 2000.
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Siedlung : Mühlebach ( Nr. 19 ) Adressen : Mühlebachstrasse 131 – 147 Bezug : 1928
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Architektur : Otto Streicher Erneuerung : 1972, 1985 Mehrfamilienhäuser : 9 Wohnungen : 54 Wohnungsspiegel : 1 × 2 / 27 × 3 / 2 × 3.5 / 24 × 4 Parkplätze : 5 Besonderes : – 1 Gemeinschaftsraum 0
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mühlebach Das « Mühlebachdörfli » ist ein Bijou – und die einzige Genossenschaftssiedlung im Mühlebachquartier.
Der Favorit der ersten Jahre : 19 Mal baute der Architekt Otto Streicher von 1922 bis 1928 dieses Haus für die ABZ : in den Siedlungen Balberstrasse, Adliswil, Hochstrasse und Mühlebach.
Acht Sechsfamilienhäuser mit drei Etagen und steilen Walmdächern stehen in strenger Ordnung um einen Gartenraum. Es sind die gleichen Häuser wie in Adliswil und an der Hochstrasse. Nur das neunte Haus mit stumpfem Knick an der Ecke Mühlebach strasse / Höschgasse tanzt aus der Reihe. Das « Mühlebachdörfli » war 1928 die erste ABZSiedlung mit Zentralheizung. Es ist die einzige Genossenschaftssiedlung im bürger lich und gewerblich geprägten Mühlebach quartier. Vielleicht war das der Grund, war um in der Mitte einst ein Ziergarten und nicht eine Spielwiese oder ein «Pflanzblätz » lag wie in den anderen Siedlungen aus dieser Zeit. Spielplatz und Wäscheleinen wurden hinter der Siedlung eingerichtet.
1972 und 1985 wurden die Bauten er neuert. 2002 entstand im Garagentrakt an der Höschgasse ein Gemeinschaftsraum. Die Siedlung ist ein Bijou und trotz kleiner und ringhöriger Wohnungen beliebt. Aller dings ziehen immer wieder Familien weg, weil es ihnen zu eng wird. Das Gemeinschafts leben ist rege. Da die Balkone klein sind und es keine privaten Sitzplätze gibt, trifft man sich im Sommer an den Tischen im Garten. Was man nicht sieht und heute als Be wohner auch nicht mehr spürt : Der knapp unter der Oberfläche verlaufende Tunnel der Bahnlinie StadelhofenTiefenbrunnen kommt an einer Stelle bis zu 7.5 m an das Haus heran. Das « klassische » ABZ-Haus der 1920er-Jahre.
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Die 4-Zimmer-Wohnungen im grösseren Haus mit gefangenem Zimmer. Wohn- und Esszimmer lassen sich durch Schiebetüren trennen. Details wie eine verglaste Wand zwischen Küche und Korridor tragen zu einer höheren Wohnqualität bei.
Siedlung : Forchstrasse ( Nr. 04 ) Adressen : Forchstrasse 296 / Russenweg 19 Bezug : 1922 Architektur : Otto Streicher Erneuerung : 1974, 1993, 2015 Mehrfamilienhäuser : 2 Wohnungen : 14 Wohnungsspiegel : 6 × 3 / 6 × 4 / 2 × 3.5
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Forchstrasse An der Forchstrasse stehen die ältesten noch bestehenden Häuser der ABZ.
Die im Oktober 1922 bezogenen Häuser bilden die älteste von der ABZ selbst gebaute Siedlung, die noch steht. Die Reihenhäuser an der Birchstrasse von 1920 und die Siedlung Wiedikon von 1921 wichen 1973 und 1975 einem Ersatzneubau, und sechs im Januar 1922 bezogene Zweifamilienhäuser an der Albisriederstrasse tauschte die ABZ später mit der Siemens AG gegen Bauland für die Siedlung Rütihof 1. Ein Mehrfamilienhaus mit dreieinhalb Etagen steht an der Forchstrasse, ein zweites, um einen Stock niedrigeres, parallel
dazu am Russenweg. Dazwischen liegt ein Garten – einst Pflanzblätz, heute Rasen. Bei der äusseren Gestaltung passte sich Otto Streicher dem bürgerlichen Balgrist quartier an. Dabei folgte er der neubaro cken Zeitmode: Er setzte den Häusern Mansardwalmdächer auf und verzierte die Gebäudeecken mit RustikaMauerwerk. Den Hauseingang an der Forchstrasse fasste er mit Kunststein ein und schmückte ihn mit zwei Rosetten mit Sonnenmotiv. Die sechs 4Zimmer und sechs 3Zim merWohnungen hatten von Anfang an Badezimmer, aber keine Zentralheizung. Noch bis 1974 heizten die Familien ihre Zimmeröfen mit Holz. Bei der Erneuerung 1993 erhielten die Wohnungen grössere Balkone. Heute wohnen hier vor allem ältere Mitglieder und Studierende. Nach der Sanierung der Siedlung 2015 werden die Wohnungen für eine weitere Nutzungs periode zur Verfügung stehen und zu den günstigsten in der Stadt Zürich zählen.
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Seniorinnen und Senioren können den Jungen viel beibringen, wie hier in der Werkstatt Im Moos.
Fremd in der Wegwerfgesellschaft In den ABZSiedlungen leben viele ältere Menschen. Mit ihren Werten fühlen sie sich oft allein. Wer heute in einer ABZSiedlung zur älteren Generation gehört, ist damit aufgewachsen, allem Sorge zu tragen – tragen zu müssen. Während und nach dem Zweiten Welt krieg, den viele von ihnen noch erlebten, waren auch in der Schweiz die Güter knapp und teuer, vom Essen bis zu den Heizbrennstoffen. Man lebte in einfachsten Verhältnis sen. In der ABZ gehörte es zum Selbstverständnis, sorgfältig mit den Häusern und Wohnungen, den festen Einrichtun gen und auch den Aussenräumen umzugehen. Die 1930 geborene Trudi Schmidt erinnert sich, welch hohen Stellenwert das Pflichtbewusstsein hatte. Dazu gehörte für eine Frau nebst der guten Erziehung der Kinder auch das peinlich genaue Putzen, selbst das Reinigen des WaschküchenBodens am Ende eines Waschtags sei selbst verständlich gewesen. Und die ABZ kontrollierte dann auch regelmässig, ob Treppenhaus und Waschküche schön sauber waren. Weil die Frauen in den 1950er und 1960er Jahren im öffentlichen Leben kaum etwas zu sagen hatten, schon gar nicht in der Politik und Wirtschaft, war ihr Wirkungsbereich das Zuhause. Da kam ihr Ehrgeiz zum Zug, das prägte ihr Selbstverständnis. In jener Zeit, die die heute ältesten ABZBewohnerinnen und Bewohner auch noch als Erwachsene erlebt haben, war die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern sehr klar – die Männer waren im KolonieAlltag der ABZ denn auch viel weniger sichtbar, die allermeisten gingen frühmorgens zur Arbeit und kamen am Abend nach Hause. Heute gibt es in der ABZ immer wieder – und wegen des höheren Anteils älterer Menschen, die in der Genossen schaft leben, öfter als in privaten Liegenschaften – Konflikte um Werte, Ordnung und Disziplin. Die älteren Genossen
schafterinnen und Genossenschafter trauen sich häufig nicht, so offen wie die jüngeren zu sagen, was sie denken. Manche wenden sich früher oder später hilfesuchend an die Verwaltung mit der Bitte, doch endlich für Ordnung zu sorgen. Manchmal wirken sie fast etwas resigniert. Das kommt nicht von ungefähr : Sie sehen sich alleingelassen mit ihren Werten – Werte, die sie verinnerlicht haben und die sie ihr ganzes bisheriges Leben begleiteten. In der heuti gen Konsum und Wegwerfgesellschaft bedeuten diese Werte wenig bis gar nichts mehr. Der radikale Wandel hat sich innerhalb kurzer Zeit vollzogen. Die Welt und die Mitmenschen zu verstehen wird immer schwieriger, je schneller sich alles dreht. Was wird den heute noch jungen Generationen dereinst fremd vor kommen, welche ihrer Werte werden bis dann überholt sein ?
Altersverteilung in der ABZ
8% 0–6 7–15 16–19 20–39
In der Stadt Zürich hat sich die Bevölkerung seit Mitte der 1990er-Jahre ver jüngt. Gründe dafür sind eine Zurück-in-die-Stadt-Bewegung und die vermehrte Zuwanderung junger Menschen.
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40–64 65–79 80+ (Quelle: ABZ 2014)
12% 5% 29% 33% 10% 3%
Die selbstorganisierte Tischrunde « Tavolata » bringt ältere Menschen zusammen und bereichert den Alltag.
Ältere Menschen ziehen sich eher zurück. Sie haben Mühe mit dem modernen Leben, nehmen Kinder und die ganze Mediterranisierung des Aussenraums als Lärm wahr. Sie haben bisweilen das Gefühl, gerade noch geduldet zu werden. Das beschäftigt uns auch in der ABZ. Die älteren Bewohnerinnen und Bewohner gut ‹mitzunehmen›, ist uns wichtig. Faust Lehni, Leiter Soziales und Kultur
Älterwerden 122 ≥
Auch der Baum ist ein Freiraum Spielplätze, Innenhöfe, Gleichaltrige : Kinder haben es gut in ABZSiedlungen. Und die Jugendlichen ? Die Brüder Fidel und Max Aeberli müssen nicht lange nachdenken – auf die Frage, was aus ihrer Kindheit und Jugend in der ABZ sie wohl nie vergessen werden, ant worten beide : « Den Übungsraum ! » Eigentlich sei es ein Lagerraum gewesen, erklärt der mittlerweile 26jährige Fidel, der in Bands spielt, « ich übte dort Schlagzeug. Und am Abend war es auch unser HängerRaum. » Sie waren erst zehn beziehungsweise acht Jahre alt, als sie den kleinen Raum für sich in Anspruch nehmen durften. Max : « Er war zu Beginn unser ClubRäumchen. Wir haben uns dort RäuberNamen und Streiche ausgedacht, Wappen gezeich net. » Max’ bester Freund Tulio, der in der nahen Sihlfeld Siedlung der ABZ aufwuchs, war damals ebenfalls dabei. Und wie die AeberliBrüder erinnert er sich an unzählige Stunden im Innenhof der Siedlung, an Fussball und Versteckspiele, Wasserballonschlachten und das Klettern auf Bäume. Später verlor der Innenhof als Spielplatz an Bedeutung, er blieb aber ein Freiraum, « vor allem zum Rumhängen ». Bis Erwachsene anfingen, sich über Lärm zu beklagen. Max : « Die einen riefen aus dem Fenster raus, andere kamen runter und redeten mit uns, mehr oder weniger anständig. » Irgendwann waren die Bänklein im Hof weg, und auch der Tisch war entfernt worden. Im Quartier patrouillierte nun auch die Polizei, « man hatte als
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Jugendlicher schon das Gefühl, sich nirgendwo mehr tref fen zu dürfen. » Umso wertvoller war nun ihr Räumchen, das sie immer noch nutzen konnten und wo sie nicht mit Lärmbeschwerden rechnen mussten. So einen Raum wür den die drei allen anderen Jugendlichen auch wünschen. ABZMitarbeiter Marco Hort, der schon verschiedent lich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen vermittelt hat, sagt : « Es ist den Jugendlichen nicht bewusst, dass sie im Innenhof unter Beobachtung stehen. Sie fühlen sich dort geschützt. » Die Jungen und ihre Bedürfnisse ernst nehmen, sie sprechen lassen – das ist für die ABZ Teil eines noch jungen Lernprozesses, für den man auch mit lokalen Fach stellen wie der Offenen Jugendarbeit Zürich ( OJA ) zusam menarbeitet. Und auch, was die Infrastruktur betrifft, gibt es immer wieder Erneuerungsbedarf : Heute baut man beispielsweise Skaterhügel und installiert Hängematten. Max und Tulio sind mittlerweile 24jährig und seit Kurzem selber ABZGenossenschafter : Sie teilen sich eine WG in « ihrer » Siedlung Kanzlei. Und sie wissen um ihr Glück : « Schon unsere Eltern konnten es sich nur dank der tiefen ABZMieten leisten, in diesem Quartier zu leben. »
Den grosszügigen Raum zwischen den Häusern machen sich Kinder mit ihrer Fantasie zu eigen.
Schon gewusst
Unser Übungsraum war ein cooler Rückzugs ort! Wir konnten ihn sogar gratis benutzen, weil es eigentlich ein Lagerraum im Keller war. Im Winter wurden dort die Tische und Bänke untergebracht, die wir im Sommer im Hof benutzten. Fidel Aeberli, aufgewachsen in der Siedlung Kanzlei
Aufwachsen ≤ 22
In den 1980er- und 1990er-Jahren veranstalteten einige ABZler regelmässig Skirennen, Siegerehrung und Verpflegung inbegriffen. Und in der Felsenhof-Siedlung in Adliswil spielten die Kinder im Winter sogar auf einem selbst angelegten Eisfeld Eishockey.
In praktisch jeder ABZ-Siedlung gibt es Spielgeräte für kleine ( und etwas grössere ) Kinder, hier in der Siedlung Kalkofen in Horgen.
Die Betonskulptur in Form einer Wolfstatze in der Siedlung Wolfswinkel ist auch ein hervorragender Skaterplatz.
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Siedlung : Wolfswinkel ( Nr. 65 ) Adressen : Wolfswinkel 12 – 24, 12a – 24a Bezug : 2007 / 08 Architektur : Egli Rohr Partner / Hager Landschaftsarchitektur Mehrfamilienhäuser : 14 Wohnungen : 190 Wohnungsspiegel : 26 × 2.5 / 47 × 3.5 / 93 × 4.5 / 23 × 5.5 / 1 × 6 Parkplätze : 170 in Garage Besonderes : – – – – – – –
19 Separatzimmer 1 Gemeinschaftsraum 19 Ateliers 1 Kindergarten 1 Pflegewohngruppe 1 Gästewohnung Auszeichnung für gute Bauten der Stadt Zürich Kleinere und grössere Wohnungen liegen um zwei dreieckige Treppen häuser.
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Ein Weg mit Aussicht auf die Gärten führt unter allen sieben Häusern hindurch quer durch die Siedlung.
Wolfswinkel Eine finanziell und ökologisch nachhaltige Siedlung am Stadtrand, in der über 200 Kinder leben.
Kunst und bau Der Flurname Wolfswinkel inspirierte Carmen Perrin zum mehrteiligen Kunstprojekt, mit dem sie den Wettbewerb gewann. Der Wolf bleibt unsichtbar, aber seine Anwesenheit soll spürbar sein. Hauptwerk ist eine Beton- skulptur in Form eines riesigen Pfotenabdrucks im östlichen Vorgarten, der sich zum Spielen, Skaten und Rumhängen eignet. Zum Werk gehört weiter ein Pfotenrad aus Aluminium, mit dem man eine Wolfsfährte in den frischen Schnee prägen kann. Vom Wolfsgeheul, das bei Vollmond in der Tiefgarage ertönt, kann man sich Schauer über den Rücken jagen lassen. Neueinzüger erhalten eine CD mit dem Gesang des wilden Jägers und Informationen zum Kunstwerk im Booklet.
Am sanften Hang zwischen Unteraffoltern und der Ebene des Katzenbachs liegen sieben breit gelagerte, vierstöckige Wohn häuser mit umlaufenden Balkonen und Fassaden aus ungehobelten, hellgelb gestri chenen Brettern. Zwischen den Zeilen öff nen sich Gartenhöfe mit Ausblick ins Land hinab. Die Häuser sind an ihren Enden breit und in der Mitte schmal. An der schmalsten Stelle führt ein Weg durch sie hindurch quer durch die Siedlung. Er teilt Häuser und Gartenhöfe in einen oberen und einen tiefer am Hang liegenden Teil, eine schöne Verbindung von Bauten und Topografie. An diesem zentralen Durchgang liegen die Hauseingänge, sie führen in dreieckige Treppenhallen, zwei in jedem Haus. Tageslicht fällt durch Oberlichter und dringt durch Glasbausteinwände aus den Wohnungen. Diese haben grosszügige, nach zwei Seiten offene Wohnzimmer und sonst lauter gleich grosse Zimmer. Die von Egli Rohr Partner entworfene Architektur und die von Hager Partner geschaffenen Aussenräume fördern Begeg nungen: auf den umlaufenden Balkonen, in den Gartenhöfen, in den Waschsalons und gemeinschaftlich genutzten Räumen, die am Weg durch die Häuser liegen, und schliesslich auf diesem Weg selber, der die Siedlung verbindet. Die Bauweise aus einem Stahlskelett, stützenlosen Betondecken und einer Holz elementfassade war günstig und erlaubt
bei künftigen Umbauten neue Zimmerein teilungen. Das Projekt zählte zur Bauzeit zu den innovativsten Wohnbauten der Schweiz was Wohnqualität, Kosten und Nachhaltig keit anbelangt. Das Land gehörte der Stadt Zürich. Der ABZ gelang es, die Stadt davon zu über zeugen, das Land ihr zu überlassen und es nicht – wie bei grösseren Flächen üblich – auf zwei Bauträger aufzuteilen. Nur so waren die hohen ökologischen Ansprüche und die Kostenziele dieses zukunftsgerich teten Projekts zu erfüllen. Der Finanzvor stand Stadtrat Willy Küng nahm sich Zeit für eine Sitzung – morgens um 5.30 Uhr – und war nach zähen Verhandlungen mit dem Präsidenten schliesslich einverstanden. So erhielt die ABZ wieder einmal eine der seltenen Gelegenheiten, auf der grünen Wiese bauen zu können und ihre Innova tionskraft zu beweisen.
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Das erste Strassencafé der ABZ, das Café du Bonheur am Bullingerplatz, fand Platz in einem Ladenlokal der Siedlung Sihlfeld und wurde sofort zum beliebten Quartiertreffpunkt.
RAum für urbane Lebensqualität Begegnungsorte ≤ 36
Die Siedlungen der Zukunft verbinden Wohnen, Arbeiten, soziale sowie kommerzielle Dienstleistungen.
Yoga im Gemeinschaftsraum der Siedlung Waidfussweg.
Der Jassabend im Gemeinschaftsraum am Jasminweg weckt die Neugier beim Nachwuchs.
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Ab 1950 wuchs der Wohlstand. Immer we niger war man auf die Familie und Nach barn angewiesen. Jede Generation lebte nun für sich allein. Der Preis für mehr persön liche Unabhängigkeit war aber ein Verlust an Zusammenhalt und oft Einsamkeit im Alter. Seit einer Generation wächst darum das Bedürfnis nach neuen, zwangloseren Formen von Gemeinschaft. Begegnungen, Plaudern, gemeinsam Essen oder Fernse hen, Nachbarschaftshilfe und gegenseitiges Kinderhüten hatten in einigen ABZSied lungen überlebt. Seit der Jahrtausendwende gilt eine aktiv gelebte Nachbarschaft jedoch generell wieder als attraktiv. Aus gesellschaftlichen Trends entstan den neue Nutzungen für das Erdgeschoss : Der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie machte Angebote zur Kinder betreuung nötig – so entstanden mehr Räume für Kindertagesstätten und Mittags tische. Neue Familienformen führten zur Idee, Wohnen und Arbeiten näher zu verbin den – die ABZ begann, zumietbare Ateliers zu bauen. Die immer längere Lebensphase nach der Pensionierung verlangte neue Wohnformen für ältere Menschen – es ent standen Gemeinschaftsräume für Haus gemeinschaften. Seit 2001 haben neue ABZSiedlungen wieder einen Gemeinschaftsraum mit Bezug zum Garten. Auch Waschsalons, Veloräume im Parterre und Ateliers gehören zum Stan dard. Fast überall gibt es eine Krippe, einen Hort oder Kindergarten, dazu von den Fami lien organisierte Mittagstische. Gästewoh nungen gibt es vier. In den Siedlungen Gold regenweg, Jasminweg 2 und Ruggächern beleben Gemeinschaftsräume von Hausge meinschaften das Parterre, die ABZGe schäftsstelle ist mit Stützpunkten in den Siedlungen Balberstrasse, Sihlfeld, Jasmin weg und Ruggächern präsent. All dies schafft Gelegenheiten für Begegnungen.
Neue, kleinere Baugenossenschaften wie Dreieck, Kraftwerk1, Kalkbreite und Mehr als wohnen haben urbane Lebensqua lität neu definiert. Mit vielen Arbeitsplät zen, Läden, Cafés und kulturellen Nutzun gen suchen sie nachhaltige Lebensformen. Sie kombinieren mutig kommerzielle und soziale Dienstleistungen. Die ABZ tauscht sich mit ihnen aus und unterstützt sie teilweise auch finanziell. Auch die Erdgeschosse der ABZ werden vielfältiger und öffnen sich zum Quartier. Dabei kommt es allerdings auf den Ort an : Am Bullingerplatz im Sihlfeld ermöglichte die ABZ 2012 die Eröffnung des Café du Bonheur. Es ist seither stets gut besetzt. Im Neubau Entlisberg 2 in der einstigen Wollishofer Gartenstadt setzt die ABZ auf wohnnahe Nutzungen : Waschsalons, Ateliers, Bastelräume, Hort, Gästewohnung, Musikzimmer und zwei Gemeinschafts räume. Die Projekte Glattpark ( 2018) und Kanzlei ( 2022) liegen in dichteren Quartie ren. In beiden soll es ein Restaurant und rund 30 Ateliers geben, die auch als Läden und Gewerbeflächen dienen können. Damit öffnen sie sich für Quartiernutzungen, Kleingewerbe und halbkommerzielle Mieter. Die Bevölkerung entwickelt sich dyna misch, die Vielfalt der Lebensstile wächst und auf innovative Art werden Kommerz und soziales Engagement kombiniert. So entstehen laufend neue Ideen für Ange bote in den Siedlungen im Sinne einer sozial nachhaltigen Entwicklung. Mit ihren geplan ten Siedlungen wird die ABZ das dazu nötige Knowhow in Planung, Vermietung und Verwaltung vertiefen. Die Wohnbau genossenschaft entwickelt sich hin zu einer Genossenschaft für nachhaltigen Wohnungs und Gewerbebau.
Lesetipp
Kalkbreite – ein neues Stück Stadt. Genossenschaft Kalkbreite, Zürich 2015.
Früher üblich, später schwer zu vermieten, heute wieder begehrt : Ladenlokale in den Siedlungen, hier der Veloladen Im Moos, tragen zu einer lebendigen Nachbarschaft bei.
Schon gewusst
Wenn Besuch kommt, kann es in der eigenen Wohnung rasch eng werden. Doch in der ABZ gibt es zwei Gästezimmer und zwei Gästewohnungen. Sie liegen in den Siedlungen Wiedikon, Jasminweg 2, Ruggächern und Wolfswinkel. Alle ABZMitglieder können sie günstig für ihre Gäste mieten. Bettwäsche, Handtücher und Reinigung sind inbegriffen. Die Gästewohnung in Wiedikon ist die älteste. Die Initiative für dieses erfolgreiche Konzept kam aus der Bewohnerschaft.
Kindergarten Im Moos 2015. Öffentliche, an die Stadt vermietete Kindergärten gehören seit Langem zu grösseren ABZ-Siedlungen.
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Das erste Strassencafé der ABZ, das Café du Bonheur am Bullingerplatz, fand Platz in einem Ladenlokal der Siedlung Sihlfeld und wurde sofort zum beliebten Quartiertreffpunkt.
RAum für urbane Lebensqualität Begegnungsorte ≤ 36
Die Siedlungen der Zukunft verbinden Wohnen, Arbeiten, soziale sowie kommerzielle Dienstleistungen.
Yoga im Gemeinschaftsraum der Siedlung Waidfussweg.
Der Jassabend im Gemeinschaftsraum am Jasminweg weckt die Neugier beim Nachwuchs.
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Ab 1950 wuchs der Wohlstand. Immer we niger war man auf die Familie und Nach barn angewiesen. Jede Generation lebte nun für sich allein. Der Preis für mehr persön liche Unabhängigkeit war aber ein Verlust an Zusammenhalt und oft Einsamkeit im Alter. Seit einer Generation wächst darum das Bedürfnis nach neuen, zwangloseren Formen von Gemeinschaft. Begegnungen, Plaudern, gemeinsam Essen oder Fernse hen, Nachbarschaftshilfe und gegenseitiges Kinderhüten hatten in einigen ABZSied lungen überlebt. Seit der Jahrtausendwende gilt eine aktiv gelebte Nachbarschaft jedoch generell wieder als attraktiv. Aus gesellschaftlichen Trends entstan den neue Nutzungen für das Erdgeschoss : Der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie machte Angebote zur Kinder betreuung nötig – so entstanden mehr Räume für Kindertagesstätten und Mittags tische. Neue Familienformen führten zur Idee, Wohnen und Arbeiten näher zu verbin den – die ABZ begann, zumietbare Ateliers zu bauen. Die immer längere Lebensphase nach der Pensionierung verlangte neue Wohnformen für ältere Menschen – es ent standen Gemeinschaftsräume für Haus gemeinschaften. Seit 2001 haben neue ABZSiedlungen wieder einen Gemeinschaftsraum mit Bezug zum Garten. Auch Waschsalons, Veloräume im Parterre und Ateliers gehören zum Stan dard. Fast überall gibt es eine Krippe, einen Hort oder Kindergarten, dazu von den Fami lien organisierte Mittagstische. Gästewoh nungen gibt es vier. In den Siedlungen Gold regenweg, Jasminweg 2 und Ruggächern beleben Gemeinschaftsräume von Hausge meinschaften das Parterre, die ABZGe schäftsstelle ist mit Stützpunkten in den Siedlungen Balberstrasse, Sihlfeld, Jasmin weg und Ruggächern präsent. All dies schafft Gelegenheiten für Begegnungen.
Neue, kleinere Baugenossenschaften wie Dreieck, Kraftwerk1, Kalkbreite und Mehr als wohnen haben urbane Lebensqua lität neu definiert. Mit vielen Arbeitsplät zen, Läden, Cafés und kulturellen Nutzun gen suchen sie nachhaltige Lebensformen. Sie kombinieren mutig kommerzielle und soziale Dienstleistungen. Die ABZ tauscht sich mit ihnen aus und unterstützt sie teilweise auch finanziell. Auch die Erdgeschosse der ABZ werden vielfältiger und öffnen sich zum Quartier. Dabei kommt es allerdings auf den Ort an : Am Bullingerplatz im Sihlfeld ermöglichte die ABZ 2012 die Eröffnung des Café du Bonheur. Es ist seither stets gut besetzt. Im Neubau Entlisberg 2 in der einstigen Wollishofer Gartenstadt setzt die ABZ auf wohnnahe Nutzungen : Waschsalons, Ateliers, Bastelräume, Hort, Gästewohnung, Musikzimmer und zwei Gemeinschafts räume. Die Projekte Glattpark ( 2018) und Kanzlei ( 2022) liegen in dichteren Quartie ren. In beiden soll es ein Restaurant und rund 30 Ateliers geben, die auch als Läden und Gewerbeflächen dienen können. Damit öffnen sie sich für Quartiernutzungen, Kleingewerbe und halbkommerzielle Mieter. Die Bevölkerung entwickelt sich dyna misch, die Vielfalt der Lebensstile wächst und auf innovative Art werden Kommerz und soziales Engagement kombiniert. So entstehen laufend neue Ideen für Ange bote in den Siedlungen im Sinne einer sozial nachhaltigen Entwicklung. Mit ihren geplan ten Siedlungen wird die ABZ das dazu nötige Knowhow in Planung, Vermietung und Verwaltung vertiefen. Die Wohnbau genossenschaft entwickelt sich hin zu einer Genossenschaft für nachhaltigen Wohnungs und Gewerbebau.
Lesetipp
Kalkbreite – ein neues Stück Stadt. Genossenschaft Kalkbreite, Zürich 2015.
Früher üblich, später schwer zu vermieten, heute wieder begehrt : Ladenlokale in den Siedlungen, hier der Veloladen Im Moos, tragen zu einer lebendigen Nachbarschaft bei.
Schon gewusst
Wenn Besuch kommt, kann es in der eigenen Wohnung rasch eng werden. Doch in der ABZ gibt es zwei Gästezimmer und zwei Gästewohnungen. Sie liegen in den Siedlungen Wiedikon, Jasminweg 2, Ruggächern und Wolfswinkel. Alle ABZMitglieder können sie günstig für ihre Gäste mieten. Bettwäsche, Handtücher und Reinigung sind inbegriffen. Die Gästewohnung in Wiedikon ist die älteste. Die Initiative für dieses erfolgreiche Konzept kam aus der Bewohnerschaft.
Kindergarten Im Moos 2015. Öffentliche, an die Stadt vermietete Kindergärten gehören seit Langem zu grösseren ABZ-Siedlungen.
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Gemeinde : Horgen Siedlung : Kalkofen ( Nr. 63 ) Adressen : Kalkofenstrasse 1 – 15, 19 Baujahr : 1965 ( Erwerb durch Kauf 2003 ) Architektur : Walter Hegetschweiler, Horgen ( Erneuerungen : Primobau AG, Zürich ) Erneuerung : 2006, 2015 Mehrfamilienhäuser : 9 Wohnungen : 160 Wohnungsspiegel : 4 × 1 / 12 × 2 / 13 × 2.5 / 71 × 3.5 / 60 × 4.5 Parkplätze : 170 ( 85 + 85 in Garage )
Rationelle, gut belichtete 3.5- und 4.5Zimmer-Wohnungen mit direktem Zutritt vom Laubengang in die Küche.
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Ein seltener Anblick : Leer hat sich die stilvolle Tiefgarage auch schon als Versammlungshalle bewährt.
Szene vom gut besuchten ersten Siedlungsfest im Sommer 2015, organisiert vom « Team Chalchi ».
Kalkofen 2003 kaufte die ABZ die Siedlungen Kalkofen und Allmend in Horgen – der grösste Kauf in ihrer Geschichte. Dank grossem Einsatz von Vorstand und Geschäftsleitung sowie der Hilfe des Stadt präsidenten von Horgen gelang es 2003, die Siedlungen Kalkofen und Allmend von zwei lokalen PensionskassenGenossen schaften zu übernehmen. Die Liegenschaf ten mit zusammen 534 Wohnungen waren der mit Abstand grösste Kauf in der Ge schichte der ABZ. Sie verhinderte so, dass die Häuser einzeln an private Investoren verkauft wurden und entzog sie damit der Spekulation. Die bisherigen Bewohner konnten dank der ABZ bei sehr moderaten Mieten in ihren Wohnungen bleiben und zu Genossenschaftern werden. In den Bauten aus den 1960erJahren wohnten einst vor allem Arbeiterfamilien aus Italien und Spanien und Flüchtlinge aus Tibet. Später zogen viele Familien aus dem Balkan und aus aller Welt zu, die in der Horgener Indus trie Arbeit gefunden hatten. Neun vierstöckige Blöcke mit je 16 bis 20 Wohnungen stehen auf dem rechteckigen Grundstück. Bis 1986 waren sie flach gedeckt, heute haben sie Walmdächer und sind mit gelben und orangen Eternitplatten verklei det. Sie enthalten 1 bis 4.5ZimmerWoh nungen mit guten Grundrissen. Die Anlage ist dicht bebaut. Nur in der Mitte bleibt ein Hof mit einem Hartplatz frei. Hier wird ein Unterschied zu selbstgebauten ABZSiedlungen sichtbar: die vielen Park plätze, die aber der Bewohnerschaft will kommen sind. Die räumliche Enge macht es hier schwieriger als in der benachbarten
Siedlung Allmend, die verschiedenen Bedürf nisse unter einen Hut zu bringen. Spielende Kinder und die vielen jugendlichen Passan ten auf dem Weg zum Bus und zum Coop werden da rasch als lärmig empfunden. Obwohl in beiden Siedlungen ähnliche Leute wohnen, dauerte es hier viel länger als in der Allmend, bis sich ein Gemein schaftsleben zu entwickeln begann. Liegt es daran, dass die Siedlung Kalkofen keinen Gemeinschaftsraum hat und auch sonst kaum Raum für Aktivitäten bietet ? Doch inzwischen haben engagierte Bewohnerin nen und Bewohner das « Team Chalchi» gegründet und 2015 das erste Siedlungsfest organisiert. Und Raumnot macht bisweilen erfinderisch : Die erste Mieterversammlung zu den anstehenden Renovationen wurde kurzerhand in der Tiefgarage organisiert, mit Kaffee und Bier. Sie war, wie das Fest auch, sehr gut besucht.
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Gemeinde : Opfikon Siedlung : Glattpark ( Nr. 68 ) Adressen : Wright-Strasse 45 – 73, 60 – 76 Bezug : 2018 Architektur : Pool Architekten / Studio Vulkan Landschaftsarchitektur
4-Zimmer-Wohnung mit durchgehendem Koch-Ess-Wohnraum.
Mehrfamilienhäuser : 25 Wohnungen : 294 Wohnungsspiegel : ca. 26 × 1 / 50 × 2 / 82 × 3 / 95 × 4 / 33 × 5 / 8 × 6 Parkplätze : ca. 190 in Garage, davon ca. 44 für Besucher Besonderes : – – – – –
ca. 25 Separatzimmer Gemeinschaftsräume Kindergarten Gastrobereich Gewerbenutzungen
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Der Aussenraum im Glattpark ist vielfältig : ein Platz mit Bäumen am See, Hartflächen zum Spielen und Arbeiten in den Höfen, Nutzgärten im nördlichen langen Innenhof. Bauparzelle am künftigen Standort direkt am See und bei der Tramhaltestelle Fernsehstudio.
Glattpark Im Quartier Glattpark baut die ABZ Wohnungen für rund 800 Bewohnerinnen und Bewohner. Im Opfiker Stadtteil Glattpark im dynami schen Zürich Nord entsteht seit 2001 an einem künstlichen See ein neues Quartier mit etwa 7000 Bewohnerinnen und Bewoh nern und 7000 Arbeitsplätzen – und dank der ABZ und der Baugenossenschaft Glattal auch mit Genossenschaftswohnungen und lebendigen Erdgeschossen. Die Siedlung wird das Quartier mit verschiedenen Wohn und Lebensformen und mit gemeinschaft lichen und öffentlichen Räumen beleben. Die ABZ konnte das Land von der Stadt Zürich erwerben. Die städtische Stiftung Alterswohnungen ( SAW ) erhielt im Gegen zug die ABZSiedlung Erikastrasse im Bau recht. Den Architekturwettbewerb mit acht eingeladenen Büros gewannen Pool Archi tekten zusammen mit Studio Vulkan Land schaftsarchitekten. Zwei fünf bis sechs stöckige, schlanke Scheiben stehen senkrecht zum See. Balkon und Treppentürme vor den Fassaden gliedern die grossen Bauten aus hellem Beton. Zwischen den Zeilen liegt ein ruhiger Gartenhof mit gemein schaftlichen Baum und Pflanzgärten. Durch breite Durchgänge gelangt man unter der einen Scheibe hindurch auf den lebendigen Genossenschaftsplatz. Hier stehen ein Lför miger Bau und im Hof ein kleineres fünf stöckiges Haus. Gemeinschaftsräume, Kindergarten, Krippen, Waschsalons und Ateliers in den Erdgeschossen sorgen für
Leben in der Siedlung. Zum ersten Mal seit Langem baut die ABZ wieder Flächen für Kleingewerbe und einen Gastronomiebetrieb am Siriusplatz mit Blick auf den See. Der Wohnungsmix ist breit, die 294 kostengünstigen Wohnungen mit 1.5 bis 6.5 Zimmern bieten Raum für verschiedene Wohnformen und Lebensphasen. Auch eine Hausgemeinschaft 55+ ist im Gespräch, in der Menschen über 55 ihren Wohnalltag gemeinsam organisieren. Die nahe Halte stelle der Glattalbahn und viele Veloabstell plätze ermöglichen autoarmes Wohnen ; nur für jede zweite Wohnung gibt es einen Parkplatz. Im Aussenraum finden sich leben dige und stille Ecken. Die vier kompakten Bauten mit Foto voltaik auf dem Dach erfüllen die Voraus setzungen für die 2000WattGesellschaft. Die Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz liefert die Wärme für den neuen Stadtteil. Das Neubauprojekt wurde im Herbst 2015 von der Generalversammlung mit grossem Mehr angenommen. Baubeginn ist 2016, 2018 werden die 800 neuen Bewohne rinnen und Bewohner die Siedlung beziehen.
Schon gewusst
Die ABZ setzt seit einigen Jahren das Konzept der Separatzimmer um. Sie können zusätzlich zu einer Wohnung gemietet werden und verfügen über einen eigenen Eingang und eine Nasszelle.
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100 Jahre ABZ In der Entwicklung des Wohnungsbestands seit 1916 sind fünf Wachstumsphasen zu erkennen. Bei den dokumentierten Mitgliederzahlen gibt es erhebliche Schwankungen. Sie sind auf Bereinigungen der Mitgliederkartei zurückzuführen. Zum Anstieg der Mitgliederzahlen ab 1999 trägt bei, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner mit unbefristeten Mietverträgen auch gleich Mitglieder werden. Zudem können Eheleute eine Einzelmitgliedschaft beantragen.
6000
1944 – 1957 Die ABZ baute mehrere grosse Siedlungen in der jetzt üblichen Zeilenbauweise mit viel Grünraum. Erneut förderten Bund, Kanton und Stadt den gemeinnützigen Wohnungsbau. Auch die ABZ profitierte davon und erhielt sowohl A-fonds-perdu-Beiträge als auch rückzahlbare Subventionsdarlehen der öffentlichen Hand. Zudem verminderte die Stadt den erforderlichen Eigenkapital-Anteil von 10 Prozent auf 6 Prozent. Diese Massnahmen lösten einen regelrechten Bauboom aus. Vor allem in den 1934 eingemeindeten Stadtteilen entstanden viele Genossenschaftssiedlungen. Der Wohnungs bestand der ABZ stieg von rund 1700 auf 2350. 1950 stoppte der Bund die Förderung, gleichzeitig stiegen die Landpreise und Baukosten und die allgemeine Bautätigkeit kam zum Erliegen. Trotzdem baute die ABZ zwischen 1950 und 1957 weitere drei Siedlungen. Auch die Mitgliederzahlen schossen in dieser Phase in die Höhe: 1960 zählte die ABZ 12 600 Kollektiv- und Einzelmitglieder.
1920 – 1936 Vier Jahre nach der Gründung konnte die ABZ die erste Siedlung einweihen. Danach baute sie in 16 Jahren etwa ein Drittel ihrer heutigen Wohnungen. Es entstanden Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser und Hofrandbebauungen. Der Standard war deutlich höher als in privaten Mietwohnungen. Stadt, Kanton und Bund förderten neu den genossenschaftlichen Wohnungsbau. 1920 besass die ABZ fünf Wohnungen, zählte aber bereits 3000 Mitglieder, 800 Neu eintritte gab es alleine 1920. 1922 wurde der A-fonds-perdu-Beitrag abgeschafft. In dieser Phase stieg die Mitgliederzahl um mehrere Hundert pro Jahr. 1936 zählte die ABZ 8000 Mitglieder.
Anzahl Wohnungen
5000
1966 –1974
4000
1944 –1957
3000
1920 –1936
2000
1000 3000 Mitglieder
8000 Mitglieder
12 600 Mitglieder
0 1916
1920
1916: Gründung der ABZ
1918 Generalstreik der Schweizer Arbeiterbewegung
1914–1918 Erster Weltkrieg, Armut und grosse Wohnungsnot, obdachlose Familien
1918–1932 Intensiver gemeinnütziger Wohnungsbau in Zürich
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1930
1940
1931 Weltwirtschaftskrise erreicht die Schweiz, die Bautätigkeit sinkt abrupt
1950
1960
1943–1950 Intensiver gemeinnütziger Siedlungsbau in Zürich
1939 –1945 Zweiter Weltkrieg
1934 Eingemeindung von Albisrieden, Altstetten, Höngg, Affoltern, Seebach, Oerlikon, Schwamendingen und Witikon in die Stadt Zürich
1950 –1972 Hochkonjunktur, Anstieg der Reallöhne, intensive private Bautätigkeit
1970 Frauenstimmrecht im Kanton Zürich (Schweiz 1971)
1970
1966 – 1974 Ab 1966 fand die ABZ Wege, wie sie wieder wachsen konnte: Sie ersetzte erste eigene Siedlungen, baute kleinere Siedlungen auf früher erworbenem Land und beteiligte sich zusammen mit anderen Genossenschaften oder Pensionskassen an Grossüberbauungen in der Agglomeration, die von Generalunternehmen geplant werden. Nun entstanden Bauten ohne ausgeprägt genossenschaftlichen Charakter, der private Komfort wurde wichtiger. Die Anzahl Mitglieder pendelte sich bis 1974 über Ein- und Austritte und nach einer Bereinigung der Mitglieder kartei bei rund 11 200 Mitgliedern ein.
1981 – 1996 Bauland wurde immer knapper und teurer und die Baukosten stiegen. Um trotzdem weiter wachsen zu können, kaufte die ABZ fertig geplante Projekte und ältere Liegenschaften, wenn sich Gelegenheiten boten. Entsprechend schwankte die Qualität der Architektur, und den Bauten und Anlagen fehlten Räume für ein genossenschaftliches Gemeinschaftsleben. Nach einer weiteren umfassenden Bereinigung der Mitgliederkartei, zu der keine Erläuterungen dokumentiert sind, zählte die ABZ 1980 4400 Mitglieder, 1996 waren es rund 5200.
ab 1999 Mit dem Regina-Kägi-Hof begann die längste Bauphase, die bis heute andauert. Die ABZ baut wieder selber und hat Vorgaben für die Architektur definiert: gemeinschaftsfördernde Siedlungsstruktur, gute Grundrisse, tiefe Baukosten, nachhaltige Bauweise. Dass die Kurve ab 2008 flach verläuft und sogar vorübergehend sinkt, liegt an den Ersatzneubauten : Vom Abbruch der alten bis zum Bezug der neuen Siedlung fehlen jeweils Wohnungen. Künftig soll der Bestand auch mit Neubauten moderat wachsen. Die Zahl der Mitglieder stieg ab 1999 wieder markant: Ende 2014 zählte die ABZ 7400 Mitglieder.
ab 1999
1981–1996
Bestand In Planung 11 200 Mitglieder
4400 Mitglieder
1980
1980 –1982 Zürcher Jugendunruhen, Wohnungsnot, Gründung kleiner Wohnbaugenossenschaften
1973 Ölschock und Wirtschaftskrise bis zirka 1981
5200 Mitglieder
1990
7400 Mitglieder
2000
2010
1998 Stadtrat setzt «10 000 Wohnungen in zehn Jahren» als Ziel, fördert neue gemeinnützige Siedlungen, innovative Wohnprojekte entstehen
2016
Prognose
2020
2030
2016: 100 Jahre ABZ
2014 Volksentscheid zugunsten eines Mindestanteils an gemeinnützigem Wohnungsbau in Zürcher Gemeinden
2010 Zunehmende Erneuerung und Verdichtung des Siedlungsbestands der Genossenschaften
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