IMPULS GRÜN Nr. 81 / P.b.b. - 02Z034253 M - 8010 Graz
AUSGABE #01 / SEPTEMBER 2010 KOSTENLOS!
Widerständig & Lebendig • Periodicum der GRAS Graz.
ÖH auf GRAS
Rückblick auf ein Jah r Arbeit in der haft österreichischen HochschülerInnensc
Bild dir was ein
spolitik Das Dilemma der gegenwä rtigen Bildung
Spreng die gläserne Decke
höheren Unisphären Über die Benachteiligung von Frauen in
Gesellschaft geht uns alle an
tischen Verhältn isse Ana lyse & Kritik der gesellschaftspoli
© JÖRG VOGELTANZ
CONTENT ÖH auf GRAS & Universitäres 04 05 06 07 08 09
ÖH - Referate Grazer Vorsitzteam Bundesvertretung Salzburg & Wien Medizinische Uni Technische Uni
Bild dir was ein 10 Unternehmen Universität 11 Wir haben nichts zu verlieren als unsere Kettenverträge!
12 Bildung, um zu (über-)leben 13 Uni Graz gehört uns!
femGRAS 14 Dicke Decke 15 Frauenrechte und ihre Umsetzung
GRAS andersrum 16 Gleichgeschlechtliche
PartnerInnenschaften
Analyse & Kritik 17 „Genug ist genug!“...und weiter?? 18 Arbeitsfetischismus, Einfaltspinselei
19 Universität und Rechtsextremismus
Gesellschaft & Politik
EDITORIAL
WIDERSTÄNDIG & LEBENDIG Es ist vollbracht! Hier ist es nun, das erste GRASgeflüster – voll gepackt mit Gesellschaftskritik und Informationen über HochschülerInnenschaft und Universität. Kein Blatt wird vor den Mund genommen bei der Schilderung der momentanen Bildungspolitik oder besorgniserregenden gesellschaftlichen Tendenzen. Ein wichtiges Anliegen bildet das Aufzeigen des Zusammenhangs zwischen Universität und Gesellschaft. Das Eine ist ohne dem Anderen nicht denkbar. Dies zeigt sich im ökonomischen Verwertbarkeitswahn wie auch in der Situation von Frauen oder beim Umgang mit Menschen, die nicht der „Norm“ entsprechen. Die Vielfältigkeit der Themen entspricht auch die Vielfalt der Schreiberlinge, so spannt sich der Bogen von wissenschaftlich bis journalistischen Gastbeiträgen bis hin zu Kommentaren von GRAS-AktivistInnen. Auch sind wir nicht nur in Graz geblieben, so könnt ihr auch lesen was momentan in Salzburg und Wien oder auch auf Bundesebene los ist. In diesem Sinne – viel Spass beim Lesen :-)
20 Öffentlicher Raum, No Future 21 Ein Paradies – für Menschenhändler
22 Werner Kogler im Gespräch
PROBIER MAL GRAS
IMPRESSUM GRASgeflüster ist die Informationszeitung der Grünen & Alternativen StudentInnen Graz. Medieninhaber, Herausgeber, Verleger Die Grünen Steiermark, Jungferngasse 3/1, 8010 Graz. Im Auftrag von Grüne & Alternative StudentInnen Graz, Paulustorgasse 3, 8010 Graz Mail kfu@gras.at Web http://graz.gras.at Erscheinungsort Graz Druck Universitätsdruckerei Klampfer GmbH St. Ruprecht/Raab. Vertrieb Österreichische Post AG. Redaktion David Kriebernegg, Evelyn Knappitsch Layout & Gestaltung Arno Bauer (www.bueroalerta.com) Karikatur auf Seite 2 Jörg Vogeltanz Fotos Grüne & Alternative StudentInnen, #unibrennt, Arno Bauer, www.flickr.com Lektorat Christian Vajda AutorInnen dieser Ausgabe Bettina Pint, Birgit Ungerböck, Cengiz Kulac, Christian Vajda, David Kriebernegg, Edith Zitz, Evelyn Knappitsch, Flora Eder, Florian Ungerböck, Gerald Kuhn, Heribert Schiedel, Jacqueline Vlay, Judith Fitz, MarieTherese Fleischhacker, Mary Kreutzer, Oliver Thomas, Olivia Kieser, Rosa Nentwich-Bouchal, Sigrid Maurer, Tatjana Markl, Thomas Schmidinger, Tobias Schweiger.
Die GRAS, also, ja, GRAS, Grü ne & Altern ative Stu dentIn nen und so … Und son st? Sind wir wirklic h alle vegan, idea list isch , cha otisch, les-bi-schw ul, BasiswapplerI nnen, krit isch, frech, dauer-k iffend, bau mschmusend, ana rch isti sch, ren itent, pseudo intellek tuell, utopist isch , sta atsverweigernd und Wale-in s-Meer-zu rück-R ollerIn nen? Ja natürlich... oder auc h nicht – wir legen Wer t auf Querköpfe und Mei nun gsv ielfalt! Doch ein e Basis mu ss auch sein und so verstehen wir uns als basisdemok rati sch, fem inistisch, ökologi sch nachha ltig, ant ifaschi stis ch und ant irassist isch, alternativ, solidar isch, system krit isch, weltoff en und lebensf roh. So, genug der Aufzäh lun gen! Wen n du meh r über GRA S wissen möchtest, so sch reib ein fach eine Em ail an kfu@gras.at ode r besuch die Homepa ges – http://g raz.gra s.at bzw . ww w.g ras.at :-)
ÖH AUF GRAS
REFERAT FÜR AUSLÄNDISCHE STUDIERENDE
EINE ZWISCHENBILANZ Von Judith Fitz
ALTERNATIVREFERAT Von Olivia Kieser Das Beschreiben unseres Referats in wenigen Zeilen fällt mir (sehr) schwer, da so viele Dinge mit hineinspielen. So haben wir für das nächste Jahr schon haufenweise Ideen und da einige von uns aufgrund eines Auslandsaufenthalten leider nicht mehr dabei sein können, freuen wir uns über dich, wenn du mitmachen möchtest! Im Zuge des letzten Jahres haben wir mehrere Veranstaltungen zur §278a-ff Thematik organisiert, unter anderem einen Vortrag des Hauptangeklagten des Tierschutzprozesses DDr. Martin Balluch oder zuletzt eine Podiumsdiskussion anlässlich der geplanten Novellierung des Terrorismuspräventionsgesetzes, die nun auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Mit dem Veganen Kochkurs wollten wir nicht nur vermitteln, dass diese Lebensweise kein reines Karottenessen ist, sondern auch Sensibilität für Konsumverhalten wecken. Wenn ich einkaufe, trage ich Verantwortung, auch wenn die dreckigen Seiten nicht auf der Verpackung beschrieben stehen. Aus demselben Grund haben wir auch den Film Plastic Planet gezeigt und mit unserem Vortrag zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ wollten wir eine Diskussion starten, dass unser jetziges Gesellschaftsmodell nicht das endgültige ist. Natürlich haben wir im Jahr von Cop 15 auch mehrere sehr unterschiedliche Veranstaltungen zum Thema Klimawandel organisiert. Aber unsere weiteren Veranstaltungen könnt ihr gerne auf der ÖHHomepage nachlesen! Olivia Kieser studiert Jus und Philosophie. Seit Sommer 2009 ist sie Referentin für Menschenrechte, Ökologie und Gesellschaftspolitik.
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grasgeflüster
Seit Juni 2009 bin ich Referentin für ausländische Studierende an der ÖH Uni Graz. Die Motivation dafür war, dass ich es ungerecht und inakzeptabel finde, wenn ausländische Studierende mehr als ein halbes Jahr darauf warten müssen, bis ihr Antrag auf Zulassung zum Studium bearbeitet wird und auch kaum finanzielle Unterstützung bekommen. Außerdem finde ich die österreichische Einwanderungs- insbesondere Asylpolitik unerträglich. Jegliche Art von Rassismus muss meines Erachtens aufgezeigt und bekämpft werden. Das Referat für ausländische Studierende organisiert jedes Semester Projekte, um die finanzielle Lage dieser Studierenden zu entschärfen. So z.B. das Freitischprojekt, bei dem Studierende Essensgutscheine erhalten können. Die Anträge dazu sind in unseren wöchentlichen Sprechstunden auf der ÖH erhältlich. Des Weiteren findet ab Oktober 2010 ein Tutorium für ausländische Studierende statt, das den Studienbeginn erleichtern soll. Schwerpunkte unserer Tätigkeit sind auch regelmäßige Veranstaltungen zu Rassismus oder zum Fremdenrecht, die Studierende für diese Themen sensibilisieren soll. So veranstalteten wir beispielsweise anlässlich der Asylgesetzesnovelle 2009 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Flucht ist kein Verbrechen“. Weiters gab es in Zusammenarbeit mit den Vereinen ZARA und XENOS Workshops zu den Themen Zivilcourage und Rassismus. Auch die Gründung des Uni Graz Debattierklubs haben wir initiiert, sodass im Mai 2010 das erste Treffen stattfinden konnte. Ziel ist, die Argumentations- und Rhetorikfähigkeiten aller Teilnehmer*innen zu trainieren und dabei zu verschiedensten gesellschaftspolitischen Themen zu diskutieren. Für Wünsche, Kritik, Vorschläge und auch neue Mitarbeiter*innen sind wir immer offen und freuen uns! Judith Fitz studiert Jus. Seit Sommer 2009 ist sie Referentin für ausländische Studierende.
PRESSEREFERAT Von Bettina Pint Ich habe im Sommer 2010 das Pressereferat übernommen, nachdem ich im Studienjahr 09/10 dort als Sachbearbeiterin tätig war. Ich hatte schon damals Freude an meiner Arbeit und möchte mich nun noch stärker einbringen und ein paar Dinge verändern. Das betrifft vor allem die „Libelle“, die, vor allem auf die ÖH bezogen, informativer und vielseitiger gestaltet werden soll. Vor allem liegt es mir jedoch am Herzen, dass die „Libelle“ eine weltoffene und (gesellschafts-)kritische Zeitung bleiben soll. Es sollen weiterhin aktuelle Themen in ihren verschiedenen Aspekten auf bereitet und diskutiert werden. Doch das Schreiben der Artikel ist natürlich nicht nur dem Presseteam vorbehalten, im Gegenteil: Wir freuen uns über jedeN, der/die Interesse hat, einen (oder auch mehrere) Artikel für die „Libelle“ zu schreiben. So wird es etwa einmal im Monat ein öffentliches Pressetreffen geben, wo unter anderem die Themengebiete für die jeweils zukünftige Ausgabe beschlossen werden und, da öffentlich, auch jedeR willkommen ist. Zudem können Einladungen und Berichte zu und über Veranstaltungen in der „Libelle“ veröffentlicht werden. Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass der Informationsfluss zwischen den Studierenden und der ÖH optimal funktioniert. So übernimmt das Presseteam in Zukunft unter anderem die Verantwortung über den ÖH-Newsletter und die Aktualisierung der ÖH-Homepage. Ich werde mein Bestes geben und freue mich schon auf das kommende Studienjahr! Bettina Pint studiert Germanistik und ist seit Mai 2010 Pressereferentin.
ÖH AUF GRAS
MEHR LEHRENDE AN DER UNIVERSITÄT Im Rahmen der Studieren denproteste konnte erreicht we rden, dass mehr universitäre Mit tel in der Gesamtsumme von ca. 2,7 Millionen Euro ins Lehrpe rsonal fließen – speziell in BWL, Translationswissenschaften, Geogr aphie und Germanistik.
BARRIEREFREI STUDIER EN „www.barrierefrei-studieren .at“ ist eine Plattform um Studieren de mit Behinderung einfach, tran sparent und vor allem zentral über barrierefreie Zugänge zu Hörsä len, Lernunterlagen oder finan zieller Hilfe zu informieren. Besonderer Dank gilt dem Referat für Mensc hen mit Behinderung.
GRAS STATT GRAUEN Ein Jahr grünalternative Politik an der ÖH-UNI Graz Rückblick aus dem Vorsitz-Team Nach der letzten ÖH Wahl übernahm im Juli 2009 die Koalition aus GRAS und VSStÖ das Ruder an der ÖH-Uni Graz. Die Bedingungen zum Zeitpunkt der Übernahme waren schwierig, Umstrukturierungen innerhalb der ÖH längst überfällig – und dann kam der heiße Herbst! Schon im Sommer wurde Kritik an der Hochschulpolitik, der Universitätsgesetzesnovelle 2009, der chronischen Unterfinanzierung der Universitäten, der rigiden Unbeweglichkeit des ÖVP- Wissenschaftsministeriums und deren anti-demokratischer Haltung gegenüber Studierenden laut. Ausgehend von der noch kleinen Flamme des Unmuts und der Unzufriedenheit, entwickelte sich im Oktober 2009 daraus ein regelrechtes Feuer, das sämtliche Universitäten in Brand steckte. #unibrennt war also geboren – Die Uni-Brennt Bewegung wurde zum Synonym für den bildungspolitischen Widerstand. Studierende und solidarische Lehrende, die sogenannten Squatting Teachers, sagten entschieden NEIN! zur Verwirtschaftlichung von Studium und Forschung. Nein, dass Studierende und ProfessorInnen zur „Ware“ werden. Die ÖH Uni Graz und die GRAS waren natürlich mittendrin und unterstützten und förderten die Proteste beträchtlich. Von der Medienarbeit bis hin zur „Volxküche“, der ÖH Druckerei oder schlichtem Know-How in der Uni Politik. Das konnte nur heißen: das Vorsitzteam der ÖH war im Dauereinsatz. Solidarische Grüße und einen wundervollen Start ins neue Semester wünscht das GRAS-Vorsitzteam der ÖH-Uni Graz, Jacqueline Vlay & Cengiz Kulac
WAS WIR GESCHAFFT HABEN BIBLIOTHEKSÖFFNUNGSZEITEN Verlängerung der Bibliotheksöffnungszeiten im RESOWI (8:30 bis 24 Uhr) und am Wall (8:30 bis 18 Uhr).
JOB-WOHNPLATTFORM Etablierung der HP „Campusboard“ (www.campusboard.at). 9 Hier findest Du seit Herbst 200 Stu für bote nge hna Wo und Job ark. ierm Ste und z dentInnen in Gra
AUSSTATTUNG AN DER UNIVERSITÄT Das Infocenter der Universität geht in die Planungsphase. Im en Bereich der Naturwissenschaft ert. ess verb tung stat wird die Aus Zudem werden mehr Arbeitsplät , ffen cha ges e end dier ze für Stu in Bookscanner stehen ab sofort ng. fügu Ver zur n eke den Biblioth mit Außerdem konnte gemeinsam s das , den wer icht erre #unibrennt die alternative Onlinelernplattform Moodle eingesetzt wird.
GESELLSCHAFTSPOL ITIK ES BEWEGT SICH ETWA S Unterstützt wurden Projek te wie Elevate, AntiRa-Hotline der Helping Hands, Symposium „5 vor 12“ zum Thema Rechtsextrem ismus, Frauen.Frühlings.Uni ode r die Teilnahme am Make-Capita lismHistory Congress in Berlin . Das LesBiSchwulen Referat feie rte das zehnjährige Jubiläum. Dieses Referat bietet gleichgeschl echtlichl(i)ebenden Studierenden Unterstützung an. Damit leistet die ÖH und das genannte Refera t gesellschaftspolitische Pionierarb eit! Zahlreiche Veranstaltungen fanden zum Thema Antirepressi on und Antiterrorgesetze im Alte rnativreferat statt. ANTIFASCHISMUS ÖH GEGEN RECHTS Unterstützung zahlreiche r antifaschistischer und antirassis tischer Aktionen wie beispielswe ise die „NO-WKR Ball“-Demo im Jänner 2010 zusammen mit ÖH-W ien. Wir fördern aktiv das Antifa sch sche Bewusstsein in Österr istieich, sei es durch Aktionen, Geden ken oder wissenschaftlichen Ausei nandersetzungen wie ihr anhand unserer Aussendung zur 65-jährige n Befreiung des Vernichtungs - und Konzentrationslagers Ausch witz erkennen könnt.
Jacqueline Vlay ist 2. stellvertretende Vorsitzende der ÖH-Uni Graz und studiert das Leben, die Menschen und Rechtswissenschaften.
Cengiz Kulac ist seit Sommer 2009 Vorsitzender der ÖH-Uni Graz und studiert Rechtswissenschaften.
grasgeflüster 5
ÖH AUF GRAS
BUNDESVERTRETUNG
14 MONATE GRAS IN DER ÖH BUNDESVERTRETUNG Was wir geschafft und noch vor haben. Von Sigrid Mauerer Im Juli 2009 hat die GRAS die ÖH Bundesvertretung für 2 Jahre übernommen. Nun, kurz nach Halbzeit in der Koalition mit VSStÖ und FEST (Fraktion der FH-Studierenden) wagen wir einen Blick zurück und stellen fest – wir waren ganz schön erfolgreich. Mit unserer Übernahme hatten wir uns vorgenommen, die ÖH wieder sichtbarer zu machen, ihr nach dem Stillstandsjahr der Aktionsgemeinschaft wieder eine laute, kämpferische Stimme zu geben. Durch die Proteste waren Bildungspolitik und die Forderungen der Studierenden ständig Thema, unsere PressesprecherInnen waren im Dauereinsatz. Umso wichtiger war es, der ÖH wieder ein klares Profil zu geben und zu vermitteln, dass wir nicht kompromittierbar sind. Wir absolvierten viele Fernsehauftritte und noch viel mehr Interviews. Wir verbrauchten mehr als doppelt so viele Zeilen für Presseaussendungen als ursprünglich gedacht. Wir haben es geschafft die ÖH wieder zur Playerin in der österreichischen Bildungspolitik zu machen. Ohne die #unibrennt-Bewegung wäre es um einiges schwieriger gewesen, Hochschulpolitik zum Thema zu machen. Es wurde uns
WAS WIR GESCHAFFT HABEN Ausbau der Studien- und Maturant/-Innenberatung
Neues Projekt „studieren probieren“ Kampagne plus Gesetzesvorschlag für mehr Rechte für FH-Studierende
Bildungspolitischer Kongress mit 200 Studis 100.000 Euro Unterstützung für die Proteste
der Studie zur Unterfinanzierung t eck Universitäten aufged Internationaler Kongress zu Bologna
tes Ausbau des Beratungsangebo
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grasgeflüster
oft vorgeworfen dass wir die Proteste nicht initiiert und nicht geleitet haben. Die Bewegung hat eindrucksvoll bewiesen dass das gar nicht nötig ist, es war auch nicht unser Anspruch. Endlich, seit vielen Jahren der Mobilisierungsversuche hat sich die Studierendenschaft von selbst erhoben und die Gesellschaft bildungspolitisch aufgewühlt. Was wäre die Studierendenvertretung auch ohne die Studierenden dahinter? Die Zusammenarbeit zwischen der #unibrennt-Bewegung und der ÖH hat zu augenscheinlicher Hilflosigkeit im Wissenschaftsministerium geführt. Zu behaupten, die ÖH würde Positionen vertreten die die Studierenden nicht teilen war mit dem starken Einsatz der Bewegung widerlegt. Schon während der Proteste, vor allem aber gegen Ende der heißen Protestphase hat sich gezeigt, wie wichtig die institutionalisierte Vertretung der Studierenden ist – all jenen JournalistInnen die die ÖH für tot erklärten zum Trotz. Die ÖH hat eine ÜbersetzerInnenrolle zwischen den Studierenden, der Politik und der Öffentlichkeit. Sie hat gleichzeitig die Aufgabe zu verhandeln, als demokratisch legitimierte Vertretung für die Studierenden zu kämpfen und erste Ansprechperson in Studierendenthemen zu sein. Zudem hat sie – im Verständnis der GRAS – die Aufgabe, für allgemeine gesellschaftliche Interessen der Studierenden einzutreten. All das haben wir im vergangenen Jahr getan. Diesen Kurs werden wir auch im Studienjahr 10/11 fortsetzen. Sigrid Maurer ist seit Sommer 2009 Vorsitzende der ÖH-Bundesvertretung und studiert Politikwissenschaften in Wien.
WAS NOCH KOMMT
Relaunch d er ÖH-Hom epage Projekt Stu dienplattform Bildungspo litischer Ko ngress für 300 Stu dis Schulungsk on 150 Studiere gress für vertreter/-In ndennen Aufbau eine s ischen Poo Studentls Kreditierung für AK en …
REFERAT FÜR INTERNATIONALES
STOCKHOLM, KRAKAU, BRÜSSEL, MADRID, BUKAREST ...oder wohin mich die Arbeit für Studierende geführt hat. Von Marie-Therese Fleischhacker Die Beratung von Studierenden, die im Ausland studieren wollen, sowie die ÖH Broschüre „Studieren im Ausland“ sind zentrale Aufgaben des Referats. Da es oft individuelle Fragen sind mit denen das Referat konfrontiert ist, bieten wir neben persönlicher Beratung auch eine Beratung per Mail und via Skype an. Weiters vertreten wir die Studierenden in Gremien im In- und Ausland, wie in der Europäischen Studierenden Vertretung (ESU). Die Zusammenarbeit mit der ESU ist sehr intensiv, so hatten wir das Vergnügen die European Student Convention im März in Wien zu organisieren. Außerdem ist die ÖH seit Juli in der International Cooperation Working Group (ICWG) der ESU vertreten, um dort an Verbesserungen der Vernetzung mit Studierendenvertretungen außerhalb des europäischen Raumes zu arbeiten. Auf die ruhigen Sommerferien folgt nun ein ereignisreicher Herbst mit vielen interessanten Projekten auf die ihr gespannt sein könnt – ich bin es jedenfalls schon. Marie-Therese Fleischhacker, studiert Jus und Romanistik in Graz und ist seit WS2009/10 Referentin für Internationales der Bundesvertretung.
ÖH AUF GRAS
GRAS WIEN Von ÖH-Team GRAS Wien Die GRAS arbeitet als stimmenstärkste Fraktion an der Uni Wien in einer Koalition mit dem VSSTÖ und dem KSV-LiLi. 2009/2010 konnten wir etliche Projekte verwirklichen – auch wenn zu Beginn unser Augenmerk auf die Studierendenproteste gerichtet war. Dort brachten wir uns monatelang mit viel Engagement, Infrastruktur, Geld und inhaltlichen Diskussionen ein. „Nebenbei“ brachten wir unser „Kopierpickerl-Projekt“ auf Schiene und konnten eine Vergünstigung von rund 4 Euro für StudentInnen der Uni Wien ab Herbst erreichen. 220 Kopien kosten dann über die ÖH nur 10 Euro.
GRAS SALZBURG
DIE ERBSE UNTER DER MATRATZE DER HERRSCHENDEN
zugänglich und frei nutzbar sind. Die Universität investiert über 32.000 Euro in gemütliche Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten. Weitere 385.000 Euro fließen in eine bessere Ausstattung der Bibliotheken und komfortable Sitzgelegenheiten in Gängen und Foyers. Außerdem wird die IT-Infrastruktur verbessert, z.B. die Computerräume und die Ausstattung mit WLAN. Durch diese Maßnahmen wird die Uni zu einem Lebensraum, der nicht nur als reine Ausbildungsstätte dient
Von Tatjana Markl und Elli Piller
UNI:NACHHALTIG
Seit der letzten ÖH Wahl ist die GRAS als stimmen- und mandatsstärkste Fraktion in der Exekutive der ÖH Salzburg. Seither arbeiten GRAS-AktivistInnen im Vorsitz und mehreren Referaten an der Umsetzung unserer bildungs- und gesellschaftspolitischen Forderungen. Mit dem Rückenwind der monatelangen Studierendenproteste von UniBrenntSalzburg konnte die ÖH bereits in der ersten Hälfte der Funktionsperiode wesentliche Erfolge verzeichnen.
Um die Uni Salzburg ökologischer zu gestalten, startete die GRAS das ÖH-Projekt „Uni:Nachhaltig“. Erste Erfolge haben wir unter anderem in der Reduktion des Papieraufkommens in Universität und ÖH, der Ökologisierung des universitären Beschaffenswesens und der Verbesserung der Energieeffizienz in Universitätsgebäuden erreicht. Für unsere Initiative zur Einführung von Fair-TradeKaffee an den Mensen haben wir binnen eines Monats über 800 Unterstützungsunterschriften gesammelt.
FORTENTWICKLUNG DES STUDIENRECHTS Gemeinsam mit UniBrennt-AktivistInnen, dem Rektorat und VertreterInnen des Senats wurden Vorgaben für neue Studienpläne erarbeitet. Kernstück ist ein studentischer Entwurf zur Implementierung einer Studieneingangsund Orientierungsphase, die eine wirksame Orientierungshilfe und größtmögliche Flexibilität im Fall eines Studienwechsels bietet. Darüber hinaus wurden Mindestgrößen für freie Wahlfächer festgelegt, um Studierenden mehr Freiräume im Studium zu geben.
KUNST & KULTUR FÜR DICH! Als ÖH knüpfen wir Kontakte zur regionalen Kunst- und Kulturszene. Bereits jetzt blicken wir auf viele gemeinsame Kooperationsveranstaltungen zurück, etwa das Waldbad-Festival, Kaiviertelfest und diverse Theatervorführungen. Das GRAS-Vorsitzteam an der ÖH-Uni Salzburg besteht aus Tatjana Markl und Elli Piller.
Die beiden anderen großen Projekte waren der Euroenviro-Kongress und unsere Studienreise nach Istanbul. Euroenviro war eine Kooperation mit den HochschülerInnenschaft der Boku, der KF Uni Graz und der ÖH Bundesvertretung. Über 70 TeilnehmerInnen aus über 25 Ländern widmeten sich acht Tage lang mit Workshops, Vorträgen und Exkursionen dem Thema „Sustainable Lifestyle – Ideas for Consumption and Mobility“. Die Istanbul-Reise des Internationalen Referats ging gemeinsam mit rund 40 StudentInnen über eine Woche lang den Themen Minderheiten, Homosexualität und Frauenrechte in der Türkei nach.Für Herbst 2010 ist wieder eine Reise geplant – diesmal nach Koroska/Kärnten mit dem Themenschwerpunkt Kärntner PartisanInnen. Ein kurzer Überblick über unsere anderen Projekte reicht von Filmvorführungen, Lesekreisen und Vorträgen zb. zu feministischen Themen, über ständige Kommunikation und Kämpfen für bessere Studienbedingungen mit der Unileitung, der Organisation von Bussen, die Interessierte kostenlos zu Demonstrationen oder Kongressen zb. Berlin brachten, bis zu Service wie Beratung, Broschüren und Semesterstartkongressen. Darüber hinaus unterstützen wir antifaschistische und feministische Initiativen mit Geld und Infrastruktur – und haben noch lange nicht alles, was geplant war, umgesetzt. So ist bereits für 2010/2011 mit unseren KoalitionspartnerInnen eine interdisziplinäre Ringvorlesung zum Thema „35 Jahre Schwangerschaftsabbruch durch die Fristenlösung“ geplant und wir stellen ein eigenes „HomiesProjekt“ auf die Beine, das ähnlich dem Buddys-Projekt Erasmus-StudentInnen und anderen Personen, die sich in Wien noch nicht so gut zurechtfinden, die Stadt zeigen soll und es darüber hinaus erleichtert, Kontakte zu knüpfen – aber mit politischem Anspruch und ohne sexistischen Parties. Und noch vieles mehr; aber alles können wir ja noch nicht verraten. Die GRAS Wien stellt zusammen mit dem VSSTÖ und dem KSV-LiLi die Koalition an der ÖH-Uni Wien
UNIVERSITÄRE INFRASTRUKTUR Nach Verhandlungen mit dem Rektorat öffnete die Uni mehrere Dachterrassen, einen Innenhof und das Amphitheater, die tagsüber
grasgeflüster 7
ÖH AUF GRAS
WER WIR SIND & WAS WIR TUN
(IM SPEZIELLEN AUF DER ÖH) LISA TARMANN ist 1.Stv. Vorsitzende der ÖH an der MUG, Mitglied des Senates an der MedUni und Mandatarin der GRAS in der Universitätsvertretung der ÖH. ANNA HANSEMANN ist Referentin für Gesellschaftspolitik an der ÖH. MARKUS BAUMGARTNER ist Referent für Bildung und Politik an der ÖH. VERENA LINDEMANN ist Referentin für AusländerInnen und Internationales an der ÖH. CHRISTIAN VAJDA ist Sachbearbeiter im Vorsitzteam der ÖH MUG. Stellvertretender Sprecher der Studienkommission Humanmedizin, UV-Mandatar der GRAS und Mandatar der Studienvertretung Humanmedizin. KONTAKT: gras.meduni-graz@gmx.at WO MAN SICH ÜBER UNS INFORMIEREN KANN: www.medinfograz.net
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grasgeflüster
MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT MEDGRAZ
DIE GRAS MEDGRAZ Von Christian Vajda Wir vertreten die Studierenden der Medizinischen Universität Graz seit Gründung der Universität im Jahre 2004 beinahe ununterbrochen im Vorsitz der HochschülerInnenschaft und diversen Referaten. Ebenso sind wir in den Gremien der Universität gut vertreten – so arbeiten wir im Senat der MUG an vorderster Front und stellen zeitgleich seit nun mehreren Jahren den Stell. Vertretenden Sprecher der Studienkommission Humanmedizin, jenes Gremiums welches den Studienplan der mit Abstand größten Studienrichtung an der MUG beschließt. Neben der Unterstützung der Proteste - ausgehenden von der Audimaxbewegung - schloß sich auch der Senat der MUG aufgrund eines Antrages von uns der Forderung nach einer Besserung der finanziellen Situation an den Universitäten an. Nachdem wir bereits in den letzten Jahren viele Verbesserungen in den Studien durchsetzen konnten und neue Projekte ins Leben riefen (gemeinsame Job und Wohnplattform aller vier ÖHs in Graz, Initiierung des Lehrendenpreises an der MUG, ...) traten wir auch im vergangen Jahr zu den ÖH-Wahlen mit einem 19 Punkte Programm, welches neben unseren grundlegenden Werten und Zielen auch konkrete Verbesserungen und Ideen für unsere Universität und Studien einschloss. Bereits nach dem ersten Jahr in der neuen Exekutive konnten wir - neben vielen anderen Veranstaltungen und Projekten (Zum Beispiel
Filmabende mit Diskussion wie „Plastic Planet“, der Woche der freien Bildung) – bereits die ersten 10 Projekte unserer Wahlvorhaben zu einem positiven Abschluss bringen. Besonders hervorheben wollen wir hierbei den Fahrtkostenzuschuss für das sechste Studienjahr (ein rein praktisches Jahr in welchem Studierende bis zu 100 km Fahrt auf sich nehmen müssen) welcher auf unser Betreiben hin eingerichtet wurde und KollegInnen der Humanmedizin als Stütze für die mitunter hohen Ausgaben, welche sie in diesem Teil des Studiums auf bringen müssen, dienen soll. Ebenso jedoch auch die Weiterbildungsförderung für Kongressbesuche und Diplomarbeitspräsentation welche ab dem Wintersemester 2010 den KollegInnen zur Verfügung stehen wird. Auch gehen die großen Projekte, wie die Umgestaltung der ersten 4 Semester, sowie die Optimierung des KSR-Tracks (Ärztliche Gesprächsführung) nahtlos weiter. Wichtig ist es uns, dass wir einerseits die Studienbedingungen an unserer Universität verbessern, zu gleich jedoch auch unser Bemühen dahingehend richten, die Universität nicht nur als Hort des Lernens zu sehen, sondern im Rahmen des Studiums ebenso zu einer kritischen Persönlichkeit heranzureifen – ein Unterfangen welches wir neben Infoveranstaltungen zum Studium (Moduleninfoabende, Famulaturworkshops – beides Pilotprojekte an der MUG) auch mit Veranstaltungen versuchen zu erreichen, welche über den Tellerrand des enggefassten Fachwissens hinausgehen.
ÖH AUF GRAS
TECHNISCHE UNIVERSITÄT GRAZ
DER REKTOR, DER FÜR UNS SPRECHEN WOLLTE Von Florian Ungerböck Sich über ihn eine neutrale Meinung zu bilden ist nicht leicht, denn schon allein durch seine Position als Rektor der TU wird Hans Sünkel mehr Respekt entgegengebracht, als er es möglicherweise verdient. Für Studierende hatte er bis jetzt vielleicht ein offenes Ohr, nur entsprechend zu handeln fällt ihm anscheinend schwer. Vor allem durch seine Wahl zum Vorsitzenden der Universitätenkonferenz, war Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, im letzten Jahr oft in den Medien. Er sprach von der Unfähigkeit der Politik, von der notwendigen Finanzierung der Universitäten und von Vielem mehr. Dabei entstand der Eindruck, er spräche auch im Interesse der Studierenden, er habe genau erkannt, was für diese wichtig sei und was dafür getan werden müsse. Doch wer diesem Eindruck Glauben schenkt, der irrt. Denn für Hans Sünkel spielt es kaum eine Rolle, welchen Wunsch die Studierenden äußern. Er spricht nämlich ständig von „Zu-
TECHNISCHE UNIVERSITÄT GRAZ
FRAUEN UND TECHNIK Das falsche Geschlecht? Von Birgit Ungerböck Programme zur Förderung von Frauen in der Technik versuchen schon seit einigen Jahren, Frauen für Technik zu begeistern oder ihnen den Einstieg in technische Studien und Berufe zu erleichtern. Der Erfolg dieser Förderungsmaßnahmen hält sich aber in Grenzen. An der TU Graz waren im Studienjahr 2009/2010 21,3 % aller Studierenden Frauen. In Fächern wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Telematik fällt der Frauenanteil unter 10 Prozent. Angesichts solcher Zahlen stellt sich die Frage, woran diese Frauenförderungspro-
gangsregelungen“ als einzigem Ausweg, von Studiengebühren als „fairem“ Beitrag zur Hochschulfinanzierung und von freier Bildung als einer Illusion, die nur Beliebigkeit bedeute. Er glaubt zu sehen, was der Markt verlangt, meint die Uni liefere nur für den Markt, sie „produziert“ AbsolventInnen. Dabei wird klar, woran er sich orientiert und wohin das bereits schrittweise führt – zum „Unternehmen Universität“. Sichtbar wird das in Schlagwörtern wie Wettbewerbsfähigkeit, universitäres Konkurrenzverhalten oder Kooperation nur im Hinblick auf den eigenen Vorteil. Diese Aussagen sind nicht verwunderlich, so ist doch der Rektor für das Funktionieren der Uni verantwortlich. Es muss ihm ein Anliegen sein, unter den derzeit herrschenden Voraussetzungen sein „Unternehmen“ möglichst gut zu positionieren, Kosten (Studienplätze ohne Finanzierung) zu reduzieren, Einnahmen (durch Studiengebühren) zu erhöhen und andere Interessengruppen für sich einzunehmen, indem er die Sinnhaftigkeit der Universität auch als Produktionsstätte herausstreicht (Humankapital).
gramme scheitern. Um dieses Phänomen erklären zu können, kommt man nicht darum herum, sich mit Geschlechterrollenbildern zu beschäftigen. Technische Kompetenz ist augenscheinlich eine Fähigkeit, die überwiegend der männlichen Geschlechtsidentität zugeschrieben wird. Brigitte Ratzer vom Institut für Technik und Gesellschaft an der TU Wien meint, dass viele Frauen die Technik ablehnen würden, weil sie sich beim Eintritt in die technische (und damit männliche) Welt indirekt in ihrer Weiblichkeit bedroht sehen würden. Auch heute fehlt noch die Selbstverständlichkeit Technikerin zu sein. In einem männlich dominierten Studium bzw. einer männlich dominierten Arbeitswelt ist eine Technikerin fast den ganzen Tag Exotin. Um sich in dieser Welt als Frau behaupten zu können braucht es meist eine gehörige Portion Selbstvertrauen, Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen und besonderes Interesse am Fachgebiet. Technik bestimmt unser Leben in enormem Ausmaß. Sie bestimmt, wie wir zur Arbeit kommen, wie wir arbeiten, aber nimmt auch Einfluss darauf, wie wir unsere Freizeit verbringen. Dabei gibt es durchaus verschiedene, zum Teil geschlechtsbezogene Bedürfnisse.
Doch der Rektor spricht nicht für die gesamte Universität, er vergisst vor allem eine Gruppe, die ihn nicht gewählt hat – die Studierenden. Es wäre wünschenswert, wenn diese endlich die Chance hätten, wenigstens die Person mitzubestimmen, die ständig in ihrem Interesse zu sprechen und zu handeln glaubt. Leider bleibt eine Demokratisierung der Universitäten anscheinend Utopie und die Studierendenschaft weiterhin eine Gruppe, die nur wenig mitbestimmen darf, auch wenn es sie am meisten betrifft. Florian Ungerböck studiert Biochemie & Molekulare Biomedizin sowie Lehramt für Chemie und Physik in Graz, ist seit 2007 in der HTU tätig und seit 2008 Mitglied der BLATT.
Wäre es nicht logisch, wenn die Technik, die zu 50% von Frauen verwendet wird, auch zu 50% von Frauen entwickelt wird? Heute ist die Technik noch eine von Männern dominierte Welt und Frauen haben einige Hindernisse zu überwinden um sich erfolgreich in dieser Welt behaupten zu können. Dabei können frauenfördernde Maßnahmen sehr hilfreich sein. Das eigentliche Ziel ist aber, dass Rollenbilder aufgebrochen werden, Frauen beim Einstieg in die Technik keine Angst um den Verlust ihrer „Weiblichkeit“ haben müssen und zum technischen Alltag gehören. Dann können wir auch endlich auf diese Förderungsmaßnahmen verzichten. Birgit Ungerböck studiert Chemie und ist aktiv auf HTU Graz in Frauenreferat. Sie beschäftigt sich mit Technikfolgenabschätzung und Ethik
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BILD DIR WAS EIN
UNTERNEHMEN UNIVERSITÄT Oder – Warum kritisch-reflektierende Bildungsinstitutionen unerwünscht sind. Von David Krieberneg
BILDUNG ALS STANDORTFAKTOR
Die längste Zeit war die Institution Universität nur für eine Minderheit zugänglich. Erst der „Freie Hochschulzugang“, der erkämpft werden musste und auf ein bildungspolitisches Umdenken zurückzuführen ist, ermöglichte die Entwicklung eines kritischen Potentials in der StudentInnenschaft. Die Erfahrung des Nationalsozialismus machte es notwendig Menschen ein kritisches und demokratisches Bewusstsein zu vermitteln, um einen Rückfall in die Barbarei zu verhindern. Damit einher ging die Demokratisierung der universitären Gremien und eine schrittweise Aufarbeitung der Rolle der Wissenschafts- und Bildungsinstitutionen im Faschismus, hervorgerufen durch studentischen Druck. So ist es nicht verwunderlich, dass Widerstand gegen reaktionäre bis faschistische gesellschaftliche Tendenzen sehr stark von Studierenden getragen wird.
Gebetsmühlenartig rufen PolitikerInnen, aber auch die Spitzen von Wirtschaft und Universität, nach mehr wissenschaftlicher „Exzellenz“ und Nachwuchsförderung. Österreich soll sich als Wissenschaftsstandort etablieren, um nicht den Anschluss an die globale Konkurrenz zu verlieren. Dahingehend wird auch die nationale Bildungspolitik strukturiert – es geht um Effizienz und um ein Einhalten des „Kosten-Nutzen“-Kalküls im Sinne der „Wettbewerbsfähigkeit“. Im Vordergrund steht die Ausbildung von „hochwertigen“ Arbeitskräften, die den Nützlichkeitserwägungen der Nationalökonomie entsprechen. Damit leitet sich der Wert des Individuums von der marktwirtschaftlichen Brauchbarkeit ab – der Mensch wird zum „Humankapital“.
Nichtsdestotrotz waren und sind Universitäten Elitenbildungsstätten. Welche Wissensinhalte gelehrt, Forschungen finanziert und welches Bildungsideal vorherrschend ist, hängt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Deshalb ist eine Trennung zwischen Bildungs- und Gesellschaftspolitik nicht nur falsch, sondern grob fahrlässig. Gleichzeitig hat die Universität eine systemerhaltende Funktion indem sie die Definitionsmacht über „Erkenntnisse“ besitzt und bestimmt, was als „wahr“ und „falsch“ zu gelten hat. Die Macht der „Wissenschaftsindustrie“ zeigt sich in den Wirtschaftsdisziplinen, dessen Theorien politisches Handeln festlegen. Die Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Universität ist somit eine kaum zu unterschätzende.
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Dieser „neue Geist des Kapitalismus“ bestimmt nicht nur die Bildungspolitik, sondern hält bzw. hielt Einzug in sämtliche Lebensbereiche – bestimmt die Forderungen der Wirtschaftsverbände wie auch der Gewerkschaften und politischen Parteien, was sich wiederum auf die Sozial-, Migrations- oder auch Gesundheitspolitik auswirkt. Ziel ist die Erhaltung des „nationalen“ Wohlstands unter Berücksichtigung der sozialen Hierarchie. So dürfen Gewinne, Vermögen und hohes Einkommen kaum besteuert werden, da sonst „Kapitalflucht“ drohe und der Wirtschaftsstandort an Attraktivität verliere; die Zuwanderung darf nur selektiv erfolgen, da sonst der gesellschaftliche Reichtum gefährdet sei; und jedeR Einzelne muss „fit“ für den Arbeitsmarkt gemacht werden, damit er/sie jederzeit und überall ökonomisch einsetzbar sei.
WA(H)RE BILDUNG UND TECHNOKRATISCHES BEWUSSTSEIN „Bildung wird damit, auch in ihrer staatlich organisierten Form, reduziert zur bloßen Qualifikation, zur Anpassung an die aus ökonomischen Gegebenheiten abgeleiteten Erfordernisse“, schlussfolgert der Bildungswissenschaf tler Erich Ribolits. Damit wird alles, „was über den Bereich des ökonomisch Zweckmäßigen hinausgeht, die „klassischhumanistische Orientierung“ am zweckfreien „Wahren, Guten und Schönen“ […] zum unnötigen Ballast.“ Einziger Sinn und Zweck ist ein „quantifizierbarer“ Nutzen, der im Dienst eines allgemeinen Wachstumsideals steht. „Bildung wird in diesem System auf ihren Warencharakter reduziert“, so Ribolits. Die Folge ist eine Erziehung, die sich an den Fähigkeiten und Talenten orientiert, die einen ökonomischen Nutzen versprechen. Damit wird eine technokratische Gesellschaft geformt, die sich nicht nach der Moral und dem aus ihr resultierenden Recht richtet, sondern an der kapitalistischen Logik, die in Reinform sozialdarwinistisch ist – es überlebt nämlich nur der Stärkere. Gehört der kritisch-reflektierende „mündige“ Mensch bzw. eine Erziehung und Bildung, die dieses Ideal vor Augen hat, der Vergangenheit an, dann steuert die Menschheit zielsicher auf die nächste Katastrophe zu... David Kriebernegg studiert Geschichte, Kulturanthropologie und Philosophie.Er ist Aktiv in der Studienvertretung Europäische Ethnologie und der Fakultätsvertretung Geisteswissenschaften.
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WIR HABEN NICHTS ZU VERLIEREN ALS UNSERE KETTENVERTRÄGE! Ohne die Leistungen von LektorInnen und befristet beschäftigten AssistentInnen, wären die österreichischen Universitäten schon vor Jahren zusammengebrochen. Die Proteste vom Herbst 2009 konnten zwar auf die prekäre Arbeitssituation von LektorInnen und anderen zeitlich befristeten Beschäftigen aufmerksam machen, geändert hat sich daran bisher jedoch nichts. Gastkommentar von Thomas Schmiedinger Ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht, bekommen sie bis heute nur schlecht dotierte Semesterverträge. In den letzten Jahren hat sich diese Situation für viele Betroffene jedoch insofern verschärft, als immer mehr LektorInnen auch außerhalb der Universitäten nur ähnlich prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorfinden wie innerhalb der Unis. So gibt es heute immer mehr LektorInnen, die entweder (fast) nur davon leben, mehrere Lehraufträge parallel – manchmal auch an mehreren Universitäten – zu halten, oder sich von einem Projekt zum nächsten durch zu wurschteln. LektorInnen haben fast an keiner Universität einen Arbeitsplatz. Zwar werden an einigen Unis die Forderungen der LektorInnen nun ernster genommen. Konkrete Ergebnisse fehlen jedoch bislang. Wenn überhaupt Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, dann allenfalls eine Kopierkarte, ein Postfach oder ein Institutsschlüssel. LektorInnen haben keinen Zugang zu Förderungen, zu denen anderes
wissenschaftliches Personal Zugang hat, etwa für den Besuch von internationalen Konferenzen oder Übersetzungskosten für wissenschaftliche Artikel. Andererseits werden sie von den Universitäten aufgefordert, ihre wissenschaftliche Leistung für die Leistungsbilanzen ihrer Universitäten zur Verfügung zu stellen, obwohl sämtliche wissenschaftliche Artikel zu Hause am eigenen Arbeitsplatz mit eigenem Computer und eigener Literatur verfasst werden. Aber auch für ProjektmitarbeiterInnen von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten oder für den sonstigen neuen Mittelbau sieht es seit dem UG 2002 nicht mehr besonders viel versprechend aus. Früher waren weite Teile des Mittelbaus verbeamtet, also nicht nur auf Dauer angestellt, sondern sogar unkündbar. Heute ist der gesamte „neue Mittelbau“, die verschiedenen Pre- und Postdoc-Stellen, zu einer zeitlich befristeten Angestelltengruppe geworden, die durch die so genannte „Kettenvertragsregelung“, die die Aneinanderreihung kurzfristiger Arbeitsverträge zeitlich begrenzt, auch keine Chance auf langfristige Verlängerung ihrer befristeten Anstellungen hat.
Und anstatt endlich unbefristete Verträge zu vergeben, versuchen einzelne Unis – wie die Uni Wien – nun LektorInnen dazu zu überreden auf freie Dienstverträge umzusteigen um auf diese Weise die Kettenvertragsregelung zu umgehen. Angesichts der neuen Sparwelle, die über die Unis mit dem neuen Budget hereinbricht, wird sich an diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen so schnell wohl nichts ändern. Thomas Schmidinger, Lektor am Institut für Politikwissenschaft, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Internationale Politik, Politische Theorie, Mittlerer Osten, Kurdistan, Politischer Islam. 2009 bis 2010 Präsident der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen, 2010 zum Ersatzmitglied des Betriebsrats und des Senats der Universität Wien gewählt, 2010/2011 Research Fellow an der University of Minnesota (USA).
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BILDUNG, UM ZU (ÜBER)LEBEN Bildung ist heute Faktor für sozialen Aufstieg, ökonomische Absicherung und die Möglichkeit, den eigenen Lebensbereich in Zusammenhang mit der Umwelt zu überblicken. Aktueller denn je ist daher die Frage nach dem Zugang zum Wissen. Aber tatsächlich geht es um viel mehr: nämlich darum, wie wir eigentlich leben wollen. Gastkommentar von Rosa B. Nentwich-Boucha
LIBERALES BILDUNGSKONZEPT Ob Arbeitsmarkt-Chancen, Einkommensunterschied oder Selbstverwirklichung im Job: Bildung wird in der öffentlichen Diskussion vorrangig von ökonomischer Seite betrachtet. Auch die Politik konzentriert sich darauf, welcher Prozentsatz an höheren Bildungsabschlüssen in der Bevölkerung erreicht werden kann, um den wirtschaftlichen Standort attraktiver zu gestalten. Der Bildungsgrad wirkt sich somit drastisch auf Arbeitsmöglichkeit und persönliche Lebenschancen aus. Und tatsächlich befinden wir uns in einer Gesellschaft, in der es immer schwieriger wird, in finanzieller Sicherheit mit fixem Einkommen vorauszuplanen. Einkommensunterschiede driften immer weiter auseinander, prekäre Beschäftigung und mehrfache geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bei Jugendlichen und Frauen ist Normalzustand. Soziale Verträglichkeit wird politisch jedoch auch gar nicht mehr angestrebt. So behauptet beispielsweise die Soziologin Frigga Haug in ihrem Text „Schaffen wir einen neuen Menschentyp. Von Henry Ford zu Peter Hartz“, dass die politische Debatte von der zu gestaltenden gemeinsamen Öffentlichkeit hin zu isolierten Handlungen des Einzelnen geschwenkt ist. Denn im Wettbewerb gewinnen nur die Besten und diese haben dann auch das Anrecht auf ihr fi-
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nanzielles Auskommen. Wer nichts leistet, soll auch nichts bekommen, so die neue Definition von Gerechtigkeit. Auch auf das propagierte Bildungsmodell lässt sich die Logik anwenden: Zugangsbeschränkungen sollen vorrangig jene aussortieren, die erforderliche intellektuelle Leistungen nicht erbringen. Der Ansatz liegt im individuellen Einflussbereich, es wird von der einzelnen Person ausgegangen. Was jedoch im Leistungsdiskurs ausgeblendet wird sind Machtverhältnisse, Startvorteile und historische Rahmenbedingungen, die nur schwer und träge veränderbar sind.
KRITISCHER BILDUNGSBEGRIFF Pierre Bourdieu konstruierte den Begriff Habitus, der diese Verschiedenheiten in einer Klassentheorie fasst. Demnach hat nicht jedeR die gleichen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, viele Chancen sind an soziale Herkunft und das Milieu gebunden. Mit Gramsci lassen sich soziale Unterschiede und das sie bedingende System herrschaftskritisch herausarbeiten. Seine Theorie zur Hegemonie behauptet dass die Macht der dominanten Klasse mit Hilfe einer Verknüpfung von Institutionen, sozialen Beziehungen und Ideen gebildet und sichergestellt wird. Dabei wird nicht nur Zwang ausgeübt, sondern auch gesellschaftlicher Konsens über die Verhältnisse hergestellt. So entsteht ein mehrheitlich geteiltes und gestütztes Bild der Gesellschaft, um welches ständig neu gerungen werden
muss. Denn der Konsens für die gemeinsame Ordnung muss immer aufs Neue ausverhandelt werden und hier setzt Bildung an. Gramsci sah es als eine Notwendigkeit, eine Kultur der unterdrückten Klasse zu schaffen. Hierzu bräuchte es ein Bildungssystem, in dem sich Intellektuelle dieser Klasse entwickeln können. Dieses sollte die bereits bestehenden intellektuellen Tätigkeiten erneuern und kritisch hinterfragen. Viele dieser Ideen stimmen mit den Ansichten der kritischen Pädagogik und der „Bildung von unten“ überein, wie sie später von Paolo Freire in Brasilien erprobt wurden. Hierbei soll Diskussion über die vorherrschende Situation und gleichzeitige Sichtbarmachung eigener Gedanken dazu zu der Erkenntnis führen, dass jeglicher Mensch Kultur schafft. Denn Kultur sei grundsätzlich etwas von Menschen Geschaffenes und somit auch veränderbar. Nicht unveränderbare, hinzunehmende Wirklichkeit soll erlernt werden, sondern Wirklichkeit im Prozess und in der Umwandlung gesehen werden. Es liegt an uns, wie wir Gelerntes weiterdenken, und welche wesentlichen Konsequenzen und Taten wir an unseren Überlegungen knüpfen. Rosa B. Nentwich-Boucha studiert Politikwissenschaften und BWL in Wien. Sie ist Vorstandsmitglied der Grünen Bildungswerkstatt Wien. Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft von 2005-2006.
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DIE ROLLE DER ÖH WÄHREND DER BESETZUNG DER VORKLINIK Von Marie-Therese Fleischhacker Schon während der Uni-Besetzungen, aber vor allem danach wurde die Rolle der ÖH in der Protestbewegung viel diskutiert und analysiert. Ich möchte hier meinen Eindruck schildern, wie es war, ÖH-Funktionärin und Besetzerin gleichzeitig zu sein.
DIE UNI BRENNT! Von den Zigaretten unterm Vordach und der Revolution am Teppichboden. Von Tobias Schweiger 22. Oktober. Ein Anruf aus Wien: „Komm, nach der Akademie haben wir auch das Audimax besetzt.“. Wir packten uns ein Stück pinken Stoff, Farbe und malten bis spät an einem Transpi. Am nächsten Tag standen wir damit vor dem Hauptgebäude der Uni Graz. Flyer wurden verteilt, doch gerade mal 50 Leute, wenn überhaupt, waren zur angekündigten Demo gekommen. Bis zum Nachmittag verharrten wir vor der Vorklinik, wurden langsam mehr. Um 18 Uhr versuchten wir, einen der Säle zu übernehmen. Der nächste Morgen: Von den etwa 80 Menschen, waren noch etwa vier da. Doch der Hörsaal A war besetzt. Die sonst so trägen Student_innen, die gleichzeitig zum revolutionären Subjekt stilisiert werden, kamen zu hunderten in die besetzten Hörsäle, gingen zu tausenden auf die Straße um für eine „bessere Bildung“, gegen Ökonomisierung und Qualitätsmängel des Uni-Betriebs zu demonstrieren. Die Besetzung wurde zu einem Austauschraum, einer Werkstätte, einem Begegnungszentrum. Wir gewöhnten uns an das Aufwachen auf dem rauen Teppichboden, etablierten den Vorplatz der Besetzung zum Hotspot des Campus. Strategien wurden geschmiedet, Arbeitsgruppen gebildet, am Lebensraum Universität gearbeitet. Es schien alles von den Studierenden getragen.
Doch die Bewegung begann zu bröckeln. Schnell prägten Wortführer_innen das Plenum, das Spektrum der Student_innen, die sich aktiv beteiligten, wurde immer schmäler. Ohne dass eine Vereinnahmung offenbar wurde, wurde die Besetzung zum Spielfeld konkurrierender Gruppen. Die Öffnung der Bewegung wurde zum Abkapseln. Das grundlegende Problem der #unibrenntBewegung war vielleicht aber, dass sie sich weder von der Fokussierung auf die eigene Situation emanzipierte und die Probleme im Bildungssektor in einen größeren Kontext setzte. Umgekehrt konnten keine konkreten Forderungen gestellt werden, die in der Lage waren, den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen. Es waren nicht die Inhalte der Besetzung, die die Gesellschaft zur Debatte über das Hochschulsystem zwangen. Es war das Spektakel, das der Audimaxismus bot. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass der Unibetrieb wartet. Um uns das Wissen zu geben, dass uns zum verwertbaren Kapital macht. Tobias Schweiger studiert Europäische Ethnologie und ist aktiv in der Grünalternativen Jugend Steiermark.
Begonnen hat alles an einem Donnerstagabend auf der ÖH, nachdem wir Infos aus Wien über die Audimaxbesetzung bekommen haben. So erfolgte ein Aufruf zu einer Demonstration am nächsten Vormittag. Diese Demo war der erste Schritt zur Besetzung und wurde von der ÖH-Uni Graz initiiert und getragen, wie auch die Inbesitznahme des Hörsaals A selbst. Was die Ressourcen der Besetzung der Vorklinik betraf, kam vieles von der ÖH, die in einer Sitzung finanzielle Mittel bereit stellte um die BesetzerInnen bestmöglich zu unterstützen. Viele ÖH-Leute waren in diversen neu gegründeten Arbeitsgruppen vertreten und haben dort inhaltlichen Input geliefert, um die Forderungen fundierter zu untermauern. Dies war allerdings auch einer der Kritikpunkte der BesetzerInnen selbst, da diese immer wieder die Gefahr sahen, dass die ganze Besetzung von der ÖH eingenommen werden könnte. So hatte ich einige Diskussionen über den Zwiespalt einerseits die ÖH zu kritisieren und andererseits alle Ressourcen und Kanäle der Institution zu nutzen. Eine Tatsache, die ich noch erwähnen möchte ist das ambivalente Verhalten der Aktionsgemeinschaft (AG). Diese hat anfangs mitgearbeitet, ist allerdings nach dem ersten verlängerten Wochenende wieder zurückgepfiffen worden und hat seit diesem Zeitpunkt eine ablehnende Haltung eingenommen. Nach dem Abflauen der Proteste bin ich mir aufgrund der aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen sicher, dass die nächste Besetzung nicht mehr lange auf sich warten lässt, bei der es dann hoffentlich eine koordiniertere Zusammenarbeit zwischen Besetzung und ÖH geben wird. Marie-Therese Fleischhacker studiert Jus und Romanistik. Seit 2009 ist sie Referentin für Internationales in Bundesvertretung.
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DICKE DECKE Selbst 2010 scheint die "Gläserne Decke" noch immer bruchsicher zu sein und hält Frauen davon ab, in leitende Positionen zu gelangen. Von Flora Eder 2011 finden Rektoratswahlen an zwei der größten Unis Österreichs statt – und es scheint das erste Mal möglich, dass zumindest einer dieser Posten von einer Frau übernommen wird. Auch wenn mit Ingela Bruner bereits eine Frau Rektorin an der Universität für Bodenkultur Wien war1, wäre dies ein Ereignis von großer Relevanz. Denn Politik und Uni sind leider "Männersache" geblieben, in ihrer Entstehungsgeschichte und noch immer in ihrer Struktur. Warum ist das so? Sollte dem Kapitalismus das Geschlecht nicht eigentlich egal sein, so lange nur ordentlich gearbeitet wird? Und ist das bürgerliche Glücksversprechen nicht de jure auch für Frauen eingelöst; und man(n) muss also nur warten, bis sich die Verhältnisse ändern? Ein klein wenig ja und sehr viel nein – denn weder der Kapitalismus noch das BürgerInnentum sind ahistorisch und für sich alleine zu analysieren, und beide vertragen sich außerordentlich gut mit patriarchalen Strukturen. Diese treten allerdings immer verschleierter hervor und müssen nicht unbedingt im Gesetz verankert sein, um wirkmächtig zu sein. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte "Gläserne Decke": Die nur scheinbar leicht zu durchdringende Grenze auf der Karriereleiter von Frauen, kurz bevor sie in leitende Funktionen aufsteigen könnten. Etliche Karrieren enden hier ungeachtet der Qualifikation. Ähn-
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lich und doch jeweils unterschiedlich ergeht es Menschen, die Ressentiments wie Homound Transphobie, Antisemitismus oder auch Rassismus und Antiziganismus ausgesetzt sind. Intersektionalität, also die Verschränkung mehrerer Diskriminierungen auf einmal, kann die Situation verschärfen. Ein Blick in die Geschichte der sozialen Kategorie "Frau" hilft, einige Ursprünge der "Gläsernen Decke" an der Uni zu charakterisieren. Einerseits war Frauen lange zeit das Wahlrecht genauso wie der Unizugang gesetzlich verwehrt. Argumentiert wurde dies teils biologisch (Frauen seien aufgrund ihrer Biologie nicht "rational" und könnten deswegen weder wählen noch studieren), moralisch (die Familie zerfalle, wenn Frauen dies täten) oder ideologisch (eine Person pro Haushalt genüge doch). Die konservative zweigeschlechtliche Erziehung, die unveränderte Rollenaufteilung innerhalb der Familie sowie institutionalisierte Männerseilschaften wie Burschenschaften oder auch Kartellverbände mach(t) en es darüber hinaus den Frauen schwer. Auch werden Frauen schlechter bezahlt, sie verdienen auch 2009 noch im EU-Durchschnitt 17,4 Prozent weniger als Männer. Und "der Kapitalismus" zeigt ohnehin kein Interesse, Unterdrückungsverhältnisse aufzulösen. Um daran endlich etwas zu ändern, wird oft mit Quoten gearbeitet. Quoten können wie ein "Fast track" für Gleichberechtigung wirken, wie Studien bestätigen. Jedoch ist Quote nicht
gleich Quote, und so gibt es im ugandischen Parlament zwar 30 Prozent Parlamentarierinnen; trotzdem dürfen Frauen nicht ohne Begleitung eines Mannes in ein Restaurant. Auch birgen Quoten die Gefahr, essentialisierend zu sein. Das heißt, dass Frauen als Gruppenidentität bestärkt werden, jedoch aber das Grundproblem, dass überhaupt ein "schwaches Geschlecht" gesellschaftlich konstruiert wird, nicht angetastet wird. Die "Gläserne Decke" abzuschaffen ist ein gesamtgesellschaftlicher und komplexer Prozess. Die Rektoratswahlen im kommenden Jahr könnten ein Indikator dafür sein, wie weit er fortgeschritten ist. 1 Ab Oktober 2010 wird auch Sonja Hammerschmid Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien sein.
Flora Eder ist im Vorsitzteam der ÖH-Uni Wien, studiert Politikwissenschaften und betätigt sich als freie Journalistin.
Primärquelle und Tip zum Weiterlesen: Gabriele Abels, Die Welt ist weiblich – und doch von Männern regiert?! Oder: Wie hoch hängt die gläserne Decke in der Politik?, in: Volker Ritterberger, Wer regiert die Welt und mit welchem Recht?, Nomos Verlag
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FRAUENRECHTE UND IHRE UMSETZUNG
Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten Wenn ein Recht gesetzlich festgelegt ist, bedeutet das nicht, dass es auch schon umgesetzt ist. Bildung ist ein wichtiger Faktor um in Konfliktsituationen zu seinem/ihrem Recht zu kommen. Von Jacqueline Vlay Unsere moderne Gesellschaft fußt auf einer Vielzahl von gesetzlichen Normen, welche sich über einen langen Zeitraum hindurch immer weiterentwickelt haben. Um das Zusammenleben der Individuen kontrollieren und steuern zu können, bedarf es dem Staat an Macht und ausübenden Organen. In einem demokratischen Land passiert dies unter der Prämisse der Gewaltentrennung von Exekutive, Legislative und Judikative. So soll das Machtverhältnis in Balance gehalten und eine friedliche Koexistenz der StaatsbürgerInnen gewährleistet werden. Die Realität, in der wir leben, sieht allerdings oft anders aus. So kommt es immer wieder zu Machtmissbräuchen korrupter Organe oder zu Repressionen gegen die Bevölkerung. Diese äußern sich in Gewaltakten der Polizei gegenüber widerständigen Gruppierungen, fragwürdigen Verhaftungen oder im Wegschauen bei Rassismus und Neofaschismus. Dabei werden meist die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft unterdrückt, wie mensch beispielsweise bei Frauen, LGBTI1 und AsylwerberInnen sieht.
RECHTLICHE LÜCKEN In diesem Sinne soll kurz die rechtliche Situation von AsylwerberInnen, die aus geschlechtsspezifischen Gründen fliehen, beleuchtet werden, um aufzuzeigen wie schwierig es trotz gegebener Normen ist eine tragbare Realität zu erzeugen. AsylwerberInnen haben erschwerte Möglichkeiten einen positiven dauerhaften Aufenthaltsbescheid zu bekommen, da aufgrund der europäischen Qualifikationsrichtlinien Asylanträge von Frauen erst dann als relevant anerkannt werden, wenn die Betroffenen von einer öffentlichen Organisation oder Partei in ihrem
Heimatland bedroht werden. Frauen, die vor Genitalverstümmelungen, Ehrenmorden oder Witwenverbrennungen fliehen, werden im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als „politische“ Flüchtlinge betrachtet. Zwar gibt es gesetzliche Regelungen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) welche von nahezu allen UNMitgliedsstaaten ratifiziert wurden, doch scheitert die Umsetzung zu oft an der rechtlichen Durchsetzung. Seien es Verfolgungen aufgrund sexueller Orientierung, Geschlecht oder Hautfarbe – die Spannweite an Diskriminierungen ist leider breit und das Vertrauen in die staatliche Kompetenz zur Regulierung gesellschaftlicher Probleme ist gering angesichts der oben erwähnten präsenten Problematiken. Die Herausforderung ist, wie sich eine Umsetzung vorhandener Gesetze sowohl global als auch lokal in der Zivilgesellschaft etablieren können.
BILDUNG ALS DEMOKRATIEPOLITISCHER ASPEKT Ein Lösungsvorschlag im Kampf um die Einforderung von Rechten ist eine umfassende Bildung für alle, um demokratische, kritische und emanzipatorische Prozesse zu verstehen und anwenden zu können. Leider wird dieses „Recht auf Bildung“ in Österreich durch Forderungen konservativer Parteien wie der ÖVP massiv eingeschränkt, indem sie Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren an den Hochschulen forcieren. Dahingehend wird die soziale Selektion verstärkt und einer breiten Bevölkerungsschicht wird die Möglichkeit auf eine höhere Bildung genommen. Wie fatal sich eine Elitenbildung in der Realität äußern kann, zeigt das Beispiel der starken Unterrepräsentation von Frauen in höheren Unisphären. So gibt es zurzeit österreichweit nur eine(!) Rektorin (Vemed). Sonja Hammers-
chmid ist damit die erst zweite Rektorin überhaupt in der Geschichte der österreichischen Universitäten. Leider verhält es sich auch beim Professorinnenanteil ähnlich schlecht, obwohl der Anteil der Uni-Absolventinnen bei 56% liegt. Wie kommt es also, dass Frauen in der Universität immer noch so stark unterrepräsentiert sind? Liegt es am reaktionären Bild der Universität als akademischer Männerbund? Einen Systemwandel könnte es bei der Rektoratswahl 2011 an der Universität Graz geben. Es bedarf allerdings einer starken Positionierung und Solidarisierung seitens der HochschülerInnenschaft und Studierenden, um diesen zu erzeugen und erstmals eine Frau in einer männerdominierten Position zu etablieren. „Rechte werden einem nicht gegeben, man muss sie sich einfordern!“, so einst Shirin Ebadi, iranische Rechtsanwältin und Friedensnobelpreisträgerin. Dies inkludiert einen partizipativen Zugang zu demokratischen Prozessen, welcher leider nicht überall gewährleistet ist. In Österreich sind wir in einer privilegierten Situation, doch auch hier bedarf es noch vieler Änderungen in der Gesellschaft. Als Studierendenvertreterin ist es mir dahingehend ein großes Anliegen, zumindest in meinem politischen Wirkungsbereich, diese Änderungen mitherbeizuführen. Jacqueline Vlay ist 2. stellvertretende Vorsitzende der ÖH-Uni Graz und studiert das Leben, die Menschen und Rechtswissenschaften.
Lesbian Gay Bi Transgender Intersexual People
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GRAS ANDERSRUM
GLEICHGESCHLECHTLICHE PARTNERiNNENSCHAFTEN ...und jährlich grüßt das Murmeltier!
Von Gerald Kuhn
DAS NEUE GESETZ.
Was haben die Niederlande, Spanien, Kanada, Belgien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island und Südafrika sowie die amerikanischen Bundesstaaten Massachusetts, Connecticut, Vermont, Iowa, New Hampshire und die Stadt Washington – die Liste wird langsam aber stetig länger – gemeinsam? Ist dies noch immer nicht bekannt? All diese Staaten bzw. Teilstaaten haben die zivile Ehe für Lesben und Schwule geöffnet. Die Niederlande ermöglichen wie Schweden, Spanien und andere Staaten auch das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.
Im Bereich der Unterhaltspflicht, dem Scheidungs-, Erb-, Miet- oder Steuerrecht sowie dem Fremden- und Aufenthaltsrecht wurden große Teile der für Ehepaare geltenden Regelungen übernommen. Die größten Diskriminierungen in diesem Gesetz bestehen u.a. neben der willkürlichen Verbannung auf die Bezirksverwaltungsbehörden, im zwangsweisen Entzug des Familiennamens sowie dem Adoptionsverbot (sowohl Fremdkind- als auch Stiefkindadoptionen). Einigen sich die PartnerInnen auf z.B. einen Doppelnamen, so darf zwischen den beiden Nachnamen, ganz im Gegensatz zu Eheleuten, KEIN(!) Bindestrich stehen. Es muss ein Leerzeichen bleiben. Eine Symbolik, die Bände spricht, indem sie eine tatsächlich gleichgestellte und sichtbar gemachte Verbindung verneint. Höchstgerichte werden wohl bald Nachbesserungen und Veränderungen zu beschließen haben.
EHE ABSCHAFFEN?/VERÄNDERN? Mit der Diskussion um die Anerkennung der Ehe für Homosexuelle, ist es wichtig die Institution Ehe zu hinterfragen. Die Ehe entspringt als Überbleibsel der Wertvorstellungen des 19. Jahrhunderts dem Patriarchat. Die gesellschaftlichen Entwicklungen haben die traditionelle Ehe längst überholt. Eine Alternative zur Ehe ist auch für heterosexuelle Lebensgemeinschaften zu überlegen. Für Homosexuelle muss aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Ehe, solange sie in der jetzigen Form für Heterosexuelle existiert, auch ermöglicht werden. Sic!
UND ÖSTERREICH… 20 JAHRE SPÄTER… 20 Jahre nachdem Dänemark als erstens Land weltweit 1989 eine eingetragene PartnerInnenschaft für gleichgeschlechtliche Paare einführte, wurde so ein Gesetz im Dezember 2009 (wow! Da geht die Post ab!) mit den Stimmen der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP, zwei symbolischen Grünstimmen, denen das Gesetz viel zu wenig weit geht, und zwei vom BZÖ angenommen. Die FPÖ lehnte das Gesetz – wen wundert es – geschlossen sinngemäß mit Argumenten wie die Ehe sei nicht für Sex oder Liebe, sondern für die Erzeugung von Kindern da, ab.
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GRAZ – PEINLICH. Die PartnerInnenschaft kann, wie oben erwähnt, nur auf den Bezirkshauptmannschaften eingetragen werden. Interessant ist die Eintragung in den Statutarstädten. [Anm.: In Österreich gibt es 15 davon – alle Landeshauptstädte mit Ausnahme von Bregenz, sowie Steyr, Wels, Krems, Waidhofen, Wiener Neustadt, Rust und Villach.] Diese Städte haben Standesämter und sind gleichzeitig Bezirksverwaltungsbehörden. Hier bestünde für Lesben und Schwule die Möglichkeit, sich auch im Trauungssaal eintragen zu lassen, jedoch ermöglichen dies vorerst nur u.a. die von der SPÖ regierten Gemeinden Wien, Salzburg und Linz. In Graz weigert sich ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl den Trauungssaal für die Zeremonie zu öffnen. Der Grüne Koalitionspartner, mit einer offen lesbisch lebenden Vizebürgermeisterin, protestierte zwar nett dagegen, und stellte auch die Koalition in Frage, doch
verändert hat sich nicht viel. Der Trauungssaal bleibt für Lesben und Schwule verschlossen. Gesellschaftliche Veränderungen finden vorerst wo anders statt – nicht im „Biedermeierwohnzimmer“ des Grazer Bürgermeisters.
SCHNECKENTEMPO. Wenig verwunderlich, dass im europäischen Kontext Österreich dezidiert eines jener Länder ist, das im Antidiskriminierungsbereich als Nachzügler zu bezeichnen ist. Den §209 schaffte der Staat Österreich erst auf Druck des Verfassungsgerichtshofes (2002) und durch bereits mehrere anhängige Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ab. Nach diesem Paragraphen 209 musste ein über 19-jähriger Mann, der eine Beziehung oder Sexualkontakte mit einem z.B. 16-Jährigen pflegte, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. An die zehn Männer waren noch im Jahr 2002(!) aus diesem Grund in Haft
WAS BLEIBT ZU TUN?! In Österreich aber auch weltweit gibt es noch jede Menge zu machen. Hate Crimes ereignen sich nach wie vor in Berlin und anderswo, Alltagsdiskriminierungen finden statt. Erste Schritte sind erst getan, von ruhig zurücklehnen kann auf keinem Fall die Rede sein. Und dennoch tut sich einiges: Heuer fand zum Beispiel zum dritten Mal Ende Juni am Grazer Hauptplatz ein CSD-Fest statt. Musik, Spaß und jede Menge Information gab es dort. Ebenso feierte das LesBiSchwulen-Referat an der KF-Uni Graz das 10-jährige Bestehen. Stand up and do it… Gerald Kuhn studierte Soziologie, ist Trainer für arbeitslose Jugendliche und Bezirksrat in Jakomini.
ANALYSE & KRITIK
„GENUG IST GENUG!“ ...UND WEITER?? Über strikte Asylgesetze, ihre Folgen und Versuche einer Gegenbewegung. Von Judith Fitz 15. März 2010, 4:57 Uhr; es ist noch dunkel, nur von der Straßenlaterne schimmern ein paar Lichtstrahlen auf den Schrank neben dem Bett. Es hat an der Türe geklingelt. „Nicht schon wieder“, denkt sich Milana F. und öffnet die Augen. Auch ihre ältere Schwester, die nur ein Stückchen von ihr entfernt liegt, ist aufgewacht. Sie schauen sich an und wissen was los ist. Ohne Worte. Die zwei kleinen Brüder sind nicht aufgewacht, zum Glück. Leise tritt Milana F. ans Fenster. Ihr Blick schweift über den Vorplatz. Dort steht er, der kleine Bus... der kleine Bus, der den Anfang einer langen Reise bedeutet, eine Reise ins Ungewisse. Schon morgen könnten Milana F. und ihre Geschwister die Nächsten sein, die diese Reise antreten müssen... wissen tun sie es nicht. „Die Fremdenpolizei kommt immer früh am Morgen“, erklärt Milana F., „denn dort ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass die Leute, die sie suchen, da sind.“ Ganz nach dem Motto „Ohne Rücksicht auf Verluste“, so scheint es zumindest. Denn dass bei solchen Abschiebungen Panik in einem Flüchtlingsheim ausbricht, weil niemand weiß, wer wohl die/der Nächste sein könnte, scheint den Behörden egal zu sein. Doch dies ist bei weitem nicht das Einzige, womit Flüchtlinge zu kämpfen haben bei ihrem langen Weg vom Verlassen ihres Herkunftslandes bis zum Start in eine neue Zukunft. Fluchtgründe gibt es viele... Kriege, Vertreibung, Katastrophen... doch das Ziel einer Flucht ist immer das selbe: Morgens aufzuwachen und sich keine Sorgen darüber machen zu müssen, den Tag zu überstehen.
ÖSTERREICHISCHE ASYLPOLITIK Laut Angaben des BMI stellten im ersten Halbjahr 2010 5.055 Menschen einen Antrag
auf internationalen Schutz. Gegenüber dem Vorjahr sind dies um 32,44 % weniger Anträge. Scheint, als zeigten zahlreiche Maßnahmen unserer Innenministerin Maria Fekter ihre Wirkung. Seit ihrem Amtsantritt setzte Maria Fekter zahlreiche Maßnahmen, die teilweise massive Einschnitte in das Leben von Asylwerber*innen darstellten. Nur einige sollen hier Erwähnung finden: Handwurzelröntgen bei Minderjährigen zur Altersfeststellung, Straf barkeit von Scheinehen, Forderung nach Aufenthaltspflicht von Asylwerber*innen, Ausweitung der Schubhaft, massive Einschränkungen der Rechtsberatung für Asylwerber*innen... Auch sonst sorgt Fekter immer wieder für Aufsehen, so z.B. mit Aussagen im Zusammenhang mit der Abschiebung der in Österreich wohl bekanntesten Asylwerberin Arigona Zogaj oder betreffend eines weiteren Erstaufnahmezentrums für Flüchtlinge in Eberau. Ganz generell scheint eine rationale Auseinandersetzung mit dem Thema Einwanderungspolitik insbesondere Asyl nicht möglich. Von Opportunismus geleitet instrumentalisieren politische Parteien das Thema zum Fang von Wähler*innenstimmen. Auch zahlreiche Medien verarbeiten die Materie in reißerischen Artikeln durchzogen von schlecht recherchierten Fakten, um möglichst hohe Auflagenzahlen und Zuschauerquoten zu erreichen. Die Debatte wird emotionalisiert und entbehrt jeglicher rationaler Betrachtungsweise. Starke Auflagenzahlen und hohe Zuschauerquoten sind ein Indiz dafür, dass die Strategie mancher Medien aufgeht. Dass dem Vorgehen der Regierung insbesondere der Innenministerin in der Öffentlichkeit nicht viel entgegengehalten wird, legt den Schluss nahe, dass die Mehrheit der Bevölkerung damit einverstanden ist, dass Kinder in Schubhaft kom-
men, Menschen jahrelang auf Entscheidungen warten und somit jahrelang in Ungewissheit leben, gut integrierte Menschen in Länder abgeschoben werden, zu denen sie kaum noch einen Bezug haben, Asylwerber*innen während eines Verfahrens in Flüchtlingsheimen „gefangen gehalten“ werden und so weiter...
WIDERSTAND IN FEKTERLAND? Ab und zu scheinen aber doch noch kleine Feuerchen des Protests aufzuflackern. So zum Beispiel am 01.Juli 2010, als anlässlich der Abschiebung von Arigona Zogaj in Wien tausende Menschen auf die Straße gingen um gegen die österreichische Asylpolitik zu protestierten. Initiiert durch einige Prominente fand eine Demonstration unter dem Motto „Genug ist genug!“ statt, deren Ziel es war, ein Zeichen zu setzen und aufzuzeigen, dass ein Umdenken in Sachen Einwanderungspolitik nötig ist. Dass die 19-jährige Schülerin abgeschoben wurde, erschien vielen Menschen als ungerecht. Trotzdem musste sie zurück; zurück in ein Land, das sie kaum noch kennt und das für sie keinerlei Perspektiven bietet. „(...) die vorgebrachten Fluchtgründe sind nicht asylrelevant (...)“, so heißt es im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Doch dies ist kein Einzelfall. Hunderte Menschen erleben ein ganz ähnliches Schicksal. Die Demonstration war ein kleines Aufflackern des Protests, doch wo werden die Protestierenden sein, wenn die Fremdenpolizei an der Türe klingelt, um Milana F. abzuholen?! Judith Fitz studiert Rechtswissenschaften und ist seit WS 2009/10 Referentin für ausländische Studierende an der ÖH Uni Graz.
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ANALYSE & KRITIK
Glosse:
„BA- BABANKÜBERFALL“?? Böses Finanzkapital – guter Kapitalismus? Die Geißelung der „Banken & Konzerne“ hat seit der letzten Wirtschaftskrise wieder Hochkonjunktur. „Spekulanten“, als Heuschrecken visualisiert, seien Schuld an der Misere. Dem folgt ein moralisierendes Gejammer über die Habgier der ManagerInnen und das Anprangern des „parasitären Finanzkapitals“. Die bekannteste Formel dabei lautet: „Gewinne werden privatisiert – Verluste sozialisiert“ mündent im Aufruf „WIR zahlen nicht für EURE Krise“. Spätestens hier stellt sich die Frage, „wer“ denn dieses obligatorische „WIR“ ist, mit dem meist die „hart-arbeitenden“ Menschen assoziiert werden? Nachdem sich für gewöhnlich jedeR für fleißig und anständig hält, offenbart diese Losung eine „Wir-sind-das-Volk“ Mentalität. Als Feindbilder fungieren Einzelpersonen, die sich schamlos auf Kosten der Allgemeinheit bereichern würden. Einer „bösen“ KapitalistInnenklasse wird eine „gute“ ArbeiterInnenklasse gegenüber gestellt. Die Lösung soll ausgerechnet der gestärkte (National-) Staat bringen, jene Institution, welche die kapitalistische Herrschaftsordnung durch die Garantie der Eigentums- und Besitzverhältnisse ja gerade aufrecht erhält. Vollendet wird die Dichotomie in der Unterscheidung zwischen „Finanzkapital“ und produktivem Kapital, von SpekulantInnen und NichtspekulantInnen. Der systemimmanente Charakter solcher Krisen wird völlig ausgeblendet. Nicht der permanente Konkurrenzkampf, die Degradierung zum bloßen Warensubjekt oder der Zwang zur Lohnarbeit wird beklagt, sondern eine dubiose Kaste von ProfiteurInnen. Es wird dabei nicht gesehen, dass aufgrund der Konkurrenz die/der UnternehmerIn unter dem Zwang steht Gewinn zu machen. Im Gegenteil – der Kapitalismus wird als das Werk einzelner AkteurInnen verstanden, sodass statt des Kapitalismus – die KapitalistInnen bekämpft werden. Doch schon Karl Marx schrieb: „Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur […] um Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen.“ Reduktionismus ist damit immer falsch und anti-emanzipatorisch, denn Kapitalismuskritik kann den einzelnen nicht „verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.“ (Marx, MEW 23).
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STIMMT AN DAS LIED DER HOHEN BRAUT... Ein Abgesang auf die Verherrlichung der Lohnarbeit und dessen ApologetInnen Von David Kriebernegg Arbeit bestimmt menschliches Leben. Sie bestimmt den Tagesablauf – von ihr hängen Einkommen und Lebensstandard, Selbstwertgefühl und gesellschaftliche Stellung ab. Der Mensch, in der modernen Gesellschaft, ist deshalb ein stets getriebener und unfreier, denn nur eine winzige Minderheit kann sich einen Verzicht auf kontinuierliches Einkommen leisten. Das Gesellschaftssystem zwingt somit jedeN EinzelneN zur (Lohn-)Arbeit und seitdem Arbeitsstellen knappes Gut sind geschieht dies in einem doppelten Sinne. Einerseits dadurch, dass es keine andere Form der Existenzweise gibt – andererseits durch das beschränkte Job-Angebot. Arbeitslosigkeit und damit verbundener sozialer Abstieg werden damit zu ständigen Bedrohungen, oder Neusprech „Anreize“, die das Individuum zur „Selbstvermarktung“ zwingen. Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen des 19. Jhs. ist dem Kampf um Arbeitsplätze gewichen.
DIE ROLLE DER ARBEITER/-INNENORGANISATIONEN Statt die Befreiung von Lohnarbeit auszurufen und die Knechtschaft des Menschen unter die scheinbar naturgegebenen Zwänge des Kapitalismus zu beenden, treten sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften als Garanten der herrschenden Ordnung auf. So schreibt Stephan Grigat: „Die sich merkwürdigerweise immer wieder auf Marx berufende Arbeiterbewegung hat die Vernutzung der
Arbeitskräfte zum Zwecke der Verwertung des Kapitals hingegen zur anbetungswürdigen Selbstverwirklichung geadelt. Das proletarische Schaffen sei gut, und der eigentliche Skandal des Kapitalismus bestünde darin, nicht jedem Menschen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.“
ÜBER SOZIALSCHMAROTZER/-INNEN UND ANDERES UNGEZIEFER Während die konservative bis völkische „Rechte“ die VerliererInnen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs als „arbeitsscheues Gesindel“ und „Sozialschmarotzer“ denunziert, polemisiert die „Linke“ gegen die „schmarotzenden Müßiggänger“. Die Agitation von Links bis Rechts geht gegen „die da oben“, „Bonzen und Parasiten“ bis zum „Lohndumping“ von MigrantInnen. Bedroht sei ja der nationale Wohlstand und das betrifft sowohl Arbeitsmarkt wie Wirtschaftsstandort. So stellen Interessenvertretungen, von ArbeitgeberInnen wie ArbeitnehmerInnen, zwei Seiten derselben Medaille „Nationalökonomie“ dar. „Das Reich der Freiheit beginnt erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört.“ (Karl Marx) David Kriebernegg ist seit 2007 in der ÖH aktiv, u.a. Senat, Bundesvertretung, Universitätsvertretung und Sachbearbeiter im Alternativreferat. Momentan in der StV Europäische Ethnologie & FV GeWi.
ANALYSE & KRITIK
UNIVERSITÄT UND RECHTSEXTREMISMUS Eine verleugnete Beziehung
Gastkommentar von Heribert Schiedel Die narzisstische Selbstwahrnehmung von vielen Universitätsangehörigen als vor Irrationalismen gefeite Intellektuelle steht nicht selten einer Sensibilisierung gegenüber Rechtsextremismus im Wege. Rassismus, Antisemitismus und Autoritarismus findet man bei anderen und historische Phänomene wie Demokratisierung, steigender Frauenanteil und soziale Öffnung der Universitäten werden weniger gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen als der darüber thronenden „Alma Mater“ selbst zugeschrieben. Die verbreitete Ausblendung von NS-Kontinuitäten gehorcht der wechselseitigen Selbstvergewisserung. Gerade das Bild von Wissenschaft als etwas ganz anderes als Ideologie hat den Faschismus an der Macht relativ unbeschadet überstanden. Aber barbarischer noch als nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, war es, weiter wie bisher Wissenschaft zu betreiben. In der falschen Selbstsicherheit droht auch unterzugehen, dass die Felder der Wissenschaft und des Intellektuellen immer auch von rechtsextremer Seite beackert werden. Dabei leugnen rechte Hegemoniekämpfer mit dem männlich-elitären Habitus einer Kriegerkaste ihre sozialen Interessen und stellen sich als frei schwebende „Gegenintellektuelle“ (Hauke Brunkhorst) dar. Daneben inszeniert sich der rechtsextreme Akademiker gerne als Querdenker, Tabubrecher und anarchischer Geist. Ganz Mann und noch mehr Narziss trägt er seine Selbstwahrnehmung als Angehöriger einer völkischen Elite oder „geistigen Rasse“ (Julius Evola) demonstrativ zur Schau. Gegenüber der Wahrnehmung von Wissenschaft als Hort der reinen Wahrheit und von
ihren Produzentlnnen als höchstens instrumentalisierbar sollte die Rolle der Universitäten im Faschismus in Erinnerung gerufen werden. In Österreich kommt den deutschnationalen Angehörigen der autoritären und elitären Anstalt Universität herausragende Bedeutung als Wegbereiter der antisemitischen Herrschaft zu. So wie in den 1920er Jahren wird auch heute das Postulat der „Freiheit der Wissenschaft“ und der „Autonomie der Hochschulen“ von (angehenden) Akademikerlnnen immer dann in Anschlag gebracht, wenn sich diese mit Rassismus- und Rechtsextremismusvorwürfen konfrontiert sehen. Andererseits antworten auch viele demokratische WissenschafterInnen auf den inneren Faschismus der Universitäten mit dem Rückzug auf eine „reine Wissenschaft“, um politischen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen zu können. Dass diese Position eine ideale Bedingung für das Fortleben des Faschismus an der Universität bedeutete, liegt auf der Hand. Tatsächlich waren die heimischen Hochschulen zwischen 1945 und den späten 60er Jahren das, was sie immer waren: Männerbündisch-elitäre Hochburgen des Rassismus, Antisemitismus, Deutschnationalismus… Nach einer (in den frühen 1970er Jahren beginnenden) Unterbrechung sollten die Universitäten genau das wieder werden, wenn es nach dem Wunsch der deutschvölkisch Korporierten geht. FPÖ-MEP Andreas Mölzer freute sich etwa über die auf das Konto der FPÖ gehenden Studiengebühren, weil dadurch „rund ein Viertel weniger Inskribenten an den Universitäten zu verzeichnen“ gewesen seien und „die Abkehr von der Nivellierung der
Massenuniversität“ vollzogen werden würde. Bis zur Regierungsbeteiligung der FPÖ beschimpften „Alte Herren“ die Universitäten als „geschützte(n) Werkstatt für intellektuelle und charakterliche Krüppel“. Gleichzeitig - und das macht dieses Milieu so kompatibel mit der herrschenden Politik - weiß man, dass eine Universität wie ein „modernes Unternehmen“ zu führen ist: So hieß es schon vor zehn Jahren im Burschenschafterzentralorgan Die Aula, dass das „Leistungsprinzip“ auch für Forschung und Lehre gelten müsse. Alles in allem geht es der extremen Rechten damals wie heute nicht nur um den Zugriff auf akademische Ressourcen, sondern auch um eine längerfristige Umgestaltung der Universitäten nach ihrem Weltbild. Korporierte begreifen sich als (männliche) Wertelite, die gefälligst mit der Funktionselite in eins fallen soll. Die Existenz der angefeindeten „Massenuniversität“ bedrohte ja tatsächlich die Monopolstellung der Korporationen als Elitenrekrutierungsfeld. Und so begannen sie ihren leider sehr erfolgreichen Kampf gegen die (soziale und politische) Demokratisierung der Wissenschaften… Heribert Schiedel ist Mitarbeiter im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Abteilung Rechtsextremismusforschung. Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte sind Rechtsextremismus und Rassismus, FPÖ und Burschenschaften.
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NO FUTURE? Nur nachhaltiges Handeln sichert eine lebenswerte Zukunft Von Oliver Thomas Viele Menschen haben eine nicht zukunftsfähige Lebensweise angenommen, die nachfolgenden Generationen eine wesentlich unfreundlichere Lebensumgebung bieten wird – und schon jetzt Armut und Elend auf der Welt verursacht. JedeR sollte sich über den eigenen Lebensstil Gedanken machen. Ist es nachhaltig, zum Shoppen nach London zu fliegen? Das Kohlendioxid steht den Pflanzen großteils nicht als Nährstoff zur Verfügung, da es in einer Höhe ausgestoßen wird, aus der es nicht ausgewaschen werden kann. Die Schadstoffe bleiben in der Atmosphäre und verstärken den Treibhauseffekt. Da hilft es auch nichts, das Kohlendioxid aufs Gramm genau mit Bus und Bahn zu vergleichen – die außerdem regenerativ betrieben werden können. Mindestens ebenso gefährlich wie das Verheizen fossiler Kohlenstofflager ist unser Umgang mit Phosphor, das für fast jeden Kunstdünger gebraucht wird und für stetig steigende Ernteerträge mitverantwortlich ist. Phosphor wird aufgenommen, teilweise ausgeschieden und steht spätestens nach dem Tod der Lebewesen wieder zur Verfügung – zum Beispiel in Form natürlicher Dünger. Heutzutage wird Phosphor zusätzlich aus geologischen Lagerstätten abgebaut und massiv auf Feldern verteilt. Von dort wird es meist ausgewaschen und landet schließlich für uns unzugänglich in den Meeren. Doch schon in etwa 20 Jahren (Dana Cordell, „The Story of Phosphorus“) wird die Nachfrage das Angebot übersteigen. Mit erreichen von „Peak Phosphorus“ wird der Preis für Kunstdünger rapide ansteigen. Es wird zu Hungersnöten und Blutvergießen kommen, was nur eine nachhaltige Landwirtschaft verhindern könnte. Trotz der Fülle an Entscheidungen, die jedeR selbst treffen kann, ist klar, dass wir uns einem egoistischen und selbstzerstörerischen Wirtschaftssystem ausgeliefert haben, das Nachhaltigkeit bestraft und Ausbeutung belohnt. Erst dessen Überwindung kann die Zukunft wirklich lebenswert gestalten. Oliver Thomas studiert Umweltsystemwissenschaften und ist Sachbearbeiter im Alternativreferat.
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ZUR ETHIK DES ÖFFENTLICHEN RAUMES Gastkommentar von Edith Zitz (Re-)Präsentanz steht für Macht. Sie bildet ab, wie viel öffentlichen Raum sich eine Gruppe, z.B. BettlerInnen, Punks/Bunte, alte Menschen, nehmen darf. Dieses „Platz nehmen“ heißt, sichtbar zu sein, und damit die Atmosphäre eines Gemeinwesens mitzudefinieren. Ein steirisches Landessicherheitsgesetz, das das Phänomen des Bettelns weg von der Armutsdimension hin zum Sicherheitsdiskurs verschiebt, oder eine dem angeblichen „Jugendideal“ verschriebene Ausgrenzungskultur gegenüber SeniorInnen tragen dazu bei, wie erwünscht sich Menschen fühlen und wieviel Spielraum sie sich nehmen „dürfen“. Wer sichtbar sein darf resultiert aus einer politischen Wertedebatte, an der sich ablesen lässt, wie emanzipiert und entspannt eine Gesellschaft mit gesellschaftlicher „diversity“ (Vielfältigkeit) umgeht. Mein Bezugspunkt zur „Ethik des Raumes“ sind die von Grazer Vereinen wie CLIO, XENOS oder ROTOR angebotenen Streifzüge bzw. Rundgänge durch den öffentlichen Raum: Diese sind zunehmend populär in den letzten Jahren und meistens erkenntnisreich für die TeilnehmerInnen. Nicht minder ist auch der demokratische Aspekt zu werten, da Wissen außerhalb der als „Studien- und Lernräume“
definierten Felder vermittelt wird und dies so eine neue Methode für die Vermittlung von Bildung darstellt. Präsent ist nach wie vor die simple, rassistisch motivierte Zuschreibung des „schwarzafrikanischen Drogendealers im Park“, die eine verkürzt populistische Abwehr gegenüber einer Personengruppe und, über die Zuschreibung strafrechtlicher Tatbestände, kriminalisierende Entwertung mit sich bringt. Der im März 2010 veröffentlichte „Österreich“Bericht der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) stellt fest, dass „Schwarze und Muslime besonders gefährdete potentielle Diskriminierungsopfer sind. Die von XENOS (Verein zur Förderung der soziokulturellen Vielfalt) initiierte Veranstaltungsreihe „Sucht und Rassismus“ möchte sich des Spannungsfeldes „Rassismus und Sucht“ mit Bezug zum öffentlichen Raum widmen. Edith Zitz ist tätig im angewandten diversity-Bereich und in der Erwachsenenbildung. Sie ist Geisteswissenschaftlerin mit juristischer Kompetenz. Von 1995-2010 war sie Landtagsabgeordnete der steirischen Grünen.
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EIN PARADIES – FÜR MENSCHENHÄNDLER Gastkommentar von Mary Kreuzer Das offizielle Österreich präsentiert sich auf internationalen und nationalen Konferenzen gerne als Vorreiter im Kampf gegen die moderne Sklaverei. „Im Paradies für Menschenhändler!“, wie uns ein ehemaliger Trafficker bei unseren Recherchen zur Publikation „Ware Frau“ über Frauenhandel von Nigeria nach Europa vor zwei Jahren glaubhaft versicherte. Glaubhaft, weil wir binnen kürzester Zeit mit einer Unzahl von Opfern in Kontakt treten, die uns erzählen, wie geschmiert und ungestört der Handel mit der Ware Zwangsprostituierte nach und in Österreich läuft. Da wären zunächst die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die eine legale Einreise für Drittstaatangehörige verunmöglichen. Für junge Frauen aus Afrika, Lateinamerika und Asien ist es unmöglich, mit einem regulären Arbeitsvisum einzureisen. Sie sind ausschließlich auf die Hilfe von Schleppern angewiesen, die sich nur zu oft als Menschenhändler erweisen. Die Reise Richtung „greener pastures“ – wie die Nigerianer sagen würden – entpuppt sich dann als Horrortrip ins Bordell, in die Fabrik, in die Ehe, etc. Weiters erleichtern korrupte österreichische Botschaftsangehörige den Menschenhändlern die Arbeit ungemein. Sieben Botschaften wurden in den letzten Jahren entdeckt, in denen Visa „irregulär“ vergeben wurden. Die Geschichte dieser Fälle ist eine der Verschleppung und Vertuschung – und zwar von höchster Stelle. Belgrad, Budapest, Kiew, Sarajewo, Ankara, Bukarest, Lagos. Alle sind klassische Herkunftsgebiete von Frauenhandel. Der erste Konsul, der verurteilt wurde, war der österreichische Konsul in Lagos in Nigeria: Im Jahr 2006 erhielt er zwei Jahre Haft (18 Monate wurden dem Mann bedingt nachgese-
hen), weil ihm in fast 700 Fällen nachgewiesen wurde, Visa „irregulär“ ausgestellt zu haben. Er habe die Botschaft in eine Visa-Fabrik umfunktioniert, warf ihm der Staatsanwalt vor. Haben es die Betroffenen von Frauenhandel nach Österreich geschafft – sei es mit einem gekauften oder gefälschten Visum, ist ihr nächster Berührungspunkt mit Behörden der Antrag auf Asyl. So stellen beispielsweise fast alle Nigerianerinnen einen Asylantrag, wenn sie in Österreich gelandet sind. Das tragen ihnen die Trafficker auf. Mit gutem Grund: Mit einem Asylantrag können ihre Opfer mehrere Jahre legal im Land bleiben. Sie dürfen keine normale Arbeit als Angestellte annehmen – in Österreich dürfen sie aber völlig legal in der Prostitution arbeiten. Und ist das Asylverfahren nach zwei bis vier Jahren abgeschlossen, werden die Opfer oft gerade dann, wenn sie die horrenden „Reiseschulden“ (bis zu 100.000 Euro und mehr) fertig abgezahlt haben, praktischerweise vom Staat abgeschoben. Denn Chancen auf Asyl haben die Frauen kaum: So liegt etwa die Anerkennungsquote von asylwerbenden NigerianerInnen in laut der jüngsten Asylstatistik des Innenministeriums im Jahr 2010 bei exakt 0 Prozent. (Stand Juni 2010) Das Asylsystem in Österreich mit seinen jahrelangen Wartezeiten arbeitet in die Hände der Trafficker. Alles läuft wie geschmiert. Der größte Schwachpunkt in der Bekämpfung des Frauenhandels ist jedoch der mangelnde Opferschutz. Solange die Betroffenen nicht sicher sein können, dass sie geschützt werden und damit rechnen können, dass ihre Anzeigen zu Erfolgen führen, und dass sie mit einer Aufenthaltssicherheit rechnen können, wird es nur wenige Verfahren gegen Menschenhändler geben. In den meisten Ländern Europas ist der Opferschutz eine unsichere Sache: Wird ein Opfer von Menschenhandel
identifiziert, hat es laut Beschluss des Europarates 30 Tage Zeit, sich zu einer Anzeige zu entschließen, und darf nicht abgeschoben werden. Experten fordern allerdings mindestens 90 Tage: So lange dauere es, bis Krankheiten wie Depressionen oder Post-traumatische Störungen so weit behandelt werden können, dass die Opfer fähig sind, eine so weitreichende Entscheidung zu treffen. Die Liste der staatlichen Versäumnisse im Kampf gegen Menschenhandel lässt sich nicht in einem kurzen Gastkommentar abhandeln. Mangelhafte Betreuungsangebote, der dubiose Verein „Menschenrechte Österreich“ und seine fatale Rolle in der Monopolisierung der Schubhaftbetreuung, der institutionalisierte Rassismus, nicht vorhandene Schulungen für RichterInnen, StaatsanwältInnen und PolizistInnen, fehlende Freieraufklärungskampagnen und vieles mehr wären Ansatzpunkte, um zumindest einen kleinen Schritt vom Menschenhändlerparadies hin zu einem Land zu machen, in dem jene Frauen, die monate- oder jahrelang in österreichischen Bordellen vergewaltigt oder in der Landwirtschaft und in (DiplomatInnen-) Haushalten versklavt wurden, ein Leben in Sicherheit und Würde beginnen könnten. Mary Kreutzer ist Ko-Autorin der Publikation „Ware Frau“ (Ecowin, 2008) und schreibt zur Zeit gemeinsam mit Alicia Allgäuer das Buch „In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum. Mutige Frauen berichten von ihrer Flucht aus Gewalt und moderner Sklaverei“ (Kösel, 2010), das Anfang September 2010 im Buchhandel erhältlich sein wird.
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WERNER KOGLER IM INTERVIEW Zu Bildungsprotesten, beschränktem Hochschulzugang, eigenem Spielraum und Studienexperimenten in einer Zeit vor dem UG2002. Von Evely Knappitsch und Bettina Pint Warum sollten Studierende grün wählen? KOGLER: Die Hauptfrage an den Universitäten – die Frage des freien Zugangs zu den Studien hängt tatsächlich in erster Linie mit den Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten zusammen und da sind unter den Parteien, die im österreichischen Parlament vertreten sind, die Grünen die, die sich ein paar Wahrheiten sagen trauen. Erstens: es muss mehr Geld in Universitäten und Bildung rein. Was jetzt droht – und wir kennen die BudgetAnsätze ja schon – ist eine Rasenmäher-Methode. Überall soll gespart werden – völliger Schwachsinn. Wir sind zwar auch für sparen, aber mit Herz und mit Hirn. Auf den Unis ist mit mehrprozentigen Kürzungen zu rechnen und das stellt die Universitäten vor fast unlösbare Probleme. Und deshalb ist die Alternative dazu, dass hier sehr wohl mehr Geld rein muss und soll. Wir sind die einzigen die von Anbeginn der Wirtschaftskrise gesagt haben, es wird nicht ohne Steuererhöhungen gehen. Die Frage ist nur wer zahlen soll. Die ArbeitnehmerInnen und der Massenkonsum werden in Österreich schon komplett hoch besteuert, also wird es letztendlich darum gehen, dass die Reichen, die Superreichen, die Banken, die Konzerne und ich sage das mit völliger Überzeugung – letztlich auch die Stiftungen ihren Beitrag werden leisten müssen und da geht’s um Milliarden. Wie stehen Sie zur Diskussion um einen beschränkten Hochschulzugang? KOGLER: Die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt locker darüber reden kann, dass man das nicht braucht oder das nicht will – und die Grüne Position ist ja das man das nicht will, ist eben, dass man mehr Ressourcen zur Verfügung stellt. Alles andere ist Scharlata-
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nerie. Wir lehnen Zugangsbeschränkungen ab, dies umso mehr, da wir, verglichen mit anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern eine AkademikerInnenquote haben, die wesentlich geringer ist. Ich verstehe überhaupt nicht wieso das Ziel immer mehr Zugangsbeschränkungen sein soll. An den Unis greift die Verschulung des Systems kontinuierlich um sich. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? KOGLER: Die zunehmende Verschulung ist aus meiner Sicht tatsächlich ein riesiges Problem weil damit auch sehr viel Kreativität zurückgedrängt wird – Ressourcen, die am Schluss viel mehr, ja sogar der Wirtschaft mehr bringen. Zu meiner Zeit war ja das noch nachweißlich besser und ich hab es auch genossen, in jeder Hinsicht. Ich bin ein Klassiker der nebenbei alles andere gemacht hat, ich habe es mir auch geleistet mehrere Studien zu inskribieren, habe dann letztlich eines fertig gemacht und ein anderes fast und habe es noch so machen können und dürfen, dass ich, obwohl Volkswirtschaftler, auch auf der Technik ein paar Sachen besucht habe und meine Professoren so waren, dass mich die auch durchaus immer wieder animiert haben, ich soll mir z.B. in Bologna auf der amerikanischen Universität was anhören. So bin ich sogar zu Gastvorträgen gekommen, obwohl ich noch Student war. Das war damals alles möglich, das ist heute fast nicht mehr denkbar. Viele Menschen die heute was geworden sind, haben sehr profitiert von dem System. Man kann sich anschauen, wie viele gute Leute über die Mindeststudienzeit gegangen sind, das ist überhaupt nicht das Kriterium, die Frage ist heute eher wer sich das leisten kann, tragischerweise.
Wie stehen Sie zu den Bildungsprotesten? KOGLER: Wie das losgegangen ist im vorigen Herbst war ich noch mehr in Wien und bin fast jeden 2. Tag hingegangen. Was ich sehr unterstütze sind Überlegungen ein Bildungsvolksbegehren anzudenken. Mit den neuen Methoden im Internet halte ich das für sehr mobilisierungsfähig. Das ist ja ein Kaputtsparen was an den Unis passiert, aber wenn das jetzt raus kommt im Herbst, was da alles droht, hoffe ich auf den nächsten Aufstand. Wie war es für Sie zu studieren? KOGLER: Ich hab es einerseits sehr genossen und hab auch gern studiert. Proteste hat es damals auch gegeben in zwei größeren Wellen. Ich war einmal unterstützend und einmal federführend bei diesen Rektoratsbesetzungen dabei. Wann? KOGLER: In den 80er Jahren und Anfang der 90er Jahre. Das hat ja schon damit zu tun gehabt, dass man gesehen hat, wo es hingeht, bei den neuen Studienplänen und die Plätze sind damals schon enger geworden, aber es war immer noch besser als heute, tatsächlich ja. Ich habe wirklich noch das Glück gehabt so studieren zu dürfen. Evelyn Knappitsch studiert Geschichte und ist seit Sommer 2009 im Pressereferat der ÖH-Uni Graz. Bettina Pint studiert Germanistik und ist seit Mai 2010 Pressereferentin.
„Ich heiße Evgenija, bin Serbin und schon länger hier als 5,4 Millionen ÖsterreicherInnen.“
WANN WIE WO WÄHLEN? Wann wird gewählt?
Wahltag: 26. September 2010 Vorgezogener Wahltag: 17. September 2010 / Graz: 13.00 – 20.00 Uhr (die genaue Wahlzeit wird von der Gemeinde kundgemacht - informiere dich bei deinem Gemeindeamt!) Wahlkarte/Briefwahl: Wahlkarten können bis 22. September bei der Gemeinde beantragt werden. Daraufhin hast du folgende Möglichkeiten: • Stimmabgabe mittels Briefwahl vom Inland oder vom Ausland • Stimmabgabe vor einer örtlichen Wahlbehörde in der Steiermark am Wahltag • Stimmabgabe vor einer „fliegenden“ Wahlbehörde, die dich am Wahltag aufsucht
Wo wird gewählt? Wer darf wählen?
Wahltag, 26. September: JedeR im zugeteilten Wahllokal Vorgezogener Wahltag, 17. September: mind. 1 Wahllokal pro Gemeinde Briefwahl: Wo man will! Wahlberechtigt sind alle österreichischen StaatsbürgerInnen mit Hauptwohnsitz in der Steiermark, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind. An der Wahl können nur Wahlberechtigte teilnehmen, deren Namen im abgeschlossenen WählerInnenverzeichnis der Gemeinde enthalten sind.
Details zu Graz: http://www.graz.at/cms/ziel/2226790/DE/ Details zu Steiermark: http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/beitrag/10158518/4515166/
Bau dir Dein GRAS Poster!