Wild auf den Westen

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Annemarie Regez Mit Fotos von Esther Michel

Wild

auf den esten W

Gummel, Franz und Konrad machen mit dem Chuchich채schtli ihr Gl체ck in Kalifornien


Franz Auf der Maur



Franz (Gummel) Schmidig



Konrad Rickenbach



Inhalt 12 Wie alles begann 20 Ein Schwyzer Tom Sawyer:

Der Lausbub von Oberschönenbuch 27 Lernen fürs Leben:

Die Schule im Kanton Schwyz der 30er-Jahre 30 Magie der Maschgeraden:

Kein Steiner Bub, den nicht der Fasnachts­virus befällt 33 Einstieg in die Berufswelt:

Konrad Rickenbach verdient gutes Geld mit eintöniger Arbeit 34 Das Unternehmertum im Blut:

Franz Auf der Maur will sein eigener Herr werden 40 Die Familie hält zusammen:

Franz Schmidig muss für die Geschwister sorgen 42 Fernweh siegt über Heimweh:

Konrad Rickenbach stürzt sich ins Abenteuer 50 Schweiz oder Kalifornien:

Konrad kann sich nicht so recht entscheiden 54 Glück im Unglück:

Franz Auf der Maur wird ruiniert und trifft Alma 59 Über die Stränge geschlagen:

So kann es nicht mehr weitergehen, sagt sich Gummel* 73 Die Neue Welt:

Ein hübsches Städtchen namens Pleasanton 83 Aller Anfang ist schwer:

Der Aufbau des Pleasanton Cabinet Shop 88 Ein Stück Heimat:

Der «Aelpler Gruppe Swiss Club»


93 Auf Erfolgskurs:

Die Schweizer schaffen sich einen erstklassigen Namen 122 Jawort auf Amerikanisch:

Frank** und Alma heiraten in Reno 126 Faszination der schnellen Pferde:

Pleasantons legendäre Pferde­rennbahn 130 Schatten im Paradies:

Alma erkrankt an Chorea Huntington 133 Begegnung auf der Steiner Brücke:

Konrad und Elisabeth heiraten am Valentinstag 138 Liebe auf den ersten Blick:

Gummel trifft Bertha 144 Wie im Krieg:

Der Cabinet Shop wird abgefackelt 150 Das Leben geht weiter:

Frank Auf der Maur bleibt nicht allein 155 Jodler in der Wüste:

Die Schweizer vom Imperial Valley 172 178 181 182 184 187 204

Das Leben ist eine Achterbahn: Gummel verliert Bertha und erlebt eine Überraschung Skifahren über alles bei Rickenbachs: Die nächste Generation Renn­fahrer sitzt in den Startlöchern Lamas, Ziegen und Enkel: Frank Auf der Maur kennt keinen Ruhestand Das aussergewöhnliche Glück einer lebenslangen Freundschaft Es waren einmal drei Buben, die vom Wilden Westen träumten Nachwort Stammbäume

* Übername von Frank Schmidig ** Franz Auf der Maur und Franz Schmidig heissen in Amerika bald Frank.


Wie alles begann Es waren einmal drei Buben, zwei brave – wenn man ihren Beteuerungen Glauben schenken kann – und ein Lausbub. Fangen wir mit den beiden braven an, und blenden wir zurück in die 1930er-Jahre nach Steinen im Kanton Schwyz. Ein Stück hinter der Schreinerei Auf der Maur an der Räbengasse in Steinen verläuft die Steiner Aa, und eine Furt führt über den Dorfbach. Ein Kind macht sich daran, den Bach zu überqueren. Es muss vorsichtig gehen, denn es trägt ein Holzkreuz vor sich her, das seinen Kopf hoch überragt. Vielleicht dreht es sich noch einmal zögernd um, bevor es die nackten Füsse ins kalte Wasser taucht, und die Kinder hinter ihm geben ihm mit heftigen Zeichen zu verstehen, dass es weitergehen soll. Vielleicht schreitet es aber auch unbeirrt ins Wasser, durchdrungen von der feierlichen und verantwortungsvollen Aufgabe, mit dem Kreuz die Prozession anzuführen, die ihm von den anderen zugestanden wurde. Der kleine Alois hat eine Werkstattschürze angezogen, sodass er das selbst gebastelte Holzkreuz vorne in die Schürzentasche stecken kann. Es ist anzunehmen, dass die Idee, Prozession zu spielen, von Josef Maria gekommen ist. Er hat sich im Kinderzimmer einen Altar eingerichtet, wo er Messen abhält und Pfefferminzbonbons als Hostien verteilt. Was die Popularität seiner «Gottesdienste» bestimmt ziemlich beförderte. Vermutlich hat er dafür gesorgt, dass das Fussvolk, wenn es hinter dem Kreuzträger den Bach überquert, das kalte Wasser mit der nötigen Feierlichkeit erträgt und nicht etwa anfängt zu kreischen und zu johlen. Aber im Grossen und Ganzen scheint es den Kindern mehr um den Spass als um die Feierlichkeit gegangen zu sein, wie eine Fotografie aus dem Familienalbum zeigt. Darauf ist zu erkennen, dass auch ein Baldachin aus Besenstielen und einem alten Leintuch mitgeführt wurde. Der Pfarrer, Josef Auf der Maur, hat sich als Mess­

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Die Auf-der-Maur-Kinder spielen Prozession.

gewand ein Tuch umgehängt und trägt selbstverständlich die Monstranz. Vielleicht hat eines der Kinder auch ein Weihrauchfass geschwungen – wahrscheinlich eine Konservendose mit Löchern, in der getrocknete Holzschwämme glimmen. Derart ausgerüstet mit allem, was zu einer richtigen Prozession gehört, ziehen sie über die alte Furt bis in die Herrengasse und wohl den gleichen Weg wieder zurück. So sahen also die frommen Kinderspiele der Steiner Kinder in den 30er-Jahren aus. Mit dabei waren bestimmt auch unsere beiden braven Buben, Franz Auf der Maur und Konrad Rickenbach. Die beiden sind fast gleich alt: Franz ist am 3. August 1926 zur Welt gekommen und Konrad nur acht Monate später, am 5. April 1927. Steinen, idyllisch zwischen Rossberg und Lauerzersee gelegen, hatte in den 30er-Jahren fast 1500 Einwohner, was für ein Schweizer Voralpendorf eine stattliche Grösse war. Der Grund dafür liegt in der

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Bedeutung von Steinen als Marktort, die bereits für das ausgehende Mittelalter belegt ist. Mit der Erschliessung des Verkehrswegs über den Gotthard – um 1220 war ein erster Steg zur Überwindung der Schöllenenschlucht gebaut worden – begann im Kanton Schwyz der Aufschwung der Viehzucht, die allmählich den Ackerbau verdrängte. Zum einen bestand in Italien eine grosse Nachfrage nach der Schwyzer Braunvieh­ rasse, zum andern waren die klimatischen und topografischen Verhältnisse besser geeignet für die Viehzucht. Der erste Beleg für einen Viehmarkt in Steinen am St.-Mauri­tiusTag, dem 22. September, findet sich für das Jahr 1416, und auch ein Pferdemarkt soll regelmässig abgehalten worden sein. Steinen war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein landwirtschaftlich geprägt. Eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle bildete der Fremdenverkehr; dank der günstigen Lage an der stark befahrenen Strasse zwischen Zürich und dem Vierwaldstättersee wies der Ort seit dem Mittelalter ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum auf. Umso auffallender ist die Tatsache, dass ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er-Jahre die Einwohnerzahl stagnierte oder sogar rückläufig war. Dass Steinens Wachstum damals zum Erliegen kam, hat mehrere Gründe. Von 1859 bis 1864 wurde die Schlagstras­ se gebaut, die Schwyz direkt mit Sattel verbindet, Steinen umgeht und es damit vom Durchgangsverkehr zwischen dem Zürichsee und Schwyz abschneidet. Vorher war Steinen ein prominenter Rastort auf der Gotthardroute gewesen. Mit der neuen Strasse versiegten die wichtigen Einnahmequellen aus dem Fremdenverkehr auf einen Schlag. Ausserdem hatte Steinen bereits 1848, als mit der Gründung des schweizerischen Bundesstaates die Binnenzölle aufgehoben wurden, finanzielle Einbussen erlitten. Als 1882 die Gotthardbahn in Betrieb genommen wurde, verschwand der Durchgangsverkehr endgültig aus Steinen. Zwar hatte der Bau der Bahnstrecke einige Arbeitsplätze geschaffen, aber diese

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waren nicht von Dauer, und den Verlust des Fremdenverkehrs konnten sie nicht wettmachen. Zu diesen widrigen Umständen kam noch eine europaweite Agrar­krise hinzu. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren schliesslich sehr viele Steiner dazu gezwungen, ihr Dorf zu verlassen, um anderswo – meistens in Nordamerika oder auch in Neuseeland – ihr Auskommen zu suchen. Aus praktisch allen Bauernfamilien wanderte damals das eine oder andere Mitglied nach Übersee aus. Die­ser Aderlass schlägt sich in Steinens Einwohnerzahlen deutlich nieder: Zählte die Gemeinde 1850 noch 1570 Bewohner, waren es 1870 noch 1365. So kam es, dass auch die beiden braven Steiner Buben, Franz Auf der Maur und Konrad Rickenbach, von denen diese Geschichte handelt, je einen Onkel in Übersee hatten. Und beide waren fas­ziniert von deren Berichten über das Leben in der Neuen Welt. Franz Auf der Maur erinnert sich, wie sehr ihn eine Fotografie, die der Bruder seiner Mutter aus Amerika geschickt hatte, beeindruckte. Sie zeigte einen zweispännigen Wagen, mit dem der Onkel die Milch in die Stadt brachte. Konrad Rickenbach und Franz Auf der Maur sind nicht nur fast gleich alt, ihre Elternhäuser liegen nur etwa 200 Meter auseinander. Konrad wächst mit drei Schwestern auf: Lina, Lisbeth und Mathilda. Seine Mutter Angelina, geborene Horat, stammte aus Unteriberg, wurde aber als Kind in eine fremde Familie verdingt. Über ihre Kindheit habe die Mutter aber nie geredet, erzählt Konrad. So sei es halt früher gewesen, über solche Dinge sei nicht gesprochen worden. Aber die Schwester habe einmal erwähnt, dass es die Mutter als Kind nicht schön gehabt habe. Rickenbachs besitzen ein bisschen Land, zwei Kühe und ein paar Ziegen, nicht genug, um die Familie zu ernähren. Konrads Vater, der ebenfalls Konrad heisst, arbeitet als Gramper, als Gleisarbeiter, bei der Bahn.

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Seit er gehen kann, wird Konrad junior von seiner Grossmutter mit in die Kirche genommen. Zweimal am Tag, am Morgen in die Messe und am Abend zum Rosenkranz. Kein Wunder, möchte Konrad gerne Ministrant werden, und es muss ihn ziemlich getroffen haben, als er abgelehnt wird. Aber sein Vater ist Bahnarbeiter, und die gelten als Sozialisten. Natürlich ist das nicht die offizielle Begründung, aber Konrad ist bis heute überzeugt, dass er nur deshalb nicht ministrieren durfte. Die katholische Kirche ist im Leben der Steiner Dorfjugend allgegenwärtig, und ihr erzieherischer Einfluss reicht weit über die obli­ga­torische Schulzeit hinaus. Konrad erinnert sich gut an die Christenlehre:

In die Christenlehre musste man, bis man achtzehn Jahre alt war. Am Sonntagnachmittag um ein Uhr. Da konnte man natürlich am Sonntag nichts anderes mehr unternehmen. Einmal sind der Ander­ mättel und ich statt in die Christenlehre Ski fahren gegangen. Da hat der Pfarrer von der Kanzel heruntergerufen: «Wo sind Andermatt und Rickenbach?» Nach der Christenlehre kam der Pfarrer über die Dorfbrücke ge­ laufen. An unserem Haus ging er vorbei, aber bei Andermatts ging er hinein und schimpfte. Das war Pfarrer Schittenhelm, ein guter Pfarrer. Heute ginge das nicht mehr mit der Christenlehre. Dass man am Sonntag nie etwas unternehmen könnte. Darum bin ich später nicht mehr so häufig in die Kirche gegangen, ich hatte das Gefühl, dass ich meine Pflicht getan hatte. Auch Franz Auf der Maur darf nicht Ministrant werden. Nicht, weil sein Vater kirchenfeindlicher Gesinnungen verdächtigt wird, sondern weil bereits sein älterer Bruder Ministrant ist. Aus der gleichen Familie dürfen nicht gleichzeitig zwei Buben ministrieren. Seit sich die Geschwister Auf der Maur erinnern können, will ihr ältester Bruder Josef Maria, der die eingangs geschilderte Prozession organisierte, Geistlicher werden. Das bedeutete zuerst einmal, von

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Tür zu Tür zu gehen und um Spenden für die Ausbildung zu bitten. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Dorfbevölkerung war eine geistliche Laufbahn für jemanden aus einer Durchschnittsfamilie so gut wie die einzige Möglichkeit, eine Mittelschule besuchen zu können. Josef Maria – sein geistlicher Name ist Ivo – absolvierte das Gymnasium in Einsiedeln, trat danach ins Noviziat im Benedictinum in Fribourg ein und studierte Theologie. Nach der Priesterweihe und dem Lizenziat in Fribourg und seiner Primiz in Steinen wirkte er unter anderem fünf Jahre als Lehrer im kleinen Seminar von Peramiho in Tansania. Ab 1963 gehörte er dem Benediktiner-Priorat St. Otmarsberg in Uznach im Kanton St. Gallen an, wo er erst das Amt des ­Priors ausübt und 1982, mit der Umwandlung des Priorats in eine Be­nedik­ tiner-Abtei, zum Abt geweiht wird. Am 19. Januar 1983 wird er Ehrenbürger von Steinen. Franz Auf der Maur, der Zweitälteste und einer der drei Protagonisten dieses Buches, verbrachte von klein auf viel Zeit in der Schreinerei-Werkstatt der Familie an der Räbengasse. Er hatte dort eine eigene kleine Werkbank, an der seine ersten Schreinerarbeiten unter der kundigen Anleitung des Vaters entstanden. Für Franz stand bald einmal fest, dass er den väterlichen Betrieb eines Tages übernehmen würde. Der jüngste Sohn, Alois Anton Auf der Maur, absolvierte eine Lehre als Feinmechaniker bei Landis & Gyr in Zug. Er wäre gerne auf die Universität gegangen, was aus finanziellen Gründen aber nicht möglich war. Bleiben noch die drei Mädchen. Es war damals nicht üblich, dass Mädchen eine Ausbildung machten. Nach den sieben Jahren obligatorischer Schulzeit wurden sie meistens in Haushalte geschickt oder zum Servieren in Gaststätten, als Hausmädchen in Pensionen oder als Kindermädchen in gutbürgerliche Arzt- oder Fabrikantenfami­ lien, die sich Angestellte leisten konnten.

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Die Familie Auf der Maur 1944. Hinten v. l.: Franz, Alois und Josef Maria. Vorne v. l.: Anna, Mutter Rosa, Hedwig, Vater Josef und Tochter Rosa.

Die Auf-der-Maur-Mädchen, Rosa, Anna und Hedwig, waren keine Ausnahme und verdienten sich auf diese Weise nach der Schule die Aussteuer. Es brauchte schon vermögende Förderer und eine herausragende Begabung, damit ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen in den Genuss einer weiterführenden Ausbildung kam. Für ihre Mutter, Rosa Auf der Maur, geborene Suter, hatten sich die Um­stände auf diese Weise glücklich gefügt. Als Angestellte war sie nach der obligatorischen Schulzeit in den Haushalt der Familie Elsener gekommen, zu den Besitzern der weltbekannten Victorinox-Messer­fabrik. Weil ihnen das aufgeweckte Mädchen Eindruck machte, beschlossen Elseners, es zu fördern. Man bezahlte Rosa Suter die Handelsschule, sodass sie vor ihrer Heirat als erste Buchhalterin der Firma Victori­ nox arbeitete. Aber ihren Töchtern hätte sie wohl kaum eine ähn­ liche Ausbildung ermöglichen können. Denn um die Schreinerei Auf der Maur stand es finanziell nicht besonders gut – aber dazu kommen wir später noch.

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Das Schicksal der jungen Frauen aus Steinen hing damals weitgehend davon ab, ob und wen sie heirateten. Berufe mit Karriereperspektiven gab es für Frauen aus einfachen Verhältnissen so gut wie keine. Erst im Zweiten Weltkrieg, als die Männer im Aktivdienst waren, mussten die Frauen einspringen und somit auch Arbeiten übernehmen, die vorher den Männern vorbehalten waren. Hatten die Frauen in der Wirtschaftskrise der 30er-Jahre wenig Chancen auf ­Erwerbsarbeit, waren sie während des Krieges plötzlich wieder als ­Industriearbeiterinnen – nicht zuletzt in der Waffenproduktion – ­gefragt. Selbstverständlich mussten sie ihre Stellen dann wieder den Männern überlassen, als der Krieg zu Ende war.1 Für die Bauersfrauen in der landwirtschaftlich geprägten Gegend von Steinen bedeu­ tete der Krieg vor allem mehr und noch härtere Arbeit. Die Zukunftsaussichten der Kinder im Steinen der 30er-Jahre waren im Grossen und Ganzen vielleicht nicht besonders aufregend, aber materielle Not hatte niemand zu erwarten – vorausgesetzt natürlich, dass man imstande war zu arbeiten. Aufgeweckte, fromme Buben konnten die geistliche Laufbahn, mit der Möglichkeit zu studieren, einschlagen, für die Geschickten bot sich eine Handwerkerlehre an, und wer sofort Geld verdienen wollte oder musste, ging in die Fabrik. Dank dem wirtschaftlichen Boom nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es schliesslich auch jungen Männern aus bescheidenen Verhältnissen möglich, beruflich aufzusteigen. Aber noch müssen sich unsere beiden braven Buben nicht um ihre Zukunft sorgen. Neben den Pflichten, die ihnen Kirche, Familie und Schule auferlegen – beide betonen, dass sie sehr gerne zur Schule gegangen sind – bleibt ihnen Zeit, verschiedenen Hobbys nachzugehen. Franz verdient sich mit dem Züchten von Kaninchen ein bisschen Taschengeld. Wie sein Freund Konrad ist auch er ein leidenschaftlicher Ski- und Radfahrer. Und wenn gerade nichts los ist, kann man sich in Steinen die Zeit damit vertreiben, dem Schmied, dem Wagenmacher oder dem Schreiner bei der Arbeit zuzuschauen.

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Zwei brave Buben also, die gerne Abenteuerliteratur lesen und dabei davon träumen, am Yukon Gold zu schürfen oder inmitten von Indianern über die amerikanische Steppe zu galoppieren. Und hier kommt der Dritte im Bund ins Spiel: unser Lausbub, Franz Schmidig. Er könnte gut aus einem amerikanischen Jugend­ roman stammen, erinnern die Geschichten, die er aus seiner Kindheit erzählt, doch sehr an Mark Twains Tom Sawyer.

Ein Schwyzer Tom Sawyer : Der Lausbub von Oberschönenbuch Kommt man bei den Kindheitserinnerungen der beiden Steiner Buben zum Schluss, dass es hier vorwiegend gesittet, fromm und brav zu und her ging, dann ist das wohl der strikten sozialen Kontrolle geschuldet, die der enge Dorfverband mit sich brachte. Immer war irgendjemand da, der mögliche Untaten beobachten konnte. Die Handwerksbetriebe hatten ihre Werkstätten so eingerichtet, dass man hineinsehen konnte, also konnten auch der Schmied oder der Coiffeur durch das Fenster sehen, was sich auf der Strasse so tat. Jederzeit konnte ein Kunde einen der zahlreichen Läden – noch in den 50er-Jahren gab es in Steinen fast dreissig Verkaufsläden – verlassen. Ganz zu schweigen von den Steiner Greisen, die sich jeden Tag unter dem «Bogen», einer von einem gebogenen Holzdach beschirmten Bank unterhalb der Kirche, versammelten, um das Treiben im Dorf zu verfolgen und zu kommentieren. Ganz anders war die Situation in Oberschönenbuch, wo unser Lausbub aufgewachsen ist. Oberschönenbuch ist eine Streusiedlung, die zu Ibach in der Gemeinde Schwyz gehört. Ein eigentliches Dorfzentrum gibt es hier nicht, nur einen Weiler mit ein paar Bauern­ höfen, die sich um die Katharinenkapelle scharen.

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