Dr. Maria Windhager Rechtsanwältin maria.windhager@ra-we.at
Dr. Felix Ehrnhöfer Rechtsanwalt felix.ehrnhoefer@ra-we.at
EINSCHREIBEN
Mag. Günther Lattacher Rechtsanwaltsanwärter guenther.lattacher@ra-we.at
An den Verfassungsgerichtshof
Siebensterngasse 42-44 1070 Wien
Judenplatz 11
Telefon 01/522 63 09 Telefax 01/522 63 09-99
1010 Wien
www.ra-we.at
Wien, am 29.06.2010 Gebühr 220,00 EUR überwiesen Vollmacht erteilt GR/P-DEMO (10) – FE / Rz
Beschwerdeführer:
GRAS - Grüne & Alternative StudentInnen Wien Lindengasse 40 1070 Wien
vertreten durch:
Dr. Felix Ehrnhöfer R171799 Siebensterngasse 42-44 1070 Wien Konto-Nr: 29248717300, BLZ: 20111
belangte Behörde:
Sicherheitsdirektion für Wien Hermann Bahr Straße 3 1210 Wien
angefochtener Bescheid:
Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien, Zl. E1/91.866/2010, vom 07.05.2010 BESCHWERDE GEMÄSS ART. 144 B-VG
2-fach Bescheid in Kopie (einfach) Beilagen: Anmeldung einer Versammlung vom 22.01.2010, ./A Ladung der BPD Wien vom 25.01.2010, ./B Aktennotiz – Verhandlung über die Versammlung 29. 01. 2010, ./C Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28.01.2010, ./D Ausdruck des Aufrufes „En Garde! WKR-Ball anfechten!“ von http://nowkr.wordpress.com/, ./E Ausdruck Illustration mit „aufgespießten Burschenschafter-Mützen“, ./F 1 Überweisungsauftrag vom 29.06.2010 und Unterschrift des RA, mit der die Unwiderruflichkeit des Überweisungsauftrags bestätigt wird
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Der
Beschwerdeführer
hat
Rechtsanwalt
Dr.
Felix
Ehrnhöfer
mit
seiner
rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und dazu bevollmächtigt. Gegen den in Kopie beigeschlossenen Bescheid Zl. E1/91.866/2010, vom 07.05.2010, zugestellt am 18.05.2010, der Sicherheitsdirektion für Wien erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
I. Sachverhalt: Am 29.01.2010 fand der Ball des „Wiener Korporationsrings“ in der Wiener Hofburg statt. Der Beschwerdeführer zeigte am 22.01.2010 der Bundespolizeidirektion Wien fristgerecht eine Versammlung an, die am 29.01.2010 von 17:00 bis 22:00 Uhr mit dem
Zweck
des
„Protests
gegen
den
Ball
des
rechtsextremen
Wiener
Korporationsrings“ durchgeführt werden sollte. Als beabsichtigte Route wurde genannt: Christian-Broda-Platz (Auftaktkundgebung) – Mariahilfer Straße – Babenbergerstraße – Burgring – Dr.-Karl-Renner-Ring – Löwelstraße – Ballhausplatz – Bruno-Kreisky-Gasse – Leopold-Figel-Gasse – Herrengasse – Michaelerplatz – Herrengasse – Bankgasse – JosefMeinrad-Platz
–
Dr.-Karl-Renner-Ring
–
Burgring/
Ecke
Maria-Theresien-Platz
(Abschlusskundgebung)
Beweis:
Anmeldung einer Versammlung vom 22.01.2010, Beilage ./A
Die Bundespolizeidirektion Wien, im Folgenden als „Erstbehörde“ bezeichnet, lud daraufhin Herrn Georg Prack als Vetreter des Beschwerdeführers für den 27.01.2010 unter dem Hinweis vor, daß er „bei Nichterscheinen […] mit der Untersagung der Versammlung rechnen“ müsse. Beweis: Anläßlich des
Ladung der BPD Wien vom 25.01.2010, Beilage ./B Gesprächs mit der Erstbehörde wurde dem Vertreter des
Beschwerdeführers erklärt, daß man die Untersagung der Versammlung einerseits
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aufgrund des § 7 VersG (sog. „Bannmeile“ im Umkreis von 300 Metern während Sitzungen des Nationalrates), andererseits aufgrund einer angeblich befürchteten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beabsichtige. Der Vertreter des Beschwerdeführers
gab
daraufhin
der
Erstbehörde
eine
Änderung
der
Versammlungsanzeige hinsichtlich der Route in einer solchen Weise bekannt, daß die sog. „Bannmeile“ im Umkreis des Tagungsortes des Nationalrates keinesfalls als Untersagungsgrund in Betracht kommen konnte. Die geänderte Route lautete wie folgt: Christian-Broda-Platz – Mariahilfer Straße – Babenbergerstraße bis Burgring/Ecke MariaTheresien-Platz (außerhalb der Bannmeile) Abschluß des Demonstrationszuges
Diese Änderung wurde von der Erstbehörde auch zur Kenntnis genommen und in deren Bescheid wie auch im gegenständlich bekämpften Berufungsbescheid (in diesem auf den Seiten 3-4) angeführt. Beweis:
ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers ZV Mag. Christian Zickbauer, Klubdirektor, p.A. Grüner Klub im Wiener Rathaus, Rathaus, 1082 Wien
Mit Bescheid vom 28.01.2010 untersagte die Erstbehörde die Versammlung unter Berufung auf §§ 6 und 7 VersG. Beweis:
Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28.01.2010, Beilage ./D
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid am 03.02.2010 Berufung. Über diese entschied die belangte Behörde mit ihrem gegenständlich bekämpften Bescheid vom 07.05.2010 in der Weise, daß der Berufung nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Erstbehörde bestätigt wurde.
II. Beschwerdepunkte: Durch den gegenständlich bekämpften Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrecht gemäß Artikel
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12 StGG und Artikel 11 EMRK verletzt; der Bescheid wird daher unter Berufung auf Art. 144 B-VG angefochten.
III. Beschwerdegründe 1. Nichtvorliegen des Untersagungsgrundes des § 7 VersammlungsG Die Erstbehörde begründet die Untersagung der Versammlung unter anderem mit der Verletzung der Bannmeile rund um das Parlament, die gemäß § 7 VersG während Nationalratssitzungen 300 Meter beträgt. Um den diesbezüglichen Bedenken der Erstbehörde Rechnung zu tragen hat jedoch der Vertreter des Beschwerdeführers anläßlich der Verhandlung am 27.01.2010 eine Routenänderung bekannt gegeben, die Erstbehörde hat dies auch zur Kenntnis genommen (mit den Worten „Können wir dann machen. Gerne.“, Beilage ./C) und selbst in ihrem Bescheid (auf Seite 5, unpaginiert) angeführt. Auch im Bescheid der belangten Behörde wird diese Bekanntgabe der Routenänderung nochmals angeführt (auf den Seiten 3-4). Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann ein verfahrenseinleitender Antrag (in diesem Fall die Versammlungsanzeige) in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, soweit dadurch die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht sogar eine Verpflichtung der Behörde, dem/der AntragstellerIn Änderungen nahe zu legen, wenn dadurch ein Grund für die Abweisung des Ansuchens beseitigt werden kann (z.B. VwGH 17.8.2000, 99/12/0164; 20.6.2002, 2000/06/0204; siehe auch Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 111f.). Die Änderung der Route wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers klar als Abänderung der ursprünglichen Versammlungsanzeige gemäß §13 Abs 8 AVG bekannt gegeben, sie bewirkte keinesfalls eine Änderung der Sache ihrem Wesen nach und begründete auch keine andere sachliche oder örtliche Zuständigkeit und war somit zulässig. Das von der Erstbehörde in ihrem Bescheid für eine „positive“ Erledigung nahegelegte Erfordernis, das Anbringen überhaupt „zurückzuziehen“, ist in diesem Zusammenhang gänzlich unverständlich.
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Wäre die Erstbehörde allerdings der Ansicht gewesen, die Änderung der Versammlungsanzeige hätte in schriftlicher Form zu erfolgen gehabt (darin in Übereinstimmung mit VfGH 30.09.2008, B663/08), so wäre sie jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, den Vertreter des Beschwerdeführers gemäß § 13a AVG zu einem entsprechenden Vorgehen anzuleiten. Die Erstbehörde hat dies jedoch nicht bloß verabsäumt, sondern durch ihr Verhalten und insbesondere durch die Protokollierung seines Vorbringens beim Vertreter des Beschwerdeführers vielmehr den
Eindruck
erweckt,
sie
habe
seine
Bekanntgabe
der
Änderung
des
ursprünglichen Anbringens demgemäß zur Kenntnis genommen. Die Erstbehörde legte sodann ihrer Entscheidung die ursprüngliche Route zugrunde. Als Begründung für diese Vorgangsweise führte sie an, der Vertreter des Beschwerdeführers
habe
zwar
eine
Alternativroute
„vorgeschlagen“,
die
Versammlungsanzeige aber „letztlich nicht zurück [gezogen]“ (Seite 5, unpaginiert, des Bescheides der Erstbehörde), weshalb diese „noch als aufrecht anzusehen“ (ebenda) gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die mündlich zu Protokoll gegebene Änderung des ursprünglichen Anbringens unwirksam gewesen sei, so wäre dies allein auf den Verfahrensmangel der fehlenden, ja nachgerade irreführenden Anleitung zurückzuführen: Die Erstbehörde hatte – in voller Kenntnis seiner Intention – beim Vertreter des Beschwerdeführers den irreführenden Eindruck erweckt, er habe alles zu seiner Rechtsverfolgung Nötige getan: „Georg Prack: Ich möchte noch festhalten, dass wir eine verkürzte Alternativroute, die nicht durch die Bannmeile geht, vorschlagen, die so aussieht, dass man am Christian-Broda-Platz losgeht, über die Mariahilfer Straße, Babenberger Ring, Burgring bis zum Burgtour, bis dorthin wo die Bannmeile nicht berührt wird. Hofrat Dr. Haberl: Können wir dann machen. Gerne.“ (Aktennotiz, Beilage ./C)
Beweis:
ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers ZV Mag. Christian Zickbauer, Klubdirektor, p.A. Grüner Klub im Wiener Rathaus, Rathaus, 1082 Wien Aktennotiz – Verhandlung über die Versammlung 29. 01. 2010, Beilage ./C
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Die belangte Behörde ignoriert in ihrer Berufungsentscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der erfolgten Änderung der Versammlungsanzeige völlig und setzt sich mit der daraus jedenfalls ableitbaren Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht auseinander. Sie stellt in ihrem Bescheid bloß – vorwurfsvoll – fest: „Die
Erstbehörde
hatte
zwar
vor,
mit
der
Berufungswerberin
gemeinsam
einen
Alternativvorschlag zu diskutieren, die Berufungswerberin bzw. ihr Vetreter lehnte diesen Vorschlag jedoch ab.“ (Seiten 6-7)
Der „Alternativvorschlag“ der Erstbehörde war auf eine „Standkundgebung am Christian-Broda-Platz“ (Seite 4, unpaginiert, des Bescheides der Erstbehörde) – also auf eine gänzlich andere Form der Versammlung – gerichtet. Der Vertreter des Beschwerdeführers lehnte zwar diesen Vorschlag ab, da er ihn als dem Zweck der Versammlung und den Intentionen des Veranstalters unangemessen beurteilte, nicht jedoch eine Diskussion mit der Erstbehörde über die Routenführung. Als Ergebnis dieser Diskussion brachte der Vertreter des Beschwerdeführers schließlich die geänderte Routenführung wie bereits angeführt vor. Die belangte Behörde führt in ihrer Entscheidung aus, daß die Erstbehörde „nicht berechtigt [gewesen sei], von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern, zu modifizieren oder zu konkretisieren. Sie hatte die Versammlung – wie sie angezeigt wurde – entweder zur Gänze zu untersagen oder zur Gänze nicht zu untersagen.“ (Seite 6, unten)
Diese rechtliche Beurteilung ist zwar für sich genommen zutreffend. Die Berufungsentscheidung läßt jedoch unberücksichtigt, daß von der Erstbehörde gar nicht verlangt war, „von sich aus“ die Versammlungsanzeige zu ändern. Sie wäre hingegen, wie die belangte Behörde im zweiten Satz an sich ebenfalls richtig feststellt, verpflichtet gewesen, entweder die Versammlung „wie sie angezeigt wurde“ zu beurteilen, also ihrer Entscheidung die seitens des Beschwerdeführers geänderte Versammlungsanzeige zugrunde zu legen oder – falls sie für eine Änderung der Versammlungsanzeige die Schriftform für erforderlich gehalten hätte und in Kenntnis der darauf gerichteten Absicht des Beschwerdeführers – den Vertreter des Beschwerdeführers dementsprechend anzuleiten.
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Stattdessen wurde jedoch dem Vertreter des Beschwerdeführers die folgende, mindestens inkonsistente und jedenfalls irreführende, Rechtsbelehrung bzw. Anleitung erteilt: „Hofrat Dr. Haberl: […] Ich kann nicht mehr dazu sagen. Das sind die Fakten. Wenn Sie damit einverstanden sind – mit der Standkundgebung – soll es uns recht sein, wenn nicht, dann müssen wir untersagen. So ist es. Dann machen wir eine Niederschrift, da können Sie das alles anführen, weil es hat keinen Sinn das jetzt zu sagen, das verpufft irgendwie. Sie wollen ihre Argumente ja im Akt haben, das können wir dann gerne oben machen. Da können Sie mir ihre Stellungnahme dazu diktieren, oder wie auch immer. Das werden wir im Bescheid vermerken.“ (Aktennotiz, Beilage ./C)
Beweis:
ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers ZV Mag. Christian Zickbauer, Klubdirektor, p.A. Grüner Klub im Wiener Rathaus, Rathaus, 1082 Wien Aktennotiz – Verhandlung über die Versammlung 29. 01. 2010, Beilage ./C
Daß die Erstbehörde bei ihrer Entscheidung aufgrund grober Verfahrensmängel und letztlich willkürlich von der ursprünglich genannten Route ausgegangen ist, läßt die belangte Behörde in ihrer Berufungsentscheidung gänzlich außer Acht. Sie belastet so auch ihre Entscheidung mit einer in die Verfassungssphäre reichenden Rechtswidrigkeit. 2. Mangelhafte Feststellung und rechtliche Beurteilung des Sachverhalts hinsichtlich des Untersagungsgrundes des § 6 VersammlungsG Die Erstbehörde ging in ihrem Bescheid weiters davon aus, daß die angezeigte Versammlung eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dargestellt hätte und daher zu untersagen gewesen sei (§ 6 VersG). Diese Auffassung der Erstbehörde beruht auf einer falschen Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts. Die Erstbehörde führte an, daß unter anderem „wegen der teils unverhohlenen Gewaltaufrufe im Internet“ mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ auch anläßlich des diesjährigen „WKR-Balls“ mit „Ausschreitungen von gewaltbereiten
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DemonstrantInnen zu rechnen“ gewesen sei (Seite 4, unpaginiert, ihres Bescheides, Beilage ./D). Als Beweis dafür führte die Erstbehörde einen Weblink zu einem Aufruftext an (http://nowkr.wordpress.com/aufrufe/#deutsch) und beschrieb die Gestaltung der auf Plakaten und Flugblättern verwendeten Illustrationen. Der angeführte Weblink enthielt jedoch keineswegs irgendwelche Aufrufe zur Gewalt, sondern lediglich Informationen und politische Beurteilungen zu den durchwegs „schlagenden“
Burschenschaften,
die
am
Ball
zu
erwarten
waren,
sowie
grundsätzliche Informationen zur Veranstaltung. Die von der Erstbehörde zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogene Illustration, die unter dem Titel „En Garde!“ auf einem Degen aufgespießte Burschenschafter-Mützen darstellt, wäre bei einigermaßen verständiger Interpretation – ebenso wie das Motto „WKR-Ball anfechten!“ – als ironische Bezugnahme auf die in „schlagenden“ Burschenschaften ausgeübten Rituale (die allenfalls ihrerseits als gewalttätig qualifiziert werden können) und jedenfalls nicht als Gewaltaufruf zu verstehen gewesen. Die unter dem von der Erstbehörde angeführten Weblink auffindbaren Dokumente entsprachen somit keineswegs der Beurteilung als „unverhohlene Gewaltaufrufe im Internet“. Beweise: Ausdruck des Aufrufes „En Garde! WKR-Ball anfechten!“ von der von der Erstbehörde angeführten Website (http://nowkr.wordpress.com/), Beilage ./E Ausdruck der von der Erstbehörde angeführten Illustration mit den „aufgespießten Burschenschafter-Mützen“, Beilage ./F Bei der Darstellung von Protestkundgebungen gegen den „WKR-Ball“ in den vorangegangenen Jahren (2008 und 2009) wird von der Erstbehörde ungenügend zwischen Versammlungen, die vom Beschwerdeführer angemeldet wurden, und solchen, die nicht vom Beschwerdeführer zu verantworten waren, unterschieden: Die im Bescheid der Erstbehörde als besonders „gewalttätig“ dargestellte Kundgebung des Jahres 2008 wurde gerade nicht vom Beschwerdeführer angemeldet und ist ihm daher in keiner Weise zurechenbar. Für die vom Beschwerdeführer angemeldete Versammlung des Jahres 2009 gesteht er selbst zu, daß es kurz vor der Auflösung zu kleineren „Zwischenfällen“ gekommen war. Der Beschwerdeführer bemühte sich dabei, mäßigend auf die Teilnehmer einzuwirken. Hinsichtlich der Sicherheit der Ballbesucher stellt die Erstbehörde selbst fest, daß diese durch die „massive
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Polizeipräsenz“ sichergestellt werden konnte (Seite 3, unpaginiert, ihres Bescheides, Beilage ./D). ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers
Beweis:
ZV Lukas Wurz, Sozialreferent, p.A. Der Grüne Klub im Parlament, Parlament, 1017 Wien Für die Prognose, „daß genau diese Gewaltexzesse am 29.01.2010 wiederum passieren werden“, eigneten sich die angeführten „im Internet grassierenden Aufrufe“ und höchst
ungenauen Schilderungen unterschiedlicher Kundgebungen
der
vorangegangenen Jahre einschließlich der daran geknüpften, noch ungenaueren Beurteilungen der Erstbehörde keineswegs. Die von der Erstbehörde behauptete „sorgfältige Abwägung der Interessen“ des Beschwerdeführers ist im Hinblick auf die von ihr angeführten Gründe nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer stellte statt der behaupteten „sorgfältigen Abwägung“ vielmehr eine gewisse Voreingenommenheit der Erstbehörde fest: Bereits anläßlich der Verhandlung mit der Erstbehörde am 27.01.2010 gab deren Vertreter zu verstehen,
daß
aufgrund
von
internen
Vorgaben
grundsätzlich
nur
eine
Standkundgebung in sehr großer Entfernung zum „WKR-Ball“, keinesfalls aber ein „Marsch“ zum Thema der Versammlung und/oder aufgrund einer Anmeldung des Beschwerdeführers (völlig ungeachtet der beabsichtigten Route) zugelassen würde. Die folgenden Äußerungen des Vertreters der Erstbehörde bringen diese voreingenommene Haltung sehr deutlich zum Ausdruck: „Ich kann nicht mehr sagen. Meine Vorgaben sind so und die Behörde sieht das so.“ „Ich kann nicht mehr dazu sagen. Das sind die Fakten. Wenn Sie damit einverstanden sind – mit der Standkundgebung – soll es uns recht sein, wenn nicht, dann müssen wir untersagen. So ist es.“
Beweis:
ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers ZV Mag. Christian Zickbauer, Klubdirektor, p.A. Grüner Klub im Wiener Rathaus, Rathaus, 1082 Wien Aktennotiz – Verhandlung über die Versammlung 29. 01. 2010, Beilage ./C
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Das Verhalten der Erstbehörde gegenüber dem Beschwerdeführer spricht dafür, daß sie keineswegs bemüht war eine objektive Interessensabwägung im Sinne des Art. 11 EMRK vorzunehmen, sondern aufgrund von internen Vorgaben ohne genaue Prüfung der konkreten Umstände die Versammlung untersagte. Die
belangte
Behörde
griff
in
ihrer
Berufungsentscheidung
lediglich
die
unzutreffenden Feststellungen und Annahmen der Erstbehörde auf, ohne auf die vom Beschwerdeführer in der Berufung dagegen vorgebrachten Einwände einzugehen. Auch die belangte Behörde nimmt in ihrer Entscheidung keine ausreichende Interessenabwägung im Hinblick auf Art. 11 EMRK vor: Insbesondere befaßt sich auch die belangte Behörde in keiner Weise mit der Frage, inwieweit die von der Erstbehörde für die vorangegangenen Jahre festgestellten „Vorfälle“ rund um den Ball des „Wiener Korporationsrings“ in Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer oder von ihm angemeldeten Versammlungen gestanden haben. Die belangte Behörde zitiert lediglich die sehr vage Feststellung des Bescheides der Erstbehörde: „Diese Veranstaltung sei bereits in den Jahren 2008 und 2009 Ziel massiver Proteste seitens des linken und linksextermen Lagers gewesen, wobei es in beiden Jahren zu zahlreichen Sachbeschädigungen und Ausschreitungen gekommen sei.“ (Seite 2, Mitte)
Aus dem Umstand, daß in vorangegangenen Jahren „massive Proteste“ eines nicht näher bezeichneten „linken und linksextremen Lagers“ stattgefunden hatten, konnte aber keinerlei Prognose im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer angezeigte Versammlung gewonnen werden. Wäre dies der Fall, dann müßte aus der Feststellung, daß überhaupt zu irgend einer Zeit eine von irgend jemandem durchgeführte Versammlung zu einem bestimmten Thema oder aus einem bestimmten Anlaß gewalttätig verlaufen ist, die Untersagung jeder künftigen Versammlung zum selben Thema oder aus dem selben Anlaß abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer hatte dagegen bereits anläßlich seines Gespräches mit der Erstbehörde am 27.01.2010 deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihm an einer friedlichen und geordneten Durchführung der Versammlung und der Hintanhaltung auch für ihn nicht wünschenswerter Beeinträchtigungen der „öffentlichen Sicherheit“
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gelegen war. Dies wird auch in den Bescheiden der Erstbehörde und der belangten Behörde zitiert: „Eine angemeldete Kundgebung ist weit eher dazu angetan die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten als etwaige durch die Untersagung verursachte Spontankundgebungen.“ (Seite 5, unpaginiert, des Bescheides der Erstbehörde, Beilage ./D)
Der Vertreter des Beschwerdeführers war – entgegen der vorwurfsvollen Anmerkung der belangten Behörde in ihrer Berufungsentscheidung – auch bereit, bei der Festlegung der Route über die Berücksichtigung der „Bannmeile“ um den Tagungsort des Nationalrates hinaus auf allfällige Sicherheitserwägungen der Erstbehörde einzugehen. Deren Vertreter stellte sich jedoch auf den – absurden – Standpunkt, daß jegliche Versammlung, die über eine „Standkundgebung“ hinausginge aus „Sicherheitsgründen“ zu untersagen sein werde: „Christian Zickbauer: Aber spricht etwas gegen eine Demoroute, eine verkürzte, nur auf der Mariahilfer Straße? Hofrat Dr. Haberl: Es geht kein Marsch. Georg Prack: Rechtlich meinen wir, nicht im Sinne von: Sie sagen, das geht nicht. Hofrat Dr. Haberl: Ich hab gerade gesagt: Aus Sicherheitsgründen.“ (Aktennotiz, Beilage ./C)
Beweis:
ZV Georg Prack, p.A. des Beschwerdeführers ZV Mag. Christian Zickbauer, Klubdirektor, p.A. Grüner Klub im Wiener Rathaus, Rathaus, 1082 Wien Aktennotiz – Verhandlung über die Versammlung 29. 01. 2010, Beilage ./C
Insgesamt entsteht der Eindruck, daß die Erstbehörde a priori nicht geneigt war, Versammlungen zum Zwecke des Protestes gegen den Ball des „Wiener Korporationsrings“ zuzulassen bzw. allenfalls nur als möglichst unauffällige „Standkundgebung“ in so großer Entfernung von der Veranstaltung, gegen deren politischen Charakter sich der Protest richten sollte, daß ein Zusammenhang zum Gegenstand des Protestes für das Publikum kaum noch wahrnehmbar gewesen wäre. Das gesamte Verhalten der Erstbehörde weist darauf hin, daß sie die vom Beschwerdeführer angezeigte Versammlung allein aufgrund vorgefaßter Absichten
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und nicht aufgrund einer Abwägung der in Betracht kommenden öffentlichen Interessen untersagte. Würde man annehmen, daß diese Art der Entscheidungsfindung den Maßstäben des Art. 11 EMRK genügte, dann hätte dies zur Folge, daß Protestversammlungen gegen politsche Veranstaltungen bzw. Veranstaltungen, denen ein politischer Charakter beigemessen wird, grundsätzlich zu untersagen bzw. nur in einer kaum wahrnehmbaren Form zuzulassen wären, da die „Sicherheitserwägungen“ der Erstbehörde, welche von der belangten Behörde völlig unkritisch wiederholt werden, letzlich bloß darauf hinauslaufen, daß die Abhaltung einer Veranstaltung politischen Charakters die Durchführung einer Versammlung gegensätzlichen politischen Charakters zur selben Zeit in für das Publikum wahrnehmbarer räumlicher Nähe grundsätzlich ausschließt. Art. 11 EMRK verlangt von den staatlichen Behörden aber keineswegs, grundsätzlich die Abhaltung politisch konkurrierender Versammlungen aus „Sicherheitsgründen“ zu verbieten. Die Behörden sind vielmehr dazu verpflichtet, das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit einerseits sowie das Interesse an der Gewährleistung der Versammlungsfreiheit aller Versammlungswilligen andererseits nicht nur im Hinblick auf eine Untersagung der einen oder der anderen Versammlung zu erwägen, sondern vielmehr auch zur Erfüllung dieser öffentlichen Interessen aktiv beizutragen: Im konkreten Fall wären die Behörden verpflichtet gewesen, auch die Möglichkeit zu prüfen, für die Ermöglichung der friedlichen und geordneten Durchführung sowohl des „WKR-Balls“ als auch der Protestkundgebung gegen diesen und für den Schutz der Teilnehmer beider Versammlungen – etwa durch geeignete polizeiliche Maßnahmen wie zB Absperrungen – Vorsorge zu treffen. Es ist nicht erkennbar, daß die Erstbehörde oder die belangte Behörde eine derartige Prüfung vorgenommen und in ihre Entscheidung einbezogen hätte. Die belangte Behörde belastet durch die ungenügende Prüfung der Entscheidung der Erstbehörde auch ihren Bescheid mit einer in die Verfassungssphäre reichenden Rechtswidrigkeit. Aufgrund des Ausgestaltungsvorbehaltes des Art. 12 StGG verletzt jede unrichtige Gesetzesanwendung, aber auch ein magelhaftes Verfahren, die Versammlungsfreiheit (Lenzhofer in Heissl [Hg.], Handbuch Menschenrechte, Rz 16/22, mwN).
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Der Beschwerdeführer stellt sohin die A N T R Ä G E, der Verfassungsgerichtshof möge 1. den angefochtenen Bescheid wegen der Verletzung des Beschwerdeführers in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht aufheben sowie 2. dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen (Schriftsatzaufwand und Gebühren) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution auftragen GRAS - Grüne & Alternative StudentInnen Wien Kostenverzeichnis: Schriftsatzaufwand
EUR 2.000,00
20 % USt
EUR
400,00
Eingabegebühr
EUR
220,00
EUR 2.620,00