Yes, mit Ihnen, heute Abend, wann h채tten Sie Zeit?
Would you like to drink something else, Sir?
Coca-Cola, orange juice, tea? Orange juice please.
Sehr gern.
Was h채tte ich schon zu verlieren gehabt?
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Ja, was hätte ich schon zu verlieren gehabt. Ich, Leo Lander. Ich bin Comiczeichner, und dies dürfte wohl der Hauptanlass für diese Geschichte hier sein.
Es ist ja nicht gerade so, dass einem als Comiczeichner ständig die Hosen runterrutschen, weil man mit einem vor Geld überquellenden und daher bleischweren Portemonnaie in besagter Hose herumläuft, um genau zu sein in der hinteren Po-Tasche links, links von dir aus gesehen, hochverehrter Leser, oder mit einigem Glück zutiefst geschätzte Leserin.
Das fehlende Geld also liess mich eines Tages gen Osten aufbrechen, die Nase voll von den nicht versiegenden Vorhaltungen meiner Frau Meret, ich sei unfähig, für die Familie zu sorgen, sie müsse alles machen, Geld nach Hause bringen, unsere beiden Kinder erziehen, mich aushalten.
Nein, Comiczeichner sind arme Schlucker, ausser man heisst Walt Disney oder Uderzo.
Deswegen sass ich also in diesem Flugzeug mit dem Ziel Kunming, der Millionenstadt in Südchina, in der mein Freund Hans Romer lebte und arbeitete.
Dass ich wegen ihrem Job als Chefärztin Urologie nicht zum Zeichnen komme, folglich nie erfolgreich sein könne, mich dafür aber um unsere Kinder kümmere mit all meiner Liebe und Fürsorge, das ist ihr Wurscht, mir aber nicht.
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Hans war schon während unserer gemeinsamen Studienzeit an der ETH in Zürich meine Seele, mein Unterstützer in allem und jedem, damals, als wir beide noch überzeugt waren, als kommende Stararchitekten die Welt zu unserem Bauplatz zu machen.
Nun, Hans ist diesem Ziel tatsächlich ziemlich nahe gekommen. Er betreibt ein äusserst erfolgreiches Architekturbüro in diesem Kunming und plant ganze Städte.
Du glaubst mir nicht, liebe Leserin? Eine Kopie, es ist wahr. Eine echte Stadt, aus Stein, Gips, Beton. Lebensraum für 300 000 Menschen.
Sein grösstes Projekt steht kurz vor der Vollendung: Er baut in der Nähe von Kunming eine exakte Kopie der Stadt Zürich.
Selbst hab’ ich’s dann mal aufgegeben mit der Architektur und wurde Comiczeichner, mein Kindheitstraum. Und mit jedem neuen Buchprojekt keimt stets die Hoffnung wieder auf, mit dieser Passion genug Geld verdienen zu können – um dann gleich das nächste Buchprojekt zu starten.
Und so rief ich meinen Freund Hans an, ob er mir einen lukrativen Job hätte. Und tatsächlich. Ich solle einfach zu ihm nach Kuming ƒliegen und ihn dann gleich nach der Landung anrufen. Mehr könne er mir erst dann sagen.
Vorerst musste ich aber sonst wie eine gute Stange Geld für mein neues Buchprojekt auftreiben.
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So befand ich mich also im Anf¬ug auf Kunming, der Stadt des Ewigen Frühlings. Denn obwohl auf knapp 2000 Metern über Meer gelegen, herrscht hier dank den Bergen, die sich wie schützende Arme um die weite Ebene der Stadt und den riesigen Dian-See legen, ganzjährlich ein mildes Klima.
Ich spürte ein wohliges Kribbeln. Vorfreude auf neue Entdeckungen. Abenteuer. Exotik.
Dass sich hier in Kumning mein Leben verändern sollte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.
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Hans! Hoi! Bin eben gelandet!
Hör zu, es ist ganz einfach: du nimmst dir ein Taxi und fährst ins Hotel Crowne Plaza City Center.
O.k.!
Leo! Willkommen in Kunming!
Dort wartet eine sehr hübsche Dame auf dich.
Mister! Taxi, special price, City Center only 300 Yuan.
Sir, Taxi?
Und ob ... sie wird dir alles Weitere erklären.
Und wie erkenne ich sie?
Du bist immer noch ganz der Alte, Hans.
Und sonst, ruf wieder an, falls du dich hier nicht zurecht ƒinden solltest.
Sie wird dich erkennen, deine Westlervisage verrät dich hier überall. O.k., sehr gut.
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Keine Angst, ich bin nicht zum ersten Mal in einer fremden Stadt.
Very good price, 250 Yuan. F¡rst time here?
Yes, zum ersten Mal hier.
Deutsch? I have deutsch magazine for you.
April 2012 ... nicht mehr gerade taufrisch.
Deutsch, Bier, Bayern München
Und so stiess ich auf einen Artikel, der so perfekt ins Gefüge des Kommenden passen sollte, dass ich ihn dir, geneigter Leser, nicht vorenthalten möchte.
Very good, äh? You don’t f¡nd magazines in ofƒicial taxis.
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Eine Retortenstadt für eine Million Menschen. Doch keiner will dort wohnen. Ein gebauter Albtraum aus Beton, Stahl und Glas. In Neu-Ordos ist alles gigantisch: Es gibt gigantische Wohnblocks mit Luxusappartements – architektonische Wunder von höchster Qualität. Es gibt gigantische Autobahnen – vierspurig, ohne Stau und Schlaglöcher. Es gibt gigantische Plätze und Parks mit Statuen, Seen und Sportgeräten. Es gibt sogar eine Kunsthalle in Neu-Ordos, damit sich die Menschen, die in dieser Super-Stadt leben, auch geistig gigantisch erquicken können. Und natürlich FünfSterne-Hotels. Hört sich wie ein Traum an? Hört sich aber eben auch nur so an. Denn eigentlich ist die Stadt ein gigantischer Albtraum – und zwar für chinesischer Städteplaner und Investoren. Denn Neu-Ordos – oder auch Kangbashi genannt – ist eine Geisterstadt. Die ofƒizielle Zahl der Einwohner schwankt. Manche sprechen von 5000, andere bloss von 2800. Tatsache ist, dass es sehr viel weniger sind als die ursprünglich geplanten 300 000. Kürzlich gaben die Behörden jedenfalls zu, dass dort nur Menschen leben, die für die Verwaltung von Neu-Ordos verantwortlich sind. Ein herber Rückschlag für das aufstrebende China. Eine neue Boomtown wie Dubai? Dabei ƒ¡ng alles so gut an. Im Jahr 2000 entdeckten Wissenschaftler riesige Kohle- und Gas-Vorkommen in der Region südlich von Dongsheng in der inneren Mongolei, die erschlossen werden sollten. Die Verantwortlichen träumten von einem zweiten Boomtown à la Dubai: Öl, Geld, Luxus, internationaler Jetset – das sollte das neue China sein. Sie erwarteten,
Ganz schön langweilig: In der chinesischen Stadt Neu-Ordos - oder auch Kangbashi - fehlen die Einwohner.
Die Stadt in der inneren Mongolei ist das Resultat einer fürchterlichen Fehlplanung.
dass die kaufkräftige Mittelschicht Chinas bald in die innere Mongolei nachziehen würde.
benswichtige Infrastruktur mit Schulen, Restaurants, Geschäften oder Krankenhäusern.
Dann – im Jahr 2004 – begannen sie in etwa 30 Kilometer Entfernung von Ordos den neuen, 32 Quadratkilometer großsen Stadtteil Neu-Ordos in der Wüste aus dem Boden zu stampfen. Der auf dem Reißbrett entworfene Ort, der in etwa so natürlich wirkt wie Disneyland oder eine All-Inklusive-Anlage in Ägypten, sollte die erwarteten Massen, die bald vor den Toren der Metropole stehen würden, aufnehmen. Doch der Traum platzte.
Außserdem würden sich viele Bewohner davor scheuen, die kommenden Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, auf einer Baustelle leben zu wollen, denn natürlich soll der Stadtteil trotz des Rückschlags noch erweitert werden. Dann soll Platz für knapp eine Million Menschen geschaffen sein.
Und ausßerdem haben viele Investoren – meist Kohle-Magnaten – zwar gleich mehrere Wohnungen gekauft, sind Denn niemand will in der neuen Vorzeige- dort aber natürlich nie selbst eingezoVorstadt leben, für den die Behörden laut gen. Und sie vermieten sie auch nicht. der Zeitung “Daily China“ bis 2010 etwa Stattdessen sehen sie die Wohnungen zwei Milliarden Euro ausgegeben haben vielmehr als Geldanlage, die sich erst in sollen. Die Gründe dafür sind vielfältig, ein paar Jahren rentieren wird. Ob zu heißst es. Nach mehr als als zehn Jahren recht wird erst die Zukunft weisen. fehlt zum Beispiel noch immer eine lekami (Copyright ”Die Welt“)
Schuld sind Gas- und Kohle-Vorkommen, die in der Region entdeckt wurden. Die Verantwortlichen glaubten, dass die kaufkräftige Mittelschicht bald vor der Tür stehen würde.
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Die Behörden haben die 32 Quadratkilometer große Stadt auf dem Reißbrett entworfen.
Here you are.
Ă„hm, warten Sie auf mich?
Thank you, Sir, enjoy your stay.
Yes.
Das ... das freut mich. Wohin ... Thanks. To your room?
800 Yuan o.k.?
Danke.
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