WW Magazin No. 1/19

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WW MAGAZIN Nr. 1 APRIL / MAI 2019

Reisereportage

MASKAT – DIE SCHÖNE IN DER WÜSTE

WW-Persönlichkeit

HÄLT SUZANNA VOCK NOCHMALS EINE SCHWEIZER MODEMESSE AB? Laufbahnberatung

WER RAD FÄHRT, STEIGT AUF IM JOB

GRÜNE MODE

Der letzte Schrei ist – nachhaltig und fair. Wie Materialien erzeugt und Arbeiter behandelt ­werden, ist immer mehr Kleiderkäuferinnen und Designern immer wichtiger.






Innenbetrachtung  Editorial

In dieser Ausgabe geht es unter anderem um nachhaltige und faire Mode – «nachhaltig» bezieht sich auf die Herstellung von Materialien, «fair» auf die Bedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter. Mit anderen Worten: Anliegen, gegen die fast niemand Vorbehalte haben dürfte. Wer will schon Kleidung auf der Haut tragen, für die unsere Erde verseucht und darauf lebende Tiere gequält werden? Oder die von Frauen und Männern unter ­unwürdigen Umständen hergestellt wird? So weit, so klar. Bloss, der Teufel, sagt man, steckt im Detail. Das tut er auch auf diesem Feld, das a) ein weites und b) reich an Details ist. Womit plötzlich vieles nicht mehr so ganz klar ist.

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Mittlerweile gibt es viele Kunden, denen Nachhaltigkeit wichtig ist – sagen sie. Jedenfalls solange die Ware nicht mehr kostet als sogenannte «traditionell» hergestellte. Weiter gibt es zahlreiche Anbieter, für die Fairness ein Must ist, so wichtig fast, wie dass die Ware modisch daherkommt – jedenfalls solange dies nicht auf die Gewinnmarge drückt. Was wir dazu auch noch im Angebot haben: die Geschichte der Frau, die eine nachhaltige Modemesse in der Schweiz organisieren will. Aber nicht genügend Sponsoren findet und/oder nicht genügend schnell. Ich wünsche Ihnen ein nachhaltiges Lesevergnügen und einen schönen Frühling.

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Nr. 1 2019

Illustration: Haley Tippmann

So weit, so klar. Bloss . . .


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Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) ALEXANDRA KRUSE

2

4) PHILIPP KREBS

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ALEXANDRA KRUSE , MICHA FREUTEL , JOKO VOGEL , PHILIPP KREBS , MARIANNE ESCHBACH 1)

2)

2) MICHA FREUTEL

Welcome back, Micha. Seinen ersten Auftritt in, besser «auf» unserem Heft hatte er 2017, als er Zoë Pastelle, die Schweizer Influencerin holländischer Herkunft, porträtierte. Dieses Mal entsandte ihn der Art ­Director in die Zentralschweiz, um S ­ uzanna Vock zu fotografieren. Während sich Zoë zur ­Gruppe der MAWs (Models, ­Actresses, Whatevers) zählen lassen muss, gehört die Organisatorin des nachhaltigen ModeEvents Gwand eher in die Kategorie real people, richtige Leute. Mit richtigen Sorgen: Sie findet keine Sponsoren für ihre ­geplante Veranstaltung. Oder nicht innert nützlicher Frist jedenfalls. Vielleicht klappt's dank der Präsenz auf unseren Seiten. Michas Bilder ab Seite 22 auf jeden Fall zeigen sie von ihrer besten Seite.

3)

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3

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Im Zeitalter des Ein-ZeilenDrei-Sekunden-Pitchs kann man den Autoren der Kunstkolumne dieser Ausgabe so einführen: Er ist der Schweizer Christo, nur jünger und ohne Knoblauch. Und im Gegensatz zum aus Bulgarien kommenden Aktionskünstler, der täglich e­ inen Knoblauch verdrückt der ­G esundheit zuliebe, hüllt der Berner keine Gebäude oder Inseln ein, sondern Helium, und zwar in Riesenballonhüllen, mit denen er an besonderen Orten auf der ganzen Welt schwebende Installationen ­gestaltet. Sein neustes Vorhaben: «FlyingFreedoms» in New York, eine Balloninstallation auf Roosevelt Island. Wie das geht, und was er noch braucht – Vorsicht, spoiler-Alarm: ihr Geld –, beschreibt er auf Seite 12. 5) MARIANNE ESCHBACH

4

3) JOKO VOGEL

Um einen Beitrag im WW-Magazin zu veröffentlichen, darf man Journalist sein, muss aber nicht. Unser Autor des Artikels über Netzwerken auf dem Velo ist von Beruf serial entrepreneur, also einer, der eine Firma nach

der anderen gründet oder mitgründet, zum ­Beispiel im Kommunikationsbereich, in dem seine Compresso P ­ ublic Relations-­Agentur erfolgreich unterwegs ist. Ab Seite 44 ­berichtet der Mann, der zudem schneller und länger Rad fahren kann als die meisten Menschen in unserem Land, über seine Lauf- respektive Fahrbahn, die ihn bis jetzt nur in eine Richtung führte: nach oben.

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Das Frühjahr ist die Zeit, in der unsere vielbeschäftigte Kollegin am beschäftigsten ist: Dann finden etwa Le Salon (de la ­Haute Horlogerie) in Genf ­sowie demnächst die Baselworld statt, so etwas wie die höchsten ­ Feiertage im Kalender der Uhren- und Schmuckgläubigen dieser Welt. Ehrensache, dass ­Marianne dann in den Produkteozean hüpft – und erst wieder auftaucht, wenn sie die Perlen unter den zahlreichen Neuheiten gefunden hat. Was das in diesem Frühjahr ist, präsentiert sie auf Seite 20.

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Fotos: Nadine Ottawa, Torvioll Jashari

Jeder Beitrag, den u ­ nsere Mode­autorin liefert, wird von der ­Redaktion mit Vor­freude ­erwartet. Dass es darin um ­A lexandras Sicht auf etwas ­Neues aus der weiten Welt der Fashion geht, ist das eine. Das andere: In und, vor allem, zwischen den Zeilen erfährt man immer auch einiges über das private Leben im Hause ­K ruse, was wenigstens so spannend ist, wie's sich gehört für die ­Beiträge einer Kolumnistin, die diesen Namen verdient. Dieses Mal geht es im Text um die soge­nannte gender fluidity also das Verwischen der Geschlechter. Was das genau heisst oder hiess für AK und ihren Ex-­ Partner, finden Sie auf Seite 14.



Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr. 1    IN H A LT DIE NEUE LIEBLINGSFARBE DER DESIGNER IST GRÜN

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Titelbild: Tina Berning

28

Bild auf dieser Seite: Nadine Ottawa

Wir berichten in dieser Ausgabe über die neuste Mode der Mode. Das war kein Verschreiber, sondern der Versuch auszudrücken, dass es weniger darum geht, ob Röcke diese Saison ober- oder unterhalb des Knies enden (unterhalb, so sieht's aus). Sondern um Nachhaltigkeit und Fairness beim Herstellen der neusten Entwürfe. Die Modebranche, muss man schreiben – trotz der Gefahr, die Hand zu beissen, die einen füttert –, hat in Vergangenheit keine bella figura gemacht in dieser Hinsicht. Was sich nun aber ändert. Und zwar im Tempo, das wir von der Fast Fashion kennen.

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Inhaltsverzeichnis  Innenbetrachtung

I N H A LT

WW Magazin Nr. 1 CONTRIBUTORS

WW-PERSÖNLICHKEIT

Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 8

TREND-REPORTE

MODE

SEITE 18

SANTOS-UHR VON CARTIER

UHREN

SEITE 20 SUZANNA VOCK

KOLUMNEN

Die Katze lässt das Mausen nicht – und die Gwand-Gründerin will wieder eine Schweizer Modemesse gestalten. SEITE 22

KUNST

RUBRIKEN, GESCHICHTEN

von Philipp Krebs SEITE 12

BRIEFING

MODE

Smarte Kleidung

von Alexandra Kruse

SEITE 16

SEITE 14 KULINARIK

Bilder: Micha Freutel, Muir Vidler, Gregory Gilbert-Lodge, Phil Fisk/CameraPress/laif

von Peter Bollag SEITE 48 WANDERLUST

von Mark van Huisseling SEITE 50

CYCLING

Business auf Rädern SEITE 44 SERVICE ANLEITUNG BEZUGSQUELLEN UND VORSCHAU

SEITE 53

Nr. 1 2019

ARBITER DIE SCHÖNE IN DER WÜSTE

ELEGANTIARUM

IMPRESSUM

Reisereportage aus Maskat, der Hauptstadt des Omans, und dem Umland

Florence Welch

SEITE 53

SEITE 34

SEITE 52

April / Mai


Illustration: CARLO STANGA

Aussenbetrachtung  Kunstkolumne

«IN NEW YORK HAB' ICH NOCH EINE ALTE R ­ ECHNUNG OFFEN» Manche Betrachter seiner KUNSTWERKE wollen wissen, wieso er sich sowas antut. Kurz vor dem Abheben, hoffentlich, seines neusten BALLONPROJEKTS «FlyingFreedoms» gibt unser Autor Antwort auf diese Frage.

Text:

PHILIPP KREBS

D

as Architekturstudium hat mir vor dreissig Jahren den Weg in die Kunst geebnet. Ich bin kein Top-Architekt geworden, habe dafür umso mehr Ideen und Visionen für K ­ unstprojekte ­entwickelt – und konnte dabei meine Kreativität ausleben. Ideen sind schnell geboren, doch diese zu verwirklichen, ist und bleibt die grosse Herausforderung. Und ich denke gross: Meine Kunstprojekte mit fliegenden, überdimensionalen Ballonen zeige ich im öffentlichen Raum, ­damit will ich Menschen anziehen und i­ nspirieren. ­Meine ­Installationen schaffen ein dreidimen­sionales ­Erlebnis, sind einfach und überraschend, sprechen jung und alt an. Sie nutzen die D ­ ynamik unserer Atmosphäre – Wind, Wetter, Licht – und schaffen neue Perspektiven. Meine ersten Projektionsflächen waren Brücken, an denen ich wehende Segeltuchstreifen festmachte. Seit 2001 setze ich auf fliegende, aber festgemachte Riesenballone. Solche waren bisher zu sehen in Berlin, Kapstadt, Amsterdam, Madrid und Bern. Mein persönlicher Gewinn an solchen Kunstprojekten? Das Staunen der Betrachter und das ­Lächeln auf ihren Gesichtern. So wird mein ­Publikum Teil vom Ganzen, Teil des Werks. Bis ein Projekt umgesetzt wird, ist es ein langer, steiniger Weg. Am Ende eines Kunstprojekts kann ich froh sein, wenn alle Kosten und Ausgaben gedeckt sind. Aber während dieser Zeit habe ich jeweils mit grossartigen Menschen zusammenarbeiten dürfen, die mich unterstützten und ­immer wieder motivierten für Neues. In New York habe ich noch eine alte Rechnung offen, sozusagen. Anfang der 90er ­Jahre ­wollte ich auch ein Brückenprojekt an der für

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viele New Yorker heiligen Brooklyn Bridge realisieren und einen 500 Meter langen Vorhang aus ­bunten S ­ egeltuchstreifen zwischen die Brückenpfeiler hängen. Fast ein Jahr lebten wir in der Stadt und versuchten, das enorme Budget von ­­1.5 Millionen Dollar aufzutreiben. Sowie die ­Bewilligung für die «unberührbare» Brücke zu erhalten. Die ­damalige Stadtverwaltung hatte uns schon fast die Tür geöffnet, da kamen uns, oder besser g ­ esagt dem Bürgermeister und seinem Departementschef, Sex und Politik in die Quere – und dann war der Bürgermeister nicht mehr Bürgermeister. Die Bewilligung, zum Greifen nah, war für seinen Nachfolger kein Thema mehr. Das war eine meiner grössten Enttäuschungen. Grossprojekte haben es schwer in New York City. Da hatte Christo echtes Glück, dass er den späteren Bürgermeister Bloomberg zu seinen Freunden zählen konnte und dieser alle Hebel in Bewegung setzte, damit Christo «The Gates» im Central Park installieren konnte. Dieses Mal wird es mit meinem Ballonvorhaben klappen: Die Bewilligung habe ich bereits. Seit zwei Jahren plane ich mit meinem Team nun das Projekt und wir sind in dieser Zeit von P ­ ontius zu Pilatus gerannt. Schliesslich haben wir ­dabei den perfekten Standort gefunden: Roosevelt ­Island, zwischen Manhattan und Queens. Um genau zu sein, den symbolträchtigen Franklin D. Roosevelt Four Freedoms Park im Süden der Insel. Dieser wurde vom grossen amerikanischen Architekten Louis I. Kahn zu Ehren des ehemaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt entworfen und 2012 eröffnet. Der Park ist benannt nach den vier Freiheiten, wie sie Präsident Roosevelt in seiner Rede zur Lage der Nation 1941 formulierte: Rede- und Glaubensfreiheit sowie Befreiung von Not und von Furcht. Das hat mich zu «FlyingFreedoms» inspiriert, m ­ eine farbliche Interpretation dieser vier Freiheiten mit dem Ziel, angesichts der

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gegenwärtigen Lage auf der Welt an die Wichtigkeit und den Wert dieser Freiheiten zu erinnern. Ein Ballon stellt dabei symbolisch eine unbe­nannte Nation dar und jeder der vier Freiheiten wird eine Farbe zugeordnet. Die Ballone in ihrer Gesamtheit schaffen einen Mikrokosmos aller Länder und Nationen. Die Unfreiheit ist grau. Sicherlich mehr als die Hälfte der Ballone wird grau sein und nicht bunt – traurig, aber wahr. Im Herbst 2019 soll meine Ballonwelt «FlyingFreedoms» zum Fliegen kommen: Wie ein Teppich wird sie über dem Four Freedoms Park schweben und an der Südspitze von Roosevelt Island, vor der Skyline New Yorks mit direktem Blick auf das UN-Hauptquartier, enden. Die Umsetzung von «FlyingFreedoms» ist umweltverträglich, denn die Ballone werden teilweise als Kunstwerke verkauft, anderes Material wird bloss gemietet und nach der Installation zurückgegeben. Diesmal muss es für mich klappen in New York. Und dass es das wird, bin ich zuversichtlich. Nach zwei Jahren der Standortsuche, unzähligen Anpassungen der Modelle plus des Konzepts sowie gewaltiger Vorfinanzierung haben wir fast alles: die Bewilligung, das technische Knowhow und, ganz wichtig, ein starkes Team. Einzig die Finanzierung braucht noch ein wenig Rückenwind. Grosssponsoren und individuelle Ballonsponsoren können mein Projekt zum Schweben b ­ ringen. Wie das beim Geldgeben üblich ist, werden wir die gleiche Summe, die wir von Ihnen haben möchten, selber sammeln. Darum, und das haben Sie hier zuerst gelesen, können auch Partner mit kleineren Budgets zum Gelingen beitragen.

Mehr Informationen zum Vohaben, zu Modellentwürfen und Ballon-Sponsoring: www.flyingwalls.com

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«FlyingFreedoms» auf Roosevelt Island, Visualisierung des Werks von Philipp Krebs.


«Frauen tauchen jeden Tag in Hosen auf, aber in dem Augenblick, in dem ein Mann ein Kleid trägt, teilt sich das Meer», sagt Schauspieler Billy Porter.


Modekolumne  Aussenbetrachtung

Illustration: TINA BERNING

SOLL KEINER SAGEN, ES SEIEN DIE HORMONE Nachdem die Anliegen der TRANSGENDER-GEMEINDE längste Zeit zu wenig beachtet wurden, kommt diesen jetzt fast zu viel Beachtung zu. Besonders in der FILM- UND KOSMETIKBRANCHE .

Text:

ALEXANDRA KRUSE

D

er Mensch ist ein erstaunliches Wesen, das stelle ich immer wieder fest. Und zwar am liebsten am eigenen Leib. Meine persönliche Transgender-Forschung begann in den Familienferien, irgendwo im süssen ­Süden Frankreichs, zur Zeit der Lavendelblüte in einer kleinen Stadt mit viel Madonnenverehrung und noch mehr Rotlicht. Unser Kindchen und ich blieben eines Abends, nach einem Tag voller Sehenswürdigkeiten-Besichtigungen und Glacégenuss, in der schäbig-schrägen AirbnbWohnung, ohne Klimaanlage, dafür mit reichlich garstigen Mücken. Mein damaliger Freund machte sich auf zu einem Spaziergang, von dem er erst zurück­ kehrte, als der Morgen graute. Die Frage, wo er gewesen sei, liess er zunächst unbeantwortet. Im Laufe des Tages, als die Sonne auf die Haut brannte und die Nerven darunter blank lagen, erzählte er von seiner Begegnung mit ­einer Frau, die früher mal ein Mann gewesen war, e­ iner Brasilianerin, die ihr L ­ eben zwischen Stuhl und Bank, verschiedenen Geschlechtern und Identitäten also, sowie zwischen P ­ alästen und ­u nter Brücken verbrachte – es sei ein ­besonderer und lehrreicher Abend ­gewesen, die gemeinsam verbrachte Nacht rein platonischer N ­ atur, natürlich. Statt verständnisvoll und interessiert zu ­reagieren, verhielt ich mich wie eine eifersüchtige Furie und erklärte die Ferien für ruiniert. Schuld waren – wie immer die Hormone, m ­ einte ich. Wobei, im Gegensatz zu meinem derzeitigen prämenstruellen Syndrom (PMS), in Hinsicht auf die Geschlechterfrage das mit den

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Hormonen nicht stimmt; es gibt mittlerweile Studien, die mit der ewig gestrigen A ­ nnahme aufräumen, dass Transsexualität durch ein Hormon-Ungleichgewicht hervorgerufen wird. Die Geschlechterfrage liess mir keine Ruhe. Dazu kam, dass ich kurze Zeit ­später Gast an einem piekfeinen Fest war – und erst W ­ ochen später herausfand, dass es sich bei meinem Lieblings-Liebespaar des Abends um zwei ­F rauen gehandelt hatte. Ich bin offiziell ein Opfer meiner Wahrnehmung. Vermutlich, weil ich mit den Stereotypen einer scheinheilig­ heteronormativen Welt aufgewachsen bin, und darum mein eigenes Geschlecht nie in ­F rage ­gestellt habe. Oder weil ich einfach nicht mehr gut sehe. Zum Glück gibt’s Netflix. Rechtzeitig zu meiner Laien-Genderforschung erschien «Pose», eine bunt-dramatische Serie, die mehr ist als eine Zeitreise in die Ballroom-Kultur der 1980er Jahre, nämlich eine absolut realistischempathische Transgender-Liebeserklärung an eine Welt, in der jede und jeder sein kann, wer und was sie respektive er sein will. Ich musste schon nach fünf Minuten weinen vor lauter Rührung. Und weil ich das Problem, im falschen Körper geboren worden zu sein, die längste Zeit nicht richtig verstanden hatte. «Pose» ist auch wegen der bisher absolut beispiellosen Besetzung von TransgenderDarstellern und -Darstellerinnen sehenswert. Ebenso der Look des Hauptdarstellers Billy Porter an der Oscarverleihung – er erschien zu den Feierlichkeiten in einer supereleganten Kombination – oben Tuxedo, unten ausladendes, schwarzes Samtkleid – was überall viel Aufsehen erregte. Bei vogue.com wird er dazu so wiedergegeben: «Mein Ziel ist es, ein wandelndes Stück politischer Kunst zu sein und Erwartungen in Frage zu stellen – Frauen

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tauchen schliesslich jeden Tag in Hosen auf, aber im Augenblick, in dem ein Mann ein Kleid trägt, teilt sich das Meer.» Recht hat er. Mein Highlight der Transgender-Recherche bisher war die Begegnung mit Sue Y. Nabi, der Gründerin von Orveda, einer Kosmetiklinie, im wunderschönen Zürcher Spitzenhaus, m ­ einer liebsten Luxusparfümerie. Sie, ein Wunder der Kosmetikbranche und eine fantastische Inspiration, begann als Mann bei L’Oréal und verliess zwanzig Jahre später, als Frau, das Unternehmen. In dieser Zeit hatte er/sie ­dafür gesorgt, dass sich die sogenannte diversity in der Kosmetikbranche durchsetzte; Nabi ­buchte etwa die damals 68-jährige Jane Fonda für ihre erste Beautykampagne oder die strahlende Ü-Fünfzigerin Julia Roberts als Testimonial für den Duft «La vie est belle». Dann kündigte sie, nahm eine Auszeit und dachte nach. D ­ arüber, wie man wirklich dafür sorgen kann, dass ­G esundheit das neue Sexy ist und dass weniger Gift in Cremen landet. Worum es nicht geht: um Geschlechterfragen. Die Produkte richten sich einfach an Menschen, unabhängig ihres Geschlechts. Sue Nabis Kosmetiklinie verschafft mit ihren hochkonzentrierten, kraftvollen veganen Pflegeprodukten, die auf altem ayurvedischem Wissen fussen, mit Naturheilkunde und neuesten biotechnologischen Ansätzen für den glow, das Strahlen, das alle suchen in dieser Industrie. Ich bin zum Schluss gekommen, dass Toleranz und die Erkenntnis, dass der a ­ ngestrebte glow auf jeden Fall von innen kommt, von der Seele, uns in eine gute Zukunft führen werden. Ich muss mich wohl bei meinem seinerzeitigen Freund, der in Südfrankreich auf diesem ­Erkenntnisweg schon weiter fortgeschritten war als ich, entschuldigen. Soll nochmal ­jemand sagen, Kosmetikprodukte wirken nicht.

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Aussenbetrachtung  WEARABLES

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: LESJA CHERNISH

Briefing SMARTE KLEIDUNG ARM CANDY

Als wearables bezeichnet man Accessoires wie Fitness-Armbänder, Smartwatches und Datenbrillen, die einen mit Informationen versorgen, aber auch sogenannte intelligente Kleidung – selbstreinigende, beheizbare, klimaregulierende oder mit LEDs ausgestattete Textilien. Computertechnologie, auf engstem Raum verpackt also. Sie versorgt den Benutzer dank direktem Hautkontakt mit Daten und unterstützt ihn im Alltag. SEIDENHAUT

Der japanische Chemie- und Pharmakonzern Teijin stellt Textilien her, die beim Tragen wie eine Hautcreme wirken. Dabei werden spezielle Polyes­ ter­fasern mit Apfelsäure versetzt, was die Haut, besonders beim Sport, pflegen soll.

VIBRIERENDE HOSE

Durch elektrisch leitende Garne und Sensoren, die direkt bei der Herstellung in den Stoff eingearbeitet werden, löst die digitale Kleidung zahlreiche Zusatzaufgaben. So können spezielle Lauf-Shirts etwa die zurückgelegte Strecke sowie den Pulsschlag oder Blutdruck des

Trägers messen, Oberteile können mittels Reizstrom die Muskeln stimulieren oder Yoga-Hosen durch leichte Vibrationen zur richtigen Körperhaltung verhelfen. Die elektronischen Funktionen lassen sich über Eingabeelemente wie Knöpfe an den Kleidungsstücken steuern.

SMARTE SOCKE Weil der demente Grossvater des Japaners Kenneth Shinozuka immer wieder ­weglief, erfand der erst 15-Jährige eine smarte ­Socke. Diese sen­det einen Warnhinweis an das Smartphone des ­Enkels, sobald der Alte sich auf den Weg macht.

HELLER HELM Sechzig im Kopfschutz des amerikanischen Lumos-Helms integrierte LEDs erhellen die Strasse und dienen Velofahrern auch als Bremslicht. Ebenfalls ­f indig: fernbedienbare Blinker, die beim Abbiegen Signal geben. Auch die Helme des c­ hinesischen Herstellers Livall sind ­sinnvoll, da sie über ein eingebautes Kommunikationssystem verfügen, das über eine Fernbedienung am Lenker ­gesteuert wird – im Falle eines schweren Sturzes verschickt der Velohelm einen Notruf.

Wie pflegt man K ­ leidungsstücke, die mit elektrischen Elementen durchzogen sind? Nicht waschen, ist die Antwort des technischen Kleiderherstellers Threadsmiths aus Australien: Die Stoffe des Unter­nehmens, das Oberbekleidung für Männer, Frauen und Kinder entwirft, weisen alle Arten von Flüssigkeiten ab. AUGENDRUCK

SONNE ÜBER DEM HERZEN

Mit Solarpanelen in der Kleidung künftig beim Ausruhen in der Sonne nebenbei Strom gewinnen? Forscher der britischen Nottingham Trent University entwickelten dafür kleine, ultradünne Module, die sich in grosser Anzahl in Textilien einarbeiten lassen und so die Energie für Mini-Sensoren liefern. Die niederländische Designerin Pauline van Dongen stellte bereits vor vier Jahren ein Shirt mit eingearbeiteten Solarzellen vor, das ein Smartphone innerhalb weniger Stunden auflädt.

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Forschungsteams der ETH Zürich tüfteln an winzigen Sensoren und Transistoren, die unter anderem in Kontaktlinsen Anwendung finden sollen. Auch bei der EPF Lausanne, bei Google und Microsoft experimentieren Entwickler an smarten Linsen, die wiederkehrend den Augendruck oder Blutzuckerwert kontrollieren, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen.

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Quellen: Handysektor, Wissen, Watson, Livall, NZZ, PC-Welt, Ingenieur, Baublatt, Vodafone

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Stand März 2019

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Aussenbetrachtung  Opener

Redaktion: WW-FASHION-TEAM

WW Magazin Nr. 1    T R EN D-R EPORT Gabriela Hearsts fast BODENLANGE HEMDBLUSE – ein Look, den Frauen lieben.

L

Lädt Gabriela Hearst zur Kollek­ tionspräsentation in ­Manhattan ein, sitzen in der front row ­w ichtige Leute der Mode- und Unter­haltungsbranche – ­erstere, weil die Entwürfe der D ­ esignerin zurzeit stark beachtet ­werden, ­letztere, weil sie Kundinnen sind. Im vergangenen Februar lief der Song «Feelin‘ Blue» aus den 1960er ­Jahren, unter den ­Models waren ei­ nige, die heute zu den a ­ ngesagten zählen, ­d arunter ­Tasha ­T ilberg oder Giedre ­D ukauskaite. Insgesamt wurden 35 Looks gezeigt, vom perfekt geschnitte­ nen Trenchcoat, über monochrome Anzüge in überraschenden F ­ arben zu sommerlichen Plisseekleidern und red-carpet-tauglichen Looks in Dunkelblau. Besonders auf­ fallend waren die ­hochwertigen Materialien. Die 42-jährige Desig­ nerin legt Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Sie wuchs auf einer Schaffarm in Uruguay auf und lernte bereits früh, acht­ sam mit Ressourcen umzugehen. Ihre Haltung ist ein Statement. ­Meghan Markle, Oprah Winfrey oder Glenn Close tragen ihre Klei­ der, auch weil sie die Haltung der ­Designerin teilen.

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HAYETT MCCARTHY Der schönste Look der ­­Saison: ­­ein neu­interpretiertes, ­Jacquard-Hemdblusenkleid, einen cognacfarbenen ­Schlüsselanhänger und eine dazu passende Tote Bag.

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Aussenbetrachtung  Uhren & Schmuck

Redaktion: MARIANNE ESCHBACH

Trend-Report NÜCHTERNHEIT

FÜR SIE GEFUNDEN

LIEBLINGSSTÜCKE

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2. Quarzuhr «Constellation Manhattan», von OMEGA, Fr. 7100.–. 3. Automatik-Chronograph «Premier B01 42 Norton Edition», von BREITLING, Fr. 7700.–. 4. Automatikuhr «Heritage BUCHERER Blue Editions», von H. MOSER & CIE., Fr. 11 900.–. 5. Chronograph für Damen «Referenz 7150/250R-001», von PATEK PHILIPPE, Fr. 74 000.–. 6. Automatik-Schmuckuhr «Dazzling Rendez-vous Night & Day» , von JAEGER-LECOULTRE, Fr. 46 300.–. 7. Uhr «Black Bay 32» von TUDOR,

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8. Piloten-Chronograph «Top Gun

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ie bunten Tage in der Mode scheinen gezählt; Schwarz, Grau und Beige sind zurück. Auch die Uhrmacher haben das erkannt und zeigten an den Messen neutrale, aber stilvolle Modelle. Look 40 mit NetzJumpsuit, Weste und Hose aus der Prêt-à-PorterKollektion Frühling/ Sommer 2019. Preise auf Anfrage.

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Edition Mojave Desert» , von IWC SCHAFFHAUSEN, Fr. 9900.–. 9. Manufaktur-Selbstaufzug-Uhr «Oyster Perpetual GMT Master-II»,

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November / Dezember

Nr. 1 2019


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Suzanna Vock trägt gerne farbenfrohe Vintagekleider von Valentino zum Beispiel.


WW-Persönlichkeit  Story

Sustainable

Suzanna Text: ODILE BURGER Bilder: MICHA FREUTEL

Suzanna Vock, Gründerin der Gwand, einer Schweizer Plattform für junge Designer, die seinerzeit beachtet wurde, will wieder eine Messe abhalten. Dieses Mal soll's um nachhaltige Mode gehen. «Soll» – denn der Anlass wurde zum dritten Mal verschoben. Liegt's am mangelnden Interesse von Sponsoren? Am Fehlen von Modetalenten? Oder an der Organisatorin?

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ie Sonne scheint an diesem März­ vormittag in Ebikon bei Luzern, und als Suzanna Vock in einem leuchtend gelben «Gwand» im Türrahmen ihres Bauern­ hauses erscheint, erinnert sie an eine Pries­ terin, die Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlt. Mitnichten ist ihrem Auftreten anzumerken, dass sie, die man als geprüfte Hürdenläuferin beschreiben kann, soeben erneut auf der Ziel­ geraden gestolpert ist: Zwei Tage vor unserem

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Treffen versendet ihre Kommunikationsbeauf­ tragte eine Mitteilung, in der die Verschiebung des Fashion Events bekanntgegeben wird. Und das nicht zum ersten Mal. «Gwand ­Sustainable Fashion Festival – vielversprechende Aussich­ ten trotz Verzögerung», so die Überschrift des Schreibens an die Presse. Suzanna ist eine zierliche Person mit langen, dunklen Locken und grossen, ­grauen ­Augen, die auch mal die Farbe wechseln, je nach Outfit.

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Story  WW-Persönlichkeit

Sie ist Ende Vierzig und wie sie sagt, ziemlich freakig. Zu freakig für die ­Gemeinde, in der sie früher wohnte mit ihrer Familie, auch ein Vorort von Luzern, aber in der Nähe von Kas­ tanienbaum. Wo vornehmlich g ­ utbürgerliche Schweizer leben, also eher ­brave Menschen und keine Freaks. Vor einem Jahr ist die Familie umgezogen nach Ebikon, wo es «viel interna­ tionaler ist und einfach mega», sagt S ­ uzanna. In Zeitungsartikeln wird Ebikon meist als ­A rbeitergemeinde mit hohem Ausländeranteil beschrieben. Ihr gemietetes Bauernhaus liegt am oberen Rand des Orts, wo die Agglomera­ tion endet und die Landwirtschaftszone be­ ginnt. Hier spielt ihr kleiner Sohn am Bach, an dem sie selbst als Kind spielte. «Nie hätte ich gedacht, dass ich jemals hierher zurück­ kommen würde.» INTERNATIONALE BÜHNE

Suzanna offeriert Kaffee oder Hollunder­sirup. Dann schraubt sie an einem ­a ltmodischen Kaffee­macher herum und stellt ihn auf den Herd. Während der Kaffee aufkocht, rollt sie sich eine Zigarette. Dann gehen wir nach ­draussen, sitzen auf die kleine Holzveranda in die Sonne und reden uns ein bisschen warm. Suzanna lacht viel, obwohl ihre beruflichen Umstände vielleicht grad nicht so lustig sind. 1992 hatte die Luzernerin die Idee, eine ­Förderungsplattform für junge Designer zu schaffen. So eine gab es in der Schweiz ­damals nicht und sie selber war eine junge Absolven­ tin der Modeschule Zürich – und ohne Job. «Ich wollte mir eine Bühne organisieren, gemeinsam mit sieben oder acht Designern in der gleichen Situation.» So gründete sie das Fashion Festival Gwand (das ist ein etwas altertümlicher Aus­ druck für alle Arten von Kleidung). Ursprünglich für Schweizer Designer ­gedacht, entwickelte sich der Event bald zu ­einem Modeanlass mit internationaler Aus­ strahlung – Vivienne Westwood nahm ­daran teil, der später Stil prägende Designer Raf ­Simons erhielt seine erste Auszeichnung. Die­ ser Award, mit 200 000 Franken dotiert, war damals der Modepreis mit dem höchsten För­ derbetrag weltweit. Für Raf Simons war es der ­Beginn einer grossen Karriere: Er ging 2005 zu Jil Sander, wurde 2012 Chefdesigner bei ­Christian Dior, danach war er bei Calvin Klein, bis die Muttergesellschaft der Marke vor kurzem die Designerlinie aufgab. Elfmal fand die Gwand zwischen 1993 und 2003 statt, dann gab es sie plötzlich nicht mehr. «Ich war schwanger und gesundheitlich angeschlagen», sagt ­Suzanna, sie habe dreizehn Jahre ohne Pause gearbei­ tet. Also pausierte sie, erholte sich und wurde

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Suzanna Vock, Gründerin des Modeevents Gwand, mit Halsschmuck der Wayoo-Indianer aus Kolum­bien.

Mutter einer Tochter mit Namen Luna. «Luna by Suza» hiess auch die Modelinie, die sie ein paar Jahre später in Paris vorstellte. Wir gehen zurück ins Haus, Suzanna zeigt die oberen Stockwerke. Auf dem Weg begeg­ nen wir ihrem Mann. Carlo stellt sich kurz vor und verabschiedet sich gleich wieder, er geht einkaufen und frische Milch holen beim Bau­ ern. Der Kolumbianer ist vierzehn Jahre jünger als ­Suzanna. «Ich habe ihn in Luzern auf der ­Strasse kennengelernt», sagt sie und lacht. Sie

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sei a ­ lleinerziehend mit der kleinen Luna gewe­ sen und habe sich nach einer Familie gesehnt. Dann erzählt sie die ganze Geschichte, die nicht ­allzu lange ist, beziehungsweise recht schnell zu ­einer erneuten Schwangerschaft führte, wo­ rüber sie sich sehr freute. Die Geburt von Sohn ­Salomon ist nun fünf Jahre her. Im ersten Stock erblickt man eine aus­ sergewöhnliche Kleidersammlung, die im Gang von der Decke baumelt. Die Garderobe ­erinnert an einen exklusiven Kostümverleih: Kleider von

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WW-Persönlichkeit  Story

extravagant sein, als Stil prägend würde sie sich dennoch nicht bezeichnen, sie sieht sich eher als zwanglose Person, ein unkomplizier­ ter F ­ amilienmensch, «auch im Berufsleben l­ iebe ich es, wenn es f­ amiliär zugeht.» Eine eigene Kollektion zu produzieren kos­ tet viel Zeit und Geld und, abgesehen davon, erkannte Suzanna, dass Anlässe organisieren ihre grösste Passion ist. Und so beschloss sie, die Gwand wiederzubeleben. Doch diesmal soll es ein anderer Event sein, einer, bei dem es vor allem um Nachhaltigkeit geht. Das Mutter­ sein habe ihr Bewusstsein für Nachhaltigkeit ­geschärft. «Den Kindern gehört die Zukunft, deshalb die Mission.» Fehlende Nachhaltigkeit in der Bekleidungs­ industrie ist ein Thema, das uns alle betrifft, nicht zuletzt, weil der Mensch – als ­L ebewesen ohne Fell – angewiesen ist auf Kleidung. Doch längst geht es nicht mehr nur um Funktionali­ tät, also darum, nicht zu frieren oder sich vor Sonnenstrahlen zu schützen. Wir konsumie­ ren Kleider in Massen, auch weil sie nicht mehr viel kosten, vernichten sie zum Teil ungetra­ gen und machen uns viel zu wenig ­Gedanken ­darüber, unter welchen Bedingungen sie herge­ stellt werden. «Die Bekleidungsindustrie braucht dringend ein Umdenken», sagt Suzanna. Noch fehle es an Geld und Gesetzen, um ­darauf hin­ zuweisen respektive Besserung herbeizufüh­ ren. Und es müsse Aufklärungsarbeit geleistet werden, um die Botschaft zu verbreiten. Auch eine V ­ eranstaltung wie die Gwand könne dazu beitragen, sagt sie. LEDER AUS ANANASBLÄTTERN

Im oberen Stockwerk des Bauernhauses hängen Suzannas «Schätze» von der Decke.

Valentino oder Romeo Gigli hängen ­neben no names – fast alles ist vintage, sehr farben­ froh und glamourös. Ein Stockwerk darüber befindet sich das Office, ein Dachgeschoss mit Sichtbalken, sehr grosszügig, aber schlicht ­möbliert, der Raum ist beinahe leer. Ein Glas­ tisch dient ­Suzanna und ihren Mitarbeitern als Arbeitsplatz. Ein Gemälde an der Wand zeigt sie mit grossem Turban. Ist das ­gewickelte Tuch auf dem Kopf ihr Markenzeichen? «Mir wuchsen b ­ ereits Mitte zwanzig graue Haare,

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und da war dies eine praktische Lösung.» Zum regelmäs­sigen Nachfärben f­ehlte ihr die Zeit. Und ­ausserdem möge sie es, Turbane zu tra­ gen. ­Keine Frage, sie liebt die Insze­nierung. Bei ­unserem Treffen trägt sie einen gelben Zweitei­ ler der belgischen Marke E ­ ssentiel, ihre Lippen sind rot geschminkt und auf den Augen­liedern glitzern silberne Partikel. Für das Fotoshooting wählt sie ein bodenlanges, pinkes Vintagekleid aus den 1970er Jahren und Schmuck der WayooIndianer aus Kolum­bien. Ihre Erscheinung mag

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Die Modeindustrie ist weltweit die zweit­grösste Umweltverschmutzerin nach der Erdölgewin­ nung. Der Einsatz von giftigen Chemikalien beim Färben der Stoffe, der hohe Wasser­ verbrauch, gerade in Ländern, wo es daran ­mangelt, schlechte Bedingungen für Arbei­ ter in den Produktionsstätten, Tierquälerei, etwa bei der L ­ ederherstellung für Schuhe und Taschen – die Liste der Missstände ist lang. Suzanna kennt sich aus, bis ins Detail: «Die Lederpro­duktion ist ganz schlimm, wir haben keine A ­ hnung, w ­ oher das Tier stammt; wie hat es gelebt, wie ist es gestorben? Erfreulich hin­ gegen ist, Schuhe können heute tatsächlich an Bäumen wachsen.» Es gäbe b ­ ereits Leder, das aus ­Äpfeln gewonnen werde. Oder aus Ananas­ blättern. Marken wie Puma oder Camper arbei­ ten schon mit diesen Materialien. Um bei der Nomination für die Gwand als sustainable zu gelten, müssen junge ­Designer nachweislich zu siebzig Prozent nachhaltig ­a rbeiten. «Mehr kann man zurzeit nicht

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Story  WW-Persönlichkeit 2

BLICK ZURÜCK AUF ELF JAHRE FASHION FESTIVAL GWAND Das waren noch Zeiten: 1993 - 2003, Plattform für junge Designer 1. Suzanna Vock, rechts, mit Christa de Carouge an der Gwand, 1999. 2. Gwand 2003: Raf Simons, links im Bild, gewinnt den damals grössten Modepreis – 200 000 Franken. 3. Vivienne Westwood war gern gesehener Gast an der Gwand und plant nun wiederzukommen. 4. Fashion-Show: Gwand 1999 5. Familie Vock: Suzanna mit Ehemann Carlo, Tochter Luna und Sohn Salomon. 6. Papiersaal in Zürich, März 2010: Suzanna präsentiert ihre Kollektion an der Mode Suisse. 7. Für Frauen und Kinder: «Luna by Suza», 2009/2010.

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verlangen», sagt Suzanna. Zwanzig Absolven­ ten von Modeschulen et cetera werden für die Gwand vornominiert. «Wir haben mit Spezia­ listen ein elektronisches Punktesystem entwi­ ckelt, das neben dem ­Design auch auf Fairness und Nachhaltigkeit bei der Herstellung der Materialien fokussiert.» Sechs der «Vornomi­ nierten» werden schliesslich ausgewählt, da­ von mindestens ein Schweizer. Es ist also das gleiche Auswahlverfahren wie früher, nur der Nachhaltigkeitsgedanke ist neu.

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Ist der Nachhaltigkeitsgedanke auch der Stolperstein der Geschichte? Immerhin, die Gwand hätte nun Ende April stattfinden sollen, nachdem sie im Dezember vergangenen Jahres beziehungsweise im Herbst 2017 nicht zustan­ de gekommen war. «Das kommunizierte Datum für die Lancierung des ersten Gwand Sustai­ nable Fashion Festivals war zu optimistisch», steht in der Pressemitteilung, und weiter: «Die Verhandlungen mit Sponsoren und Investoren konnten noch nicht final abgeschlossen werden.

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Ein neuer Festival-Termin wird zum aktuellen Zeitpunkt bewusst nicht gesetzt.» Früher sei das einfach gewesen, sagt ­Suzanna, da habe man eine Bank als Partner gehabt und die brachte Sponsoren wie BMW, Mercedes, Moet & Chandon – und alle hätten zugesagt. Das Problem jetzt: «Nachhaltigkeit ist für die meisten Firmen Neuland. Doch im­ merhin setzen sich viele damit auseinander.» Suzanna bleibt also zuversichtlich: «Wir haben Modissa als ‹Major Sponsor›», und das

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WW-Persönlichkeit  Story

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Bilder: Archiv Gwand, Keystone, Rita Palanikumar, Dominik Orth

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Modehaus werde die Kollektionen der preisge­ krönten Jungdesigner auch präsentieren und verkaufen. «Wir haben ganz einfach den Auf­ wand unterschätzt, das war ein Fehler», sagt sie. Mit einigen Partnern seien sie bereits seit über sechs Monaten im Gespräch und stün­ den kurz vor Vertragsabschluss. Sie verweist auch darauf, dass Vivienne Westwood wieder im Boot sei, und diese gilt immerhin seit Jah­ ren als Vertrerin nachhaltiger Mode; sie wird eine Kollektion an der Gwand präsentieren und

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Haut Couture-Stücke anfertigen – exklusiv für die Gwand. Zurück von der Welt-Bühne nach Ebikon bei Luzern: Wie nachhaltig lebt Familie Vock? Das kleine Bauernhaus wird mit Wasserpumpe-­ Heizung beheizt, also ohne Öl, sondern mit Elektrizität, und die Herkunft des Stroms kann man frei wählen. Vocks haben auch kein Auto, sondern benutzen den ÖV, mit dem Bus ist L ­ uzern in zehn Minuten erreichbar. «Wir achten auch sehr auf das, was wir essen und

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recyceln alles. Unseren Kindern haben wir ­lange Zeit die Kleider im Brockenhaus gekauft.» Aber irgendwann habe Tochter Luna darunter gelit­ ten, drum dürfe sie jetzt auch mal zu H&M, sagt die Mutter. Diese hat ihre nächste Verabredung, und zwar in Basel. Ich sehe sie im sonnengelben Zweiteiler auf den Bus rennen – man möchte ihr Glück wünschen. Und noch mehr Durchhalte­ vermögen. An ihrem Einsatz, auf jeden Fall, wird’s nicht liegen.

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Bild: Nadine Xxxxxx Xxxxxxx Ottawa

Die Mode des Labels F-abric der Gebrüder Freitag (Freitagtaschen) wird nachhaltig in Europa hergestellt und ist sogar kompostierbar.

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Nachhaltige Mode  Story

DIE MODE DREHT Text: Sara Allerstorfer Grün ist die Trendfarbe, #WhoMadeMyClothes fragen Instagrammer. Vor allem kleine Marken setzen auf ­Ethical Fashion, also NACHHALTIGKEIT, grosse Designer verzichten auf exotische Lederarten sowie Wolle, die man Tieren nicht schmerzfrei nehmen kann. Das alles ist gut, recht und höchste Zeit. Aber wohl noch nicht genug. Nr. 1 2019

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Story  Nachhaltige Mode

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Das Geschäft mit Mode ist kein schönes: Es werden zuhauf Pestizide eingesetzt, Nervengift kommt zur Anwendung, Genmanipulation wird betrieben, der Wasserverbrauch ist enorm, die Arbeitsbedingungen muss man teilweise als Lohnsklaverei beschreiben und ein ­Ergebnis des Ganzen ist, dass Berge von Kleidern ungetragen w ­ ieder vernichtet werden. Kleiderhersteller sind die zweitgrössten Umwelt­ verschmutzer, gleich nach der Erdölförderung. 24 Prozent der w ­ eltweit eingesetzten Insektizide werden bei der Baumwollpro­­­duktion verbraucht. 8000 L ­ iter Wasser sind erforderlich, damit eine e­ inzige Jeans, modisch gefärbt, ins Geschäft kommt. Die textilen A ­ bfälle, so eine Schätzung, werden bis 2030 auf 148 Millionen Tonnen ansteigen. Wir konsumieren Kleider wie Trinkwasser – und könnten d ­ arin ­ertrinken. Hat ein T-Shirt ein Loch, wird es entsorgt. Ein neues Kleid für die nächste Party? Aber sicher doch. Auch wenn es nur einmal ausgeführt wird. Man hat ja nur 39.90 Franken dafür bezahlt. J­ edes Jahr werden weltweit 53 Millionen Tonnen Textilfasern produziert, um Kleider herzustellen. Über hundert Milliarden Teile s­ ollen es jährlich sein. 73 Prozent dürften am Ende ihres kurzen Lebens (durchschnitt­ liche Tragedauer vieler Kleidungsstücke: weniger als ein Jahr) verbrannt werden oder auf einer Müllhalde landen. Lediglich ein Prozent werden zu neuen Kleidern recycelt. Besonders bedenklich sind die ­sogenannten Fast Fashion-Anbieter, sie haben das Problem verschärft. Die Zeit für ein Umdenken ist gekommen und die Chancen d ­ afür stehen gut. Eine neue Konsumentengeneration fordert Änderung des Systems, das zu diesen Zuständen geführt hat. Nicht nur, aber vor ­allem Kundinnen, die zu den Millenials zählen, verlangen nach mehr Transparenz entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Und schaffen so Druck, der die Modemarken zu reagieren zwingt. Einige bewegen sich rasch – längst haben etwa Gucci, Versace, Burberry oder ­Armani Echtpelz aus dem Angebot verbannt. Chanel verzichtet künftig auf exotische Leder. In Los Angeles findet im Frühjahr eine vegane Modewoche statt und an der Helsinki Fashion Week müssen Designer, die ihre Entwürfe zeigen wollen, auf Leder verzichten. WIEDERAUFBEREITETE FISCHNETZE «Ich bin frustriert, dass neunzig Prozent der in der Mode erwähnten Umweltthemen Marketing sind», sagt Stella McCartney in e­ inem ­Interview mit dem amerikanischen Magazin Wired. Die britische ­Designerin machte sich auch mit dem Verzicht auf Leder und Pelz in ihrer Kollektionen einen Namen – und dies bereits seit der Gründung ­ihres Labels im Jahr 2001. McCartney, deren Entwürfe von Kritikern

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und Käuferinnen grossmehrheitlich als gelungen und Stil prägend eingeschätzt werden, entwirft mit ihrer Marke die Zukunft nachhaltiger Mode – biotechnologisch hergestellte Spinnenseide, Leder aus Pilzen oder recyceltes Plastik, das aus den Ozeanen gefischt wurde. «Der Designprozess beginnt mit den Stoffen», sagt Claire B ­ ergkamp, seit 2012 Direktorin für Nachhaltigkeit und Innovation der ­Marke. Ihr erster Erfolg war eine hundert Prozent nachhaltige Viskose. Der Stoff wird üblicherweise aus natürlichem Zellulosebrei gesponnen. A ­ nstatt weiter zuzusehen, wie jedes Jahr 150 Millionen Tonnen B ­ äume für die Viskoseherstellung gefällt werden, davon ein Drittel in Gebieten, ­deren Ökosystem gefährdet ist, etwa in Indonesien, arbeitet sie mit ­Canopy, einer auf Forstwesen spezialisierten Organisation, z ­ usammen. Seit 2016 weist Stella McCartneys Viskose eine transparente und ­nachhaltige Lieferkette auf. Und erst kürzlich lancierte sie die Instagram-Initiative #ThereSheGrows zum Schutz des Ökosystems des ­Nationalparks Gunung Leuser auf Sumatra. Es ist zu begrüssen, wenn sich Designer, die am obersten Ende des Marktes arbeiten, für bessere Herstellungsbedingungen und schonen­ deren Umgang mit Rohstoffen einsetzen. Das ist in einem gewissen Sinn auch ihre Aufgabe, schliesslich sollten sie Pioniere sein. Doch in der Textil- und Modebranche sind ihnen andere Unternehmen voraus, so sieht es aus: Alteingesessene Händler, die vor allem Kleidung zu niedrigen bis mittleren Preisen verkaufen, haben die Entwicklung schon vor Jahren erkannt und ihr Angebot entsprechend angepasst. Bei Coop in der Schweiz etwa gibt es seit zwanzig Jahren die s­ oge­nannte Naturaline mit fair und umweltfreundlich hergestellten Texti­lien. ­«Naturaline steht für hundert Prozent faire Produktion, hundert Prozent Bio-Baumwolle, hundert Prozent Transparenz und hundert Prozent CO2-Neutralität», sagt Philipp Wyss, stellvertretender Vorsitzender der Coop Geschäftsleitung, im Netz. Mit einem Zahlencode,


Nachhaltige Mode  Story

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1. Pariser Modewoche im März 2019: Farbenfrohes Kleid von Stella McCartney, hergestellt aus in Streifen ­geschnittenen alten T-Shirts. 2. Pullover von Everlane, einem Brand mit ethischen Grundsätzen. 3. Das deutsche Label Armedangels produziert die wohl saubersten Hosen aus Biobaumwolle. 4. Kindermode von Mimi + Bart, einem Schweizer Start-up-Unternehmen, das für vollumfängliche Nachhaltigkeit in der gesamten Produktionskette steht.

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1. Flachsballen warten auf ihre Verarbeitung. 2. In einer Kooperative in der Normandie wird der Rohstoff verarbeitet. 3. Auch Maschinen kommen bei der Flachsverarbeitung zum Einsatz. 4. Fast wie im Kochtopf: Hier werdem die kompostierbaren Fasern weiter verarbeitet. 5. Die Gebrüder Freitag, Daniel (links) und Markus mit ihrem Produkt.

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der auf den Naturaline-Kleideretiketten aufgedruckt ist, können Konsumenten unter www.biore.ch den Weg vom Anbau der Bio-Baumwolle über verschiedene Produktionsstufen bis hin zum fertigen Kleidungsstück verfolgen. Laura Zanni, C&A-Mediensprecherin, wird in der Zeitschrift Luxe wie folgt wiedergegeben: «Wir möchten, dass hundert Prozent der Baumwolle und zwei Drittel der (anderen) Rohstoffe, die wir beziehen, bis zum Jahr 2020 aus nachhaltigen Quellen stammen.» #WearTheChange heisst die Linie des Textilriesen und macht bereits 55 Prozent des Sortiments aus (eigene Angabe). Dass diese nicht teurer ist als konventionell produzierte Ware, erstaunt; die C&A-­Sprecherin beantwortete Rückfragen zur Kalkulation nicht. Auch H&M, der FastFashion-Anbieter aus Schweden, hat sich in den vergangenen Jahren mit seiner Conscious Collection eine Eigenmarke für f­ airer und nachhaltiger hergestellte Kleidung geschaffen. Dafür werden innovative ­Materialien, hergestellt mittels neuer Technologien, v ­ erwendet, etwa aus Ananasblättern gewonnener Lederersatz oder ein flexibles, aus Algen produziertes Material. SIEBEN KONTINENTE «Wer faire Textilien will, die baumwoll- und giftfrei sind, deren ­sämtliche Produktionsschritte höchstens 2500 Kilometer von Zürich entfernt erfolgen und die zudem einmal auf dem Hauskompost vollständig verrotten, der muss sie von Grund auf selbst entwickeln.» Das schreiben die Brüder Daniel und Markus Freitag aus Zürich auf i­hrer Website. Seit 2014 verkaufen sie die Kleiderkollektion F-abric, die wie Biomüll kompostierbar ist. Von Arbeiterkleidung inspiriert, besteht ­F-abric aus Flachs aus der Normandie, Bast und Modal. Bewusst hat man sich im Betrieb mit Sitz in Oerlikon gegen Baumwolle entschieden, da sie einen zu grossen ökologischen Fussabdruck hinterlässt: zu weite Transportwege vom Anbaugebiet bis zur Fertigung (bei F-abric wird im Gegensatz dazu in Italien gesponnen und in Portugal genäht), zu hoher Wasserverbrauch, zu viel Pestizide und Millionen Baumwollbauern, die unter der Armutsgrenze leben. Doch nicht nur die F-abric-­ Stoffe sind aus Naturmaterialien. Auch das Zubehör: Hemdenknöpfe werden in Bayern aus Steinnuss hergestellt und für Hosen entwickelten die ­Freitags einen Knopf mit Schraubverschluss, sodass er «bis ans Ende aller Tage und Hosen» wiederverwendet werden kann. So wie ihre e­ rste Entwicklung, die unzerstörbaren Taschen aus LKW-Planen. #stopbeingquiet steht unter jedem Social-Media-Post der jungen Schweizer Kindermode-Marke Mimi + Bart. Höchste Zeit, dass wir uns Gedanken über die sieben Kontinente machten. Moment mal. Gab es nicht einmal nur fünf Kontinente? Worauf Mimi + Bart in i­hrer ­Frühling-/Sommer-Kollektion anspielen, sind die riesigen g ­ rauen ­ Inseln aus Plastikmüll und Abfall, die in den Meeren schwimmen. «Die Welt ist ein farbenfroher Ort. Es gibt so vieles zu entdecken und so ­vieles, w ­ orüber man staunen kann», sagt Co-Gründerin und Designerin­ Jasmin Heeb. «Aber heute liegt mitten in den schönsten Ozeanen ein graues Land, ein Land, das über den grössten Bewohnern unserer ­Meere schwimmt. Es liegt in unseren Händen, es besser zu machen.» Möglichst chemiefrei Jeans zu produzieren, war das Ziel der ­Armedangels-Gründer Martin Höfner und Anton Jurina. Was vor über zehn Jahren mit dem Vertrieb von bedruckten Charity-Shirts b ­ egann, hat sich heute zu einem der grössten europäischen Anbieter für E ­ thical Fashion entwickelt. Die aktuelle Neuerung der Marke ist die soge­ nannte Detox-Denim. Sie besteht aus bio-zertifizierter Baum­wolle ohne Pestizideinsatz – Bienen, die bei der Befruchtung m ­ ithelfen, ­gehen nicht mehr zugrunde – und wird ohne Chlor, sondern mittels hochmodernem Lasertreatment und Ozonwaschtechnologie gebleicht. Gefärbt

Bilder: Lukas Wassmann

NAHE FASER Kleider vieler Marken reisen um die Welt. Mode der M ­ arke F ­ -abric der Freitag-Brüder dagegen wird in E ­ uropa hergestellt, und zwar aus biologisch abbaubarem Textil.


Nachhaltige Mode  Story

wird mit künstlichem Indigo, von Schwermetallen u ­ nbelastet. Mit ­anderen Worten: Armedangels hat die sauberste Jeans, die man sich zurzeit wünschen kann. Daneben ist die Marke auch d ­ arum ­bemüht, grösstmögliche Transparenz zu schaffen. Kunden können im Web­ shop nachlesen, wer ein Wunschprodukt wo und wie herstellt. E ­ benso ­erfährt man einiges über die Herkunft der Rohstoffe. Noch e­ inen

Stella McCartney: «Wenn ich Sachen entwerfe, die nicht begehrlich sind, enden sie auf der Müllhalde.» Schritt weiter geht die Firma Everlane aus San Francisco, die zur Hauptsache Basic-Teile anbietet. Die Produktionskette wird offengelegt, zudem erfährt die Kundin die Material-, Arbeits-, Trans­­portund Zollkosten sowie die Marge, die Everlane bleibt. Eine Laufstegshow allein, bei der die Models mit grünen Slogan-­ T-Shirts aufmarschieren, um das Markenimage mit Werten wie ­Natürlichkeit, Regionalität, Authentizität und sozialer Verantwortung aufzupolieren, ist der Weg zum nachhaltigen Unternehmen nicht. Es braucht eine faire Unternehmenskultur, über Jahre umgesetzt, wie

beim deutschen Öko-Pionierunternehmen Hess Natur. Seit 1976 steht der Betrieb für nachhaltige Mode, nur, dass damals noch niemand ­davon sprach, sondern stattdessen von «naturgemässer Ware». H ­ eute steht es auf der Website: «Vom Anbau bis zum Kleiderbügel handeln wir verantwortlich: Wir wollen weniger Ressourcen verbrauchen als nachwachsen sowie Reststoffe sammeln, wiederverwerten und aufwerten. Unsere Stoffe werden unter fairen Arbeitsbedingungen verarbeitet und sind ausgerichtet auf ein langes Leben als Lieblingsstück. Das ist unser Verständnis von Slow Fashion.» Allein beim Design wünschte man sich mitunter etwas mehr Mut. Oder wie es Designerin Stella McCartney unverblümt sagt: «Wenn ich keine Sachen entwerfe, die begehrlich und sexy sind, dann enden sie sowieso bloss auf der Müllhalde.» Und was möglicherweise eine Abweichung der Hess-Natur-Absicht darstellt: Das Unternehmen gehört seit einigen Jahren einer Private Equity-Firma, also einem Unternehmen, das mit Geldgeschäften Geld verdient, weil die Gründer keine Nachfolger hatten oder einsetzen wollten. Es ist eine kleine Fashion-Revolution im Gang, das ist die gute Nachricht. Die weniger gute: Solange die Mehrheit der Modekäuferinnen und -käufer in erster Linie auf den Preis schaut und Hersteller sowie Händler zur Hauptsache soviel wie möglich verdienen wollen, wird die Revolution das herrschende System nicht verändern. Und wir müssen unseren Kindern die beiden neuen Abfall-Kontinente erklären, das Aussterben der Wildbiene und weshalb es Berge von ungebrauchten modischen Kleidern gibt.


Story  Reisereportage

Die Schöne in der

WÜSTE

MASKAT, die Hauptstadt des OMAN, ist ein Ferienziel, wie man es sucht,

aber selten findet: fremdländisch, aber mit Einwohnern, die Fremdsprachen können, ursprünglich, aber ungefährlich, authentisch, aber mit hoher WIFI-ABDECKUNG. Mit anderen Worten: Orient light. Text:

Bilder:

MARK VAN HUISSELING

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MUIR VIDLER

April / Mai

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Reisereportage  Story

DIESE SEITE: Paar auf Hochzeitsreise im Fort von Nizwa – die Ehefrau, nebenbei bemerkt, war schön. LINKE SEITE: Umland von Nizwa mit Ausläufern des Hadschar-Gebirges.

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V Story  Reisereportage

Vielreiser kennen die Lage: Man wünscht sich ein Ferienziel, das von der Touristenmeute noch nicht ­entdeckt und überrannt wurde. Fremdländisch und exotisch s­ ollte es sein, aber man möchte problemlos umherziehen und sich mit ­Bewohnern unterhalten können, ohne ­Kenntnisse der Landessprache. Zudem soll’s ­ursprünglich sein und, Vorsicht ­Modewort: authentisch. Allerdings zu authentisch auch wieder nicht, man mag sich nicht gegen gefährliche Krankheiten impfen lassen müssen. Dafür möchte man, logisch, auf 4G-Mobilnetz und hohe WiFi-Abdeckung nicht verzichten. Was könnte das für ein Ferienziel sein, für das man hinter jede Anforderung ein Häkchen setzen kann? Gibt es ein solches oder entscheidet man sich besser für Balkonien, wo wenigstens einige der Bedingungen erfüllt werden? Einen Moment bitte, hier kommt ein Vorschlag: Maskat, die Hauptstadt des Oman, und ihr Umland. Der erste Augenschein, an einem Sonntag im Februar genommen, fällt mehr als zufriedenstellend aus. Von der T ­ ouristenmeute noch nicht überrannt: Check. Ursprünglich und authentisch: Check, in einigen Ecken, Vierteln, Gegenden auf jeden Fall. Krankheiten: Check, Impfungen sind nicht nötig. 4 ­ G-Mobilnetz plus WiFi-Abdeckung: Check. Mit anderen Worten: Man hat ­gefunden, was man suchte, so etwas wie Orient light. Aber warten wir ab, ob der Rest der Woche hält, was der Vormittag verspricht, den man zubringt auf dem Weg vom modernen, gut unterhaltenen Flughafen ins wohl beste Hotel des Landes, das «Al Bustan ­Palace», gelegen an Maskats Stadtrand in einer Bucht zwischen Ozean und kahlen Berghängen. Oman, in der Schweiz spricht man von «dem Oman», liegt im Osten der Arabischen Halbinsel. Das Sultanat grenzt im Nordwesten an die Vereinigten Arabischen Emirate, im Westen an Saudi Arabien und im Südwesten an Jemen, der Rest ist Küste – am Golf von Oman, am Arabischen Meer respektive dem Indischen Ozean und ein kurzer Abschnitt liegt am Persischen Golf. Die Fläche misst 310 000 Quadratkilometer, ist also fast so gross wie Deutschland (357 000 km2), es leben aber nicht einmal 4,4 Millionen Menschen dort (Deutschland: 83 Millionen); mit unter vierzehn Einwohnern je Quadratkilometer ist der Oman eines der am wenigsten dicht ­besiedeltsten Länder der Welt. Was nicht für Maskat zutrifft – die Grossregion zählt eine knappe Million Menschen – plus die anderen Städte im Norden beziehungsweise Süden nahe der Küste, mehr oder weniger unbewohnt ist dagegen das Landesinnere. GRÖSSTER AUFSTIEG ALLER VÖLKER

Das Sultanat ist eine absolute Monarchie, Sultan Qabus ibn Said, 78, der oberste und alleinige Herrscher. I­ nteressanterweise gibt es eine Verfassung sowie zwei nationale Parlamente. Das ­Personal dieser plus die Minister, ebenfalls vorhanden und vom Sultan ernannt, haben «nur beratende Funktion», steht im Wikipedia­eintrag. Auch wer sich nicht für die Politik und/oder ­Staatsgeschäfte des Landes, in dem er urlaubt, interessiert, wird mitbekommen, wie gross die Ausstrahlung des Alleinherrschers ist: Alle paar hundert Meter gibt es, in Maskat zumindest, ein übergrosses Porträt von His Majesty. Alterslos und milde lächeln dessen braune Augen zwischen einem kunstvoll gebundenen, traditionellen bunten Kopftuch und seinem weissen, sauber geschnittenen Bart von Plakatwänden auf Untertanen und Touristen herab.

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Er ist seit 48 Jahren auf dem Thron respektive an der Macht. In seinen ersten vier Jahrzehnten, zwischen 1970 und 2010, e­ rfährt man etwa in Artikeln im Wings of Oman, dem ­Bord­maga­zin der Oman Air, oder im Oman Daily ­Observer, einer T ­ ageszeitung, verschaffte er seinem Volk den grössten Aufstieg aller Völker dieser Welt gemessen am Human Development-­Index der Vereinten Nationen, bei dem vor a ­ llem das Bildungsangebot untersucht wird. Seine Herrschaftszeit ist auch eine wirtschaft­liche Erfolgsgeschichte: Im Oman, wo es Öl- und G ­ asvorkomm­nisse gibt, nicht so grosse zwar wie in ­einigen Nachbarländern, aber immerhin, geniessen heute viele der s­ tändigen Bewohner, a ­ bgesehen vielleicht von pakistanischen und i­ndischen Arbeitern sowie solchen aus Bangladesch, einen m ­ ässigen Wohlstand und damit verbunden eine zufrieden­ stellende ­L ebensqualität. Das S ­ ultanat liegt auf Platz fünf der Entwicklungs-­Rangliste der arabischen Länder beziehungsweise ­Platz ­48 im Weltvergleich, vor Russland und nach Argentinien. ALLES AUSSER DEM NEUNTEN STOCK

Auch im «Al Bustan Palace», das zur Ritz Carlton-Gruppe ­gehört, hat der Sultan einen Fuss in der Zimmertüre s­ ozusagen: Die ­neunte und oberste Etage des vergangenen Herbsts nach l­ängerer Renovation frisch wiedereröffneten Hotels ist sein Gäste­haus. Kommt hoher Besuch ins Land, wohnt dieser ebendort. «Der ­neunte Stock geht uns nichts an, dort werden Staatschefs einquartiert. Und dafür sind Mitarbeiter des Sultans zuständig», sagt N ­ abil Abdulwahab Zadjali, stellvertretender D ­ irektor des ­­«Al B ­ ustan Palace». Beim Begriff «Staatschef» handelt es sich nicht um eine Übertreibung – während meines Aufenthalts hielt sich eine Gruppe hoher Beamter des britischen Gesundheits­ departements im Haus auf, allerdings in Zimmern des gewöhnlichen H ­ otelbetriebs, für den neunten Stock waren sie wohl nicht wichtig genug. Erstellt wurde das Gebäude, das äusserlich eine Mischung aus Londoner MI6-Hauptsitz und Schloss Neuschwanstein des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. ist, im Jahr 1985, als der Oman und sein Sultan erstmals das regelmässig stattfindende ­Treffen der Vereinigung der Staaten der Region, des Golf Kooperationsrats GCC, abhielten. Der noch grössere Wurf aber ist die ­grosse Moschee, die man vom Hotel nach rund zwanzig-minütiger Fahrt über scheinbar erst kürzlich für den Verkehr geöffnete oder ­wenigstens neugeteerte Strassen beziehungsweise Stadtautobahnen erreicht. Für das Sultans-, sorry, Gotteshaus wurden 300 000 Tonnen indischer Sandstein verbaut, die grösste der vier Hallen bietet 6500 Betenden Platz. Auch hier hat der oberste Kreativdirektor, Qabus ibn Said, seine Vorliebe für Kronleuchter ausgelebt – wer meint, der Leuchter aus Tschechien in der Halle des «Al Bustan Palace» sei schwer zu übertreffen (sieben Tonnen schwer), erfährt in der Moschee, ab wann man von einem wirklich grossen Leuchter sprechen kann: 8 × 14 Meter, 1122 Lampen, reich mit Swarovski-Kristallen behängt und acht Tonnen wiegend. Der

Für das Sultans-, sorry Gotteshaus wurden 300 000 Tonnen indischer Sandstein verbaut, die grösste der Hallen bietet 6500 Betenden Platz. April / Mai

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Auf der Hafenpromenade «La Corniche» von Matrah: Im Hintergrund die «Al Said», des Sultans (nicht im Bild) Yacht, zurzeit die fünftgrösste der Welt.

Unter Palmen lässt's sich gut abwarten und Tee trinken – in der Oase mit Namen «Al Bustan Palace», auch bekannt als das wahrscheinlich beste Hotel des Landes.

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8 1. Über den Dächern von Nizwa; im Hintergrund beginnt das Hadschar-Gebirge. 2. Atrium des Hotels «Al Bustan Palace» mit 7-Tonnen-Kronleuchter. 3. Mitglied der KoranInformationsstelle; Grosse Moschee in Maskat.

4. Ein paar der 300 000 Tonnen indischen Sandsteins, die verbaut wurden; Grosse Moschee. 5. Im Suq von Matrah. 6. Er steht auf die Mauer der Corniche von Matrah. 7. Frische Datteln und süsser Tee – Begrüssung auf omanisch.

8. Mischung aus Londoner MI6-Hauptsitz und Schloss Neuschwanstein – Hotel «Al Bustan Palace».

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Story  Reisereportage

In der Wüste trägt man Weiss und trinkt Pellegrino (rechts im Bild) – am Pool des «Al Bustan Palace».

Für die Besichtigung des Forts von Matrah kombinieren Touristinnen Chanel oder Nike zum Thawb, dem arabischen Gewand, und Kopftuch.

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darunter liegende, im Iran geknüpfte Teppich, den Nichtgläubige nicht betreten dürfen, nebenbei erwähnt, führte an die Grenzen des technisch Machbaren (Quelle: Wikipedia); er hat eine F ­ läche von 4300 Quadratmetern, ist 22 Tonnen schwer und war der weltgrösste seiner Art, bis 2007 in den Vereinigten A ­ rabischen Emiraten die Scheich Zayid-Moschee eröffnet wurde. Mit anderen Worten: Ein Besuch ist empfehlenswert. Wer Lust hat, kann sich ferner von Freiwilligen, die einen auf dem vier Hektaren messenden Gelände auflauern, zu Tee, Datteln und Informationen über den Islam, in seiner Muttersprache dargeboten, einladen lassen. Es lohnt sich: Frische omanische Datteln, manchmal in Tahina, Paste aus gemahlenen Sesamkörnern, getaucht, gehören zu den besten, die mir bis jetzt angeboten wurden. Bevorzugte Reisezeit ist Oktober bis April, vereinfacht ausgedrückt dann, wenn bei uns Winter herrscht. In diesen Monaten beträgt die Durchschnittstemperatur 31 (Oktober) respektive 21 Grad (Dezember), ab Mai wird es mit 32 Grad bereits wieder sehr warm, Juli und August sind heiss, 35 Grad im Schnitt, was 40 Grad und mehr zur Tagesmitte bedeutet. «GOOD NEWS, SIR, IT’S RAINING»

Von Dezember bis März gibt es Regentage, ich habe einen s­ olchen erlebt. Das heisst, es war ein Regenvorabend. Ich befand mich im Taxi – die Preise dafür sind Verhandlungssache; dem Fahrer die Hälfte des Betrags zu bieten, den er verlangt, scheint fair, da er immer noch doppelt so hoch oder höher ist als der, den ein l­ocal bezahlt. Mit, sagen wir, zehn oder so Franken für eine halbstündige Fahrt aber preiswert bleibt – als es zu regnen begann. Was der Fahrer, der, wie die meisten Menschen, mit denen man in ­greater Maskat in Berührung kommt, Englisch konnte, so kommentierte: «Good news, Sir, it’s raining.» Worauf er, offensichtlich gut gelaunt, zu singen begann. Der TV-Dokumentarfilm ­«Märchenhafter Oman» hatte wenigstens in diesem Fall ein Bild wiedergegeben, das sich einem auch vor Ort bot – im Regen stehende und dabei lachende Omanis nämlich. Davon abgesehen war der von Arte mitproduzierte Zweiteiler zu wohlmeinend für meinen Geschmack, mit ziemlicher Sicherheit ein Auftragswerk. Im Land gibt es keine Pressefreiheit, schreibt die Organisation «Freedom House» und bewertet das Sultanat mit einem freedom score von 72 (0 steht für freie, 100 für unfreie Presse). Eine Story auf Seite eins des erwähnten Oman Daily Observer war im vergangenen Februar zum Beispiel: «Seine Majestät leitet Kabinettsitzung» oder «Tragen Sie Leuchtwesten im Verkehr» (es ging um erhöhte Sicherheit, nicht die gilets jaunes). Zum «Al Bustan Palace» gehört ein privater Strand, das Meer war oft etwas unruhig, weshalb Schwimmen manchmal nicht ­erlaubt war. Zudem war das Wasser nicht besonders warm. Dennoch kann man einen Aufenthalt in Maskat zu dieser Jahreszeit als Badeferien bezeichnen, Hotels der gehobenen Kategorie – ­neben dem «Al Bustan» das «Chedi» oder «Shangri-La» beispielsweise – haben auch gepflegte Anlagen mit beheizten Pools. Damit auch das erwähnt ist: Diese und viele andere Betriebe, in denen Touristen aus Europa oder Amerika wohnen, bieten alkoholische Getränke an, zu etwa Schweizer Restaurant-Preisen. Die Besichtigung der alten Hafenstadt Matrah, die zu M ­ askat gehört, ist ein netter Halbtagesausflug. Es gibt zwei Forts, auf die die Erkenntnis zutrifft «hast du ein Fort gesehen, hast du alle ­gesehen», von wo aus man aber einen schönen Blick auf den H ­ afen und die Promenade mit Namen «La Corniche» hat. Ausserdem ­befindet sich in Matrah ein Suq, der zwar nicht mit den Märkten

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Die Strasse hierher ist ebenfalls in einem tipptoppen Zustand, wie man ihn sogar in der Schweiz kaum mehr antrifft; Schilder sind zweisprachig, arabisch und englisch, beschriftet. von beispielsweise Marrakesch verglichen werden kann, wo aber dennoch kaufenswerte Waren angeboten werden; best buys sind in meinen Augen Schals oder Pashminas aus Seide und Kaschmir. Falls man im Hafenbecken eine ankernde Yacht entdeckt, ­diese gehört – wer hätt’s gedacht? – dem Sultan. Mit 155 ­Metern Länge ist die 2007 von der deutschen Werft Lürssen gebaute «Al Said» zurzeit die fünftgrösste der Welt. Der Besitzer soll sich seit einigen Jahren recht häufig in Deutschland aufhalten, heisst es. Offizielle Angaben weshalb, gibt es keine. Dafür Gerüchte, die sich nicht erhärten lassen, auch was mögliche Gründe dafür ­angeht, weshalb der Geschiedene und seit längerer Zeit Alleinstehende beziehungsweise -lebende kinderlos ist, für den Alleinherrscher eines muslimischen Landes doch eher aussergewöhnlich. Schliesslich sollte man den von verschiedenen Veranstaltern angebotenen Tagesausflug ins 180 Kilometer entfernte Nizwa ­unternehmen. Wann hat man schon Gelegenheit, eine Oasenstadt zu bereisen? Diese liegt im omanischen Kernland, südlich des Hadschar-­Gebirges und ganz in der Nähe des höchsten ­Massivs des Omans, des Dschabal al-Achdars (der Spitzen-Gipfel ist fast 3000 Meter hoch). Die Strasse hierher ist ebenfalls in e­ inem tipptoppen Zustand, wie man ihn sogar in der Schweiz kaum mehr antrifft; Schilder sind zweisprachig, arabisch und englisch, ­beschriftet. In Nizwa kann, schon wieder, ein Fort besichtigt werden. Was aber lehrreicher ist als in Matrah, da es geführte Touren gibt und eine kleine Museumsausstellung einem lokale Gegebenheiten sowie, unter anderem, die örtliche Baukunst näher bringen. KEINE FERIENDESTINATION FÜR ANFÄNGER

Der Suq ist ebenfalls besser als der vorhin erwähnte. Vor allem, wenn man gerne kocht und die arabische Küche mag, lässt sich hier gut und preiswert ein Vorrat anlegen. Von den omanischen Datteln sowie dem Tahina hatten wir es bereits, darüber hinaus sind Gewürze wie Sumach, das man chez nous nur mit Mühe respektive etwa bei Jelmoli für ein kleines Vermögen bekommt, halb geschenkt. Weiter das Harz, das dafür sorgt, dass es hierzulande vielerorts fein riecht: Weihrauch. Dieser kommt in kleine Stücke zerbrochen daher. Auch erwähnenswert: Sollte einem das immerzu angebotene Nationalgetränk, gesüsster Schwarztee, verleiden, findet man fast überall (fast) wie in Italien zubereiteten E ­ spresso. Am Rande des Suqs von Nizwa etwa gibt es in einem hübschen Café welchen von Illy, der Triester Premium-Kaffeerösterei – ein doppelter kostet umgerechnet drei Franken. Dort kommt man ins Gespräch mit Einheimischen: Der Sultan scheint wirklich weitherum verehrt zu werden. Oder jedenfalls ­einen beachtlichen Public Relations-Druck aufgebaut zu haben. Die wirtschaftlichen Freiheiten im grossen Land mit der kleinen Bevölkerung sind beachtlich. Unternehmertum wird ­unterstützt und gefördert von oben, es gibt hohe Kredite zu niedrigen Zinsen für kleine und mittlere Firmen. Was es hingegen nicht gibt: Gewerkschaften oder Arbeitnehmer-Organisationen. Man

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Story  Reisereportage

ÜBERNACHTEN

In Maskat und Umgebung gibt es Fünf-Sterne-Häuser, darunter das ­«Chedi», «Shangri-La» oder das zur Ritz ­C arlton-Hotelkette gehörende «Al B ­ ustan Palace»; wir danken diesem für die Gastfreundschaft. Aus­serdem findet man Angebote der mittleren und unteren Preiskategorie. In kleineren Orten respekive auf dem Land ist die Auswahl zum Teil beschränkt auf Gasthäuser beziehungsweise Bed & Breakfast-Betriebe. ESSEN

In Hotels, die von ausländischen Touristen besucht werden, sind Speisen der japanischen, indischen oder italienischen Küche erhältlich. Traditionelle arabische Gerichte sind ebenfalls empfehlenswert. Zu Besuchen in ­Restaurants ausserhalb des Hotels wird geraten, das Essen schmeckt gut und ist preiswert. In kleineren Betrieben wird manchmal ein SetMenü aufgestellt, man bekommt, was es gibt – unbedingt probieren. SEHEN (MASKAT UND UMGEBUNG)

Maskat, die Hauptstadt mit alten und modernen Vierteln, sowie Matrah, die alte Hafenstadt, grenzen aneinander.

In beiden gibt es reichlich Sehenswürdigkeiten – die Qabus Moschee, das Nationalmuseum oder zwei Forts, ­einen Suq und die Hafenprome­nade «La Corniche» in Matrah. Ein Ausflug in die Oasenstadt Nizwa lohnt sich, ebenso die Verlängerung in das ­a ngrenzende Hadschar-Gebirge mit bis 3000 Meter hohen Gipfeln. FLIEGEN

Oman Air fliegt täglich direkt und non stopp von Zürich nach Maskat. Die Flotte der Gesellschaft besteht zurzeit aus rund 50 Maschinen, bis 2020 ist ein Ausbau auf 70 Flugzeuge geplant. Angeflogen werden Ziele im Inland ­sowie in der Region (Arabische Halbinsel, Mittlerer Osten, Nordafrika), darüber hinaus in Indien, Russland, Asien und Europa (London, Frankfurt oder Paris). Die Kabinenausstattung, etwa die First Class Private Suite, werden von Branchenkennern positiv beurteilt, auch die Business-Klasse bekommt gute Noten. In den vergangenen ­Jahren hat Oman Air viele Auszeichnungen ­erhalten, etwa «Airline of the Year Middle East 2018» von Aviation Business oder «World's Leading Airline» der World Travel Awards 2017. Wir danken für die Unterstützung.

Illustration: Jürg Sturzenegger für Studio Sturzenegger

kann das unterliegende Modell, verkürzt, als das chinesische ­bezeichnen: Jeder darf reich werden, keiner darf mitreden. Was den Leuten, die mit mir sprachen, bei weitem keine repräsentative Erhebung also, p ­ rima zu passen schien. Einzig im F ­ ebruar 2011 gab es P ­ roteste on the record, in der Stadt Suhar im Norden, in Maskat sowie im Süden des Landes. Solche haben aber offenbar Seltenheitswert, weshalb man gleich bei der ersten ­Web-Recherche darauf stösst. Der neuste Investoren-freundliche Coup des Sultans: Seit kurzer Zeit dürfen Ausländer Immobilien in schicken Gegenden Maskats sowie in ebensolchen Neuentwicklungen nahe der Hauptstadt kaufen. Die Preise beginnen bei umgerechnet 100 000 Franken für ein Studio-Apartment mit Küche und Bad. Ein Haus mit drei Schlafzimmern und einem Pool kostet gegen eine halbe Million, die omanische Staatsbürgerschaft ist im Preis inbegriffen. Allfällige Grundstückgewinne «teilt der ausländische Investor mit dem Sultanat», ist in einem Käuferleitfaden zu lesen. Was soviel heisst wie: Grundstückgewinnsteuer fünfzig Prozent. «Der Oman ist keine Feriendestination für Anfänger», sagt ­Nabil Zadjali vom «Al Bustan Palace». Von seinen Gästen s­ eien die meisten viel rumgekommen. Solche suchen ein Ziel, das sie ­herausfordert, ein bisschen jedenfalls. Noch nicht überrannt von der Touristenmeute soll es sein. Fremdländisch und exotisch, aber man möchte problemlos umherziehen und sich mit Bewohnern ­unterhalten können. Ursprünglich, natürlich, authentisch ebenso, aber ohne sich vorher gegen Krankheiten impfen lassen zu müssen. Mit 4G-Mobilnetz und hoher WiFi-Abdeckung. Zusammengefasst und in eine Nussschale gedrückt: Orient light eben.

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Reisereportage  Story

Besucher des Forts von Nizwa, der Oasenstadt am Hadschar-Gebirge.

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Cycling  Story

Text: Joko Vogel Illustration: Gregory Gilbert-Lodge

Fahrstuhl nach oben Ausdauersport und Manager – das passt und sitzt. Denn wer an die SPITZE will, muss strampeln und schwitzen. Und wenn zwei oder mehr das wollen, können sie zusammen trainieren. Sowie gemeinsam Geschäfte machen. Mit anderen Worten: Velo fahren ist das NEUE GOLF. Nr. 1 2019

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I Im Juni 2006 war ich mit Kollegen als Helfer beim «Race Across America» dabei, das während sieben Tagen quer durch den Kontinent führt – insgesamt rund 5000 Kilometer von der Ost- an die Westküste. Velofahren war zu diesem Zeitpunkt für mich schon mehr als eine Freizeitbeschäftigung: eine Art Lebensinhalt also bereits. Der tschechoslowakische Leichtathlet Emil Zatopek s­ agte: «Wenn du laufen willst, dann lauf eine Meile. Willst du aber ein neues ­Leben, dann lauf Marathon.» In meinem Fall hiess dies: dann fahr Velo, viele hundert Kilometer Velo. In der Schweiz wurde die Idee des «Race Across America» den hiesigen geographischen Gegebenheiten angepasst: Statt ­durchquert, wird das Land mehr oder weniger der Grenze entlang umfahren. Vor zehn Jahren fand die erste Schweizumfahrung mit Namen «Tortour» statt. Hundert Sportler gingen an den Start, davon beendeten 81 das Rennen. Kommenden August werden rund 600 Velofahrer bei Schaffhausen am Rheinfall die diesjährige «Tortour» in Angriff nehmen – davon etwa vierzig Solofahrer, die anderen in verschieden grossen Teams. Ich selbst werde zum siebten Mal dabei sein. Weshalb ich mir das antue? Schwer zu sagen, vor allem für mich. Wahrscheinlich muss ich mich mit einer ähnlichen Antwort retten, wie sie ­Reinhold Messner gibt, wenn man ihn fragt, weshalb er so viele 8000 und mehr Meter hohe Gipfel bestiegen hat: «Weil sie da sind.» Und was ich zudem noch sagen kann über meine Rad-­ Erfahrungen: Die Zeit, die ich auf dem Rennrad verbringe, hat für mich etwas Meditatives. Am intensivsten geniesse ich die Stunden in der Nacht, wenn ich allein durch die Dunkelheit sause . . . Die «Tortour» ist inzwischen zu einem der grössten sogenannten Nonstop-Ultra-Cycling-Anlässen der Welt geworden. Und sie ist, wie es der Name nahelegt, kein Rennen für Anfänger: Sie verlangt den Teilnehmerinnen – es fahren ungefähr 120 Frauen mit – und Teilnehmern sehr viel ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob man als Single-­Fahrer, in einem Zweier-, Vierer- oder Sechserteam das ­Rennen bestreitet. In rund zwei Tagen, je nach gefahrener ­Geschwindigkeit, ist eine Strecke von ungefähr 1000 Kilometern zu b ­ ewältigen, die nicht immer den Rändern der Schweiz entlang, sondern auch über mehrere steile Alpenpässe im Landesinneren führt. Grundsätzlich wird Tag und Nacht gefahren – Veloathleten machen da ­keinen Unter­schied. Das heisst, wer ausruhen will, kann das jederzeit tun. Er geht bloss das Risiko ein, dass die Konkurrenz nicht ruht und also an ihm vorbeizieht. Die Top-Einzelfahrer und die ambitionierten Zweierteams pausieren denn auch kaum, sie fahren p ­ raktisch durch; wohl auch darum heisst die Veranstaltung «Tortour». Die ­Sieger bringen die Strecke in rund 35 Stunden hinter sich, was ­einem Stundenschnitt von fast dreissig Kilometern entspricht. Und das, wie bereits erwähnt, trotz mehrerer Passüberquerungen mit kilometerlangem Aufstieg. 46  WW Magazin

Natürlich geht es den meisten Fahrern nicht um den Gesamtsieg. Viele wollen einfach ihre persönlichen Grenzen im Wortsinn «erfahren», den für sie wichtigsten Sieg erringen – den über sich selbst. Auch gut zu wissen: Kaum jemand kommt ohne Durchhänger über die Runden. Da ist Motivation und Selbstüberwindung ­gefragt. Nur etwas kommt unter normalen Umständen nicht in Frage: Aufgeben. Ich darf sagen, dass ich das Rennen, bei dem ich bisher sechsmal angetreten bin, bis jetzt, mit Ausnahme von 2018, als ich in einem Zweierteam startete, immer beendet habe, mit Zeiten zwischen 33 und 38 Stunden. Ein erfreulicher Nebeneffekt meiner Radleidenschaft sozusagen ist, dass man dabei auch Geschäftskontakte auf eine ganz ­besondere Art pflegen kann. Vereinfacht und ein wenig kräftig ­ausgedrückt: Ich habe auf dem Velo noch nie Arschlöcher kennengelernt. Wer Rad fährt, vor allem, wenn es ihm oder ihr damit ernst ist, ist ein Mensch, auf den man sich verlassen kann. So jedenfalls meine ­Erfahrung. Und ich bin nicht der einzige, der es so sieht. Im Gegenteil: Längst treffen sich einfluss- und erfolgreiche CEOs und Manager nicht mehr nur auf Golfplätzen, wo sie ihr Handicap zu verbessern suchen, sondern auch zu gemeinsamen Velotouren, um Kilo- und Höhenmeter abzuspulen. Und zwar überall, auf der ganzen Welt: Von Dubai bis San Francisco und von Zürich bis Hong Kong. Überall sind Entscheidungsträger der Wirtschaftskapitäne vom «Velovirus» befallen. Und das ist kein Zufall: denn der Radsport passt zu vielbeschäftigten Managern. Diese gehen in der Regel in ihrem beruflichen ­Leben strukturiert ans Werk, was auch förderlich ist fürs Training ihrer Freizeitbeschäftigung. Mit anderen Worten: Sie erzielen bald erste Erfolge. Und das motiviert wiederum zusätzlich. Das ist eine gute Entwicklung. Darüber hinaus haben viele Manager eine hohe Leidensfähigkeit und wissen, was sie wollen. Es sind ehrgeizige Menschen, die sich mit Gleichgesinnten messen wollen und genug Leidenschaft mitbringen, um gesteckte Ziele zu erreichen. Einer der ersten Unternehmer, der das Geschäftsleben mit dem Velofahren verbunden hat, war Andy Rihs. Oft und gerne setzte der Mann, der den Hörgerätehersteller Sonova mitgegründet hat, sich auf sein Rennrad und unternahm eine Ausfahrt. Dabei sollen dem im vergangenen Jahr verstorbenen Milliardär die besten I­ deen ­gekommen sein. Auch Businesspartner nahm er mit auf seine Touren – und kam nicht selten mit einem Geschäftsabschluss zurück. ­Andere velofahrende Manager sind Ivan Glasenberg von Glencore, Georges Kern, Chef und Mitbesitzer von Breitling, Hansueli L ­ ehmann, Mitgründer von Mobilezone und Investor, oder Stefan Pfister, CEO der KPMG. Viele kommen – neben ihrem fordernden Job – auf eine jährliche Kilometerleistung jenseits der 10 000er-Marke. Von ­Morten Hannesbo, CEO der AMAG, weiss man zum Beispiel, dass er sich regelmässig frühmorgens aufs Velo schwingt. Für gemeinsame Ausfahrten gibt es verschiedene Netzwerke, zu denen nur Zugang hat, wer Stehvermögen beweisen konnte. Es sind zum Teil kleine, exklusive Gruppen, die sich für wöchentliche Ausfahrten zusammenfinden. Wo und wann gestartet wird, erfährt man nur, wenn man dazugehört; es ist also ganz ähnlich, wie bei jedem Club, in dem mehr Leute Mitglied werden möchten, als es Platz gibt. An Anlässen wie zum Beispiel der «Tortour» sind die Startplätze ­limitiert, aber grundsätzlich steht die Teilnahme allen offen. Was das Rennen auch zu einer Veranstaltung macht, an der sich ­sogenannte Branchenstars und h ­ eutige oder ehemalige Profiathleten treffen können, in Vergangenheit etwa die Radfahrer M ­ iguel Indurain, der auch dieses Jahr wieder starten wird, und Fabian C ­ ancellara oder die Triathleten Daniela Ryf und Ronnie Schildknecht.

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Bilder: Dennis Stratmann, Alex Buschor

Story  Cycling


Cycling  Story

Doch es muss ja nicht gleich die «Tortour» sein, es gibt zahlreiche andere Wettkämpfe, die durch schöne Landschaften führen und, unter anderem, führenden Wirtschaftsleuten eine gute Möglichkeit bieten für Gespräche abseits des Geschäftsalltags. Ist doch klar – bei einer gemeinsamen Ausfahrt im Velo-Outfit spricht man ungezwungener miteinander als im Anzug. Wenn man stundenlang nebeneinander Velo fährt und in die Pedale tritt, dann ist genügend Zeit vorhanden, um sich eingehend mit einem Gegenstand zu ­beschäftigen. Und wenn man zusammen ausgepumpt und schweissgebadet einen Pass bezwungen hat, schafft das eine Nähe, die einen zuversichtlich ein gemeinsames Geschäft angehen lässt. Auf einen Sportfreund, der sich am Berg als zuverlässig erwiesen hat, kann man sich auch im Business verlassen. Kommt dazu, Velo fahren lenkt vom Bürostress ab, hält geistig und körperlich fit und kann sogar einem Burnout vorbeugen. Regelmässige Radtouren, allein oder in einer Gruppe, sind deshalb bei vielen Managern feste Einträge in ihrer Agenda. Einige Sponsoren der «Tortour» beispielsweise sind Kunden meiner Firma geworden.

Zwei Fahrer am Berg, im Camp Mallorca 2018; im Vordergrund Georges Kern, CEO und Mitbesitzer Breitling.

Es gibt zahlreiche Wettkämpfe, die Möglichkeiten bieten für Gespräche abseits des Geschäftsalltags.

Was auch zu Wirtschaftskapitänen passt: Moderne Rennräder oder Mountainbikes h ­ aben sich zu Statussymbolen entwickelt. Erzeugnisse der jungen Marke Factor zum Beispiel sind technische Meisterwerke, ganz aus Carbon hergestellt. Die Entwicklung geht ­ständig weiter, das Neuste sind Scheiben­ bremsen und elektronische Schaltungen. Ein bestausgestattetes Velo kostet 10 000 Franken und mehr. Wer bereit ist, so viel Geld für ein Velo auszugeben, trägt a ­ utomatisch dazu bei, dass sich das Image des Radsports noch weiter verbessert. Und dass in Zürich die Strassen-­Weltmeisterschaft 2024 stattfinden wird, dürfte in den kommenden Jahren dazu führen, dass die Schweiz noch wichtiger wird in der Velowelt. Dieses Jahr wird die Marathon-­ Mountainbike-Weltmeisterschaft in Grächen ­abgehalten, kommendes sind es die StrassenWM in der Westschweiz und die Radquer-WM in Dübendorf. Viele Marketingverantwortliche von Schweizer Unternehmen werden es sich überlegen, diese Anlässe für Sponsoringaktivitäten zu nutzen. Gut möglich zudem, dass ihr Vorgesetzter ein ­Velorennfan ist. Vielleicht sogar einer, der sich darauf vorbereitet, einmal im Leben an der «Tortour» mitzufahren – solo, mit Geschäftsfreunden oder als Teil der Firmenmannschaft.

Joko Vogel (49) ist Velofahrer und selbständiger Unternehmer, er hat bisher rund ein Dutzend Firmen gegründet, an denen er zum Teil bis heute beteiligt ist. Unter anderem ist er Mitgründer und Inhaber der Tortour GmbH, die seit zehn Jahren das härteste Radrennen der Schweiz organisiert. Ferner ist er Verwaltungsrat im Tissot Velodrome in Grenchen und Co-OK-Präsident der RadquerWeltmeisterschaft 2020 in Dübendorf. Sagen Sie jetzt nicht «Drahtesel» – Erzeugnisse der Marke Factor sind technische Meisterwerke aus Carbon, schreibt der Importeur.

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Aussenbetrachtung  Kulinarik

Illustration: JAMES BOAST

CHEZ FUCHS UND HASE Baden-Baden ist bei S C H W E I Z E R GÄ S T E N beliebt. Dazu tragen das Fünf-Sterne-HO T E L «BR E N N E R S» und sein Restaurant «Fritz & Felix», mit Küchenchef Nenad Mlinarevic, bei. Dessen Aufgabe: jüngere und weibliche Gäste ins Haus holen.

Text:

Eingang, den es früher nicht gab, erstellen. «Fritz & Felix» – wie kommt ein Restaurant zu diesem doch eher ungewöhnlichen Namen? Die Antwort: Fritz und Felix sind keine Menschen, sondern Tiere. Fritz, ein Fuchs, der s soll Menschen geben, die Schwellen- sehr g ­ eschichtsinteressiert, aber auch Bewahangst haben, ein Fünf-Sterne-Hotel bloss rer des Altbewährten sei. Und Felix, ein Hase, zu b ­ etreten. Die Luxus-Aura ist nicht für in kulturellen Dingen immer auf dem neuesten ­jeden. Und der Vorwand, einen Prospekt an Stand. Zusammen sollen die beiden dafür sorder Rezeption zu verlangen, um gleichzeitig gen, dass Gäste ins Haus geholt werden, die ohne ein bisschen Luxus-Luft zu schnuppern, ist im ­kulinarisches Angebot vielleicht draussen geblieOnline-­Zeitalter – nun ja, sagen wir, unglaub- ben wären. Einverstanden, das schaffen zwei würdig geworden. ­Tiere dann vielleicht doch nicht. Sie b ­ ekommen Im «Brenners Park Hotel & Spa» in Baden-­ ­darum Unterstützung eines Schweizer Starkochs Baden wird es solchen Menschen nicht ­unbedingt oder -küchenchefs, Nenad Mlinarevic nämlich. leichter gemacht. Denn dort gibt es eine ­grosse Und dieser bietet hier das Gleiche an, Drehtüre, durch die man das Haus b ­ etritt, und ­womit ihm im eigenen Land der Aufstieg zum dadurch sehr deutlich wahrnehmbar wird für ­v ielbeachteten Meisterkoch geglückt ist. Ein das freundliche und sehr aufmerksame Perso- Küchenkonzept nämlich, bei dem Gemüse und nal am Empfang. Dinge, die anderswo als Beilagen beschrieIm 19. Jahrhundert galt Baden-Baden als ben werden, nicht bloss eine Nebenrolle von «Weltbad», vor allem weil sich hier gekrönte Fleisch oder Fisch spielen, sondern die HauptHäupter aus vielen Ländern die Ehre gaben, attraktion auf dem Teller darstellen. So wird nicht nur russische Grossfürsten und -fürstin- beispiels­weise Muskatkürbis mit Hanfsaat und nen. Auch heute noch zieht die Stadt am Fluss Buchweizen kombiniert oder Polenta mit BlauOos seiner heilenden Quellwassern wegen v ­ iele schimmelkäse. Die Überlegung dahinter: I­ mmer Gäste aus nah und fern an. mehr jüngere Menschen allgemein, und solDas «Brenners» darf als Flaggschiff der heu- che weiblichen Geschlechts im Besonderen, tigen Oetker Collection bezeichnet werden und sind mittlerweile «Flexitarier» – Esser also, gehört seit 1923 der Industriellenfamilie glei- die zwar nicht Vegetarier sind, jedoch immer chen Namens, die seither zahlreiche weitere häufiger auf Tierisches verzichten – und lasHotels der obersten Klasse zugekauft hat, dar- sen sich dadurch ansprechen. Vor allem bei Vorspeisen sei die Idee, dass unter das «Hôtel du Cap Eden Roc» in Antibes. Immerhin ist sich die Direktion des Schwel- mehrere Gäste, an grossen Tischen platziert, sich lenangst-Problems bewusst, so sieht es aus. Um diese teilen können. «Chäs-Teilet macht einig», einheimisches Alltagspublikum ins Haus zu sage der Schweizer, wurde mir von Deutschen ­holen, liessen sie für das zum Hotel ­gehörende ­erklärt. Auf jeden Fall wird so ein GemeinRestaurant «Fritz & Felix» einen separaten schaftsgefühl erzeugt und gute Stimmung. Auch

PETER BOLLAG

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deshalb versteht sich das «Fritz & Felix» als Esszimmer, aber auch als Wohnraum, Arbeitsplatz und Relax-Zone. Ebenso findet frontcooking statt, mit einem grossen Glas-Designergrill als Blickfang. Dieser wurde in Spanien hergestellt und wird mit diversen Holzsorten aus dem Schwarzwald befeuert – regionale Produkte finden hier also Verwendung in der Küche, beim Brennholz und, natürlich, auch im Weinkeller. Selbstverständlich werden auch Gäste, die es weiterhin ganz exklusiv mögen im «Brenners» gepflegt. Früher waren das nicht selten Staatsmänner. Im Februar 1962 etwa wurde der deutsch-französische Friedensvertrag zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle verhandelt und nach erfolgter Unterschrift e­ rholten sich die beiden von den Verhandlungsstrapazen bei Tomatencrème-Suppe, Seezunge, Roastbeef ­sowie deutschem Weiss- und französischem Rotwein. Gerichten also, die im «Fritz & Felix» ­heute wohl so kaum mehr auf den Tisch kommen würden, die aber seinerzeit massgebend zur Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft beitrugen. Wer’s heute staatsmännisch-exklusiv mag, kann in der zum «Brenners» gehörenden « ­ Villa ­Stéphanie», auch house of wellbeing genannt, einchecken, und zwar ganz privat, ohne dass andere Leute ihn oder sie zu ­sehen bekommen. Schliesslich werden hier auch ­medizinische ­Behandlungen angeboten, die der Schönheits­­­chi­rurgie zugerechnet werden können. Ganz­­exklusive und ­etwas w ­ eniger ö ­ ffentlichkeitsscheue Gäste treffen sich dann möglicherweise auf der L ­ ichtentaler ­A llee, ohne zu bemerken, dass sie im selben ­Hotel ­wohnen. Diese Allee führt hinter dem ­«Brenners» durch und gilt als schönste Promenade Baden-Badens.

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Blick aus Fenster des «House of Wellbeing» (Eigenwerbung) auf Hirsch und Reh – statt Fuchs ­­u nd Hase.


Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: TOBY NEILAN

Miles & More Man sammelt Flugmeilen, obwohl man sie kaum einlösen kann, nicht wahr? Nein, falsch, man muss bloss wissen, wie's geht. Sagt ALEXANDER KOENIG und verkauft sein Wissen in Kursen sowie über sein WebPortal. Aber, gibt sogar der «MEILENKÖNIG» zu, es ist kompliziert. Text: MARK

VAN HUISSELING

E

Es war eine Überraschung, als ich vor ­einigen Monaten an der Veranstaltung «Reise­ kostenoptimierung durch die opti­ m ale Ausnutzung von Vielfliegerprogrammen» teil­ nahm: Ich ging davon aus, der Anlass mit dem kaum Hochspannung versprechenden Namen würde eher schwach besucht sein. Eine Fehleinschätzung – an dem Freitagmorgen hatten sich rund zwei Dutzend Teilnehmer in dem dafür reservierten Raum des Hotels «Atlantis» in Zürich eingefunden; das Semi­ nar, nebenbei erwähnt, dauerte den ganzen Arbeitstag und kostete 599 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer (ich war Gast des Veranstal­ ters, der in Euro abrechnet).

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«Im Dezember dreimal nach Bogotá und wieder zurück, damit einer kommendes Jahr Senator bleibt», Anekdote eines Meilensammlers mit Angst vor Statusverlust.

Dieser heisst Alexander Koenig, was ein Steilpass vor die Füsse respektive Hände deutscher Journalisten ist – sie schreiben vom «Meilenkönig» (Focus oder Manager Magazin zum Beispiel), wenn es um den Gründer von First Class & More, dem gröss­ ten deutschsprachigen Beratungsportal für günstige Business- und First Class-Flüge mit zurzeit zwölf Mitarbeitern (eigene Anga­ben) geht. Er fragte, was meine E ­ rwartung an seinen Vortrag sei. Ich sagte, von mir aus

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gesehen sind Flugmeilen ein hoax, Scherz. Weil man sie zwar sammeln, aber kaum ein­ lösen könne. «Überzeugen Sie mich b ­ itte vom Gegenteil.» Mit anderen Worten: Ich benahm mich voreingenommen und falsch informiert darüber, worum es geht in dem ­S eminar. Nämlich zur Hauptsache darum, wie man a) ­einen sogenannten Vielfliegerstatus ­erreicht bei ­einer Fluggesellschaft ­respektive b) zu ­einem niedrigen Ticketpreis in der Business oder, wo noch im Angebot, First Class reist.

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

Der Grund von b) ist klar, nicht wahr? Man sitzt lieber, im übertragenen Sinn, im Bentley und trinkt Champagner als im Bus und hält ­einen ok.-Energy-Drink vom Flughafen­k iosk in der Hand. Was den Vielfliegerstatus angeht, fällt die Erklärung differenzierter aus: Es leuchtet ein, dass ein solcher Vorteile mit sich bringt. Man darf beispielsweise die S ­ icherheitskontrolle für Business- und First Class-Passa­g iere ­benutzen, vor der die Warteschlange meist kürzer ist. Und danach eine W ­ arte-Lounge, wo einem gratis WiFi-Zugang v ­ erschafft wird, Zeitungen und Zeitschriften aufliegen, Getränke sowie manchmal warme Speisen

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gereicht werden. Ferner bekommt man h ­ öhere Meilengutschriften plus hat Vorrang beim ­Buchen von Flügen, die ausgelastet sind. Eine feine Sache sowie einigermassen Lebensquali­ tät verbessernd. Doch nicht so grossartig, in meinen Augen, dass der Status es Wert wäre, dafür an Orte zu fliegen, an denen man sonst nichts zu tun hat. Es gibt aber Menschen, die genau das tun. Warum? Kurze Frage, lange Antwort. Tom Wolfe, der vergangenes Jahr verstorbene ame­ rikanische Schriftsteller, lieferte Erklärungen zu Status, besonders Statusangst, in Form von bis zu 800 Seiten dicker, lesenswerter ­Romane. Und Meilenkönig Koenig lieferte

April / Mai

Beispiele von Status-Fliegern – «Im Dezem­ ber dreimal nach Bogotá und wieder zurück, damit einer kommendes Jahr Senator bleibt.» Zur Hauptsache gings aber darum zu ler­ nen, wie man beispielsweise mit Swiss am günstigsten von Zürich nach New York fliegt, Business oder First Class. Antwort: Indem man in Mailand einsteigt. Das hat was mit dem Transit-Konzept zu tun plus der Komple­ xität von Fluggesellschafts-Streckennetzen und deren Auslastung. Was dagegen Durch­ schnittsreisende mehr beschäftigen dürfte: Dauert eine solche Reise nicht länger, muss man allenfalls sogar übernachten? «Nutzen Sie den Aufenthalt, schauen Sie sich die Stadt an», sagt Koenig darauf. Worauf e­ inige der Anwesenden, die nicht mehr berufstätig ­waren, nickten. So fliegt man bequem, isst gut in Milano sowie in der Business- oder First Class und, jetzt kommt´s: sammelt Mei­ len, viele, viele Meilen. Logisch, wer streng urteilt und mehr oder weniger frei ist von Statusdenken (ganz frei ist davon wohl niemand), darf einwenden, man habe es hier mit der Katze aus der Redens­ art, die sich in den Schwanz beisst, zu tun. Oder, gehobener, mit einem autopoeitischen System – Niklas Luhmann, der schwer ver­ ständliche deutsche Soziologe, lässt grüssen. Doch woher weiss man, dass man mit Swiss von Zürich nach New York ausgerechnet über Mailand günstig Business Class fliegen kann? Indem man Kunde von beispielsweise Koenigs First Class & More wird. Denn das Finden solcher und weiterer vergleichbarer Informationen respektive das Verkaufen die­ ser ist sein Geschäftsmodell. Zum Schluss: Wie falsch oder richtig war die zu Anfang vom Seminarteilnehmer from hell aufgestellte Behauptung, Flugmei­ len s­ eien ein hoax? Nicht ganz falsch, muss sogar Alexander Koenig sagen. Darum sieht er es anders und rät Vielfliegern, ihr Denken ebenfalls zu ändern: Wer mit Meilen Tickets bezahlen möchte, darf nicht, sagen wir, an einem Freitag im Juni von Zürich nach P ­ aris und am Sonntagnachmittag wieder retour wollen. Sondern muss fragen: «Wo kann ich jetzt hinreisen?» Um dann herauszufinden, dass zurzeit etwa ein Dienstag-bis-Donners­ tag-Trip nach Bangkok, wo gerade Monsun­ regen fällt, ohne Probleme zu haben ist.

«REISEKOSTENOPTIMIERUNG DURCH DIE OPTIMALE AUSNUTZUNG VON VIELFLIEGERPROGRAMMEN» Das nächste Schweizer Seminar von Alexander Koenig, ­ ründer First Class &  More, dem grössten deutschsprachigen G ­Beratungsportal für günstige Business- und First Class-Flüge, findet statt am 14. September 2019 in Zermatt.

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Anleitung  Arbiter Elegantiarum

FLORENCE WELCH

Haarkamm von JENNIFER BEHR,ca. Fr. 366.–, (bei Net-A-Porter.com).

Sonnenbrille von LINDA FARROW, ca. Fr. 888.–.

Kleid «Defensia» von HORROR VACUI, ca. Fr. 894.–, (bei horror-vacui.com).

Ihr Trademark-Look – Wallekleid à la Janis Joplin, kontemporär interpretiert wie von Cher – verdient einen Grammy für «Beste Bühnengarderobe», den es, soviel wir wissen, noch nicht gibt. Ankle Boots von ISABEL MARANT, Fr. 1210.–, (bei Mytheresa.com).

«A Forgotten Rose» von GUCCI, Fr. 338. 10, (bei Net-A-Porter.com).

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Das Showgeschäft ist ungerecht oder zumindest hart: Man soll als Künstlerin überzeugen und zeitgleich ein Vogue-Cover abgeben. Dabei ist es schwer genug, in einer Disziplin zu glänzen, nicht wahr? Nicht unbedingt, zeigt unsere Stilvorlage des Monats. April / Mai

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Gute Rockmusik, oder M ­ usik an sich, zu schreiben, ist nicht ein­ fach. Sich gut anzuziehen beim Darbieten ebendieser, falls man es auf eine Bühne schafft, ist die nächste, nur unwesentlich ­weniger schwierige Aufgabe. ­Beide zu ­lösen, gelingt selten. Die Leserin und der Leser ­s ehen das ­a nders? Über­ prüfen wir also die aufgestellten ­Behauptungen: ­Janis ­Joplin, darf man ­schreiben, ­machte ­Musik, die das Prädikat «gut» verdient. Und wie sah sie dabei aus ­respektive war sie ­a ngezogen? Eben. Mode­ mässig auf höchster Höhe war/ist ­Cherilyn ­Sarkisian, bekannt als Cher. Die Qualität ­ihrer ­Musik? Hm. Björk? Ein ­Drama der Sound seit «Debut», ihrem ersten Album; ein Witz die Kleider (man erinnere sich an den sterbenden Schwan). Einverstanden, das sind, erstens, bloss drei und, zweitens, ­zufällige ­Beispiele. Dennoch, b ­ ehaupte ich weiterhin, zeigt es die Richtig­ keit des Entwurfs auf. Warum ist das so? Hängt's mit der Herkunft der Musi­kerinnen zusammen? Die genannten sind respektive waren Amerikanerinnen beziehungs­ weise eine in Amerika soziali­sierte Isländerin. Britinnen dagegen sind polyvalenter. PJ Harvey etwa – ­grosse Rockerin, super stylish zu­ dem. Und, natürlich, unsere Rock-/ Popfrau der Stunde: Florence «And The Machine» Welch, musikalisch und was ihre Outfits angeht ein Hit. Es fällt einem keine ein, die zurzeit stärkeren Sound hervor­ bringt und besser angezogen ist. Besonders ihr Trademark-Look – Wallekleid à la Janis, kontemporär interpretiert wie von Cher, keine Schuhe – verdient einen Grammy für «Beste Bühnengarderobe», den es, soviel wir wissen, noch nicht gibt. Rock on. Mark van Huisseling

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Bild: Phil Fisk/CameraPress/laif

ACHTUNG, FERTIG, ROCKCHIC

Moderedaktion: WW-FASHION-TEAM


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23. MAI 2019

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