WW Magazin No. 2/19

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Selbstversuch

WW MAGAZIN Nr. 2 MAI / JUNI 2019

IST JEDER EIN KÜNSTLER?

Street-Art

ATA BOZACI – VOM SPRAYER ZUM KÜNSTLER UND WIEDER RETOUR

WW-Persönlichkeit

H. U. OBRIST – SCHWEIZER UND WELTKURATOR

Portfolio

VIK MUNIZ – BRASILIENS KUNSTSTAR MIT SCHALK

KUNSTVOLL

Ein Heft voller Künstler, Sammler, Kuratoren; Werke, Ausstellungen, Anlässe – unsere Kunst-Ausgabe




Innenbetrachtung  Editorial

So funktioniert der Kunstmarkt wohl

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sind, unter anderem, ungleich verteilte Informationen, die Marktmacht weniger Sammler, Museen, Kuratoren, Auktionshäuser und, teilweise, schwache oder nicht länger zeitgemässe staatliche Regelwerke . . . Wahrscheinlich genau darum ist es so interessant, zu untersuchen, wer und weshalb man es auf dem Planeten Kunst nach oben schafft. Wir haben players, denen der Aufstieg geglückt ist, getroffen: einen Superkurator oder einen Starkünstler. Sowie Künstler, die noch daran arbeiten. Haben wir auch eine Antwort auf die am Anfang gestellte Frage gefunden? Ja. Wie sie lautet? Das steht auf den kommenden 50 Seiten. Wir wünschen viel Lesespass.

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Illustration: Haley Tippmann

Was ist der Grund, dass sich jemand durchsetzt, an die Spitze seines Felds aufsteigt? Während ein anderer oder eine andere in der Mitte hängenbleibt? Ich weiss es nicht oder wenigstens nicht genau. Danke, dass Sie dennoch weiterlesen. Und niemandem trauen, der behauptet, das Geheimnis des Erfolgs gefunden zu haben. Falls man an effiziente Märkte glaubt, also daran, dass die reine Wirtschaftslehre zur Anwendung kommt, müsste der Beste sich durchsetzen. Bloss, tut das heute noch jemand? Davon abgesehen gibt es wohl nur wenige Märkte, die ähnlich weit weg sind von dieser Ausgangslage wie der, der als Kunstmarkt bezeichnet wird. Gründe dafür

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Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) CYRILL MATTER

4) MICHAEL GOTTHELF

«Hier haben Sie's zuerst gelesen», liest man ab und zu. Weil Journalisten stolz darauf sind, News zu verbreiten. Uns ist das bisher noch nicht gelungen. Möglicherweise, weil wir bloss alle paar Monate erscheinen. Was wir aber schreiben dürfen: «Hier haben sie's zuerst gesehen.» ­Bilder unseres Fotografen beispielsweise. Ein paar J­ ahre ist es her, er stand damals am ­A nfang seiner Laufbahn, als er etwa Karli Kloss für uns porträtierte. Mittlerweile haben a ­ ndere und, wir wollen ehrlich sein, grös­sere Redaktionen/Auftraggeber sein Talent auch erkannt: E ­ squire, GQ oder Audi. Wir ­freuen uns zu ­sagen: Welcome back, C ­ yrill. ­Seine Bilder ab Seite 41.

­ nser Autor ist Publizist U (etwa Neue Zürcher Zeitung oder Frankfurter ­Allgemeine ­Zeitung) und U ­ nternehmer, der in ­Spanien, Amerika oder in der Schweiz Immobilien entwickelt; beispielsweise den Apartmentkomplex «Brissago Beach ­Residences», ­Ferienwohnungen im Miami-Stil, von denen e­ inige noch zu haben sind. Er kennt das Locarnese, die Gegend also, die sich von den Brissago-­ Inseln im Lago Maggiore über das Centovalli und Onsernonetal ­erstreckt, und über die er für uns schreibt, genau. Wir drucken Text und Tipps auf Seite 20.

2) CAROLE BOLLIGER

«Selbstbildnis als Mädchen mit Blumen im Haar?» Nicht ganz. Sondern Ergebnis der Selbsterfahrung «Ich, die K ­ ünstlerin». Wir haben unsere Kollegin losgeschickt, sich als Malerin für ­einen Abend zu betätigen. Sie, die von sich sagt, zeichnerisch auf dem ­Niveau einer Primarschülerin zu sein, hat an e­ iner «Art Night» teilgenommen. Und dort das oben wiedergegebene Bild gemalt. Ihren Bericht darüber finden Sie auf Seite 10. 3) ANNE-MARIE RUSSELL

Die Direktorin des Sarasota Museum of Art in Florida arbeitet seit über 25 Jahren als Kura­torin, Kulturproduzentin und Dozentin. Für unsere Kunstausgabe hat sie einen Essay über das Werk von Vik Muniz ­geschrieben. Die Kennerin der Bilder, mehrheitlich F ­ otografien und Filme des brasilianischen Künstlers, hat auch Ausstellungen für ihn abgehalten. In ihrem Text, den wir auf Seite 36 wiedergeben, b ­ ezeichnet sie M ­ uniz als «Trickster», was s­ oviel wie Gaukler oder Schwindler ­bedeutet. «Für ihn ist das ein Kompliment», sagt sie.

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CYRILL MATTER , CAROLE BOLLIGER , ANNE-MARIE RUSSELL , MICHAEL GOTTHELF , MARYSIA MORKOWSKA , DAN CERMAK 1)

2)

3)

4)

5)

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5) MARYSIA MARKOWSKA

Unser Mitarbeiterin traf Vik ­Muniz, den brasilianischen Künstler, in Paris und Reims, wo er ihr sein neustes Werk – eine Flascheninstallation – ­gezeigt hat. Sie liefert in der ­Folge ­sozusagen den anschau­lichen Teil zum eher theoretischen Part, den Kuratorin Anne-Marie Russell (vorgestellt in der linken Spalte) mit ihrem Essay übernommen hat. Muniz' verspielte und gleichzeitig gezielte Art, die Wahrnehmung des Betrachters auszutricksen, spreche sie an, sagte sie. Prima Voraussetzungen für ein Porträt – ab Seite 30. 6) DAN CERMAK

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Es gibt viele gute F ­ otografen. Und ein paar schnelle. W ­ ovon es aber nur wenige gibt: Foto­ grafen, die schnell a ­ rbeiten und dann gute Bilder liefern. Ein ­solcher ist unser M ­ itarbeiter Dan. Zum Glück. Das Cover-­ Fotoshooting mit WW-Persönlichkeit Hans U ­ lrich O ­ brist fiel kürzer aus als ­geplant – statt ­einer Viertelstunde stand er ­zirka eine Viertelminute zur Verfügung. Wer denkt, mehr wäre zuviel gewesen, nachdem er das Ergebnis gesehen hat, das wir auf Seite 1 und ab Seite 22 zeigen, hat recht. Und für HUO ist Zeit Kunst und somit knapp.

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Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr. 2    IN H A LT BITTE TIEF EINATMEN

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Titelbild: Dan Cermak

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Bild auf dieser Seite: Ata Bozaci «Startschuss», 2019

Was man hier sieht, ist ein Bild, das, wenn man so will, mittels s­ tencils, Schablonen, und Spraydosen ­gemalt wurde. Was man nicht sieht: den Künstler. Dieser heisst Ata B ­ ozaci, ist ein Schweizer türki­ scher Herkunft und war früher Street­ artist. Nun ist er bildender ­Künstler und greift selbstbe­ wusst zurück auf das Medium sei­ ner Anfänge als ­Sprayer. Das ­Motiv ist ein T ­ aucher oder Schwimmer, und solche sind für ­Bozaci Metaphern für die digitale ­Gesellschaft. Mehr über sein Werk ­sowie den Künstler ab Seite

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Inhaltsverzeichnis  Innenbetrachtung

I N H A LT

WW Magazin Nr. 2 CONTRIBUTORS

WW-PERSÖNLICHKEIT

Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 6

TREND-REPORTE

SCHMUCK

SEITE 16 DUFT

SEITE 17 OUTFIT VON ISABEL MARANT

Bilder: Dan Cermak, Vik Muniz «Chardonnay Leaf», Ruinart © 2019, ProLitteris, Zurich, Getty Images, TM & © 2018 Marvel Entertainment, LLC

HANS ULRICH OBRIST MODE

Sitzt ein Mann in einem Dries van Noten-Anzug auf einem Arvenholztisch . . . Das muss ein Kurator an einer Kunstveranstaltung (im Engadin) sein. Porträt des Hochaufteigers und Vielredners

SEITE 18

SEITE 22

KOLUMNEN

RUBRIKEN, GESCHICHTEN

KUNST I

von Carole Bolliger SEITE 10 KUNST II

von Andreas Ritter SEITE 12 BRIEFING

KULINARIK I

Verschrobene Künstler

von Michael A. Gotthelf

SEITE 14

SEITE 20 KULINARIK II

von Sarah Stutte SEITE 48 WANDERLUST

von Odile Burger

STAN LEE

SEITE 50

Superheld der Superhelden SEITE 46

SERVICE ANLEITUNG BEZUGSQUELLEN UND VORSCHAU

SEITE 53

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ARBITER KÜNSTLERPORTRÄT UND -PORTFOLIO VIK MUNIZ

ELEGANTIARUM

IMPRESSUM

Der Brasilianer ist ein Schwindler. Was der als Kompliment versteht

Inès de la Fressange

SEITE 53

SEITE 30

SEITE 52

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Illustration: ILLUMUELLER.CH

Aussenbetrachtung  Kunstkolumne

ICH, DIE MALERIN «Jeder ist ein Künstler», sagte Joseph Beuys. Unsere Autorin wollte herausfinden, ob das auch auf sie zutrifft. Während der Schulzeit galt sie im Zeichnen als durchschnittlich unbegabt, später unternahm sie keine weiteren Versuche. Beste Voraussetzungen also für den Besuch einer «Art Night», wo jede ein Bild hervorbringen soll, das gut genug ist, um es zu Hause aufzuhängen.

Text:

CAROLE BOLLIGER

D

ie Reaktion meines Mannes, als ich ihm erzählte, dass ich einen Malkurs ­machen werde: «Du und malen?» Ich muss allerdings gestehen, dass diese Reaktion nicht völlig ­überraschend kam, bin ich doch malerisch und zeichnerisch alles andere als begabt. Gezeich­ nete Menschen sehen bei mir immer noch etwa gleich aus wie auf meinen Kindergartenzeich­ nungen. Aber ich bin offen und probiere g ­ erne Neues. Dieses Mal eben malen. Etwas aufgeregt sitze ich vor der ­weissen Leinwand. Drei verschieden dicke Pinsel, ein Bleistift, ein kleiner Kartonteller und ein B ­ echer mit Wasser gefüllt stehen vor mir. Neben mir sitzt Saskia Iten. Sie hat die sogenannte «Art Night» in die Schweiz geholt. Ursprünglich kommt der Anlass aus Deutschland, mittler­ weile finden «Art Nights» in der Schweiz bereits in neun Städten statt. Die Angst vor meinem ­eigenen Mut hat mir Saskia schon am Telefon genommen. Als ich sie anrief und ihr erklärte, dass ich gerne an der «Art Night» mitmachen würde, aber leider über kein künstlerisches ­Talent verfüge, meinte sie, ich solle mir k ­ eine Sorgen machen; 95 Prozent aller Teilnehmen­ den würden das von sich behaupten. «Und noch jeder ist mit einem Bild nach ­Hause gegangen, das ihr oder ihm gefiel», versicherte sie. «Das pinke Blumenmädchen», so heisst das Sujet, das wir heute zeichnen und m ­ alen sol­ len. Mit mir zusammen haben sich 23 andere ­F rauen, geschätzt im Alter zwischen z ­ wanzig und v ­ ierzig Jahren sowie ein einziger junger Mann versammelt. Mit 25 Teilnehmenden ist der Kurs ausgebucht; das M ­ alabenteuer kann ­losgehen. Vanessa Belz ist unsere ­leitende Künstlerin. Unter­stützt wird sie von ihrer

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Assistentin Xenia Gokhberg. Nachdem ­Vanessa uns eine kurze Einleitung gegeben hat – zum Bei­ spiel, dass wir ausschliesslich mit ­Acrylfarben malen, weil diese sich gut für Anfänger eignen und schnell trocknen – wird’s Ernst. Obwohl das Kunstwerk «Das pinke B ­ lumenmädchen» heisst, haben wir in der Farbgestaltung freie Hand. Das ist mir recht, mag ich doch Blau­töne lieber als Pink. «Ihr müsst nicht versuchen, das perfekte Bild zu malen, legt den Fokus ein­ fach auf die Freude am Malen», sagt Vanessa. Ich bin erleichtert, dass man die Vorlage abzeichnen, also durchpausen kann. Mit dem Bleistift ziehe ich Linie für Linie nach, kon­ zentriert auf meine Arbeit. Dass so innert zwei Stunden ein Bild entstehen, das mir zudem gefallen soll, sehe ich noch immer nicht, aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeu­ gen. Sobald die Bleistift gezeichnete Vorlage steht, geht es mit dem Pinsel weiter. Mit sehr viel Wasser und der gewünschten Farbe – bei mir Türkis – sollen weiche Übergänge gemalt werden. Bloss die Farbe tropft meinem armen Blumenmädchen nur so übers Gesicht, ich habe wohl zu viel Wasser genommen. Kein Problem. Xenia eilt zu Hilfe und zeigt, dass man Farbe einfach mit einem Küchenpapier wieder abtup­ fen kann. Glück gehabt, ich sah mein Kunst­ werk schon in Farbe ertrinken. Mir gegenüber sitzen Gisela und Tiffany. Während Gisela zum ersten Mal seit der Kind­ heit einen Pinsel in der Hand hält – immerhin wollte sie seit Monaten an einer «Art Night» ­teilnehmen, wie sie erzählt –, malt Tiffany hobby­mässig schon länger und regelmässig. Ich bin gespannt, wie ihr Werk aussehen wird. Auf meinem Kartonteller mische ich etwas Dunkelblau in die bestehende Farbe. Vanessa versichert mir, es gäbe beim Malen kein Richtig oder Falsch. Es sei immer auch Geschmacks­ sache. Damit mein Blumenmädchen doch nicht nur in Blautönen daherkommt, sollen die Blumen

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auf dem Kopf pink werden. Ob das eine gute Idee ist? Für allzu langes Überlegen ist die Zeit zu knapp, schon bald sind die zwei Stunden, die der Kurs dauert, vorbei. Wofür noch Zeit sein muss: für die Konturen des Mundes, die Augen, die Haare und ein paar Wimpern. Ein wenig Rouge auf die Wangen – und dann, finde ich, ist mein Blumenmädchen fertig. Und ich muss gestehen, dass es mir ganz gut gefällt. Natürlich kann es nicht mit dem von Tiffany mithalten, das schon sehr professionell wirkt. Auf die Frage, wo ich das Bild aufhän­ gen werde, weiss ich keine Antwort. Darüber ­hatte ich mir, vor lauter Zweifel am erwarteten ­Ergebnis, noch keine ernsthaften ­G edanken ­gemacht. Doch ich werde eines Besseren ­belehrt werden. Um eine tolle Erfahrung r­ eicher, z ­ udem mit meinem e­ igenen Kunstwerk – auf das ich ehrlich gesagt ein wenig stolz bin – ­u nter dem Arm plus netten neuen Bekannten, gehe ich ­zufrieden nach Hause. Ein nächster «Art Night»-­Besuch ist schon jetzt fest ­geplant. Und mein Mann war auch ganz positiv überrascht über mein Erschaffenes. «Das hätte ich dir nicht zugetraut», sagte er. Übrigens hat er mein Blumenmädchen noch am gleichen Abend zu Hause aufgehängt.

«ArtNight», 2016 von David Neisinger und Aimie Carstensen-Henze in Deutschland gegründet, veranstaltet kreative Erlebnisse (Eigenreklame). Unter Anleitung eines Künstlers schaffen Teilnehmer ihr eigenes Kunstwerk in ­lokalen Bars und Restaurants. Die Techniken werden so vermittelt, dass Anfänger ohne ­jegliche ­Erfahrung ein tolles Bild auf die Leinwand bringen. In der Schweiz wird «ArtNight» seit Juni 2018 von den Geschwistern Mario und Saskia Iten ­geführt. Zurzeit finden «Art Nights» schweizweit in neun ­Städten statt, für 54 Franken ist man d ­ abei, ­weitere Infos: www.artnight.ch

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«Leider kein künstlerisches ­Talent»: 95 Prozent aller «Art Night»-Teilnehmenden über sich.


Aussenbetrachtung  Kunstkolumne

EMMAS PENDEL SCHWINGT IN DIE ANDERE RICHTUNG Zu Lebzeiten galt die 1963 verstorbene Schweizerin Emma Kunz als Heilerin; sie selber bezeichnete sich als Forscherin. Was ihr künstlerisches Werk angeht, war sie eine fast stoische Seherin: Es sei für das 21. Jahrhundert bestimmt, weissagte sie. Neue Ausstellungen in London und Susch geben ihr Recht.

ANDREAS RITTER

E

s folgt eine wundersame und rätselhafte Geschichte: gerade so wie das Leben von Emma Kunz, geboren 1892 auf dem Land vor den Toren ­Zürichs, und von Eltern, die arme Handwebersleute w ­ aren. Der Vater trank und nahm sich früh das Leben. Schon zur Schulzeit fing Emma an, ihre Begabungen in T ­ elepathie zu nutzen und begann zu pendeln. Neunzehnjäh­ rig reiste sie auf den Spuren ­ihrer ­Jugendliebe nach Amerika, doch gefunden hat sie den Mann nicht. Die Rückkehr war bitter, der Spott der ­D orfgemeinschaft hämisch; man ­nannte sie «Philadelphia», nach der Stadt, in der sie ihre ­Liebe vergeblich ­suchte. Um ­ihren Lebensunter­ halt zu verdienen, ­arbeitete sie ­fortan in einer Strickerei und als Haushälterin ­eines Schwei­ zer Kunstmalers. Erst als reife Frau wurde sie sich ihrer eigentlichen Bestim­mung bewusst: der ­Suche und positiven Nutzbarmachung von Kräf­ ten und Strahlen. Dadurch wurde sie ­bekannt als Heilerin, sich selbst ­bezeichnete sie als For­ scherin. Mit ihren Ratschlägen und Therapien erzielte sie Erfolge bei Patienten, man sprach ihrem Wirken sogar Wunder zu. Selbst lehnte sie diese Bezeichnung ab, sie schrieb sich ledig­ lich die Fähigkeit zu, Kräfte zu nutzen und zu aktivieren, die, wie sie ­sagte, in jedem Men­ schen verborgen seien. Ihre Erkenntnisse, die sie mit Hilfe des Pendels gewann, hielt sie auf M ­ illimeterpapier fest. Entstanden sind so ab 1938 rätselhafte Zeichnungen aus purer Eingebung, fast alle auf grossformatigem Papier. Sie verwendete Blei- und Farbstifte, Ölkreide und einen einfa­ chen Holzmassstab. Ein Bild entstand in e­ inem ­A rbeitsgang, meist ohne Unterbrechung. Erst

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wenn vor ihrem inneren Auge die Vision des Bil­ des entstanden war, setzte sie den ersten Strich. Beim Zeichnen wollte Emma Kunz a­ lleine sein. Sie verzichtete darauf zu essen und arbeitete an manchen Bildern über 24 Stunden lang, bis sie, völlig erschöpft, das Werk als vollendet ansah. Sie zeichnete, weil sie Gesetzmässigkei­ ten in sich spürte, die sie unter Zuhilfenahme ­eines Pendels realisierte. Dem Energiestrom des Pendels folgend, setzte sie Punkte, zog Schwer­linien, die den systematisch vernetz­ ten, planartigen Charakter der Kompositionen bestimmen. Nicht immer sind die Zeichnun­ gen abstrakt. Aus dem Netzwerk lassen sich bisweilen Figuren und Symbole herauslesen. In der Tat sind die komplexen geometrischen Strukturen Bilder, aus denen die Seherin Ant­ worten für ihre Patienten herauslesen konnte. Und doch geht die Bedeutung ihres Werkes wei­ ter, hat etwas Universelles in sich. Warum ich Ihnen das in meiner ­Kunstkolumne erzähle? Kunz selbst hat sich nie als Künstlerin verstanden. Ihre Zeichnungen sah sie als Mit­ tel zum Zweck, deren Schönheit war nur ein ­Nebenprodukt ihrer Suche nach Erkenntnis. «Alles geschieht nach einer bestimmten Gesetz­ mässigkeit, die ich in mir fühle und die mich nie zur Ruhe kommen lässt», sagte sie. Zeich­ nend suchte sie nach Mustern, Verbindungen, Vernetzungen, nach der Weltformel vielleicht. Und sagte weiter: «Die Zeit wird kommen, in der man meine Bilder versteht.» Zehn Jahre nach ihrem Tod b ­ eginnt Emma Kunz' erstaunliche zweite Karriere als Künstle­ rin. 1973 wurden ihre Zeichnungen im A ­ argauer Kunsthaus ein erstes Mal ausgestellt. Vor ­allem aber zeigte Harald Szeemann, der ­ g rosse Schweizer Kurator, Bilder von ihr in seiner viel­ beachteten Ausstellung «Richtkräfte für das 21. Jahrhundert», neben Arbeiten von Joseph Beuys oder Rudolf Steiner. Auch die Kuratorin Bice Curiger war von ihrem Schaffen berührt,

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zeigte Kunz' Werk früh im Kontext zeitgenös­ sischer Kunst und bescherte ihr einen grossen Auftritt an der Kunstbiennale in V ­ enedig 2011. In einem internationalen M ­ useum wurde Emma Kunz zusammen mit Hilma af Klint und ­Agnes Martin erstmals 2005 im Drawing Center in New York gezeigt. Der Durchbruch kam dieses Jahr: Soeben endete in der L ­ ondoner Serpentine Gallery eine wichtige Einzelausstellung, diesen Sommer folgt eine noch ­grössere Werkschau im ­Muzeum Susch im Engadin. «Mein Bildwerk ist für das 21. Jahrhundert bestimmt», hatte Emma Kunz gesagt – sie sollte recht bekommen. In einem verborgenen Römersteinbruch in Würenlos wurde in den 1980er Jahren eine Stätte eingerichtet, um Erkenntnisse und For­ schungsergebnisse sowie das Bildwerk von Emma Kunz zu erhalten. Ihr fast vollständi­ ges Werk von rund 500 Zeichnungen ist dort ausgestellt – und verwahrt. Gründer des Zentrums war Anton C. ­Meier, aus einer Familiendynastie im Kanton Aargau stammend, die den Steinbruch betrieb. In jungen Jahren an Kinderlähmung erkrankt, wurde er von Emma Kunz geheilt. Mit Heilerde, die sie im ­Steinbruch entdeckte, und eine aussergewöhn­ liche Energie auspendelte. Aus Dankbarkeit schloss M ­ eier den Steinbruch und gründete das Emma Kunz-Zentrum. Fahren Sie hin und ­sehen sie sich die Werke an. Sie sollten sich den Schlüssel geben lassen und eine h ­ albe Stunde ­alleine in der Grotte verweilen. Danach werden Sie verzaubert sein.

Andreas Ritter war befreundet mit dem Gründer und Betreiber des Emma Kunz-Zentrums, dem 2017 verstorbenen Anton C. Meier. Durch die kürzlich erfolgte Gründung einer Stiftung soll die einzigartige Begegnungsstätte bei Zürich erhalten und das Werk der Heilerin und Künstlerin Emma Kunz weiterhin öffentlich zugänglich gemacht werden.

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Bilder: © 2019 readsreads.info

Text:


Kunstkolumne  Aussenbetrachtung

In der Londoner Serpentine Gallery fand dieses Frühjahr eine Einzelausstellung mit Werken von Emma Kunz statt; vom 26. Juli - 10. November 2019 werden sie im Muzeum Susch zu sehen sein.

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Aussenbetrachtung  Kuriositäten

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: LESJA CHERNISH

Briefing VERSCHROBENE KÜNSTLER MICHELANGELO

Der italienische Maler, Bildhauer, Baumeister und Dichter war ­angeblich Autist. Er hasste es, sich mit anderen Menschen zu unterhalten. Auch die Beerdigung seines Bruders besuchte er aus diesem Grund nicht. FRANCES FARMER Die amerikanische Schauspielerin ­rebellierte gegen das Frauenbild Holly­ woods der 1930er und 40er Jahre, das sie verkörpern sollte. Sie vertrat offen ihre damals als radikal geltenden p ­ olitischen Ansichten. Ihre Unangepasstheit und Gewaltausbrüche erklärten die Ärzte mit einer paranoiden Schizophrenie. Sie wurde für geisteskrank erklärt und in die Nervenheilanstalt eingeliefert. Aus der Psychia­trie, wo sie Missbrauch, eine ­Hydrotherapie sowie angeblich eine Lobo­ tomie erleiden musste, wurde sie erst elf Jahre später entlassen.

FRIDA KAHLO

Seit ihrem schweren Busunfall im Alter von achtzehn Jahren, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken bohrte, litt die mexikanische Malerin an Depressionen und den psychischen Folgen ihrer starken Schmerzen. Das Malen wurde für sie zum Ausdruck ihrer seelischen und körperlichen Qualen. HANS CHRISTIAN ANDERSEN

Vom dänischen Märchendichter wird berichtet, er habe stets einen Zettel an der Nachttischlampe platziert, mit der Nachricht: «Ich bin nur scheintot.» Die Angst davor, lebendig begraben zu werden, war bloss eine der vielen Skurrilitäten des Schriftstellers. So soll er stets mit einem neun Meter langen Seil auf Reisen gegangen sein, um sich im Falle eines Brands aus dem Hotelzimmer abseilen zu können. Der ängstliche Däne wohnte deshalb auch privat nie höher als im dritten Stock.

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MARK ROTHKO

Der amerikanische ­Expressionist und Wegbereiter der Farbfeld­ malerei war manisch-depressiv. Seine d ­ epressiven Phasen waren im farblichen Wechsel seiner Arbeiten

erkennbar. 1970 schnitt sich R ­ othko in seinem Atelier die Pulsadern auf. Heute erzielen seine Gemälde auf dem Kunstmarkt Spitzenpreise von über achtzig Millionen US-Dollar.

EMILY DICKINSON

Die amerikanische Lyrikerin litt schon als junges Mädchen an Depres­sionen und musste deswegen das College abbrechen. Sie kleidete sich nur noch in Weiss und zog sich mehr und mehr in die Einsamkeit zurück. So ver­ steckte sie sich vor Fremden oder sprach zu ihnen durch die geschlossene Tür. Ferner verliess sie irgendwann ihr Zimmer nicht mehr und liess kaum mehr Menschen zu sich. Ihre Krankheit verarbeitete sie in ihren fast 1800 Gedichten, die erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurden.

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Der Verfasser von «Don Juan» war ein Exzentriker. Als er von 1805 bis 1808 am Trinity College in Cambridge studierte, nahm er ­seinen Hund trotz eines entsprechenden Verbots mit auf den C ­ ampus. Als man ihm dies ­untersagte, schaffte er sich einen Haus-Bären an, wogegen es keine explizite Vorschrift gab. George Gordon Noel Byron, so der volle Name des 6. Barons Byron, nahm den Bären daraufhin mit zu Vorlesungen und wollte ihn sogar als Student einschreiben lassen. FRÉDÉRIC CHOPIN

Jahrelang glaubten Mediziner, der polnische Komponist und Pianist ­leide an einer bipolaren Störung. Zeitlebens hatte er Angststörungen, er sah Geister aus seinem Klavier stei­ gen oder befürchtete bei starkem Regen, er ertrinke. Seine Halluzina­ tionen sollen aber vielmehr durch eine spezielle Form der Epilepsie ausgelöst worden sein, deren Anfälle kurze und furchteinflössende Sinnes­ täuschungen hervorrufen können.

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Quellen: 2Glory, Wikipedia, RP Online, Welt, Pahaschi, Angstblog, Gedankenwelt, Spiegel, Vintage News, Serendipstudio

LORD BYRON



Aussenbetrachtung  Opener

Foto: ARMIN ZOGBAUM Redaktion: MARIANNE ESCHBACH

WW Magazin Nr. 2    T R EN D-R EPORT

S

Von SCHRAUBEN und NIETEN – CARTIER macht aus Alltäglichem Edles.

Schrauben, Muttern, Nägel und Nieten – es geht nicht um den Inhalt einer Werkzeugkiste, sondern um Zubehör, mit dem die ­Goldschmiede von Cartier seit den 1960er Jahren erfolgreich Schmuckkollektionen gestalten. Den Anstoss zu den kompromisslosen Designs gab 1969 ein junger Italiener in New York: Aldo Cipullo gelang bereits in seinem ersten Jahr im a­ merikanischen Atelier des Pariser Juweliers mit dem Entwurf des «Love ­Bracelet» – mit Schraubendekor – ein Hit. 1972 lieferte ­ C ipullo das «Nail Bracelet» ab, wieder ein Unisex-Armband, diesmal in Form ­eines gekrümmten Nagels, und wieder ein Erfolg. ­Befeuert von Aldo ­ C ipullos gestalterischem V ­ ermächtnis entwickelten ­Cartier-Kreative in den vergangenen Jahren weitere Schmuckstücke aus Gebrauchsgegenständen: 2012 kam der ­goldene Nagel neu raus – ­«Juste un Clou». Und 2017 folgten mit «Ecrou de C ­ artier» Armreifen und Ringe mit rosé- und weissgoldenen Schraubmuttern. Und jetzt also «Clash de Cartier» – bewegliche goldene N ­ ieten. Die Geometrie dieser ist ­angelehnt an ­Cartier-Kreationen der 30er Jahre, der Nieten-Look erinnert auch an den Punk der 70er Jahre. «Clash de C ­ artier» ist nicht weniger als eine Referenz an die zeitgenössische Designgeschichte.

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«CLASH DE CARTIER» Die neue Schmucklinie mit Ringen, Kreolen, Armreifen und Colliers aus beweglichen Roségold-Nieten, ist mit und ohne Diamanten und in zwei Grössen small und medium erhältlich. Ab Fr. 2100.–.

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Redaktion: VALESKA JANSEN

Düfte Aussenbetrachtung

Trend-Report VOM ENDE DER WELT ES RIECHT SO GUT

GESEHEN BEI CREED

«Brume d’Oreiller» von LES THERMES MARINS DE SAINT MALO ist ein Parfum für das Kopfkissen und soll dank seiner natürlichen Nuancen aus der Bretagne süsse Träume bescheren. 100 ml, Fr. 49.90 (exkl. bei www.impo.ch).

FÜR SIE GEFUNDEN

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7

1. «Explorer» von MONTBLANC

1

duftet holzig und aromatisch, Eau de Parfum, 60 ml, Fr. 80.-. 2. «The Other Side Of Oud»

von ATKINSONS, verzaubert

mit mystischen Holz-

und Gewürznoten,

Eau de Parfum, 100 ml, Fr. 230.-.

3. «Esencia» von LOEWE,

2

besticht durch opulente Noten

von Pfeffer und Hölzern,

Eau de Parfum, 50 ml, Fr. 95.-

(exklusiv bei Marionnaud).

4. «Jasminisha» von MORESQUE, The Secret Collection

symbolisiert den Duft

des Herbstes in Indien,

Eau de Parfum, 75 ml, Fr. 170.-.

5. «Fleurs de Citronnier» von

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SERGE LUTENS, gleicht

einer frischen Blütenbrise,

Eau de Parfum, 100 ml, Fr. 150.-.

6. «Acqua Fiorentina» von CREED, erfrischend und fruchtig, Eau de Parfum, 75 ml, Fr. 249.-.

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etiver aus Haiti, Ylang Ylang von den Komoren, oder Styrax aus Honduras. Die Rohstoffe zur Herstellung von Parfum haben meist einen weiten Weg hinter sich, bevor sie zu duftenden Essenzen komponiert werden. Mai / Juni

7. «Aura Eau de Parfum

Sensuelle» von THIERRY

MUGLER ist ein blumig-

sinnlicher Moschusduft,

50 ml, Fr. 100.-.

8. «Nymphessence» von ROOS & ROOS betört

mit floralen und

fruchtigen Nuancen,

Eau de Parfum, 100 ml, Fr. 225.-.

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Moderedaktion: WW-FASHION-TEAM

Aussenbetrachtung Mode

Trend-Report BOHEMIAN RHAPSODY

LIEBLINGSSTÜCKE

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SIE KOMMEN

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Kleid: Fr. 10 550.–.

2. Outfit von ISABEL MARANT,

Kleid: ca. Fr. 700.–.

3. Outfit von LONGCHAMP,

Kleid: Fr. 800.–, Lederjacke:

Fr. 2320.–, Schuhe: 1830.–,

Tasche: Fr. 660.–.

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ie Queens dieses MODESOMMERS tragen, was ihre MÜTTER (oder Grossmütter) schon liebten: Vom Hippie-­ Walle-Kleid bis zum Hängerlein, das lange vor #METOO entworfen worden scheint.

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Aussenbetrachtung  Kulinarik I

Illustration: MARC ASPINALL

MEIN LOCARNESE* Ascona ist vielleicht nicht der coolste Ort der Welt, aber wohl einer der schönsten. Und von Mai bis Oktober ist's ziemlich warm zudem. Kommt dazu: Nicht bloss die Seenlandschaft der Gegend ist aussergewöhnlich, auch das Kulturangebot passt.

Text:

Fünfzehn Autominuten weiter findet ein weiteres kulturelles Highlight des T ­ essiner Sommers statt: Das Locarno Filmfestival, die­ ses Jahr in 74. Austragung, öffnet am 7 ­ . ­August seine Tore oder besser gesagt die Piazza ­Grande ie Jahrtausende alte oberitalienische und die Kinosäle (bis 17. ­August). Vor der Kulturlandschaft, die sich vom Lago ­Kulisse der Altstadt Locarnos ist es ­einer der ­Maggiore über die ganze Seenlandschaft bis grössten und wichtigsten Filmfestivals Euro­ nach Venedig erstreckt, hat manchen Wandel pas, wie der langjährige Präsident Marco Solari hinter sich. Geblieben ist jedoch die Faszi­ sagt. Selbst Hollywood-­­Filmgrös­sen scheu­ nation der Menschen für die Naturschönheit, ten den Weg aus Los Angeles nicht, um hier die sich einem dort bietet. Es gibt nur wenige ­F ilme zu präsentieren oder eine Auszeichnung ­Plätze, wo quasi im geologischen Zeitraffer so entgegen­zunehmen. Zudem nutzt der gesamte viele unterschiedliche Landschaften aufgeso­ Bundesrat aus Bern die Veranstaltung, um seine gen werden können: Blickt man ­beispielsweise (mitunter t­ atsächlich v ­ orhandene) Kulturaffini­ vom Hof der Kirche Madonna del Ponte in tät zu demonstrieren. Und auch die S ­ chweizer Brissago gen Norden, türmen sich dort die Wirtschaft zeigt Präsenz und unterstützt das noch schneebedeckten, kargen Granitgipfel Ereignis mit f­inanziellen ­Zuwendungen und der ­A lpen auf. Nach Süden reicht der Blick Kundenevents. Entsprechend sind viele H ­ otels tief nach Italien. Zwischen Palmen glitzert der oft schon Wochen im Voraus ausgebucht. See, auf dem wie in den Jahrhunderten zuvor Wer sich eher der Tessiner Weinkultur ­frühmorgens Fischer aus Brissago und den um­ widmen will, dem empfiehlt sich ein Besuch liegenden Dörfern unterwegs sind. ­Gelegentlich bei «Terreni alla Maggia» in Ascona. Das Gut fährt auch der Operntenor Octavio Palmieri mit ­bietet den Sommer über geführte Weinverkös­ hinaus, um seinem ursprünglich erlernten ­Beruf tigungen an und so verschafft man sich einen nachzugehen. Hauptsächlich ­w idmet er sich ­guten Überblick über die edlen Tessiner Trop­ dieser Tage dem Festival Ruggero L ­ eoncavallo, fen – nicht zu vergessen die Kuriosität des das jährlich im Mai an der langjährigen Wir­ weissen Merlots. Risotto und Polenta runden kungsstätte des Komponisten des ­«Bajazzo»­­ das ­A ngebot ab. Ein weiterer gesellschaftlicher Höhepunkt (I Pagliacci) in Brissago stattfindet und am­­ 25. Mai um 20.45 Uhr mit einem Konzert in der Sommersaison ist das in Ascona statt­ der Kirche Madonna del Ponte endet. findende Poloturnier. Dieses Jahr feiert man Die Liste der Künstler, die in Brissago das zehnjährige Jubiläum (12.–14. Juli), wie die schon Station machten, ist lang: Toscanini ­Engel & Völkers-Chefin Claudia Tresch erzählt, und C ­ aruso von der musikalischen, H ­ emingway der Immobilienmakler ist, mit einem eigenen und Thomas Mann von der literarischen Zunft Team, einer der Hauptsponsoren des Ascona etwa verbrachten Sommermonate hier. Daran Polo Cups. Es werden wieder Spitzenteams aus möchte man anknüpfen, sagt Roberto Ponti, ganz Europa und natürlich aus Argentinien, Brissagos Gemeindepräsident, und verweist der Wiege dieses Sports, erwartet. auf weitere konzertante Aufführungen, die Wem der Sinn nach lokalem Kulturgut steht, diesen Sommer an den hundertsten Todestag fährt ins Restaurant «Borei» hoch über Bris­ Ruggero Leoncavallos erinnern. sago – dort gibt’s meiner Meinung nach, und

MICHAEL GOTTHELF

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der vieler Einheimischer – den besten ­R isotto im Locarnese. Zudem hat man an klaren T ­ agen einen fantastischen Rundumblick, der fast bis an die Küste des Mittelmeeres reichen soll – zumindest nach einigen Gläsern Merlot. Der Familienbetrieb serviert die G ­ ötterspeise mit Steinpilzen und anderen Z ­ utaten auf der Ter­ rasse unter wild wachsenden Weinreben. ­A llein der Weg hinauf und noch mehr hinunter mit dem Auto verlangt angesichts enger Gassen und Gegenverkehr einiges an Kunstfertigkeit. Immobilienkennerin Tresch hält nicht nur das «Borei» für einen Geheimtipp, sondern sagt, dass Brissago auch bei Ferienimmobi­ lien noch das beste Preis-Leistungsverhältnis unter den Locarneser Seegemeinden bietet – jedenfalls, wenn man auf grandiose Aussich­ ten Wert legt. Von dort wie auch von Ascona und ­Ronco gelangt man mit der Fähre oder dem eige­ nen Boot auf die Brissago-Insel, auf der die f rühere Besitzerin, die deutsch-russische ­ ­Baronin A ­ ntoinette de Saint Leger, einen bis heute erhaltenen, sehenswerten botanischen Garten anlegen liess. Vor knapp hundert Jah­ ren e­ ntstanden eine herrrschaftliche Villa mit Orangerie und die Anlegestelle. Zum Schluss ein paar weitere Geheimtipps für alle, die’s nicht nur nach Kulturlandschaft und schöne Künste dürstet: ­Filmfestpräsident Marco Solari empfiehlt die «Osteria dell’ ­E noteca» in Losone sowie die « ­Locanda ­Locarnese» in Locarno. Und Leo Leoni, ­Gitarrist der ­Rockband Gotthard, rät zum B ­ esuch des Sterne-­Restaurants «Arte» (1 Michelin Stern). Nach der zweiten Flasche Wein schliesslich verriet er mir noch die «Osteria Riva» in ­Vezia sowie das «Grotto dei Pescatori Caprino» in Lugano. * Die Gegend, die sich von den Brissago-Inseln im Lago Maggiore über das Centovalli und Onsernonetal erstreckt.

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Toscanini und ­C aruso, ­Hemingway und Thomas Mann waren auch schon dort – am Lago Maggiore (im Bild: Ascona).


«An 52 Wochenenden im Jahr machen, was ich früher gemacht habe»; HUO über seine Sieben-Tage-Woche.


WW-Persönlichkeit  Story

OBRIST H.U.

Text: M AR

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Der Schweizer Kurator steht ganz oben auf der Liste der wichtigsten Menschen des internationalen Kunstbetriebs. Wegen seines Fleisses und seines Talents als Ausstellungsmacher. Und wegen – oder trotz – seines nie austrocknenden Redeflusses. Nr. 2 2019

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Story  WW-Persönlichkeit

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Es war, als würde sich die Sonne lustig machen über die Veranstaltung mit Namen Engadin Art Talks (E.A.T.), die an einem ­Wochenende im vergangenen Januar zum zehnten Mal in Zuoz stattfand: Sie stand hoch am postkartenblauen Himmel über dem Dorf inmitten schneebedeckter Berge und verbreitete schönes Licht sowie fast frühlingshafte Wärme. Während sich die Besucher von einem Gebäude mit geschlossenen Fensterläden zum nächsten verschoben – die E.A.T.-Teilnehmer hatten keine Musse, sie waren schliesslich nicht angereist, um es schön zu haben, sondern um den Vorträgen zahlreicher Redner zuzuhören, die diese unter der Überschrift «Grace and Gravity» hielten. Einer davon war, wie sehr oft, wenn irgendwo über Kunst ­geredet, besser: theoretisiert wird, Hans Ulrich Obrist, der Schweizer Kurator und künstlerische Leiter der Serpentine Gallery, e­ ines Museums ohne eigene Sammlung in London. Das war eine fast britisch zurückhaltende Beschreibung von HUO, wie er in der ­Branche, wenn auch kaum darüber hinaus, bekannt ist. Für ­andere ist der 51-Jährige, der vereinfacht ausgedrückt Ausstellungen zeitgenössischer Kunst organisiert und abhält, der «Superkurator» ­(Tages-Anzeiger), «das, was ‹Campbell’s Soup› für Andy Warhol war – eine Chiffre, eine Skulptur, eine Ikone» (Kurator Francesco Bonami) oder einer der mächtigsten Menschen der Kunstwelt ­(«Power 100»-Liste der Zeitschrift Art Review, auf der sein Name unter den Top Ten ist). Während der Mittagspause – davor stand «Performance and the Engadin» von Joanna Leśnierowska, einer Tanzkuratorin, und Philip Ursprung, Leiter Architektur der ETH Zürich, auf dem Programm, danach der Beitrag «Falling Upward In An Ocean Of Air» des Künstlers Tomas Saraceno – gab’s im Restaurant «Dorta» ein kleines Essen. In einem kellerartigen Zimmer, in das über eine Leiter hinabgeklettert werden musste, war für HUO und mich ein Tisch gedeckt. Der Mann mit schütterem Haar, den Augen e­ ines Schlaflosen hinter einer Brille mit modisch dickem Gestell, in ­einem karierten Anzug von Dries van Noten, war schon dagewesen, musste aber gleich wieder weg, weil anderswo im Haus zehn Kuratoren, oder waren es Studenten?, auf ihren slot mit ihm warteten. Zwanzig Minuten später war er retour.

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Weitere zwanzig Sekunden später war er bereits tief in e­ inem Gebiet, das er, fast unabhängig von der Frage, die ich gestellt, ­gewählt und besetzt hatte. Obrist ist einer, der scheinbar den ­G esprächsfaden dort aufnimmt, wo er ihn abreissen liess, als man sich das letzte Mal von ihm verabschiedete. Für ihn ist es normal, ständig viele Leute, die er kennt und die ihn kennen, an Orten mit einem Eintrag auf der Landkarte der Kunst zu treffen, egal, wie weit auseinander die Lebensmittelpunkte liegen. Er wundert sich nicht, wenn er, sagen wir, auf einen Kunstsammler, -schreiber oder -händler aus Paris in Mexico City stösst, den er das letzte Mal in Hongkong gesehen hat. Die Kunstwelt, und also die von HUO, ist eine globalisierte – irgendwo ist immer Messe, Biennale, Museums­ eröffnung oder findet, wie heute in Zuoz, ein art talk statt. Das letzte Mal, als ich ein längeres Gespräch mit ihm ­hatte, war vor ein paar Jahren in Miami, während der Art Basel Miami Beach, in einem Hotel am Strand. Er erzählte während des Frühstücks von Ausstellungen, die ihn beschäftigten, von Künstlern, die ihn beeinflussten, von Autoren, die er traf. Genauso ging’s dieses Mal weiter. Als wäre die Konversation mit mir respektive sein Monolog nicht während ein paar Stunden, Wochen, Monaten oder Jahren ausgesetzt worden, sondern immer weitergegangen. Was wahrscheinlich auch der Fall war – einzig die Gesprächspartner ­beziehungsweise Zuhörer wechseln, der Entwurf bleibt unverändert, die Tonalität ebenfalls. Und das tönt so: «Es gibt gerade ein Projekt bei der Americas Society in New York oder auch in Belgien, bei der Boghossian Stiftung, über Édouard Glissant, meinen Mentor und grossen französischen Kreolisierungs-Theoretiker. Und wir haben eine Ausstellung gemacht, die geht zum Freedom Tower in Miami und an Universitäten. Das Do-It-Projekt mit ICI geht auch weiter . . .» Darüber, dass einem die meisten Namen der «gedroppten» Institutionen sowie Personen nichts sagen, braucht man sich nicht zu sorgen. «Wiki-Obrist» wäre ein passender Spitzname für dieses fleischgewordene Inventar der bekannten plus vor allem (zu recht oder unrecht) weniger bekannten sowie vergessenen Bewohner des Planeten Zeitgenössische Kunst.

«Wiki-Obrist» wäre ein passender Spitzname für dieses fleischgewordene Inventar der Bewohner des Planeten Zeitgenössische Kunst. Hans Ulrich Obrist wurde 1968 in Weinfelden geboren, e­ inen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Zürich, bevor die Familie nach Kreuzlingen zog, wo der spätere HUO aufwuchs. Der ­Vater war ­Revisor einer Baufirma, die Mutter Primarschullehrerin; Kunst war nicht wichtig im Haushalt der Obrists. Mit sechzehn habe er im Kunstmuseum Basel eine Fischli/Weiss-Ausstellung gesehen und von da an gewusst, er wolle Ausstellungsmacher werden, e­ rzählt Hans Ulrich Journalisten. Solche Geschichten kommen oft vor im Lebenslauf von Leuten, die es zu etwas gebracht haben. Wohl

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WW-Persönlichkeit  Story

Bilder: 2007 John Offenbach, Luchita Hurtado

Im Londoner Hyde Park gibt's nicht nur den Speaker's Corner (nicht im Bild), sondern auch die Serpentine Gallery, ein Museum ohne Kollektion, geleitet von Hans Ulrich Obrist.

Blick in die aktuelle Ausstellung der Serpentine Gallery: Luchita Hurtado; Werk «Encounter», 1971 (bis 20. Oktober 2019).

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Story  WW-Persönlichkeit

HUO HAT COOLERE FREUNDE als Sie. Und er pflegt diese auch nach Kräften. Was wichtig ist und gar nicht immer einfach in der kleinen Welt ­voller grossen Egos, aus denen der zeitgenössische Kunstbetrieb besteht. Aber dem fleissigen Kurator gelingt's bestens.

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WW-Persönlichkeit  Story

auch, weil das auf einen Plan deutet, den sie schon früh g ­ ehabt, verfolgt und dann umgesetzt haben. In seinem Fall stimmt die ­Story wohl. Genauso wie die von seiner ersten Ausstellung, die er 1981, mit 23, in seiner Küche veranstaltet habe und zu der 2 ­9 ­L eute gekommen seien. In der Küche, nebenbei erwähnt, in der er den Herd nie benutzte. Woran sich nichts geändert habe, er habe bis heute noch nie gekocht, «nicht einmal eine Tasse Tee» (Quelle: Sonntagsblick). Mit anderen Worten: Gäbe es den Begriff «Nerd» noch nicht, hätte man ihn nur schon wegen Obrist erfinden müssen. Die Küchenausstellung des an Spezialinteressen hängenden Menschen mit sozialen Defiziten (Wikipedia-Definition von Nerd) war ein Erfolg, später zog der Kurator in the making zuerst nach Paris, dann nach London, wo er seit einigen Jahren lebt. Die laut Berichten kleine Wohnung im feinen Stadtteil Kensington teilt er mit Koo Jeong A, mit der er seit über zwanzig Jahren zusammenlebt; die südkoreanische Künstlerin ist ein Jahr älter als er und macht, vereinfacht gesagt, Installationen, teilweise mit Licht und Tönen. Vor einigen Jahren erschien ein Porträt über HUO in der Zeitschrift New Yorker. Die Headline lautete: «Die Kunst der ­Konversation», darunter stand «Der Mann, der sich nach oben ­redete». Das sind tolle Zeilen, keine Frage. Die Frage ist, ob sie stimmen. Wohin er sich mit Sicherheit einmal redete, ist in eine Ohnmacht. Obrist veranstaltet seit einiger Zeit jährlich einen ­sogenannten «Marathon» in der Serpentine Gallery. Dann werden während 24 Stunden am Stück Performances geboten, Kunst­werke gezeigt, Gaststars ­befragt, Vorträge gehalten. Kurz, es wird vor ­a llem geredet. Und zwar vor allem von ihm. Ich war einmal dabei. Und, ehrlich gesagt, happy, als ich nach neunzig oder so Minuten auschecken konnte (ich war Zuhörer). Obrist dagegen checkte nach Ende der Vorstellung ein, und zwar ins nächste Spital, weil er kurz vor einem Zusammenbruch infolge Erschöpfung stand. Seither,

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Bilder: Getty Images, Keystone, Star Press

1. «Cloaca Maxima», im Museum der Stadtent­wässerung in Zürich, 1994 2. HUO mit Yoko Ono und Julia Payton-Jones, Serpentine Gallery, London, 2012 3. Gerhard Richter-Ausstellung im Beyeler Museum in Riehen, 2014, mit Sam Keller, Sabine Moritz und Gerhard Richter 4. Mit Jacques Herzog und Kim Kardashian, 2013 bei der «Surface Magazine's DesignDialogue» in Miami 5. 2018 in Miami bei einem Prada-Modeanlass mit Lebensgefährtin Koo Jeong A 6. HUO mit Jeff Koons, 2014, Museum Berggruen in Berlin 7. Prix Caran d'Ache 1989, mit Mario Botta (links) und Preisträger David Weiss (rechts) 8. 2018 mit PerformanceKünstlerin Marina Abramovic an der London Fashion Week

Obrist checkte nach Ende der Vorstellung ein, und zwar ins nächste Spital, weil er kurz vor einem Zusammenbruch stand. steht im New Yorker, gehe er jeden Morgen rennen im Hyde Park, wo sich die Serpentine Gallery befindet – mir sagte er, vorsichtiger, er versuche seither regelmässig Sport zu treiben. Was auch zu seiner Ermüdung beitrug: Er schlief lange Zeit kaum, höchstens vier Stunden je Nacht. «Ich habe in den Neunzigern und in den nuller Jahren mit Schlaf experimentiert», sagte er ­einmal. Weil ihm seine Zeit zu wertvoll gewesen sei, um sie zu verschlafen. In der Zwischenzeit hat er das Problem auf ele­gante Art gelöst: Er hat einen ihn ergänzenden Menschen gefunden, den er «Nachtproduzenten» nennt. «Ich habe das zeitlich so geregelt, dass ich tagsüber im Büro bin und abends, bevor ich nach Hause gehe, übernimmt mein Mitarbeiter. Er arbeitet mit mir an meinen B ­ üchern.» Der Nachtproduzent sei einer, der nicht am Tag

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Dahinter steckt immer ein kluger Kopf (oder ein Nerd). Blick in HUOs Notizbuch.


WW-Persönlichkeit  Story

arbeiten wolle, sagt er. Was ganz wichtig sei, weil es diesen inneren Rhythmus gebe, den ein deutscher Schlafforscher untersucht habe, der zum Schluss gekommen sei: «Wir können nie gegen den inneren Rhythmus antreten.» Bücher von HUO, oder Bücher, an ­denen er mitarbeitete, dünkt’s mich, kommen alle paar Monate ­heraus. Über Künstler (Gerhard Richter etwa, erschienen bei H ­ atje Cantz, demnächst kommt sein zweites über ihn), über das Kuratieren (­«Kuratieren!», Beck) oder seine Gesprächsabschriften («Ai Weiwei spricht», Hanser); 2015 sagte er mir, er habe in den vergangenen zwanzig Jahren 2400 Leute interviewt, also zwei bis drei die ­Woche, und mache damit weiter. Ausstellungen kuratieren, Leute befragen, Bücher herausgeben, für Zeitschriften schreiben (etwa Artikel im Spike Art M ­ agazine oder eine Kolumne im Magazin des ­Tages-Anzeigers und so weiter) – so geht die Woche rum. Doch es bleiben die ­Wochenenden, an d ­ enen andere Leute sich ausruhen, Zeit mit ­Familie, ­F reunden oder sich selber verbringen. HUO handhabt das anders, Freizeit oder me time ist wohl eher was für Menschen ohne M ­ ission. «Ich hab’ überlegt, ich könnte an 52 Wochenenden im Jahr m ­ achen, was ich früher gemacht habe [bevor er für die S ­ erpentine G ­ allery zu ­arbeiten begann]: Ich halte Vorträge, das zahlt das Flug­ ticket, Vorträge ­ermöglichen eigentlich alles», s­ agte er mir. H ­ arald ­Szeemann, der verstorbene Schweizer Kurator und sein Vorbild, habe ihm gesagt, es sei wichtig, dass man als Kurator nicht aufhört zu ­recherchieren, auch wenn man ein attachment, eine ­A nstellung, hat. Sonst ­ent­wickelten sich keine neuen Ideen mehr, sondern ein « ­ Locked-in-Syndrom». Dieses bezeichnet einen Z ­ ustand, in dem ein Mensch zwar bei Bewusstsein, jedoch k ­ örperlich fast

Ein unbedachter Satz, eine Bemerkung, die falsch ­verstanden wird, kann A ­ uswirkungen auf das B ­ udget haben. vollständig gelähmt und unfähig ist, sich sprachlich oder durch ­Bewegungen verständlich zu machen, steht bei W ­ ikipedia. Mit ­anderen Worten: Ein Z ­ ustand, der weit weg ist vom rastlosen und dauerredenden HUO. Mit einer Ausnahme allenfalls. Obrist spricht viel und w ­ ohlklingend; unser Interview, nebenbei erwähnt, führt er in der Schriftsprache, nicht Mundart. Manchmal sagt er aber recht wenig aus. Er tut das, in meinen Augen, nicht nur, weil er ein Dampfplauderi ist. Sondern weil er vorsichtig sein muss oder will. Die Kunstwelt ist eine kleine, die Dichte grosser Egos unter den Bewohnern aber eine hohe. Diese sind oft auch grosse G ­ önner und ermöglichen Institutionen wie der Serpentine Gallery und/ ­­ oder Leuten, die auf den Payrolls solcher Institutionen stehen, ihre a ­ ngenehme Lage. Doch es sind oft empfindliche Zeitgenossen; ein unbedachter Satz, eine denkbarerweise nicht einmal streng­ ­urteilend gemeinte Bemerkung, die falsch verstanden wird, kann ­Verstimmung auslösen und Auswirkungen auf das Budget haben.

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Was auch auf die Stellung dessen durchschlagen kann, der etwas gesagt hat, was dem, der zahlt, nicht gefällt. Wer schon versucht hat, von HUO Einschätzungen zu bekommen, die über den aktuellen Veranstaltungskalender hinausgehen, findet heraus: Solche sind schwer zu bekommen. Er beantwortet solche Fragen nicht, zumindest dann nicht, wenn sie jemand stellt, der die Antworten aufschreibt und veröffentlicht. Stattdessen nimmt er sich aus der Verantwortung, indem er von etwas a ­ nderem spricht. Oder, geschickter, wiedergibt, was andere L ­ eute dazu ­gesagt haben, falls das geht. Und sonst sagt er halt, was a ­ ndere Leute zu etwas gesagt haben, wonach man eigentlich nicht gefragt hat. Beispiel einer solchen Frage: «Kunst und der Kunstbetrieb hängen an offenen Grenzen. Zurzeit erleben wir aber ein E ­ rstarken von Nationalismus, Mauern sollen gebaut werden et c­ etera. Merkst du das im Kontakt mit Künstlern, Sammlern, Museen, Mäzenen? Wird deine Arbeit dadurch schwieriger?» Seine Antwort: ­«[Thomas] Hirschhorn sprach heute morgen von resistance [Widerstand]. Ich hab das auch auf Instagram gepostet: ‹Art, because it’s art, is ­resistance. Art resists facts, . . .› [Kunst, weil sie Kunst ist, ist ­Widerstand. Kunst widersteht Fakten . . .].» So geht’s weiter und man lernt, was Hirschhorn findet. Aber was HUO findet? «Ich steh’ für Dialog», sagt er. Klar. Bloss, wer nicht? Und was bedeutet das für die gestellte Frage? Andere Frage/anderes Beispiel: «Wie gehst du damit um, dass reiche Leute, die den Kunstbetrieb bevölkern, ihre Vorstellungen umgesetzt haben wollen? Du aber selber auch genaue ­Vorstellungen hast, wie zum Beispiel eine Ausstellung oder ein Event realisiert werden sollen?» - «Um bei E.A.T. [Engadin Art Talks] zu bleiben, weil wir heute bei den E.A.T. sind», beginnt er, was i­nteressant werden könnte. Es folgt eine Ausführung, die sich über drei M ­ inuten 56 Sekunden erstreckt. Und darin geht es um den «freundschaftlichen Dialog zu Cristina [Bechtler; Gründerin E.A.T. und Frau von Thomas W. Bechtler, einem Erben, Juristen und ehemaligen Verwaltungsrat grosser Schweizer Unternehmen]»; um «Mondialität», den HUO-eingedeutschten französischen B ­ egriff für Globalisierung; zahlreiche Namen von Künstlern und Denkern kommen vor, «Dinge, die sich organisch entwickeln lassen», ­«horizontales Arbeiten», «Konstellationen», «Brückenbau» . . . Was nicht kommt, ist eine Antwort darauf, wie er den Spagat bewerkstelligt zwischen «wer zahlt, befiehlt» und sich durchzusetzen, um so die Qualität sicherzustellen. Am Ende seiner Rede, scheint mir, merkt er’s immerhin und setzt deshalb zu einem Nachgedanken an: «Früher ging es in der Philanthropie um das Sammeln. Heute hat es immer mehr mit Wissensproduktion zu tun. Das ist b ­ esonders ­interessant.» Aha. Hält er sich zurück, um nichts von sich zu geben, das irgendwie irgendeinen, mit dem er sich gut stellen muss, stören könnte? Oder hat er am Ende wenig beizutragen, wenn es um Inhalte geht? Ist er zwar der superfleissige, schlaflose, mit allen bestbekannte Starkurator, dem es aber mehr um die Form geht und darum, sagen zu können, diese Ausstellung mit diesen Werken und diesen Talk mit diesen Künstlern habe er auch noch gemacht? Der dagegen nicht zwingend eine Botschaft überbringen will, weil er keine hat? «Die Kunst der Konversation» war die Überschrift des erwähnten Porträts. Und darunter stand: «Der Mann, der sich nach oben redete.» Das sind tolle Zeilen, keine Frage. Ob sie stimmen? Vielleicht wäre treffender: «Die Kunst des Aufstiegs» und «Der Mann, der sich raushält.»

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Portfolio  Fotokunst

Der Schwindler

Wer Vik Muniz als trickster bezeichnet, macht ihm ein Kompliment. Der brasilianische Künstler will die ­Wahrnehmung der Betrachter ­durcheinander bringen. Damit sie was lernen.

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n den Kreidekellern der Maison Ruinart in Reims ­lagern die Schätze des ältesten Champagnerhauses der Welt. ­Hunderttausende Flaschen edlen Schaumweins, die nach der Entraillage-Methode gelagert sind: Sie liegen in Reihen abwechselnd mal mit ihren Böden zur Wand, dann mit ihren Deckeln, Schicht um Schicht. So entstehen Flaschenstapel, die wie dreidimensionale Butzenscheiben aussehen. Und am Ende eines Stollens führt Vik Muniz seine neueste Installation vor – eine Wand aus 2800 Flaschen Dom Ruinart, Jahrgangs-Cuvée. Der brasilianische Künstler hat eine versteckte Kamera eingebaut und sie mit einem LED-System verbunden. Tänzelnd, mit schwingenden Armen, geht er auf seine Installation zu. Die ­Umrisse seines Körpers beginnen in den Flaschenböden aufzuleuchten. Vier Meter davor bleibt er plötzlich stehen und sagt: «Das ist der Moment, in dem du realisierst, dass du du bist.» Vergnügt dreht er sich um, seine Augen strahlen. Der Aha-Moment macht ihm sichtlich Spass. Diese hedonistische Installation ist

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sozusagen seine Version von Platos Höhlengleichnis, welche die ­philosophische Maxime verkündet: «Erkenne dich selbst.» Jedoch ohne Theorieballast, stattdessen mit viel Lebensfreude. Ausserhalb der Kunstszene wurde Muniz 2010 dank dem Film «Waste Land» bekannt, der sein Projekt auf der grössten Müll­ halde der Welt dokumentiert. Auf dem «Jardim Gramacho» bei Rio de Janeiro landeten damals täglich 7000 Tonnen Abfälle. M ­ uniz freundete sich mit den catadores an, den «Pflückern», die diese ekli­gen Berge nach Rezyklierbarem durchwühlen. Sozial befinden sie sich am untersten Ende der Gesellschaft. Hier entdeckte M ­ uniz Menschen voller Lebensweisheit. Mit ihnen zusammen bil­dete er Klassiker der Kunstgeschichte nach. Zuerst inszenierte er sie vor der Kamera: Aus dem Gewerkschafter Sebastiāo wird der in der ­Badewanne gemeuchelte französische Revolutionär Marat nach dem Bild von Jacques Louis David. Aus Suellen die Madonna von Rafael in der Sixtinischen Kapelle, aus Zumbi der Sämann von Van Gogh. Dann projizierte der Künstler die Fotos grossformatig auf seinen

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Bild: Courtesy of Vik Muniz and Xippas Gallery © 2019, ProLitteris, Zurich

Text: Marysia Morkowska


Fotokunst  Portfolio

Klassiker wie «Marat (Sebastião)», 2008, von Jacques Louis David, inszeniert auf der Müllhalde von Rio.

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Portfolio  Fotokunst

Flaschengeist? So ähnlich – Champagnerflaschen-Installation Muniz'.

Studioboden und setzte die Bilder gemeinsam mit den catadores zusammen: Aus Flaschendeckeln, Kabelresten, kaputten Schuhen, Spielsachen, WC-Brillen, zerschlissenem Plastik . . . So entstanden aus schäbigen Abfällen Bilder von würdevoller Schönheit. Der E ­ rlös von Sebastiāos Bild kam der Gewerkschaft der catadores zugute. Ob im luxuriösen französischen Champagnerhaus oder auf der gigantischen Müllhalde der Millionenstadt: Muniz fühlt sich an beiden Orten «wohl». Ihn interessieren Menschen jeglicher Art, ­unabhängig ihres Status’. Und vor allem verfolgt er überall ­dasselbe Ziel: «Ich sehe die Aufgabe von Kunst darin, die Schnittstelle zwischen dem Geist und der Materie auszuloten.» Als ­Künstler versuche er herauszufinden, wie sich das Verhältnis zwischen dem Innern des Menschen und seiner Umgebung g­estalte, gefiltert durch die Sinne. Einfacher gesagt: Er unterstützt sein ­P ublikum darin, die Welt um sich herum zu verstehen. Der vielseitige Gestalter wurde 1961 in Sāo Paulo in eine Arbeiterfamilie hinein geboren. In der Schule hatte er Schwierigkeiten mit

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schreiben. Viel lieber zeichnete er den I­ nhalt der W ­ orte: ­«Meine Diktate ähnelten der ägyptischen Abteilung im M ­ etropolitan Museum of Art.» Vierzehnjährig gewannt er ein ­Stipendium für eine Kunstakademie: «Ich war begeistert, dass ich den ganzen Tag nackte Leute zeichnen durfte.» Später a ­ rbeitete er für eine Werbeagentur und holte für seine Innovationen eine Auszeichnung. W ­ ährend der Preisverleihung wurde ihm irrtümlich ins Bein g ­ eschossen. Vom Geld, das er bekam, weil er auf eine ­A nzeige ­verzichtete, kaufte der 22-Jährige ein Flugticket nach Chicago. Vier Jahre später beschloss er in New York, Künstler zu werden. Aus Trotz gegenüber seiner hochnäsigen Freundin, die in H ­ arvard studierte und ihn für einen Kulturbanausen hielt. Die Arbeiten von Cindy Sherman und Jeff Koons inspirieren ihn. Sein Lieblingskünstler ist jedoch der Stummfilmkomödiant Buster K ­ eaton. Das nächste prägende Erlebnis folgte, als ein Fotograf s­ eine ­Objekte ablichtete. Diese Aufnahmen sahen in Muniz' Augen viel

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Bilder: Ruinart © 2019, ProLitteris, Zurich

Künstler Muniz in den Kreidekellern der Maison Ruinart in Reims.


Fotokunst  Portfolio

Bild: Double Mona Lisa (Peanut Butter and Jelly), After Warhol, 1999, Courtesy of Vik Muniz and Xippas Gallery © 2019, ProLitteris, Zurich

La Gioconda, auch bekannt als Mona Lisa, à la Vik Muniz – aus Marmelade respektive Erdnussbutter (rechts).

interessanter und vieldeutiger aus als die Originale. Fortan machte er daraus seinen künstlerischen Prozess. Zuerst gestaltete der zeichnerisch Begabte mit unkonventionellen Materialien heiter ­ irritierende Bilder. Sigmund Freuds Porträt mit Schokolade­sirup, ­Boris Karloffs Gesicht als Frankenstein's Monster mit Kaviar, die Mona Lisa aus Erdnussbutter und Fruchtgelee. Dann fotografierte er ­seine Arbeiten ab – und erklärte diese Aufnahmen zum eigentlichen Werk. Muniz mag vor allem Vorlagen, «die in der kollektiven Erinnerung abgespeichert sind», wie er sagt, und meint damit sehr bekannte Werke. Er bildet sie mit Fäden, Drähten, ­Mosaiksteinchen und vielem anderen mehr nach. «Das Material ist unwichtig, mich interessiert vor allem der Herstellungsprozess», sagt er. So entstehen Bilder von kopulierenden Paaren in KamasutraStellungen, die aus lovebugs zusammengesetzt sind. Diese Käfer verkeilen ihre Schwänze tagelang ineinander. Sie treten j­edes Frühjahr in Massen im amerikanischen Süden auf. In den «Earthworks»

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lässt Muniz Bagger bis zu 500 Meter lange Symbole in die Landschaft graben, etwa einen Schlüssel oder eine Steckdose. In «Sand Castles» kehrt er den Vorgang des Sandburgenbauens um; ­zusammen mit einem Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeichnet er Schlösser auf vereinzelte Sandkörner. Dank einem fokussierten Ionenstrahl entstehen Linien, die tausend Mal dünner sind als ein menschliches Haar. Effektvoll vergrös­ sert Muniz die Fotografien auf 180 x 220 Zentimeter. So dringt der neugierige Künstler auf immer weitere unbekannte Gebiete vor. Zusam­men mit einem MIT-Biologen gelingt es ihm, aus Leber- und Krebszellen Blumenbilder wachsen zu lassen. Im Laufe seiner Neuerkundungen entdeckt Muniz auch die Alte Welt für sich. Ihn fasziniert die Last der Geschichte, deren Bedeutung das europäische Bewusstsein prägt. So etwas kannte er aus Brasilien und den Vereinigten Staaten nicht. Dieses Denken könne zwar belastend sein, sagt er, aber auch unterstützend: «Ich mag es, wie ihr euch mit der Herstellung von Brot oder Butter

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Bild: Vik Muniz, Frankenstein, Pictures of Caviar, 2004, Courtesy of Vik Muniz and Xippas Gallery © 2019, ProLitteris, Zurich

Portfolio  Fotokunst

Und Frankensteins Monster besteht aus sehr vielen Eiern des Störs, Kaviar also.

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Fotokunst  Portfolio

Bild: Vik Muniz, Footsteps (Joao pereira, iron mine), 2005, Courtesy of Vik Muniz and Xippas Gallery © 2019, ProLitteris, Zurich

Für die «Earthworks» lässt Muniz bis zu 500 Meter lange Symbole in die Landschaft graben.

auseinandersetzt. In Europa ist die Natur ein Fetisch.» Diese Art von Reflexion entspricht in vielem seinem eigenen künstlerischen Prozess. In Europa entdeckte Muniz auch, dass er sich eigentlich als eine S ­ eele des 19. Jahrhunderts fühlt. Sein Lebensmittelpunkt ist Brooklyn, wo er zusammen mit seiner Familie in einer Loft lebt; in Paris hat er seit 2013 zusammen mit seiner Frau Malu zusätzlich ein elegantes Appartement, voller Kunst von Miró bis Brancusi. Es liegt im siebten Arrondissement, dem historischen Hotspot Frankreichs: «Ich könnte einen Stein auf das Grab von Napoleon werfen», sagt er und lacht. Sein künstlerischer Durchbruch erfolgte 1996 mit der Serie «Sugar Children». Muniz lernte in der Karibik Zuckerplantagenarbeiter kennen und war beeindruckt: «Diese Menschen waren so ernst und erschöpft von ihrem Job, der die Welt so süss macht.» Er fotografierte deren Kinder und bildete die Polaroidporträts mit Kristallzucker nach. Die Schwarzweiss-Aufnahmen ­davon steckte er zusammen mit dem Zucker in Einmachgläser.

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Diese bittersüssen Installationen schafften es ins Museum of ­Modern Art in New York. Seither wird er als Mitspieler in der obersten Liga der Zeitgenössischen Kunst wahrgenommen, wenn auch meist als Fotograf. Seit 2011 ist Muniz als freiwilliger Botschafter der UNESCO unterwegs. An der Vernissage der Maison Ruinart erzählt er von seinem nächsten Projekt, das ihn wieder an die Ränder der Gesellschaft führen wird: Im November will er Bilder von 6000 R ­ ohingyas, die als Flüchtlinge in Bangladesh ­gestrandet sind, mit einer D ­ rohne aufnehmen, um an das vergessene Volk zu erinnern. Dieser Plan mutet wie vieles, was der B ­ rasilianer tut, politisch an. Er sagt ­darauf aber: «Solche Dinge tue ich als Privatperson. Sie sind mein menschliches Statement.» Nur weil er Künstler sei, zähle s­ eine ­politische Meinung nicht mehr als die eines Bäckers oder Kerzenständermachers. «Das einzige, was ich als Künstler tun kann, ist, zur Klarheit in den Köpfen beitragen», sagt er und schlürft am Champgner, was g ­ enauso ein Statement à la Vik Muniz ist.

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Portfolio  Fotokunst

Der Trickster Unsere Autorin, Kuratorin des Sarasota Museum of Art in Florida, über einen ihrer liebsten Künstler. Von Anne-Marie Russell

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sich und werfen Schatten. Diese Aufnahme ist mit einem echten Nagel installiert. «Two Nails» zeigt zum einen die Repräsentation eines Nagels, zum andern den Nagel selbst. Es ist das kognitive Gegenstück von Joseph Kosuths «One and Three Chairs», bloss löst es eine sehr viel tiefere Bewusstseinsveränderung aus. Der Philosoph Slavoj Zizek spricht in «Zizeks Jokes» über «die Wahrheit, die aus dem Verkennen entsteht, die Art, wie unser Weg hin zur Wahrheit mit der Wahrheit selbst

Trickster-Lehrer-Künstler: Muniz, 55.

zusammentrifft». Das bringt uns näher zu Viks Werk. Die Frage und die Antwort sind darin ­immer enthalten. Nichts bleibt den Betrachtern verborgen, alles ist vorhanden, alle Tricks und alle Offenbarungen. Das andere Schlüsselwerk ist eine frühe Zeichnung. Sie zeigt den Elefanten, der die Schlange frisst, aus dem «Kleinen Prinzen» in einer kubistischen Anmutung. Auch dieses Werk enthält die Frage und die Antwort. Vik scheint der Pilot zu sein, traurig, dass die Welt Hüte sieht, wo es sich doch um Elefanten und Schlangen handelt. Vik ist jedoch

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grosszügig. Er lamentiert nicht über die ­Fehler der E ­ rwachsenen. Er gibt dir den Schlüssel zu seinem Code und wartet, bis du ihn knackst. Darin liegt das tiefe Vergnügen des echten Lehrers. Sein Werk ist nicht vollendet, bis Vik das sprichwörtliche Licht über den Köpfen aufgehen sieht, den klar artikulierten Moment des Erkennens. Von ihrer Verspieltheit abgesehen, ist Vik's Arbeit auch eine todernste ­Angelegenheit, in dieser Gesellschaft, die zunehmend durch das Visuelle begreift. In einer Welt von ­«Deepfake Videos», wo die Zweifel an der ­Realität k­ onstant in Frage gestellt werden, sind Erkenntnisfähigkeit und Urteilsvermögen bezüglich des Visuellen eine Überlebensstrategie und kein Gesellschaftsspiel für ­wenige. Wenn die Bürger nicht wissen, wie Bilder zu analysieren sind – zu verstehen, was sie ­sehen und wie sie dadurch ­manipuliert ­werden –, dann haben sie keine Kapazität, kritisch ­darüber zu entscheiden, was real und was fake, was wahr und was fiktiv ist. Eine ­Bevölkerung, die die Legitimation von «Wahrheit» nicht ausmachen kann, ist reif für einen Diktator beziehungsweise unfähig zu realisieren, was für Freiheiten sie verloren hat, bevor es zu spät ist. Muniz' Arbeit soll jene ­ermächtigen klar zu sehen, die mit dem Trickster spielen wollen. Der Trickster ist ein Lehrer. Der Maler Stanley sagte: «Als ich jung war, glaubte ich, einen schlechten Tag zu haben. Doch jetzt reali­siere ich, dass ein schlechter Tag ein guter ist, weil du versuchst, auf eine andere Ebene zu kommen.» Der Trickster ist der Lehrer, der uns dabei zu helfen versucht, auf die nächste Ebene zu kommen. Und Vik Muniz bleibt uner­reicht – der gerissenste und charmanteste Trickster unserer Zeit. Bild: Courtesy of Vik Muniz and Xippas Gallery

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er Trickster ist ein Lehrer. Er will dich nicht verletzen. Er will dich nicht einmal austricksen, jedenfalls nicht für lange. Er will dich narren und dann sagen: «Schau mal, ich habe dich genarrt!» ­Darin liegt ein Vergnügen, vielleicht sogar ein narzisstisches Vergnügen, weil der Trickster weiss, dass er der Öffentlichkeit einen Dienst ­geleistet hat. Du willst deine Lektion nicht lernen? Well, dann wirst du nochmals genarrt. Für die meisten geerdeten und nicht ­pathologisch misstrauischen Menschen liegt ein Vergnügen darin zu realisieren, dass sie genarrt wurden. Nicht weil sie es geniessen, angeschwindelt zu werden, sondern weil die Offenbarung des Tricks die eigenen ­Fähigkeiten bereichert. Und für den Trickster liegt zusätzliche Freude (und Macht) darin, zu täuschen, zu enthüllen und dann die Reak­ tion auf seine Offenlegung zu beobachten – ­sozusagen die Offenbarung der Offenbarung. Das erinnert mich an eine Situation in den späten 1970er Jahren in den Strassen von Manhatten. Ich war zehn Jahre alt. Mein Vater und ich gingen an einem Kartenspielerstand vorbei. Und mein Vater hatte soeben realisiert, wie ein betrügerischer Drei-KartenTrick funktioniert. Sein zutiefst ansteckendes Lachen offenbarte die Tiefe des Vergnügens, das er bei diesem Erkennen erlebte. Seine ­öffentliche Aufforderung, am Spass teilzuhaben, war jenen Gentlemen-Betrügern aber nicht recht. Sie drängten mich, meinen ­Vater von ihrem Stand wegzubringen, damit ihre Tricksereien keine Aufmerksamkeit erregten. Es zeigte mir eindrücklich, wie schnell eine Situation umschlagen und schiefgehen kann. Vik Muniz ist ein Trickster der feinsten Art. Und einer der grosszügigsten, verspieltesten und liebevollsten Trickster-Lehrer-Künstler der Kunstwelt von heute. Es gibt zwei Arbeiten in Viks Oeuvre, die seine Raison d'être perfekt verkörpern: «Two Nails» ist die Fotografie eines unentwickelten Fotopapiers, das mit einem Nagel an der Wand befestigt ist. Seine Ecken wölben

Aus dem Amerikanischen von Marysia Morkowska Anmerkung: Der «Trickster» ist im Amerikanischen ein Schwindler, aber auch ein Schelm, der die Ordnung im Universum durcheinanderbringt.

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Story  Lokalhelden

Made in China. Ata Bozaci an der Arbeit – Wandmalerei in Shenzen.

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Lokalhelden  Story Berühmtheit treffen  Story

Phone Baby Phone: Ata Bozacis bisher grösstes Werk misst 27 Meter und befindet sich an einer Fassade in Shenzen.

GEGEN DIE WAND

Bilder: Jesus Salazar

Am Anfang war die Spraydose und Ata Bozaci nannte sich «Toast». Heute beschreibt sich der Schweizer türkischer Herkunft als «bildender Künstler mit Streetart-Background». Und findet seine neuen Werke interessanter. Einverstanden. Bloss, diese sind – gesprayt. Text: Mark van Huisseling Nr. 2 2019

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W

Story  Lokalhelden

Als ich angefangen habe als Sprayer, hab' ich das noch verheimlicht. Inzwischen hat sich das geändert. Ich galt schon in jungen Jahren als der Künstler in der ­Familie, ein Talent fürs Zeichnen und M ­ alen war mir wohl in die Wiege gelegt worden. ­Darum musste ich mich eigentlich nie gross ­erklären. Meine Grossmutter ist übrigens 95 Jahre alt und hat zehn Kinder. Deine künstlerische Entwicklung bis hierher ging ungefähr so: vom Sprayer zum Künstler, der digital Werke hervorbringt, dann einen Schritt retour zum Künstler, der sprayt. Einverstanden?

Das stimmt soweit. Ich sehe es wie ein Pendel, das hin und her schwingt. Manchmal gibt es eine Ausgangslage, ­geschaffen durch eine technische oder finanzielle ­Herausforderung, in der ich eine Technik anwende, die ich schon kenne. Ein Beispiel, bitte?

Für die Werke, die ich in meiner neusten Ausstellung gezeigt habe [«Lucubratio», veraltetes Fremdwort für das wissenschaftliche Arbeiten bei Nacht, zusammen mit Harun «Shark» Dogan, im April in Zürich], arbeitete ich mit stencils [Schablonen], wie ein Sprayer also. Das hat sich angeboten, weil es sich bei den Werken um verschie­dene Variationen der gleichen Motive h ­ andelte. Hätte ich stattdessen jedes Bild einzeln hergestellt, wäre das finanzielle Risiko zu gross gewesen. Die Kosten für Kunstdrucke, von denen zudem viele meinen Anforderungen nicht genügt hätten, sind zu hoch, ich hätte entweder nur one shot je Motiv gehabt oder einen Partner oder Investor gebraucht für die Vorfinanzierung. Weshalb hast du ursprünglich von der Spraydose zum Computer als Medium gewechselt?

Zum Teil aus gesundheitlichen Gründen, ich ertrug die Dämpfe, die durch das Sprayen freigesetzt werden, immer weniger

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Das tönt nachvollziehbar, aber auch stark auf Prozesse und Abläufe bezogen – gab es keine inhaltlichen Gründe?

Doch, natürlich auch. Bilder, die man ­ igital erzeugt, sind kontrolliert. Wogegen d gesprayte Bilder etwas Willkürliches h ­ aben, lebendiger sind. Je nach Sujet passt die eine oder andere Technik besser. Also war’s ­natürlich auch ein gestalterischer Entscheid. Meine Serie «Fifteen Seconds Of Fame» [vereinfacht gesagt geometrische Porträts; Anm. d. Red.] konnte ich nur dank digitaler Technik umsetzen. Der Aufwand, diese mit, sagen wir, einem Zirkel zu realisieren, wäre viel zu gross gewesen, ohne Programme und Computerpower hätte ich vielleicht ein halbes Jahr an einem Porträt gearbeitet.

«Man lernt, man entwickelt sich und man macht Erfahrungen. Die Summe davon ist das, was ich als den Stil bezeichne.» Würdest du dich als «Street-Artist» bezeichnen?

Ich bin bildender Künstler. Das war schon immer so. Sprayen ist nur ein ­Medium. Es war eine Zeit lang aber die passende und effektivste Form für ­meine ­Tätigkeit. Weil es illegal war, musste ich sehr effizient und plakativ arbeiten. Ich hab' mich im Street-Art-Gefilde bewegt, sehe mich aber vielmehr als klassischen ­Künstler; ich zeichne viel, male viel, zum Beispiel auch mit Öl, mein technischer range ist sehr gross. «Street-Artist» ist zurzeit ein häufig verwendeter Begriff, ähnlich wie «Influencer» . . .

Ja, es ist ein Modewort. Fast schon ein Schimpfwort. Und auch dieses Gespräch

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ist recht Graffiti- und Street-Art-lastig. Ich sehe mich allerdings, wie schon gesagt, als bildender Künstler mit einem Graffiti-Background. … dient oder schadet dir die Bezeichnung?

Ich will lieber einer sein, der eine ­ ewegung startet, als sie zu Grabe zu traB gen. Mein Bestreben als Künstler ist, ­etwas Unverwechselbares zu machen. Oder ­wenigstens etwas on top zu liefern, technisch oder von der Aussage her, über das man als Beobachter sagt: «So habe ich es noch nie gesehen». Sonst gibt es in der ­G eschichte keinen Platz für mich. In deiner aktuellen Serie «Lucubratio» kommen Schwimmer und Taucher vor – Sinnbilder für Menschen, die von der Informationsflut in den sozialen Medien überspült und vielleicht ertränkt werden. Das bleibt vielen Betrachtern vorbehalten.

Jein. Ich beschreibe meine Bilder, diese Beschreibung nimmt nicht jeder zur Kenntnis. Jeder Betrachter sieht aber, zum Beispiel die Farben – Gold, Silber, Bronze; wie bei den Medaillen – und zieht seine eigenen S ­ chlüsse. Diese weichen vielleicht ab von meinen ­Absichten, von der Botschaft, die ich verbreiten will. Abgesehen davon, ist es nicht meine Aufgabe, meine Bilder zu erklären. Nicht?

Ich habe angefangen zu sprayen, weil ich mich nicht erklären wollte. Dieses Bedürfnis habe ich nie verspürt. Null. Wenn ich Dinge erklären möchte, müsste ich wohl Bücher schreiben. Ich will mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln Aussagen machen. Mitteilen, was ich im Alltag beobachte – auf eine schalkhafte Art. Wie kam das an bei Sammlern, Galeristen, Kritikern und Künstlerkollegen, als du nicht mehr gesprayt, sondern Bilder mit anderen Techniken hergestellt hast?

Es ist schwierig herauszufinden, wie e­ inen andere wahrnehmen. Mir ist aber nicht bewusst, dass ich deshalb Probleme bekommen hätte. Man lernt, man entwickelt sich und man macht Erfahrungen. Die Summe davon ist das, was ich als den Stil ­bezeichne. Aber es ist sicher so, dass es für eine Galerie einfacher ist, einen Künstler zu vermarkten, wenn er seinem Ding, mit dem er Erfolg hatte, treu bleibt. Andererseits ist es normal, dass ein Künstler etwas ­Neues ausprobieren möchte, gerade wenn er mit einer Arbeit erfolgreich war, weil er fürchtet, möglicherweise nicht daran anknüpfen zu können. Ich versuche, möglichst viele Techniken zu meistern; ich stehe ja erst

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Bild: Cyrill Matter

Wie erklärst du deiner Grossmutter, was du von Beruf machst?

gut. Wenn ich eine kleinere Arbeit im Studio ­realisierte, ging es einigermassen – ich konnte eine Zeit lang sprayen, danach die Fenster öffnen, durchatmen und so weiter. Wenn ich aber zum Beispiel an einem Wandbild arbeitete – acht bis zehn ­Stunden am Tag, vier bis fünf Tage am Stück – lag ich anschliessend eine Woche flach. Und aus Platzgründen: In Bern hatte ich ein gros­ses Studio, viel Platz, wie man ihn zum Sprayen braucht. Dann zog ich nach Z ­ ürich, wo ich einen kleineren Raum nehmen musste.


«Ich habe angefangen zu sprayen, weil ich mich nicht erklären wollte»: Ata Bozaci, bildender Künstler.

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Lokalhelden  Story

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Bilder: Ata Bozaci

Story  Lokalhelden

«Der Kuss einer Forelle», 2017

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Lokalhelden  Story

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«Herz», 2019

«Mila», 2018

«Atem», 2019

«Springer», 2019

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Story  Lokalhelden

in der Mitte meiner Laufbahn. Solange ein Künstler die Technik nicht beherrscht, wird seine Aussage nicht beachtet. Weshalb haftet die Bezeichnung «Street-Artist» wie eine Tätowierung?

Schwierig zu sagen. Das hat vielleicht damit zu tun, dass man «Street-Artists» als underdogs wahrnimmt. Und dass ich den Lebensstil bis heute pflege. Ich habe, als ich zwölf Jahre alt war, angefangen zu lernen, wie man sich als «Street-Artist» vermarktet. Diese Gesetze befolge ich noch immer. Ich habe kein Problem damit. Du hast in Shenzen in China zum Beispiel ein zwanzig Meter grosses Bild auf eine Hausfassade gemalt. Oder in Istanbul ähnliche Werke realisiert. Wie kamst du dazu, kennt man dich dort?

In Zürich dagegen, wo du seit mehr als zehn Jahren lebst, gibt es noch keine Kunst von dir im öffentlichen Raum. Das geplante Wandbild am Swiss Mill Tower kam nicht zustande. Sind die Verantwortlichen in Zürich zu ängstlich und/oder langsam?

Die Schweiz ist kein Land, in dem solche Entscheide leichtfertig gefällt werden, das kann man wohl sagen. Das hat Vorteile, man macht möglicherweise Fehler nicht, die andere gemacht haben. Und Nachteile, man gehört nicht zu den Pionieren. Dass das Swiss-Mill-Vorhaben nicht realisiert werden konnte, war keine Riesenüberraschung für mich. Es war dennoch eine gute Erfahrung, dass ich für die Anfrage zur Verfügung stand, und alles einmal durchspielen konnte. Was wirst du als nächstes tun?

Aus meinen Fehlern lernen. Wir sind zufrieden mit der Ausstellung, die hinter uns liegt, wir haben fast alle Ziele erreicht. Trotzdem planen wir, ein paar Dinge zu justieren; es gibt immer Luft nach oben. Wir wollen uns noch professioneller verkaufen, vor allem international.

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Er schwimmt mit dem Hai

Der Künstler Ata Bozaci (rechts) hat keine Galerie mehr. Er vertraut Harun «Shark» Dogan, Ex-Street-Artist, heute Unternehmer.

A

ta Bozaci ist Schweizer türkischer Herkunft, er wuchs in Burgdorf auf. ­Der 45-Jäh­rige beschreibt sich als «internationalen Künstler, Grafiker und Graffitiwriter der e­ rsten Stunde». Er stellte seine Werke etwa mit dem deutschen Künstler Stefan Strumbel aus sowie mit dem verstorbenen Basler Graffitikünstler Sigi von Koeding, genannt «Dare», oder Street-Art-Pionier Blek le Rat. Einem breiteren Publikum bekannt wurde Bozaci, zusammen mit Dare, durch den Auftrag von Gunter Sachs zur Gestaltung seiner Wohnung in Velden am Wörthersee. Sein bisher auffälligstes Werk ist wohl ein 27 Meter hohes Wandbild in Shenzen in China, das ein Baby an einem Smartphone zeigt. Bozaci beschreibt sich als bildenden Künstler mit Streetart-Background, nicht als Street-Artist oder Graffitikünstler. Eine Zeit lang arbeitete er fast ausschliesslich am Computer, eine Übersicht seiner digitalen Porträts hat er in dem 2015 veröffentlichten Buch «Fifteen Seconds of Fame» zusammengestellt. Für seine neusten Werke, die er diesen April in Zürich erstmals ausstellte, hat er wieder mit Spraydosen sowie Pinseln gemalt. Für diese Bilder beschäftigte er sich mit Immersion (Eintauchen), der Begriff wird heute oft im Zusammenhang mit sozialen Medien und dem Zusammentreffen von Konsumenten mit Marken respektive Markenartikeln verwendet. Zahlreiche Werke zeigen Schwimmerinnen – der Künstler versteht diese als Metapher für die digitale Gesellschaft, sagt er. Ata Bozaci ist verheiratet, hat eine kleine Tochter; er lebt und arbeitet in Zürich. Der wichtigste Geschäftspartner von Bozaci – neben dessen Frau Amanda, die mit ihm ­zusammenarbeitet – ist Harun «Shark» Dogan. Der 46-Jährige Türke ist in Eschenbach im

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Bilder: Cyrill Matter

Diese Aufträge habe ich durch persönliche Beziehungen bekommen. ­Beziehungen zu Leuten, die das entscheiden dürfen, ­Beziehungen, die ich über viele Jahre und durch viel Arbeit aufgebaut habe. In China sind die Verantwortlichen gegenüber StreetArt sehr offen, diese Kunstart hat dort eine andere Stellung, der schwierige Background, den sie in Amerika und Europa hat, existiert dort nicht. Ich habe viel gelernt beim Arbeiten in China und mit Chinesen, nur schon die Sache mit den 36 Strategemen [Überlistungstechniken, die auf General Dan Taoji – 5. Jhd. – zurückgehen] . . .


Lokalhelden  Story

Kanton Luzern aufgewachsen sowie ein Pionier der europäischen Hiphop-/Street-Art-­Gemeinde (eigene Angaben). Als Drucker brachte er 1991 eine Zeitschrift mit Namen «Make’t’Better» heraus, die als eines der ersten farbigen Hiphop-Magazine der Welt bezeichnet werden darf. In der Folge gründete er unter anderem zuerst die Streetart-Modelinie «Wrecked Industries» und danach die Branding- und D ­ esign-Agentur «Rawcut», die er bis heute führt. Das Unternehmen arbeitet für Grosskunden wie beispielsweise die Schweizer Post und hat seit einigen Jahren eine Niederlassung in der Türkei. Er ist ferner Mitgründer und Kurator der «Schweizer Werkschau für Grafik und neue Medien», die jährlich in Zürich stattfindet. Ein besonderes Interesse von Shark, der sich nicht auf ein G ­ ebiet beschränken mag, wie er sagt, ist Mode beziehungsweise Modefotografie. Er lebt und arbeitet in Zürich. Anlässlich der Ausstellung «Lucubratio» (veraltetes Fremdwort für das wissenschaftliche Arbeiten bei Nacht), die dieses Frühjahr stattfand, zeigte Harun ­Dogan zusammen mit den erwähnten Bildern von Bozaci neue eigene Fotografien, darunter zahlreiche, die er für die ­Designerin Ezgi Cinar produzierte; er ist für den Auftritt der Modemarke der in der Türkei geborenen Schweizerin verantwortlich. Als Galerist sieht er sich nicht, obwohl er die Show von Ata Bozaci veranstaltete (in seiner Wohnung im Zürcher Kreis 3) und sämtliche gezeigten Werke zu kaufen waren. Er spricht stattdessen von einer Kooperation mit Bozaci und davon, dass er die Bedürfnisse von Künstlerkollegen genau kenne, aus eigener Erfahrung nämlich, und darum bestens auf ihre Anforderungen eingehen könne.

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LINKS Ata Bozaci (rechts) mit Geschäftspartner Harun «Shark» Dogan MITTE Ausstellung «Lucubratio» mit Werken von Ata Bozaci, Frühjahr 2019 RECHTS Wohnung und Fotografien des «Sharks», Harun Dogan, im Zürcher Kreis 3

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Aussenbetrachtung  Portfolio

«Nimm das, Schurke!»

Was wäre die Comicwelt ohne Superhelden? Dem Untergang geweiht vermutlich. So sah's Stan Lee, der verstorbene Erfinder von Spider- und Iron Man oder Hulk. Ergebnis: Das neuste AvengersAbenteuer ist der bislang erfolgreichste Film aller Zeiten, in der richtigen Welt aber.

Bild: Courtesy Stan Lee, TM & © 2018 Marvel Entertainment, LLC, Courtesy Stan Lee/POW! Entertainment

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1. «Kleiner Junge auf Rad» oder Stan Lee, geboren und aufgewachsen in New York, als er noch Martin Lieber hiess. 2. 1941 erschien Stan Lee’s erste veröffentlichte Arbeit, eine Textseite in einem Captain America-Comic. 3. Mit Jack Kirby zusammen erfand Lee den Silver Surfer, der 1966 seinen ersten Auftritt hatte. 4. Die 100. Jubiläumsausgabe der ersten Spider-Man-Auflage, September 1971. 5. Lee schrieb auch an den Drehbüchern zur ersten Marvel-TV-Serie mit: Ab Herbst 1966 wurden 65 halbstündige Episoden «Marvel Super Heroes» ausgestrahlt. 6. Lees MarvelVermächtnis. 7. Im Januar 2011 erhielt er seinen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame.

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Eine Welt frei von Spider-Man, Iron Man oder Hulk ist undenkbar sowie deren Einfluss auf die Popkultur von heute unvorstellbar. Ohne den kreativen Geist ihres Schöpfers Stan Lee, der im vergangenen Jahr im Alter von 95 Jahren starb, hätte es diese und viele weitere Comicfiguren nie gegeben. Mit Zeichnern wie Jack Kirby und Steve Ditko setzte er nicht nur auf komplizierte Charaktere, die auch Schwächen haben, sondern teilte mit ihnen auch die Vorstellung eines Superhelden-­ Universums. Diese Entwicklung aus den 1960er Jahren, zuvor gab es nur die unfehlbaren Einzelkämpfer-Idole des Konkurrenzverlags DC – findet zurzeit in der neusten amerikanischen Comic-Welle ihre Fortsetzung. Stan Lee’s bunte Helden halfen ihm, aus dem ­anfangs kleinen Marvel Verlag ein Medienimperium zu schaffen. Dabei begann er einst als Kopierjunge bei Timely Publications, woraus später Marvel Comics ­wurde, bis er mit siebzehn zum jüngsten Comicredaktor aufstieg. Über die Jahre wurde der als Stanley Martin Lieber 1922 in New York Geborene nicht nur Marvels Seele, sondern auch das Gesicht des Unternehmens. Das bezeugen seine vielen Cameo-Auftritte in Marvel-Verfilmungen. Ein allerletztes Mal sieht man ihn im mittlerweile 22. Werk der Reihe «Avengers: Endgame», das das Ende einer Ära markiert. Und mit Einnahmen von weltweit über einer Milliarde US-Dollar am ersten Wochen­ende für den bisher erfolgreichsten Filmstart aller Zeiten sorgte. Das folgende Buch setzt ihm und seinen Schöpfungen, mit einer Fülle bislang unveröffentlichter Fotos und Nachbildungen rarer Comic-Hefte, ein illustratives Denkmal – dem Superhelden der Superhelden würdig. «The Stan Lee Story», Roy Thomas, Taschen Verlag, 624 Seiten, in englischer Sprache, ca. 200 Franken.

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Aussenbetrachtung  Kulinarik II

PACCHERI ALLA VITTORIO ZUTATEN:

– 800 g Paccheri FÜR DIE SAUCE:

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2 Knoblauchzehen 1 kg San Marzano Tomaten 300–400 g Ochsenherz Tomaten 500 g Datterini (kleine Tomaten) 20 g Butter 70 g Parmigiano Reggiano

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– Mindestens 10 Basilikumblätter – Chili-Pfeffer – Olivenöl (Extra Vergine) – Salz, Pfeffer ZUBEREITUNG

– Um die Sosse zuzubereiten, den Knoblauch mit einem Esslöffel Öl in einer Pfanne anbraten – Die San Marzano- und gehackten

Ochsenherz-Tomaten hinzugeben – mit Salz und Pfeffer würzen und 35–40 Minuten kochen – Die Tomatensauce mischen, dann durch ein Chinois-Sieb in einen Topf pressen – Die Datterini-Tomaten hinzufügen – Salzwasser zum Kochen bringen und die Paccheri al dente kochen – Pasta abgiessen und mit der Tomatensauce in den Topf geben

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– Butter und Parmigiano Reggiano cremig einrühren – Basilikum und einen Spritzer Öl und Chili-Pfeffer hinzugeben und servieren Ein Set mit allen nötigen Zutaten, um die Original Paccheri zu Hause zu kochen, kann für ca. 100 Euro auch unter www.davittorio.com direkt bestellt werden.

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Kulinarik II  Aussenbetrachtung

VIVA VITTORIO Wer fine dining mit Küche gleichsetzt, die nicht satt und erst recht nicht glücklich macht, war noch nie im «DA VITTORIO » in Brusaporto oder, winters, St. Moritz. Bei Enrico und Roberto Cerea gibt's ITALIENISCHE KLASSIKER, in Michelin-Sterne-Qualität.

Text:

SARAH STUTTE

Bild: Paolo Chiodini

I

nnehalten, geniessen, Eindrücke ­w irken lassen. Das macht man als erstes bei der Ankunft auf dem Landgut in Brusaporto, m ­ itten im zu dieser Jahreszeit blühenden lombar­ dischen Hügelland. Zehn Hektar umfasst das Gelände, mit eigenem Tennisplatz, Aussenpool und weitläufigem Park. Durch diesen schreitet man zum Hotel und Restaurant «Da Vittorio», das hoch oben, über allem liegt. Hier bereiten Enrico und Roberto Cerea ihre Gerichte zu, die durch Leidenschaft für Fische, Meeres­früchte und ausgezeichnete Pasta geprägt sind. Laut «Guide Michelin» gehören die Küchenchefs seit 2010 zu den besten der Welt, und das Angebot ist den Testessern drei Sterne – die ­höchste Auszeichnung – wert. Im Winter ist dieser Gaumenkitzel, den ­Enrico Cerea als «elegante Opulenz» b ­ ezeichnet, sogar noch näher zu erleben. Denn die Brüder kochen zwischen Dezember und Anfang A ­ pril in der Schweiz, im «Carlton» in St. Moritz. Zu dieser Dépendance kamen sie, nachdem sie vor sieben Jahren am Gourmetfestival im Enga­din teilnahmen und bei dieser Gelegenheit ihr Können zum Besten gaben. Der damalige Hotel­direktor, Dominic Bachofen, war davon so begeistert, dass er ihnen anbot, zukünftig während der Wintersaison ein Restaurant des Hotels in Eigenregie zu führen. Die Schweizer Menükarte, die während der Saison drei- bis viermal wechselt, unterscheidet sich in ihrem Angebot nur geringfügig von der in Italien. Trotzdem ist das mittler ­weile

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gut eingeführte Winterrestaurant in ­­­St. ­Moritz aus unerklärlichen Gründen nur mit einem Michelin-­Stern ausgezeichnet. Die ­Sterne ­seien ihm jedoch nicht so wichtig, sagt E ­ nrico Cerea: «Unser Ziel sind zufriedene G ­ äste. Wir wollen hervorragende Qualität anbieten. Eine authentische Küche, die Herz und G ­ eschmack anspricht und einen bleibenden Eindruck h ­ interlässt.» In Italien liegt das Gourmet-Kleinod der Familie Cerea in ländlicher Umgebung, knapp zwanzig Autominuten von Bergamo entfernt. Die Villa beherbergt elegante Zimmer im Stil der italienischen Renaissance, in ­denen B esucher fürstlich übernachten. Aus dem ­ ­Panorama-Fenster des Marmorbads hat man einen wunderbaren Blick auf die Weinberge, aus deren Reben der Hauswein «Faber» produziert wird. Auch die eigene pasticceria liegt auf dem Grundstück. Hier werden nicht nur die dolci für das Restaurant hergestellt, sondern auch der «Gioconda», ein spezieller Schokoladen-­ Panettone aus Hefe-Sauerteig und kandierten Orangenstücken. Er wurde nach der Mutter ­benannt, die sich schon zu Hause und im alten Restaurant um die Desserts gekümmert hatte. Das alte «Da Vittorio» lag im Zentrum von Bergamo und wurde 1966 von Enricos und ­Robertos Eltern eröffnet. Schon bald war es als qualitativ hochstehendes Fischrestaurant bekannt. 2005 zog die Familie dann auf den herrschaftlichen Landsitz in B ­ rusaporto und e­ röffnete dort das «Da Vittorio» neu. ­Neben Enrico und Roberto arbeitet auch Bruder Francesco im Familienbetrieb mit, er ist für die Weine zuständig. Im Kellergewölbe des Anwesens lagern 15 000 erlesene Flaschen, darunter welche von Romanée Conti und Dom Pérignon. Auch der Catering-Service, den regel­mässig Kunden wie Gucci oder Prada in

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Anspruch nehmen, durch den aber auch schon die Queen oder Barack Obama verköstigt wurden, liegt in Francescos Zuständigkeit. Schwester B ­ arbara leitet die Café-Konditorei «Cavour 1880» in Bergamo Alta und das Bistro «Vicook» im Flughafen Bergamo. Die jüngste, Rossella, ist Leiterin des Hotels und Restaurants. Sie führt einen beim abendlichen Menü durch die verschiedenen Gänge. Etwa, wenn die ­Paccheri alla Vittorio, die man unbedingt probieren sollte, serviert werden (sehen Sie das ­Rezept). Die Besonderheit dieser Pasta, sagt Enrico C ­ erea, liege in ihrer Tradition. Sie wird von Hand in einem kleinen Dorf in der Nähe von Neapel hergestellt. Im Gegensatz zu indu­striellen Paccheri, die in wenigen Stunden trocknen, werden diese natürlich getrocknet, was m ­ ehrere Tage dauert. Die Walzen sind aus ­Bronze, ­wodurch die Poren grösser sind und die Pasta später die Sosse besser a ­ ufnehmen kann. Diese besteht aus drei verschiedenen ­Tomatensorten. Eine, die nur im Sommer reift und den vollen Geschmack konserviert. Die z ­ weite Sorte ist eine geschälte T ­ omate, die in der Nähe des V ­ esuvs wächst und die dritte eine saisonale, frische Frucht. Das ­Gericht rundet erst zwanzig Monate alter Parmesan ab, der mild und cremig ist. Am Tisch wird dieser eingerührt, was eine ­Emulsion mit den Tomaten ergibt, wodurch die cremige Komponente der Sosse zum Tragen kommt. Den Menü-Abschluss und gleichzeitig dessen Krönung bildet eine Auswahl an petit fours und eine aus Schokolade und Vanilleschaum ­geformte Erdkugel, die im Inneren ein Limonengebäck ­sowie Kaffee- und Anisglacé v ­ erbirgt. Am Ende des Abends wird man das Essen nicht nur als gut erlebt haben, sondern als Bewusstseinserweiterung, die einen zurück zum A ­ nfang führt: innehalten, geniessen, Eindrücke wirken lassen.

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Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: TOBY NEILAN

Da steht man drauf Stand-up-Paddeln ist der Sport du jour – das heisst, ist es ein Sport? Oder eher nicht? Egal. Was es auf jeden Fall ist: einfach. Jeder, ähnlich wie Gehen oder Wandern, kann es. Und Spass macht's zudem. Von: ODILE BURGER

O

Obwohl es nun schon bald zehn Jahre zurück­liegt, kann ich mich noch sehr genau an mein erstes und einziges Mal erinnern: Ich war bei den Nachbarn von Marc Rich in Meggen am Vierwaldstättersee eingeladen und i­ rgendwann am späteren Nachmittag, es war ein sehr heisser Julitag, wurde ich von den Gastgebern aufgefordert, das Stand-upPaddeln auszuprobieren. Es gab kaum Wellen und so hatte ich kein Problem, aufs Board zu klettern. Einmal stehend, tauchte ich das Paddel ein und es schien mir, diese Wassersportart sei das Einfachste der Welt. So ­paddelte ich gemächlich dem Ufer entlang und ­hatte bald freie Sicht auf die «Villa Rose», das A ­ nwesen des damals noch lebenden Rohstoffhändlers Rich. Aber natürlich liegt im

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Falls man nicht von einem Mückenschwarm verfolgt wird, ist Stand-up-Paddeln sozusagen risikofrei. Vorausgesetzt, man kann schwimmen. Und fällt nicht vom Brett.

Begaffen von Anwesen Prominenter von der See­seite aus nicht der eigentliche Sinn des ­Stand-up-Paddelns. Auf Wikipedia liest man, das Stehpaddeln gehe auf ­polynesische Fischer zurück, die sich in ihren Kanus stehend auf dem Meer vor Tahiti fortbewegten. Im 20. Jahrhundert nutzten Surfer auf ­Hawaii das Stehpaddeln, um schneller vom Ufer zu den wellenbrechenden Riffen zu ­gelangen. Und in den letzten Jahren hat sich das Stand-up-Paddling, kurz SUP oder ­supen, das zugehörige Verb, zur Trendsportart entwickelt, auch in der Schweiz.

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Heute gibt es SUP-Klubs und -­Vereine, SUP-Wettkämpfe in verschiedenen Disziplinen, es gibt SUP für die Gesundheit (präventiv) sowie als Therapie nach Verletzungen, SUP mit Kindern (Kids SUP) oder alle möglichen Events mit Titeln wie «SUP bei Mondschein» und so weiter. «Wir organisieren Anlässe vom Geburtstag bis zum Polterabend», sagt Marc Maurer. Seit 2012 betreibt er mit seinen Mitarbeitern das SUP-Center Supswiss in Zürich-Wollishofen, direkt am See. Dort kann man Anfänger- oder Fortgeschrittenenkurse s­ owie Yoga- und Hunde-SUP-Kurse

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

besuchen, zwei Mitarbeiterinnen des SUPCenters h ­ aben s­ ogar die Berufsbezeichnung «Dog-SUP-Instruktor». Natürlich gibt es auch ein breites Angebot an Material, das gemietet werden kann, vom «Inflatable» (aufblasbaren Board) über Hardboards und Raceboards bis zum spassigen Monster-SUP. Anfangs wurden Surfboards ­verwendet, weil sie genügend Auftrieb erzeugen, um das Gewicht des Sportlers zu tragen. ­Unterdessen bieten verschiedene Hersteller StehpaddelBoards an. Auch Marc Maurer verkauft Ausrüstungen, unter anderem Bretter der hauseigenen Marke. Jährlich verkaufe er z ­ irka 250 Boards, sagt er. Der SUP-Boom setzte ungefähr vor drei oder vier Jahren ein, schätzt er, und noch immer steige die Nachfrage.

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Sonja ist begeisterte «Superin», sie lebt in Stäfa am Zürichsee, ist Ende zwanzig und im Sommer paddelt sie fast täglich nach der ­A rbeit zur Insel Lützelau. Einmal wurde sie auf dem Rückweg von einem Mückenschwarm verfolgt. Die lästigen Begleiter wurde sie nicht mehr los bis sie zurück am Ufer war. Mückenspray ­gehöre seither nebst Board und Paddel zu ihrer fixen Ausrüstung, erzählt sie. Ihr Board kaufte Sonja bei den SUP-Piraten in Unterägeri. Die «Piratenhöhle», wie der SUP-Piratenshop am Ägerisee auch heisst, wurde 2013 von Andreas Kammerer gegründet. Heute führt er mit seiner Lebenspartnerin in Horn am Bodensee den «wohl grössten SUP-Shop» (eigene Angabe), inklusive Webshop. «Paddeln ist ähnlich wie Wandern, jeder

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kann’s», sagt Jérôme Weder, der die «Piratenhöhle» in Unterägeri leitet. Man realisiere nicht, dass man Sport treibe, beziehungsweise dann eben doch – aber erst am nächsten Tag, wenn sich der Muskelkater bemerkbar mache. Ein Anfängerbrett sei nicht notwendig, wenn man als Neuling mitmachen wolle, erklärt er auf meine Anfrage. Es gehe vielmehr um die Balance, die eine Person mitbringe. Eher unsportlichen Menschen empfiehlt er ein etwas breiteres Board, das sei ein wenig wie die Stützrädli, die man Kindern an die Seiten ihres Velos montiert, bis sie das notwendige Gleichgewicht gefunden haben. Beliebt sind in der Schweiz, wegen des vorherrschenden Platzmangels, aufblasbare Boards. Sie passen in einen Rucksack und lassen sich überall verstauen. Ob sie was taugen? «Es gibt unterdessen solche, die eine Qualität auf hohem Niveau aufweisen», sagt ­Jérôme Weder, Hardboards seien aber klar die besseren Bretter. Die Preise variieren, e­ inem SUP-Board unter 700 Franken würde er nicht trauen, sagt er. Es lohne sich nicht, ­Billigware zu kaufen, um dann herauszu­finden, dass sie nichts taugt und a ­ nschliessend ein zweites Mal kaufen zu müssen. Das ­leuchtet ein. Und Jérôme scheint ein g ­ uter Verkäufer zu sein. Nebst dem Board ist auch das Paddel von Wichtigkeit, es gibt Ausführungen in diversen Qualitäten: Einfache Paddel besitzen oft einen Aluschaft und ein einfaches Kunststoffblatt. Wertigere Paddel werden aus ­kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff ­gefertigt und sind deutlich leichter. Was braucht es sonst noch, um richtig equipiert zu sein? Wegen des Schmelzwassers aus den Bergen sind unsere Seen oft bis Mitte Sommer kalt. Deshalb lohne es sich, meint der gute Verkäufer, sowohl Spezial­schuhe als auch ­einen Trockenanzug zu ­tragen ­b eziehungsweise zu kaufen. Sonja plant, demnächst in so e­ inen Anzug zu investieren, wohl auch, weil er M ­ ückenstich-dicht ist, und ­damit sie künftig während des ganzen Jahres paddeln kann. Ich werde einen ­heis­sen Julitag ­abwarten, und dann der Einladung von Jérôme ­folgen und das «Supen» auf dem Ägerisee ein zweites Mal probieren.

SUP TOUR SCHWEIZ Die SUP Tour Schweiz ist Treffpunkt für Stand-upPaddler. Die Events werden an verschiedenen Tour-Stopps durchgeführt: Bodensee, Thunersee, Bieler und Neuenburgersee, Vierwaldstättersee. www.sup-tour-schweiz.ch

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Anleitung  Arbiter Elegantiarum

INÈS DE LA FRESSANGE

Eau de Parfum von CHANEL, Fr. 230.– (75ml).

Sonnenbrille von BOUCHERON, Fr. 1080.–.

Blazer von BLAZÉ MILANO, Fr. 1985.–. (bei Matchesfashion.com)

Hemd von EMMA WILLIS, ca. Fr. 318.–.

«Ich gehe eine suchen, die wir zeigen können», sagte de la Fressange, als die Rede von der modernen Heldin war.

Tasche von PRADA, Fr. 2130.–. (bei Mytheresa.com)

Turnschuh von SANTONI, ca. Fr. 387.–.

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Klar, sieht alles, was sie trägt, fantastisch aus. Das liegt aber, pardon, mehr an ihr als an den jeweiligen Kleidern. Und das ist, leider, auch der Grund, warum unsere Stilvorlage des Monats zwar leicht kopiert, aber nur sehr schwer (wenn überhaupt) erreicht werden kann. Mai / Juni

I

Ich habe einmal den f­ ranzösischen Designer Bruno F ­ risoni g ­ efragt – es ging um die ­Schuhmarke R ­ oger ­Vivier, deren Kreativdirektor er lange Zeit war, – wie er seine Kundin beschreiben würde. « ­ Moderne Heldin», antwortete er. «Was für eine Frau ist das?», fragte ich nach. Worauf Inès de la ­F ressange, die bei uns sass und Botschafterin der Marke war, aufstand und sagte: «Ich gehe eine suchen, die wir zeigen können.» Was ich ­damit ­sagen will (ausser dass ich Frau de la F ­ ressange getroffen habe): ­Unsere «Arbiter Elegantiarum» des ­Monats ist nicht bloss ein Stilwunder, sondern nimmt sich w ­ eder zu ernst noch wichtig. Was ihren Auftritt und ihre Kleidung angeht: Sie widerlegt die Redewendung, wonach Kleider Leute machen. Im Gegenteil. Sie ist es, die ein Kleid r­ espektive einen Look macht. Was sie ­a nhat – Hosenanzüge, Hemdblusen et ­cetera – ist, streng ­besehen, nichts besonderes. Das wird es erst an ihr und durch sie. Was, logischer­weise, auch Karl ­L agerfeld ­erkannte, der sie zu seiner Muse gemacht hatte. Und so Entwürfe von ihm, die sie trug, von très jolie auf fantastique aufwertete. Das Ergebnis dieser Stil p ­ rägenden Eleganz: Inès und ihren Look zu kopieren ist schwierig. Bloss weil etwas an ihr schön aussieht, heisst noch lange nicht, dass dies auch bei anderen Trägerinnen so sein wird. Zum Schluss noch die Beweisführung, dass sie sogar Witz hat, was in der Welt der Mode selten ist: Als ich sie das zweite Mal traf (tatsächlich), fragte ich, ob ich ein Foto von ihr machen dürfe. Klar, sagte sie, meine Mutter würde sich bestimmt über das Bild einer älteren Frau freuen. Mark van Huisseling

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Bild: Getty Images

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Bezugsquellen & Impressum

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17. OKTOBER 2019

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