WW MAGAZIN Nr. 4 NOVEMBER / DEZEMBER 2018
Uhren und Schmuck
CARTIERS FRAU FÜRS SCHÖNE DAS WUNDER VON LE BRASSUS Brief aus London
DAS «SAVOY» – HOTEL DER TRÄUME
DIE EDELSTEN STÜCKE DER SAISON
Generation X
ALLES ÜBER ETHAN HAWKE
SPRAY, BABY, SPRAY Der beachtliche Aufstieg des street artist Shepard Fairey zum Kunststar und Unternehmer
Innenbetrachtung Editorial
Am Anfang meiner Laufbahn lernte ich, dass man im Editorial nie über nur eine Story schreiben sollte – wenn und falls ich denn mal ein Editorial schreiben dürfe, erklärte der Chef. Weil man sonst eine Geschichte als wichtiger erkläre. Als Verantwortlicher müsse man dem Leser aber das Gefühl vermitteln, alle Storys seien a) wichtig und b) gleich wichtig. Mit Genuss schreibe ich nun über nur eine Geschichte (und erst noch eine, die ich geschrieben habe). Es geht darin um den Street-Art-Künstler Shepard Fairey, unsere WW-Persönlichkeit. Der Amerikaner sagt von sich, er betreibe beruflich «qualitativ hochstehenden Widerspruch». Und hat eine Vergangenheit als Sprayer (beschädigte also fremdes Eigentum, solange er kein bekannter Künstler war jedenfalls). Mit anderen Worten: ein unangepasster Kerl. Einer, mit
4 WW Magazin
dem ein angesehenes Unternehmen nichts zu tun haben will, richtig? Falsch, jedenfalls wenn es sich bei dem Unternehmen um die Schweizer Uhrenmanufaktur Hublot handelt. Shepard Fairey ist Hublots neuester Partner – er hat einen Chronografen im Street-Art-Stil gestaltet. W egen mir hätte er auch was anderes für jemand anderen gestalten können. Worum es mir geht: Die Hublot-Entscheider h aben gewagt, das Buch nicht nach dem Cover zu beurteilen und sich stattdessen den Inhalt angeschaut. Also was dieser Shepard genau tut. Und was sie davon brauchen und lernen können. Das Ergebnis? Finden Sie es heraus. Schauen Sie sich bitte auch die anderen Geschichten an – wen wir sonst noch gefunden und nicht nur nach dem Äusseren beurteilt haben. Ich wünsche viel Lesevergnügen,
November / Dezember
Nr. 4 2018
Illustration: Haley Tippmann
Was man im Editorial nie tun sollte
L.U.C LUNAR ONE Die L.U.C Lunar One mit einem Durchmesser von 43 mm ist ein ewiger Kalender mit grossem Datum und einer orbitalen Mondphasenanzeige. Ein Mikrorotor dient als Schwungmasse f체r ihr 355-teiliges automatisches L.U.C 96.13-L Uhrwerk. In unserer Manufaktur mit Stolz entwickelt, gefertigt und montiert ist diese Uhr ein Meisterst체ck, in dem s채mtliche uhrmacherische F채higkeiten des Hauses Chopard brillant zur Geltung kommen.
Innenbetrachtung Mitarbeiter dieser Ausgabe
1) ARMIN ZOGBAUM
In dieser Ausgabe sind drei von fünf Mitarbeitern, die wir hier vorstellen, Fotografen. Respektive, um genau zu sein, eine Fotografin und zwei männliche Kollegen; so oder so, das kann nicht schlecht sein für eine Zeitschrift, bei der die O ptik fast so wichtig ist wie der I nhalt. Oder allenfalls noch wichtiger. A rmin Zogbaum auf jeden Fall hat für uns respektive für Sie drei Schmuckstücke aus der n euen Bucherer-Linie mit Namen «B Dimension» f otografiert. Der Schweizer ist ein still lifeSpezialist, Arbeiten von ihm sind etwa im A rchitectural Digest oder in der Vogue Italia zu sehen. Und natürlich a rbeite er auch erfolgreich «kommerziell», wie man sagt, wenn jemand nicht bloss redaktionell t ätig ist, sondern auch Werbung macht (Estée Lauder, Davidoff oder Chopard). Sein Beitrag für uns befindet sich auf Seite 18.
2
1
ARMIN ZOGBAUM , WALTER PFEIFFER , HADLEY HUDSON , PETER BOLLAG , GABRIEL LOTTI
4) PETER BOLLAG
1)
2)
3)
2) WALTER PFEIFFER
3) HADLEY HUDSON
Die Amerikanerin, die zwanzig oder so Jahre in Deutschland lebte und arbeitete, fotografiert
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4)
5)
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3
Ein Neuzugang aus Basel – willkommen. Der K ollege arbeitet seit über fünfzehn Jahren für Radio SRF, zuvor war er aber schreibender Journalist, C hefredaktor von special interest-Zeitschriften wie die Jüdische Rundschau oder das Israelitische Wochenblatt. Zu weiteren special interests des studierten Germanisten g ehören schicke Hotels. Weshalb er für uns die Geschichte des Hotels «Savoy» in London schreibt. Auf die Gefahr, eine Pointe seiner Story schon hier zu vergeben: Man muss nicht unbedingt dort wohnen, um das Haus ausprobieren zu dürfen. Seite 30. 5) GABRIEL LOTTI
5
Wir bieten vielen Autoren Platz, gerne auch Kollgen aus dem Weltwoche-Verlag. Unser Anzeigengebietsleiter b erichtet über die Passione Engadina, der Rallye für italienische Oldtimer und Classic Cars. Beim Schreiben ging ihm unsere Textchefin leicht zur Hand. Beim Autofahren hingegen, braucht er keine Unterstützung, dabei bremst er uns aus – Gabriel fuhr als junger Mann Formel-3-Rennen. Seinen Bericht gibt's auf Seite 50.
Nr. 4 2018
Fotos: Timotheus Theisen, Jon Aich
Unser jüngster M itarbeiter ist zeitgleich unser ä ltester. Stimmt, den Satz habe ich bereits mindestens zweimal gebracht. Doch er trifft erneut zu. Walter Pfeiffer, 72, hat vor kurzem einen Überblick über seine Zeichnungen als Buch veröffentlicht. Der Verlag – E dition Patrick Frey – schreibt, als Fotograf sei der Schweizer weltberühmt, sein zeichnerisches Werk würden dagegen nur wenige kennen. Wir nehmen an, das ist richtig. Finden es aber falsch. Und versuchen darum, mit u nserem Schulterblick in seine drawings, entstanden zwischen 1966 und 2018, dazu beizutragen, dass der Mann, der sich Illustrator nennt, auch als Zeichner die ihm zustehende Beachtung bekommt. Seite 48.
nicht zum ersten Mal für uns. Zum ersten Mal aber, seit sie in ihre alte neue Heimat zurück gezogen ist, nach Los A ngeles nämlich. Hadley, bekanntge worden durch, sagen wir, erotische Frauenbilder, hat nicht nur den Wohn- und Arbeitsort gewechselt, sondern auch den Fokus – sie macht keine Fashionfotos mehr und auch wie Models nach Feierabend aussehen respektive sich benehmen, mag sie nicht mehr dokumentieren. Für uns hat sie personalities, Charaktere, der Stadt der Engel porträtiert. Das E rgebnis, finden wir, ist ziemlich sexy, immer noch. Man kann als Fotografin die Stadt leichter wechseln als den Stil. Seite 25.
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Innenbetrachtung Inhaltsverzeichnis
WW Magazin Nr. 4 IN H A LT DIE HOFFNUNG STIRBT ZULETZT, HOFFEN WIR
8 WW Magazin
Titelbild: Hadley Hudson; Gabriela Bloomgarden trägt einen Overall von Obey
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Bild auf dieser Seite: Courtesy of Shepard Fairey / obeygiant.com
Das waren noch Zeiten, nicht wahr? Aber ehrlich, die Rahmenbedingungen zur Zeit, als unsere WW-Persönlichkeit Shepard Fairey (nicht im Bild) das Porträt des damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama gestaltete, waren so gut auch nicht. 2007 war's, kurz vor der Finanzkrise, aus der die härteste Wirtschaftskrise seit den 1920er / 30er Jahren wurde. Doch darum geht's nicht, sondern um den Künstler und sein Werk. Dieser unterstützte, nebenbei, bei den Wahlen von 2016 Bernie Sanders, den parteilosen Kandidaten der Demokraten.
November / Dezember
Nr. 4 2018
Innenbetrachtung Inhaltsverzeichnis
I N H A LT
WW Magazin Nr. 4 CONTRIBUTORS
GESCHICHTEN
Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 6
TREND-REPORTE
SCHMUCK
SEITE 18 UHREN UND SCHMUCK
SEITE 19
«HAPPY HEARTS» VON CHOPARD
MENSCHEN IM HOTEL (NICHT IM BILD, WEGEN DER PRIVATSPHÄRE)
Das «Savoy» in London ist wieder der place to be. Alle, die einen Namen haben, waren dort. Oder gehen noch hin. KOLUMNEN
SEITE 30
GENERATION X
Was unser liebster PopkulturQuerdenker Ethan Hawke zurzeit macht
SEITE 12
WINTERSPORT
INNENARCHITEKTIN DU JOUR
Laura Gonzalez ist zurzeit die gefragteste von Paris SEITE 40
SEITE 34
von Sarah Stutte RUBRIKEN
SEITE 14
WANDERLUST
EDITORIAL
von Gabriel Lotti
SEITE 4
SEITE 50
BRIEFING
Träume
SERVICE
SEITE 16
SPEZIAL-REPORT BENCI BROTHERS
SEITE 20
BEZUGSQUELLEN
SEITE 53
SCHLUSS MIT ARVENSTUBEN
ARBITER
IMPRESSUM
Le Brassus im Vallée du Joux soll sich entwickeln – im grossen Stil
Nadja Swarovski
SEITE 53
SEITE 44
SEITE 52
10 WW Magazin
November / Dezember
ELEGANTIARUM
Nr. 4 2018
Bilder: Courtesy Fairmont Hotels, Getty Images, BIG Bjarke Ingels Group Illustration: Lesja Chernish
KUNST
von Mark van Huisseling
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3 ½ - 5 ½ Zi. Eigentumswohnungen 8127 Aesch-Maur, Désirée Keller Tel. 044 316 13 15 Preis auf Anfrage, Bezug auf Anfrage Standort: www.soonbylepa.ch
2 ½ - 5 ½ Zi. Eigentumswohnungen 8493 Saland, Paul Späni Tel. 052 338 07 09 Preis ab 340‘000.-, Bezug ab Winter 2019/20 www.ammuelibach.ch
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Zürcherstrasse 124 Postfach 322 8406 Winterthur Telefon 052 / 235 80 00
Eigenheimmesse Schweiz in Zürich 5. - 8. Sept. 2019, Messe Zürich, Halle 6
Stand Oktober 2018
4 ½ und 5 ½ Zi. Terrassenhäuser 8309 Birchwil, Ramona Schiesser Tel. 044 316 13 21 Preis ab 1‘790‘000.-, Bezug ab Winter 2019/20 www.mira-birchwil.ch
Aussenbetrachtung Kunstkolumne
FUNNY GAMES Text:
MARK VAN HUISSELING
E
inige Leute halten Videospiele für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist.» Bill Shankly hatte natürlich nicht über Videospiele gesprochen, sondern über Fussball, schliesslich war der Schotte Fussballspieler und -trainer. Was die Aussage betrifft, darf man das Zitat aber wohl so anpassen. Der Umsatz, der mit Videospielen im laufenden Jahr voraussichtlich weltweit erzielt werden wird, soll rund 138 Milliarden Dollar betragen (Quelle: Newzoo Global Games Market Report; ein Beratungs unternehmen für E-Commerce-Anbieter). Das wären 13 Milliarden oder 16 Prozent mehr als 2017. Auch die Behauptung, Videogames seien mittlerweile wirtschaftlich bedeutender als Kinofilme, lässt sich belegen – die weltweiten Ticket-Einnahmen belaufen sich dieses Jahr auf schätzungsweise 44 Milliarden Dollar (Quelle: Statista.com, ein Statistik-Online-Portal). Und im vergangenen August schliesslich erschoss ein s ogenannter E-Sportler, ein professioneller Videogames-Spieler, zwei Kollegen, bevor er sich selber umbrachte, zuvor hatte er gegen sie in einem «Madden-NFL»-Turnier verloren; es handelt sich dabei um ein Football-Videospiel. Gutes oder schlechtes Timing für die Ausstellung «Videogames: Design / Play / Disrupt», die kurze Zeit später im Victoria and Albert Museum (V & A) in London eröffnet wurde, je nachdem wie man es betrachtet. Ohne Zweifel aber verschaffte die Tat der wohl ersten umfassenden Schau in einem der wichtigen Ausstellungshäuser mit mehr als drei Millionen Besuchern im Jahr zusätzliche Dringlichkeit.
12 WW Magazin
Das V & A stellt sich auf seiner Webseite als weltführendes Museum für Kunst und Design dar. Entsprechend dreht sich die von Marie Foulston und Kristian Volsing in über zwei Arbeitsjahren zusammengestellte Schau zur Hauptsache um die Gestaltung von Videospielen respektive deren künstlerischen Ansatz. Anhand von ausgewählten Spielen zeigen die Kuratoren, wie sich die Benutzeroberflächen von Games in den vergangenen zirka zehn Jahren entwickelt haben. Sie hätten bei der Auswahl, schreiben sie im Katalog, bewusst darauf geachtet, eine Mischung aus grossen Entwicklern – vergleichbar mit klassischen Hollywoodstudios –, die Blockbuster-Spiele anbieten, und unabhängigen, kleinen Programmiererfirmen – den auteurs – zu liefern. Aber es geht nicht nur um die Form, sondern auch um Inhalte. Die Teilnehmer einer abgefilmten Diskussionsrunde unterhalten sich über Fragen wie: Sind Videogames gewaltverherrlichend? Sexistisch? Rassistisch? Die Antworten, die Spieleentwickler, Spieler und Spielerinnen, Journalisten oder Akademiker geben, fallen ausführlich und interessant aus. Sie lassen sich, verkürzt plus vereinfacht, so wiedergeben: immer weniger. Was gut tönt, aber möglicherweise nicht ganz stimmt. Selbst in einigen der Spiele, die es ins Museum geschafft haben, bekommt die Figur – meist ein weisser Mann, der gewinnt – also am meisten Feinde abgeschossen hat, viele davon schwarz oder braun, am Schluss das hübsche, kurvige, blonde Mädchen. Man überlegt sich als Ausstellungsbesucher, weshalb das so ist. Und kommt zum naheliegenden Schluss: Weil Videogames mehrheitlich von jungen Männern gespielt werden, die im richtigen Leben so etwas wie den Gegenentwurf zum Superhelden oder zur Kampfmaschine darstellen. Falsch, lernt man dann aber. Das Publikum sei älter, weiblicher, vielfältiger, als man meine – was wohl stimmt. Schliesslich spielen geschätzte
November / Dezember
2,2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt Videogames, mehr als es sogenannte Nerds, also Computerfans, gibt. In einem Raum der Schau wird ein Film gezeigt vom Finale der «League of Legends»Weltmeisterschaft, ausgetragen 2017 im von Herzog & de Meuron entworfenen «Bird’s Nest»- Stadion in Peking, wo Olympische W ettkämpfe stattfanden. Doch der verbreitet wiederum das Bild, das man als Nichtspieler von Gamern hat: Unter den 40 000 oder so Zuschauern ist eine Minderheit weiblich. Für die, die’s wissen wollen: Team Samsung Galaxy schlägt die Weltmeister von SK Telecom T1. Das Spiel, wenn man die Reaktionen der Zuschauer als Massstab nimmt, war voll von Spannung und Drama. Als Aussenstehendem fällt es einem schwer, dem Wettkampf folgen zu können einerseits und andererseits die Ernsthaftigkeit der Spieler im Oberstufenalter nachzuvollziehen. Bis man erfährt, dass die Gagen für Weltmeister Millionen betragen. Und das sind nur die Prämien, dazu kommen noch Werbeverträge, die zu weiteren Einnahme-Millionen führen. Besucher sollen die Games nicht bloss ansehen, sondern diese ausprobieren. Spielen sei erwünscht, sagt Tristram Hunt, Direktor des V & A. Der ehemalige Journalist und Abgeordnete der Labour-Partei hatte zwar mit dem Entstehen dieser Schau noch nichts zu tun; er führt das Victoria and Albert Museum erst seit vergangenem Jahr, als die Ausstellung bereits in the making war. Inhaltlich sei sie seinen Vorstellungen dennoch nahe, sagt er – «Sie finden mich in der Spielarkade, dem letzten Raum der Show.»
Ausstellung «Videogames: Design / Play / Disrupt», Victoria and Albert Museum, London; noch bis 24. Februar 2019.
Nr. 4 2018
Bilder: Hello Games, 2013 / 2014 Sony Interactive Entertainment LLC
Videospiele sind ein Wirtschaftsfaktor und ein KULTURGUT. Eine Ausstellung im Londoner VICTORIA AND ALBERT MUSEUM zeigt ihre Entwicklung auf, lässt aber FRAGEN unbeantwortet.
Kunstkolumne Aussenbetrachtung
Screenshot des Spiels «No Man's Sky», das von Hello Games entwickelt wurde.
Das Survival-Horror-Computerspiel «The Last of Us», entwickelt von der Firma Naughty Dog.
Nr. 4 2018
November / Dezember
WW Magazin 13
Aussenbetrachtung Wintersport-Kolumne
Illustration: TIM DINTER
FETTES RAD
Auf dicken Schlappen durch den Schnee radeln, das ist der Trendsport der S aison. Es macht Spass, ist aber nicht ganz einfach – der DRAHTESEL neigt zum Bocken, zum Beispiel weil ihm der UNTERGRUND zu schaffen macht. Oder die Höhenlage. Text:
Halt zu finden. Deshalb schweisste dort ein Mann namens Simon Rakower Anfang des neuen Jahr tausends zwei handelsübliche Felgen aneinander, zog einen breiten Gummimantel darüber und fuhr damit ein Schneerennen. 2005 ging das er Tag beginnt anstrengend. Schon nach Fatbike dann in Serie. Die Welle schwappte über, wenigen Metern bin ich aus der Spur erreichte bald ganz Nordamerika sowie Kanada. gekommen und habe mich in einer Senke fest Alsbald wurde entdeckt, dass sich Fatbikes auch gefahren. Der Untergrund ist nass und weich – in Matsch und Schlamm fahren lassen oder auf trände der Tritt in die Pedale geht ins Leere. Über Nacht Sandstränden. Hierzulande, wo solche S gab es hier, auf dem Hochplateau Sparenmoos weitgehend fehlen, ist das Fatbike dennoch oberhalb von Zweisimmen und in der Nähe von angekommen: In den vergangenen Jahren sahen Gstaad, Neuschnee, auf den nun die Morgen die Verantwortlichen von Tourismusdestinationen sonne scheint. Nicht die besten Verhältnisse für in dem Spezialbike eine Angebotserweiterung für einen Ausflug mit dem Fatbike. Dem Velo mit ihre Wintersaison. Sie erhofften sich dadurch den e xtradicken Reifen, die doppelt so breit sind neue, sportive Gäste. wie diejenigen eines herkömmlichen Mountain Auf normalen Skipisten und Langlaufloi bikes. Um es zu fahren, sind die Bedingungen gut, pen dürfen Fatbiker aber nicht fahren, auch der wenn der Schnee unten kompakt ist und oben aus Transport des Geräts mit Bergbahnen ist bisher nicht erlaubt. Deshalb trifft man die wachsende lockerem Pulverschnee besteht. Doch Wärme kann den Untergrund schnell Fatbike-Gemeinde vor allem auf ausgewählten verändern. Man kann nicht mehr lenken, kommt Winterwanderwegen und Schlittelpisten an. Um keinen Millimeter vorwärts. Nicht vom Fleck ihnen Orientierungshilfe in Sachen Tourenange bewegt sich ein Fatbike auch ab einer gewissen bot zu bieten, hat ein Zuger Bike-Shopbesitzer die Höhe. Das liegt daran, dass die bis zu zwölf Fatbike-Trophy ins Leben gerufen – mit r egionalen Zentimeter dicken Pneus zwar prall aussehen, Partnern werden dafür die besten Touren in den jedoch nur wenig Luft hineingepumpt wird. Der verschiedenen Regionen aufbereitet und auf der Druck wird den Wetterverhältnissen angepasst. gleichnamigen Website veröffentlicht, im Moment Das erhöht die Traktion, die Kraftübertragung stehen vierzehn Touren in der ganzen Schweiz im Schnee, denn man möchte ja nicht wie ein zum Download bereit. Klotz einsinken. Erhöht wird dadurch aber auch Die Nachfrage nach den Fatbikes als der Rollwiderstand. touristische Attraktion steigt, nicht nur hier, son Steil bergauf ist also vor allem schieben dern überall, wo es angeboten wird. Fraglich ist angesagt, sonst geht den Fahrern schnell die jedoch, ob die Wintersport-Industrie mit dem Puste aus. Um diese letzte grosse Hürde zu Absatz von Fatbikes die grosse Lücke füllen kann, überwinden, gibt es mittlerweile sogar Elektro- die der Einbruch der Snowboard- und Carving Fatbikes. Deren Absatz ist jedoch bisher noch skiverkäufe hinterlassen hat. «Wohl eher nicht. recht überschaubar. Das Fahrgefühl auf ebener Der typische Fatbike-Fahrer besitzt meistens Strecke und bergab ist dagegen ein Leichtes. Man schon ein bis zwei Mountainbikes und kauft sich spürt keinen Stein. Die breiten Reifen passen ein solches Rad höchstens als dritte Alternative sich selbst groben und scharfkantigen Boden- für den Winter», erklärt der Gstaader Tourguide unebenheiten an. Trotzdem ist das Fahrrad mit Claude Frautschi. Ein weiteres Argument dage seinen durchschnittlich rund fünfzehn Kilo gen sei die Unbeständigkeit des Wetters. Habe man keinen Schnee im Winter, fehle für viele der gramm kein Fliegengewicht. Ursprünglich wurden die Räder auch nicht für Grund, sich ein eigenes Fatbike anzuschaffen. unser bergiges Gelände konzipiert, sondern um Hinzu kommen die hohen Kosten. Für ein Qua in Alaska auf flachen, aber eisigen Schneedecken litätsvelo zahle man ab 1900 Franken aufwärts.
SARAH STUTTE
D
14 WW Magazin
November / Dezember
Trotzdem haben viele Bike-Shops seit der Wintersaison 2014 / 2015, als Fatbikes erstmals in grösserer Zahl erhältlich waren, solche in ihr Programm aufgenommen. Respektive stellen sie gleich selbst her, wie beispielsweise die Freibur ger Manufaktur Scott oder der Zürcher Betrieb Transalpes, der in das Eigenmodell «Fat 5» investiert hat. Dieses wurde, im Gegensatz zu den Fatbikes aus Alaska, eigens für die Topogra fie in der Schweiz entwickelt: Karbonrahmen, der Einsatz von kürzeren Kettenstreben für ein wendigeres Fahrverhalten oder das grosse Zube hörangebot sind weitere Anzeichen, dass hier auf gerüstet wird. Nicht vergessen sollte man auch die Städter, die mit dem Funbike vor allem auf den meist schneefreien Strassen von Zürich oder Bern herumkurven, um trendy zu sein. Ich konnte mich schliesslich aus der Vertie fung befreien. Wieder in der Spur, trat ich, was das Zeug hielt, um vorwärtszukommen und die kleine Anhöhe zu erreichen. Diese hatte mein Tourguide längst passiert. Ich sah ihn als sich langsam entfernenden, farbigen Punkt. Am Tag zuvor war ich im Tal auf einer geraden, aber leicht vereisten Strecke gefahren. Dort habe ich gelernt, dass man auf rutschigem Terrain weder das Bike laufen lassen noch zu viel bremsen soll. Dafür aber immer weitertreten, sonst haut es einen nicht nur aus der Spur, sondern unter Um ständen auch aus dem Sattel. Das gilt auch für Abwärtsfahrten. Durch das ständige Betätigen der Pedalen gewann ich endlich an Tempo, als ich den Hügel hinuntersauste. Ein tolles Gefühl!
HIER LÄUFT'S FETT: Die Tourismusdestination Zweisimmen-Gstaad engagiert sich besonders für den neuen Freizeit sport. Das Sparenmoos gilt als Zentrum fürs Winterbiken. Vom Bahnhof Zweisimmen werden die Räder mit dem Bus hinauftransportiert, sie können aber auch in der Bergstation gemietet werden. Seit drei Jahren findet hier im Januar das Snow-Bike-Festival statt, und damit das erste Rennen des Weltradsport-Verbands (UCI) auf Schnee. Fatbiken ist auch in Kandersteg, Davos, Disentis, Sedrun, St. Moritz, Andermatt, Melchsee-Frutt, in der Aletsch-Arena und im Obergoms möglich.
Nr. 4 2018
Wintersport-Kolumne Aussenbetrachtung
Der Erfinder schweisste zwei handelsübliche Felgen aneinander, zog einen breiten Gummimantel darüber – fettig ist das Fatbike.
Nr. 4 2018
November / Dezember
WW Magazin 15
Aussenbetrachtung Träume
Redaktion: SARAH STUTTE Illustration: LESJA CHERNISH
Briefing TRÄUME, SCHÄUME UND WAS BLEIBT
IDEEN IM SCHLAF
Für viele Künstler waren deren Träume ihre Musen schlechthin. Federico Fellini und Salvador Dalí liessen ihre nächtlichen Phantasmen in ihre Werke einfliessen. Paul McCartney erträumte die Melodie zu «Yesterday» und der Singer-Songwriter Townes Van Zandt sang sein Lied «If I Needed You» sogar im Traum. Als er erwachte, schrieb er den Text aus dem Gedächtnis nieder. 16 WW Magazin
November / Dezember
Nr. 4 2018
Träume Aussenbetrachtung
WARUM TRÄUMEN WIR? Das weiss niemand. Sigmund Freud dachte, der Traum würde sexuelle Wünsche offenbaren, die es in der Therapie zu entschlüsseln gelte. Schlafforscher s ehen im Traum eine Überlebensstrategie: Der Mensch entwickelt darin Problemlösungen und überwindet seine Ä ngste, um auf reale Situationen besser zu reagieren. Einigkeit herrscht unter Wissenschaftlern darüber, dass wir in allen Schlafphasen träumen – vom Einschlafen über den normalen Schlaf, den Tiefschlaf bis zum REM-Schlaf (ein Schlafzyklus, bei dem sich die Augen unter den geschlossenen Lidern heftig bewegen).
WILDE TIERE
Auch bei Tieren ist die R EM-Phase zu beobachten. Dabei stellte man fest, dass Tiere im Traum nicht nur Ereignisse wie Jagd oder Futtersuche verarbeiten. Forscherin Francine Patterson entwickelte die zeichenbasierte «Gorilla Sign Language», um mit Gorillas zu kommunizieren. Die Tiere e rzählten ihr von Angstträumen, in denen Wilderer eine Rolle spielten. WACHES GEHIRN
Quellen: Wikipedia, Beobachter, Welt, Spiegel Online, Eltern, Galileo TV, BR, Donna, Spektrum, Zeit, Traeumen
SEX UND GEWALT ODER EMOTIONEN
Seit den 1950er Jahren haben d iverse medizinische Studien ergeben, dass Männer anders träumen als Frauen. Der Mann befindet sich in seiner Traumwelt vielfach ausserhalb von Räumen, zudem beschäftigen ihn Themen wie Sex oder Gewalt mehr. Frauen verarbeiten hingegen zwischenmenschliche Konflikte und Emotionen. Zudem erinnern sie sich öfter an ihre Träume als Männer. Sie werden nachts häufiger wach, wodurch ihnen der jeweilige Traum einer bestimmten Schlafphase eher im Gedächtnis bleibt.
Nr. 4 2018
ALTE GRAUE
Die schottische Psychologin Eva Murzyn fand 2008 heraus, dass viele Menschen ihre Träume nicht farbig sehen, sondern nur in Schwarzweiss. Ausschlaggebend dafür ist das Alter. Kinder und junge
Erwachsene träumen im Normalfall in Farbe, danach werden die Fantasiewelten weniger bunt. Bei Menschen über 55 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit fünfmal höher, in Grautönen zu träumen.
LUZIDE TRÄUME
Der Träumer ist sich bewusst, dass er träumt, und übernimmt im Traum die Kontrolle. Dieses Phänomen nennt man luzider Traum oder Klartraum. Nur einer von fünf Menschen erlebt diese Träume regelmässig. Manche Klarträumer trainieren dabei ihre Fähigkeiten und können sich zum Aufwachen bringen. Am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie oder am C.-G.-Jung-Institut Zürich werden Klarträume erforscht. Dabei interessiert die Experten , ob Klarträume helfen können, Albträume zu verhindern.
November / Dezember
Sicher sind sich Wissenschaftler, dass das Gehirn nie schläft. Der Psychologie- und Soziologieprofessor G. William Domhoff stellte bei Untersuchungen im Schlaflabor fest, dass die wenigsten Träume wirklich absurd, sondern klare Schilderungen von Alltagssituationen sind. Auch die S prache im Traum m ache meist Sinn und sei grammatikalisch korrekt. Sein Fazit: Die Leis tung des G ehirns ist im Traum ähnlich hoch wie im Wachzustand.
BEDEUTUNG
Das Werk «Oneirokritika» aus dem 2. Jahrhundert nach Christus ist das älteste, komplett erhaltene Traumbuch. Geschrieben hat es Artemidor von Daldis, der für seine Studien durch Asien und Europa reiste. Es existieren jedoch Schriftrollen der Ägypter, die 2000 Jahre vor Christus schon zur Traumdeutung anleiteten. Es ging dabei etwa um häufige Traumbilder wie Verfolgung oder Tod. Während der Tod für den Wandel steht, bedeutet ein Verfolgungstraum, sich eigenen Ängsten zu stellen.
WW Magazin 17
Aussenbetrachtung Opener
Foto: ARMIN ZOGBAUM Redaktion: MARIANNE ESCHBACH
WW Magazin Nr. 4 T R EN D-R EPORT
A
Eine fast RUNDE Sache – oder was BUCHERER von ELLSWORTH KELLY lernte
Als Yunjo Lee in ihrem New Yorker Studio neue Formen für Schmuckstücke auspro bierte und auf einem Blatt Papier einen Kreis zeichnete, diesen dann ausschnitt, ihn in der Mitte entlang des Durchmessers knickte, stellte sie fest, dass der Kreis – von oben betrachtet – seine perfekte runde Form verlor und zum Oval gequetscht w urde. Bucherer hatte die Gestalterin beauftragt, eine Schmucklinie zu entwerfen, in deren Zentrum der Kreis steht. Zudem sollte die Kompetenz des Hauses in Sachen Diamanten hervorgehoben werden. Einige Werke des Künstlers E llsworth Kelly dienten Yunjo Lee als Vorbilder. Als sie lieferte, waren die Bucherer-Konstrukteure und -Steinfasser gefordert. Für jede verwendete Kreisgrösse und für jeden einzelnen zu setzenden Diamanten wurden genaue Pläne gezeichnet. Um die gewünschten Lichteffekte zu erzielen, braucht es perfekt geschliffene Diamanten, gefasst in akkurater Ausrichtung und Rotation. Kurz: Der Kreis musste zwar nicht quadriert, aber doch verformt werden, damit er, einmal gefaltet, von oben betrachtet wieder einen perfekten Kreis darstellt. Es dauerte über ein Jahr, bis die Kreisfläche in ihrer n euen Dimension überzeugte. Doch der Aufwand hat sich gelohnt.
18 WW Magazin
«B DIMENSION»SET von Bucherer, Weissgold mit insgesamt 3560 Brillanten und einem über zweikarätigen SolitärDiamanten auf dem Ring. Preise: Fr. 65 500.– (Ring), Fr. 15 800.– (Ohrringe), Fr. 45 000.– (Collier).
November / Dezember
Nr. 4 2018
Uhren & Schmuck Aussenbetrachtung
Redaktion: MARIANNE ESCHBACH
Trend-Report STONE FREE
FÜR SIE GEFUNDEN
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LIEBLINGSSTÜCKE
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9 1. Uhr «La D de Dior Satin Malachite»,
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Diamanten, Malachit-Zifferblatt, von DIOR, Fr. 15 200.–.
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teine mit sich herumzuschleppen muss keine Bürde sein. Designer setzen hier auf Understatement und verwenden statt Juwelen edle Mineralien wie Lapis, Malachit, Onyx.
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Edelstahl und Gelbgold mit
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2. Uhr «Oyster Perpetual Date Just 31», Gelbgold mit Diamanten, Malachit-Zifferblatt, von ROLEX, Fr. 42 100.–. 3. Uhr «Policromia», Weissgold und Gelbgold mit Diamanten, von FENDI, Fr. 25 000.–. 4. Uhr «Lady 8 Petite», Edelstahl mit Diamanten, Zifferblatt aus Aventurin, von JAQUET DROZ, Fr. 15 900.–. 5. Uhr «New Tonda Metropolitaine
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Galaxy», Edelstahl mit Diamanten, Zifferblatt aus blauem Aventurin,
GESEHEN BEI CHANEL
von PARMIGIANI FLEURIER, Fr. 12 000.–. 6. Uhr «Possession» , Roségold mit Diamanten und Karneol, von PIAGET, Fr. 17 300.–. 7. Plastron-Collier «Rose des Vents» von DIOR, Preis a. A. 8. Ohrstecker «B Dimension» von BUCHERER, Fr. 2400.–. 9. Ohrringe «Sassalbo» von KURZ, Fr. 1190.–. 10. Ohrhänger «Cactus» Gelbgold mit Diamanten und grünem Aventurin, von CARTIER, Fr. 11 700.–. 11. Ohrring «Lotus», von OLE LYNGGAARD COPENHAGEN, Preis a. A. 12. Ring «Serpent Bohème», von BOUCHERON,Preis a. A. 13. Ring «Sous le Signe du Lion», von CHANEL, Preis a. A.
Haute-Couture-Look, Herbst / WinterKollektion 2018.
Ring «Happy Hearts» aus Weissgold mit Diamant und Onyx von CHOPARD, Preis a. A.
Nr. 4 2018
14. Manchette «Azzurra», vergoldet, von AURÉLIE BIDERMANN,
ca. Fr. 940.–.
15. Bracelet «Alhambra» von VAN CLEEF & ARPELS, Fr. 4400.–.
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WW Magazin 19
Aussenbetrachtung Konsumgüter
Spezial-Report SCHICKE SCHUHE WAS MACHT EINER, DER'S GEMACHT HAT? ER MACHT'S NOCHMAL, ABER ANDERS. LERNEN SIE DEN BENCI-BRUDER KENNEN.
1. Kein Velosattel, sondern ein Stück Leder, auf das man steht. 2. Die Schuhe werden in Italien hergestellt, wo sonst? 3. Flaviano Bencivenga muss nicht mehr arbeiten, aber er will. 4. So sieht ein Benci-BrothersGeschäft in Zürich aus. 5. Schuhe: Goodyear Welted Derby Black, Fr. 680.–.
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6. Tasche: Papaya, in braunem Leder, Fr. 629.–.
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7. Sneaker: Scrambler High,
in Silber, Fr. 298.–.
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Frage: «Weshalb steht ein Velo im Schuhgeschäft?» Antwort: «Weil's dem Chef gefällt.» Wie alles, was er verkauft. Flaviano Bencivenga, Chef der Schuh- und Lederwaren-Marke Benci Brothers, kann es sich erlauben, so zu handeln – seit er den von ihm und seinem Bruder Bruno gegründeten Schuhhändler und -hersteller Navyboot verkaufte, ist er reich. Und muss nicht mehr arbeiten, er will bloss noch. Zurzeit gibt es drei Benci-Brothers-Läden in Zürich. Und es sollen mehr werden. Aber nicht in der Schweiz, dieser Markt ist satt, sagt er. München scheint ihm passend, dann vielleicht Berlin, Paris, London oder New York. Vorausgesetzt, er findet Ladenlokale, die ihm gefallen, und die Schuhe, Taschen et cetera, die er in Italien herstellen lässt, gefallen den locals. Wovon er eigentlich ausgeht, schliesslich gefallen sie ihm.
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November / Dezember
Nr. 4 2018
Bild: Salvatore Vinci
ie meisten Unternehmer wollen ihr Geschäft möglichst rasch möglichst gross machen. FLAVIANO BENCIVENGA ist nicht wie die meisten Unternehmer. Er hat ANDERE PLÄNE für seine Firma BENCI BROTHERS.
WW Magazin – die schönsten Seiten der Weltwoche – bereichert Ihr Leben vier Mal jährlich – die nächste Ausgabe: 25. APRIL 2019 – STILVOLLER LEBEN
Wir wünschen viel Lesespass! WW MAGAZIN Nr. 4 NOVEMBER / DEZEMBER 2018
Uhren und Schmuck
CARTIER S FRAU FÜR S SCHÖNE
Brief aus London
DAS «SAVOY » – HOT EL DER TRÄUME
DAS WUNDER VON LE BRA SSUS DIE EDEL STEN
STÃœCKE DER SAIS ON
Generation X
ALL ES ÃœBE R ETH AN HAW KE
SPRAY, BOY, SPRAY
Der beachtliche Aufstieg des street art ist Shepard Fairey zum Kunst sta r und Unternehmer
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Wie die meisten Männer in Echo Park, Los Angeles: Jeans, T-Shirt, T urnschuhe. Wenn da nicht der teure Ticker von Hublot am Arm wäre – Big Bang SapphireNr. 4 2017 All Black.
Bild: Gilles Toucas Bild: Xxxxxx für Hublot Xxxxxxx
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Styling: XXXX XXXX XXXX Model: XXXX XXXX
WW-Persönlichkeit Story
Text: Mark van Huisseling
Fashion-Bilder: Hadley Hudson
SHEPARD FAIREY Das Geschäftsmodell des amerikanischen Street-ArtKünstlers: qualitativ hochstehender Widerspruch, sagt er. Und sieht sich mit seiner Arbeit und Botschaft, immer noch, als Teil der Gegenkultur. Seit neuestem gestaltet er auch Schweizer Luxus-Chronografen. Nr. 4 2018
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WW Magazin 23
Story WW-Persönlichkeit
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Wenn man ihm in den Strassen von Echo Park begegnet, fällt er einem nicht auf. Er ist gekleidet wie die meisten Männer in dem nordöstlich von Downtown Los Angeles gelegenen Stadtviertel: Jeans, T-Shirt mit unverständlichem Aufdruck, T urnschuhe. Und wenn er seine favorite places, L ieblingsplätze, zeigt – « Barbrix», ein auf Brunch spezialisiertes Restaurant, oder die «Little Joy»Cocktailbar –, passt er bestens zu den anderen Gästen. Einzig im Plattenladen Sick City Records hebt der 4 8-Jährige den Altersschnitt der Kundschaft ein wenig an. Doch der Künstler respektive sein Werk strahlt weit über die Nachbarschaft aus, in der er mit seiner Frau und s einen Töchtern lebt und arbeitet. Frank Shepard Fairey, der den ersten V ornamen nicht benutzt, ist einer der wichtigsten S treet-Art-Künstler, erfolgreicher Grafiker sowie Illustrator zudem. Und während er beziehungsweise sein Name Leuten, die sich nicht für diese Art der Kunst im öffentlichen Raum interessieren, kaum bekannt ist, haben die meisten schon Bilder von ihm gesehen: sein blau-weiss-rot bearbeitetes Barack-Obama-Porträt mit dem Wort Hope, Hoffnung, am unteren Bildrand, das dieser während des Wahlkampfs 2008 verwendete, etwa. Oder seine «Marianne» in den Farben Frankreichs, die sogar Staatspräsident Emmanuel Macron in seinem Büro aufhängen liess. In der Ausstellung «Beyond the Streets» in L. A., wo bis Ende August dieses Jahres Werke von über hundert Graffiti- und Street-Art-Künstlern gezeigt wurden, war von Fairey unter anderem eine Wunschliste zu sehen. Einer seiner Wünsche, die er vor über zehn Jahren aufschrieb: Kunst und Kommerz mögen symbiotischer werden, sie brauchen einander. Gut möglich, dass viele Künstler so denken. Aber dies on the record, öffentlich, zu sagen, ist eine andere Geschichte. Tief sitzt die Angst, von Kollegen und Kritikern fortan als einer verurteilt zu werden, der «ausverkauft» habe. Besonders wenn es sich um einen Street-Art-Künstler handelt – oft beginnen diese ihre Laufbahn als Sprayer, die fremdes Eigentum nicht respektieren, und deshalb in Schwierigkeiten geraten. Sowie sich vom sogenannten Establishment, zu dem sie Unternehmen zählen, abgrenzen. Ein anderer erfolgreicher street artist, nebenbei, bemüht sich immer noch, seinen bürgerlichen Namen sowie seine wahre Identität geheim zu halten, wie im Wikipedia-Eintrag von Banksy, dem Künstler aus Bristol in England, steht. Obwohl Werke von ihm wie auch Arbeiten von Fairey sich längst in Museen sowie Sammlungen befinden respektive in Galerien verkauft werden. Shepard Fairey hält sich dagegen nicht zurück; er a rbeitete schon als junger Künstler unter anderem für Pepsi, Virgin, den
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britischen Mischkonzern von Richard Branson, oder Nike. Jüngstes Beispiel seiner Kooperationsbereitschaft ist die «Big Bang Meca-10 Shepard Fairey»-Edition, es handelt sich dabei um ein Chronografenmodell, das er für die Schweizer U hrenmanufaktur Hublot gestaltete (das Unternehmen, das zur französischen LVMH-Gruppe gehört, hat meine Reise nach sowie meinen Aufenthalt in Los A ngeles ermöglicht). Die wirtschaftliche Seite des Berufs zu meistern, sagte er mir während eines Treffens in den Mack-Sennett-Studios, deren Fassade heute eine grosse Wandmalerei von ihm schmückt und wo früher die ersten Filme mit Charlie Chaplin gedreht wurden, sei für Künstler gleich wichtig, wie inhaltlich gute Werke zu schaffen. «Wenn ich das Kommerzielle im Griff habe, gibt mir das Freiheit für meine Arbeit.» Er wird oder w urde mit seiner Kunst etwa von Deitch Projects und Pace Prints, beide in New York, oder von der Galerie Emmanuel Perrotin aus Paris vertreten. Wie viele Angelenos ist auch Fairey ein Zuzüger, er kommt aus Charleston in South Carolina; bevor er sich in Südkalifornien niederliess, schloss er die Rhode Island School of Design mit einem Bachelor in Illustration ab. Als er noch studierte, fiel er bereits mit seiner «André The Giant Has A Posse»-Kampagne auf. Es handelt sich dabei um eine Aktion voll von Referenzen und A nlehnungen, wie sie bei Jugendcliquen beliebt sind; Shepard war ein Mitglied der Skateboarder-Gemeinde – er zählt sich noch immer dazu – und stiess zufällig auf Reklamen eines französischen Ringers mit N amen André und Beinamen the giant, weil er angeblich 2,24 M eter mass sowie 236 Kilo wog. Die «Posse» waren seine Skater-Kumpel. Daraus entstand die «Obey»-Kampagne, die sich durch die Reproduktion der Aufkleber zu einer weltweiten Kampagne entwickelte (Quelle: Wikipedia). Obey, was gehorchen heisst, bezieht sich auf einen John-Carpenter-Film. H eute heisst Faireys Kleidermarke Obey – wir haben für diesen A rtikel junge Leute in L. A. gecastet, ausgewählt also, und in Teilen der a ktuellen Kollektion fotografiert. Die Marke ist auch in der Schweiz in Geschäften erhältlich sowie bei Online-Anbietern.
Er versteht es, s eine E rgebnisse in einem h ochtrabenden Kontext zu präsentieren. In der Folge arbeitete er zusammen mit Partnern als sogenannter Guerilla-Vermarkter, später gründete er seine eigene Agentur Studio Number One, um high-impact-Marketingkampagnen für Kunden zu realisieren. Dass er trotz der kommerziellen Ausrichtung eines Teils seiner Arbeit nicht als sell out – einer, der sich verkauft – wahrgenommen wird oder wurde, hat wohl auch damit zu tun, dass er es versteht, seine Ergebnisse in einem recht hochtrabenden Kontext zu präsentieren: Die Wirksamkeit seiner Aufkleber-Reklame zum Beispiel begründete er mit Erkenntnissen der Phänomenologie, einem Konzept von, unter anderem, Martin Heidegger, dem deutschen Philosophen. Zudem arbeitet er regelmässig mit Musikern, die hohe street credibility, Glaubwürdigkeit, geniessen, etwa Neil Young oder die Band Interpol, für die er Album-Covers gestaltete. Mit seinem Hope-Plakat für Barack Obama hätte Fairey eigentlich endgültig der künstlerischen Oberschicht zugerechnet werden können. Immerhin wurde der darauf im Pop-Art-Stil Abgebildete zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.
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Nr. 4 2018
WW-Persönlichkeit Story
«PROSPECT JUMPSUIT» VON OBEY Die Schauspielerin und Tänzerin Gabriela Bloomgarden trägt einen Overall im Mechaniker-Look. «EIGHTY NINE ICON ZIP HOOD» David Bywater, 23, Surfer und Model im Hoodie, trägt eine Classic Fusion Integrated Bracelet von Hublot.
Nr. 4 2018
November / Dezember
WW Magazin 25
Story WW-Persönlichkeit
«BRIGHTON SWEATER DRESS» Mahalia Jean-Pierre, 22, Malerin und Musikerin, auch Schauspielerin, trägt ein Pulloverkleid und auf dem Arm: Sohn Judah. «BENDER EYES DENIM» Tristan, 21, Sohn der Fotografin, in der klassichen five-pocket denim.
26 WW Magazin
November / Dezember
Nr. 4 2018
WW-Persönlichkeit Story
«CLIFTON LEOPARD JACKET» VON OBEY Kreativ-Director Chancellor Warhol, 35, trägt eine Bomberjacke aus Wildleder. DIE MARKE DES KÜNSTLERS Obey heisst gehorchen und bezieht sich auf einen John-Carpenter-Film.
Nr. 4 2018
November / Dezember
WW Magazin 27
Story WW-Persönlichkeit
«AMERICAN DREAMERS» Ein Gemeinschaftswerk von Shepard Fairey und Vhils, dem Street-Art-Künstler aus Portugal, Mack-Sennett-Studios in Silver Lake, Los Angeles. «BASTARDS LEATHER JACKET» VON OBEY Der 23-jährige David Bywater in einer Biker-Lederjacke.
28 WW Magazin
November / Dezember
Nr. 4 2018
Und das Werk wurde zu dessen Amtseinführung von der Smithsonian Institution in Washington, dem grössten Museum der Welt nach eigener Angabe, gekauft; seither ist es in der dazugehörenden National Portrait Gallery ausgestellt. Doch das Bild verschaffte dem Künstler nicht bloss mehr Beachtung, er wurde deswegen auch in einen Rechtsstreit verwickelt, der Jahre dauerte. Weil er das Foto, das er bei einer Recherche im World Wide Web mittels Google gefunden und ohne Einverständnis der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) verwendet hatte. Die Bildrechte lagen bei AP. Die Agentur und Fairey einigten sich schliesslich – sie teilten die Rechte, Einzelheiten des Vergleichs wurden nicht veröffentlicht. Der bisherige Höhepunkt seiner Laufbahn vom Skater zum Pop kulturhelden erfolgte Anfang 2012: sein Gastauftritt in der 23. Staffel der «Simpsons», der Zeichentrickserie. In der Folge «Exit Through the Kwik-E-Mart» möchte Fairey as himself Graffiti von Bart Simpson in einer Galerie zeigen, weil er dessen Arbeit mag. Der Titel der Episode, übrigens, ist eine Anspielung auf «Exit Through the Gift Shop», den Film von Banksy, in dem Fairey einen längeren Auftritt hat. Nun hat er also eine Uhren-Edition für Hublot gestaltet. Für die Marke mit dem Slogan «The Art of Fusion» ist das wohl ein Scoop. Die Verbindung von Kunst und Uhren sei eine naheliegende, sagt Ricardo Guadalupe, CEO der Firma. Für Hublot allerdings wäre nicht die Zusammenarbeit mit einem klassischen Künstler in Frage gekommen, sondern eben mit einem Street-Art-Künstler – «Street-Art hat mit Technik zu tun. Und sie ist disruptiv, das korrespondiert gut mit unseren Markenwerten», sagt er weiter. Als Aussenstehender neigt man dennoch zu Zweifeln: Ist, tatsächlich, ein Künstler aus der Gegenkultur, auch wenn der sagt, es sei nur eine «romantische Idee, dass Kunst rein ist und frei von kommerziellen Interessen entsteht», der geeignete Imageträger für Uhren, die 26 900 Franken das Stück kosten? Es sieht so aus – die auf 200 Stück begrenzte «Shepard Fairey»-Edition, die
im vergangenen Mai vorgestellt wurde, verkaufe gut, schrieb eine Hublot-Sprecherin in einer E-Mail, man habe ziemlich viele Bestellungen dafür. Persönlich wäre ich überrascht, falls die Mehrheit der Käufer bereits vorher mit Shepards Werk vertraut waren. Mit anderen Worten: Sie kauften die Uhr, weil ihnen der Entwurf gefiel. Nicht, weil sie Fans seines Werks sind. Was den Künstler mit dem Leitspruch «Herstellung qualitativ hochstehenden W iderspruchs seit 1989» nicht stört. Er könne so sein Werk einem P ublikum zeigen, das er vorher nicht erreicht habe. Er nennt das cross pollination; der Begriff wird in der Botanik verwendet, wenn Sorten übergreifende Befruchtung stattfindet, Zucchini und Kürbis beispielsweise. Und andersrum – was halten wohl Shepard Faireys Anhänger davon, dass er neu auch Luxus-Chronografen verschönert? Sein Publikum, glaubt er, «is going to dig it», wird drauf stehen. Was er allerdings nicht unkommentiert stehen lässt, ist die B ezeichnung Luxus-Chronograf: An Hublot möge er besonders, dass die Firma eben gerade keine show-offy Uhren, keine für Aufschneider, herstellt, sagt er. In den Mack-Sennett-Studios ist alles bereit für die Party zur Lancierung von Shepard Faireys erster Uhrenkollektion. Der Künstler wird dabei wenig sagen, das überlässt er dem suit, Hublot-CEO Guadalupe, der zwar ein Jackett trägt, aber keine Krawatte. Er dagegen wird seine Botschaft durch Musik überbringen, er ist schliesslich auch DJ und Emcee, seine Künstlernamen sind Diabetic und Insulin (er ist Diabetiker). Was er spielen werde, frage ich. Viel ä ltere Sachen, sagt er, etwa von The Clash, seiner liebsten Band a ller Zeiten. Er bewundere ihre Mischung aus «Haltung, politischer Botschaft, Stil und Furchtlosigkeit.» Furchtlosigkeit? «Ja, sie b ewegten sich leichtfüssig zwischen allen möglichen Stilen, blieben dabei immer sich selber. Doch sie hatten keine Angst, ihre Farbpalette zu erweitern.» Etwas, was jeder Künstler tun sollte, findet er.
Bilder: Courtesy of Shepard Fairey / obeygiant.com, FOX / The Simpsons «Exit Through The Kiwk-E-Mart»
KLEINER BLICK INS GROSSE WERK
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1. «MARIANNE» Shepard Faireys Entwurf der französischen Nationalfigur hat's ins Elysée geschafft, ins Büro von Präsident Macron.
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2. «ANDRE THE GIANT HAS A POSSE» Wir sehen die Reklame eines Ringers; der Künstler sieht einen Anwendungsfall von Heideggers Phänomenologie. 3. ZU GAST BEI DEN SIMPSONS Viel weiter aufsteigen kann man nicht, was Popkultur angeht, als in der Zeichentrickserie aufteten zu dürfen, als sich selber.
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4. «GUNS & ROSES» Das Werk aus dem Jahr 2007 kann man online als Poster kaufen für ungefähr 20 bis 25 Franken.
HUBLOT x SHEPARD FAIREY «Big Bang Meca-10» im Design des Street-Art-Künstlers.
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Bild: Xxxxxx Xxxxxxx
Styling: XXXX XXXX XXXX Model: XXXX XXXX
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Hotel Savoy Story
Text: PETER BOLLAG
GRAND HOTEL OBEN: So geht room service in einem Haus, wo's keine Minibar im Zimmer gibt: Butler. LINKE SEITE: Namensgeber Graf Peter von Savoyen auf dem Vordach (oben). Unten: Rechtsverkehr auf der Insel – nur hier.
Bilder: Courtesy Fairmont Hotels
Man kann im «Savoy» in London wohnen, wenn man das Fünfsternehaus kennenlernen will. Man muss aber nicht. Unser Autor verrät, wie's geht, dass man erzählen kann, schön sei's gewesen, neulich, in der Royal Suite . . . Nr. 4 2018
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Protzig, neureich, grossspurig: Viele Londoner würden das «Savoy», eines der grossen Hotels der Welthauptstadt der grossen H otels, wohl mit solchen, eher unbritisch anmutenden Adjektiven versehen. Das hat auch mit der wechselhaften Geschichte des Hauses zu tun. Wer das «Savoy» aber bei einem London- Aufenthalt selbst einmal besuchen will und sich dem unweit des Trafalgar Square oder Buckingham Palace im Zentrum gelegenen Gebäude nähert, staunt zuerst einmal. Von Protzigkeit keine Spur: Die Luxusherberge steht nämlich fast versteckt zwischen Restaurants, Bankhäusern und Hochpreis- Boutiquen. Allenfalls wirkt der goldene Graf Peter von Savoyen – als Statue auf dem Dach des Eingangs –, der dem Ganzen mit seiner Herkunft den Namen gab, und der streng über den Londoner Autoverkehr wacht, ein wenig übertrieben. Wer die ebenfalls eher diskrete L obby b etritt, hat möglicherweise eine erste Attraktion bereits verpasst; um sie wahrzunehmen, muss man allerdings Insider sein, oder Autofahrer: Das Mini-Strässchen vor dem Hoteleingang ist das einzige auf der britischen Insel, auf dem rechts und nicht links gefahren wird. Die Erklärung für diese kleine, aber feine Besonderheit findet sich direkt neben dem Hotel in Form des SavoyTheaters, im Art-déco-Stil erbaut. Vor dem Theater, das eigentlich der Grund war, überhaupt ein Hotel zu bauen, drängen sich bei den abendlichen Vorstellungen die Menschen vor dem Eingang. Und wer früher mit dem Auto vorfuhr, konnte dem Portier den Schlüssel zum Parkieren übergeben. Und da war der Rechtsverkehr ganz einfach praktischer. Solche Feinheiten verblassen aber, b etritt man das Hotel: Dort erblickt der Gast schon von weitem das «Thames Foyer» mit seinen grossen Lüstern und der Glaskuppel – ein klassischer Wintergarten mit vielen Tischen und Stühlen, an denen am Nachmittag der cream tea, eines der kulinarischen Überbleibsel des britischen Empires, serviert wird. Die Tische sind begehrt, bei unserem Besuch hatten, so sah es aus, vor allem junge asiatische, arabische und indische Paare frühzeitig reservieren lassen. Diese scheinen vor lauter
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Selfies allerdings kaum dazu zu kommen, den Tee oder Kaffee, die dreieckigen WeissbrotSandwiches sowie die scones mit geschlagenem Rahm zu geniessen. Und das für immerhin 65 Pfund pro Person. Und von den Gemälden mit all den Berühmtheiten von Marlene Dietrich bis zu Ihrer Majestät Queen Elizabeth II, die schon im Hotel abgestiegen sind oder dieses zumindest mit einem Besuch beehrt haben, scheinen diese Gäste ebenfalls unbeeindruckt. Gleich nebenan, in der «American Bar», sitzt einmal im Monat Susan Scott mit acht Gästen, vor ihnen stehen dann jeweils Champagner und Häppchen. Scott ist die «Savoy»-eigene Hotelhistorikerin, nach ihren Angaben eine der ganz wenigen, wenn nicht sogar die einzige der Welt. Die eher unscheinbare Frau verwaltet die reichhaltige Geschichte des 1889 eingeweihten Hotels; sie trägt dafür zusammen, was ihr an Fundstücken und Anekdoten von damals bis heute so begegnet. An Misses Scott kommt nicht vorbei, wer sich von prominenten Menschen im Hotel erzählen l assen möchte. Etwa wie das war, als einer 1905 (es war der amerikanische Champagner-König George Kessler) seinen Geburtstag hier feiern und dafür aus dem Haus ein kleines Venedig machen wollte. So wurde ein ganzer Saal geflutet und die Gäste feierten stilecht in venezianischen Gondeln. Enrico Caruso sang und ein Elefant trug die meterhohe Geburtstagstorte herein. Solchen Events verdankte das «Savoy» wohl auch seinen Ruf. Egal, dass das Haus zu anderen, schweren Zeiten ein viel erns teres Gesicht zeigte: Hier tagte nämlich auch Churchills Kriegskabinett. Der Premier gehört zu den fetten Namen, die Haushistorikerin Scott gerne erwähnt. Immerhin hatte er hier seinen letzten öffentlichen Auftritt: Die Telefonkabine, die er dabei kurz benutzte, ist zwar nicht mehr in Betrieb, wurde aber so stehengelassen. Und, of course, tummelten sich auch die Royals im «Savoy» – die Queen und Prinz Philip zeigten sich etwa zum ersten Mal gemeinsam der Öffentlichkeit. Schauspieler wie der Ire Richard Harris (Professor Albus Dumbledore in «Harry Potter»), trugen ebenfalls zur Legendenbildung bei. Und das kam so: Harris bewohnte einige Zeit eine Suite im «Savoy». Kurz vor seinem Tod 2002 wurde er seines schlechten Gesundheitszustandes wegen auf einer Bahre quer durch die Hotelhalle getragen. Das erregte bei zahlreichen Gästen Aufsehen. Doch, zwar krank, aber immer noch Komö diant, richtete er sich mitten in der Lobby von der Bahre auf, hob einen Finger in die
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Höhe und sagte: «It's the food, ladies and gentlemen, the food.» Das waren noch Zeiten, sagt auch Scott. Unter anderem, weil Berühmtheiten, die heute im «Savoy» wohnen, auf Diskretion mehr Wert legen und dies auch vom Hotelpersonal geboten wird. «Das ist der Unterschied zu früher», sagt sie, « damals informierten Hotelangestellte von sich aus Journalisten.» Heute wäre das wohl ein Kündigungsgrund, die meisten Gäste wollen nicht in der Zeitung oder den sozialen Medien veröffentlichen, wo sie wohnen. Verständlich aus der Sicht der Gäste, schade für die Betreiber des Hauses. Denn während dreier langer Jahre, zwischen 2007 und 2010, wurde das «Savoy» aufwendig renoviert, die Arbeiten kosteten 220 Millionen Pfund (damals rund 500 Millionen Franken). Dafür sind die 268 Zimmer seither wieder auf dem neuesten und luxuriösesten Stand. Das viele Geld, nebenbei erwähnt, investierte der neue Besitzer, der saudische Prinz und Unternehmer Al-Walid ibn Talal Al Saud, der das Hotel kurz zuvor, im Jahr 2005, gekauft hatte. Besonders schick: die Royal Suite. D iese ist grosszügig, erstreckt sich über m ehrere Zimmer und bietet vielleicht den besten Themse-Blick der Stadt. Im Preis von 14 000 Pfund (18 000 Franken) je Nacht ist das Frühstück nicht inbegriffen, dafür zwei Butler, die den Gästen den Aufenthalt noch angenehmer gestalten. Die Konkurrenz in der hospitality indus try hat natürlich nicht geschlafen, während sich die Gäste ausruhten. Mit anderen Worten: Auch andere Häuser haben umgebaut und investiert. Manchmal leistet aber auch eine Idee, die nichts kostet, gute Dienste. «Wir kamen auf die Idee, Führungen anzubieten und Interessierten zu zeigen, dass wir wieder da sind», sagt Scott. Das ist mittlerweile wahrscheinlich bekannt, und somit hätte es das «Savoy» wohl gar nicht mehr nötig, seine grossen Geschich ten zu erzählen. Andererseits, why not? Und darum bleiben die Türen des Londoner Hauses vorläufig einmal monatlich während zweier Stunden für Gäste geöffnet, die noch keine sind. Die Tour ist interessant. Und anschliessend kann man, unbritisch unbescheiden, erzählen, wie’s war, neulich in der Royal Suite des «Savoy».
Die Hoteltour mit Susan Scott findet jeden ersten Montag im Monat statt (ausser Januar), sie kostet 40 Pfund pro Person und muss vorangemeldet werden unter savoy@fairmont.com.
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Bilder: Courtesy Fairmont Hotels
Story Hotel Savoy
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OBEN: So grand kann eine Nische sein, in der «Beaufort- Bar». UNTEN: Das «Thames Foyer», wo nachmittags cream tea serviert wird.
3 Her Majesty (und andere)
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1. Marilyn Monroe mit Sir Laurence Olivier, 1956. 2. Christian Dior 1950, umringt von Models. 3. Königin Elizabeth II mit Schriftsteller Noël Coward. 4. Charlie Chaplin mit Ehefrau Oona O'Neill, 1952. 5. Savoy river front: Postkarte um 1900.
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Nr. 4 2018
Bild: Daniel Dorsa / The New York Times / Redux / laif
Berühmtheit treffen Story
UND ETHAN GING ZUM REGENBOGEN
Schauspieler in grossen Produktionen genauso wie in kleinen Studiofilmen, Drehbuchschreiber, Regisseur und KÜNSTLERISCHER LEITER seiner eigenen Theatertruppe, Autor von Romanen und Kinderbüchern – ETHAN HAWKE macht nicht nur vieles, er macht auch vieles gut.
Text: Sarah Stutte
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Er ist ein Mann, der durch die Zeit fällt. Und zwar im besten Sinne. Sie rinnt ihm nicht wie Sand durch die Finger, er entlarvt sie als Illusion und macht sie sich so zu eigen. «Für
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mich passieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer zusammen, im gleichen Augenblick», sagt der 47-jährige Ethan Hawke. Doch wie schafft er das bloss? Das fragt sich, mit einer Mischung aus Be- und Verwunderung, auch sein enger Freund Antoine Fuqua, der als Regisseur mit ihm schon 2002 und 2009 für die Actionthriller «Training Day» (für den Hawke als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert wurde) und «Brooklyn's Finest» zusammenarbeitete und wie Hawke dieses Jahr am Filmfestival in Locarno war: «Stress scheint er nicht zu kennen. In der Drehpause schreibt er seine Storys, um danach ins Theater zu rennen und am Abend noch ein offenes Ohr für seine Frau und vier Kinder zu haben.» Vielleicht wirkt Ethan Hawke deshalb so geerdet, als er mit angegrautem Bart und in einem mit Quallen bedruckten Hemd im Tessin eintrifft, um für sein schauspielerisches Werk ausgezeichnet zu werden: dafür, dass er schon seit mehr als dreissig Jahren auf der
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Leinwand zu sehen ist. Hawke findet das lus tig. Er, der bodenständige Träumer, der fern von Hollywoods Glanz und Glamour seine Ideale und damit seinen Platz gefunden zu haben scheint, wird für etwas geehrt, das selbstverständlich ist für ihn. «Das ist so, als ob ich einen Preis dafür bekomme, eine Nase im Gesicht zu haben», sagt er und lacht. Der Mann, der mit Uma Thurman verhei ratet war, ist ein aufmerksamer Zuhörer. Er reagiert überlegt auf meine Fragen, nachdem er minutenlang in seinen Gedanken verloren zu sein scheint. Eine tiefenentspannte Weisheit scheint ihn zu umgeben, die man von einem Filmstar, wie er einer ist, höchstens erwartet, nachdem er Kraftorte in Indien besucht hat. Doch Hawke braucht solche nicht, man spürt auch so seine Neugier und Zuneigung. Wie bei einem Schüler, der nie aufhören will zu lernen. Einen solchen mimte der 1970 in Austin Geborene, der bereits als Vierzehnjähriger vor der Kamera stand, 1989: Als wissbegieriger
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Berühmtheit treffen Story
Bild: Xxxxxx Xxxxxxx
Daddy cool – mit den beiden Töchtern aus der Ehe mit Ryan Shawhughes, ehedem Kindermädchen der Eheleute Hawke und Thurman (Uma!).
Nr. 4 2018
November / Dezember
Bild: Daniel Dorsa / The New York Times / Redux / laif
«Das ist so, als ob ich einen Preis dafür bekomme, eine Nase im Gesicht zu haben», sagt er über die Auszeichnung für sein schauspielerisches Werk, die er diesen Sommer am Filmfestival Locarno entgegennahm.
Zögling des Lehrers mit aussergewöhnlichen Unterrichtsmethoden, gespielt von Robin Williams, feierte er in «Der Club der toten Dichter» seinen Durchbruch als Schauspieler. In Williams, der 2014 starb, sah er eine Vaterfigur, einen wichtigen Mentor und einen Teil seiner Seele – auch im richtigen Leben. «Auf meinem Schreibtisch stehen immer noch ein Bild von ihm und ein Gedicht. Als Erinnerung an die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten», sagt er. Williams habe ihn Bescheidenheit gelehrt, weil er ihm sagte, dass er, Hawke, noch nichts über das Leben wisse. «Ich war neunzehn Jahre alt und hatte gerade erst angefangen, mir philosophische Fragen zu stellen», sagt Hawke. Den Blick stärker auf den existenziellen Sinn gerichtet, wählte er in der Folge auch seine Rollen aus. Anfang der 1990er Jahre überzeugte Hawke in seinen Darstellungen als Überlebender eines auf wahren Begebenheiten beruhenden Flugzeugabsturzes («Alive») oder als Verlierer der Generation X («Reality Bites»).
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Story Berühmtheit treffen
Dann traf er einen Regisseur, Texaner wie er selber, mit dem er die nächsten Jahre erfolgreich zusammenarbeiten sollte – Richard Linklater. Bis heute realisierten sie gemeinsam acht Filme. Darunter Independent-Perlen wie «Waking Life», einen mit dem RotoskopieVerfahren hergestellten Film über luzides Träumen: Hawke liegt im Bett und sinniert über die Illusion unseres Wachzustandes, das, was wir als Wirklichkeit empfinden. «Vielleicht», glaubt er, «existieren wir alle nur in der Vorstel lung anderer.» Auch die mehrfach ausgezeichnete Trilogie «Before Sunrise» (1995), «Before Sunset» (2004, Hawkes zweite Oscar-Nominierung, diesmal für das Drehbuch) und «Before Midnight» (2013), befasst sich diskussionsreich mit der Sinnsuche eines jungen Liebespaars. Immer wieder werde er gefragt, ob die Dialoge improvisiert waren. Doch Hawke bekräftigt, dass er zusammen mit Linklater und Schauspielerin Julie Delpy fast endlos daran geschrieben und gefeilt habe. «Das Problem ist oft, dass das, was du vorbereitest, nicht das ist, was du schlussendlich zeigen kannst. Es ist nicht das Beste, was du fühlst und anzubieten hast. Weil es sich auf dem Weg verliert. Wir haben irgendwann aufgehört, den Moment kontrollieren zu wollen. Vermutlich wirkten wir deshalb so authentisch in den Filmen», sagt er. Mit «Boyhood» schufen Hawke und Linklater 2014 ein einmaliges, experimentelles Filmwerk, dessen Dreharbeiten sich von 2002 an über zwölf Jahre erstreckten. So alterten und wuchsen die Schauspieler im Verlauf der langen Filmarbeit wirklich und die Rollen konnten mit derselben Besetzung inszeniert werden. «Wir waren beide so fasziniert von der Buchvorlage und der Idee, dass Film die Zeit einfrieren kann», sagt Hawke. Und: «Das ganze Projekt war ein Handschlag-Deal, immer in der Hoffnung, dass alle im nächsten Jahr wiederkommen, aber ohne jegliche Sicherheiten. Was, wenn jemand von uns bei einem Autounfall gestorben wäre?» Doch langsam
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sei das Unterfangen etwas geworden, in das sich alle verliebten. Sie seien gespannt darauf gewesen, wie sich die anderen in einem Jahr entwickelten. «Der Film zeigte, dass das Leben in jeder Sekunde unglaublich ist. Es ist immer jetzt, und jetzt ist immer schön», sagt er. Je älter er werde, desto wichtiger seien solche Kollaborationen für ihn. Ein Ausdruck gegenseitigen Vertrauens, an dem er stets wachse. Sein erster Roman «The Hottest State» (Deutsch «Hin und weg»), habe er 1996 deshalb so stark autobiografisch gehalten, weil man ihm geraten habe, über das zu schreiben, was er kenne. «Du bist ignorant und merkst erst später, dass deine Erfahrungen nicht so einmalig sind, wie du gedacht hast.» Doch je mehr man sich öffne und versuche, sich in jemand anderen zu versetzen, desto mehr lege man zu. Nicht nur an Fähigkeiten, sondern auch an Respekt vor anderen Ideen und vor der Kunst an sich, sagt er. Trotzdem müsse man als Künstler immer ängstlich bleiben. «Wahre Stärke setzt ein Gefühl von Ohnmacht voraus. Wir haben nur eine begrenzte Zeit, in der wir das, was wir machen, gut machen können.» Doch sei es heute schwieriger denn je, Gutes von Wert zu produzieren. Moderne Literatur und Filme finde er oft steril und seelenlos. «Wenn du alte Bücher liest, kannst du spüren, dass die Autoren jede Nacht durchgeschrieben haben. Du fühlst Charles Dicken's Tränen auf dem Papier. Er war ungeschliffen und gewillt, das Leben zu akzeptieren, wie es ist.» Danach strebte auch Hawke in seiner dritten Regiearbeit, dem Film «Blaze», der diesen Herbst im Kino zu sehen war. Der Film, sein Herzensprojekt, erzählt vom unruhigen Leben und dem gewaltsamen Tod des nicht sehr bekannten texanischen Country-Musikers Blaze Foley. Auch er war ein Suchender, der von Freiheit träumte. Und in einem Baumhaus und in seiner Musik lebte. Gewirkt hatte Foley zur Hauptsache in den 1970er Jahren. Er war mit anderen als schwierig geltenden Musikern, etwa Townes
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Van Zandt, befreundet und von der OutlawBewegung geprägt, der Rebellion texanischer Country-Singer-Songwriter gegen Vorgaben von Musikproduzenten und Plattenfirmen aus Nashville. Zuvor, in den Sechzigern und Siebzigern, hatten sich schon Künstler wie Johnny Cash oder Willie Nelson dagegen aufgelehnt, wenn ihnen gesagt wurde, was für Musik sie zu schreiben und spielen hätten. «Musikfilme sind meistens nur berühmten Künstlern gewidmet. Doch wer sagt denn, dass diejenigen, die nie den grossen Sprung geschafft haben, weniger wichtig seien?», sagt Hawke. Seinen Film wollte er wahrhaftig wirken lassen: Einerseits, was die Musik angeht, die zurück zu den Wurzeln des Country führt, andererseits wollte er auch den Blick auf die wilde, in sonnenglänzenden Brauntönen eingefangene Schönheit der Südstaaten richten sowie auf die Darsteller, die teils bekannte Musiker sind, teils Foleys damalige Lebens- und Weggefährten. Als Filmbiografie sieht Hawke seinen «Blaze» aber nicht, denn eine solche sei eigentlich eine Lüge. Weil es in einem Rückblick auf ein Leben nie nur um einen Menschen ginge. «Wir sind alle miteinander verbunden. Jeder trägt die Flamme in sich, die Blaze hatte, weshalb es auch jeder verdient, dass seine Geschichte erzählt wird», sagt er. Die nicht stringent erzählte Handlung, die sich zwischen den verschiedenen Zeiten und Figuren bewegt, gleicht der Flamme, von der er spricht. Dem flackernden Schein einer Kerze, der immer wieder kurz in das Leben leuchtet, um sich dann wieder in die Dunkelheit zurückzuziehen. «Kreativität passiert in Wellen. In leichten, die dich tragen, und in dunklen, in denen du dich verlierst. Doch beide kreieren eine Kunst, die mich Lebendigkeit spüren lässt.» Bis ins hohe Alter soll dieser Zustand für ihn anhalten. Bis er achtzig ist und Richard Linklater neunzig. Und dann? «Dann drehen wir zusammen einen Film über King Lear. Unser letzter grosser Auftritt, bevor wir uns in den Ruhestand verabschieden.»
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Bilder: mauritius images, Universal Pictures
«Es war ein Handschlag-Deal, in der Hoffnung, dass alle im nächsten Jahr wiederkommen. Aber was, wenn jemand bei einem Autounfall gestorben wäre?» Hawke über «Boyhood».
«Blaze» (2018) – ein Film von Ethan Hawke über den Musiker Blaze
Foley und die Outlaw-Bewegung der 70er Jahre in Amerika.
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«Der Club der toten Dichter» (1989
Bild: Xxxxxx Xxxxxxx
«Before Sunrise» mit Julie Delpy (1995)
«Boyhood» (2002 bis 2014)
Bild: Yann Deret
Cartier Story
INNENARCHITEKTIN
du jour
LAURA GONZALEZ , Pariserin
mit spanischen Eltern, g estaltet für Cartier zahlreiche B outiquen in ganz Europa. Heute geht es dabei nicht mehr darum, das CORPORATE DESIGN überall anzuwenden. Sondern, sich EGIONALEN UNTERSCHIEDEN R und EIGENHEITEN anzupassen. Was das für die ZÜRCHER BOUTIQUE heisst, ist interessant.
Text: MARIANNE ESCHBACH Nr. 4 2018
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ie ist zwar erst seit zehn Jahren im Geschäft, fing aber bereits an zu arbeiten, als sie die Ausbildung noch nicht einmal abgeschlossen hatte. Und bereits gilt sie als Innenarchitektin von tout Paris: Privathäuser, diverse Pariser Restaurants («L’Alcazar», «Noto», «Régine’s Club», «Le Thiou», «Le Wood»), das luxuriöse Boutique-Hotel «Relais Christine». Aber auch ausserhalb von Paris – die Boutiquen von Christian Louboutin in Amsterdam und Barcelona wurden von ihr gestaltet. Zu ihren Kunden gehört seit zwei Jahren auch der Schmuck- und Uhrenhersteller Cartier. Als u nser Treffen in Paris stattfand, Anfang Oktober, stemmte sie mit ihrem Team zehn grosse Vorhaben gleichzeitig. Wie geht das? Nun, Laura Gonzalez ist Pariserin (mit spanischen Eltern) und Pariserinnen kriegen dank des «Je ne sais quoi»-Faktors spielend alles auf die Reihe: zwei Kinder, e inen Ehemann (er arbeitet ebenfalls in ihrem Geschäft mit) und, eben, zehn Baustellen. Dass L aura Gonzalez im Überschalltempo redet und vermutlich in Lichtgeschwindigkeit denkt, hilft bestimmt auch ein wenig bei der Bewältigung der Aufgaben. Ihre Firma Pravda Arkitect, gelegen im schicken 16. Arrondissement, entspricht nicht der Vorstellung, die man von einem jungen und angesagten Architekturbüro hat. Es befindet sich im Erdgeschoss eines grossbürgerlichen Wohnhauses. Atelier-Groove fehlt, stattdessen ist das Bureau elegant und alles wirkt wohlorganisiert. Darauf angesprochen, sagt Gonzalez, sie gelte in ihrem Bekanntenkreis als die grosse Organisatorin – und dürfe deshalb jeweils auch die Hochzeiten ihrer Freunde managen. In ihrem Beruf sei ein strukturiertes Naturell aber sehr hilfreich, etwa um komplexe Baustellen zu führen. «Als ich vor zehn Jahren anfing, bin ich in eine Männerdomäne eingestiegen, andere Frauen taten es auch. Wir gewinnen immer mehr Anerkennung», sagt sie. Muster von Mineralienplatten in diversen Farben reihen sich
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Story Cartier
Die Globalisierung und die damit einhergehende optische Standardisierung der Einkaufswelt haben zu austauschbaren Geschäften in identischem Design geführt. «Das war ein Irrtum», sagt Laura Gonzalez. «Und der wird jetzt korrigiert.» Durch eine Einrichtung, wie man sie so nur jeweils an einem Ort antrifft.
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Ring «Cactus de Cartier», Gelbgold, Lapislazuli und 55 Diamanten. Fr. 22 200.–.
Tasche «Guirlande de Cartier», erhältlich auch in Grün oder Schwarz. Fr. 3100.–.
1. Die Boutique ist neu fast achtzig Quadratmeter grösser. 2. Wie zu Hause soll man sich fühlen in den beiden neuen Salons. 3. Das Entrée mit dem Panther-Relief im Hintergrund.
neue Zürcher Boutique die Stichworte « authentisch», «roh» und «low profile» im Briefing. Zürich, das Laura Gonzalez für das Cartier-Projekt zweimal besucht hatte, empfinde sie als sehr urbane, trendige und dynamische Stadt, mit viel Natur zudem. Nach ihrer Beobachtung der Zürcher ergänzte sie noch die Begriffe «sportlich» und «extravagant». Die Herausforderung bei der Gestaltung eines G eschäfts sei es, durch das Interieur mit den Kunden, die dort einkaufen sollen, zu kommunizieren. In Z ürich werde dies mittels in der Tiefe bearbeitetem Holz, im Kontrast zu kostbaren Perlmuttwänden und Lack, erreicht. Darüber hinaus sorge der Entwurf für ein visuell spannendes Erlebnis. Materialien durch ihre Verarbeitung wertig werden zu lassen, sei ein Vorgang, der gut zu Zürich passe, sagt Gonzalez. Der Grundton im Geschäft ist hell. Abstufungen von Weiss und Beige werden durch Rostrot und Gelb gebrochen. Durch die neue Öffnung der Fassade zur Bahnhofstrasse soll alles in einladendes Licht getaucht werden. Besonders die Bar sowie eine Hütte aus Holz mit roten Möbeln, die sich als Eyecatcher in der Boutique befinden. «Starke Stücke finde ich sehr passend für Zürich», sagt Gonzalez. «Diese Hütte in einer Luxusboutique wird einen bleibenden Eindruck hinterlassen.» Ob die Innenarchitektur Einfluss auf das Kaufverhalten der Kunden hat, darüber mag sich die Inneneinrichterin nicht auslassen. Sie sagt bloss, wenn man sich wohl fühle, bleibe man länger im Geschäft – und dies dürfte grundsätzlich positiv sein. Sicher ist sie sich hingegen, dass die Globalisierung und die damit einhergehende optische Standardisierung der Einkaufswelt zu austauschbaren Geschäften in identischem Design geführt habe. «Das war ein Irrtum», sagt sie. «Und der wird jetzt korrigiert.» Durch eine Einrichtung, wie man sie so nur jeweils an einem Ort antrifft. Und so kam die Bahnhofstrasse zu ihrer Holzhütte.
GRAND OPENING Ab 3. Dezember ist die Cartier-Boutique an der Bahnhofstrasse 47 in Zürich mit der Inneneinrichtung von Laura Gonzalez, nach zwei Jahre dauernden Umbaus, wieder geöffnet.
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Bilder: Cartier
bei Pravda Arkitect auf einem Sideboard aneinander. Ein grosser Tisch dominiert das Sitzungszimmer. Die P latte ist aus einem auffällig gemaserten Gestein aus Patago nien. Der Tisch ist eine Spezialanfertigung. Für ihre Auftraggeber lässt sie ebenfalls viele Möbel und Objekte anfertigen. «Die Materialkenntnisse sind eine Herausforderung geworden. Zusammen mit den Möglichkeiten des Handwerks verändern sie den Interieur-Bereich.» Der Steintisch ist eine Metapher für Gonzalez’ Stil: Die 37-Jährige hat eine Passion für aussergewöhnliche und wertige Materialien. Diese erhielten ihre Eleganz oft erst durch die handwerkliche Veredelung, sagt sie, insbesondere durch die Bearbeitung der Oberflächen. Dank dem Mix aus rohen und edlen Materialien wirkten ihre Interieurs nie angeberisch, findet sie. Was für Kunden wie Cartier besonders wichtig sei. Die Verantwortlichen des Unternehmens sind durch eine Fernsehsendung, in der Laura Gonzalez Einrichtungstipps gab, auf die junge Innenarchitektin aufmerksam geworden. Gonzalez wurde in der Folge eingeladen, sich am Gestaltungswettbewerb für die neue CartierBoutique in Monaco zu beteiligen. Den Pitch gewann sie nicht, jedoch kurze Zeit später – sie war hochschwanger – den Auftrag, die Cartier-Boutique bei Harrods in London neu zu gestalten. Ihre Arbeit kam an. Und innerhalb nur zweier Jahre folgten neun weitere Kooperationen zwischen der Uhren- und Schmuckfirma sowie Pravda Arkitect. Gonzalez beschreibt ihren Stil als chic français. Was ein wenig allgemein beschrieben ist. Es sei grundsätzlich alles, was nicht Bling Bling ist, sagt sie. Und in ihrer persönlichen Interpretation die Mischung des einzigartigen kulturellen Erbes Frankreichs. «Wir machen nicht nur Zeitgenössisches oder nur Klassisches. Es ist die Dosierung von sehr klassischen Inspirationen aus dem 18. Jahrhundert über Art déco bis in die 80er J ahre, mit technischen Materialien, aber auch einem Hauch Moderne wie etwa pures Leinen.» Es würde dasselbe G esetz gelten wie in der Mode: «Schicke französische Frauen tragen immer einen Stilmix.» Gonzalez kleidet also Räume fast ein wie sich Menschen kleiden. Während sie sich für die kürzlich eröffnete Cartier Boutique in Stockholm auf Wunsch des A uftraggebers vom dänischen hygge-Lebensgefühl, das glücklich machen soll, anstecken lassen musste, standen für die
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Story Regionalentwicklung
Wie eine Glasspirale: Bau des dänischen Architekturbüros Bjarke Ingels Group.
LE BRASSUS LE BEAU
Viel abgelegener als das Vallée de Joux kann ein Tal nicht sein. Das ist gut für die Herstellung komplizierter Uhren. Wohl aber hinderlich, wenn man Touristen anziehen will. Text: Odile Burger 44 WW Magazin
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Bild: BIG Bjarke Ingels Group
Der Blick von der Passstrasse kurz nach dem Col du Marchairuz über das Vallée de Joux ist atemberaubend. Das Hochtal liegt auf ungefähr 1000 Metern über Meer und ist viel grösser, als ich es mir vorgestellt habe: Es erstreckt sich über zwanzig Kilometer in Richtung SüdwestNordost. Im Westen liegt die französische Grenze. Eine Augenweide ist der Lac de Joux, der grösste See im Juragebirge. Unter uns liegt Le Brassus. Dort begann die Firmengeschichte der Familien Audemars und Piguet, und zwar bereits viele Jahre vor der Firmengründung von Jules-Louis Audemars und Edward-Auguste Piguet 1875. Die natürlichen Ressourcen boten ideale Voraussetzungen für
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die spätere Erfolgsgeschichte: das viele Wasser und das Holz aus den grossen Wäldern sowie das Eisenerz, das aus dem Gestein gewonnen wurde. Doch das Wichtigste, so erzählte mir Olivier Audemars, der heute gemeinsam mit Jasmine Audemars die vierte Generation vertritt, sei die Tatsache gewesen, dass die Leute Zeit hatten. Zeit zum Tüfteln. Im Winter war das Tal abgeschnitten vom Rest der Welt, es erstarrte in Schnee und Eis und während Monaten schien die Zeit stillzustehen. Doch die protestantische Bevölkerung war fleissig. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts nutzten Bauern die oberen, helleren Stockwerke ihrer Häuser für handwerkliche Arbeiten, wo sie
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Uhrenteile wie Zahnräder, Brücken, Federn oder Triebe herstellten und zusammenbauten. Im Stammhaus der Familie Audemars aus dem Jahre 1868 befindet sich heute ein Museum. Im Parterre gibt es Möbel aus der Gründerzeit. Die Holzdielen knarren unter jedem unserer Schritte. Museumsdirektor Sébastian Vivas empfängt eingeladene Gäste und führt durch eine kleine, aber beeindruckende Ausstellung im oberen Stock: unzählige Preziosen aus vergangenen Zeiten, viele davon in Wandschränken untergebracht; und also nicht leicht anzuschauen. Mit anderen Worten: Das Museum ist zu klein für die Sammlung, die es besitzt. Und da
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Story Regionalentwicklung
diese laufend ergänzt wird, also noch grösser wird, plant die Familie schon seit einiger Zeit eine Ergänzung. Im kommenden Frühjahr soll das neue «Maison des Fondateurs», das Haus der Gründer, öffnen. Wer sich darunter ein weiteres jurassisches Wohnhaus vorstellt, liegt falsch: Wie eine Glasspirale schraubt sich der Bau aus den Feldern des Vallée de Joux, wo es so etwas Futuristisches bisher nicht gab. Das Gebäude, das in seiner Komplexität mit grossen Uhrenkomplikationen vergleichbar sei, wie Museumsleiter Vivas sagt, wurde vom dänischen Architekten Bjarke Ingels und seinem Büro Bjarke Ingels Group (BIG) entworfen. Doch damit nicht genug: Für Gäste
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Doch wer wird kommen? Das fragt man sich als Beobachterin. Kann das Vallée de Joux tatsächlich als Ferienort dienen? Oder sind das Gedanken, die sich nur Zweifler machen? Leute, denen der Weitblick fehlt, den die Mitglieder der Uhrenfamilie über Jahrhunderte bewiesen haben?
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Linke Seite: Le Brassus, ein kleiner Ort im Jura zwischen Tradition und Moderne. Oben: Zwei Restaurants sind geplant im Viersternehaus sowie Konferenzräume.
Bilder: BIG Bjarke Ingels Group
Unten: Über die Zickzack- Dächer kommen skifahrende Hotelgäste direkt auf die Piste.
der traditionsreichen Firma, aber auch für «jedermann» wird voraussichtlich im Jahr 2020 das ebenfalls von BIG geplante «Hôtel des Horlogers» eröffnen, das Hotel der Uhrmacher. Fünfzig Zimmer soll das Viersternehaus haben, zwei Restaurants sind geplant, ein Spa-Bereich sowie Konferenzräume. Die Arbeiten am Bau haben bereits begonnen. Doch wer wird kommen? Das fragt man sich als Beobachterin. Kann das Vallée de Joux tatsächlich als Ferienort dienen? Oder sind das Gedanken, die sich nur Zweifler machen? Leute, denen der Weitblick fehlt, den die Mitglieder der Uhrenfamilie aber bestimmt haben und hatten; die wohl seinerzeit auch am Werweissen
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waren, ob in diesem abgelegenen Tal wirklich mechanische Uhren der obersten Preisklasse hergestellt und an Kenner auf der ganzen Welt verkauft werden können? Es kommt vielmehr darauf an, könnte man den Zweiflern entgegenhalten, wie gut die jeweilige Umsetzung ist. Und was das «Hôtel des Horlogers» angeht, ist dieses auf der Höhe der Uhren, die hier schon so lange entstehen: Genial etwa die Idee des Architekturbüros der langgezogenen, im Zickzack nach unten führenden Dächer, über die skifahrende Hotelgäste direkt auf die Piste gelangen. Schade nur, dass das Skigebiet zurzeit bloss über zwei Lifte verfügt. Und im Augenblick sei
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nicht geplant, in einen Ausbau des doch eher bescheidenen Angebots zu investieren. Möglich, ja sehr wahrscheinlich, dass die Familien Audemars und Piguet sich das Ganze reiflich überlegt haben. Dass sie ihre Absichten einzig nicht zu früh verraten möchten. Was in diesem Tal Tradition hat: mehr liefern als ankündigen. Was man als durchaus wohltuenden Charakterzug beschreiben kann, schliesslich gibt es genügend Menschen, die umgekehrt vorgehen. Und falls das Vallée de Joux dereinst zum Reiseziel für AudemarsPiguet-Kunden, aber auch für Gäste, die sich noch nicht besonders für Uhren interessieren, wird – hier haben Sie es zuerst gelesen.
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Portfolio Aussenbetrachtung
Bildrausch
Bild: Reto Schmid
Seit fünfzig Jahren zeichnet, malt und illustriert WALTER PFEIFFER . Fehlt da was? Klar, man kennt den Schweizer vor allem als FOTOGRAFEN. Ein neuer Sammelband seiner ZEICHNUNGEN zeigt ein grosses WERK , das noch entdeckt werden kann.
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Der Illustrator und Fotograf aus Beggingen im Kanton Schaffhausen ist ein late bloomer, ein später Blüher, in der öffentlichen Wahrnehmung wenigstens. Als «Workaholic» (er über sich) hat er zwar in den vergangenen fünfzig Jahren unablässig illustriert, gemalt, gezeichnet und, von einer Pause von fünfzehn Jahren abgesehen, fotografiert. Doch so richtig zur Kenntnis genommen wird er erst seit etwa zehn Jahren, als Fotograf jedenfalls: seit er mit dem Art-Director Beda Achermann unter anderem Werbung für Fogal, die Schweizer Strumpf- und Strumpfhosenherstellerin machte. Nun ist ein Bildband seiner Zeichnungen erschienen. «Beim Zeichnen kann man nicht mogeln», sagt Pfeiffer und stellt den kreativen Prozess dem beim Fotografieren gegenüber, wo er mittlerweile, wenn er zum Beispiel für Vogue arbeitet, einen Haufen Assistenten und Helfer hat und nach dem Shooting auf die Dienste der Postproduktion zurückgreifen kann. Als Illustrator ist man ganz alleine, nur auf sich gestellt, sagt er. «Ich habe oft gearbeitet bis ich eine Sehnenscheidenentzündung hatte und den Stift nicht mehr halten konnte», sagt er. Die Frage, was er sich für eine Zuschauerreaktion auf seine Zeichnungen respektive den Bildband erhoffe, beantwortet er bescheiden: «Das Buch soll vor allem unterhalten.» «Bildrausch. Drawings 1966–2018», Walter Pfeiffer, mit Texten von Martin Jaeggi, Edition Patrick Frey, 492 Seiten, 380 Farbabbildungen, in englischer Sprache, 78 Franken.
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Aussenbetrachtung Wanderlust
Illustration: TOBY NEILAN
Dreizack Halleluja Bevor der Schnee kommt, fahren einige der SCHÖNSTEN AUTOS vergangener Zeiten nochmal durchs ENGADIN. Unser Sonderkorrespondent war dabei. Text:
GABRIEL LOTTI
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Schon während der Hinfahrt, in einem neuen Maserati Ghibli, schlägt mein Herz höher. Schliesslich werde ich nicht an irgendeiner Rallye teilnehmen, sondern an der Passione Engadina, der Oldtimer- und Classic-Car-Rallye für italienische Fabrikate. Rund hundert Fahrzeuge sind diesmal a ngemeldet. In St. Moritz angekommen, fassen wir, meine Co-Pilotin Nicole Zingg und ich, u nsere Startnummer sowie das board book, eine A nleitung für das Rennen, und begeben uns ins Zentrum des alpinen Luxus-Ferienorts, um die Wagenschau zu besichtigen. Für jeden Autoliebhaber ein Augenschmaus: Hier stehen ein Lancia Aprilia, ein Maserati Ghibli, Jahrgang 1970, ein Alfa Romeo Giulia, Jahrgang 1972, ein Ferrari Dino – alle Besucher
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Klassische Automobile fahren nicht gegen die Stoppuhr, vielmehr geht’s um Präzision. Im Bild ein Maserati 3500 GT von 1957 – ein Schuft, wer diese Schönheit über eine Passstrasse quält.
kommen auf ihre Kosten. Bevor wir zum Abendessen aufbrechen, erhalten wir ein Fahrerbriefing und noch ein paar Infos. Der Sportwagenbauer Maserati aus Modena stand einst auf einer Stufe mit Ferrari, und man erzählt, dass manch ein GTFahrer den Dreizack dem Pferdchen vorzog. In einer Sonderausstellung neben dem Hotel «Kulm» zeigt Maserati geschichtsträchtige
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Modelle wie den 6C 34 aus dem Jahr 1934, einen 450S aus 1956, einen Eldorado 420M, Jahrgang 1958, sowie eine Designerstudie mit dem Namen «Birdcage» aus dem Jahr 2005. Für die diesjährige Austragung hat sich Maserati etwas Besonderes einfallen lassen: den Ladies Cup. Zum ersten Mal in der G eschichte der Rallye findet ein Wettbewerb zwischen Frauen statt. Hierfür stellt Maserati
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Wanderlust Aussenbetrachtung
Ghibli, den ich fahre, verfügt über einen Allradantrieb, und das merkt man nicht nur in jeder Kurve, sondern auch auf gerader Stras se bietet er viel Sicherheit. Ehrlich gesagt, beneide ich trotzdem ein w enig die Piloten, die in einem Oldtimer sitzen; es muss sich grandios anfühlen, einen Wagen «mit Seele» zu fahren. Es ist auch für jeden Zuschauer ein Ereignis. Es gibt solche, die applaudieren, andere machen Fotos und einige schenken den Piloten der Veteranenfahrzeuge sogar Wein aus. Die Sportwagen aus der Epoche der sechziger und siebziger Jahre dröhnen wie echte Rennwagen, da können moderne Sportwagen mit Klappensystemen in den Auspuffanlagen nicht m ithalten. Als Beispiele seien der Ferrari 512 GTS, F errari Testarossa, Maserati 3700 GT oder das Originalfahrzeug der R allye-Weltmeisterschaft Lancia Delta Inte grale genannt, damals im Jahr 1993 gesteuert von Carlos Sainz und Luis Moya. Miki Biasion, zweifacher Rallye-Weltmeister aus den Jahren 1988 und 1989 ging ebenfalls an den Start. Samstagabend, nach einer zirka siebeneinhalbstündigen Fahrt, trifft man sich zum Galadinner im Hotel «Kulm», wo auch die Rangverkündigung stattfindet. In jeder K ategorie – Vorkriegsautos, Nachkrieg bis 1950, Autos bis 1960, bis 1970, bis 1980 sowie ab 1980 – werden die ersten drei prämiert. Weltmeister Biasion wird bloss Zweiter in der K lasse bis Jahrgang 1970, was erstaunt. Der älteste Fahrer ist neunzig Jahre alt, der jüngste achtzehn. Während des Dinners erfahren auch wir unsere Klassierung: In der K ategorie Sportscar, ab Jahrgang 1980, erreichen wir mit dem Ghibli den siebten Gesamtplatz von 28 Fahrzeugen. Viel schöner, und überraschender, hätte der Tag für mich fast nicht enden können.
SEEN, BERGE, HIMMEL UND – «BELLE MACCHINE»
allen Teilnehmerinnen einen Levante zur Verfügung. Also übernimmt meine Co-Pilotin nun das Lenkrad, und wir landen auf dem ausgezeichneten 5. Rang. Wer glaubt, dass an einer Oldtimer Rallye gegen die Stoppuhr im klassischen Sinne gefahren wird, irrt sich. Vielmehr geht’s um Präzisionsprüfungen, bei denen beispielsweise hundert Meter in fünf Sekunden gefahren werden müssen, und zwar auf die Hundertstelsekunde genau, sonst gibt’s entsprechende Strafpunkte. Das Fahrzeug mit den wenigsten Strafpunkten gewinnt.
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Zugegeben, meine Co-Pilotin und ich fühlen uns wie im Film «Gone in 60 Seconds», in dem Nicolas Cage mit seiner Autodiebstahlbande am Schluss nur noch sechzig Sekunden übrig bleiben, um das letzte geklaute Fahrzeug abzuliefern. Es ist also ein Kampf gegen die Zeit, während wir den Albula-, den Splügen- und den Malojapass bezwingen. Es regnet in Strömen, die Sicht auf den Pässen ist sehr schlecht. Nebst der Aufregung und Nervosität, fordert die Konzentration ihren Tribut. Obwohl es nicht um Geschwindigkeit geht, will man schnell ans Ziel kommen. Der
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Die Passione Engadina ist eine Veranstaltung, bei welcher seit sieben Jahren jeweils während zweier Tage Ende August eine Rallye klassischer italienischer Automobile durchgeführt wird. Jedes Jahr ist eine Automarke Ehrengast: 2018 war dies Maserati. St. Moritz ist Ausgangspunkt und Ziel des Rennens; die Route führt das Tal hinunter, über den Albulapass nach Thusis, weiter nach Splügen und über den Splügenpass nach Chiavenna und von dort das Bergell hinauf, über den Malojapass und zurück dem Silser- und Silvaplanersee entlang nach St. Moritz. Der Anlass wird durch eine öffentlich zugängliche und kostenlose Ausstellung von Classic Cars im Zentrum von St. Moritz ergänzt.
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Anleitung Arbiter Elegantiarum
NADJA SWAROVSKI
Ohrhänger von SWAROVSKI, Fr. 129.–.
Clutch von ALEXANDER MCQUEEN, Fr. 1820.–.
Abendkleid von VALENTINO, Fr. 7600.– (bei Mytheresa.com).
Nicht zu korrekt, zu sexy aber auch nicht. Weil das nicht ankommt auf der Geschäftsleitungsetage. Und den Dresscode «too much» respektive «too loud» schon eine Verwandte mit Namen Swarovski befolgt.
Nagellack von CHANEL, ca. Fr. 33.–.
Sandale von SERGIO ROSSI, Fr. 920.–.
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Das Leben einer Geschäftsfrau, die einen grossen Nachnamen trägt, spielt sich nicht nur auf r oten Teppichen ab. Aber auch. Unsere Stilheldin geht leichtfüssig, glanzvoll und sicher darüber. Sowie über andere Unterlagen, die rutschig sind wie eine Banenschale. November / Dezember
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«Die Narkosespritze war schon aufgezogen, und ich war immer noch am Telefon mit der Sekre tärin: ‹O.k., Brief an Tom Ford, schnell . . .›», berichtete sie, als wir es davon hatten, was eine Mutter im Geschäftsalltag so erlebt. Sie lag, als sich die S tory zutrug, in den Wehen, kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes. Sie beherrscht also die Kunst des Geschichten erzählens inklusive des Name droppings. Ähnlich leichtfüssig und glanz voll schreitet sie durch B üros, Sitzungszimmer und über rote Teppiche in ihrem Berufsleben; sie lebt und arbeitet in London, wo das wichtiger ist als in W attens im Tirol, am Hauptsitz des Kristall glasunternehmens. Wenn man Swarovski heisst – was verhält nismässig viele Menschen tun; die Familie ist weit verzweigt und zählt eine dreistellige Zahl Mit glieder – sowie die Firma gleichen Namens mitführt, sie ist die erste Frau im executive board, gilt es, die richtige Mischung aus refinement, Sexyness und Korrektheit bei der Kleidung und im Auftritt zu finden. Nicht zu viel, nicht zu wenig vom einen oder anderen. Weil das erstens nicht gut ankommt auf der Geschäftsleitungsetage. Und zweitens den Dresscode «too much» respektive «too loud» schon eine Verwandte mit Nachnamen Swarovski b efolgt (Fiona mit Vor namen, um genau zu sein). Die Swarovski dagegen, um die es hier geht, trifft ins Schwarze mit ihren Looks. Auch wenn d iese meist nicht so schwarz sind wie der elegante Abendaufzug auf unserem Bild. Nadja, wir erblas sen vor Neid oder wenigstens Ach tung. Und wählen Sie zu unserer Stilvorlage des Monats. Mark van Huisseling
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LANGES KLEID, LANGE NACHT
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ARBITER ELEGANTIARUM SPEZIAL-REPORT
BENCI BROTHERS
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