WW Magazin No. 4/16

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WW MAGAZIN Nr. 4 SEPTEMBER / OKTOBER 2016

DER LETZTE SCHREI WIRD LEISE oder: Warum es immer weniger Modekollektionen gibt!

SAMI BOLLAG Der modischste Unternehmer der Schweiz plaudert aus dem Nähkästchen. Über Handel in Zeiten von Einkaufstourismus und Rabattschlachten. Über seine lange Laufbahn – und über seinen ­Zweitwohnsitz im spannendsten Viertel von Tel Aviv.

HERBST-MUST-HAVE

Weshalb man in dieser Saison Kapuzenpullover tragen muss. WOCHENEND-REISETIPP

Fr. 6.50

Innsbruck liegt nahe, ist sicher und gemütlich.




Innenbetrachtung  Editorial

Illustration: AKIRA SORIMACHI

Willkommen im besten Monat

Gute Monate, um Mode zu kaufen, sind September und März. Sowie J­anuar, ­Februar, April, Mai, Juni, Juli, ­August, Oktober, ­November und D ­ ezember. Im ­Original ­bezieht sich ­dieser ­witzig ­gemeinte Spruch auf ­geeignete ­Monate für ­Börsenhandel. Doch auf die Mode trifft er ­mittlerweile ­sicher auch zu – es gibt ­immer mehr ­Marken, ­denen vier ­Kollektionen ­jährlich nicht mehr ­genügen. Bei H&M, Zara et c­ etera ­kommen ­stattdessen alle paar Wochen neue Kleider in 4  WW Magazin

die G ­ eschäfte. Damit es ­immer neue ­Gründe gibt, um zu k ­ aufen. Geht die ­ Rechnung auf, oder führt sie zu übervollen ­Gestellen und ständigem ­Ausverkauf? ­Antworten hat der ­Schweizer ­Modeunternehmer Sami ­Bollag, der sein ­bereits ­langes ­Berufsleben in der B ­ ranche zubringt. Ich ­wünsche ­interessante Lektüre. Und, ­übrigens, September ist ein guter Monat, um ­­WW ­Magazin zu lesen.

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BUCHERER.COM

EINZIGARTIG WIE IHRE EMOTIONEN – SEIT 1888 UHREN SCHMUCK JUWELEN


Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) DUONG NGUYEN

Es gibt bloss wenige Mitarbeiterinnen, die mehr Einfluss a ­ uf den Look des WW ­Magazins haben, als Duong – und doch findet man ihre A ­ utorenzeile nirgends im Heft. Weil sie Bildredaktorin ist. Das heisst, sie ist dafür verantwortlich, dass die Bilder, die wir zeigen wollen, entweder für uns frisch fotografiert oder in Fotoarchiven g ­ efunden werden. Falls es Ihnen nun geht, wie es dem ­Redaktionsleiter ging, bevor er eine ­Redaktion leitete, erkennen Sie vielleicht nicht, was eine Bildredaktorin den ganzen Tag lang tut. Verkürzt gesagt: Sie beauftragt Fotografen und sie versichert Archivmitarbeitern, dass ihre Bilder von uns schön wiedergegeben und auch bezahlt würden und so weiter. Kurz: Sie ist die heimliche Chefin. Denn Bilder sieht jeder, Texte lesen nur die ­Interessierten. Sehen Sie Duongs Beiträge auf den Seiten 1 bis 54.

3 & 4) SARAH STUTTE UND CHRISTINE BENZ

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DUONG NGUYEN , YVONNE WIGGER , SARAH STUTTE UND CHRISTINE BENZ , VALESKA JANSEN 1)

2)

3)

Unsere Schreiberin und die ­Fotografin erlebten während i­hrer Dienstreise nach Innsbruck ein paar Abweichungen vom Plan – was das Wetter anging, was die Ladenöffnungszeiten betraf oder die Informationslage der ­Ansprechpartner vor Ort. Freilich hat dann doch alles geklappt, der Aufenthalt wurde ein ­guter. Was auch damit zu tun hatte, b ­ erichten ­unsere Mitarbeiterinnen, dass die Tiroler freundliche, unkomplizierte und h ­ ilfsbereite Menschen sind. Und was zeigt, dass auch das neueste Informationssystem und das bestentwickelte s­ oziale Netzwerk den altmodischen Augenschein nicht ersetzen sollte, wenn man L ­ esern ­einen fremden Ort empfehlen will. Denn was Reporter e­ rleben, können auch Leser erleben, die als Touristen ­unterwegs sind. ­Sarah und Christine empfehlen die ­Destination; ihre R ­ eportage finden Sie ab Seite 46.

4)

2) YVONNE WIGGER

Unsere Moderedaktorin, die zurzeit in München lebt und für Elle arbeitet, hat die ­Aufgabe, im Meer aus Informationen, mit denen Journalisten von P ­ ublicRelations-Mitarbeitern der M ­ odeindustrie eingedeckt werden, sozusagen nach Perlen zu tauchen. Denn wir wollen Sie nicht mit Trends, Entwürfen und Designernamen langweilen, von denen Sie bis heute noch nie was gehört haben – und die Sie morgen wieder vergessen dürfen. Für diesen Herbst hat Yvonne einen Klassiker ausgewählt – den Kamel-Mantel mit Nummer 101801 von Max Mara – oder neueste Modelle der neuesten Marke, von der Modechefs und Einkäufer Grosses erwarten – Vetements von Demna Gvasalia. Wir sind zuversichtlich, dass Yvonne Perlen gefunden hat. Ihre Funde finden Sie auf den Seiten 15, 16 und 52.

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5) VALESKA JANSEN

Unsere Beauty-Redaktorin hat eine ähnliche ­Ausgangslage wie unsere Mode-Redaktorin, über die in der linken Spalte b ­ erichtet wird. Auch auf ihrem Fachgebiet – Schönheits- und ­P flegeprodukte – ist die Zahl der Neuheiten, die vorgestellt werden sollen, grösser als der Platz, der zur Verfügung steht. Die ­Redaktorin muss also trennen zwischen Must-have, wichtig, und N ­ ice-to-have, etwas weniger wichtig. Wodurch sich aber Kleidung und Schminke unterscheiden: Ein Rock oder Mantel muss ­bestimmten stofflichen Ansprüchen genügen, soll zum Beispiel vor Kälte schützen. ­Wohingegen von einem Lippenstift oder Lidschatten keine Frau Ähnliches erwartet, nur das Feinstoffliche zählt. Kurz: Es geht um grosse Fragen. «Macht es mich schöner?» «Sehe ich jünger aus?». Antworten dazu auf Seite 18.

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Inneneinrichtung

Holzmöbel

Accessoires

Premium Schweizer Möbel und Inneneinrichtung nach Mass im Chalet- und Landhaus-Stil. Showroom: Forchstrasse 127, 8032 Zürich, Tel. 044 420 01 02, www.edelwiis.ch


Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr.4    IN H A LT RÄUMT MODE VIEL PLATZ EIN – SAMI BOLLAG

Wer meint, MODE und KUNST ­seien

ZWEI ­E RNSTE ­GESCHICHTEN, hat SAMI BOLLAG,

­ odeunternehmer, M Kunstliebhaber und WW-­Persönlichkeit dieser Ausgabe, noch nicht k ­ ennengelernt. Auf unserem Bild sieht man ihn bei der ANPROBE eines Werks von DANIEL DEWAR UND ­GRÉGORY GICQUEL, in seinen

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Titelbild und Bild auf dieser Seite: Dan Cermak

­ eschäftsräumen G im Textil- und ­Modecenter TMC, ­­in Opfikon bei Zürich.

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Inhaltsverzeichnis  Innenbetrachtung

CONTRIBUTORS

REISEN

Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 6

TREND-REPORTE

MODERNE KLASSIK

SEITE 15

GESEHEN BEI KENZO

IN INNSBRUCK MODE

Wunderbares WOCHENEND-ZIEL im netten und nahen NACHBARLAND .

SEITE 16

SEITE 46

BEAUTY

RUBRIKEN, GESCHICHTEN

SEITE 18

KOLUMNEN

MODE

von Alexandra Kruse Bilder: Christine Benz, Jork Weismann Illustrationen: Paul Blow, R. Kikuo Johnson

SEITE 10 KUNST

von Andreas Ritter SEITE 12 BRIEFING

WANDERLUST

Mode und Modebranche

von Sarah Stutte

SEITE 14

SEITE 50

REPORT

Das Ende des Laufstegs SEITE 28

ANLEITUNG

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FOTOSTRECKE

ARBITER ELEGANTIARUM

Neue Herbstfashion für modemutige Frauen

Veronika Heilbrunner

SEITE 32

SEITE 52

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Aussenbetrachtung  Modekolumne

Illustration: AKIRA SORIMACHI

FÜR IMMER JUNG

Ein Baumwollpullover mit Kapuze ist – ein Baumwollpullover mit Kapuze. Wer das sagt, hat den sogenannten «HOODIE» nicht verstanden. Denn dieser ist vielmehr ein Stück textiler WIDERSTAND und hat seine ÄRMEL oft im Spiel, wenn Jugendliche UNSINN machen. Er setzt sich aber auch über ALTERSUND GESCHLECHTERGRENZEN hinweg. Und er ist ein MUST-HAVE der Saison.

Text:

ALEXANDRA KRUSE

I

ch erinnere mich noch genau an meinen ­allerersten Kapuzenpullover: Er war ein Flohmarktfund und ich war vierzehn. Der Hoodie, von geschätzten hundertzwanzig Waschgängen seines Vorbesitzers stark ergraut, dünn ­geworden und voller kleiner Löcher, hatte e­ inen recht verstörenden Totenkopf-Print auf dem ­Rücken, stammte von einem Skater-Label – und war eine Kindergrösse. Natürlich wurde er, zum grossen Ärger meiner Mutter, mein Lieblingsstück, das sich – sehr zur Freude meiner Mutter – dann irgendwann einfach auflöste, zu viele rebellische Teenager-Emotionen hatten die Baumwolle besiegt. Mein zweiter Kapuzenpullover, ich sass schon im Modestudium, war von Marc Jacobs, oversized, türkis und es stand «CE SOIR» drauf; ich hatte das Modell zuvor in der Vogue an Missy Rayder entdeckt und trotz meines schmalen Gehalts gekauft, was für meine damaligen finanziellen Verhältnisse mutig war. Ein Hoodie ist vordergründig ein Sweatshirt mit Kapuze, manchmal mit einer Art praktischem Kängurubeutel vornedran, tatsächlich aber viel mehr: eine Dosis textil g ­ ewordener Widerstand. Das Kapuzenshirt hat seine Ä ­ rmel öfter mal im Spiel, wenn, meist jugendliche, ­Delinquenten Unsinn machen. Sie überfallen

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darin Tankstellen, randalieren in schwarzen Blöcken und auf Fussballspielen, sprühen Graffiti oder brechen in Freibäder ein. Deshalb gibt es sogar Verbote, einen Hoodie zu tragen, und die kommen nicht von der Stilpolizei: In England darf man damit nicht in Shopping Malls, wo Kapuzenpullis, by the way, verkauft werden, und auch in Pubs sind sie verboten. In Amerika darf er oft nicht mit in die Schule – vielleicht, weil in Horrorfilmen meist der ­Jugendliche mit der Säge einen Hoodie anhat. Und er macht selbst vor Hollywood nicht halt, Justin ­Bieber trägt Kapuze, wenn er dort über den roten Teppich an eine Filmpremiere geht. Und selbst die ­G emahlin des zukünftigen englischen Königs gibt sich darin gerne casual. Oder Rihanna nutzt den Hoodie eines o ­ versize-Sweatshirts als Anti-Paparazzi-Alternative zur Sonnenbrille. Und natürlich gibt es längst zahlreiche ­Luxus-Nachfolgevarianten meines Hoodies von Marc Jacobs, etwa von Valentino, Balenciaga, ­Stella McCartney und Yeezy, dem StreetwearLabel von Rapper Kanye West. Dabei hat das Stück im Grunde ehrliche, einfache Wurzeln. Der amerikanische Wäschehersteller Champion erfand es in den frühen 1930er Jahren für Arbeiter in New Yorker Tiefkühllagern, damit diese keinen Nackenfrost erlitten. Später kam es bei Sportlern zum Einsatz, die es dann an ihre fröstelnden Freundinnen am Spielfeldrand weitergaben. Damit war der Schritt von praktisch zu persönlich ­gemacht. Richtig in Mode kam der Kapuzenpullover in den 1970er Jahren, Graffitikünstler,

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Gangmitglieder und Skateboarder hatten ­seine Schutz- und Tarnkappenfunktion für sich entdeckt (Serien-Tipp: «The Get Down»). Der vielleicht endgültige Durchbruch kam dank «Rocky», in dem er z ­ usammen mit Sylvester Stallone die Hauptrolle spielte. Das Bild des einsamen Kämpfers, der seine Faust in den Himmel reckt, hat sich in unser kollektives Gedächtnis gebrannt. An all das dachte ich kürzlich, als ich ein Instagram-Bild von Juergen Teller sah, das Topmodel Tamy Glauser auf dem Set ­eines Kampagnenshoots für Vivienne Westwood zeigte. Die ­ a ndrogyne Schweizerin geht ­übrigens ­b ereits in der fünften Saison für ­L ouis Vuitton über den Laufsteg. Auf dem Foto stand Tamy n ­ eben Teller. Die beiden befanden sich auf einem Berg Perserteppiche und trugen so ziemlich d ­ asselbe: schlabberige Jeans, alte Sneakers und eben Hoodies. Eine Art Unisex-Uniform also, die gleichmacht und sich somit auch über ­A lters- und Geschlechtergrenzen hinwegsetzt. Der Kapuzenpullover hat nie s­ eine Jugend verloren und ist immer noch ein modischer Rebell. Zurzeit denke ich über die Anschaffung ­eines dritten Modells nach, vom Label ­Vetements dieses Mal. Abgesehen davon, dass die Marke in der Modewelt gerade religiös verehrt wird, gibt es auch einen ganz banalen Grund für meinen geplanten Kauf: Hoodies sind innen oft sehr kuschelig. Das ist i­ deal für Zeiten wie unsere: aussen hart, rebellisch, jung, ­modisch – innen weich und schmusebedürftig.

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Kapuzenpullover, genannt «Hoodie», von Vetements – aussen rebellisch, innen kuschelig.


Über tausend Rettungswesten formen den Buchstaben F: «F» für Fake oder «Freedom» oder «Finance», sagt Ai Weiwei, der Schaffer des Kunstwerks im Bassin des Schlosses Belvedere in Wien.


Kunstkolumne  Aussenbetrachtung

AUCH KÜNSTLER, DIE GUTES TUN, SOLL MAN KRITISIEREN Ai Weiwei setzt sich in SEINER SOLOSCHAU im Wiener Schloss Belvedere mit dem FLÜCHTLINGSELEND auseinander. Das ist im Grundsatz recht und im ­Besonderen sowieso – der Chinese hat selber erfahren, was es heisst, sich mit den MÄCHTIGEN DES HEIMATLANDS anzulegen. Dennoch, weniger wäre mehr ­gewesen.

Text:

ANDREAS RITTER

Bild: Ai Weiwei, F Lotus, 2016, Ai Weiwei Studio © Peter Korrak

E

in Mandat führte mich mitten im Hochsommer nach Wien, am vermutlich heissesten Tag des Jahres 2016 (beziehungsweise an ­einem der drei heissen Tage). Wunderbar ­lethargisch war die Stimmung, die Bewegungen der ganzen Stadt wie in Zeitlupe, und ein Besuch des Barockpalasts Belvedere versprach luftige ­Abkühlung in der grossen Parkanlage. ­Zuerst geriet ich in eine eigentümliche Ausstellung Franz von Stucks, ­ eines in Vergessenheit geratenen Wiener S ­ ezessionskünstlers, den es wiederzuentdecken galt und dessen seltsam heiteren wie gespenstischen Figuren einem den wohlersehnten kalten Schauer über den Rücken jagten. Unprätentiös-meisterhafte, meist kleinformatig-darstellende Malerei von um 1900 – das war Erfrischung pur, prickelnd und wohltuend wie ein Limettensorbet. So gerüstet und als Kontrastprogramm d ­ azu machte ich mich auf ins Obere Belvedere zu Ai Weiwei, der wenige Tage zuvor mit Pauken und Trompeten eine grosse Soloschau e­röffnete: Der chinesische Star im zeitgenössischen Kunstschaffen arrangierte im Wasserbassin vor dem Schloss aus einem Berg von über tausend Rettungswesten, die Flüchtlinge auf der griechischen Insel ­Lesbos zurückgelassen hatten, 201 Lotusblüten, in C ­ hina das Symbol für Reinheit und Vollkommenheit. Traurige Blüten, m ­ öchte man sagen, die den Buchstaben F formten: «F» für Fake, wie e­ ines seiner wichtigsten P ­ rojekte heisst. Man könne, so liess der Künstler ausführen, es aber auch als «Freiheit» lesen oder als «Finanzen». Und ich assoziierte «Fleurs du Mal», vielleicht etwas beduselt von der H ­ itze und ­Melancholie, die Wien für mich immer ausstrahlt. Die K ­ ohorten

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von Kunsttouristen vor der Installation schien das dekorative Ensemble a ­ llerdings weniger zum Nachdenken aufzufordern als dazu, noch mehr Fotos zu ­machen. Rettungswesten und Ai Weiwei, das ­hatte man doch schon gesehen? ­Irgendwie schmeckte das erstmal mehr nach Erdbeer- & ­Vanille-Eis mit Rahm, schwer zu verdauen bei der Hitze. Kunst als grosse laute Geste galt auch für das zweite Werk des Superstars: Vor der Postkartenkulisse des Belvedere posierten Bronzeköpfe von Schwein, Hund, Drache sowie neun weiteren Tiermotiven aus dem chinesischen H ­ oroskop. Doch trotz aufgespiesster Schädel – im kühleren Prag hatte Ai ihnen noch Wärmedecken umgelegt – war die Stimmung auch hier heiter und sonnig. Die historischen Originale dieser Kopien standen einst in Peking vor dem Sommerpalast; nach dem Zweiten Opiumkrieg blieben viele verschollen. Es sind fraglos nicht die leisen ­Zwischentöne, die Weiwei auf seiner Klaviatur spielt, doch findet das laute Werk überhaupt ­Gehör? Oder ist es womöglich subversiv, wenn sich die Tragödie, die sich j­eden Tag im Mittelmeer abspielt, so in Urlaubsfotos von ahnungslosen Kunsttouristen schleicht? Auf Lesbos wollte der Künstler ein Mahnmal aus Rettungswesten vor Ort im Flüchtlingslager ­erstellen, doch scheiterte er am unvorhergesehen heftigen Widerstand. Gerade für seine Arbeit mit Bildern und Objekten der Flüchtlingskrise hatte Ai zuletzt Kritik geerntet – er selbst beharrt darauf, dass es seine ­Aufgabe sei, ­Bewusstsein überhaupt erst zu schaffen; wie es dann angenommen wird, sieht er als ausserhalb seiner Kontrolle stehend. Darf man einen Künstler, der Plädoyers für Menschenrechte, Meinungsfreiheit und ­Demokratie hält, kritisieren? Einen Dissidenten, der lange mit Ausreiseverbot belegt war? Der sich solidarisiert und sagt, als Sohn e­ines regimekritischen Autors sei er selbst als ­ Flüchtling geboren? Wohl keinesfalls für sein

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politisches Engagement. Und aus meiner Sicht auch nicht dafür, dass er mit jeder Handlung an die Öffentlichkeit drängt. Natürlich fehlt seiner Symbolik Subtilität, sie schreit einem vielmehr ins Gesicht – auf dass sie auch der letzte Ignorant versteht. Dass Ai Weiwei Bilder bemüht, die ohnehin allgegenwärtig sind, ist auch nicht frei von Populismus. Und doch gelang es ihm zum Beispiel mit den 9000 Rucksäcken, die er 2009 an der Fassade des Münchner Hauses der Kunst a ­ nbrachte, das Schicksal jener Schulkinder aus Sichuan, die bei einem Erdbeben in einem k ­ atastrophal gebauten Schulhaus umgekommen w ­ aren, in die Erinnerung der Weltöffentlichkeit zu rufen. Ein Ereignis, das die Behörden mit dem Mantel des Schweigens zu bedecken versuchten. Dieses Mal nun also «Les Fleurs du Mal», bloss war Baudelaire damals der verfemte Dichter, welcher der Vulgarität der Welt leidenschaftliche Verachtung und Widerrede entgegenstellte. Ai Weiwei wird mit seinen Blumen aus Schwimmwesten in Wien der Postkartenstar des Jahres, was nicht gegen ihn spricht, sondern vielmehr den Zustand der Welt aufzeigt. Ich fuhr alsdann direkt vom Belvedere an den Wiener Hauptbahnhof und von da nach ­Budapest per Zug. Beim Austritt aus dem ­Keleti-Bahnhof steht man unvermittelt auf einer Art Aussichtsplattform – vor und unter einem eine ganze Zeltstadt, wo Flüchtlinge auf die Weiterreise warten. Ich schämte mich einen Moment, dass ich z ­ uallererst die Schönheit der mutmasslich arrangierten bunten Flecken bewunderte und an Ai dachte.

ANDREAS RITTER ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der 52-Jährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

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Aussenbetrachtung  Mode

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: PAUL BLOW

Briefing DOB UND HAKA* * DOB: Damenoberbekleidung, HAKA: Herrenbekleidung (vormals: HerrenAnzüge und Knaben-Anzüge).

GEBREMSTES WACHSTUM In den vergangenen fünf Jahren stiegen die Verkäufe am Schweizer Bekleidungsmarkt nur um wenige Prozent. Während das Bevölkerungswachstum noch als positiver Impuls fungiert, erschweren der wachsende Einkaufstourismus und die Konkurrenz durch den OnlineMarkt eine merkliche Umsatzsteigerung. Letztes Jahr kauften Schweizer Kunden Kleider und Schuhe für mehr als 1,3 Milliarden Franken online, ein Drittel mehr als noch vor fünf Jahren. Auch die grenzüberschreitenden Online-Einkäufe nehmen überproportional zu.

ZOLLFREIE GLEICHBERECHTIGUNG

In der Schweiz wird Frauenbekleidung mit einer höheren Zollabgabe belastet. Denn vor fast hundert Jahren führten Qualitäts- und Gewichtsunterschiede zu einer ungerechtfertigten Verteuerung von Männerkleidern, weshalb man die Zollgebühr für Frauenkleider anhob. Heute sind diese Unterschiede praktisch verschwunden, weshalb Konsumentenschützer bereits vor Jahren beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) intervenierten, die Zölle ganz zu streichen – bis jetzt ohne Ergebnis.

SCHICK IM ANZUG

HAUTE COUTURE

Als Haute Couture («gehobene Schneiderei») wird von ­renommierten Modehäusern in Handarbeit m ­ assgeschneiderte Mode aus luxuriösen Materialien im obersten Preissegment bezeichnet. Nur die Modehäuser dürfen ihre aufwendigen Kreationen so benennen, wenn sie vom P ­ ariser Modeverband « ­ Chambre Syndicale de la Haute ­C outure» ­offiziell dazu ­berechtigt wurden. Für ­gehobene Herren-Massk leidung («fine tailoring») sind die Schneider an der Londoner S ­ avile Row weltweit ­b ekannt.

WAS SIND DOB UND HAKA?

Auf DOB für Damenoberbekleidung kommt man noch schnell – während HAKA das branchenübliche Kürzel für Herrenbekleidung ist. Während die DOB sämtliche Kleidungsstücke für Damen umfasst, mit Ausnahme von Unterwäsche und Strümpfen, ­unterteilt man heute die Herrenmode in klassische HAKA (Hosen, Mäntel, Sakkos und Anzüge) und in Herrenartikel wie Shirts, Hemden, Krawatten, Fliegen, Hosenträger oder Gürtel.

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SINGER NÄHT RINGER

ARMOR, DIAMOND ARMOR

Tönt nach James Bond, ist aber dann doch anders: Der schusssichere, wasserabweisende und ­hitzebeständige Massanzug «Diamond Armor». Er wurde vom Schweizer ­Hersteller ­Suitart entworfen und kostet 2,8 Millionen Franken. Der teuerste s­ einer Art. Dafür sorgen, neben seinen technischen Eigenschaften, vor allem die rund 880 schwarzen Diamanten als Verzierung. Offenlegung: Der Redaktionsleiter ist am Kapital von Diamond Heels, einer ­Tochtergesellschaft von Suitart, geringfügig beteiligt.

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Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Kleidung vor allem zur ­familiären Selbstversorgung oder zum Verkauf durch Handwerker hergestellt. In den 1840er Jahren wurden leistungsfähige ­m echanische Webstühle entwickelt, 1851 patentierte der amerikanische Mechaniker Isaac Singer die erste Nähmaschine. Übrig blieben wenige Massschneider, die eine zahlungskräftige Kundschaft ­bedienten.

TOP 5 Zu den führenden Schweizer Textilhandelsunternehmen zählen Hennes und Mauritz (H&M), C&A, Charles Vögele, Brunschwig & Cie (mit den Modehäusern Bongénie und Grieder), die PKZ-­Gruppe und Schild (gehört zur Migros-Tochter ­Globus). Dem schwedischen Konzern H&M vertrauen die Schweizer Konsumenten in Sachen Mode dabei am meisten, wie die jährliche ­Marktforschungsstudie «Most Trusted Brands» von Reader’s ­D igest ­belegte.

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Quellen: Wikipedia, Statista, Segmentas, Handelsdaten, Reader‘s Digest, NZZ, BfS, 20min, Massanzug Online, Tagesanzeiger

Der klassische Herrenanzug besteht aus ­einem Jackett und einer Hose in demselben Stoff und derselben Farbe. Die klassischen Anzugfarben sind Schwarz, Dunkelblau und Grau, doch auch Nadelstreifen sind erlaubt. Als Business-Standard gilt heutzutage der Einreiher, der klassisch mit einem bis vier Knöpfen ausgestattet ist. Damenkostüme bestehen, statt aus Jackett und Hose, aus einem Damenblazer und einem Rock. Für den Büroalltag eignen sich Stoffe, die dezent und zeitlos wirken.


Redaktion: YVONNE WIGGER  Bild: WILLIAM WEGMANN (AUS DER SERIE «DOGS IN COATS» FÜR MAX MARA, 2001)

Opener  Aussenbetrachtung

WW Magazin Nr. 4    T R EN D-R EPORT Weshalb das lange Gesicht? In diesem Mantel wird jeder Auftritt ladylike.

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Die Kelly Bag von Hermès, das Kostüm von Chanel und die Heels mit roter Sohle von ­L ouboutin sind Modeklassiker. E ­ iner fehlt in dieser Aufzählung: Der ­Camel Coat «101801» von Max Mara. Das Stück des italienischen ­T raditionsunternehmens wurde 1981 vorgestellt – und ist heute der meistverkaufte (und meistkopierte) Mantel der Welt. Wie zeitlos der Icon Coat mit der Nummer 101801 wirklich ist, zeigt Max Mara immer wieder neu. 1997 trug ihn Topmodel Linda E ­ vangelista vor Steven Meisels ­ K amera, 2001 inszenierte der Fotograf und Künstler William Wegmann den Mantel an seinem ­Weimaraner, und 2011 fotografierte Mario ­Sorrenti das dänische Model ­F reja Beha Erichsen im C ­ amel Coat. Dieses Jahr bringt Max Mara den Mantel aus Wolle und Kaschmir ­jeder Frau etwas näher. Alberto Zanetti ­ i nszeniert im neuen Projekt « ­ Mothers & Daughters» sechs Mütter und ihre Töchter. Sie präsentieren, wie sie den Mantel im Alltag tragen, und dienen als ­Inspiration für Frauen jeden ­A lters. Laura Lusuardi, Chefdesignerin von Max Mara, sagt: «Die perfekte Proportion und die klaren Linien machen den Mantel Saison für Saison tragbar, immer neu und zeitgemäss. Der Coat kann auf verschiedenste Art getragen werden.» Jedes Mantelmodell, das sie für die Marke entworfen hat, besitzt sie selber. Das ist der ­Beweis: Von Klassikern kann man nicht zu viele haben.

«MOTHERS & DAUGHTERS» Für mehr Inspiration aus dem Projekt: www.maxmara.com

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Aussenbetrachtung  Mode

Redaktion: YVONNE WIGGER

Trend-Report CAMEL

LIEBLINGSSTÜCKE

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AUF DEM LAUFSTEG

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1

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1. Kleid von CHRISTIAN DIOR, ca. Fr. 4810.–. 2. Outfit von CHANEL, ­ Mantel: Fr. 5860.–, Rock: Fr. 2180.–, Schuhe: Fr. 1820.–, Schal: Fr. 580.–, Handschuhe: Fr. 580.–, Hut: Fr. 1640.–, Brosche: Fr. 1130.–,

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A

uch in der MODE gibt es KONSTANTEN. Eine davon: C ­ AMEL. Im Herbst ist die N ­ ATURFARBE ­citytauglich und mit gedeckten Farben wie Oliv oder Bordeaux ­KOMBINIERBAR.

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Sonnenbrille: Fr. 470.–. 3. Outfit von CÉLINE,

Outfit von

Oberteil: ca. Fr. 680.–,

PORTS 1961,

Hose: ca. Fr. 1405.–,

Mantel: ­Fr. 2345.–,

Kleid: ca. Fr. 19 765.–,

Oberteil: Fr. 600.

Sandalen: ca. Fr. 1045.–.

Hose: Fr. 709.–.

4. Outfit von CHLOÉ,

GESEHEN BEI PORTS 1961

Poncho: ca. Fr. 3280.–, Hose: ca. Fr. 2545.–,

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Halstuch: ca. Fr. 130.–, Schuhe: ca. Fr. 870.–. 5. Outfit von MAX MARA, ­­­Preis a. A. 6. Outfit von CHRISTOPHER KANE, Mantel: ca. Fr. 5205.–, ­ Kleid: ca. Fr. 1300.–, Schuhe: ca. Fr. 1035.–, Tasche und Kopftuch:

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Preis a. A. 7. Ohrringe von CÉLINE, Fr. 350.–. 8. Mütze von MARC O'POLO, Fr. 89.90.–. 9. Tasche von COCCINELLE, Fr. 449.–. 10. Mantel von ROSETTA GETTY, ca. Fr. 1260.– (bei Avenue32.com). 11. Stiefel von AGNONA, ca. Fr. 1205.–. 12. Lippenstift von CHARLOTTE TILBURY, Fr. 34.– (bei Net-a-porter.com). 13. Tasche «Bespoke Camera Bag» von BOSS,­Preis a. A.

Tasche von DRIES VAN NOTEN,

14. Sneakers von IRO, Fr. 380.–.

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ca. Fr. 1025.–.

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Mode  Aussenbetrachtung

Trend-Report STREET-STYLE

1. Outfit von KENZO, ­Pullover: ca. Fr. 495.–, Oberteil: ca. Fr. 425.–, Rock: ca. Fr. 535.–, Tasche: ca. Fr. 605.–, Schuhe: ca. Fr. 1315.–. 2. Outfit von LACOSTE, Preis a. A. 3. Outfit von ACNE STUDIOS,

GESEHEN BEI ­EMILIO PUCCI

Sonnenbrille: ca. Fr. 385.–, Body: ca. Fr. 155.–, Oberteil: ca. Fr. 605.–, Hose: Preis a. A. 4. Outfit von MULBERRY, Jacke: ca. Fr. 1595.–, Bluse: ca. Fr. 770.–, Rock: ca. Fr. 4960.–,

Tasche von GUCCI, ca. Fr. 3830.–.

Schuhe: ca. Fr. 1095.–, Tasche: ca. Fr. 1645.–, Sonnenbrille: ca. Fr. 325.–, Kettengürtel: Preis a. A. 5. Outfit von LOUIS VUITTON,

IT PIECES / ACCESSOIRES

Kleid schwarz: Fr. 5200.–, ­­ Kleid rot: Fr. 5000.–. 6. Outfit von HOUSE OF HOLLAND, Oberteil: ca. Fr. 260.–, Jacke:

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ca. Fr. 1300.–, Jeans: ca. Fr. 175.–. 7. Outfit von VERSACE, Jacke: ca. Fr. 3190.–, Oberteil: ca. Fr. 825.–, Hose: ca. Fr. 715.–,

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Tasche: ca. Fr. 2075.–.

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8. Handschuhe von DELPOZO, Preis a. A. 9. Sonnenbrille von MIU MIU,

Outfit von EMILIO PUCCI, Oberteil: ca. Fr. 865.–, Rock: ca. Fr. 1295.–.

Fr. 424.–. 10. Gürtel von MICHAEL KORS COLLECTION, Fr. 540.–. 11. Mantel von ACNE STUDIOS, ca. Fr. 2415.–. 12. Tasche von VERSUS VERSACE, ca. Fr. 380.–. 13. Tasche von MULBERRY, ca. Fr. 1090.–. 14. Lippenstift von RODIN, ca. Fr. 36.–. 15. Ohrringe «Flow Large» von STUDIO MASON, ca. Fr. 280.–. 16. Stiefel von PRADA, Fr. 1300.–.

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OOLE GIRLS tragen ­diese ­Saison T-SHIRTS mit Aufschrift, ­bunte LEOPARDENPRINTS, ­Patches, K ­­ APUZENPULLOVER, ­Schnürschuhe und ­OHRRINGE als Statement. 12

AUF DEM LAUFSTEG

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Aussenbetrachtung  Beauty

Redaktion: VALESKA JANSEN

Trend-Report DRAMA, BABY IM SHOP GESEHEN

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Eau de Toilette «First Instinct» von ABERCROMBIE & FITCH,

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ab Fr. 68.–.

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FÜR SIE GEFUNDEN

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1. Haarbürste «Detangling Brush» von B ­ JÖRN AXÉN, Fr. 49.–. 2. Wangenrouge «Joue Contraste Rouge Profond» von CHANEL, Fr. 60.–. 3. Mascara «Mascara Supra Volume»

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von CLARINS, Fr. 41.–. 4. Foundation «Sisleÿa Le Teint» von SISLEY, 30 ml, Fr. 151.–. 5. Lidschattenpalette «Couture Palette Collector» aus der Scandal Collection

9

von YVES SAINT ­L AURENT, Fr. 100.–.­ 6. Lippenstift «Rouge Expert Click Stick» von BY TERRY, Fr. 32.–. 7. Highlighter Stift «Retouching Face Pencil» von BOBBI BROWN, Fr. 43.–. 8. Lidschatten «Diorshow Mono Lustrous Smoky» von DIOR, Fr. 47.–. 9. Gesichtspinsel aus der «Lingerie de Peau»-Linie von GUERLAIN, Fr. 59.–. 10. Gesichtspflege «Eau de Beauté Jason Wu Edition» von CAUDALIE, ab Fr. 14.40.–.

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K

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Bagman – Mode ist nicht bloss Kleidung, in den vergangenen Jahren wurden Accessoires immer wichtiger. ­Modeunternehmer Sami Bollag mit Taschen der Marke Coccinelle.


WW-Persönlichkeit  Story

Im Grunde ist der MODEHANDEL zurzeit kein LAND DES LÄCHELNS. Die B ­ ranche durchlebt anspruchsvolle Zeiten, aus verschiedenen Gründen. Doch für unsere WW-PERSÖNLICHKEIT dieses Monats, erfolgreicher Textilunternehmer seit Jahrzehnten, ist das Geschäft mit schönen Kleidern nach wie vor Berufung, Leidenschaft und Jungbrunnen. Weshalb das so ist und was er ANDERS, wahrscheinlich BESSER macht, erzählt er auf den folgenden Seiten.

Text:

MARK VAN HUISSELING

Bilder:

DAN CERMAK

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Story  WW-Persönlichkeit

Man hört, heute seien vor allem Mono-Brand-Stores erfolgreich, also Läden, in denen es bloss Ware einer Marke gibt. Du siehst es anders, nicht wahr?

Sami Bollag, 74, ist vielleicht der wichtigste Schweizer Modeunternehmer, den man noch entdecken kann – ausser man ist aus der Branche. Seine ­Bollag-Guggenheim Fashion Group in Opfikon bei Zürich – die Vorgängerin der Familienfirma wurde von seinem Vater vor 70 Jahren in Luzern ­gegründet und stellte Aussteuerwäsche her respektive betrieb Handel damit – vertreibt Mode von zirka zwanzig Marken. Und zwar einerseits an Konsumenten (Retail) sowie andererseits an Händler (Wholesale). Für Guess und Marc O’Polo ist Bollag-Guggenheim der Schweizer Retailer und bietet deren Kleider und Accessoires in mehr als zwanzig sogenannten ­Monobrand-Stores an. Die Marken Guess, Marciano, Yaya, Staff Jeans, Marc O'Polo, Denim, Zoe Karssen, G-Lab, Designers Remix, Iheart, Rebecca Minkoff, ST. studio, Trussardi, Liu Jo oder Coccinelle verkauft das Unternehmen als Retailer in seinen «the Gallery»-Läden sowie als Grosshändler an ­andere Modegeschäfte. Während 25 Jahren, ab 1978, hat Bollag für die ­damals neue Marke Esprit gearbeitet, er verkaufte über seine Firma die Mode des Unternehmens aus Kalifornien in der Schweiz und in Italien; der Esprit des Unternehmensgründers, sagt er, sei für ihn laufbahnbestimmend gewesen. Bollag ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter; seine Frau, die im Verwaltungsrat des Unternehmens sitzt, pflegt und ­erweitert seit einiger Zeit zur Hauptsache die gemeinsame Kunstsammlung. Das Paar lebt bei Zürich. Dein neu eröffnetes Ladengeschäft an der Löwenstrasse in Zürich heisst «the Gallery» – was ist die Idee dahinter?

Das Konzept ist, Mode und Accessoires verschiedener Designer an einem Standort zu präsentieren, ähnlich wie eine Galerie Werke verschiedener Künstler an einem Ort zeigt. Jede Marke hat ihre Fläche, es ist eine sogenannte Multi-Brand-Strategie; so versuchen wir, Kunden eine Übersicht über die zurzeit in der Mode herrschenden Trends zu geben. Und jede Woche wechseln wir einen Teil unseres Angebots gegen neu eingetroffene Ware aus. Das erzeugt Spannung. Deine «the Gallery» kann man als Konzept-Store bezeichnen. Was ein ­ermüdeter Begriff ist, weil jeder Store irgendein Konzept hat. Was ist ­deines?

Eine Erlebniswelt. Wir haben, neben der Mode, eine Saftbar, bei uns laufen von DJs kuratierte Musikprogramme, zurzeit verkaufen wir Sal de Ibiza und so weiter. Wir arbeiten permanent an solchen Geschichten, und wir veranstalten auch Events.

Ich stelle fest, dass Mono-Brand-Stores, wenn sie erfolgreich sind, keine lokalen Marken verkaufen, sondern international aufgestellte Marken. Und weil Konsumenten heute die Möglichkeit haben, für ­wenig Geld überall hinzureisen, sehen sie überall, wo sie sich aufhalten, die gleichen Läden. Ich denke schon, dass Mono-Brand-Stores ihre ­Berechtigung ­haben. Aber durch ihre grosse Verbreitung treten bei den Kunden gewisse Ermüdungserscheinungen auf. Unser Unternehmen ist ein nationales, wenn auch mit internationalem Flair, dank der Marken aus verschiedenen Ländern, die wir in unseren «the Gallery»-Läden ­anbieten. Darüber hinaus betreiben wir aber auch Mono-Brand-Stores, wenn wir finden, das Angebot einer Marke eigne sich dafür. Ein Vorteil von «the Gallery» ist, dass ich eine Marke, deren Angebot sich gut verkauft, s­ ofort stärken kann respektive eine, die sich weniger gut verkauft, ersetzen kann. Das funktioniert beim Mono-Brand-Laden nicht. Du verkaufst Mode von zirka zwanzig Marken in deinen Läden. Wenn eine Marke sich nicht entwickelt wie geplant, ersetzt du sie rasch. Ist es nicht so, dass man eine Marke manchmal aufbauen muss, bis der Erfolg kommt?

Wir geben jeder Marke Zeit, aber die Zeitdauer ist beschränkt: Wenn wir es innerhalb von eineinhalb Jahren nicht schaffen, mit ­einer Marke das Niveau zu erreichen, das wir angestrebt haben, dann müssen wir sie auswechseln. Unsere Zeit bringt viele Veränderungen. Und diesem Zeitgeist müssen wir entsprechen. Alles andere hat keinen Sinn, ist mein Eindruck. Nicht sehr schweizerisch, rasch aufzugeben, wenn es nicht läuft. Ich bin ein treuer Partner. Aber meine Brandmanager und ich h ­ aben grosse Erfahrung. Wenn wir etwas nicht zum Laufen bekommen, müssen wir die Übung nach einiger Zeit abbrechen. Das ist auch für den Partner, der uns seine Marke und sein Vertrauen gegeben hat, die bessere Lösung – vielleicht machen wir etwas verkehrt, vielleicht ist er mit einem anderen Händler besser bedient. Früher gab es vier- bis sechsmal jährlich neue Kollektionen  . . .

Wir hatten bei Esprit zwölf Kollektionen im Jahr. Es gab zum Beispiel nicht bloss eine Spring-Kollektion [Frühling], sondern auch eine Pre-Spring-Kollektion [Vorfrühling] – das ist das amerikanische Modell.  . . . heute gibt es, von preiswerteren Marken, gar keine Kollektionen mehr, sondern alle zwei bis vier Wochen neue Entwürfe.

Ja, weil der Abverkauf nicht mehr so gut läuft wie früher, gibt es immer schneller neue Angebote. Der Handel ist damit fast überfordert. Hat diese Entwicklung, über alles gesehen, dem Detailhandel gedient oder geschadet?

Es kommt darauf an, wie man positioniert ist und was die Kunden von einem erwarten. Wenn man ein Anbieter ist für Kunden, die alle paar Wochen frische Ware verlangen, dann muss man dieses Bedürfnis befriedigen. Aber wenn man Kunden hat, die nur zwei-, dreimal im Jahr in einen Laden kommen, ist ein so schnelles Erneuern des Sortiments überflüssig. Zusammenfassend kann man wahrscheinlich sagen, weil

Die B ­ ollag-Guggenheim Fashion Group in Opfikon bei Zürich – die V ­ orgängerin der Familienfirma wurde vor 70 Jahren in Luzern g­ egründet und s­ tellte ­Aussteuerwäsche her – vertreibt Mode von zirka zwanzig Marken. Und zwar einer­­­ seits an Konsumenten (Retail) sowie andererseits an Händler (Wholesale). 22  WW Magazin

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In den Geschäftsräumen im Textil- und Modecenter TMC in Opfikon, das Sami Bollag gehört, ist ein Teil der gemeinsamen Kunstsammlung des Ehepaares, die seine Frau weiter ausbaut, ausgestellt. Hier Werke von Kerstin Brätsch.

Bollag mit Mitarbeitern – die Firma hat übrigens keine Kleidervorschriften. Weiss ist bloss modisch und sieht gut aus!


Papierloses BĂźro? Nicht bei Bollag. Die Werke Ăźber dem Schreibtisch des Chefs sind von Zilla Leutenegger.


WW-Persönlichkeit  Story

Jeder muss sich kleiden und kann dadurch seine Persönlichkeit ausdrücken, und wer sich gut kleidet, kann sich besser entwickeln. Unsere Gesellschaft liebt Mode, ich sehe keinen Bedeutungsverlust und würde Mode nicht abschreiben; ich lasse mich immer noch davon begeistern. Mode so günstig geworden ist, ersetzen Konsumenten K ­ leidungsstücke schneller als früher. Und wollen öfter neue Ware kaufen. Das ist an sich keine schlechte Entwicklung. Aber wenn ein Händler bei dieser hohen pace nicht mithalten kann, weil er nicht schnell genug verkauft, hat er plötzlich einen Warenstau. Und dann ein L ­ iquiditätsproblem . . .

­ ezahlbar, aber unsere Kunden haben, neben modischen Ansprüchen, b auch hohe Qualitätsansprüche.

Verantwortlich für die Entwicklung seien, hört man, sogenannte vertikal ­integrierte Modeketten wie Zara, Mango oder H&M. Weshalb sind diese Riesenfirmen so schnell?

Das ist so. Das Accessoires-Business hat in den letzten Jahren ­einen ungeheuren Aufschwung erlebt. Und wir haben das Glück, Marken zu verkaufen, die entweder sehr stark sind bei Accessoires, zum Beispiel Guess, oder die sogar nur Accessoires herstellen, wie Coccinelle, oder mit Accessoires angefangen haben, etwa Trussardi. Accessoires sind ein gewichtiges Geschäft, keine Zugabe, sondern ein Träger.

Es stimmt, die Erhöhung der pace – alle paar Wochen neue Mode – wird von den vertikalen Ketten vorgegeben. Der Grund für ihr h ­ ohes Tempo ist: Sie können, wie man sagt, für die Verkaufsfläche designen. Also Kleider entwerfen, die sie für gut befinden. Sie müssen d ­ abei nicht an die Geschmäcker von Einkäufern in zehn verschiedenen Ländern denken. Sie überspringen den Handel, ihre Ware geht d ­ irekt an die Verkaufspunkte und zu den Endkonsumenten – das macht es für sie einfacher und schneller. Diese Entwicklung gilt für s­ tationäre ­A ngebote, aber auch für Webshops, bei denen der Kunde im World Wide Web ­bestellt und die Ware mit der Post bekommt. Und dann ist seit einigen Jahren gefühlte hundert Tage im Jahr Sale, ­Ausverkauf . . .

Ja, das ist die Konsequenz von dem, was ich vorher gesagt habe: Wenn Händler bei der hohen Geschwindigkeit nicht mithalten können, weil sie nicht schnell genug verkaufen, haben sie plötzlich ­einen Warenstau. Und dann ein Liquiditätsproblem . . . Abgesehen davon schneiden wir Händler uns ins eigene Fleisch, wenn wir falsche ­Signale an die Kunden senden – nämlich dass es nicht mehr nötig sei, etwas zum vollen Preis zu kaufen. Sondern dass sie bloss zuwarten können, bis die Ware die Hälfte kostet. Das tut dem Handel nicht gut, der Marke nicht und der Wirtschaft im Allgemeinen ebenfalls nicht. Da kann man von Luxusanbietern wie Hermès lernen; sie reduzieren die Preise nicht, geben ein kohärentes Bild ab und halten die B ­ egehrlichkeit ihrer Marken hoch. Aber heute haben wir eine liberale Gesetzgebung in der Schweiz, und jeder im Handel kann es so handhaben, wie er will. Dann sind die Gründe, die man üblicherweise hört, warum der Detailhandel Mühe habe – Wetter, Euro, Internet-Shops –, nur ein Teil der Erklärung . . .

. . . was aber teurer geworden ist, sind Accessoires wie Taschen sowie Schuhe. Für eine It-Bag geben Frauen heute 500 Franken oder mehr aus, und Schuhe oder Stiefel kosten ebenfalls so viel.

Mode hat in den vergangenen Jahren an gesellschaftlicher Bedeutung eingebüsst, finde ich. Die Bedeutung, die Modeschöpfer früher in der Populärkultur hatten, haben heute Künstler. Siehst du das auch so?

Ich bin nicht sicher. Ich mache eine Analogie: Heute hat fast jeder einen Laptop oder Computer, ein Tablet und ein Smartphone. Damit kann man im Internet surfen oder gamen und so weiter. Trotzdem wird noch immer ferngesehen, und es gibt immer noch Menschen, die sich von einem Film oder einer Serie im TV inspirieren lassen. Mit Mode ist das ähnlich: Jeder muss sich kleiden und kann dadurch seine Persönlichkeit ausdrücken, und wer sich gut kleidet, kann sich besser entwickeln. Unsere Gesellschaft liebt Mode, ich sehe keinen Bedeutungsverlust und würde Mode nicht abschreiben; ich lasse mich immer noch davon begeistern. Du hast früh angefangen, Kunst zu sammeln. Der Kunsthandel gilt zurzeit als sexy – Galerist zu sein, hätte dich nicht gereizt?

Ich finde Kunst faszinierend und schätze auch den Austausch mit Künstlern. Doch die Kunstsammlung liegt in den Händen meiner Frau, und Kleidung sowie Mode liegt in meinen ­G enen. Ich habe das ­G eschäft von der Pike auf gelernt und kann mir gar nicht vorstellen, etwas ­anderes zu machen. Ist eine Karriere, wie du sie mit dem Verkauf von Mode gemacht hast, heute noch möglich für einen fleissigen jungen Einsteiger?

Richtig. Es ist eine Kombination dieser Gründe. Aber hinzu kommen der Druck der vertikalen Modeketten sowie hausgemachte Faktoren wie zum Beispiel die Handhabe des Sale von vielen Händlern. Ich bin der Meinung, man sollte versuchen, die Kundschaft mit dem Angebot und dem Service zu begeistern und nicht nur mit Preisangeboten. Aber, wie gesagt, jeder kann das handhaben, wie er es für richtig hält. Und ich denke nicht, dass wir diese Entwicklung rückgängig machen können.

Unternehmerisch sind die Voraussetzungen heute anders, als sie es zu meiner Anfangszeit waren. Mode war ein grösserer Ausgabeposten im Budget. Ich denke, man muss sich im Detailhandel mehr anstrengen als vor zwanzig oder dreissig Jahren. Die Rahmenbedingungen waren einfacher, es fiel einem zum Beispiel als Modeunternehmer leichter, einen Kredit zu bekommen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass einer, der heute im Modehandel anfängt, eine gute Chance hat – falls er innovativ ist. Dann kann er von der ganzen technologischen Entwicklung profitieren.

Modische Kleidung, hast du vorhin gesagt, ist günstig geworden. Man kann auch sagen, sie habe sich demokratisiert, jeder kann sich heute modische Kleidung leisten . . .

Würdest du wieder Mode wählen, wenn du noch einmal anfangen könntest?

Das ist so bei bestimmten Anbietern. Aber nicht in dem Segment, in dem wir uns mit unseren Marken positionieren, wir verkaufen ­P remium-Ware oder affordable luxury [bezahlbaren Luxus]. Das heisst, wir haben keine Billigangebote in unseren Läden. Die Mode ist

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Ja, auf jeden Fall. Das Modegeschäft ist meine Leidenschaft. Ich fühle mich hier gut aufgehoben und zu Hause. Ich habe auch das Gefühl, ich könne etwas beitragen zur Branche. Ich erfreue mich an jedem einzelnen Modeartikel. Mein Beruf ist für mich eine Erhellung. Und das ist das Schönste, was man sich vorstellen kann.

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Story  WW-Persönlichkeit

Nicht ich habe unser Haus im ­­­lebendigsten Viertel Tel Avivs g ­ efunden, sondern es hat uns ­gefunden. Zum Glück – ich könnte mir ­keine ­schönere Ecke für meinen zweiten Wohnsitz wünschen. von SAMI BOLLAG 1

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5 1. Wandgemälde als Erinnerung an die Gründung von Neve Tzedek im Jahr 1887. — 2. Juweliergeschäft von Shlomit Ofir im Neve Tzedek-Viertel. — 3. Drinnen oder drausen? Egal, Hauptsache gemütlich; Bar — 4. Sprayfarbe auf Zement, Kunst muss nicht im Museum sein. — 5. Auf der Shalom Shabazi-Strasse ist was los.

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«I

m Jahr 2002 hatte ich das Gefühl, ich muss etwas tun für Israel. Weil ich jüdischen Glaubens bin und weil das Land ein gewichtiges Element im Leben eines Einzelnen, jüdisch Gläubigen ist. Ich wollte also etwas verwirklichen und traf Leute der Organisation Keren Hajessod, die Spenden sammelt für Israel und deren Schweizer Präsident ich anschliessend 15 Jahre lang war. Gemeinsam mit meiner Frau entschied ich mich dann dazu, ein Jugendzentrum für schwer erziehbare Kinder in Kedma, zwischen Tel Aviv und Be‘er Scheva (einer Stadt im Süden Israels), zu unterstützen. Dadurch bin ich ziemlich viel nach Israel geflogen und habe das Land besser kennengelernt. Eines Tages luden Freunde meine Frau und mich in ein Haus ein, das uns von der Architektur her sehr gefiel. Ich fand nicht nur das Haus toll, auch das Quartier und die Lage. Ich habe aber damals vergessen zu fragen, in welcher Gegend es sich befindet. Einige Zeit später traf ich mich mit einer Spenderin von Keren Hajessod in einem Restaurant mit Namen «Suzana». Als ich dort ankam, an der Shabazi Street, habe ich gemerkt, dass es genau in diesem Quartier liegt. So habe ich Neve Tzedek für mich entdeckt. Ich zögerte nicht lange und nahm mit einem Immobilienmakler Kontakt auf, um dort eine Wohnung zu erwerben. Ich weiss noch, dass damals gerade die zweite Intifada stattfand. Wegen des ­gewaltsamen Konflikts, der von September 2000 bis Februar 2005 andauerte, war es deshalb kein guter Zeitpunkt, um sich Wohnungen anzusehen – die Strassen waren leer, und alles wirkte ein wenig trist. Am Ende des Tages ­hatte ich aber ein Penthouse gesehen, das mir gut gefiel. Wir haben es gekauft und später auch noch die anderen Appartements im selben Haus erworben und umgebaut. Neve Tzedek ist das einzige Quartier in ganz Tel Aviv, in dem man nicht höher bauen darf als 13 Meter. Die einfachen, ein- bis dreistöckigen Häuser, die Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet wurden, heben sich damit wohltuend von den vielen Wolkenkratzern ab, die gerade rund um die Stadt gebaut werden. In Tel Aviv, was übersetzt der Frühlingshügel bedeutet, ist das Leben teuer. In der MittelmeerMetropole bewegen sich die Monatsmieten um die 1400 Franken, was über der Hälfte des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der Bewohner liegt. Ebenso sind die Kaufpreise gestiegen, gerade in Neve Tzedek, da das älteste jüdische Stadtquartier in den letzten Jahren einen unglaublichen Boom erlebt und sich zum Trendviertel entwickelt hat. Kleine Boutiquen, Restaurants und Bars haben sich in den vormals herrschaftlichen Bauhaus- und Art-déco-Häusern, denen die Spuren der Zeit anzusehen sind, angesiedelt. Kunst entspringt hier überall, als wäre man mitten im New Yorker Soho. In den Innenhöfen blühen Zitrusbäume und Oleander, der Duft von Jasmin legt sich über die Strassen. Es ist ein malerischer Ort. Ich bin sechs- bis achtmal im Jahr hier, also ungefähr zwei Monate lang. Das Wetter ist mediterran-mild. Im August ist es nicht auszuhalten vor Hitze, und mit dem Dezember hat man Glück oder nicht. Doch zehn Monate lang ist es schön. Deshalb ist man viel draussen. Tel Aviv ist eine säkulare, moderne Stadt. Den Samstag und die Feiertage respektiert man, doch es gibt viele Geschäfte und Restaurants, die lange offen haben. Es amüsiert mich, dass es in meinem Viertel Restaurants gibt, die den ganzen Tag nur Frühstück anbieten. Man fühlt sich hier nicht eingeschränkter in seinen normalen Ausgangsbedürfnissen als anderswo. Präsenz durch Sicherheitskräfte gab es schon immer, und man gewöhnt sich daran. Die Menschen leben nicht mit dem ständigen Gefühl der Angst. Das sieht man auch daran, dass viele Touristen nach Neve Tzedek kommen. Sie alle lieben dieses Viertel, so wie ich.»

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Bilder: flickr/Josh Evnin, mauritius images, Israelisches Tourismusministerium, flickr/Noam, Jemina & Lila, shutterstock

MEIN NEVE TZEDEK


Showman Bollag im Showroom der Bollag Guggenheim Fashion Group – wo Einkäufer entscheiden, was schon bald in den Geschäften zu haben sein wird.


Mode funktionierte rund 100 Jahre mehr oder weniger so, wie der Begründer der Haute Couture sie sich ­ausgedacht hatte  . . .


Modeindustrie  Report

Das Ende des Laufstegs In grauer MODEVERGANGENHEIT, vor fünfzehn Jahren also, gab es VIER, SECHS oder vielleicht ACHT KOLLEKTIONEN JÄHRLICH. HEUTE kommt ALLE PAAR WOCHEN

neueste Mode in die Geschäfte – was ist passiert? Text: MARIANNE ESCHBACH

Illustrationen: MR. SLOWBOY

I

n der Mode ist nichts dauerhaft. Das liegt in der Natur der Sache. Nicht wenige grosse Modehäuser schrammten im Laufe ihrer Geschichte einmal, oder gleich mehrere Male, am Bankrott vorbei respektive machten für kürzere oder längere Zeit sogar zu. Darunter Gucci, Calvin Klein, Chanel, Dior oder Marc Jacobs. Manchmal war die Business-Unbedarftheit von Designern der Grund, manchmal ein Familienzwist (Gucci), schlechte Geschäftsführung (Dior in den 1970er Jahren) oder die weltpolitische Grosswetterlage wie der Zweite Weltkrieg, als Gabrielle Chanel, die Pionierin der modernen Damengarderobe, ihr florierendes Unternehmen vorübergehend schliessen musste, weil

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es im besetzten Paris wenig Geld und Gelegenheiten für neue Mode gab. Genauso oft boten sich nach einer Zeit der Unsicherheit aber neue Chancen für die Häuser und Marken. Investoren füllten leere Kassen, nachdem von den Modeunternehmen selbstverursachte Stürme vorübergezogen waren oder als die wirtschaftlichen Aussichten wieder heiterer wurden. Zuverlässiger als blosse Geldspritzen w ­ aren und sind aber Kreativitäts- und Innovationsschübe. Und b ­ essere Erfolgsaussichten schafft sich eine Marke, wenn Chefs die herrschenden Zustände im Markt respektieren anstatt die Träume der D ­ esigner. Seit der Finanzkrise befindet sich die Modebranche als Ganzes im Fahrstuhl nach unten. Die vielerorts lahmende Wirtschaft, eine ungemütliche Lage, was die Sicherheit angeht, zudem ein wachsendes Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein und schliesslich noch ein sich änderndes Klima, das saisonale Kleidung in zahlreichen Ländern weniger wichtig macht, sind Herausforderungen, denen noch längst nicht alle Modeanbieter etwas entgegengehalten haben. Und wie in anderen Branchen wird das Geschäft vieler klassischer Händler – mit physischen Filialen und einer hohen Mitarbeiterzahl – durch die zunehmende Digitalisierung des Lebens der Kunden erschwert. Die Unternehmen, die Mode herstellen und/oder verkaufen, sind nämlich nicht alle so schnell, wie man meinen könnte, wenn man an immer schneller wechselnden, modischen Trends Mass nimmt. Die Modebranche funktionierte die vergangenen 100 Jahre mehr oder weniger so, wie Charles Frederick Worth, der als Begründer der Haute Couture gilt, sie sich ausgedacht hatte: Ein Modeschöpfer entwirft eine Robe nach seinen Ideen. Und eine vermögende Kundin lässt sich diese Robe, die sie an einem Défilée gesehen und für schön befunden hat, auf den Leib schneidern. An dieser Grundidee des Pariser Modells änderte sich nichts, bis Yves Saint Laurent kam und mit schicker Strassenmode, wie Jeans und Parka von der Stange – Prêt-à-Porter eben –, dagegen rebellierte. Seine Idee gefiel – der Rest war der Anfang vom Ende der hohen Schneiderkunst. Das E ­ rgebnis von Saint Laurents Revolution im Anzug ist ungefähr das, was in den fünfzig zurückliegenden Jahren als Designermode gekauft wurde: warme Stücke für Herbst und Winter, leichte für Frühling und Sommer. Enthüllt ein halbes Jahr zuvor in den Modemetropolen und zur Inspiration und Verkaufsförderung saisongerecht in den Modemagazinen präsentiert. Alles schön getaktet. Es ist zwar erst ein paar Jahre her, doch heute kann man es sich fast nicht mehr vorstellen, sechs Monate auf neue Mode zu warten. Anfang der 1990er Jahre nahm der Mode-Express Fahrt auf. Nach dem Ende der Sowjetunion und mit der Öffnung Chinas sowie der langsamen Entwicklung einer Mittelschicht in Indien entstanden riesige Märkte mit Abermillionen Konsumenten, die hungrig waren nach Luxuskleidung oder wenigstens affordable luxury, bezahlbarem

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Report  Modeindustrie

Luxus, wie Mode von Tommy Hilfiger oder Michael Kors b ­ eschrieben wird. Fast zeitgleich wurde das World Wide Web massentauglich, und Anbieter preisgünstiger, modischer Kleidung ­erkannten die Möglichkeiten, die diese neue Ausgangslage – von der vielversprechenden Zukunft noch gar nicht zu sprechen – bot. H&M, Zara oder Mango trugen dazu bei, dass aus Kleidung, die die längste Zeit bloss den happy few vorbehalten gewesen war, eine aufregende Sache wurde, nämlich Mode für alle oder demokratisierte Mode. Neue Produktionsund Informationstechnologien machten aus ehemals elitärer Mode ein Konsumgut für die Masse, und deren Inszenierung wurde zur Unterhaltung für fast alle. Die n ­ euen Mode-Schwergewichte setzten auf Fast-Fashion, schnelle Mode, Kollektionen kamen nicht mehr nur zum Saisonwechsel in die Geschäfte, sondern in immer kürzeren Abständen. Und von allem immer mehr für immer weniger Geld. Dieser Entwicklung konnten sich auch die Designer der grossen Marken nicht entziehen. Den Appetit ihrer Kunden auf ­Neues ­befriedigten sie, indem auch sie die Zahl der Kollektionen e­ rhöhten. Auf die Kreativen stieg der Druck. Entwarf ein Designer vor zwanzig Jahren jährlich je zwei Prêt-à-Porter-Kollektionen für D ­ amen und Herren und zweimal Haute Couture, musste er seinen Output durch den neuen Rhythmus mindestens verdoppeln. Es ­kamen nämlich sogenannte «Cruise»- (Sommerkleider für den Winterurlaub in der Sonne) und Pre-Collections dazu. Vor-Kollektionen also, die als Vorboten der neuen Saison zugänglichere Entwürfe als die darauffolgende Hauptkollektion lieferten. Weiter mussten sich Designer und ihre Teams plötzlich auch um die fürs G ­ eschäft wichtigen Accessoires wie Taschen, Schuhe, Sonnenbrillen oder Schmuck kümmern. Und dann gab es neu auch noch ­sogenannte C ­ apsule-Collections, einmalig produzierte und limitierte Klein-Kollektionen, die entweder einem speziellen Thema gewidmet sind (Jeans vielleicht) oder in Kooperation mit einer anderen Marke entstehen. Schliesslich, auch nicht zu vergessen: eigene Marken, die viele D ­ esigner angefangen hatten aufzubauen, bevor sie von einem grossen Modehaus angestellt wurden. Und nur mit dem Entwerfen ist es für Designer nicht getan, jede dieser Kollektionen muss aufwändig und teuer inszeniert sowie auf den Laufsteg gebracht werden. Karl L ­ agerfeld, längst im Rentenalter eigentlich, mag ein solches Pensum stemmen, andere Designer zogen die Reissleine vor dem Burnout. Oder nicht – und fanden sich dann in der Klinik wieder. In den vergangenen drei Jahren etwa war der Wechsel in den grossen Modehäusern so rege, dass heute nur noch Insider wissen, wer gerade wo Kreativdirektor ist. Was manchmal in der Hektik vergessen wurde zu überlegen, war, wer denn alle diese Kleider, die alle diese Kollektionen hervorbrachten, kaufen und bezahlen soll. Ein Ergebnis des Überangebots ist, dass seit einiger Zeit bis zu drei Monate des Jahres Sale, also Ausverkauf, ist. Die holländische Trendforscherin Lidewij «Li» Edelkoort schreibt in ihrem Manifest-Trendbuch für den Herbst / Winter 16/17: «Auffälliger Konsum wird immer mehr suspekt. Billiger Konsum sieht weiterhin beschämend aus. Neuheiten scheinen nicht mehr für Interesse zu sorgen, ein Bewusstsein, das durch Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit ersetzt worden ist.» Designer und Modeindustriechefs denken über die neue Lage in der Mode nach und über neue substanzielle, überlebenswichtige Ideen. Zum Beispiel neue Showkonzepte, bei denen weniger mehr ist und die deshalb klassische Kollektionen und Präsentationen infrage stellen. Die aber vor allem bei Kunden wieder Begehrlichkeit hervorrufen sollen. B ­ urberry, das 160 Jahre alte Traditionshaus, übertrug 2009 als erstes sein Défilée, zeitgleich zur Laufstegshow, als Livestream an jeden, der sich dafür interessierte, nicht bloss an eine kleine ausgewählte Gruppe von Einkäufern und Modejournalisten. In diesem Jahr geht der Chef, Christopher Bailey, einen Schritt weiter und zeigt die Frauen- und Männermode

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in einer gemeinsamen Show. Er konsolidiert zudem die drei Linien des Hauses unter einem Markendach, in zwei saisonlosen Kollektionen mit Namen «September» und «Februar». Doch die Show wird nicht nur in real time übertragen, auch sind, zeitgleich mit der Präsentation, die Kleider s­ ofort zu kaufen, online und in den Geschäften. Das tönt vielleicht nicht nach einer wichtigen Neuerung, ist es aber. Und darum ist die Branche gespannt, ob Bailey sein Rad bald zurückdrehen und wieder ein Jahr vergehen lassen muss, bis Laufsteg-Stücke zu kaufen sind – oder ob alle anderen Anbieter seinem Beispiel folgen müssen. Marc Jacobs führt ebenfalls seine Haupt- und Zweitlinien zusammen. Das erspart seiner Marke Kosten, denn es werden über alles gesehen weniger Kleider produziert, von denen ein Teil e­ rfahrungsgemäss nicht verkauft werden könnte. Der neue Gucci-Designer ­A lessandro Michele, dessen opulente, in der Herstellung a ­ ufwändige und etwas «nerdige» Kollektionen sich immer ähnlicher wurden, seit er sie vor zwei Jahren erstmals präsentierte, wurde von den Verantwortlichen der amerikanischen Modevereinigung diesen Sommer genau deswegen ausgezeichnet – seine neuen Entwürfe lassen die der letzten Saison nicht gleich alt aussehen. Der vielleicht zeitgerechteste Input kommt von einer n ­ euen Design­­­ Generation aus Paris. Sie sind zum Teil Immigranten, ­kennen Krieg nicht nur vom Bildschirm, sondern haben die T ­ errorattacken aus der Nähe erlebt. Sie sind mit dem Modehype aufgewachsen, sei es, weil man als Kind in Frankreich gar nicht darum herumkomme, wie Julien Dossena von Paco Rabanne s­ agte, oder, das Gegenteil, weil es in ihren Heimatländern Mode gar nicht gab. Simon Porte Jacquemus, der für seine eigene Marke gleichen N ­ amens entwirft, sagt, noch vor fünf Jahren seien junge D ­ esigner weit weg von den Leuten und der Realität g ­ ewesen. Doch das habe sich geändert. Jacquemus muss jedes Stück seiner K ­ ollektion verkaufen, um die nächste machen zu können. Johanna Senyk vom L ­ abel Wanda Nylon arbeitet mit Regenmänteln als Grundlage – ­einem sehr alltäglichen Kleidungsstück. C ­ hristelle ­Kocher von ­Koché verdiente sich ihre Sporen unter anderem beim Federputzmacher L ­ emarié ab, der zu Chanel gehört. Sie hatte die ­Stelle ­bekommen, weil sie niemand anderer haben wollte. Sie habe sie ­angenommen, weil sie überzeugt gewesen sei, dass gute Handarbeit auch in ­Zukunft wertgeschätzt würde. Der wohl w ­ ichtigste Name d ­ ieser ­Designergruppe ist Demna Gvasalia. Der Georgier a ­ rbeitete als Designer im Hintergrund bei Louis Vuitton, doch er wollte e­ twas Neues machen. Etwas wirklich Neues. Mit Freunden gründete er vor drei Jahren die Marke Vetements (Kleider). Denn d ­ arum geht es ja, gute Kleidung statt modischer Irrungen. ­Vetements ist ein ­Kollektiv, jeder im Team redet mit, wenn es ­darum geht, mit der ­neuen Uniform in der Modewelt aufzufallen. Am meisten tut dies L ­ otta Volkova, die Stylistin im Kollektiv. ­Models castet sie im Freundeskreis oder via Instagram. Sie suche das ­Reale und ­Wahre, sagte sie. Und sie liebt Hemden aus ­guter Baumwoll-Popeline. Die ­Modewelt hat Notiz genommen. ­Demna Gvasalia ­a rbeitet seit diesem Jahr auch als Chefdesigner bei ­Balenciaga, wo er seine innovativen Schnitte und Volumen ebenfalls zelebrieren kann. Frisst die Revolution ihre Kinder? Dauert das ­Rebellentum und die ­Rückkehr zu alten Werten nur s­ o lange, bis dem Rebellen ein Job und das ­damit verbundene Gehalt ­sowie Privilegien eines Hauses, gegen ­dessen ­abgehobene ­Entwürfe er ­eigentlich angetreten ist, a ­ ngeboten werden? Und wird er dann ­un-weigerlich Teil des S ­ ystems, das er e­ igentlich aushebeln wollte? Denkbar, aber nicht wahrscheinlich. Die neue Kleiderordnung hat g ­ erade angefangen. Und dürfte uns e­ rhalten bleiben. Jedenfalls wenn es nach dem Slogan auf einem Kapuzenshirt von Vetements geht: «May the Bridges I burn light the Way.» (Mögen die Brücken, die ich ­abbrenne, mir den Weg erhellen.)

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. . . dann kamen neue Unternehmen wie H&M, Zara oder Mango. Und vorbei war's mit der alten Ordnung.

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Bilder:

Styling:

JORK WEISMANN

ALMUT VOGEL

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Schwarzes Ripptop, mit R­ollkragen und Schnürung am Rücken, von PROENZA SCHOULER (bei Net-A-Porter). Vorderansicht Seite 33.



Knöchellanges, ­asymmetrisches ­Spitzenkleid von STELLA MCCARTNEY.


Rollkragenpullover und midi-­langer Wollrock mit goldenen Zippern und Bogenkante am Saum, beides von SALVATORE FERRAGAMO.


Schwarzes, knielanges ­Strickkleid von BOTTEGA VENETA.




Fein plissiertes Top und Seidenhose, beides von PEET DULLAERT.


Knöchellanger Wollrock mit ­Kellerfalte und Seidentop, beides von RENÉ STORCK, Pumps aus Samt von ­ALEXANDER WANG.



Knรถchellanges, braunes Velourslederkleid von SPORTMAX, Silberner Ohrstecker von HERMร S. Hair & Make-up: ULI WISSEL (Uschi Rabe) Model: MARIE PIOVESAN (Viva Paris) Fotoassistenz: SEBASTIAN KICKINGER


Seidenbluse von RENÉ STORCK.


Story  Reisen

Styling: XXXX XXXX XXXX  Model: XXXX XXXX

In Innsbruck Die grösste Stadt im T­ IROL LIEGT NAHE, ist sicher und sehr gemütlich. Mit a­ nderen ­Worten: PERFEKT FÜR EIN HERBSTWOCHENENDE . Wir waren dort, nicht zum letzten Mal. Text: SARAH STUTTE Bilder: CHRISTINE BENZ

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Bild: Xxxxxx Xxxxxxx

enkt man an das Tirol – falls man noch nie dort war –, tauchen sofort Bilder von hohen, nebulös eingefassten Berggipfeln vor dem geistigen Auge auf, und man verbindet die Region mit einem vielfältigen Sportangebot wie Skifahren, Wandern, Bergsteigen, Biken oder Paragliding. Doch das Tirol hat noch viel mehr zu bieten, eine einzigartige Diversität – oder besser: D ­ ualität auf kleinstem Raum –, der man sich einfach nicht entziehen kann. Das zeigt sich allein schon an der Geographie des Gebiets, denn ­Tirols Norden und Osten (das heutige Bundesland Tirol) liegen im Westen Österreichs, der Süden und die sogenannte Autonome Region Trentino-­Südtirol im Norden Italiens. Ganze 34 Regionen zählen zum österreichischen Bundesland Tirol, jede von ihnen ist in ihrer Eigenheit besonders, doch erst in der Summe entfalten sie sich ganz, das mondäne Kitzbühel g ­ enauso wie die internationalen Skigebiete Ötztal und St. Anton. Die Landeshauptstadt jedoch, die alles gleichzeitig in sich vereint und deshalb als des Alpenlands Seele bezeichnet werden kann, ist Innsbruck. Mit über 130 000 Einwohnern – also etwa gleich viel wie Bern – ist sie die bevölkerungsreichste Stadt des Tirols sowie die fünftgrösste Stadt Österreichs. Ruhig eingebettet und umgeben von der Nordkette des Karwendelgebirges sowie den Stubaier und Tuxer Alpen, liegt sie im Inntal, und der Fluss respektive die Brücke darüber gaben ihr den Namen. Innsbruck hat eine bewegte Geschichte. Das merkt man an der Leidenschaft und dem Nachklang, mit der Stadtführerin Monika ­Unterholzner sie erzählt. Man bekommt als Innsbruck-Neuentdecker nicht bloss Informationen an die Hand und in den Kopf, man spürt förmlich den Stolz, der in jedem Wort mitschwingt. Und stolz darf man als Innsbrucker sein. Beispielsweise auf die Lage am Fuss eines der wichtigsten Alpenpässe Europas, des Brenner, der den österreichischen Teil des Tirols mit dem Südtirol verbindet. Schon die Römer besetzten ihn, um Eindringlingen OBEN: Raumschiff Enterprise? Nein, die SwarovskiKristallwelten im nahen Wattens. UNTEN: Muss man gesehen haben – das Goldene Dachl.


Bild: Xxxxxx Xxxxxxx

OBEN: Geschichte von gestern – die Hofburg, eines der bedeutendsten historischen Gebäude Österreichs. UNTEN: Geschichte von heute – Eingang zur Hungerburgbahn von Zaha Hadid.

OBEN: Geschichte von heute II – Olympische Sprungschanze am Bergisel, auch von Zaha Hadid. UNTEN: Geschichte von heute II – Schwarzmander-Kirche mit leerem Grabmal von Maximilian I.


Story  Reisen

den Weg nach Italien zu versperren. Durch den Brenner 1 war Innsbruck bereits im Mittelalter wirtschaftlich gesichert, denn der Pass war wichtiger Verkehrsknoten für den Handel zwischen Italien und den deutschen Fürstentümern und lockte schon damals viele Reisende an. So machten unter anderem auch Mozart und Goethe einmal respektive mehrere Male Halt in Innsbruck. Sie kehrten, wie auch Kaiser, Erzherzoge und sonstiger Adel, im «Hotel Goldener Adler» ein, wie eine Steintafel am Eingang des Hauses verrät. Mitten am Platz in der Altstadt gelegen, zählt das 1390 errichtete Gebäude zu den ältesten Hotels in Europa, was nicht nur von den herrschaftlichen Wänden der verschiedenen Säle im Inneren widerhallt, man erfährt es auch von Inhaber Josef Hackl, der einen gerne durch die Räume führt. Zuvor sollte man sich aber dem reichhaltigen Abendessen widmen und beispielsweise den hausgemachten Zopfbraten, die Spinatknödel, Schlutzkrapfen oder den Tiroler Bergkäse versuchen. Schlendert man vom Restaurant die Herzog-FriedrichStrasse hinunter, gelangt man nach wenigen Schritten geradewegs zum Wahrzeichen der Stadt: dem Goldenen Dachl. Der Erker, der mit 2657 feuervergoldeten Kupferschindeln verziert ist, die alle noch im Original erhalten sind, ist das Herz des mittelalterlichen Stadtkerns. Um 1500 von Kaiser ­Maximilian I. in Auftrag gegeben, wurde der Schriftzug auf dem Relief bis ­heute nicht enträtselt. Genauso ein Geheimnis blieb der Diebstahl von sieben der wertvollen Kacheln im Jahr 2012, die wenige Tage später dann an verschiedenen Orten in Innsbruck wieder auftauchten. Ein absolutes Must-see ist auch die Hofburg, die ebenfalls um 1500 von Kaiser M ­ aximilian fertiggestellt wurde und heute noch von der Blütezeit Innsbrucks als Residenzstadt zeugt. Das leere Grabmal des ehemaligen Kaisers befindet sich in der Schwarzmander-Kirche (schwarze Männer: wegen der 28 überlebensgrossen Bronzefiguren, die das Grabmal umstellen). Leer, weil M ­ aximilian sich stattdessen in der Burg von Wiener Neustadt begraben liess. Dafür liegt hier aber der Freiheitskämpfer Andreas Hofer, auf den man in Form von Bildern und Statuen überall in Innsbruck trifft. Man sollte sich einige Zeit nehmen, um die Innsbrucker Altstadt auf sich wirken zu lassen: die spätgotischen Hausfassaden, die typischen Lauben und buntgeschmückten Erker sowie kunstvoll verzierten Fenster. In den hübschen Seitengassen lässt sich eine Vielzahl kleiner, origineller Läden finden. Bei Stastny Bürsten etwa bekommt man alles, was das Herz jedes Kamm- und Bürstenfreunds höher schlagen lässt, in der über

2 1. Skifahren und Shoppen an einem Tag: Das ist Innsbruck. — 2. Die Speckeria, seit über 100 Jahren. — 3. Die älteste Seifenfabrik des Landes: Walde Seifen. — 4. Unbedingt probieren: ­Spinatknödel und Schlutzkrapfen im «Goldenen Adler». — 5. Café Munding, mit grösstem Aussenfresko im Tirol verziert.

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100-jährigen Speckeria findet man das würzige Mitbringsel in grosser Vielfalt (man lernt, dass Speck im Tirol auch in die Torte kommt), und bei Anton Götsch gibt es seltene Getreidearten oder ­Hülsenfrüchte zu entdecken. «Ohne Schnaps gehe ich nicht in die Kirche», sagte ein Herr mittleren Alters am Stehtisch vor dem kleinen Laden «Spezialitäten aus der Stiftgasse» – und machte damit neugierig auf den Blick in das ­Geschäft. Es gibt dort Essige und Öle sowie Marmeladenspezialitäten auf der e­ inen und eine grosse Auswahl an hochprozentigen Besonderheiten auf der ­anderen Seite. Die Früchte dazu (ungefähr 40 Kilogramm je Liter) werden auf dem Hof von Besitzer Stefan Meier ­angebaut, der selbstgebrannte Schnäpse und Liköre ohne Aromen und Zusatzstoffe herstellt. Von der Qualität darf man sich an der ­Ladentheke bei einer Degustation gleich selbst überzeugen. In die Kirche sind wir dann aber nicht mehr gegangen. Dafür lieber in die Konditorei: Die älteste in ganz Tirol, das Café Munding, ist ganz in der Nähe heimisch. Das Haus von 1803 ziert das g ­ rösste A ­ ussenfresko des Bundeslands, die Einrichtung im Innern stammt aus den 1930er Jahren, entworfen vom Innsbrucker Architekten Franz B ­ aumann. Den Besucher erwarten kleine, gemütliche Nischen mit in Holz eingefassten Marmortischen und samtbezogenen Stühlen, eine alte H ­ andkasse ziert den Eingangsbereich, eine Kaffeemaschine von 1961 schmückt das Interieur. Man kann hier aus über 40 verschiedenen Röstsorten wählen und sollte dazu unbedingt, neben dem Topfenstrudel, die Haustorte probieren. Und für die Lieben daheim vielleicht Schindeln des G ­ oldenen Dachls zum Verzehr einkaufen, mit Mandeln, Mandelnougat und Pistazienmarzipan. Geht man über die Innbrücke, entdeckt man auf der anderen Seite der Stadt einen weiteren Traditionsbetrieb: Walde Seifen. Die ä­ lteste Seifenfabrik des Landes und z ­ ugleich 3 ­einer der ältesten ­Familienbetriebe produziert seit mehr als 250 Jahren hochwertige Seifenartikel und Kerzen (erhältlich im hauseigenen Fachgeschäft in der Altstadt) aus natürlichen Rohstoffen. In der Produktionsstätte an der Dörrstrasse werden ebenfalls Kosmetik, Reinigungsmittel, Speisefette und -öle hergestellt sowie die D ­ esigns der Kerzen entworfen und Gravuren

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Reisen  Story

gemacht. Susanne Walde führt den Betrieb in siebter G ­ eneration, z ­ usammen mit Tochter und Sohn, und öffnet auch mal den angrenzenden, eigentlich geschlossenen Shop für Passanten, die zufällig vorbeilaufen. Dazu passt ein Statement der Stadtführerin vom Vortag: «Der Tiroler ist sehr unkompliziert.» Lohnenswert ist überdies die Besichtigung der Glockengiesserei Grassmayr. Sie besteht seit mehr als 400 Jahren, ­gehört zu den grössten Glockenherstellern weltweit und beliefert über hundert Länder. Neben den Glocken (unter a­ nderem ist eine solche auch im Innsbrucker Dom zu finden) hat sich das Familienunternehmen auf die spezielle Fertigung eines Klangschalen-Musikinstruments ausgerichtet. Die Verknüpfung von Geschichte und Moderne findet in Innsbruck auch im Erwerbsleben statt. Ins Wirtschaftszentrum Westösterreichs pendeln täglich rund 35 000 Menschen und arbeiten dort vor allem in der Vermögensverwaltung, im Staatsdienst und im Dienstleistungssektor. Rund um Innsbruck wird Landwirtschaft und Almwirtschaft ­betrieben. Eine grosse Anzahl an Beschäftigten findet man immer noch in der ­Lodenherstellung; Mäntel und Jacken aus dem wetterfesten Stoff sind nach wie vor in vielen Tiroler Geschäften erhältlich. Dies obwohl die grösste Produktionsstätte im Umkreis, die Tiroler Loden GmbH im Stadtteil Reichenau, im Jahr 2001 bis auf die Grundmauern n ­ iederbrannte und der nachfolgende Prozess um eine angebliche Brandstiftung seitens des ­Geschäftsführers sowie die baldige Schliessung des Unternehmens der Branche nicht zuträglich waren. Heute steht auf dem Areal der ehemaligen Lodenfabrik ein moderner Vorzeigebau für gemeinnütziges Wohnen, zur Zeit seiner Fertigstellung 2009 der grösste zertifizierte Passivhausbau (der überwiegende Teil des Wärmebedarfs wird aus «passiven» Quellen wie Sonneneinstrahlung und Abwärme gedeckt, weshalb keine Gebäudeheizung nötig ist) Europas. Solche Projekte braucht es mehr in Innsbruck, denn freie Wohnungen sind ein knappes Gut. ­Zudem sind die Mieten um einiges höher als in anderen österreichischen Städten, sogar Mieter in Wien kommen im Vergleich günstiger weg. Der durchschnittliche Mietpreis in Innsbruck bewegt sich um die 12 Euro pro Quadratmeter, in Wien kann man, je nach Bezirk, mit 9 Euro bis 11 Euro pro Quadratmeter rechnen. Auch die Eigentumswohnungen sind mit durchschnittlich 4400 Euro pro Quadratmeter in Innsbruck teurer als in Wien (3800 Euro/m2), wenn auch immer noch niedriger als solche in Zürich. Politisch ist man in Aufbruchstimmung: 2012 durfte zum ersten Mal die Innsbrucker Bevölkerung ihren Bürgermeister wählen, vorher tat dies der ­Gemeinderat, der 2010 zuletzt eine Frau für das Amt ­bestimmte: ­Christine Oppitz-Plörer. Die Vertreterin der Partei «Für Innsbruck» – eine ­Abspaltung der örtlichen ÖVP (Österreichische Volkspartei, zweitgrösste politische Kraft des Landes, vertritt als «schwarze Partei» das bürgerlich-konservative Lager) wurde zwei Jahre später auch vom Volk wiedergewählt. Setzte sich der Stadtrat 2012 noch ohne ÖVP-Beteiligung zusammen (zum ersten Mal seit 1945), wurde 2015, aufgrund der angespannten Finanzsituation der Landeshauptstadt, eine ­Umbildung der Stadtregierung beschlossen. Seitdem gibt es, ­neben den zwei «Für Innsbruck»-Vertretern, zwei Sitzen für die Grünen und einem für die SPÖ (Sozialdemokratische Partei ­Österreichs, älteste und grösste Partei des Landes, Mitte links angesiedelt), auch zwei ÖVP-Stadträte. Heute wird die Universitätsstadt von fast 30 000 Studenten bewohnt – und das prägt Innsbruck. Deshalb ist sie, trotz ­ihrer langen Historie, jung geblieben. Vom Lernstress erholt man sich am Wochenende am besten in der 360° Bar, hoch über den D ­ ächern der abendlichen Stadt. Oder im Kulturzentrum ­Treibhaus, wo zu der Zeit, als wir in der Stadt waren, gerade ein Konzert der Band mit dem klingenden Namen «Rammelhof» auf dem Programm stand. Man kann sich dort ebenfalls Theaterund Kabarettvorstellungen ansehen, und im Sommer gibt es ein Open-Air-Kino. Auch im Tribaun, dem ersten Craftbeer-Lokal der Stadt, trifft man sich. Und die Bar, die sich in einem Kellergewölbe

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befindet, steht mit ihrem internationalen und einheimischen Bierangebot sinnbildlich für das alpin-­ u rbane Lebensgefühl der jungen Innsbrucker: Man holt die Welt nach Innsbruck und lässt Innsbruck in die Welt. Letzteres ist die Landeshauptstadt ihrem Ruf schuldig – sie war 1964 und 1976 Austragungsort der Olympischen 4 Winterspiele, 2012 fanden die ersten Olympischen Jugend-­ Winterspiele hier statt. Von der sportlichen Vergangenheit zeugt h ­ eute noch die Bergisel-­Schanze. Die einstige Olympiaschanze bietet nicht nur e­ inen tollen Ausblick auf die Stadt, auch der Turm, von der kürzlich verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid entworfen, ist eindrücklich. Die schönsten Plätze von Innsbruck liegen allesamt in der Höhe. In nur 25 Minuten gelangt man von 560 auf fast 2400 Meter über Meer. Von der Innenstadt aus bringt einen die Hungerburgbahn bis zum Berghang, die einzelnen Stationen wurden ebenfalls von Zaha Hadid d ­ esignt. Weiter geht es mit der Nordkettenbahn. In zwei Stufen erreicht man mit der Luftseilbahn erst die Station Seegrube und dann die ­Bergstation ­Hafelekar. Von hier aus ist das Panorama bei klarer Sicht wirklich atemberaubend. Wer skifahren möchte, kann dies auch tun: Sieben ­Skigebiete befinden sich in unmittelbarer Nähe. Hat man einen weiteren Tag Zeit, ist ein Ausflug ins nahe ­gelegene Wattens zu den Swarovski-Kristallwelten zu empfehlen. Hier kann man in der wunderschönen Parkanlage verweilen oder sich von den 16 Wunderkammern verzaubern lassen. Jede einzelne wurde von Künstlern, einige davon aus der Gegend, gestaltet, und jeder hat das Leitmotiv Kristalle ganz anders umgesetzt. Auch die Kristallwolke im Freien entfaltet mit ihren rund 800 000 handgesetzten Swarovski-Kristallen ­einen ganz ­besonderen Reiz. Ihr Funkeln, das sich auf dem See darunter ­widerspiegelt, bleibt als Erinnerung an Innsbruck – auch wenn man längst wieder zu Hause ist.

AUFFI, OCHI UND GRODAUS Auch sehenswert: Alpenzoo, Patscherkofel, Schloss Ambras; Für Ausflüge: Kostenlose ­Reiseführer-App auf www.tirol.at/reiseservice; Zum Mitbringen: Walde Seifen: w ­ ww.­walde.at, Speckeria: www.speckeria.at, Spezialitäten aus der Stiftgasse: +43 512 / 57 65 80; Zum Ausgehen: Treibhaus: www.treibhaus.at, Tribaun: www.tribaun.com

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Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: R. KIKUO JOHNSON

Wer sein ­E-Velo liebt, fliegt Rasante BERG- UND TALFAHRTEN mit ­einem herkömmlichen Fahrrad macht heute nur noch, wer demnächst ungedopt an der Tour de ­France ­teilnehmen möchte. Alle anderen P ­ ROBIEREN ­E-BIKES AUS – und ­haben dabei reichlich SPASS. Text: SARAH STUTTE

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Ich bin keine militante, sondern eine Schönwetter-Velofahrerin. Aber ich mag mein altmodisches Tretmodell mit seinen 24 Gängen. Zwar bin ich kein Fan von ­exzessiven Steilhängen oder Passstrassen, nur habe ich das bisher niemandem gesagt. Und dennoch fühlte ich mich den anzahlmässig zunehmenden E ­ -Bikern überlegen – ist man nicht Pöstler, fährt man ­diese Velos doch nur, wenn man zu faul ist, eine kleine Steigung zu nehmen, dachte ich. Dabei hätte ich selbst gerne einmal ein solches elektromotorisiertes Gefährt ausprobiert. Doch es brauchte erst den Auftrag, diesen ­Artikel zu schreiben, bevor ich mich zu einer Testfahrt in den Sattel schwang. Im Vorfeld ­informierte ich mich, was es mit ­E-Bikes auf sich hat. So erfuhr ich, dass sich diese von einem gewöhnlichen Velo durch einen Hinterrad- oder

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Vorsichtig und vorausschauend fahren – nimmt man an einer Kreuzung die ­Geschwindigkeit nicht rechtzeitig zurück, kommt man trotz energischen Bremsens erst erstaunlich spät zum Stillstand.

Vorderradmotorantrieb ­unterscheiden, durch eine ­Traktionsbatterie, eine Steuerelektronik und einen Sensor für die Kurbelbewegungserkennung. Je nach M ­ otorleistung kann ein ­E-Bike 25 bis 45 km/h schnell sein. Ich lese weiter, dass es auch ­Pedelec (Pedal Electric Cycle) genannt wird. Wobei dieser Begriff ursprünglich nur für Fahrräder stand, die sich ausschliesslich durch die Pedalbetätigung elektrisch einschalten

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und nicht, unabhängig von der Treteinwirkung, mittels einer Steuerung am Lenker regulieren lassen. Jedoch sind die Grenzen heute fliessend. Markttauglich gemacht wurden ­E-Velos übrigens in der Schweiz, das ­patentierte Konzept wird h ­ eute in den meisten M ­ odellen weltweit eingesetzt. Anfangs war das E-Bike wenig ­populär, weil es aussah wie ein motorisierter Rollator und sich, dank eines schwachen Akkus, auch etwa so

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

bewegte. Mit der Inbetriebnahme des leichten Lithium-Ionen-Akkus setzte ­M itte der 2000er der Boom ein, und aus dem «OmaRad» wurde ein «Strassen-Flitzer». Das bestätigt auch der Mitarbeiter von Stromvelo in Winterthur, der mir ein «ST2»Modell an die Hand gibt – «der Ferrari unter den E-Bikes», wie er sagt. So ein Gefährt k ­ oste, je nach Zubehör, um die 9800 Franken. Im G ­ eiste zähle ich kurz die Zeilen, die ich schreiben muss, um den Schaden zu zahlen, falls ich das teure Geschoss an den nächsten Baum ­setze – es müssten Bücher sein. Der Stromer ST2 ist mit 45 km/h das derzeit schnellste E-Velo

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in der Schweiz, mit dem leistungsstärksten ­ otor. Ein Kleinmotorrad eigentlich. Man M sollte also vorsichtig und vorausschauend fahren. Nimmt man an einer Kreuzung die Geschwindigkeit nicht rechtzeitig zurück, kommt man trotz energischen Bremsens erst erstaunlich spät zum Stillstand. Ein Velohelm ist deshalb Pflicht. Der Stromer ist nicht nur schneller als seine Kollegen, er hat auch mehr  ­Ausdauer. Er fährt und fährt. Der 48-Volt-Akku verfügt über ein Energiepotential von 814 Wattstunden – und wem das nichts sagt, es ist sehr viel. Bremsen und Gänge funktionieren

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wie beim normalen Velo, das Licht erkennt Dunkelheit und schaltet sich automatisch ein, sonst passiert alles per Knopfdruck. Ich kann drei verschiedene Geschwindigkeitsstufen einstellen, die Kilometer werden ­a ngezeigt. Ich könnte das Bike sogar mit dem Handy vernetzen, damit man es bei Diebstahl elektronisch sperren und über eine eingebaute GPS-Ortung wiederfinden kann. Ich bin beeindruckt und überfordert ­zugleich. Vorsichtig schiebe ich das E-Bike nach draussen und stelle fest: Es ist schwer. Der Akku alleine wiegt 5 Kilogramm, das ganze Velo 27 Kilogramm. Doch es gibt eine Funktion, mit der ­einen das Rad beim Schieben unterstützt und sich praktisch selbst vorwärts bewegt. Ich suche den nächstgrössten, am besten menschenleeren Platz, um ein Gefühl für das noch unbekannte ­G efährt zu bekommen. «Auf Stufe eins stellen für gerade Strecken», wiederhole ich den Satz mantramässig, den man mir im L ­ aden mitgegeben hat. Am meisten überrascht mich der l­eichte Antritt, einmal kurz die Pedale berühren und schon macht das E-Bike einen Satz nach ­vorne. Nachdem ich einige Runden mit der niedrigsten Geschwindigkeit gefahren bin, werde ich mutiger und schalte hoch auf ­Stufe drei. Mit knapp 40 km/h fliege ich fast über den Platz, ein tolles Gefühl. Auch das rechtzeitige Anhalten vor Ampeln ist zu erlernen, auch weil sich die Elektronik einmal mitten auf der Strasse verabschiedet, ich also g­ezwungen bin, «normal» weiterzufahren, und dabei merke, wie anstrengend das ist. Am meisten Spass habe ich dann tatsächlich daran, steile Waldwege hoch- und wieder runterzufahren, vorbei an verdutzt guckenden Wanderern – so schnell war ich dort noch nie unterwegs. Ich bin begeistert. Und nicht nur ich: «Wir haben auch Kunden, die noch nie ein Velo besessen haben, sondern vom Auto aufs E-Bike umsteigen», sagt Stromvelo-­Inhaber Michael Oberholzer. Ein Klischee bestätigt sich am Schluss aber doch: «Es ist festzustellen, dass Männer immer das Beste und Teuerste für sich aussuchen und für ihre Partnerinnen dann die ­bescheidenere Ausrüstung und günstigeren Komponenten wollen», sagt O ­ berholzer. Drum sollten ­Frauen sich selber um ihr E ­ -Bike kümmern – und vielleicht den ­«Ferrari» w ­ ählen.

STROMER ST2 Bei dem von unserer Autorin gefahrenen Modell handelt es sich um einen Stromer ST2 mit SYNO-DriveMotor und einer Leistung von 500 Watt sowie einem Li-Ion-Akku mit 48 Volt für 814 Wattstunden; ab 6990 Franken (ohne Zubehör).

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Anleitung  Arbiter Elegantiarum

Redaktion: YVONNE WIGGER

AUF DER STRASSE

Sonnenbrille von PRADA, Fr. 309.–.

Halskette von DIOR, ca. Fr. 1370.–.

Drachenbraut trägt Feueratem: Veronika Heilbrunner in Kleid und Sneakers, mit Sonnenbrille und No-Make-up-Look, ihrem Ausgeh-Outfit. Seidenkleid von ACNE STUDIOS, Fr. 2859.– ­ (bei Mytheresa.com).

Tasche von JIL SANDER NAVY, ca. Fr. 230.–.

Sneakers von NIKE, Fr. 115.– (bei Stylebop.com).

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Was bitte ist STREET-STYLE ­respektive eine STREET-STYLE-­ HELDIN ? Ist es denn nicht so, dass Modeschöpfer sich von Looks von der Strasse beeinflussen ­lassen und ­L EUTE VON DER STRASSE sich ­Inspirationen bei Modeschöpfern ­holen? «Wechselwirkung» nennt man das. Tönt kompliziert. Aber wenn unsere Stilvorlage des Monats ihren Stil zeigt, wird's ganz leicht. Und einfach. Und cool (oder hot). STREET STYLISH eben. September / Oktober

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ie tanzt Nächte durch mit Model und It-Girl ­A lexa Chung, trägt Vetements, die Marke der Stunde, und hat auf Instagram fast 100 000 Followers: Veronika Heilbrunner, die Streetstyle-Heldin Deutschlands. Die junge Münchnerin, «Vorni» genannt, startete ihre Karriere vor über zehn Jahren als Model. Obwohl sie mit i­hren 186 cm beinahe zu gross ­dafür war. Bald arbeitete sie als M ­ oderedaktorin beim Magazin Jolie, danach bei mytheresa.com, dem OnlineshopModehändler mit Sitz in München. Dort lernte sie den A ­ ustralier Justin O’Shea, ihren jetzigen Freund, kennen. ­ H eilbrunner und O’Shea, der ­ t ätowierte ­A nzugträger und Kreativdirektor von Brioni, werden auf fast j­ edem ­Modeblog als Stilikonen ­gezeigt. Sie z ­ ogen g ­ emeinsam nach ­Berlin, wo Veronika das ­ M odeteam der deutschen Harper’s Bazaar ­u nterst ützte. Kurz da rauf gründete sie mit einer Kollegin den Blog «Hey Women!», in dem es um Mode, Kultur und Beauty geht. ­ Veronika findet den goldenen Schnitt von cool, modern und elegant. Looks, die sie kombiniert, hat man so noch nicht gesehen. «Lackleder ist mein Stylingtipp für die kommende Saison. Eine L ­ ackhose oder ein Lackmantel funktionieren toll mit schwerem Strick und sportlichen Kleidungsstücken wie Hoodies, einer Trainingshose oder Sneakers», sagt sie. Und macht es gleich vor: Während der ­Fashion Week in Kopenhagen trug sie zur enganliegenden L ack le derhose ei nen rosa Hoodie, feine Kettchen um den Hals und klassische ChucksSchuhe in Weiss. In P ­ aris, nach der Dior-Haute-Couture-Show, zeigte sie sich im knalligen ­Acne-Kleid und den Chucks, dazu eine schlichte schwarze T ­ asche und ­Sonnenbrille. Fasst man ihre Bildergalerie der vergangenen Jahre zusammen, entsteht die Heilbrunnersche Kurzformel: Abendkleid + Sneakers + No-­ Make-up-Look = ready to go, bereit zum Ausgehen.

Nr. 4 2016

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VERONIKA HEILBRUNNER


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