V + K = I

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[V+K=I ] Verantwortung + Kreativität = Innovation Die Mobiliar-Methode


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Vorwort

Die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist seit Gründung der Mobiliar im Jahr 1826 ein fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Seit rund drei Jahren entwickeln wir nun einen methodischen Ansatz, diese Verantwortung noch gezielter wahrzunehmen. Mit der «Mobiliar-Methode» möchten wir einen inspirierenden Nährboden schaffen, auf dem konstruktive Ideen und Impulse zu fertigen Lösungen heranreifen können. Wir sind der Überzeugung, dass nur durch die Vernetzung

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Die Mobiliar-Methode

und Bündelung verschiedener Kompetenzen nachhaltige Lösungen für die Zukunft entstehen können. In der vorliegenden Publikation stellen wir anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums unseres Kunstpreises «Prix Mobilière» fünf Bereiche vor, in denen wir uns auf unterschiedliche Weise mit nachhaltigen, verantwortungsvollen und kreativen Prozessen beschäftigen. Im ersten Kapitel präsentieren wir die neun Künstlerinnen und Künstler, die für den «Prix Mobilière» 2016 nominiert wurden. Ein spannender Querschnitt der jungen Schweizer Kunstszene.


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Vorwort

Das zweite Kapitel widmen wir dem «Mobiliar Forum Thun». Dort entwickeln wir einen besonderen methodisch-kreativen Ansatz zur Förderung der Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in der Schweiz. Im dritten Teil dieser Publikation dreht sich alles um den spezifischen Umgang der Mobiliar mit Kunst, sowohl im Hinblick auf die Mitarbeitenden als auch im Hinblick auf die Öffentlichkeit. Unsere Ausstellungsreihe «Kunst & Nachhaltigkeit» bietet dafür einen soliden Rahmen. Die jüngste Ausgabe dieser Ausstellungreihe widmeten

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Die Mobiliar-Methode

wir dem afrikanischen Künstler Romuald Hazoumè. Um sein aussergewöhnliches Werk kreist das vierte Kapitel. Im Anschluss daran präsentieren wir zwölf Porträts von Kolleginnen und Kollegen der Mobiliar: Auf eindrückliche Weise nähert sich die in Zürich lebende und international renommierte iranische Künstlerin Shirana Shahbazi dem Thema «Kunst in der Arbeitswelt». Im letzten Kapitel stellen wir ein Projekt des in Bern lebenden Schweizer Künstlers George Steinmann vor, das wir 2015 im Rahmen der Jubiläumsstiftung der Mobiliar unterstützt haben.


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Vorwort

Steinmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit und kommt zu faszinierenden Ergebnissen. Die genossenschaftliche Tradition der Mobiliar steht für einen verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Umgang mit gesellschaftlichen Werten. Mit der «MobiliarMethode» fördern wir das Vertrauen in die Gestaltungskraft. Deshalb unterstützen wir gezielt Forschungsprojekte an verschiedenen Universitäten und die Innovationskraft Schweizer KMU, fördern die Prävention vor Naturgefahren in Schweizer Regionen und bauen stetig unser Kunst- und

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Kulturengagement aus. Davon sollen nicht nur die Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden der Mobiliar profitieren, sondern auch die breite Allgemeinheit. Unser methodischer Ansatz basiert auf der Zusammenführung des Wissenstransfers zwischen Forschungs- und Praxiserfahrung mit kreativen Prozessen. Dabei ist es unser zentrales Anliegen, stets nah und persönlich an den Menschen in allen vier Sprachregionen der Schweiz zu handeln und ihre Bedürfnisse zu identifizieren, um unser Gesellschaftsengagement auch auf lokale Gegebenheiten auszurichten.


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Vorwort

Die Erfolgsformel der MobiliarMethode heisst «Verantwortung + Kreativität = Innovation»: Wir machen hervorragende Erfahrungen damit, Kunstund Kulturschaffende und ihre ganz spezifische Expertise aktiv in verschiedene Arbeitsprozesse und Projekte zu integrieren. Ihre Beiträge öffnen neue Perspektiven und helfen uns, nachhaltig und verantwortungsbewusst fit für die Zukunft zu bleiben: Die Innovationskraft der Kunst ist ein wesentlicher Bestandteil jedes Zukunftsprozesses. Markus Hongler, CEO Dorothea Strauss, Leiterin Corporate Social Responsibility


Inhaltsverzeichnis

6 Vorwort 17 20 Jahre Prix Mobilière Prix Mobilière 2016 61 Mobiliar Forum Thun KMU & Innovation 95 Kunst & Nachhaltigkeit Die Ausstellungsreihe 137 Romuald Hazoumè Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4 173 Shirana Shahbazi Kunst in der Arbeitswelt 189 George Steinmann Gletscherblues 208 Impressum


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20 JAHRE PRIX MOBILIÈRE Prix Mobilière 2016

20 Jahre Förderung junger Schweizer Kunst.


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Prix Mobilière 2016

DAS NOMINIERUNGSKOMITEE 2016

Joerg Bader Direktor Centre de la photographie Genève Daniel Baumann Direktor Kunsthalle Zürich Fanni Fetzer Direktorin Kunstmuseum Luzern Valérie Knoll Direktorin Kunsthalle Bern Stephan Kunz Direktor Bündner Kunstmuseum Chur Dorothee Messmer Direktorin Kunstmuseum Olten Agathe Nisple Kuratorin und Kunstvermittlerin, Appenzell Andreas Vogel Fachbereichsleiter Gestaltung und Kunst, Hochschule der Künste Bern HKB

DIE NOMINIERTEN KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER 2016

Mathis Altmann *1987 in München, Deutschland, lebt und arbeitet in Zürich Mirko Baselgia *1982 in Lantsch/Lenz, Schweiz, lebt und arbeitet in Graubünden Vittorio Brodmann *1987 in Ettingen, Schweiz, lebt und arbeitet in Zürich El Frauenfelder *1979 in Zürich, lebt und arbeitet in Zürich Florian Graf *1980 in Basel, lebt und arbeitet in Basel und Paris !Mediengruppe Bitnik Carmen Weisskopf, *1976 in Basel und Domagoj Smoljo, *1979 in Island Vis, Kroatien, leben und arbeiten in Zürich und London Vera Ida Müller *1979 in St. Gallen, lebt und arbeitet in Berlin Lena Maria Thüring *1981 in Basel, lebt und arbeitet in Zürich

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20 Jahre Prix Mobilière

DIE JURY

Daniel Baumann, Künstler, Burgdorf Bice Curiger, Direktorin Fondation Vincent van Gogh, Arles / Chefredakteurin «Parkett» Eva Linhart, Kuratorin, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main Dorothea Strauss, Leiterin Corporate Social Responsibility, Die Mobiliar, Juryvorsitzende Patrick Tharin, Leiter Werbung Vorsorge, Die Mobiliar Christoph Vögele, Konservator, Kunstmuseum Solothurn Bruno Zürcher, ehemals Die Mobiliar

DIE PREISTRÄGERINNEN UND PREISTRÄGER DES PRIX MOBILIÈRE SEIT 1996

1996 Francis Baudevin, Sylvie Fleury, Francesca Gabbiani, Dina Scagnetti, Sidney Stucki 1997 Reto Boller 1998 Thomas Popp 1999 Urs Fischer 2000 Frédéric Moser & Philippe Schwinger 2001 Michael Henry 2002 Yves Netzhammer 2003 Geneviève Favre 2004 Didier Rittener 2005 Anne-Julie Raccoursier 2006 Isabelle Krieg 2007 Beat Lippert 2008 Guillaume Pilet 2009 Alexandra Navratil 2010 Pauline Julier 2011 Athene Galiciadis 2012 Claudia Comte 2013 Roman Signer 2014 Anna Hilti 2015 Raphael Hefti


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Prix Mobilière 2016 20 JAHRE PRIX MOBILIÈRE! Karin Lange

Im Januar 2016 wird der «Prix Mobilière» zum zwanzigsten Mal vergeben – und ist somit der älteste Förderpreis für Schweizer Kunst, der von einer Schweizer Versicherung jährlich an eine junge Künstlerin oder einen jungen Künstler geht. Dotiert mit 15'000 Schweizer Franken ist er zugleich verbunden mit einem Werkankauf für die firmeneigene Kunstsammlung. 1996 in Nyon als Kunstpreis «Young Art» ins Leben gerufen, wurde er 2004 in «Prix Mobilière» umbenannt. Der international renommierte Künstler John Armleder präsidierte die erste Jury; verbunden war der Start mit einer umfangreichen Ausstellung. 2014 haben wir das Auswahlverfahren verändert: Seither werden jedes Jahr sieben bis acht Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler eingeladen, jeweils eine junge Position für den «Prix Mobilière» zu nominieren. Aus dem Kreis der nominierten Künstlerinnen und Künstler wählt die Jury die Preisträgerin beziehungsweise den Preisträger aus. Mit dem «Prix Mobilière» zeichnet die Mobiliar in erster Linie Kunstschaffende aus, die durch ihre Arbeit Anschlüsse an gesellschaftsrelevante Themen aufzeigen und damit auch entscheidende Impulse für das Verständnis unserer Zeit geben. Deshalb ankert die Vergabestrategie in einer breit gefächerten Netzwerkpflege, um so ganz verschiedene Anspruchsgruppen zu erreichen. Auch für das Jubiläumsjahr 2016 haben namhafte Kuratorinnen und Kuratoren einen spannenden Querschnitt der vitalen jungen Schweizer Kunstszene ausgewählt. Anlässlich des Jubiläums benannte die Jury am 11. Dezember 2015 zwei Preisträger, die den «Prix Mobilière» 2016 erhalten: Mathis Altmann und Vittorio Brodmann. Karin Lange, Fachspezialistin Kommunikation CSR Die Mobiliar

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Zitat

«Die Jury hat in ihrem 20. Jahr gleich zwei Künstler gewählt. Einen Bildhauer und einen Maler. Mathis Altmann und Vittorio Brodmann. Zwei künstlerische Positionen, die sich perfekt zu einem Statement der Gegenwart ergänzen. Der eine modelliert aus Abfall hochakkumulierte Skulpturen, der andere kombiniert klassische Malerei zur eigenwilligen Kunstpoesie.» Eva Linhart, Jurymitglied Prix Mobilière 2016, Kuratorin am Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

PRIX MOBILIÈRE 2016

Mathis Altmann / Vittorio Brodmann


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Mathis Altmann

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Prix Mobilière 2016

PSYCHO BOMBS, 2014 INSTALLATIONSANSICHT Freedman Fitzpatrick, Los Angeles, 2014 COURTESY Mathis Altmann & Freedman Fitzpatrick  FOTO Michael Underwood


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Mathis Altmann

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Prix Mobilière 2016

THE SEWAGER: ZWISCHEN KRIEG UND PARTY, 2015 AUSSTELLUNGSANSICHT Halle für Kunst, Lüneburg, 2015 COURTESY Mathis Altmann

40 DROPPINGS EVERY 24 HOURS, 2015 Beton, Metall, Holz, Kunststoff, LED-Licht, Miniatur-Dampfmaschine, Geschirrspüler  140 x 150 x 50 cm Halle für Kunst, Lüneburg, 2015 COURTESY Mathis Altmann

PRIX MOBILIÈRE 2016

Mathis Altmann

DIE ZONE, 2014 Beton Hähnchen- und Schweineknochen, Metall, Kunststoff, LED-Licht, Draht, Miniatur, Papier, 15 x 15 cm COURTESY Mathis Altmann & Freedman Fitzpatrick  FOTO Michael Underwood

«Altmanns Skulpturen entstehen aus dem Schutt und den Abfällen dieser Kultur, von der wir uns Prestige und Glück erhoffen.» Daniel Baumann über Mathis Altmann


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Mirko Baselgia

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Prix Mobilière 2016

ENDODERM (MARMOT BURROWS), 2012–2013 INSTALLATIONSANSICHT Bündner Kunstmuseum, Chur, 2013 COURTESY Bündner Kunstmuseum, Chur

HAA – SOZEIN TA PHAINOMENA, 2013 INSTALLATIONSANSICHT Bündner Kunstmuseum, Chur, 2013 COURTESY Bündner Kunstmuseum, Chur

TGAVAZZA DIGL BOV, 2014 Marmor, 55 x 22 x 17,5 cm COURTESY Mirko Baselgia


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Mirko Baselgia

«DIE VERBINDUNG KÜNSTLERISCHER FRAGESTELLUNGEN MIT GERADEZU WISSENSCHAFTLICHEN METHODEN FÜHRT IHN IMMER WIEDER ZU ÜBERRASCHENDEN LÖSUNGEN.»

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Prix Mobilière 2016

Stephan Kunz über Mirko Baselgia

RESTRUCTURAZIUN, 2014 INSTALLATIONSANSICHTEN Kunstmuseum Olten, 2014  COURTESY Kunstmuseum Olten


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Vittorio Brodmann

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Prix Mobilière 2016

DIVING FOR THEETH, 2015  Öl auf Leinwand,  42 x 55 cm COURTESY Private Sammlung, Schweiz FOTO Jan Vorisek

SCRAMBLED EGGS, 2013  Öl auf Leinwand, 120 x 95 cm COURTESY Private Sammlung, Schweiz FOTO Gregor Staiger


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Vittorio Brodmann

THE HEAD IS QUITE LIGHT, THE BOTTOM WEIGHS HEAVILY, 2013  Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm COURTESY Private Sammlung, Schweiz FOTO Gregor Staiger

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Prix Mobilière 2016

«Es sind Andeutungen abgründiger Höllen, angstbeladener Untiefen, die einen adressieren und fesseln. Es ist manchmal wie das Gefühl, wenn man lacht und im selben Moment bemerkt, dass man den Witz gar nicht verstanden hat.» PRIX MOBILIÈRE 2016

Valérie Knoll über Vittorio Brodmann

NO LONGER BRACKETED BUTT, 2013  Öl auf Leinwand, 43 x 50 cm COURTESY Private Sammlung, New York FOTO Gregor Staiger

Vittorio Brodmann


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El Frauenfelder

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Prix Mobilière 2016

AMERIKANISCHER MORGEN, 2014  Öl, Acryl und Spray auf Leinwand, 108 x 157 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich  FOTO Heinz Unger, Zürich

LANDSCHAFT MIT GEBÄUDE UND BAUM, 2015  Öl, Spray, Leinwand auf Leinwand, 130 x 179 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich FOTO Conradin Frei, Zürich

ZIERBÄUME UND BIRKE, 2012  Öl auf Leinwand auf Holz, 69 x 77 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich FOTO Flurin Bertschinger, Zürich

SCHEUNE, 2013   Öl auf Leinwand, 68 x 90 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich FOTO Flurin Bertschinger, Zürich


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El Frauenfelder

«IM ZENTRUM IHRES INTERESSES STEHT DAS SEHEN SELBST, DAS NICHT NUR EIN BEWUSSTER AKT IST, SONDERN AUCH DURCH DIE DABEI ERLEBTEN GEFÜHLE BEEINFLUSST WIRD.»

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Prix Mobilière 2016

MOTELZIMMER MIT FLASCHE, 2015  Öl und Spray auf Leinwand,  98 x 121 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich FOTO Karl Fülscher, Oberstammheim

Dorothee Messmer über El Frauenfelder

TISCHLAMPE MIT DOLLARS 2, 2014 Öl und Spray auf Leinwand, 50 x 65 cm COURTESY Galerie Brigitte Weiss, Zürich FOTO Heinz Unger, Zürich


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Florian Graf

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Prix Mobilière 2016

GHOST LIGHT LIGHT HOUSE, 2012 INSTALLATIONSANSICHT Bodensee Zeppelin Museum Friedrichshafen  COURTESY Florian Graf  FOTO Katja Bode

WATCH OUT, 2008  INSTALLATIONSANSICHT Edinburgh Art Festival  COURTESY Florian Graf  FOTO Julia Martin

BE, LEAVE, 2011 INSTALLATIONSANSICHT Abbatiale de Bellelay  COURTESY Florian Graf  FOTO Gina Folly


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Florian Graf

«Souverän bringt er unsere Erinnerung an Siedlungen in der Agglomeration oder an öffentliche Anlagen mit Merkmalen des guten Geschmacks und zeitgenössischen Designs zusammen.»

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Prix Mobilière 2016

Fanni Fetzer über Florian Graf

MOON CAGE, 2015 INSTALLATIONSANSICHT Wenkenhof in Riehen, Basel  COURTESY Florian Graf  FOTO Barbara Kern


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!Mediengruppe Bitnik

RANDOM DARKNET SHOPPER, 2014 Film-Still, Kunst Halle Sankt Gallen, 2014  COURTESY !Mediengruppe Bitnik  FOTO Gunnar Meier

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Prix Mobilière 2016

RANDOM DARKNET SHOPPER – THE BOTʹS COLLECTION, 2014 Film-Still  COURTESY !Mediengruppe Bitnik


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!Mediengruppe Bitnik

«FREIE RÄUME SIND IMMER SELTENER IN UNSEREN IMMER UMFASSENDER KONTROLLIERTEN GESELLSCHAFTEN. DER MARKT VERSPRICHT ALLES, ABER FREIHEIT IST KEINE WARE.»

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Prix Mobilière 2016

RANDOM DARKNET SHOPPER, 2014 AUSSTELLUNGSANSICHT Kunst Halle Sankt Gallen, 2014  COURTESY !Mediengruppe Bitnik  FOTO Florian Bachmann

Joerg Bader über !Mediengruppe Bitnik

RANDOM DARKNET SHOPPER – THE BOTʹS COLLECTION, 2014 AUSSTELLUNGSANSICHT Eigen + Art Lab, Berlin, 2015  COURTESY !Mediengruppe Bitnik


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Vera Ida Müller

EXTERNAL (TEIL 3 VON 3), 2015 INSTALLATIONSANSICHT Ehemaliges Mädchenheim Murg, Aussenraum  COURTESY Vera Ida Müller  FOTO Florian Bachmann Photography, Zürich

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Prix Mobilière 2016

WENDUNG 90°, 2012  Öl auf Leinwand, 240 x 130 cm COURTESY Vera Ida Müller  FOTO Florian Bachmann Photography, Zürich


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Vera Ida Müller

ANNÄHERUNG AN EINE LANDSCHAFT, 2014  Öl auf Leinwand, 180 x 240 cm COURTESY Vera Ida Müller  FOTO Florian Bachmann Photography, Zürich

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«Sie setzt mit ihren künstlerischintrospektiven Spaziergängen Bewegungsprozesse in Gang, die nicht vordergründig sichtbar sind, sondern sich auf metaphysischen Ebenen abspielen.» Agathe Nisple über Vera Ida Müller

EXTERNAL (TEIL 1 VON 3), 2015  Ehemaliges Mädchenheim Murg, Kapellenraum COURTESY Vera Ida Müller  FOTO Florian Bachmann Photography, Zürich

Prix Mobilière 2016


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Lena Maria Thüring

FUTURE ME, 2015  Video-Still  Museum für Gegenwartskunst Basel  COURTESY Lena Maria Thüring

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«Ihre bestens recherchierten, in kunstvolle (aber nie künstliche!) Sprache gefassten Videos umkreisen auf ganz verschiedenen Ebenen Fragen der Familie, der Herkunft, Erinnerung und Zugehörigkeit, und damit letztlich der Identität.» Andreas Vogel über Lena Maria Thüring

ZUP, 2011  Video-Still  Kunsthaus Baselland, Muttenz  COURTESY Lena Maria Thüring

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Lena Maria Thüring

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FUTURE ME, 2015 Video-Still  Museum für Gegenwartskunst Basel  COURTESY Lena Maria Thüring


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Statements / Biografien

MATHIS ALTMANN *1987 in München, Deutschland, lebt und arbeitet in Zürich

Daniel Baumann, Direktor der Kunsthalle Zürich: «2009 gründete Mathis Altmann zusammen mit Georg Blunier, Vittorio Brodmann und Gunnar Meier in Zürich den Ausstellungsraum ‹Paloma Presents›, von 2011 bis 2013 war er Mitorganisator des Ausstellungsraumes ‹New Jerseyy› in Basel, seit 2011 betreibt er gemeinsam mit Lhaga Koondhor und Jan Vorisek die ‹Clubnights H.O.M.E (House of Mixed Emotions)›, wo er regelmässig als DJ auftritt und für deren Anlässe er auch die Poster gestaltet. Tritt Altmann als Kurator, Musiker und Grafiker in der Öffentlichkeit auf, so spricht seine Kunst von der dunkleren Seite dieses vernetzten Daseins mit ihrem Zwang zu Profilierung, Aufmerksamkeit und wirtschaftlicher Verwertung. Altmanns Skulpturen entstehen aus dem Schutt und den Abfällen dieser Kultur, von der wir uns Prestige und Glück erhoffen. Es sind disproportionale Skulpturen für eine disproportionale Gegenwart.»

für Gegenwartskunst / Ooga Booga, Los Angeles / Lawrimore Project, Seattle / Kunstverein München / Charlottenborg, Kopenhagen / Kunsthalle Basel / Kunsthaus Glarus http://freedmanfitzpatrick.com/ artists/mathis-altmann/ MIRKO BASELGIA *1982 in Lantsch/Lenz, Schweiz, lebt und arbeitet in Graubünden

Stefan Kunz, Direktor des Bündner Kunstmuseums: «Mehrdimensionalität. Erstaunlich reif oder besser: ausgereift erscheinen Mirko Baselgias bisherigen Werke, präzise in der Form, sorgfältig in der Materialisierung und gedanklich fundiert. Vielleicht liegt gerade in der konzeptuellen Anlage seiner Werke der Grund für die überraschende Reife: Er lotet aus, was in einer Bildidee, einer Form, einem Material, einem Thema steckt. Statt aber all diese Gedankengänge assoziativ aneinanderzureihen, sucht er die Verdichtung, in jedem Werk aufs Neue. Mirko Baselgia betreibt umfangreiche Recherchen. Die Verbindung künstlerischer Fragestellungen mit geradezu wisSwiss Art Award, Atelierstipendium, senschaftlichen Methoden führt ihn Stadt Zürich, ZBK Kunstpreis immer wieder zu überraschenden Frieze New York / Halle für Lösungen. Er legt sich auf kein Kunst, Lüneburg / Kunsthalle Bern / Medium, auf keine Formensprache Der TANK, Basel / High Art, Paris / und auch auf kein bestimmtes Marbriers 4, Genf / Pro Choice at Material fest, sondern entwickelt Shananay, Paris / Freedman jedes Werk von Grund auf neu. Fitzpatrick, Los Angeles / Centre Seine skulpturalen Arbeiten überzeuNational d’Art Contemporain, gen in ihrer ästhetischen Gestalt Grenoble / Plymouth Rock, Zürich / und materiellen Ausführung ebenso Halle für Kunst & Medien, Graz / wie als plastische Setzungen im Office Baroque, Brüssel / Graff Raum. Darüber hinaus lassen sie Mourgue D’Algue, Genf / Kunsthalle sich auch als Sinnbilder begreifen, Freiburg / Autocenter, Berlin / die formale Strukturen und räumliKunsthalle Zürich / Coalmine, che Gegebenheiten als Ausdruck Winterthur / Kunsthalle Bern / ganz unterschiedlicher Bedingungen 1m3, Lausanne / Elaine Museum reflektieren.»

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Prix Mobilière 2016

Manor Art Price Chur, Kiefer Hablitzel Preis, Willi Reber Stiftung Promotion Price, Promotion Price of Canton Grisons Kloster Schönthal, Baselland / Embassy of Switzerland in Libanon, Beirut / Galerie Pesko, Lenzerheide / Vonlanthen, Chur / Galerie Heinzer Reszler, Lausanne / Kunstmuseum Olten / Raum für aktuelle Kunst, Luzern / Bündner Kunstmuseum, Chur / Galerie Edition Z, Chur / Herrmann Germann Contemporary, Zurich / Museum für Gestaltung, Zurich / Gebert Stiftung für Kultur, Alte Fabrik, Rapperswil / Kornhausforum Bern / Stalla Madulain / Forum Vebikus, Schaffhausen / Vias d’art Pontresina / Sonnenstube, Lugano / Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz / Kunsthaus Glarus / Swiss Art Awards, Basel / IRBIS -12°, Kunstruiert, Samedan / Stadtgalerie im Rathaus, Chur / Corner College, Perla Mode, Zürich www.baselgia.com VITTORIO BRODMANN *1987 in Ettingen, Schweiz, lebt und arbeitet in Zürich

Valérie Knoll, Direktorin der Kunsthalle Bern: «Vittorio Brodmann macht keinen Hehl daraus, dass ihn das Genre der Komödie und im Besonderen die Stand-up-Comedy interessieren. In Performances, die er ab und an aufführt, hat er sich dieser bereits mehrfach angenommen und eigene Sets vor Publikum aufgeführt. Eine gute Pointe will gelernt sein, und das Leichtfüssige fusst manchmal auf viel Präzisionsarbeit, ist eine grosse Kunst, gerade in der Malerei. Und Brodmann ist zuallererst ein Maler, dessen Bilder von einer eklatant eigenständigen Bildsprache geprägt sind. Brodmanns Motive scheinen mit einer vermeintlichen Unbeschwertheit gepinselt,

der Duktus ist ein leichter. Doch die ausgeklügelten Figurationen, die dynamisch ineinander- oder zerfliessenden Figuren, der souveräne Umgang mit raumkompositorischen Fragen lassen langwierige Entscheidungsprozesse vermuten. Brodmanns Bildern ist immer ein irritierender Zwiespalt inne, der herausfordert. Zwischen Scherzen und einem dunklen Unbewussten, zwischen sattelfester Pointe und Unsicherheit. Es sind Andeutungen abgründiger Höllen, angstbeladener Untiefen, die einen adressieren und fesseln. Es ist manchmal wie das Gefühl, wenn man lacht und im selben Moment bemerkt, dass man den Witz gar nicht verstanden hat.» 2011, ZKB Kunstpreis Freedmann Fitzpatrick, Los Angeles / Gregor Staiger, Zürich / 21er Raum – 21er Haus, Wien / Leslie Fritz Gallery, New York / Graff Mourge D’Algue, Genf / Villa Flora, Winterthur / Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich / Swiss Institute, New York / Gavin Brown’s Enterprise, New York / Life Gallery at Vilma Gold, London / Modern Art, London / UPSTATE, Zürich / The Approach, London / Marbriers 4, Genf / Martos Gallery, New York / The Ister, Paris / Christian Andersen, Kopenhagen / Taylor Macklin, Zürich / Carlos/ Ishikawa, London / High Art, Paris / Badischer Kunstverein, Karlsruhe / D.R.E.S.S.I.N.G., SPACE, London / Halle für Kunst, Lüneburg / Galerie Tobias Naehring, Berlin / Nicolas Krupp, Basel / CEO Gallery, Malmõ / Gallery, London / Dingum, Berlin / Oslo Fine Art Society, Oslo / Le dé, COCO, Wien / Kunsthalle Bern / Sandy Brown, Berlin / Renwick Gallery, New York / Prag Biennale 5, Prague / Milieu,


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Statements / Biografien

Bern / Agent Double, Genf / Kunsthaus Glarus / Espace Abraham Joly, HUG, Genf / Darsa Comfort, Zürich / 1m3, Lausanne / Karma International, Zürich http://freedmanfitzpatrick.com/ artists/vittorio-brodmann/

Manor-Kunstpreis Kanton Zürich, Zolliker Kunstpreis, Werkbeitrag des Kantons Zürich, Werkbeitrag Suomen Taideyhdistys, Helsinki (Finnischer Kunstverein), Swiss Films – Teilnahme am 6. China Independent Film Festival, Nanjing, Werkstipendium der Stadt Zürich, Kiefer Hablitzel Preis EL FRAUENFELDER * 1979 in Zürich, Galerie Brigitte Weiss, Zürich / lebt und arbeitet in Zürich Die Diele, Zürich / Substitut, Berlin / Stiftung Binz 39, Zürich / Dorothee Messmer, Direktorin Espace d’art contemporain, Genf / des Kunstmuseums Olten: «El Kunstmuseum Winterthur / Frauenfelders Werk überzeugt trotz Nextex, St. Gallen / Galerie am ihres jungen Alters durch eine hohe Qualität, Eigenständigkeit und Leewasser, Brunnen / Divoinstitut, Prag / Kunstmuseum Thun / CAN Reife. Seit ihrem Studium setzt Centre d’Art Neuchâtel / sie sich intensiv mit dem Wesen der Terminal P, Balsberg-Kloten / Malerei auseinander. Ihre Bilder zeigen meist Momentaufnahmen von Helmhaus Zürich / Kunsthaus Zürich / Zwischenlager, Ankäufe der menschenleeren Landschaften, Stadt Zürich 06-10, Helmhaus unscheinbaren Gebäudeflächen und Zürich / F+F, Zürich / Amos kantigen Ausschnitten von Innenräumen, die sie auf ihren Streifzügen Anderson Art Museum, Helsinki www.likeyou.com/brigitteweiss mit der Kamera festhält und im Atelier malerisch umsetzt. Mit dem Spachtel, durch Schaben oder FLORIAN GRAF *1980 in Basel, lebt und arbeitet in Kratzen, bearbeitet sie die MalschichBasel und Paris ten und lässt die Bilder roh und Fanni Fetzer, Direktorin des unmittelbar auf unsere Augen einKunstmuseums Luzern: «Wer es weiss, wirken. Collagen und gesprayte Flächen wechseln mit dick aufgetra- erkennt in Florian Grafs Werken immer seine Herkunft aus der Archigenen Malschichten ab. tektur. Wer es nicht weiss, stolpert Den Malprozess beschreibt visuell zuerst einmal über sehr eigendie Künstlerin als Kampf mit den scheinbar festgeschriebenen Gesetzen willige skulpturale Entwürfe. Denn bei Florian Graf kann ein und der Malerei, die es zu besiegen gilt. Im Zentrum ihres Interesses steht das dieselbe Form eine Vase sein, ein Treppenaufgang, eine Gebäudeecke Sehen selbst, das nicht nur ein bewusster Akt ist, sondern auch durch oder eine postmoderne Brunnenanlage. Souverän bringt er unsere die dabei erlebten Gefühle beeinflusst wird. Damit stimuliert sie auch Erinnerung an Siedlungen in unsere festgefügten Wahrnehmungs- der Agglomeration oder an öffentliweisen und ermöglicht es uns, durch che Anlagen mit Merkmalen des die Betrachtung dieser eigenwilligen, guten Geschmacks und zeitgenössischen Designs zusammen. Zum hintergründigen und merkwürdigen Glück hat der Künstler die ArchiBilder die Grundbedingungen des Bildermachens und jene der Bildwahr- tektur mit ihren strikten Normen, den engen Investmentvorgaben und nehmung neu erproben zu können.»

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Prix Mobilière 2016

rigiden Baugesetzen zugunsten der Kunst aufgegeben: Seine hintergründigen Fragestellungen und seine übermütigen Umsetzungen lassen uns gesellschaftliche Bezüge erkennen – und dies auf äusserst vergnügliche Art!» Cité Internationale des Arts, Kulturförderpreis der Alexander Clavel Stiftung, Swiss Art Award, Stipendium der Albert Friedrich His-Stiftung (Kunsthalle Basel), Werkbeitrag Ausserrhodische Kulturstiftung, Membro Istituto Svizzero Roma, DAM International Architectural Book Award, Fellow Sommerakademie ZPK, Scholarship ZF Kunststiftung, Residency IAAB Berlin, Honorable Jury Mention, Collection Cahiers d’Artistes, First Prize Competition Abbatiale de Bellelay Kunst Halle Sankt Gallen / Villa Wenkenhof, Basel / Grieder Contemporary, Zürich / Krasnojarsk Museum Center, Krasnojarsk / Wettsteinplatz, Art Basel / Zeppelin Museum, Friedrichshafen / Film Festival Locarno / Abbatiale de Bellelay, Unterholz / Galleria Edizioni Periferia, Luzern / Curtat Tunnel, Lausanne / Special Projects, Art Chicago / Kunsthalle Basel / Christie’s, New York / Schwarzwaldallee, Basel / Art Altstetten Albisrieden, Zürich / Kunstsammlung der Schweizerischen Post, Kornhausforum Bern / Ausstellungsraum Klingental, Basel / Triennale de sculpture, Bex / Stadt Zug / Krasnojarsk Book Fair, Krasnojarsk / HKB, Bern / Kunstraum Riehen / Bâtiment d’art contemporain, Genf / Städtisches Museum Heilbronn / Kunstmuseum Olten / Galerie Hollenstein, Lustenau / Galerie ELAC, Lausanne / Tom Bola, Zürich / Centre d’art

contemporain, Besançon / iaab project space, Basel / ia2 Vico Morcote / Sihlquai 55 Offspace, Zürich / Kunstkasten Herisau / Moscow Biennale for Young Art, Moscow Museum of Modern Art / Xuzhou Museum, China / Gallery X SAIC, Chicago www.floriangraf.ch !MEDIENGRUPPE BITNIK Carmen Weisskopf, *1976 in Basel, und Domagoj Smoljo, *1979 in Island Vis, Kroatien; leben und arbeiten in Zürich und London

Joerg Bader, Direktor des Centre de la photographie in Genf: «Freie Räume sind immer seltener in unseren immer umfassender kontrollierten Gesellschaften. Der Markt verspricht alles, aber Freiheit ist keine Ware. Wenige Künstler nutzen das Versprechen der Freiheit der Kunst und schaffen mit Mitteln der Ästhetik Räume für gesellschaftliche Diskussion. Das Künstlerkollektiv !Mediengruppe Bitnik gehört zu ihnen. Nicht nur schaffen sie Freiräume hier und jetzt, sie nutzen auch Techniken ihrer Zeit. Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit. Arbeiten wie ‹Download Finished› (2006), ‹Opera› Calling (2007), ‹UBS lügt› (2009), ‹Surveillance Chess› (2012), ‹Delivery For Mr. Assange› (2013) und ‹Random Darknet Shopper› (2014/2015) bedienen sich zeitgenössischer Kommunikationsmedien (darunter Euro-Format-Plakate, Internet, Telefon, Onlineshopping, TrackingServices), um aktuelle Themen zu hinterfragen, zum Beispiel das Autorenrecht, Staats- und Unternehmensgeheimnisse, Drogenverbot oder Überwachungskameras. Swiss Art Award, Migros New Media Jubilee Award, Golden Cube Dokfest Kassel, Honorary Shanghai


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Statements / Biografien

Minsheng 21st Century Museum / City Art Gallery Ljubljana / Kunsthaus Zürich / NiMk Amsterdam / Space Gallery, London / Cabaret Voltaire, Zürich / Beton7, Athen / Museum Folkwang, Essen / Contemporary Art Center Vilnius / La Gaîté Lyrique, Paris / Gallery EDEN 343, São Paulo / Roaming Biennial Tehran / ICA London / CCCB Barcelona / HOPE New York / Lentos Museum Linz / Kunsthalle Zürich / Videonale Bonn / FILE São Paulo www.bitnik.org VERA IDA MÜLLER *1979 in St. Gallen, lebt und arbeitet in Berlin

Agathe Nisple, Kuratorin und Kunstvermittlerin: «Auf dem Boden der Malerei entwickelt Vera Ida Müller ihre eigene künstlerische Sprache, die sie von konkreten Umsetzungen in die Abstraktion und zu konzeptionellen Environments führt. Den klassischen Bildraum sprengt sie auf, lässt Malerei im Raum weiterfliessen. Sie erzählt keine Geschichten, sondern schafft Stimmungen und Atmosphären, die zu Erfahrungs- und Denkräumen werden. Dabei lässt sie sich gerne auf vorgegebene Orte und Situationen ein. Sie setzt mit ihren künstlerischintrospektiven Spaziergängen Bewegungsprozesse in Gang, die nicht vordergründig sichtbar sind, sondern sich auf metaphysischen Ebenen abspielen. Im ständigen Dialog mit Wahrnehmungsgrundsätzen und dem unverhofft Zugefallenen generiert sie eigene Verknüpfungen und öffnet neue Perspektiven.» Werkbeitrag Kanton St. Gallen, Reisestipendium Kunstverein Winterthur, Artist in Residence, Malzfabrik Berlin

Station Agathe Nisple, Appenzell / Galerie Christian Roellin, St.Gallen / Cahannes Architektur, Brigels / Kunsthalle Winterthur / Kunstverein Konstanz / www.geilerblock.wordpress.com, St. Gallen / ehemaliges Arbeiterinnenheim, Murg / Hermann Germann Contemporary, Zürich / Galerie Paul Hafner, St. Gallen / Hermann-Hesse-HöriMuseum, Gaienhofen / Vorarlberger Landes-bibliothek, Bregenz / Helmhaus Zürich / Galerie Katz Contemporary, Zürich / HEIDI & KLARA, Maienfeld / IRBIS 12, Samedan / Kunsthaus Baselland / GSH Wettingen / Stiftung District, Berlin / Dienstgebäude, Zürich / Visarte Ost, St. Gallen / Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil-Jona / Verein für Originalgraphik, Zürich www.veraidamueller.ch LENA MARIA THÜRING *1981 in Basel, lebt und arbeitet in Zürich

Andreas Vogel, Fachbereichsleiter Gestaltung und Kunst an der HKB Bern: «Bereits in ihren ersten grossen Videos legte die 1981 in Basel geborene Lena Maria Thüring sowohl die Themen als auch die Mittel ihrer künstlerischen Arbeit auf enorm hohem Niveau vor. Als wichtige Vertreterin der aktuellen, jungen Schweizer Videokunst löst sie in ihrem Werk die Grenzen zwischen Fiktion und Realität auf stupende Weise auf. Ihre bestens recherchierten, in kunstvolle (aber nie künstliche!) Sprache gefassten Videos umkreisen auf ganz verschiedenen Ebenen Fragen der Familie, der Herkunft, Erinnerung und Zugehörigkeit, und damit letztlich der Identität. Thürings filmische Annährungen an ihre Protagonistinnen finden ihr Setting im bürgerlichen, aber

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Prix Mobilière 2016

verwunschenen Familiengarten ebenso wie in der Trostlosigkeit französischer Banlieues am Rande nicht nur der Stadt, sondern auch der Hoffnung, dort je herauszukommen.Und sie führen in palästinensische Konfliktzonen wie auch auf die Weltmeere des globalen Handels. Ihre stets unaufgeregte, immer präzise Bildsprache hat sie im Verlauf der letzten Jahre nochmals enorm entwickelt, die inhaltliche und literarische Prägnanz ihrer selbstgeschriebenen und arrangierten Texte weiter verfeinert – und damit bislang ein unverwechselbares und reifes Werk vorgelegt.» Manor Kunstpreis Basel, Werkbeitrag, Kanton Zürich, Werkbeitrag, Stadt Zürich, Preis Kiefer Hablitzel Stiftung, Swiss Art Award, Atelierstipendium, New York

Kunstmuseum Bern / Museum für Gegenwartskunst, Basel / Xenix, Zürich / Museum für Gegenwartskunst, Basel / Kino Kunstmuseum Bern / Kunsthaus Baselland, Muttenz / sic Elephanthouse, Luzern / EWZ, Zürich / Kathedrale, Olten / Perla-Mode, Zürich / Museum Langmatt, Baden / Kantonsschule Zürich Nord, Zürich / Kunsthaus Baselland, Muttenz / Haus der Kulturen, Berlin / Palais de Tokyo, Paris / Galerie C, Neuchâtel / Schaulager, Basel / Helmhaus, Zürich / Video Art Festival, Havanna / Kunsthaus Langenthal, Bern / Dumbo Arts Center, Brooklyn, NY / Video Art Festival, Staten Island, NY / Dienstgebäude, Zürich / Museo Reina Sofia, Madrid http://www.lenamariathuering.ch


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MOBILIAR FORUM THUN KMU & Innovation

Das Mobiliar Forum Thun ist eine zukunftsweisende Partnerschaft zwischen der Mobiliar, zwei Universitäten und drei Moderatoren: Ideen-Workshops zur Stärkung und Weiterentwicklung der Innovationskraft von Schweizer KMU. Es folgen ein Einblick in die Methode und eine filmische Tour d’Horizon durch drei Workshops, die jeweils zweieinhalb Tage im Mobiliar Forum Thun 2014/2015 stattgefunden haben. Ausgangsfrage der Berner Kraftwerke (BKW): Was ist Energie sonst noch? Ausgangsfrage peka-metall AG: Wie sieht der Spiegelschrank 3.0 aus? Ausgangsfrage Ernst Schweizer Metallbau AG: Welche Veränderungen müssen rund um die Paketbox getroffen werden (Produkt selbst, Marketing-Mix, usw.), um den Absatz markant zu steigern?


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Mobiliar Forum Thun

«FEHLENDE INNOVATION IST EINES DER GRÖSSTEN RISIKEN IN EINEM UNTERNEHMEN. DA ES NICHT VERSICHERBAR IST, WOLLEN WIR UNSEREN KUNDEN AUF DIESE SEHR PROGRESSIVE WEISE HELFEN, IHRE ZUKUNFT ABZUSICHERN.» Markus Hongler, CEO Die Mobiliar

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Zitate

«Im Mobiliar Forum Thun wird auf eine ganz neue Art Wissen verknüpft – und dabei trotzdem strukturiert vorgegangen.» Suzanne Thoma, CEO BK W Gruppe


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Mobiliar Forum Thun

«INNOVATIONEN SIND FÜR EIN UNTERNEHMEN UNUMGÄNGLICH. OFT SIND WIR IM ALLTAG SO STARK EINGEBUNDEN, DASS KAUM FREIRAUM FÜR DIE ENTWICKLUNG VON NEUEN PRODUKTIDEEN BLEIBT. IM MOBILIAR FORUM THUN KONNTEN WIR AUF PRAKTISCHE ART UND WEISE INNERHALB KURZER ZEIT EINE INNOVATIVE, BEDÜRFNISORIENTIERTE LÖSUNG ERARBEITEN. UNSER TEAM WAR VOM WORKSHOP BEGEISTERT.» Beni Weber, CEO peka-metall AG, Leiter Produktion und Technik

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Zitate

«Wir konnten uns viel erarbeiten, das Teamwork verstärken, gegenseitig Verständnis gewinnen und vor allem sehr schnell illustrative Prototypen bauen, die für alle Mitarbeitenden im Unternehmen die zu erwartenden Innovationen greifbar machen.» Dr. Frank Bose, CEO Essemtec AG

«Wir haben richtig Herzblut bekommen, um dann arbeiten zu können. Wir sind eigentlich begeistert. Nach zwei Tagen können wir ja hier schon Vorführungen machen. Man könnte es schon fast verkaufen! Ansonsten hätten wir nach zwei, drei Wochen, oder nach zwei Monaten noch nicht so viel.» Markus Loher, Leiter Entwicklung peka-metall AG


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Mobiliar Forum Thun

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Beni Bischof

Die Prozesse des Mobiliar Forum Thun, kĂźnstlerisch interpretiert von Beni Bischof, KĂźnstler (*1976, CH)


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Mobiliar Forum Thun

EINE NEUE ART UND WEISE FÜR S CHWEIZER KMU, ZU INNOVATIVEN IDEEN ZU KOMMEN Dorothea Strauss

Kundenbedürfnisse ändern sich immer schneller. Neue Technologien wecken neue Bedürfnisse, und der internationale Wettbewerb verschärft sich mit zunehmender Globalisierung. Damit Unternehmen auch in Zukunft bestehen können, müssen sie – mehr denn je – über Innovationsfähigkeit verfügen. Einen Mangel an Innovationskraft oder Kreativität können wir bei der Mobiliar zwar nicht versichern, doch wir können Rahmenbedingungen schaffen, die eine Innovationsentwicklung unterstützen. BEWÄHRTE STRUKTUREN HINTERFRAGEN

Für manche unternehmerischen Fragestellungen reichen Papier, Bleistift und Powerpoint einfach nicht aus, neue Ideen und Impulse brauchen auch neue Werkzeuge. Um sich weiterzuentwickeln, ist es nicht nur für jeden Einzelnen, sondern auch für ein gesamtes Unternehmen wichtig, bewährte Strukturen und Handlungsfelder zu hinterfragen. Wie aber kann man die gewohnten Pfade verlassen? PRAXIS UND FORS CHUNG

In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der TechnischNaturwissenschaftlichen Universität in Trondheim, Nordwegen, haben wir ein Verfahren entwickelt, das kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei unterstützt, ihre Innovationskraft zu stärken: Während jeweils vier Monaten im Jahr (April/Mai und Oktober/November) bietet die Mobiliar seit Herbst 2014 im Mobiliar Forum Thun auf dem Schlossberg Thun zweieinhalbtägige IdeenWorkshops an, die für KMU ausserordentlich produktiv und ergebnisorientiert sind. Die Workshops sind eine eigenständige Weiterentwicklung der sogenannten Stanford Methode, einer in der Grossindustrie und im Design erfolgreichen Praxis zur Entwicklung neuer Ideen.

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Methode

DREIDIMENSIONALIÄT, KUNDENPERSPEKTIVE, KREATIVITÄT, PROFESSIONALITÄT

Unsere Innovationsworkshops basieren auf vier wichtigen Eckpfeilern. Erstens auf der konkreten, räumlichplastischen Umsetzung von Ideen. Die Teilnehmenden entwickeln in rascher Abfolge immer wieder neue Prototypen: Es wird gebaut, gesägt, geklebt, gebastelt, und dies unter einem produktiven Zeitdruck und unter fachkundiger Leitung. Doch ebenso wichtig wie das «Prototyping» und der andauernde Austausch ist zweitens die konsequente Kundenperspektive: Die Kundinnen und Kunden zu kennen, sie zu verstehen, ist zentral. Entlang einer kreativen «Customer Journey» werden daher alle Ideen aus der Perspektive von Anspruchsgruppen entwickelt. Ein dritter wichtiger Faktor ist die Atmosphäre: In den speziell eingerichteten Räumen gehen die Teilnehmenden im Mobiliar Forum Thun auf eine faszinierende Reise zu ihrem kreativen Potenzial, denn für den Erfolg der Workshops ist es auch wichtig, aus seinem normalen Alltag herauszukommen. Im New Yorker Raum etwa soll man niemals stillstehen, immer in Bewegung bleiben. In einem Setting, das an das New Yorker Strassenleben erinnert, arbeitet man in kleinen Gruppen, tauscht sich aus, präsentiert sich gegenseitig die Ergebnisse. Möchte man mal ganz in Ruhe etwas besprechen, kann man sich z.B. in ein mongolisches Jurte-Zelt zurückziehen, das umgeben ist von einem Kräutergarten. Oder man arbeitet in den Werkstatträumen mit ganz verschiedenen Materialien und produziert am 3D-Drucker neue Prototypen: Während der zweieinhalb Tage ist man immer aktiv. Deshalb ist viertens auch die fachkundige Moderation massgeblich: Begleitet wird man von einem hochprofessionellen Moderatorenteam im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der beiden Universitäten und der Mobiliar.


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Mobiliar Forum Thun GEMEINSAM ERFOLGREICH

Gute Teams sind erfolgreich, deshalb steht die Teamarbeit im Zentrum der Workshops: Zwischen 8 und 16 Personen eines Unternehmens arbeiten mit Gästen wie z.B. Künstlern während der zweieinhalb Tage gemeinsam und intensiv an der Zukunft einer neuen Technologie, eines neuen Produktes oder an der Zukunft des gesamten Unternehmens. Unsere Workshops sollen einen Anstoss zur Weiterentwicklung liefern, einen frischen, produktiven Team- und Erfindergeist entfachen und damit Grundlagen für neue Wege schaffen. Deshalb ist es für den Erfolg eines Workshops auch von Bedeutung, dass ein echtes Bedürfnis nach Veränderung besteht. Die Fragestellung, mit der ein Unternehmen startet, wird bereits im Vorfeld mit unseren Moderatoren, mit Vertretern unserer Partner-Universitäten und weiteren Expertinnen und Experten aus dem Mobiliar-Team präzisiert, aber im Laufe des Workshops auch immer wieder kritisch überprüft. Martin Steinert, Professor an der TechnischNaturwissenschaftlichen Universität in Trondheim, sagte anlässlich der Eröffnung des Mobiliar Forum Thun: «Ein normales Brainstorming schafft eigentlich nur Ideen. Wir bauen konkrete Lösungen und testen diese Lösungen. Das heisst, wir gehen durch diese verschiedenen Zyklen durch. Wir sind wesentlich angewandter. Wir verschwenden unsere Zeit nicht damit, abstrakte Optimierungen zu machen. Wir philosophieren nicht herum, sondern wir bauen, testen, verbessern, lernen.»

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Fakten in Kürze DAS ZIEL

Sie suchen neue Betätigungsfelder, Produkte oder Dienstleistungen? Sie möchten sich zusätzliche Kundensegmente oder neue Märkte erschliessen? Sie wollen Bestehendes grundsätzlich und radikal überdenken? Die Workshops im Mobiliar Forum Thun richten sich an Schweizer Unternehmen, die sich zukünftigen Herausforderungen stellen wollen und bereit sind, dafür unkonventionelle, aber erprobte Wege zu beschreiten. DIE ERFOLGSFAKTOREN

Idealerweise setzt sich das Team aus 8–16 Personen zusammen, unter denen sich auch wichtige Entscheidungsträger und Vertreter unterschiedlicher Abteilungen befinden sollten. Denn das Mobiliar Forum Thun bringt eine radikale Aussensicht ins Spiel und hilft dabei, bestehende interne Schranken zu überwinden. Wenn auch die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer teilnehmen kann, sind die Erfolgschancen umso grösser. DER ORT

Wir heissen Sie in einzigartig gestalteten Räumen im über 800-jährigen Schloss Thun willkommen – mit Blick in eine bewegte Geschichte, in eine innovative Zukunft und mit Ausblick auf die Alpen. DIE TERMINE

Im April, Mai, Oktober und November, jeweils 2,5 Tage ab Montagmorgen und Mittwochmittag DIE KOSTEN

Die Mobiliar übernimmt die Kosten für die Workshops. Die teilnehmenden Unternehmen tragen die Kosten für Übernachtung und die Verpflegung am Abend.


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Mobiliar Forum Thun

Das Mobiliar Forum Thun im Schloss Thun

Wir sind hier am hรถchsten Punkt der Stadt, mit einer wunderschรถnen Weitsicht. Weitsicht brauchen wir auch in der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Von hier aus sollen viele neue Ideen der Schweizer KMU entstehen.


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Impressionen aus den Workshops

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Der Workshop startet.

Nochmals die Ausgangslage klären: Stellen wir die richtigen Fragen für unsere Entwicklung?

Welches Bild machen sich die WorkshopTeilnehmer von ihren Kundinnen und Kunden?

«Ein Unternehmen, das hier nach Thun kommt, geht raus aus dem Alltag, hat multidisziplinäre Teams, um konzentriert zu arbeiten und sich der Zukunft zu widmen.» Ina Goller, Moderatorin

Die Perspektive der Kunden einnehmen: Wie leben sie, was tun sie, welche Betätigungsfelder sind für sie wichtig?

Suchen, sammeln, strukturieren: Alle Ideen werden festgehalten.

«Es geht primär darum, dass wir in diese Lebenswelt eintauchen, dass wir Diskussionen führen über das Leben der unterschiedlichen Personen.» Florian Baumgartner, Moderator


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Mobiliar Forum Thun

«Ein normales Brainstorming schafft eigentlich nur Ideen. Wir bauen konkrete Lösungen und testen diese Lösungen. Das heisst, wir gehen durch diese verschiedenen Zyklen durch. Wir sind wesentlich angewandter. Wir verschwenden unsere Zeit nicht damit, abstrakte Optimierungen zu machen. Wir philosophieren nicht herum, sondern wir bauen, testen, verbessern, lernen.» Professor Martin Steinert, Universität Trondheim, Norwegen

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Die Räume des Mobiliar Forum Thun bieten aussergewöhnliche Voraussetzungen für ein neues, kreatives Denken: Man kann sich auch in ein Jurte-Zelt zurückziehen, diskutieren, skizzieren, sich austauschen.


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«Wir haben einen halben Tag investiert, um die Fragestellung zu präzisieren.» Pierre Yves Caboussat, Moderator

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Die Mobiliar-Methode

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Die Mobiliar-Methode


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Impressionen aus den Workshops Für die Anfertigung der Prototypen werden verschiedene Techniken und Materialien genutzt.

Von der Idee zum greifbaren Produkt: ein spannender Prozess!

Im Medienraum des Mobiliar Forum Thun werden erste Dokumentationen erstellt.

«Man sitzt nicht nur zusammen, studiert und skizziert und wägt Theoretisches ab. Es ist einfach extrem praxisorientiert. Es ist ein Prozess, den man vielleicht in der Theorie lernen kann, aber so, wie die ganze Gruppe das hier gemeinsam erlebt, da glaube ich, ist der Weiterbildungseffekt, neben dem Produkt, enorm gross.» Beni Weber, CEO peka-metall AG, Leiter Produktion und Technik

In der Werkstatt: Wie lässt sich eine Idee konkret umsetzen? Hier sind Erfindungsund Teamgeist gefragt.

Hand anlegen! Für die Optimierung ihres Produktes stehen den Teilnehmern zahlreiche Werkzeuge zur Verfügung.


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Die Mobiliar-Methode

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Mobiliar Forum Thun

«Das ist für mich wieder eines dieser Beispiele gewesen, in denen wir durch andere Arten vorzugehen, durch andere Arten, unser Wissen zu verknüpfen und eben Sachen trotzdem strukturiert anzugehen, zu sehr, sehr interessanten Resultaten kommen, auf die man sonst nicht kommen würde. Es beweist einmal mehr, dass wir uns immer wieder hinterfragen müssen, gerade und vor allem in den Dingen, die man eigentlich gut kann; immer wieder hinterfragen, ob man sie auch anders machen kann. Vielen Dank an die Mobiliar, es ist ganz toll!» Suzanne Thoma, CEO BK W Gruppe

«Wir machen sehr viele Entwicklungen bei uns im Betrieb, und wir haben eine relativ grosse Erfahrung mit Entwicklung, solchen Meetings und Brainstormings und so weiter. Aber, dass wir so schnell Ideen haben, Prototypen, Muster, ... das haben wir sonst nie.» Peter Weber, Verwaltungspräsident peka-metall AG


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Mobiliar Forum Thun

«Den Ort finde ich wirklich super, diese Verbindung von Alt und Neu. Das ist genau, was es ist, genau auch wie die BKW: Eine grosse Legacy, aber mit dem Blick auf die Zukunft, deswegen auch sehr modern gestaltet. Das Design, das Konzept und Design, muss man leben, in allem. Man kann so etwas nicht an einem Ort machen, der nicht konsistent ist.» Monica Dell’Anna, Konzernleitungsmitglied BK W

«Für uns hier in der Gruppe ist es gerade so, dass wir wie Achterbahn fahren. Es geht rauf und runter und rauf und runter, und das empfinde ich als sehr produktiv.» Jochem Hendricks, Künstler


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Impressionen aus den Workshops

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Die Mobiliar-Methode

Die verschiedenen Gruppen stellen ihre Ergebnisse vor.

Eine Fülle von Ideen wird zusammengetragen. Irgendwo in diesem Fundus liegen die besten Lösungen.

Die Verantwortlichen hören aufmerksam zu.

«Im Mobiliar Forum Thun entwickeln die Theams ein gemeinsames Verständnis vom Kernwert des neuen Produkts.» Prof. Dr.-Ing. Mirko Meboldt, Chair in Product Development and Engineering Design, ETH Zürich

Zwischen den Teams wird intensiv diskutiert: Welche Vorschläge überzeugen, welche sollten noch einmal überdacht werden?

Der Workshop regt auch dazu an, die Resultate spielerisch zu inszenieren.


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Die Mobiliar-Methode

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Mobiliar Forum Thun

Nach zweieinhalb Tagen intensiver Zusammenarbeit: Das Ergebnis Ăźberzeugt!


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KUNST & NACHHALTIGKEIT Die Ausstellungsreihe

Wir alle sind mehr denn je aufgefordert, für unsere Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Dafür lohnt es sich, dass wir unsere Vorstellungen hinterfragen: Was genau bedeutet ein gutes Leben für uns? Die Beschäftigung mit Kunst kann uns dabei unterstützen, Kompetenzen zu erwerben, die für einen nachhaltigen Umgang mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Fragen notwendig sind. In der Ausstellungreihe «Kunst & Nachhaltigkeit» beschäftigt sich die Mobiliar mit diesen Themen.


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Zitate

«ICH ARBEITE MIT DER WIRKLICHKEIT, MIT DEM, WAS IN DER WELT GESCHIEHT. DAS IST DER HUMUS, DIE BASIS, AUS DER ICH DANN SCHÖPFE FÜR EIN WERK.» Daniele Buetti, Künstler

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Kunst & Nachhaltigkeit

«Ich möchte mit meiner Kunst nicht nur reagieren, sondern Beziehungsgeflechte ermöglichen. Mich interessiert der Dialog, die Kooperation im Wissen darüber, dass die gesellschaftliche Realität im 21. Jahrhundert zu komplex geworden ist, als dass wir uns den Luxus einer disziplinären Vereinfachung noch leisten können.» George Steinmann, Künstler


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Kunst & Nachhaltigkeit

DIE MOBILIAR-METHODE ODER: WIE MAN FIT FÜR NACHHALTIGES HANDELN WIRD

Bereits seit den 1990er Jahren haben Ausstellungen bei der Mobiliar Tradition. Und diese Tradition bauen wir noch stärker aus. In dem grosszügigen und der breiten Öffentlichkeit zugänglichen Erdgeschoss im Direktionsgebäude Bern realisieren wir seit Herbst 2013 zweimal im Jahr hochkarätige Ausstellungsprojekte, in denen wir uns mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Nachhaltigkeit, zwischen Kunst und Gesellschaft befassen. KUNST BIETET TREIBERKRÄFTE FÜR EINE NACHHALTIG POSITIVE ZUKUNFTSENTWICKLUNG

Gesellschaftsrelevante Themen wie z.B. die Digitalisierung, die zunehmende Globalisierung, die Bewältigung von Flüchtlingsfragen oder auch die drängenden ökologischen Themen unserer Zeit fordern von jedem Einzelnen eine Haltung. Dafür lohnt es sich, dass wir unsere Vorstellungen hinterfragen, was genau für uns ein gutes Leben – in Wohlstand und Sicherheit – bedeutet. Welche Möglichkeiten haben wir und welche Möglichkeiten wollen wir ergreifen, um an der Gestaltung unserer Zukunft mitzuwirken? Sind wir bereit, zu teilen und auf etwas zu verzichten? Woher kommen neue Ideen? Was inspiriert uns zum Um- und Weiterdenken? Und wie sehen mögliche Alternativen aus? «Nachhaltigkeit» ist heute ein wichtiger gesellschaftspolitischer Auftrag, sowohl für ein Unternehmen als auch für das Individuum. Es geht um verantwortungsvolles Denken, Entscheiden und Handeln, es geht um eine Zukunft für uns alle. Als traditionsreiches und gleichzeitig hochmodernes Unternehmen möchte sich die Mobiliar vorausschauend und kreativ, nachhaltig und verantwortungsvoll für eine positive Zukunft einsetzen. Denn schon die Unternehmensgründung der bis heute genossenschaftlich verankerten Mobiliar im Jahr 1826 war eingebettet in eine liberale und aufklärerische Haltung. Diese Haltung steht für Gemeinwohl und Armutsbekämpfung, für die Förderung von Bildung, Erziehung und wirtschaftlichem Fortschritt.

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Kunst & Nachhaltigkeit

Tradition und die damit verbundenen Werte haben für die Mobiliar eine genauso grosse Bedeutung wie Innovation und Fortschritt. Um Traditionen produktiv zu nutzen, sie aktiv in die Gegenwart einzubinden, braucht es Treiberkräfte und Impulsgeber. Künstlerische Strategien, künstlerisches Denken und die praktische Umsetzung – das heisst: Gestaltung – bieten solche Impulse. Wir erachten die Beschäftigung mit Kunst als einen wichtigen Bestandteil unserer Bestrebungen, offen zu bleiben für neue Standpunkte – und dies in allen Lebensbereichen. Wir fördern daher gezielt Begegnungen mit Künstlern und ihren Werken, um das kreative und nachhaltige Denken und Handeln unserer Mitarbeitenden und Gäste zu stärken. Unsere Ausstellungreihe «Kunst & Nachhaltigkeit» schafft genau dafür einen optimalen Rahmen. Denn was können wir von der Kunst lernen? Zum Beispiel, genau hinzusehen oder sich seine eigene Meinung zu bilden. Wir lernen durch die Auseinandersetzung mit Kunst, Zusammenhänge zu entdecken, wir lernen, aufmerksam zu sein und einen wachen, aufgeschlossenen Umgang mit unserem Gegenüber zu pflegen. Das alles sind Fähigkeiten, die dringend notwendig sind für einen nachhaltigen Umgang mit unserer Gegenwart.


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Ausstellungen Vol. 1 / 2 / 3

KUNST & NACHHALTIGKEIT VOL. 1, FAHRHABE – UND DIE MYTHEN DES ALLTAGS 31. Oktober 2013 bis 28. Februar 2014

In «Fahrhabe – und die Mythen des Alltags», Vol.1 unserer neuen Ausstellungreihe, zeigten wir Werke von vier Künstlerinnen und Künstlern, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Alltag als Inspirationsquelle, als Ressource für Kreativität beschäftigen. Zu sehen waren Werke von Daniele Buetti (*1955, CH), Kimsooja (*1957, KR), Thomas Müllenbach (*1949, DE) und Ekrem Yalçındağ (*1964, TR) KUNST & NACHHALTIGKEIT VOL. 2, NEUE WERKE – NEUE PERSPEKTIVEN 13. März bis 11. Juli 2014

In der zweiten Ausgabe der Ausstellungsreihe «Kunst & Nachhaltigkeit» stellten wir u.a. die neuen Ankäufe vor, die vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Fragestellung in die Sammlung der Mobiliar aufgenommen worden waren. Migration, Globalisierung, Tradition, Wissenskontrolle, Markenfetischismus und das Thema Grundeinkommen sind nur einige der Stichworte, mit denen sich die Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung auseinandersetzten. Zu sehen waren Werke von Kimsooja (*1957, KR), Claudia Comte (*1983, CH), Thomas Feuerstein (*1968, AT), Van Bo Le-Mentzel (*1977, Laos), Rémy Markowitsch (*1957, CH), Arnold Odermatt (*1925, CH), Ekrem Yalçındağ (*1964, TR), Alessandro Balteo Yazbeck (*1972, VE). KUNST & NACHHALTIGKEIT VOL. 3, TRADITION, GEGENWART UND ZUKUNFT 27. Februar bis 31. Juli 2015

In der dritten Folge unserer Ausstellungreihe befassten wir uns mit dem Verhältnis zwischen Tradition, Gegenwart und Zukunft und zeigten gleich drei Projekte: ein partizipatives Langzeitprojekt zur Geschichte der Mobiliar; mit dem Künstler Kerim Seiler realisierten wir die zweite Lounge im Eingangsbereich, und wir präsentierten die nominierten Künstlerinnen und Künstler des Prix Mobilière 2015. Zu sehen waren Werke von: Nicolas Cilins (*1985, CH), Raphael Hefti (*1978, CH), Bernhard

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Kunst & Nachhaltigkeit

Hegglin (*1989, CH), Sophie Hofer (*1981, CH) & Mariann Oppliger (*1982, CH), Thomas Julier (*1983, CH), Georg Keller (*1981, CH) & Zofia Kwasieborska (*1984, PL), Robert Kinmont (*1937, USA), Nicolas Party (*1980, CH), David Renggli (*1974, CH), Kerim Seiler (*1974, CH), Roman Signer (*1938, CH), Hannah Weinberger (*1988, CH). ZUR AUSSTELLUNG «NEUE WERKE – NEUE PERSPEKTIVEN» Auszug aus der Eröffnungsrede von Markus Hongler, CEO der Mobiliar, am 12. März 2014

«Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Kunstschaffende! Als CEO eines Unternehmens wie es die Mobiliar ist – nach genossenschaftlichen Prinzipien geführt, traditionsbewusst und gleichzeitig zukunftsorientiert –, freue ich mich besonders, Sie alle heute hier bei uns in der Direktion Bern zu begrüssen. Denn das, was Künstlerinnen und Künstler zu sagen haben und wie sie mit ihren Werken auf die heutigen gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen reagieren, interessiert die Mobiliar sehr. Unsere gelebte genossenschaftliche Tradition steht für einen verantwortungsvollen Umgang mit Werten. Die Förderung von Kunst und Kultur zählt zu diesen Werten. Kulturförderung spielt bei uns seit vielen Jahrzehnten eine wichtige Rolle: Seit den 1970er Jahren unterstützen wir massgeblich Kulturprojekte, wir bauen kontinuierlich unsere Kunstsammlung aus, und wir sind stolz auf den ältesten Kunstpreis, den ein Schweizer Versicherungsunternehmen für junge Kunst vergibt, den Prix Mobilière. Und diese hervorragende Basis bauen wir aus und integrieren sie in unser Gesellschaftsengagement. Wir eröffnen heute bereits die zweite Folge unserer neuen Ausstellungsreihe «Kunst & Nachhaltigkeit». Der Titel sagt es schon: Künstlerische Prozesse können uns dabei unterstützen, für den Umgang mit Nachhaltigkeit, wie wir es ausdrücken, «fit gemacht» zu werden. Was heisst das? Um nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln, ist es notwendig, Zusammenhänge zu verstehen. Ist es wichtig,


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Eröffnungsrede Ausstellung Vol. 2

Prozesse auch mal von einer anderen – nicht nur von der persönlichen – Warte aus zu betrachten. Die Mobiliar möchte mit ihrem Gesellschaftsengagement das Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft fördern, wir interessieren uns für den Menschen in seinem alltäglichen, persönlichen und beruflichen Umfeld. Was brauchen wir, um uns nachhaltig zu verhalten? Dafür forschen wir derzeit an der Uni Bern und an der ETH in Zürich, dafür unterstützen wir ab Sommer dieses Jahres in einer neuen IdeenWerkstatt in Thun die unternehmerische Kraft unserer Schweizer KMU-Landschaft, dafür fördern wir dringliche Präventionsvorhaben in Schweizer Regionen, und dafür bauen wir auch unser Kunst- und Kulturengagement aus. Für uns alle hier, die wir täglich durch diese Passage gehen, sind diese Ausstellungen enorm befruchtend. Denn welches Unternehmen bietet seinen Mitarbeitenden schon die Möglichkeit, eine so geballte, spannende Qualität von Kunst zu entdecken? Das, was Sie hier alles sehen, sind Arbeiten, für die sich jedes Museum – ich sage es ganz direkt – die Finger einzeln ablecken würde. Kunst-Entdeckungsreisen, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir alle gut gebrauchen, nämlich für unsere Arbeitsprozesse, für unsere persönliche Entwicklung. (…) In unserer neuen Ausstellung sehen Sie unter anderem auch Werke, die wir letztes und dieses Jahr für unsere Sammlung erworben haben. Anhand der Lebensläufe stellen Sie fest, dass wir nun und in Zukunft nicht nur Werke Schweizer Künstler sammeln, sondern auch Arbeiten von Kunstschaffenden aus anderen Ländern. Das hat seinen Grund: Wir haben uns Gedanken gemacht, woher unsere Mitarbeitenden, unsere Kundinnen und Kunden kommen und welche kulturellen Hintergründe sie haben: Bei 1,7 Millionen Kundinnen und Kunden kommen viele spannende Biografien aus aller Welt zusammen. Genau das möchten wir in Zukunft in unserer Sammlung widerspiegeln. Wir wollen zeigen, dass unsere genossenschaftlichen Werte eine produktive Klammer für eine

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Kunst & Nachhaltigkeit

Schweizer Kulturlandschaft bieten, die einen fruchtbaren Austausch mit der ganzen Welt pflegt. Wir wollen unsere Sammlung so weiterentwickeln, dass sich unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Schweizer Allgemeinheit darin wiederfinden können. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Mobiliar: Als Genossenschaft müssen wir keine hohen Eigenkapitalrenditen für profitorientierte Aktionäre erwirtschaften. Wir können den Gewinn in die langfristige Weiterentwicklung des Unternehmens investieren. Wir müssen keine übermässigen Risiken eingehen und können nachhaltig handeln. Als Genossenschaft können wir die Öffentlichkeit an unserem Erfolg teilhaben lassen und damit unsere unternehmerische Verantwortung ganz besonders wahrnehmen. Die Mobiliar ist zu 100 % selbstfinanziert und hat nicht einen Franken Schulden. Wir verstehen Vertrauen als Auftrag, denn «ohne Vertrauen ist alles wertlos». Der Brand Mobiliar strahlt dieses Vertrauen aus – und das soll so bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen spannenden Abend bei uns.»

«KUNST, WEIL WIR HIER SINN, SINNLICHKEIT UND PRODUKTIVITÄT TRAINIEREN KÖNNEN, UM DEN UNWÄGBARKEITEN DES LEBENS KREATIVE STRATEGIEN ENTGEGENZUSETZEN.» Eva Linhart, Kuratorin am Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main, und Mitglied der Jury für den Prix Mobilière 2016


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Ausstellung Vol. 1

Ekrem Yalçındağ, IMPRESSIONS FROM THE STREETS, 2013 Öl auf Leinwand, Durchmesser 200 cm, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

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Ekrem Yalçındağ


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Ausstellung Vol. 1

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Kimsooja

Kimsooja, BOTTARI TRICYCLE, 2008 Gebrauchtes chinesisches Fahrrad, Bettdecken und Kleider, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 1 EKREM YALÇINDAG (*1964, TR)

Der türkische Konzeptmaler Ekrem Yalçındağ ist ein kultureller Brückenbauer. Er hat sein Œuvre dezidiert zwischen okzidentalen und orientalischen Weltbildern angesiedelt. Ausgangspunkt seiner streng konzipierten und von Assistenten ausgeführten Ölgemälde sind Naturstudien. Formal basieren die hochästhetischen Konstruktionen auf abstrahierten Blütenblättern, die zu grösseren Bildkörpern – Rechtecken, Kreisen, Quadraten oder anderen geometrischen Strukturen – gruppiert werden. In der Farbpalette greift Yalçındağ auf die Beobachtung alltäglicher Ikonografien zurück: «Impressions from the Streets» nennt der Künstler seine Referenz an die Farben der Strasse, die er in seinen Gemälden verarbeitet. KIMS OOJA (*1957, KR)

Der Begriff «Bottari» stammt aus dem Koreanischen und heisst übersetzt: Bündel. In Korea – Kimsooja stammt aus Südkorea und lebt heute in Paris, New York und Seoul – werden diese zu Bündel geschnürten, farbenprächtigen Tücher benutzt, um bei einem Umzug die elementaren Siebensachen eines Haushaltes zu transportieren. «Bottaris» sind Symbole einer nomadisierenden Welt, einer mobilen Wirtschafts- und Lebensform, mit der auch wir in Europa und in der Schweiz uns immer mehr konfrontiert sehen. Kimsooja arbeitet bereits seit den frühen 1990er Jahren mit «Bottaris» und benutzt sie in unterschiedlichen Konstellationen: Mal wurden die Bündel als Einzelobjekte auf dem Boden eines Museums platziert, ein anderes Mal sind sie auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks Teil einer Performance, oder sie sind auf der Ladefläche eines chinesischen Dreirads fest verschnürt, wie beim «Bottari Tricycle».

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Kunst & Nachhaltigkeit

der Ausstellung eine neue Werkgruppe: Die skurrilen, tragischen, ironischen Irrtümer in SMS-Botschaften bilden den Ausgangspunkt für seine neuen Arbeiten, die er zum ersten Mal einem breiten Publikum vorstellte – alltägliche Dialoge zwischen Komik und Tragik.

(links) Daniele Buetti, LOVE YOU JOSH, 2013 Tintenstrahldruck auf Papier, 172.8 x 142.7 x 7 cm, Leihgabe des Künstlers (rechts) Daniele Buetti, HEY BABE, 2013 Tintenstrahldruck auf Papier, 172.8 x 142.7 x 7 cm, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

THOMAS MÜLLENBACH (*1949, DE)

Thomas Müllenbach setzt sich intensiv mit unserer Alltagskultur auseinander. Um nicht herkömmliche Arbeitsorte ging es in den gezeigten Werken des deutschen Malers und Zeichners. Als Vorlage für seine dynamischen und grossformatigen Zeichnungen dienen ihm Fotografien, etwa von einer Notfallstation oder einem Atommülllager. Müllenbach selbst sagt dazu, dass ihn Orte interessieren, die er selbst nicht versteht.

DANIELE BUETTI (*1955, CH)

Der Schweizer Künstler Daniele Buetti, der bereits in der Sammlung der Mobiliar vertreten war, präsentierte in

(links) Thomas Müllenbach, ZWISCHENLAGER, 2012, Grafit auf Papier, Leihgabe des Künstlers (rechts) Thomas Müllenbach, RÜCKBAU AKW GREIFSWALD, 2006, Grafit auf Papier, Leihgabe des Künstlers


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Ausstellung Vol. 2

Alessandro Balteo Yazbeck, CHINCHORRO (YANOMAMÖ VERSION), 2004–2010 Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

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Alessandro Balteo Yazbeck


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Ausstellung Vol. 2

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Rémy Markowitsch

(im Vordergrund) Rémy Markowitsch, «…HAST DU MEINE ALPEN GESEHEN?», 2013 Kunststoff, Horn, Hirschlederhosen, bestickt, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft (im Hintergrund) Rémy Markowitsch, ALPS DOUBLE PEAK, 2014 Barytpapier, gewachst, Alu-Dibond, verschiedene Holzrahmen, lackiert, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 2 ALESSANDRO BALTEO YAZBECK (*1972, VE)

Die künstlerische Praxis des aus Venezuela stammenden Alessandro Balteo Yazbeck hängt eng mit der Geschichte seiner Heimat und des lateinamerikanischen Kontinents zusammen. Sein Interesse gilt den Verflechtungen von politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen. Er befasst sich mit der Frage, wie Kultur in den Dienst von nationalstaatlicher Propaganda gestellt wird. Seine Arbeiten hinterfragen und analysieren Strategien der USamerikanischen Regierung, die Kunstwerke gezielt instrumentalisierte, um in Lateinamerika eine Diplomatie mit den Waffen der Kultur zu betreiben. Westlicher Kulturimperialismus und rücksichtsloser Wirtschaftskolonialismus werden thematisiert. Sinnbild dafür ist eine Hängematte der Yanomamö, eines Indio-Volkes im Amazonasgebiet, das durch die US-amerikanische Erdölexploration seine wirtschaftliche und kulturelle Basis verloren hat. Balteo Yazbeck macht es deutlich: Kulturelle und ökonomische Vereinnahmung gehen Hand in Hand. RÉMY MARKOWITS CH (*1957, CH)

«... hast Du meine Alpen gesehen?», scheint ein ausgewachsener Hirsch in den Ausstellungsraum zu röhren. Weitergedacht, ist dies eine Grundsatzfrage: die Frage nach der Dosierung des Verhältnisses zwischen Fortschritt und Tradition, zwischen Bewahrung und Innovation. Der gebürtige Zürcher und international renommierte Konzeptkünstler Rémy Markowitsch befasst sich in seinem Œuvre mit der Ambivalenz des Fortschritts, mit einer Wachstumsentwicklung, die häufig zu Lasten kultureller Werte geht, zu Lasten von Minderheiten oder ökonomischen Nischen. In unserer Ausstellung fokussierte Markowitsch auf unsere allernächste Umgebung, auf die Alpen. Ein röhrender Hirsch, von einem Tierpräparator aus recycelten Lederhosen hergestellt, und ein Bergpanorama, das aus Jahrbüchern des Schweizer Alpen

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Kunst & Nachhaltigkeit

Clubs collagiert wurde, machen deutlich, wie weit wir in der wirtschaftlichen Übernutzung unserer kulturellen Wurzeln bereits gegangen sind. THOMAS FEUERSTEIN (*1968, AT)

Ursprünglich studierte Thomas Feuerstein Philosophie und Kunstgeschichte. Dieser wissenschaftliche und theoretische Einfluss ist auch in seiner künstlerischen Praxis sehr präsent. Mehr noch: Die Wissenschaft und deren kritische Reflexion ist das eigentliche Thema seiner künstlerischen Tätigkeit. Aus Glas-Versatzstückchen eines Chemielabors – Erlenmayrkolben, Destillationsröhren etc. – hat Feuerstein hochästhetische Lampenobjekte gebaut, die er «Candy Lamps» nennt. Diese Objekte fungieren also zum einen als Leuchtkörper, zum andern bilden diese merkwürdig futuristischen Einrichtungsgegenstände auch eine pseudowissenschaftliche Untersuchungseinheit, einen fotosynthetischen Kreislauf, der gewissermassen Energie produziert. In der Form dieses Bioreaktors treffen sich auf wundersame Weise ästhetische und naturwissenschaftliche Vorstellungen, die sich zudem noch als nachhaltig erweisen: Der chemische Prozess dient dem Künstler nämlich zur Herstellung von Pigmenten, die er für seine märchenhaften Zeichnungen benötigt.

Thomas Feuerstein, VICTOR (CANDY LAMP NR. 4), 2012 Glas, Metall, Plastik, Pumpe, Beleuchtungstechnik, Chlorella-Algen Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 2 / 3 CLAUDIA COMTE (*1983, CH)

2014 erhielt die aus Lausanne stammende, seit einigen Jahren in Berlin lebende Künstlerin Claudia Comte unseren Prix Mobilière. Sie zählt zu einer vielversprechenden jungen Schweizer Künstlerinnengeneration, die national und international grosse Beachtung erhält. Comte ist ein «Digital Native», ein Kind der digitalen Medienwelt, das mit Computern und Computerspielen aufgewachsen ist. Ihre Kunst befasst sich mit dieser neuen, virtuellen Wirklichkeit, die einen immer stärkeren Einfluss auf unseren Lebensalltag hat. Geometrische Rasterfelder mit surrealistischen Skulpturen und comicartigen Figuren, die sie mit teils ungewöhnlichen Werkzeugen – etwa mit Kettensäge und Gasbrenner – aus Holz herstellt, sind Claudia Comtes intelligente und charmante Kunst-Antwort auf die digitale Normierung.

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Kunst & Nachhaltigkeit

heutzutage ist. Diesen Umstand reflektiert David Renggli in seiner abstrakten Malerei. Losgelöst von der Natur und der realen Welt der Gegenstände, wird das abstrakte Bild «I love you» im schweren Holzrahmen zum Schatten seiner selbst. Viviane Mörmann, Fachspezialistin Kunst Die Mobiliar

(links) David Renggli, NEU, 2013 Neon, Metai, Transformator, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft (rechts) David Renggli, I LOVE YOU (CORALLEIS), 2014 Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

ARNOLD ODERMATT (*1925, CH)

Claudia Comte, OHNE TITEL, 2013 2 Holzobjekte, 6 Holzschnittdrucke, gebrannte Holzstruktur, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

DAVID RENGGLI (*1974, CH)

David Rengglis Werk aus der Serie «I love you» spricht einen auf den ersten Blick an. Die Intensität der Farben erzeugt er durch die Hinterglastechnik. Die Farbschichten und der Schatten der Farbe auf dem Aluminium im Hintergrund verleihen dem Bild eine vielschichtige Tiefe, die die Malerei stark zum Leuchten bringt. «I love you», sind wir versucht zu sagen, wenn wir uns dem Bild nähern. Und sogleich werden wir uns bewusst, wie abgegriffen und kommerzialisiert diese Redewendung

Eine «Ausstellung in der Ausstellung» widmeten wir dem Fotografen und ehemaligen Polizisten Arnold Odermatt. Erstmalig in Bern zeigte die Mobiliar eine grosse Auswahl an Fotografien seiner Serie «Karambolage». Odermatt ist Kult. Als Polizist im Kanton Nidwalden hielt er über vierzig Jahre mit seiner Rolleiflex Unfallorte fest, bis er «entdeckt» wurde: Anfang der 1990er Jahre recherchierte sein Sohn und Regisseur Urs Odermatt für seinen Spielfilm «Wachtmeister Zumbühl» und fand auf dem Dachboden der Eltern zigtausende Negative des Vaters. Eine aussergewöhnliche Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf: 2001 zeigte Harald Szeemann Odermatt auf der Biennale in Venedig und katapultierte den früheren Polizisten in die ersten Reihen der Kunstwelt. Odermatt zeigt uns eine unwirklich wirkende Wirklichkeit. Die dahinter teilweise verborgenen Tragödien und Dramen sind nur noch vage präsent – das beschädigte Objekt, das zerbeulte Auto, wird zum Hauptakteur eines erzählerischen Settings.


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Ausstellung Vol. 2

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Arnold Odermatt

Arnold Odermatt, BECKENRIED, 1968 Silbergelatine-Print auf Barytpapier, gerahmt, verglast Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 3 ROMAN SIGNER (*1938, CH)

Roman Signer, in Appenzell geboren, ist ein international renommierter Bildhauer, Aktionskünstler, Performer, Zeichner, Fotograf und Filmer. Signers Werke, seine spektakulären Sprengaktionen, die Performances, Skulpturen und Objekte widerspiegeln seinen subversiven Humor, seinen bedingungslosen Blick auf die Welt, und sie sind zugleich poetisch, fördern unsere Fantasie. In «Fass mit Trichter» von 2011 wird eine einfache Tonne zum Klangkörper: Ein Druck auf den roten Knopf – und wir hören das Fliessen von Wasser. Wie in vielen Werken Roman Signers spielen auch in diesem die Zeit und die unmittelbar sinnliche Erfahrung eine zentrale Rolle.

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Kunst & Nachhaltigkeit

Julier ergründet das Licht von TV-Screens, ComputerScreens, diversen elektronischen Oberflächen. Jedes Licht hat für Julier eine eigene emotionale Bedeutung. Ihn interessiert die Frage: Wie beeinflusst Technologie unser Sehen, und wie verändert der Umgang mit Maschinen unsere Wahrnehmung der Realität? Viviane Mörmann, Fachspezialistin Kunst Die Mobiliar

Thomas Julier, REQUIEM FOR RGB, 2015 Inkjet Druck auf Glas, Diffusor,, Wandinstallation und Licht Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

Roman Signer, FASS MIT TRICHTER, 2011 (im Hintergrund) ICH JETZTZELT, 2002 Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

THOMAS JULIER (*1983,CH)

Bei der Arbeit «Requiem for RGB» handelt es sich um eine speziell für den Prix Mobilière 2015 konzipierte Installation. Entstanden ist diese Arbeit bei einem Aufenthalt in New York. Wir sehen Einzelbilder oder, wie Julier sagt «Frames» aus einer Stop-Motion-Animation, die er am Time Square in New York entdeckt, abfotografiert und danach wieder zu einer Art Pseudofilm aneinandergereiht hat. Das Licht ist das verbindende Element. Es spielt in allen Arbeiten von Julier eine zentrale Rolle, ist Licht doch das Medium, durch das wir unsere Welt sehen und verstehen. Thomas

GEORG KELLER & ZOFIA KWASIEBORSKA (*1981, CH /*1984, PL)

Ausgangspunkt der Arbeit «Bazar Rogatka» von Georg Keller & Zofia Kwasieborska bildeten verlassene Marktstände im Stadtteil Praga in Warschau. Alles wiederverwertbare Material war demontiert und anderen Zwecken zugeführt worden. Übrig geblieben waren einzig die rostigen Skelette aus Metallrohren. Fünf dieser Stände haben die beiden Künstler mit Neonlicht bestückt. Neon, ebenfalls schon fast ein Relikt vergangener Tage, wurde vorwiegend für Reklamezwecke verwendet. Doch nicht ein spezifischer Marktstand oder ein eigentliches Produkt soll hier beworben, sondern der Markt selber als realer und historisch gewachsener Ort des Handels in Erinnerung gerufen werden.


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Ausstellung Vol. 3

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Georg Keller & Zofia Kwasieborska

Georg Keller & Zofia Kwasieborska, BAZAR ROGATKA, 2013 Metall, Neonrรถhren, Argongas, Kabel, Transformatoren, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 3

Sophie Hofer & Mariann Oppliger, THE MOUNTAIN, THE CHICKEN, MORE FOUNTAINS AND BREAD – WHERE IS THE MUSHROOM? LESS PHALLI, BUT WE WOULD LIKE TO HAVE THE SEA, PLEASE!, aus der Reihe WALLS, 2015, Wandtapete, Topfpflanze

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Sophie Hofer & Mariann Oppliger


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Ausstellung Vol. 3

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Robert Kinmont

Robert Kinmont, ARTISTS ARE SIXTY PERCENT WATER AND STILL THIRSTY, 2013 Kupferrohre, Wasserpumpe, Kupferbox Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 3

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Raphael Hefti / Nicolas Party

(links) Raphael Hefti, aus der Serie LYCOPODIUM, 2012 Fotogramm auf Fotopapier, belichtet mit leicht brennenden Sporen von Lycopodium Moos COURTESY der Künstler, Gallery Ancient & Modern, London, und RaebervonStenglin, Zürich (rechts) Raphael Hefti, aus der Serie SUBTRACTION AS ADDITION, 2014 mit Luxar beschichtetes Glas COURTESY der Künstler, Gallery Ancient & Modern, London, und RaebervonStenglin, Zürich (im Hintergrund) Nicolas Party, WANDGEMÄLDE UND PASTELLGEMÄLDE, 2015 COURTESY The Art Institute, Glasgow, und Galerie Gregor Staiger, Zürich (im Hintergrund) Hannah Weinberger, OHNE TITEL (HUMMING STONES), 2013 3-Kanal Audio-Sound-Installation (Loop, 60 Min.), Bruchstein, Verstärker, Kabel, Sender, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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Ausstellung Vol. 3 S OPHIE HOFER & MARIANN OPPLIGER (*1981, CH / *1982, CH)

Die beiden Künstlerinnen Sophie Hofer und Mariann Oppliger verarbeiten in ihren Performances, Aktionen, Installationen, Objekten und Wandarbeiten ihre gesamte Lebenswelt, ihre Erfahrungen, ihre Ansichten und deren Kontext. Mit den häufig handschriftlichen Anmerkungen kommentieren sie ihre eigenwillige Bildsprache und inszenieren einen humorvoll-nachdenklichen Blick auf die Wirklichkeit. ROBERT KINMONT (*1937, USA)

Robert Kinmont, in Los Angeles geboren, zählt zu den wichtigsten amerikanischen Konzeptkünstlern der Gegenwart. Der Titel seiner hier gezeigten Arbeit lautet: «artists are sixty percent water and still thirsty». Übersetzt heisst das: Künstler bestehen aus sechzig Prozent Wasser und sind immer noch durstig. Kinmont hat diesen Titel wie eine Handschrift aus dünnem Kupferrohr umgesetzt. Durch die erste Schriftzeile, die mit einem Wasserbehälter und einer Pumpe verbunden ist, fliesst fortwährend Wasser. Doch der zweite Teil des Satzes steht losgelöst von dieser Zirkulation – durch ihn fliesst kein Wasser. Damit hat Kinmont ein starkes und sofort nachvollziehbares Bild geschaffen für die grundsätzliche Frage, woher wir unsere Energie beziehen. Die Aussage «und immer noch durstig» spielt also auch darauf an, wie wir unseren Durst nach mehr – metaphorisch gesprochen – stillen können. Oder, anders formuliert: Wie entwickeln wir uns weiter? Woher nehmen wir die Inspiration, was brauchen wir dafür, und wie viel sind wir bereit, dafür zu tun? RAPHAEL HEFTI (*1978, CH)

Ein wichtiges Thema ist für Rapahel Hefti die Beschäftigung mit Arbeitsweisen. Also nicht nur das Endprodukt steht im Fokus, sondern ganz wesentlich ist auch der Weg dorthin. Raphael Hefti hat eine Lehre als Elektroniker und Mechaniker absolviert, bevor er an den Kunsthochschulen

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Kunst & Nachhaltigkeit

ECAL in Lausanne und SLADE in London Kunst studierte. Sein ursprünglicher Berufshintergrund fliesst in seine künstlerische Arbeit ein, in seine Untersuchungen an Materialien wie Glas, Stahl oder auch Spiegeln: Raphael Hefti ist fasziniert vom ästhetischen Potenzial technischer Prozesse und chemischer Verfahren, immer wieder experimentiert er mit Materialien und Werkprozessen. Er analysiert die Logik der herkömmlichen Abfolgen bei Produktions- und Verarbeitungsmethoden, verändert diese – und findet so stets neue, überraschende und oft auch spektakuläre Lösungen. NICOLAS PARTY (*1980, CH)

Nicolas Party ist ein Maler, der die Spannung sucht zwischen dem klassischen Tafelbild und Motiven im Genre Stillleben oder Porträt und deren Entgrenzung im Ornament. So orchestriert der Künstler immer auch die räumlichen und institutionellen Bedingungen, die er antrifft. Diese Praxis setzt bei der Idee der «transitiven Malerei» an, einem von David Joselit eingeführten Begriff, der einen Zugriff meint, bei dem die Verwobenheit der malerischen Praxis, historisch wie institutionell, immer miteingeschrieben ist. Bei Party äußert sich diese Haltung, indem er mit befreundeten Künstlern vor Ort kollaboriert und damit neue Reibungspunkte im Zusammentreffen unterschiedlicher künstlerischer Ansätze sucht, indem er Performance-Aktivitäten organisiert, in denen institutionelle Bedingungen und ihre ritualisierten Abläufe eine Umkehrung erhalten, oder indem er in Form von Wandmalerei oder bemalten, plastischen Elementen seine märchenhaft surreale Bilderwelt dem Aussenraum einpflanzt. Christina Végh, anlässlich der Nominierung von Party für den Prix Mobilière 2015 VAN BO LE-MENTZEL (*1977, LAOS) Hartz IV Lounge, ausgeführt vom Blinden- und Behindertenzentrum Bern

Mit der ersten Ausstellung in der Reihe «Kunst & Nachhaltigkeit» startete im Herbst 2013 auch das Projekt «Lounge»,


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Die erste Lounge

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Die zweite Lounge

die Gestaltung der Mobiliar-Wartezone im Eingangsbereich des Direktionsgebäudes in Bern. Wo sonst die Gäste der Mobiliar kurz verweilten und auf einem herkömmlichen Ledersessel sassen, präsentierte sich nun die «Hartz IV Lounge». Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel zeigte eine Auswahl seiner sogenannten Hartz IV Möbel. Für seine Präsentation in Bern kam auch noch ein neues Hartz IV Möbel zum Zug: «Die Schweizer Bank», eine Mischung aus Sitzbank und Geldtruhe. Umgangssprachlich bezeichnet Harzt IV in Deutschland das sogenannte Arbeitslosengeld II, die niedrigste Stufe staatlicher Absicherung. Der Begriff ist zum Synonym geworden für eine Melange aus Armut, sozialer Ungerechtigkeit und Abzockertum. Dass Le-Mentzel diesen Titel für ein partizipatives Möbel-Konzept wählt, bei dem er die Referenzen u.a. in der mittlerweile hochpreisigen Moderne findet, ist frech und klug zugleich: Unter dem Motto «Konstruieren statt Konsumieren» will Van Bo Le-Mentzel Menschen dazu motivieren, selbst Hand anzulegen. Kostenlos verschickt er seine Baupläne auf Anfrage und bittet im Gegenzug, das eigens konstruierte Projekt fotografisch zu dokumentieren und über den Verlauf der Arbeit zu berichten. Le-Mentzel regt mit seinen Objekten und Möbeln an, sozioökonomische Machtstrukturen zu überdenken und Eigeninitiative zu entwickeln. Spielerisch führt er vor, dass gutes Design nicht nur eine Frage des Geldes ist. Im Zentrum steht der Wunsch, selbst zu entscheiden, wie man leben will.

Hinter dem geheimnisvollen Titel «Llloblyekk && Bboolyekk» steckte die für das Ausstellungsjahr 2015 von Kerim Seiler neu inszenierte Lounge-Zone der Mobiliar – eine Gesamtinstallation, die Seiler eigens für die Räume der Mobiliar konzipiert hatte. In Anlehnung an den rotblauen Kultstuhl von Gerrit Thomas Rietveld entwickelte er eine spektakuläre und farbgewaltige skulpturale Wartezone, die den Gästen und Mitarbeitenden einen inspirierenden Aufenthaltsort bot. Das historische Zitat des Rietveld-Stuhls veränderte Seiler aber nicht nur formal und farblich, vielmehr verband er seine Stuhlskulpturen auch zu einer dicht verwobenen Gesamtstruktur. Es entstand eine raumfüllende Inszenierung, die erst durch die dort verweilenden Menschen komplettiert wurde. Mit seinen Werken schafft Seiler oft unverwechselbare Orte der Begegnung zwischen Kunst und Leben. Denn in herkömmlichen Wartezonen muss man sich nicht speziell orientieren, man kann sich einfach hinsetzen. Ganz anders in der Lounge von Seiler: Dort musste man zuerst einmal ganz genau hinsehen und für sich den richtigen und passenden Stuhl finden, denn manche Stühle waren zu eng oder boten gar keine Sitzgelegenheit. «Warten» wurde hier zu einem ganz besonderen Erlebnis – zu einer kreativen Pause im Alltag.

Van Bo Le-Mentzel, HARTZ IV LOUNGE, 2013–2014 INSTALLATIONSANSICHT Mobiliar Direktion Bern, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft  FOTO Thomas Würsten

Kerim Seiler, LLLOBLYEKK && BBOOLYEKK I/II, 2015–2016 INSTALLATIONSANSICHT Mobiliar Direktion Bern, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

KERIM SEILER (*1974, CH) Llloblyekk && Bboolyekk


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Ausstellung Vol. 3 / 4

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Kerim Seiler

Kerim Seiler, Wartezone, Direktionsgebäude der Mobiliar in Bern, 2015–2016 (im Hintergrund) Balthasar Burkhard, BÜFFEL, 1996 / PUMA, 1996 Foto auf Barytpapier, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft


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ROMUALD HAZOUMÈ Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

1. September 2015 bis 5. Februar 2016 Die Ausstellung «Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4» widmeten wir dem international anerkannten Künstler Romuald Hazoumè. Seine Werke zeugen von den Sehnsüchten, Klischees und Vorurteilen zwischen Afrika und Europa.


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

«Die Aktualität von Hazoumès Arbeiten ist länderübergreifend. Austausch, Achtsamkeit, gegenseitige Wertschätzung und gegenseitige Befruchtung sind auch Themen der Mobiliar.» Markus Hongler, CEO Die Mobiliar, anlässlich der Eröffnung von Romuald Hazoumè

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Zitate

«AUCH POLITISCH LASSEN SICH DIE ARBEITEN HAZOUMÈS LESEN. MIT DER VERWENDUNG VON ZIVILISATIONSMÜLL WILL ER EBENSO AUF GLOBALE WIRTSCHAFTSKREISLÄUFE VON EXPORT UND RE-IMPORT HINWEISEN WIE AUF DIE KOLONIALE AUSBEUTUNG VON ROHSTOFFEN UND MENSCHLICHER ARBEITSKRAFT.» Ingeborg Wiensowski, Spiegel Online, 01.09.2015, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung von Romuald Hazoumè im Direktionsgebäude der Mobiliar in Bern


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Die Mobiliar-Methode Pressekonferenz

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Ausstellung ROMUALD HAZOUMÈ

International bekannt wurde Hazoumè (*1962 in PortoNovo, Benin) vor allem durch seine Masken und seinen aufsehenerregenden Beitrag «Dream» auf der documenta 12: ein aus über 400 Benzinkanistern bestehendes offenes Boot, für das er mit dem Arnold-Bode-Preis 2007 ausgezeichnet wurde. «Von einem Afrikaner erwartet man, dass er Masken macht – also machte ich Masken», kommentierte er damals lakonisch. Hazoumès Ziel ist es, sich mit seinen Werken auch für die Menschen seines Heimatlandes einzusetzen: Er spielt mit den Klischees des Abendlandes gegenüber dem «Schwarzen Kontinent» genauso wie er gleichzeitig sein eigenes Volk zu mehr kulturellem Selbstbewusstsein aufruft. In seiner Ausstellung in Bern waren rund dreissig repräsentative Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen von 1993 bis 2013 zu sehen. Neben wichtigen Masken aus verschiedenen Privatsammlungen präsentierten wir auch Installationen, Objekte, Fotografien und Malerei. Gerade seine Gemälde zeigen rätselhafte Symbole aus der Welt des Voodoo, der spirituellen Praxis aus Westafrika, und in seinen raumgreifenden Installationen aus Plastikkanistern beschäftigt sich Hazoumè auf eindrückliche Weise mit dem gefährlichen Benzinschmuggel in seinem Land. Die Prägung unserer Welt durch Kolonialismus, Dekolonisation und Neokolonialismus, die Globalisierung sowie die daraus resultierende kulturelle Gleichförmigkeit der Gesellschaften sind die Themen, mit denen sich Hazoumè auseinandersetzt. Seine Werke setzen Zeichen, denn für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Entwicklung braucht es Bewusstsein. Kulturelle Differenzen, Klischees und Wertvorstellungen gehen uns alle an. Romuald Hazoumè möchte mit seiner Kunst der Gleichschaltung der Welt entgegenwirken. Vorurteile hebelt er aus, vorprogrammierte Haltungen durchbricht er.

Romuald Hazoumè an der Pressekonferenz für seine Ausstellung, 1. September 2015 im Direktionsgebäude der Mobiliar in Bern


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

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Vernissage

Eröffnung der Ausstellung «Kunst & Nachhaltigkeit, Vol 4: Romuald Hazoumè», 1. September 2015, Direktionsgebäude, Die Mobiliar, Bern


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

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Vernissage


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4 ZEICHEN AUS DER WELT VON VOODOO UND WAHRSAGEREI Paolo Bianchi

Der Künstler Romuald Hazoumè kreiert Installationen, Skulpturen und Masken. Auch malt er Bilder mit rätselhaften Symbolen auf einer erdigen Grundfläche. Ihnen archaische Wucht und spirituelle Kraft zuzuschreiben, scheint naheliegend, erschöpft jedoch allenfalls ein Klischee über den «Schwarzen Kontinent». Hazoumè malt schon seit seiner Schulzeit. Anfangs der 1990er Jahre entdeckte er für sich die Technik einer Malerei mit Naturfarben und Kuhmist auf Häuserwänden, die traditionell von Frauen ausgeübt wird. Er bestückt sie auf seinen Bildern mit Formen und Zeichen aus dem «Vodún», einer vor allem in Benin und Nigeria praktizierten Naturreligion. Damit verfolgt er die Intention, das «Fâ» zu interpretieren: Das Fâ-Orakel besteht aus Gedichten und Weisheiten, die der Weissagung dienen und zugleich das Fundament einer gestalterischen Ästhetik bilden. Was für die Juden der Talmud, für die Christen die Bibel und für den Muslim der Koran, war und ist für die Yoruba der Fâ-Gedichtschatz. In Nigeria, Benin, Togo, Ghana und Niger suchte der Künstler Wahrsager auf, um mehr über die Darstellungen und Symbole des Fâ zu erfahren. «Die Leute sind sehr schweigsam in Afrika. Erst wenn sie merken, dass du eine Ahnung hast, reden sie, halten dich sogar für einen Eingeweihten. Europäern erzählen sie gerne Unsinn», sagt er. Das Wissen der Wahrsagepriester ist heilig und bleibt für Aussenstehende ein Rätsel. Hazoumè will seine Bilder nicht erklären, denn das käme einer Entweihung ihres Geheimnisses gleich. GEFÄHRLICHER S CHWARZHANDEL, GEFRÄSSIGE ÖLMULTIS

Kanister dienen in Afrika vornehmlich dem Transport von Wasser. In Benin jedoch wird in ihnen Benzin geschmuggelt. Mit Kanistern betreiben junge Männer zwischen Nigeria und Benin einen äusserst gefährlichen Schwarzhandel. Zuvor wird das Volumen und damit das

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Über Romuald Hazoumè

Fassungsvermögen der Plastikbehälter durch Erhitzen über offenem Feuer um ein Vielfaches vergrössert. Durch die nun dünnen Kanisterwände kommt es bei den Transporten des gestohlenen Benzins immer wieder zu Entflammungen. Der Künstler Romuald Hazoumè nennt dieses gefährliche Treiben Roulette Béninoise, ein tödliches Spiel. Die Fahrten erfolgen bei Nacht und über abenteuerliche Routen. Ein Transport schwebt jederzeit in der Gefahr, in die Luft zu fliegen. Dabei können Menschen verletzt oder gar getötet werden. Die Kanister-Installation «Elf, rien à foutre» bezieht sich auf den ehemals staatlichen französischen Erdölkonzern Elf Aquitaine. Bis zu seiner Privatisierung 1994 galt er den Regierenden im Elysée-Palast als Schmiergeldmaschine der Republik. Mit der Wendung «rien à foutre» wird dem Ölmulti signalisiert, dass er in Afrika nichts verloren hat. Hazoumès Werk entstand im Jahr 2005. Fünf Jahre später reagierte die Weltöffentlichkeit auf die Missstände: Der «Alternative Nobelpreis» ging 2010 an einen nigerianischen Umweltschützer, der die fatalen Folgen der Ölförderung für die Menschen in seinem Land aufzeigte. Während in den USA jeder kleine Ölaustritt zu gewaltigem Aufruhr führt, stehen Umweltverschmutzungen im Nigerdelta an der Tagesordnung. Das halbe Autowrack von Hazoumè ist schon durch die Wand des Ausstellungsraums geflüchtet – mit den Energieressourcen als Beute. Afrika ist reich. Doch dieser Reichtum bleibt nicht dort, wo er geschöpft wurde. ZEITBOMBE VON HOHER ZERBRECHLICHKEIT

Die Skulptur «Petrol Cargo» von Romuald Hazoumè zeigt einen rostigen und stark verschrammten Motorroller, der in einem labilen Balanceakt eine stabile Position gefunden zu haben scheint. Seine Ästhetik erinnert an die zivilisatorischen Überbleibsel in Endzeitfilmen wie «Mad Max». Ein solches dreirädriges Vehikel wird von den Fahrern in Benin «Cargo» (Fracht) genannt. Durch die Flügel rechts und links verwandelt es sich in eine Art Frachtfluggerät.


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

Auf den flügelartigen seitlichen Verlängerungen, an denen sonst Benzinkanister hängen, stehen jetzt bauchige Glasvasen. Kaum vorstellbar, dass ein Transport über holpriges Gelände ohne Scherben möglich wäre. Das Werk thematisiert den Schmuggel von Benzin aus Nigeria. 70–80 Prozent des Benzinimports werden informell abgewickelt. Das Geschäft floriert, weil die Preise des offiziellen Benzinhandels in Benin für die meisten Verbraucher viel zu hoch sind. Das unter der Hand verkaufte ungefilterte Benzin ist jedoch dermassen verschmutzt, dass die Abgase die Luft extrem verunreinigen. Das ist der Grund, warum so viele Beniner unter Erkrankungen der Atemwege oder an einer Bleivergiftung leiden. Im Werk von Hazoumè findet sich kein Tropfen Öl. Kein Elend, keine Umweltverschmutzung, keine Banditen. Der Künstler hat die rollende Zeitbombe in ein höchst zerbrechliches Objekt verwandelt. Seine Gefährlichkeit ist jetzt Gleichgewicht und Harmonie gewichen. Eine Haltung kommt hier zum Ausdruck, die engagierte Kunst statt L’art pour l’art betreibt, die ohne Parteilichkeit und Propaganda auskommt, dafür eine Poesie mit politischem Gehalt besitzt. Hazoumès Werke aktivieren den Zuschauer, schärfen sein Bewusstsein für ein eigenes engagiertes Denken und nachhaltiges Handeln. TRADITION UND MODERNE, GLÜCK UND TOD

Kanister bilden ein zentrales Element im künstlerischen Alphabet von Romuald Hazoumè. In Benin werden mitunter bis zu 30 Kanister auf einem einzigen Moped transportiert. Die Fotografie «Twin Airbags» zeigt gleich zwei dieser vollbepackten Mofas. Mit der Bezeichnung «Zwillings-Luftsäcke» wählte der Künstler einen ironischen Titel. Bei einem Frontalaufprall mit mehr als 30 Stundenkilometern wird der Airbag eines Autos durch einen Algorithmus aktiviert. Bei einem Unfall der Benzinschmuggler hingegen stellen die Kanister ein enormes Risiko dar: Leckt ein Plastikbehälter, genügt der kleinste Funkenschlag

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Über Romuald Hazoumè

des Motors, um Mensch und Maschine in Flammen aufgehen zu lassen. Der Titel «Twin Airbags» verweist ausserdem darauf, dass die Yoruba im Südwesten Nigerias nachweislich die weltweit höchste Zwillingsgeburtenrate haben. Zwillinge sind in den Familien Garanten für Glück und Wohlstand, zudem wehren sie in der Vorstellung der Yoruba Unheil und Tod ab. «Ich bin ein Yoruba», sagt der Künstler. «In der Kultur von Porto-Novo, wo ich lebe, erkenne ich mich nicht wirklich wieder. Dafür aber in der Kultur der Yoruba. Wer diese nur ein bisschen kennt, taucht in die Tiefen einer unglaublichen Kunstgeschichte ein.» Der Blick von Hazoumè dringt durch die kulturelle Tradition seiner Welt auf das moderne Alltagsleben unserer Tage. CHARAKTER IST S CHÖNHEIT, WAHRHEIT IST S CHÖN

Die Yoruba gelten als eines der kunstsinnigsten Völker der Erde. Mit ihren Masken verehren sie die Ahnen (die Geist-Welt) oder die Mütter (die Marktplatzwelt als Domäne der Frauen). Hazoumè ist ein «Àré», ein wandernder Künstler der Yoruba, und ein Bewahrer seiner eigenen Kultur, wenn er sagt: «Ich sehe mich in einer langen Reihe von wandernden Sehern, die auf der Suche nach der Wahrheit sind.» In der afrikanischen Denkweise ist die Suche nach ästhetischer Beglückung zugleich eine Suche nach Wahrheit. Und die Wahrheit wird als schön erkannt. Diese Schönheit findet sich im Innen und Aussen, in der körperlichen und in der seelischen Dimension. In Benin ist der Status einer Frau an ihrer Frisur ablesbar. Die Frisur verrät, ob eine Frau alleinstehend ist oder Kinder hat. Eine in die Höhe stehende Haartracht signalisiert: «Ich bin frei.» Wenn inmitten der Haare ein Knopf sitzt, heisst das: «Ich bin geschieden, möchte es aber wieder versuchen.» Jede Frisur hat eine Bedeutung. Für die Frisuren seiner Kanister-Masken verwendet der Künstler in Westafrika allgegenwärtige «Waxprints» (bunte Baumwollstoffe mit


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

Batikdruck), den Reisig eines Besens oder verfilzte Haare. Bei «Miss Dakar» oder «Iroquois» etwa wird es poppigglamourös oder punkig-indianisch. Azé ist ein Readymade, ein Fundstück aus einem Strassengraben. An Hazoumès Masken lassen sich Charakter und Schönheit ablesen, analog zu der Yoruba-Weisheit, die da lautet: Charakter ist Schönheit. MOMENTAUFNAHMEN EINER UNIVERSELLEN ZEITLOSIGKEIT

Wer sich in Porto-Novo, der Hauptstadt von Benin, anschickt, Menschen zu fotografieren, kann heftigen Ärger bekommen. Ein Schafhändler etwa könnte sich wild gestikulierend zur Wehr setzen, weil er um seinen Schatten fürchtet. Sein Spiegelbild, ja ein Stück seiner Seele könnte durch das Fotografieren geraubt werden. Daher begegnet Romuald Hazoumè den Menschen in seinen aus Einzelfotografien zusammengefügten Panoramabildern von Märkten aus einer gewissen Distanz. Der Markt als Treffpunkt, als Ort des Austauschs und des Handels, erscheint hier als ein lebendiges Gewimmel. Doch wer in den Bildern nach einem brodelnden und chaotischen Stadtleben Ausschau hält, das die Menschen in die Erschöpfung zu treiben vermag, sucht vergeblich. Diese Momentaufnahmen sind weit weg von den gängigen AfrikaKlischees, dafür sind sie nah dran am wirklichen Leben. Hazoumè ist weder Paparazzo noch Poet. Er ist ein nüchterner Beobachter, der als Fotograf den afrikanischen Alltag in den Fokus rückt. Das tut er auf unspektakuläre Weise. Die Motive regen dazu an, den Blick schweifen zu lassen und sich in Details zu verlieren. Es entsteht der Eindruck, dass bei aller Bewegung – von Waren, Tieren, Menschen und Verkehrsmitteln – eine universelle Zeitlosigkeit vorherrscht. Paolo Bianchi ist Kunstkritiker, freier Kurator und Dozent an der Hochschule der Künste Zürich

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Romuald Hazoumè

«WENN ALLE DIE GLEICHE SPRACHE SPRECHEN, SIND WIR TOT.» Romuald Hazoumè


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

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Ausstellung

PETROL CARGO, 2012 Mixed Media, 120 x 450 x 180 cm COURTESY Romuald Hazoumè, October Gallery, London


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

WAXOMANIAQUE, 2009 Plastik, Stoff, 45 x 56 x 16 cm © Romuald Hazoumè, ADAGP, 2009, COURTESY Galerie MAGNIN-A, Paris

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Ausstellung

BOUABRÉ, 2013 Plastik, Fasern, 45 x 13 x 18 cm © Romuald Hazoumè, ADAGP, 2013, COURTESY Galerie MAGNIN-A, Paris


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

AYOYO, 2013 Plastik, Metall, 45 x 28 x 31,7 cm © Romuald Hazoumè, ADAGP, 2013, COURTESY Galerie MAGNIN-A, Paris

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Ausstellung

MISS NUCLÉAIRE, 2011 Plastik, Metall, 48 x 25,5 x 26 cm, © Romuald Hazoumè, ADAGP, 2011 COURTESY Galerie MAGNIN-A, Paris


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

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Ausstellung

AUSSTELLUNGSANSICHT Die Mobiliar, Bern COURTESY Romuald Hazoumè, October Gallery, London, Art & Public, Genf

FU-MEJI, 1993 Erdfarben und Acryl auf Leinwand, 143 x 212 cm COURTESY Romuald Hazoumè, Art & Public, Genf

MARCHÉ DE MOUTONS, 2006 Lambda C-type Digitaldruck auf Dibond, 109 x 549 cm COURTESY Romuald Hazoumè, October Gallery, London

COMPROMIS, 2009 Acryl auf Leinwand, 131, 5 x 171, 5 cm COURTESY Romuald Hazoumè, Galerie MAGNIN-A, Paris


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

ELF RIEN À FOUTRE, 2005 Installation, 220 x 130 x 180 cm COURTESY Romuald Hazoumè, Galerie MAGNIN-A, Paris

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Ausstellung

ELF RIEN À FOUTRE , 2005 Installation, 220 x 130 x 180 cm COURTESY Romuald Hazoumè, Galerie MAGNIN-A, Paris


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

«HAZOUMÈS ARBEITEN PACKEN DAS PUBLIKUM FRONTAL. EINMAL SIND SIE GEHEIMNISVOLL, AN ANDERER STELLE RÜTTELN SIE UNS AUF, NIE LASSEN SIE UNS KALT.» Dorothea Strauss, Leiterin CSR Die Mobiliar

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Zitate

«Natürlich denkt man auch an Pablo Picasso, der sich bekanntlich von sogenannt primitiver Kunst inspirieren liess. ‹Picasso? Wer ist das?›, fragt er herausfordernd. Hazoumè bezieht sich lieber auf die eigene Kultur.» Helen Lager, Berner Zeitung, 3.9.2015, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung von Romuald Hazoumè

«Der Blick von Hazoumè dringt durch die kulturelle Tradition seiner Welt auf das moderne Alltagsleben unserer Tage.» Paolo Bianchi, Kunstkritiker und Theoretiker


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4 WORKSHOP MIT ROMUALD HAZOUMÈ

Seit 2015 laden wir regelmässig Künstlerinnen und Künstler zu Workshops für unsere Mitarbeitenden ein. Verbunden mit einem anschliessenden Lunch, bei dem man sich noch austauschen kann und sich die Kolleginnen und Kollegen aus ganz verschiedenen Bereichen des Unternehmens treffen, sind diese Veranstaltungen sehr fruchtbar und werden rege besucht. Wir haben mittlerweile bereits Kerim Seiler, Sophie Hofer und Mariann Oppliger, Thomas Julier, Raphael Hefti und Romuald Hazoumè eingeladen. Der Workshop mit Hazoumè war bislang der zeitintensivste: Während zwei Stunden wurde angeregt über Wahrnehmungen diskutiert, über Klischeevorstellungen und Wunschbilder, es wurde gemalt und gezeichnet, und die insistierende Fragetechnik von Hazoumè hat alle Beteiligten nachhaltig beeindruckt und geradezu aufgewühlt. Romuald Hazoumè bot allen einen tiefen Einblick in sein künstlerisches Denken. Die Künstlerworkshops machen deutlich, wie nutzbringend die Impulskraft künstlerischer Prozesse ist, um neue Entfaltungsräume und Erfahrungswelten zu erschliessen. Erst die aktive Beschäftigung mit den Themen machen die Ausstellungen zu einer lebendigen Plattform für Austausch und Vernetzung, zu einer Inspirationsquelle und Wissenstankstelle, zu einem «Trainingsplatz» für kreative Herangehensweisen. Themen wie z.B. Nachhaltigkeit, Verantwortung und Individualität werden so sichtbar und fassbar, denn die Kunst schenkt ihnen – im wahren Wortsinn – ein Bild. KÖNNEN WIR LERNEN, NACHHALTIG ZU SEIN?

Wir sprechen heute immer mehr von der «lernenden Organisation», vom «lernenden Unternehmen». Aber wo finden wir die dafür notwendigen Trainingsfelder, wie entwickeln wir die Fähigkeiten, um überhaupt zu lernen? Die Auseinandersetzung mit Künstlerinnen und Künstlern schafft einen optimalen Nährboden für Lernfelder unterschiedlicher Art. Denn: Dass Kunst polarisiert,

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Workshop

ist eine ihrer Stärken. Kunst kann uns einen, genauso wie sie Unvereinbarkeiten nicht etwa schafft, sondern vielmehr sichtbar macht. Sie legt den Finger auf die Wunde und bringt Unausgesprochenes und Konfliktgeladenes ans Licht. Der Workshop mit Romuald Hazoumè zeigte dies auf eindrückliche Weise. Manche Künstlerinnen und Künstler sind wahre Kommunikationsmeisterinnen und -meister, doch können sie dies nur beweisen, wenn wir ebenfalls zur Kommunikation bereit sind. Und genau diese Prozesse moderiert die Mobiliar gezielt und verständlich. Denn dann wird auf lustvolle und intellektuell anregende Weise deutlich, auf welche Art künstlerische Prozesse Lernfelder für Transformationen bieten.


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Die Mobiliar-Methode Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

Romuald Hazoumè erklärt seine künstlerische Haltung und bietet Einblick in die afrikanische Kultur.

Workshop


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Workshop


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Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 4

Workshop


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SHIRANA SHAHBAZI Kunst in der Arbeitswelt

Wir haben die in Zürich lebende und international renommierte iranische Künstlerin Shirana Shahbazi (*1974 in Teheran) eingeladen, sich fotografisch dem Thema «Kunst in der Arbeitswelt» zu nähern. Die exklusiv für die Mobiliar entstandenen Fotografien schaffen auf eindrückliche Weise eine Verbindung zwischen Shirana Shahbazis unverwechselbarer künstlerischer Handschrift und dem Anliegen der Mobiliar, die jeweiligen Tätigkeitsfelder der Mitarbeitenden durch die Beschäftigung mit Kunst produktiv zu begleiten. Die persönlichen Statements der Mitarbeitenden unterstreichen dies.


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Kunst in der Arbeitswelt

DIE KUNSTSAMMLUNG DER MOBILIAR FÜR DIE MITARBEITENDEN

Für die Mobiliar stellen seit Ende der 1930er-Jahre die Pflege und der Ausbau der unternehmenseigenen Sammlung das Herzstück der Beschäftigung mit künstlerischen Prozessen dar. Die Sammlung zählt über 1000 Werke, die an den Direktionsstandorten in Bern und Nyon vor allem in den Büros, Sitzungszimmern und in Wechselausstellungen gezeigt werden. In unserem Sammlungskonzept manifestiert sich das Thema Nachhaltigkeit in zweifacher Hinsicht: Zum einen in dem Ansatz, die nach sorgsamer Auswahl neu hinzugekauften Werke in eine lebendige und inspirierende Kunstvermittlung einzubinden und zum anderen in der professionellen Aufarbeitung der bereits bestehenden historischen Sammlung. Die Sammlung der Mobiliar ist kein «Luxus», sondern widerspiegelt das Anliegen, Kunstschaffen gezielt und breit zu fördern. Darüber hinaus ermöglicht die Sammlung ein inspiriertes und inspirierendes Arbeitsklima: Die Mitarbeitenden werden beratend darin begleitet, die Sammlung aktiv zu nutzen und sich für ihre Arbeitsumgebung Werke auszuwählen. Zentral ist die Vermittlung: Die Mitarbeitenden erfahren, mit welchen Themen sich die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler befassen und welcher Mehrwert durch die eigene Beschäftigung mit künstlerischen Prozessen entsteht.

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Über Shirana Shahbazi

«In ihren Werken ist eine grosse Bilderlust zu spüren: Porträts, Landschaften, Stadtbilder, Stillleben und abstrakte Farbflächen gehören zu den Genres, den Werkzeugen ihrer Kunst.» Ingrid Isermann über die Künstlerin Shirana Shahbazi, in: Literatur und Kunst, Nr. 8 10/2011


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Sven Rump

Leiter Asset Management, über Daniele Buetti: «Ich interessiere mich schon seit vielen Jahren für Fotokunst. Deshalb ist mir in meinen ersten Arbeitswochen bei der Mobiliar das Bild von Daniele Buetti in der kleinen Attika (Sitzungszimmer) sofort ins Auge gefallen. An den Bildern von Buetti fasziniert mich, dass er mit der Welt der omnipräsenten Labels und der Schönheitsideale, die die Wirklichkeit übertünchen, jongliert. Es war mein Wunsch, das bereits vorhandene Bild von Buetti in meinem Büro durch diese Fotografie zu ergänzen.»

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Patricia Blättler

Redaktorin Unternehmenskommunikation, über Urs Lüthi: «Auf den ersten Blick sind es schöne Punkte, klar und schnörkellos. Was mir an diesem Bild von Urs Lüthi aber besonders gefällt, sieht man erst auf den zweiten Blick. Da entpuppen sich die Punkte als Schminkdosen – eine Schminkdose mit dem Profil des Künstlers. Und auf der Bildseite steht ‹art for a better life›. So ist es.»


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Bernhard Schmid

Leiter Recht & Compliance, über Balthasar Burkhard: «BB gefällt mir einfach, und zwar fast alles. Ich wäre froh, wenn ich zu Hause einen hängen hätte.»

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Erika Pfister

Fachspezialistin Rechnungswesen, über Markus Raetz: «Kurz: das Bild gefällt mir wegen des Farbenspiels. Die Farben laufen getrennt in verschiedene Richtungen, dabei werden die Linien dicker oder dünner; trotz der Linien sieht man eine Kugel.»


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Michèle Bergkvist-Rodoni

Leiterin Vorsorge, über Eva Haas: «An diesem Bild gefallen mir die Vielfalt und die Harmonie der Farben, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Ausserdem die Schönheit der geometrischen Formen, die sich perfekt miteinander vermischen. Es erinnert mich an eine Equipe, die sich durch ihre Diversität auszeichnet. Der es gelingt, einen Teamgeist zu kreieren, der das Team als Ganzes stark macht.»

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Antoine Pfander

Leiter Partner Management, über Arnold Odermatt: «Es sind ja drei Szenen, jeweils mit einem Autounfall. Zum einen gefällt mir die Schwarz-Weiss-Fotografie grundsätzlich. Zum anderen ist es der Link zu unserem Versicherungsgeschäft, den ich in diesem Zusammenhang interessant finde: Hinter jedem Sujet stecken Unfallereignisse und womöglich auch Schicksale. Für die Mobiliar gehört es zum Kerngeschäft, im Schadenfall vor Ort präsent zu sein und zu helfen: für Sachschäden aufzukommen und den Menschen in misslichen Lagen zu helfen und emotional beizustehen.»


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Claudia Tschanz

Betriebswirtschafterin XpertCenter AG, über Werner Otto Leuenberger: «Bilder als optische Farbtupfer im Alltag. Kräftige Farben und Formen sind motivierend und wesentlich für die alltägliche Kreativität. Zudem geben Bilder einen Rahmen und kreieren eine wärmende, auch aktivierende Atmosphäre. Ein Bild regt zur Findung eines anderen Blickwinkels an und kann dadurch unverhofft zur Lösung einer beruflichen Aufgabe beitragen.»

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Daniela Lehner

Teamleiterin Printing und Services, über Chantal Michel: «Ich bin ein Fan von Chantal Michel und habe mir schon einige Ausstellungen von ihr angesehen. Mir gefällt, wie diese Künstlerin einen in ihre Fantasiewelt entführt mit ihren aussergewöhnlichen Fotografien. Das Bild neben mir spricht mich an, weil es eine Mischung aus Kitsch und Nostalgie ist und Chantal sich in ihren Fotografien immer wieder selber in Szene setzt … wie hier im Blümchenkleid und Grossikrug.»


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Patrick Tharin

Leiter Werbung Vorsorge, über Balthasar Burkhard: «‹Rio Negro›, das Werk von Balthasar Burkhard, ist auf eine schlichte Aluminiumplatte aufgezogen und hängt ohne Rahmen, erscheint jedoch wie ein Fenster zur Welt. Trotz der dunklen Farbtöne bringt es frischen Wind und öffnet allen Menschen, die im dritten Stock der Mobiliar Leben ankommen, eine neue Perspektive. Die echten Ficus-Bäume im Vordergrund fungieren als unterhaltsames Bindeglied und bilden zusammen mit der Fotografie im Hintergrund eine Art Installation. Dieses ausdrucksstarke Werk hat eine beruhigende Wirkung auf mich, und der moderne Aspekt gefällt mir sehr.»

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Isabelle Jobin

Betriebswirtschafterin KMU, über Giacomo Santiago Rogado: «Dieses Bild liefert die tägliche Portion Farbe in unseren Büroalltag, erinnert uns daran, dass die Würze in der Schlichtheit und Einfachheit liegt.»


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Manuel Geissmann

Leiter Sachschaden Mitte, über Franz Gertsch: «Franz Gertsch begleitet mich seit meinem ersten Arbeitstag bei der Mobiliar. Damals – und über lange Zeit – hing ein grosses Bild von ihm in der Eingangshalle. Da seine Bilder eine grosse Faszination auf mich ausüben, war ich erfreut, als ich von der damaligen Kunstverantwortlichen die Chance erhielt, eine etwas kleinere Lithografie in meinem Büro aufhängen zu lassen.»

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Thomas Trachsler

Leiter Markt Management, über Rudolf Mumprecht: «Warum ich seine Bilder gut finde: Ich kenne den Berner Künstler persönlich, habe auch zu Hause ein Bild von ihm. / Weil sie gute Wortspiele verbinden und die Art des Künstlers charakterisieren. / Es waren jene Bilder, die die Mobiliar von ihm gekauft hat. / Dorothea hat sie mir grosszügigerweise ausgeliehen ...»


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GEORGE STEINMANN Gletscherblues

George Steinmann (*1950 in Bern) wurde im Rahmen der Weltklimakonferenz COP21 in Paris (30. November–10. Dezember 2015) durch das internationale Kuratorium ARTPORT_making waves und die Schweizer Botschaft in Paris zur Entwicklung einer künstlerischen Intervention eingeladen. Daraus entsteht nun ein Projekt, das die Mobiliar Jubiläumsstiftung unterstützt. Steinmann erklärt seine künstlerische Intention. Peter Marthaler stellt in seinem Essay die faszinierende Arbeitsweise und Haltung des in Bern lebenden Künstlers und Bluesmusikers vor.


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Zitate

«Wenn das inflationär verwendete Wort ‹Nachhaltigkeit› wirklich substanziell umgesetzt ist, dann im Werk des Künstlers George Steinmann.» Konrad Tobler, ArtMapp, Magazin für Kunst, Architektur und Fotografie, Nov. 2014

«Doch immer geht es ihm um ein Ganzes, um die grossen Zusammenhänge, die sich nicht auf den Ort beschränken, sondern letztendlich das ganze Leben umfassen und sich in komplexen Wechselbeziehungen gegenseitig beeinflussen.» Gisela Kuoni, Kunst Bulletin Schweiz, 17.08.2012

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Über George Steinmann

«STEINMANN VERFOLGT EINE IDEE HARTNÄCKIG, OHNE EIN PURISTISCHER KONZEPTKÜNSTLER ZU SEIN, DENN DAFÜR IST SEIN WERK VIEL ZU SINNLICH UND SIND SEINE AUSGANGSSTOFFE ZU SEHR IN DER NATUR VERHAFTET.» Linda Schädler, Neue Zürcher Zeitung, Feuilleton, 06.02.2007


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George Steinmann

WAS KÖNNEN KUNST UND KULTUR ÄNDERN? George Steinmann

Kunst und Kultur sind wichtig und auch in Konflikten keineswegs ein Luxus. In der Kunst- und Kulturförderung liegt ein grosses Potenzial für Konfliktverhütung, Konfliktlösungen sowie für den Wiederaufbau nach Konflikten. Kunst kann Menschen verändern; sie kann den sozialen Zusammenhalt stärken, gesellschaftlichen Wandel bewirken und zwischen Gemeinschaften Brücken schlagen. Daher bin ich überzeugt, dass unsere Gesellschaft sowie unsere staatlichen Behörden die Künste in die Debatte über eine zukunftsfähige Gesellschaft einbeziehen sollten. Der Dialog ist die Essenz des 21. Jahrhunderts. Wir leben in einer globalisierten Welt, sind total vernetzt, haben Zugang zu unendlich vielen Informationen. Aber all dies reicht nicht, wenn wir nicht gleichzeitig zu einer Kultur des gegenseitigen Respekts finden. Erst eine wechselseitige Verständigung über verschiedene Sichtweisen und Perspektiven ermöglicht die Lösung von anstehenden Problemen. Ich glaube deshalb, dass die Kunst, die den Herausforderungen unserer Zeit angemessen begegnet, ihre in der Moderne selbstgewählte Isolierung überwunden haben wird. Ich möchte mit meiner Kunst nicht nur reagieren, sondern Beziehungsgeflechte ermöglichen. Mich interessiert der Dialog, die Kooperation im Wissen darüber, dass die gesellschaftliche Realität im 21. Jahrhundert zu komplex geworden ist, als dass wir uns den Luxus einer disziplinären Vereinfachung noch leisten können. ET WA S MÖCHTE ICH H I ER K L A R STEL L EN: DI E ZEIT FÜ R PES SI M ISM US IST VOR BEI.

Lasst uns heute für die Welt von morgen handeln. Wenn uns wichtig ist, was für eine Welt wir kommenden Generationen hinterlassen, müssen wir jetzt entschieden und global handeln. Wir sind aufgefordert, den politischen und persönlichen Willen über alle Grenzen hinaus wachzurütteln. Damit dies gelingt, benötigen wir eine «Symbiose der Verantwortlichkeit». Dies erfordert auch ein Hinterfragen unserer Alltagshandlungen sowie das Praktizieren von

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George Steinmann

Schadensminderung, Glaubwürdigkeit, Genügsamkeit und Demut. Zweifellos lassen sich Veränderungen in Richtung einer zukunftsfähigen Gesellschaft nur bewirken, wenn wir das Wissen einbeziehen, welches der Kunst in all ihren ästhetischen und kulturellen Dimensionen innewohnt. Mehr noch: Künstlerinnen und Künstlern liegt die Aufgabe der Transformation am Herzen. Wir sollten uns um Konfliktlösungen in einer versöhnlichen Haltung bemühen. Dies setzt Mitgefühl und Achtsamkeit voraus. Wir müssen uns mit unserer Welt versöhnen. Die Antwort liegt in uns selbst. Copyright: George Steinmann. Auszüge des obigen Textes stammen aus der am 29. September 2009 an den Europarat in Strassburg gerichteten Grundsatzrede von George Steinmann, «The Artist in the Context of Climate Change – a subtle profundity». © September 2015: Übersetzung aus dem Englischen von Margret Powell-Joss, www.powelltrans.ch


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Skizzen

WEAK AESTHETICS (NEGOTIATIONS AND EMPATHY) 2010/2015 Heidelbeersaft, Antiseptikum, Kugelschreiber, Tempera mit Heidelbeersaft, Spur von Kupfer, ca. 29,5 cm x 21,0 cm

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George Steinmann

ON WATER 2010/2013 Heidelbeersaft, Antiseptikum, Kugelschreiber, Filzstift, 29,7 cm x 20,9 cm


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George Steinmann auf der Weltklimakonferenz COP21 in Paris, 2015


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Kein Eis ist ewig KEIN EIS IST EWIG Peter Marthaler

Die Kulisse auf 2300 Metern über Meer beim Hotel Belvédère am Furkapass im Kanton Wallis wirkt grotesk: Die knallrote Gitarre kontrastiert krass mit dem milchig trüben Gletschereis. George Steinmann spielt ohne Verstärker. Sein Blues besingt das immer schnellere Abschmelzen des vermeintlich «ewigen Eises». Er weiss, auch mit vielen tausend Watt stoppt sein Blues den Rückgang des Rhonegletschers nicht. «Unplugged» reicht also vollkommen. Die Touristiker haben die Eisschollen auf einigen hundert Quadratmetern mit weissen Tüchern abgedeckt. Diese sollen die unbezahlbaren Fotosujets den zahlenden Gästen noch ein paar Sommer länger erhalten. Mit Leintüchern gegen den Klimawandel. Dieses scheinbar absurde Auflehnen gegen etwas scheinbar Unaufhaltbares ist für George Steinmann der richtige Ort, um seine künstlerischen Ausdrucksmittel kombiniert einzusetzen. George, der exzellente Elektrogitarrist, seit einem halben Jahrhundert mit dem Blues in aller Welt unterwegs, und George, der nachdenkliche Gegenwartskünstler, der seit über 25 Jahren den Finger immer wieder erhebt und zur Nachhaltigkeit mahnt. Das Filmteam dokumentiert die Aktion auf dem Rhonegletscher ohne hektisches Zoomen und Schwenken, ohne filmische Effekte: Hier spielt es einer auf den Punkt. Fadengerade, schonungslos. Der Blues aus dem ewigen Eis, dessen Zeit abgelaufen ist, stellt Steinmanns erstes Werk in einem ganz besonderen Auftrag dar: Er soll die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris 2015 als beobachtender Künstler begleiten. Hier finden sich die Mobiliar und der Künstler perfekt: Die Zukunft bewältigen wir nur, wenn wir sie nachhaltig angehen. Und: Die Kunst ist ein wertvoller Partner im Dialog mit all den weisen Fachleuten und Wissenschaftlern, die sich mit drängenden Problemen wie dem Klimawandel «von Berufs wegen» befassen.

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Über George Steinmann

Die Mobiliar bindet die Kunst in ihr genossenschaftliches Engagement immer wieder ein. So unterstützt die Jubiläumsstiftung der Mobiliar auch den Auftrag von George Steinmann an der Klimakonferenz in Paris. Nach unzähligen Stunden im Konferenzsaal, nach Dutzenden Gesprächen mit Wissenschaftlern und Behörden, nach intensiven Recherchen über die Zusammenhänge des Klimawandels zieht sich Steinmann in sein Berner Atelier zurück. Seine Werke werden ausdrücken, was er «vor, während und nach Paris» alles gehört, gesehen und gefühlt hat. Der Blues auf dem Rhonegletscher ist die Ouvertüre zu diesem künstlerischen Werk, welches in Ausstellungen um die Welt ziehen soll. Auch ein Künstler aus Island und einer aus Kamerun sind in Paris dabei. Das internationale Kuratorium ARTPORT (New York, Paris, Valencia) hat diese Auswahl getroffen. George Steinmann wurde ebenfalls von der Schweizer Botschaft in Paris und «Präsenz Schweiz» vom Eidgenössischen Departement des Äusseren (EDA) eingeladen und unterstützt. Aber über den Klimawandel, da sprechen doch Klimatologen, Physiker, Biologen. Da sprechen doch Direktoren von nationalen Umweltbehörden, da sprechen doch allenfalls noch Vertreter von sogenannten NGOs (non-governmental organizations) wie Umweltverbänden, aber Künstler? Für George Steinmann ist das logisch. Kunstschaffende haben einen anderen Ansatz. Sie sind nicht geprägt von herkömmlichen Denkmustern, von alten Gewohnheiten, wie man Probleme erfasst, begründet und Lösungen sucht. Sie bringen Denkebenen ein, an welche sich ein Wissenschaftler nicht wagen würde, weil sie «zu wenig wissenschaftlich», weil sie «zu emotional» sind. Mit der Forderung, den Dialog über den Klimawandel für neue Teilnehmer zu öffnen, steht Steinmann nicht alleine da. Papst Franziskus erklärte vor dem amerikanischen Kongress: «Wir brauchen eine Konversation, an der sich alle beteiligen, weil die Veränderungen in der Umwelt


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Kein Eis ist ewig

und ihre menschlichen Wurzeln uns alle angehen». Für Steinmann jedoch ist klar: Erscheinungen wie der Klimawandel lassen sich nicht nur mit Formeln und naturwissenschaftlichen Gesetzen erklären. Zurückdrängen oder besiegen schon gar nicht. Dass dieser Klimawandel von den Bewohnern dieses Planeten ausgelöst wurde, das steht für Steinmann ebenso fest wie für den UNO-Weltklimarat. Er entzieht sich jedoch diesen unvermeidlichen Schuldzuweisungen, diesem erbärmlichen politischen Hickhack zwischen den starren Blöcken – hier die Ankläger der CO2-Produzenten, also uns allen, und da jene, welche den Klimawandel verleugnen und als gewöhnliches «Wetterphänomen» verharmlosen. Feindbilder, so Steinmann, die bringen gar nichts. Steinmann sucht vielmehr den Dialog und ist überzeugt, dass nicht nur mit Zahlen und Fakten, sondern ebenso mit Überlegungen auf der künstlerischen Metaebene ein Beitrag an die grossen Fragen unserer Zeit geleistet werden kann. Formeln und Fakten bringen den Menschen bestenfalls zum Nachdenken, ihn zum Handeln zu bewegen, das schaffen nur Emotionen. Des Künstlers Job ist es, so Steinmann, die grossen Zusammenhänge allen menschlichen Wirkens aufzuzeigen. Dies gelinge mit künstlerischen Werken leichter, weil viele Menschen Kunst als inspirierende Quelle wahrnehmen. Nachhaltigkeit definiert George Steinmann über vier Aspekte, nicht nur die üblichen drei: Zur Ökologie, Ökonomie und zum Sozialen gehört nach seiner Meinung auch die Kultur. Steinmann sucht diesen Dialog in Sachen Nachhaltigkeit seit 25 Jahren. Sein künstlerisches Schaffen ist fast ausschliesslich diesem Thema gewidmet. Er studiert alle erschliessbaren Quellen akribisch, steht in permanentem Austausch mit renommierten Wissenschaftlern, zum Beispiel mit dem Berner Klimatologen und Mitglied des UNO-Weltklimarates Professor Thomas Stocker. Hier schliesst sich der Kreis zur Mobiliar erneut: Am Mobiliar Lab der Universität Bern forschen Wissenschaftler und Fachleute der Mobiliar gemeinsam über Naturgefahren.

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Über George Steinmann

Sein nachhaltiges Schaffen hat dem Berner Steinmann schon zu spektakulären Auftritten verholfen, so sprach er 2009 vor dem gesamten Europarat in Strassburg über die Verantwortung der Kunst gegenüber der Gesellschaft. Dass sein Werk auch höchsten akademischen Ansprüchen genügt, beweist die Verleihung des Ehrendoktors durch die philosophisch-historische Fakultät der Universität Bern. Diese Ehre wurde neben George Steinmann bislang nur vier Personen zuteil, dem Schriftsteller Hermann Hesse sowie den Künstlern Alberto Giacometti, Ilja Kabakov und dem Kunstpädagogen Gottfried Tritten. Seine Berufung als beobachtender Künstler an der Weltklimakonferenz in Paris wurde allerdings von einer eigenartigen Posse begleitet: Die offizielle Schweiz (Eidgenössisches Departement des Äusseren, EDA), welche Steinmann nach Paris einlädt und mit Geld unterstützt, diese selbe offizielle Schweiz (Bundesamt für Umwelt, BAFU) wollte dem Künstler Steinmann den Zutritt zur Konferenz aus strategischen Gründen verwehren. Offenbar sind sich das EDA und das BAFU über die Bedeutung der Kunst bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme noch nicht ganz einig. Peter Marthaler war bis Herbst 2015 Leiter der Unternehmenskommunikation Die Mobiliar.


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Kein Eis ist ewig

«KUNST KANN MENSCHEN VERÄNDERN; SIE KANN DEN SOZIALEN ZUSAMMENHALT STÄRKEN, GESELLSCHAFTLICHEN WANDEL BEWIRKEN UND ZWISCHEN GEMEINSCHAFTEN BRÜCKEN SCHLAGEN.» George Steinmann

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Zitat

«Ein Mehr an Achtsamkeit. Als einer der international avanciertesten Pioniere arbeitet Steinmann daran, auf radikale Weise jene Loslösung der Kunst von der ganzheitlichen Verantwortung zu überwinden, die das gesamte 20. Jahrhundert dominierte.» Dr. Hildegard Kurt, und.Institut Berlin in der Publikation «Die Kunst der Zukunftsfähigkeit», 2003


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Impressum

Diese Publikation erscheint am 27. Januar 2016 anlässlich der Verleihung des 20. Prix Mobilière in Genf. Verantwortlich für den Inhalt ist die Abteilung Corporate Social Responsibility (CSR), Die Mobiliar, Direktion Bern. Besuchen Sie uns auf unserer Webseite und erfahren Sie mehr von unserer Haltung und unseren Projekten: Am 7. April 2016 lanciert die Mobiliar ihren CSR-Hub auf ihrer neuen Homepage www.mobiliar.ch/engagement PUBLIKATION Herausgeberin Die Mobiliar, Corporate Social Responsibility, Direktion Bern, Bundesgasse 35, 3001 Bern, Schweiz, csr@mobi.ch Konzept Beda Achermann, Markus Bucher, Dorothea Strauss Texte Paolo Bianchi, Karin Lange, Peter Marthaler, Viviane Mörmann, George Steinmann, Dorothea Strauss Gestaltung Studio Achermann, Zürich Lektorat Dr. Britta Schröder, Frankfurt am Main Übersetzung ins Französische Françoise Fourault-Sicars, Paris (Seiten 5-59, 95-97, 104-203) und Übersetzungsdienst der Mobiliar (Seiten 61-93, 100-103, 210) Fotonachweis Wenn nicht anders vermerkt: Stefan Altenburger, Zürich Lithografie DETAIL AG, 8032 Zürich Druck Druckerei Odermatt AG, 6383 Dallenwil Auflage 1000 Exemplare deutsch / 500 Exemplare französisch © 2016, für die Abbildungen: die Künstlerinnen und Künstler, Die Mobiliar / für die Texte: Die Autorinnen und Autoren DANK Unser besonderer Dank gilt unseren Kolleginnen und Kollegen bei der Mobiliar und allen zugewandten Personen, die uns bei der Realisierung der CSR-Projekte unterstützten und geholfen haben, dass diese Publikation realisiert wird. Dem Studio Achermann und allen involvierten Künstlerinnen und Künstlern danken wir herzlich für die produktive Zusammenarbeit. Nicht zuletzt geht unser besonderer Dank an Christoph Doswald, Dr. Britta Schröder und Françoise Fourault-Sicars für ihr Engagement. DIE GRUPPE MOBILIAR Die Mobiliar wurde 1826 gegründet und ist bis heute genossenschaftlich verankert. Das Wohlergehen und die Zukunft der Schweiz liegen uns sehr am Herzen. Jeder dritte Haushalt in der Schweiz ist bei der Mobiliar versichert. Der Allbranchenversicherer weist ein Prämienvolumen von 3,3 Mia. Franken auf. 78 Unternehmer-Generalagenturen mit eigenem Schadendienst garantieren an rund 160 Standorten Nähe zu den knapp 1,7 Millionen Kunden. Die Mobiliar beschäftigt in den Heimmärkten Schweiz und Fürstentum Liechtenstein 4300 Mitarbeitende und bietet rund 320 Ausbildungsplätze an.


Die Mobiliar-Methode

Wie halten wir uns fit für die Herausforderungen der Zukunft ? Wo erwerben wir Kompetenzen, damit wir nachhaltig, verantwortungsvoll und kreativ unsere Zukunft mitgestalten ? Wie entwickeln wir uns weiter ? Und was kann ein genossenschaftlich verankertes Unternehmen wie die Mobiliar dafür tun, Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Entwicklungen zu schaffen ? Welche Rolle soll dabei die Kunst spielen ? In der vorliegenden Publikation zeigen wir auf, wie und auf welche Weise die MobiliarMethode solchen Fragestellungen begegnet.


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