WW Magazin No. 3/16

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WW MAGAZIN Nr. 3 MAI / JUNI 2016

La bella figura* MATTEO THUN

Bauten und Objekte von ihm kennt man, ihn nicht – und das müsse so sein, findet der Architekt. ENRICO CINZANO

Die vielleicht ausgefallensten Möbel entwirft zurzeit ein Designer mit nobler Herkunft und Alkohol im Blut. IL PARCO SCHERRER

Der vielleicht schönste Park der Schweiz, von dem Sie noch nie gehört haben, befindet sich in Morcote. * (ital.) guter Eindruck; auch: die schöne Form, das angenehme Äussere – oder was Architekten und Designer im Allgemeinen und Italiener im Besonderen können

SAISON-TREND

Elektromotorboot – auch auf dem Zürichsee

Fr. 6.50




Innenbetrachtung  Editorial

Wir wissen nicht, wo der Hammer hängt

Die vielleicht interessanteste Idee in dieser Ausgabe kommt von Matteo Thun, dem A ­ rchitekten und Designer. Der Südtiroler in Mailand sagt, ­seine Aufgabe sei es, Konsumenten das Abc zu geben, damit diese daraus ­Wörter formen können, ihre ­Wörter. Mit anderen Worten: Thun nimmt sich zurück, will g­ utes Design und stimmige A ­ rchitektur ermöglichen. Und nicht der Welt und ­seinen Kunden erklären, wo der Hammer hängt; dies ­täten bereits genügend ­Kollegen. Wir ­versuchen, im übertragenen 4  WW Magazin

Sinn, das Gleiche zu tun – ­mittels Porträts interessante ­Menschen vorstellen, mittels Geschichten Spannendes erzählen. Was wir nicht möchten: Ihnen sagen, was sie interessant und spannend zu finden haben (auch das tun bereits genügend Kollegen). Wir hoffen, dies gelinge. Lassen Sie es uns wissen, falls es so ist. Und falls nicht, erst recht. Meinen Dank im Voraus.

info@markvanhuisseling.ch

Mai / Juni

Nr. 3 2016


: U E N uni J . 1 im ab e b ch latz i e l g p n e LĂśw rich ZĂź


Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) ALEXANDRA KRUSE

3) MARYSIA MORKOWSKA

Unsere Autorin, die in einer früheren Ausgabe von W ­ W-Magazin eine Modekolumne schrieb, hat einen ganz b ­ esonderen B ­ ezug zu Yoga – ihr Partner, und Vater ihres kleinen Sohns, ist Yogalehrer von Beruf. Also e­ rgriffen wir die günstige ­Gelegenheit und ­baten Alex, wie sie merkwürdigerweise ­genannt wird, um ­einen passenden Beitrag von ihrem ­Baliaufenthalt, wo sie sich mit Familie aufhielt, während wir in ­Zürich, im Schneefall, ­diese Nummer abschlossen. Journalistin und Stylistin Alex ­befand sich im Dorf Ubud auf den Spuren von Elizabeth Gilbert, der Autorin des Weltbestsellers «Eat Pray Love», ebendort fand gerade das «Bali Spirit F ­ estival» statt. ­Davon erzählt sie auf S ­ eite 10. Und natürlich auch vom schönsten ­Yoga-Resort der Insel, «vielleicht der Welt» (ihre W ­ orte), das von ­einem ­Schweizer ­Direktor geführt wird.

«Ich schreibe und reise mich durchs ­Leben», sagt unsere neue Mitarbeiterin, die wir willkommen heissen. Von Haus aus Historikerin, ordne sie ­gewisse Dinge gerne ein, sagt sie weiter. Und wir sagten: «Die ­ideale ­Autorin für eine Geschichte über den wohl schönsten Garten der Schweiz, von dem man noch nie etwas ­gehört hat, ­jedenfalls wenn man nördlich des G ­ otthards lebt.» Grundsätzlich finde sie Parkanlagen darum ­interessant, weil sie menschen­gemachte, ­inszenierte Natur s­ eien, sagt M ­ arysia weiter. «Der Parco ­Scherrer bei Morcote ist spielerisch, u ­ nverkrampft und ein bisschen frivol – der E ­ rbauer und seine Frau hatten viel Spass ­daran, was man spürt.» ­Unsere Schreiberin h ­ atte auch Spass bei ihrem ­Besuch, das spürt man ebenfalls, finden wir. Und Sie ­finden die Story sowie die Bilder der italienischen Fotografin ­Adrianna G ­ laviano ab Seite 36.

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ALEXANDRA KRUSE , NACHO ALEGRE , MARYSIA MORKOWSKA UND PASCAL SCHMUTZ 1)

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3)

Wenn man sich den Fotografen, der die WW-Persönlichkeit dieser Ausgabe, Matteo Thun, in Mailand porträtiert hat, ­anschaut, fragt man sich, wie sein Heimatland S ­ panien von ­einer Wirtschaftskrise ­getroffen werden konnte. An der work ethic von Leuten wie ihm kann es nicht liegen: Der ­Barceloner, von Haus aus ­Anwalt, ist Gründer und Kreativdirektor des weltweit beachteten (und für gut befundenen) Wohnmagazins ­Apartamento, darüber ­hinaus vielbeschäftigter Fotograf im Auftrag der besten Zeitschriften Europas und ­A merikas. In d ­ iesen ­Tagen ­eröffnet er in Barcelona z ­ udem ein R ­ estaurant; dort kommt nur auf den Tisch, was es in der Nähe zu ernten, jagen oder fangen gibt. Ferner dürfte das Interieur sehr ­sehenswert sein. Sein Beitrag für uns ab Seite 20.

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4) PASCAL SCHMUTZ

4)

Aus Delikatessen ein Menü ­zusammenzustellen, das Leuten, die sich als Feinschmecker b ­ ezeichnen, gefällt, ist einerseits nicht so schwer und ­andererseits nichts, was unseren Autor ­interessiert. Der 31-jährige Küchenchef aus Biel – 2010 vom «Gault Millau» als «Entdeckung des Jahres» ausgezeichnet; ­damals noch im «Vitznauerhof» in Vitznau – will aussergewöhnliche Speisen aus gewöhnlichen Zutaten zubereiten. Wie zum Beispiel die recht speziell ­daherkommenden Gschwellti, die er auf Seite 48 beschreibt. Bis Ende vergangenen Jahres a ­ rbeitete er im «Kaufleuten», und in dieser Zeit wurde aus dem Zürcher ­L okal, in das man vor allem der Gäste wegen ging, ­eines,in das man auch wegen des Essens ging. Zurzeit überlegt er sich, was er als nächstes tun möchte – wir sind gespannt.

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Bild: Dustin Askland

2) NACHO ALEGRE


BUCHERER.COM

EINZIGARTIG WIE IHRE EMOTIONEN – SEIT 1888 UHREN SCHMUCK JUWELEN


Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr. 3    IN H A LT TRINK CINZANO

GRAF ENRICO ­C INZANO hat Durst, aber KEINEN ­NACHBRAND.

Der Designer und Nachfahre der italienischen Wermut-Fabrikantenfamilie lebt ­enthaltsam; er berauscht sich an ­seinen Entwürfen FÜR MÖBEL, wie man sie noch nicht gesehen hat. Bei uns sieht man sie, ab Seite

Titelbild: Nacho Alegre Bild auf dieser Seite: Stefan Giftthaler

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Graf Enrico Cinzano, ­fotografiert von ­Stefan Giftthaler während des ­Mailänder Salone del Mobile, im R ­ estaurant seiner Galeristin ­Rossana Orlandi.

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Inhaltsverzeichnis  Innenbetrachtung

CONTRIBUTORS

WW-PERSÖNLICHKEIT

Mitarbeiter dieser Ausgabe

Matteo Thun Der ARCHITEKT und DESIGNER hinter von ihm gestalteten Vasen.

SEITE 6

SEITE 20

TREND-REPORTE

ACCESSOIRES

SEITE 16

GESEHEN BEI SALVATORE ­FERRAGAMO

MODE

SEITE 17

RUBRIKEN, GESCHICHTEN

INTERIOR

SEITE 18

KOLUMNEN

BRIEFING

YOGA

Leibesertüchtigung

von Alexandra Kruse

SEITE 14

SEITE 10

MARKENGESCHICHTE

KUNST

Die Erfolgsstory der On-Laufschuhe aus Zürich

von Andreas Ritter

Bilder: Nacho Alegre, Adrianna Glaviano, Paul Blow

SEITE 12

SEITE 46

WANDERLUST

von Mark van Huisseling

KULINARIK

SEITE 50

von Pascal Schmutz SEITE 48

SERVICE ANLEITUNG BEZUGSQUELLEN

SEITE 53 IMPRESSUM

SEITE 53

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IL PARCO SCHERRER

ARBITER ELEGANTIARUM

Der schönste Park der Schweiz, der eher eine Weltminiatur-Anlage ist, befindet sich in Morcote. SEITE 36

Christy Turlington

Mai / Juni

SEITE 52

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Aussenbetrachtung  Yoga-Kolumne

Illustration: ROBERT FRANK HUNTER

EAT LOVE BALI

Im balinesischen Ubud spielte ELIZABETH GILBERTS Erfolgsroman «Eat Pray Love». Und dort findet im Frühling jeweils das BALI SPIRIT FESTIVAL statt. Unsere Autorin berichtet darüber. Restlos überzeugt ist sie vom « COMO SHAMBALA ESTATE» – dem schönsten Yoga- und Wellbeing-Resort der Insel.

Text:

ALEXANDRA KRUSE

U

bud, das Künstlerdörfchen auf Bali, das uns Selbstfindungs-Autorin ­Elizabeth Gilbert verkauft hat, gibt es so, wie sie es in ­ihrem Weltbesteller «Eat Pray Love» ­b eschreibt, nicht mehr. Dafür kann man dort allerlei erstaunliche Dinge kaufen, auf denen «Eat Pray Love» steht, zum Beispiel Holzdildos, oder retreats und Hotels gleichen N ­ amens buchen – «Love» wurde schlicht durch «Shop» ersetzt. Auf Märkten und in ­M inishops lassen sich liebevolles Kunsthandwerk und i­mportierter Ramsch nur schwer ­unterscheiden. Und wenn man nicht aufpasst, klauen einem die Affen im heiligen Affenwald die Brille. ­G ewichtige Australierinnen, Asiaten mit Selfie-Stangen und vom ganzen raw food leuchtende Yogini, dünn wie ihre Mätteli, quälen sich eher leicht ­bekleidet auf ­Scootern durch die Blechlawine. Rad fährt kaum j­emand, ­ausser Julia Roberts im Film. In diesen Tagen ist die Energie besonders stark, man könnte auch sagen: das Dorf noch voller. Eine kollektive good vibe-­Blase macht sich noch breiter – Menschen reden auf ­offener Strasse über die Heilkraft von Bienenpollen oder das grüne Licht von Erzengel ­M ichael und essen Kuchen aus Cashewnüssen. ­Erwachsene Männer tragen Feenflügel und Elfenohren zu Batikhosen, Frauen haben Hula-Hoop-Reifen dabei und Wi-Fi-Passwörter heissen « ­ Selflove» oder «Greenjuice». Das jährliche ­«Bali S ­ pirit Festival» ist eine Art ­Gute-Laune-Konferenz für alle, die das kunterbunt-spirituelle Leben lieben, sich ohne

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grosse Probleme auf den Kopf stellen, in Gongbädern baden und a ­ nderswie vor der Realität flüchten können. Mit anderen Worten: Über 7000 Menschen aus fünfzig Ländern nehmen teil, und ein Kosmetikriese ist Hauptsponsor. Als mir jemand ungefragt Weihrauch mittels Federn zufächelt und im selben Moment auf sein Seminar zum T ­ hema «Ausräuchern» aufmerksam macht, muss ich, bei aller Liebe zu Hokuspokus, meinen Aufenthalt an der Veranstaltung spontan abbrechen und meinen Seelenfrieden doch woanders finden: ­Wenige Kilometer ­ausserhalb von Ubud, liegt hinter Reisfeldern und einem Fluss, mitten im Grünen, eine Oase des Friedens. Das «Como Shambala Estate» ist nach dem Prinzip des Feng-Shui gebaut und ein «spiritueller Rückzugsort» (Eigenreklame). Das Wellnesshotel hat diverse P ­ reise und Awards gewonnen und zählt zu den schönsten unseres Planeten. «Jaja», denke ich noch, «von wegen kritischer Geist . . .» Sie wissen schon. Doch dann zieht mich der Heiltempel, majestätisch auf Begawan Giri, dem «Berg des weisen Mannes» gelegen, sanft in seinen Bann. Man steckt mich in ein luxuriöses Baumhäuschen mit hypnotischem Blick über den wilden Ayung-Fluss und überlässt mich bis auf Weiteres meinen ­G edanken, die ganz automatisch r­ uhiger werden. In den immergrünen Urwaldbaumriesen vor meiner Veranda winden sich regenbogenfarbige ­M inischlangen und ich sehe faustgrosse Schmetterlinge in Pastelltönen. Die buntesten Vögel, die ich je ausserhalb eines Zoos gesehen habe, zeigen eine Flugshow. Aus dem Dschungelparadies steigt mys­ tischer Nebel hoch. Und ab und zu erklingen freudige Schreie einiger Rafter, WildwasserBootsfahrer – das ist jedenfalls der e­ inzige Ton, den ich Kind der Zivilisation einorden kann.

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Man hat mir ein massgeschneidertes Stressmanagement-Programm nahegelegt, und ich verbringe kontemplative Stunden der Glück­ seligkeit mit privatem Qigong, P ­ ranayama und Akupunktur, so gekonnt a ­ ngewendet, dass sie mich in ein angenehmes Delirium versetzt und ich meine, den weisen Mann persönlich zu mir sprechen zu hören. Was laut Pax M ­ udra, ­einem der dienstältesten Angestellten des R ­ esorts und Kenner jedes Steins auf dem neun ­Hek­taren grossen ­G elände, ganz normal sei. Denn «wir leben hier mit unseren Geistern». Spätestens nach dem dritten Bad in der heiligen Quelle, die d ­ irekt aus dem ebenfalls heiligen Muttertempel Pura ­B esakih fliesst und das Resort bewässert, fühle ich mich von allen Sünden reingewaschen. Und dieser Z ­ ustand, kombiniert mit den Annehmlichkeiten eines Luxushotels, lässt alle weltlichen Schalen von mir abfallen – und ich b ­ ekomme das glückliche UbudGrinsen, das ich bei a ­ nderen Gästen bereits entdeckt habe, ebenfalls nicht mehr aus dem Gesicht. Dann muss man auch nicht wirklich daran glauben, dass dem Herz­chakra unserer Erde, das angeblich bei Ubud liegen soll, ein besonderer Zauber und eine erstaunliche Heilkraft ­innewohnen. Tatsächlich: Es reicht schon, dies festzustellen, wenn man nur b ­ ereit ist, sich darauf einzulassen. Om Shanti.

DAS «COMO SHAMBALA ESTATE», geleitet vom Schweizer Hansjörg Meier, bietet ­ massgeschneiderte Luxus-Retreat-Programme an. Das nächste Bali Spirit Festival findet im April 2017 statt. Und das neueste Buch von Elizabeth Gilbert heisst «Big Magic».

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«Ich verbringe kontemplative Stunden der Glückseligkeit und meine, den weisen Mann zu mir sprechen zu hören.»


Blick in das Department of Architecture and Design des New Yorker Museums für moderne Kunst (MoMa); im Bild etwa der aufblasbare Sessel «Blow» von Zanotta (1967).


Kunstkolumne  Aussenbetrachtung

«VORÜBERGEHEND ZU» – WIRKLICH?

Es sah so aus, als würden DESIGNOBJEKTE behandelt (und gehandelt) wie andere KUNSTWERKE. Doch jüngst sind PREISE GEFALLEN respektive konnten Stücke nicht mehr verkauft werden. Nun SCHLIESST auch noch die ABTEILUNG FÜR ARCHITEKTUR UND DESIGN des New Yorker MoMa – schade und falsch, findet unser Autor.

Text:

ANDREAS RITTER

Bild: Anzenberger

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or einigen Jahren hat sich die Kunstsammlergemeinde die Augen gerieben, nachdem die ersten Design-Klassiker in den Olymp aufgestiegen sind und entsprechend ­erstrangige Auktionspreise erzielt h ­ aben. Den point of no return überschritt dabei der Christie’s Sale vom Juni 2005, als ein ­Carlo-Mollino-Schreibtisch aus dem Jahre 1949 – bei einer Schätzung von 150 000 bis 200 000 Dollar – mehr als 3,8 ­Millionen Dollar einbrachte. Fortan ­w urde ­einem Jean-­Prouvé-Sideboard fast ebenso viel Ehre und A ­ ufmerksamkeit zuteil wie einem ­Damien-Hirst-Dot Painting und es war nur folge­richtig, dass sich neben der Art Basel, der führenden Messe für Gegenwartskunst, längst eine ­Messe für hochstehendes Vintage-Design etabliert hat. Wieso die diversifizierte Kollektion nicht e­ rgänzen um ein Stück Architekturgeschichte? Die Frage war so absurd nicht: Ende 2006 wurde Pierre Koenigs «Case Study House #21» durch Wright Auction aus Chicago für einen ­Betrag von über drei Millionen Dollar versteigert, freilich ohne dass es je vergleichbare ­Verkäufe – vergleichbar in Quadratmeterzahl oder die Lage betreffend – gegeben hätte. Der Wert ­leitete sich vielmehr daraus ab, dass das Objekt eine Wegmarke modernistischer Architektur aus der M ­ itte des 20. Jahrhunderts darstellte. Die ­Küche des bescheidenen Stahl- und Glasbaus wurde vom ­Architekten kurz vor seinem Tod selbst renoviert, ansonsten war der Bau im Originalzustand. Verkauft wurde ein Kunstwerk, nicht eine Immobilie. Es folgte im Juni 2007 die Verauktionierung des

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vor dem Verfall geretteten «Maison Tropical» von Jean ­Prouvé – ein immerhin z ­ usammenlegbares V­ehikel im Schnittpunkt zwischen Architektur und ­Design, das sein Käufer, der Sammler und ­Hotelier ­André Balazs, ganz im Sinne einer klassischen Wanderausstellung leihweise in London, in Zusammenarbeit mit dem Tate-Modern- und dem ­Designmuseum, ausstellte. Etwas schwieriger zu transportieren war der nächste Rekordhalter: Das «Kaufmann House» von Richard Neutra gelangte am 13. Mai 2008 in der Hauptauktion von Christie’s in New York für Nachkriegs- und Gegenwartskunst zum Aufruf. Der Veräusserung dieses wohl wichtigsten Beispiels modernistischer Architektur Mitte des vergangenen Jahrhunderts, das in privater Hand verblieben ist, ging eine fünfjährige ­minutiöse Renovationsphase der Voreigen­tümer voraus, die dem Urzustand von 1946 möglichst nahe kommen wollten, ganz wie bei der Restaurierung ­eines Gemäldes. Im Katalog mit ­«Schätzung auf Anfrage» angegeben, wurde das Haus ­einem Sammler für den Rekordbetrag von fast siebzehn Millionen Dollar zugeschlagen, ­später ergaben sich dem Vernehmen nach dann allerdings Probleme mit dem Eigentumsübergang. Der Erwerb von Grundeigentum an sich ist halt doch komplizierter, als der Kauf eines Bildes als Fahrnishabe. Doch dieser Trend hält nicht an, wie die neusten Beispiele vermuten lassen: Im F ­ ebruar diesen Jahres blieb ein Architekturjuwel erster Güte – ein archetypisches Frank-Lloyd-Wright- Haus aus dem Jahre 1939 in Brentwood, Los Angeles – ebenfalls Originalzustand, gute Provenienz und sogar in den 1970er Jahren restauriert von einem weiteren Stararchitekten, John Lautner, erstaunlicherweise unverkauft, trotz moderater Schätzung von 2,5 bis 3 Millionen Dollar. Und eine Villa des wohl ­berühmtesten italienischen

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Architekten des 20. Jahrhunderts, Giò Ponti, auf der Insel Elba ist seit längerer Zeit im Angebot einschlägiger Händler und findet keinen Abnehmer. Weshalb? ­Erstrangige Architekturikonen ihrer Zeit verlangen viel Engagement ihrer neuen Besitzer. Und sie g ­ enügen auch meist nicht den raumgreifenden Vorstellungen heutiger solventer Käufer. Wie der Markt nun zeigt, lässt sich Architektur, was die Preisentwicklung angeht, doch nicht so einfach mit Kunstwerken vergleichen. Und Design? – Eine neue Meldung des New Yorker Museum of Modern Art lässt hier ebenfalls aufhorchen: Das MoMa, das als erstes Museum ein eigenes Department für Architektur und ­Design führte, schliesst – temporär, wie man sich ­bemüssigt zu betonen – die hierfür gewidmeten Galerien. Nicht alle glauben, dass dem so ist. Es gibt vielmehr Stimmen, die fürchten, dass ­Design mehr und mehr als blosse «Dekoration» für Kunst in den Hintergrund geschoben werde und seine Anerkennung als eigenständiges Sammelgebiet einbüssen ­könnte. Jammerschade wäre das aus meiner Sicht. Denn ob Kunst, Design oder Architektur, ob ­Auflage oder Unikat, ob Fotografie, Malerei, Skulptur oder b ­ ewohnbares Haus: Was zählt, ist die Qualität, der Platz in der (Kunst-)Geschichte, das ästhetische Wohlgefühl, die i­ ntellektuelle Aussage, die Rarität, die Provenienz. Das längst überwunden g ­ eglaubte ­Kategoriendenken ist für mich anhaltend falsch: Weder Architektur noch ­Design darf zum blossen Bühnenbild für Kunst verkommen.

ANDREAS RITTER ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der 52-Jährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

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Aussenbetrachtung  Gesundheit

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: PAUL BLOW

Briefing KÖRPER, GEIST UND SEELE Qigong ist die Bewegungs­meditation der traditionellen chinesischen Medizin, hat ihren Ursprung um das Jahr 200 vor Christus und wird seitdem als Grundlage der Kampfkünste zur Stärkung von Körper und Geist praktiziert. Das harmonische Zusammenspiel zwischen Bewegungen und Meditation stärkt die Sinne. Der durch unseren Alltagsstress ins Stocken geratene Energiefluss, das sogenannte Qi, wird zudem mittels verschiedener Körper-, Atem- und Konzentrationsübungen intensiviert.

RAUSCH DER KÄLTE

Das Eisschwimmen hat nicht nur bei den russisch-ortho­ doxen Christen Tradition, sondern e ­ rfreut sich auch in der Schweiz grosser Beliebtheit. In kleinen Vereinen wie dem Berner «Gfrörli-Club», trifft man sich von ­D ezember bis März ­regelmässig, um in der Aare ­baden zu g ­ ehen. Populär sind auch Veranstaltungen wie das Genfer Weihnachtsschwimmen (Coupe de Noël), das seit 1934 existiert oder – seit 2000 – das ­Samichlaus-Schwimmen in ­Zürich.

INSEL DER 100-JÄHRIGEN Auf der japanischen Halbinsel ­Okinawa kommen auf rund 1,3 Millionen Einwohner über 900 Menschen, die hundert ­Jahre alt sind oder älter. Eine besonders hohe Anzahl an Hundertjährigen findet sich im Dorf Ogimi mit seinen 3200 Einwohnern; schon am Ortseingang wird mit einem Stein und der Beschriftung «Nummer eins für Langlebigkeit» auf dieses Phänomen hingewiesen. Der Kardiologe

Makoto Suzuki untersuchte die Geheimnisse der Ältesten über vierzig Jahre lang. Laut seiner These ist die Ernährung der wichtigste Grund für die Langlebigkeit der Anwohner: viel Obst und Gemüse, Fisch und Tofu, dafür ­wenig Fleisch. Fettarm und kohlehydratreich. Zudem leben die Halbinsulaner nach dem Prinzip «Hara hachi bu». Dieses besagt, den Magen nur zu achtzig Prozent zu füllen.

LEBENSWEISHEIT Der Begriff Ayurveda stammt aus dem Sanskrit und setzt sich aus den Wörtern Ayus (Leben) und Veda (Wissen) zusammen. Die traditionelle indische Heilkunst hat einen ganzheitlichen Anspruch, kombiniert philosophische Ansätze mit Erfahrung und legt den Schwerpunkt auf die Annahme und den Erhalt einer ­gesunden Ernährung. Im Mittelalter entwickelte sich die Medizin in Indien stark, weshalb Ayurveda, angesichts des ­lukrativen ­Geschäfts mit dem Aberglauben, fast 150 Jahre lang verboten war. In Sri Lanka dagegen wurde das ayurvedische Wissen ­ununterbrochen bewahrt; es ist heute das einzige Land, das ­Ayurveda als komplettes Gesundheitssystem staatlich anbietet.

PILATES, JOSEPH PILATES

Im Pilates geht es darum, die Muskeln des Unterleibes mit Hilfe des Geistes zu stärken. Namensgeber Joseph ­Pilates (1883–1967) entwickelte die Basis seiner M ­ ethode in Deutschland, wo er aufwuchs. Den Durchbruch ­erlangte er damit aber in den USA, dem Land, in das er auswanderte. In New York ­gründete er, z­ usammen mit seiner Ehefrau und mit Hilfe von Max Schmeling, ein Boxstudio im Haus des New York City Ballet am Broadway. Für sein Training interessierten sich deshalb bald nicht nur Sportler, sondern auch die Tänzer Martha Graham oder Michail B ­ aryschnikow und die Schauspielerinnen Katharine Hepburn oder Lauren Bacall. Joseph Pilates unterrichtete, bis er mit 84 Jahren starb.

KASSETTENWECHSEL Der kolumbianische F itnesstrainer ­Alberto Perez vergass einmal, die ­passende ­Musik für seinen Aerobic-Kurs mitzunehmen. Da er die Stunde nicht ausfallen lassen w ­ ollte, schaute er nach, was er im Auto für Alternativ-Tonspuren hatte – mit ­einer Salsa-Merengue-Kassette kam er zurück und i­mprovisierte die Bewegungen. Die Kursteilnehmer fanden schnell G ­ efallen an den anfangs recht ungewohnten Rhythmen, und das ­Zumba-Fieber e­ rfasste in den 1990er Jahren das ­g anze Land. Ende des Jahrzehnts ­schwappte die ­Welle auf ­A merika über, weshalb ­P erez 2001 ­Zumba als M ­ arke r­ egistrieren liess und ein ­Zumba-Fitnessunternehmen ­g ründete. Heute nehmen 15 Millionen Menschen weltweit an Zumba-Kursen teil.

MIT JUNGEN JAHREN AUF DIE MISCHUNG KOMMT'S AN

Unter Wellbeing versteht man das ganzheitliche Prinzip des Wohlbefindens. Es setzt sich aus fünf Punkten zusammen, die dem körperlichen, mentalen, familiären, beruflichen und finanziellen Zustand entsprechen. Früher versuchte man den Wohlstand hauptsächlich aufgrund materieller Indikatoren zu messen. Heute ist man der Meinung, dass das Wellbeing-Konzept zu gleichen Teilen auf psychologischen, sozialen und physikalischen Ressourcen sowie Herausforderungen beruht. 14  WW Magazin

Mai / Juni

Die vierzehnjährige Kalifornierin ­Jaysea Devoe ist die ­jüngste, zertifizierte Yogalehrerin Amerikas. Mit acht Jahren nahm sie das erste Mal an einer Yoga­stunde teil und fing kurze Zeit später selbst an, wöchentlich zu unterrichten. Auf Instagram hat D ­ evoe fast 13 000 Followers, und vor kurzem ist sie mit ihrem eigenen Yoga- und Surf-Shop in ihrem Heimatort Encinitas auch zur Jungunternehmerin geworden.

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Quellen: Wikipedia, Annabelle, Netdoktor, Yumig, Swissinfo, Fit for Fun, Zumba, NQA, Elle

IM ALTEN CHINA


So nah, so fern. = Bergsommer Tirol

Heute ein Moment. Morgen ein bleibendes Erlebnis. Tirol. Dich erleben und sich entdecken. Dich entdecken und sich erleben. Sich in deiner schier unendlichen Bergwelt verlieren. Und finden. Erleben Sie eine kostbare Zeit und auĂ&#x;ergewĂśhnliche Sommergeschichten: mein.tirol.at


Aussenbetrachtung  Opener

Redaktion: YVONNE WIGGER  Bild: DOUGLAS MANDRY

WW Magazin Nr. 3    T R EN D-R EPORT

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Sizilianisches KUNSThandWERK AUF DER NASE – für italienische Sommer überall.

Domenico Dolce und Stefano Gabbana sind stolz auf ihr Heimatland Italien, und das ist schön. Sie lassen sich am liebsten von der «­famiglia» und dem «­dolce vita» für ihre Kollektionen ­i nspirieren. Die Designer ­inszenieren ­damit ­v erbu ndene Traditionen neu. ­ Diese Saison ist die Insel Sizilien an der ­Reihe: Die «Carretto»Kollektion nimmt ­ G estaltungselemente des Karrens auf, mit dem auf der Insel Orangen transportiert werden, sowie des traditionellen ­Marionettentheaters. Im A ­ ngebot sind Seidentücher, Schuhe, ­Taschen und eine ganz besondere Brille. Sie ist aus ­Canaletto-Walnuss gefertigt, mit Reliefdekors verziert und wurde von Künstlerhand in stundenlanger Arbeit bemalt. Die Bügel sind blau-weiss gestreift, tragen einen aufgemalten Pferdekopf, und die Brillenfront ist mit e­ inem klassisch ­sizilianischen Muster ­geschmückt. Jede Brille ist ein Unikat, und die Kleinserie ist, um die Stücke noch kostbarer zu machen, auf hundert Exemplare weltweit limitiert. Wer in the mood for a s­ icilian summer ist und Glück hat, ergattert eine.

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«CARRETTO»­KOLLEKTION Bemalte ­S onnenbrille aus Walnussholz, ­l imitiert, (ca. Fr. 5900.–, von ­D  olce  & ­Gabbana, ­in ihrem Store) und Seidentuch ­­­ (ca. Fr. 395.–, von Dolce & Gabbana, bei ­Mytheresa.com).


Mode  Aussenbetrachtung

Redaktion: YVONNE WIGGER

Trend-Report GLÜCK FÜR ALLE

1. Sonnenbrille vonOLIVER PEOPLES & THE ROW, Fr. 455.–. 2. Ohrringe von SAINT LAURENT,

LIEBLINGSSTÜCKE

Outfit von TOMMY HILFIGER, Oberteil: ca. Fr. 420.-,

ca. Fr. 325.–. 3. Tunikakleid von MISSONI MARE, Fr. 655.– (bei Stylebop.com).

2

Hose: ca. Fr. 1300.-,

4. Halskette von TOMMY HILFIGER,

Sneakers: ca.Fr. 310.-,

ca. Fr. 310.–.

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Hut: ca. Fr. 200.-.

5. Tasche von SENSI STUDIO, ca. Fr. 275.– (bei Net-a-porter.com). 6. Monokini von

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ANNA ­KOSTUROVA, Fr. 315.– (bei Stylebop.com). 7. Armband von STUDIO MASON, Fr. 360.–.

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8. Pflegeöl von YVES ROCHER, Fr. 22.–. 9. Surfbrett von BLUE TOMATO, ca. Fr. 1150.–. 10. Tasche von DSQUARED2, Preis a. A. 11. Outfit von CHLOÉ, Oberteil: ca. Fr. 920.–, Hose: ca. Fr. 3630.–. 12. Kleid von DRIES VAN NOTEN,

5

ca. Fr. 1430.–. 13. Outfit von GUCCI,

7

Kleid: Fr. 15 180.–, Handschuhe: Fr. 360.–, Schuhe: Fr. 800.–.

GESEHEN BEI TOMMY ­HILFIGER

14. Overall von STELLA JEAN, ca. Fr. 1110.–.

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15. Kleid von PAUL & JOE, ca. Fr. 500.–. 16. Kleid von SALVATORE FERRAGAMO, Fr. 1710.–. 17. Outfit von PRADA, Kleid: Fr. 5630.– , Halsnetz: Fr. 440.–, Tasche: Fr. 3190.–, Ohrringe: Fr. 290.–, Schuhe: Fr. 1240.–. 18. Kleid von EMILIO PUCCI, ca. Fr. 2045.–.

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H

äkel-Bikinis in den FARBEN DES ­R EGENBOGENS, Taschen mit M ­ USCHEL-DETAILS und Kleider im ­Palmenprint – die sommerliche Mode verspricht Freude, Farbe und Zuversicht.

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AUF DEM LAUFSTEG

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Schuhe von CHLOÉ, ca. Fr. 770.–.

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Aussenbetrachtung  Interior

Redaktion: DELIA LENOIR

Trend-Report INTERIOR

FÜR DRAUSSEN

8 FÜR DRINNEN

Tisch «String Works»

GESEHEN BEI STRING ­F URNITURE

von STRING FURNITURE, Preis a. A. (bei String.se).

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1. Liege von CARL HANSEN, ab Fr. 2540.– (bei Carlhansen.com). 2. Geschirr «Fiji» von VISTA ALEGRE, Preis a.A. (bei Vistaalegre.com). 3. Box «Cabin» von ALESSI, Fr. 160.– (bei Alessi.com). 4. Wanduhr «Time Maze» von ALESSI, Fr. 185.– (bei Alessi.com). 5. Tisch «Y Table» von REDA AMALOU DESIGN, ­­­

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ast schade, zurzeit zuviel Zeit im Garten, AUF DER TERRASSE oder dem Balkon zu verbringen – diese FRISCHEN MÖBEL bringen sommerliche Leichtigkeit ins Haus oder in die Wohnung. Ein Grund, drinnen zu bleiben.

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1

Preis a. A. (bei Redaamalou.com). 6. Tasse von BAREFOOT LIVING, 4er-Set ca. Fr. 54.– (bei Barefootliving.de). 7. Sessel von THONET, ab Fr. 3922.– (bei Thonet.de).

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8. Giesskanne «Gena» von INTERIO, Fr. 24.90 (bei Interio.ch).

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9. Schaukelstuhl «Click» von HOUE, Fr. 398.– ­­(bei Mobitare.ch). 10. Buch «Hello Nature»

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von ANTHROPOLOGIE, Fr. 19.50.– (bei Anthropologie.com). 11. Windlicht von MOBITARE, Fr. 11.90.– (bei Mobitare.ch).

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Mai / Juni

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Nr. 3 2016


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«Der bescheidene Südtiroler in Mailand»: Matteo Thun über sich selber; in seinem Büro.


MATTEO THUN WW-Persönlichkeit  Story

Interview:

MARK VAN HUISSELING

Bilder:

NACHO ALEGRE

Es gibt STARARCHITEKTEN und STARDESIGNER. Und es gibt Matteo Thun, den Südtiroler Architekten und Designer, der in Mailand lebt und arbeitet. ­E NTWÜRFE und OBJEKTE, die er g­ estaltet, kennt man, weil jeder damit in B ­ erührung kommt. Ihn kennt man nicht, weil er zu ­verhindern v ­ ersuche, dass sein NAME ALS A ­ UTOR zu oft durchsickert, sagt er. Tatsächlich? Ja, denn der K ­ onsument soll selbst zum Designer werden. Nr. 3 2016

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M

Story  WW-Persönlichkeit

Jeder soll selbst zum Designer werden. Es braucht kein Quantum Kreati­vität, sondern den Mut, das zu sein, was man ist. Sie sind heute, Ihre Worte, «die Hebamme, die dem Verbraucher hilft, sich selbst zu finden.» Früher traten Sie als Star­ designer oder -architekt auf . . . Bin ich nie, muss ich negieren. Ich hab immer versucht, mich maximal zurückzunehmen; ab und zu sickert durch, wer der Autor ist. Ich glaube an das Credo meines Lehrmeisters Ettore Sottsass ­(österreichisch-italienischer Architekt und Designer, der nach dem von ihm miterfundenen «Anti-Design»-Ansatz gestaltete): die ­absolute Einfachheit und die Rückführung zu den Ur-Ikonen. Zum Beispiel diese Vasen («Matteo Thun Atelier»; ­Material sowie Ausführung kann Kundenwünschen angepasst werden, Bild ­Seite 24), deren Formen aus dem Keramikmuseum von Montelupo Fiorentino kommen und die von den de M ­ edici als Hochzeits­geschenk verwendet wurden. Ich bin meilenweit weg vom Produzieren n ­ euer ­Babys, wenn es schon so viele B ­ abys auf der Welt gibt.

Matteo Thun, eigentlich Matthäus Antonius Maria Graf von Thun und Hohenstein, ist ein Architekt und Designer aus B ­ ozen (Südtirol). Wahrscheinlich sei jeder schon einmal mit einem Produkt von ihm in Berührung gekommen, stand in der S ­ üddeutschen Zeitung: Er entwarf Espressotassen für Illy, Armbanduhren für Swatch, Toiletten, Waschbecken, Vasen oder Bürostühle. Als ­Architekt hat er etwa das «JW Marriott Venice Resort» auf der privaten Isola delle Rose bei Venedig gestaltet, das «­Vigilius Mountain Resort» bei Meran oder das «Waldhotel» des Bürgenstock-­Resorts bei Luzern, das kommendes Jahr eröffnet werden soll. Thun ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder; er und seine Frau Susanne leben in Mailand und auf Capri und haben zudem, sagt man, das schönste Haus von C ­ elerina im Engadin. Dieses Gespräch – Thun spricht Deutsch – fand in seinem Büro im Zentrum von Mailand statt, einem Stadthaus, das seinen zirka siebzig angestellten Architekten und Designern Platz bietet; weiter beschäftigt er fünfzig Mit­arbeiter auf Baustellen, und ferner betreibt er ein Büro in Schanghai, dessen Mitarbeiter ­für die Qualitätskontrolle seiner Projekte in China zuständig sind.

Meine Meinung: Konsumenten wissen nicht, was sie wollen. Der Designer muss es ihnen zeigen. Wir geben dem Konsumenten etwas vor, zum Beispiel ­diese Vasen, die wir in dreizehn Formen mit dreizehn verschiedenen

Sie arbeiten als Architekt und Designer, realisieren Ladenbaukonzepte, eine Zeitlang waren Sie Swatch-Kreativdirektor, also Konzernangestellter – weshalb können Sie das alles? Ich habe Architektur gelernt und beschäftige mich, wie die Mailänder Tradition das will, auch mit dem kleinen Massstab. Mein jüngstes Baby heisst «Matteo Thun Atelier» (Kollektion hand­ gemachter Möbel, Lampen und Objekte) und geht davon aus, dass jeder Konsument Designer ist und sich sein Objekt gestaltet. Wir geben das Abc vor, und der Konsument – das kann ein Privatmann sein, ein Hotelier, ein Innenarchitekt – macht aus ­unseren Buchstaben Wörter. Und Profis machen aus den Wörtern dann ­Sätze. Entscheidend ist, dass sich der Gestalter, in meinem Fall der ­Architekt, restlos zurücknimmt und der Konsument zur ehrlichen Überzeugung gelangt: «Ich habe das gemacht.» Das heisst:

Logo der neusten Kollektion – von Hand bearbeitete Möbel, Lampen, Designobjekte sowie Stoffmuster.

«Entscheidend ist, dass sich der Gestalter, in meinem Fall der Architekt, restlos zurücknimmt und der Konsument zur ehrlichen Überzeugung gelangt: ‹Ich habe das gemacht.› Das heisst: Jeder soll selbst zum Designer werden.» 22  WW Magazin

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WW-Persönlichkeit  Story Blick in den Hof von Matteo Thuns Büro im Zentrum von Mailand; in dem Stadthaus arbeiten zirka siebzig ­Architekten und Designer.


«Credo meines Lehrmeisters Ettore Sottsass: absolute Einfachheit und Rückführung zu den Ur-Ikonen»; Thun mit Teilen des Stuhls ­«Chiavarina» von Matteo Thun Atelier, 2016.

Farbkombinationen haben, und es werden Vorschläge gemacht. Eine der interessantesten Aussagen, die ich nach fünf Tagen [seit die ­Atelier-Website online ist; das Gespräch fand Mitte April statt] bekommen habe, ist, überraschenderweise: «Ihr gebt so lustige Farben vor, die so viel Spass machen, dass ich’s ­genau so übernehme und keinen Grund für die Konfiguration sehe.»

Konsumverweigerer braucht nur das Essenzielle. Das Essenzielle wollen sie aber ganz genau so konfigurieren, wie sie glauben, dass es für sie richtig ist. Weil sie mit der Subtraktion leben, nicht mit der Addi­tion. Und ich denke, diese Welt des Überflusses, die zum Überdruss g ­ eführt hat, führt jetzt in eine wunderschöne neue heile Welt. Ich habe volles Vertrauen in die Zwanzigjährigen.»

Stört es Sie nicht, wenn Käufer sagen: «Die Vasen sind nicht von Matteo Thun, sondern von den de Medici»? Nein, im Gegenteil, ich bin froh, dass mein Name zu G ­ unsten der Kreativität des Endverbrauchers endgültig verschwindet.

Schlägt dann diese Demokratisierung, wie Sie sagen, von beispielsweise Vasen auch auf den sogenannten grossen Massstab durch – soll jeder sein eigenes Haus entwerfen? Ja, sie schlägt auf den grossen Massstab durch.

Sie stellen alles auf den Kopf, was man über Markenbildung zu wissen meint. Und über die Prämien, die man verlangen kann, wenn man Markenartikel verkauft. Ich glaube, ich stelle gar nichts auf den Kopf. Sondern es ist mein absolutes Vertrauen in die Demokratisierung unserer nächsten Umgebung und die Fähigkeiten, die in jedem Menschen stecken.

Ich wiederhole mich: Wenn der Konsument wüsste, was er wollte, bräuchte er keinen Architekten, sondern würde einen Hochbauzeichner nehmen und ihm sagen, was er zeichnen soll. Jeder Entwurf jedes Architekten ist so gut wie sein Dialog mit dem Bauherren. Das beste Stück Architektur, das Italien seit ­(Filippo) Brunelleschi (Renaissance-Architekt in Florenz, 1377–1446) bekommen hat, glaube ich, ist die Fondazione ­Prada von Rem K ­ oolhaas (niederländischer Architekt). Warum ist die so gut? Weil Miuccia Prada mit Koolhaas jahrelang einen sehr intensiven Dialog g ­ eführt hat. Und Rem Koolhaas ist ein Genie und in der Lage, den D ­ ialog so zu führen, dass am Ende ein gutes Produkt dabei herauskommt. Aber er ist in Wirklichkeit auch eine Hebamme.

Falls sich Ihr Ansatz durchsetzt, schaffen Sie sich selber ab – keiner braucht mehr Architekten oder Designer, die Rechnungen stellen . . . Man sieht in verschiedenen Branchen Konsumverweigerung, ein sehr interessantes Phänomen. Die Generation der

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WW-Persönlichkeit  Story

«Es gilt für den Fussballer, dass er nicht mit der Hand Tore schiesst, und für den Architekten, dass er die juristischen Spielregeln des Baureglements einhält. In der Schweiz haben wir das Problem der anonymen Einsprache – das macht das Bauen ab und zu sehr, sehr schwierig.»

In der Vergangenheit sagten Sie, Ihre Aufgabe als Architekt sei es, die «Seele des Orts» zu suchen. Ja, und ab und zu die Seele des Orts zu finden. Zum Beispiel bei diesem grossen (von ihm gestalteten) Gebäude am Bürgenstock: Da war es, Gott sei Dank, möglich, mit einem hervorragenden Geschäftsführer der Katar Investment in diesem Steilhang, der nach Süden schaut, ein elfgeschossiges ­Gebäude so zu integrieren, dass man gar nicht merkt, dass es elf Geschosse hat. Von unten sieht man eigentlich gar nichts, weil zwischen den Terrassen immer wieder Grün und Lärchenholz und Gabionen, das sind Steine, die man aus den Fundamenten herausgeholt hat, vorkommen. Auch hier kam unser Prinzip «Triple Zero», die drei Nullen, zur Anwendung. Das heisst: null Kilometer – wir verwenden das Material vor Ort –, null CO2 und null Müll, was bedeutet, dass die Möglichkeit der Entsorgung des Gebäudes gegeben ist.

Sonnenaufgang und Sonnenuntergang erleben. Man muss wissen, wo die ­Sonne herkommt und wo sie hingeht. Das ist auch eine der Grundregeln von Renzo Piano (italienischer Architekt, der etwa den Museumsbau der Fondation Beyeler entworfen hat). Wie erleben Sie die unterschiedlichen Mentalitäten – es ist wahrscheinlich nicht das Gleiche, ob Sie für einen Schweizer, einen Katarer oder einen Chinesen bauen? Das macht’s lustig, und deswegen ist jeder Tag ein neues Abenteuer. Aber es macht das Leben kurzweilig. Und als Südtiroler ist man es gewohnt, zwischen den Kulturen zu leben. Als Benutzer stelle ich ab und zu fest, dass bei neuen Häusern alte Fehler gemacht werden – Fahrradraum nur von aussen zu betreten, störende Treppenabsätze im Eingangsbereich und so weiter. Haben Architekten eine flache Lernkurve? Ich kann nur über meine eigene Arbeit sprechen: Mein Team arbeitet so lange mit mir und mit so viel Begeisterung, dass ich glaube, dass wir Fehler reduzieren. Sie ganz eliminieren können, das passiert nicht, aber ein hoher Grad an Identifizierung mit der Sache ist gegeben. Das Problem des Bauens liegt im

Aus meiner überschaubaren Erfahrung muss sich ein Architekt, wenn ein Vorhaben tatsächlich realisiert wird, vor allem um Sachzwänge, Bauvorschriften et cetera, kümmern . . . Es gilt für den Fussballer, dass er nicht mit der Hand Tore schiesst, und für den Architekten, dass er die juristischen Spielregeln des Baureglements einhält. In der Schweiz haben wir das Problem der anonymen Einsprache – das macht das Bauen ab und zu sehr, sehr schwierig. Dennoch verstehen Sie es irgendwie, Ihre für mich eher wolkigen Gestaltungsvorstellungen bei den beteiligten Parteien durchzubekommen, sonst gäbe es keine Häuser von Matteo Thun. Wir kommen eigentlich sehr gut klar, weil wir, bevor wir entwerfen, alle (Beteiligten) an einen Tisch holen und die ehrliche Frage stellen: «Wie kommen wir zu einer Lösung?» Wenn ich sie von der ersten Stunde an einbinde, sind sie im Team. Und das hat zum Beispiel beim Projekt «JW Marriott Venice Resort» zum Preis für das beste Hotel des Jahres, den Mipim-Preis (Auszeichnung der Baufachmesse von Cannes) geführt. Der Preis ist sehr ernst zu nehmen, weil man ihn in keinster Weise beeinflussen kann. Und der Grund, warum wir gewonnen haben, ist ein ­fabelhafter Dialog mit dem Denkmalamt von Venedig, von dem man sagt, dass es zusammen mit dem Denkmalamt von Rom die schwierigste Stabstelle Italiens ist. In Venedig etwas zu bauen, selbst nur ein Klofenster zu öffnen, kann verhängnisvoll sein. Wir ­haben neunzehn alte Gebäude renoviert und die Mauern exakt so ­belassen, wie sie waren. Wir haben den Neubau nach innen gesetzt, so dass nichts an den alten Mauern ankommt, wir nennen das «Box in the box». Leben Sie im Flugzeug und auf Baustellen? Ich reise überallhin, wo ich baue, natürlich. Ich will bei Planungsbeginn auf jedem Baugrund wenigstens einmal

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Blick auf Stücke der «Matteo Thun Atelier»-Kollektion; sie lassen sich fast beliebig Kundenwünschen anpassen.

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«Ab und zu die Seele des Orts finden»: Thun über die Aufgabe des Architekten; im Bild neben einem Modell seines Entwurfs des «Vertical Village» (unbebaut).



Story  WW-Persönlichkeit

LA BELLA FIGURA

Entwürfe und Skizzen von Thun für den grossen Massstab (Architektur) und den kleinen (Design). Die Mailänder Tradition sieht vor, dass ein Gestalter beide Massstäbe beherrschen soll.

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1. Stuhl «Chiavarina», Matteo Thun Atelier, 2016. 2. Vasen «Vasi da Colorare», Matteo Thun Atelier, 2016. 3. Wasserfarben-Skizze «Haus Capri», Matteo Thun, ­2001–2005. 4. «Vapiano Refresh», hier das hundertste «Vapiano» in Wien, 2011. 5. «Vigilius Mountain Resort», Merano, 2001–2003. 6. Skizze «Fire-House», 2011. 7. Vasen «Vasi Bicolare», Matteo Thun Atelier, 2016. 8. Business Unit Hugo Boss, Coldrerio, 2005–2006. 9. «JW Mariott Venice ­Resort & Spa», Venedig, 2011–2015. 10. Lampe «Mara», Matteo Thun Atelier, 2016. 11. Illy Espresso Tasse «Nude», Design: Matteo Thun, Antonio Rodriguez, 2003.

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WW-Persönlichkeit  Story

«Ich zeige Ihnen meine A ­ genda: Ich habe eine Assistentin, die Einträge im Halbstundentakt macht, und ich nehme mir pro Mitarbeiter und Thema 25 M ­ inuten Zeit, um Schritt für Schritt alles zu begleiten.»

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Schnittstellenmanagement – und Bauen ist nichts als Schnittstellenmanagement. Und daran hat sich in den letzten fünfzig Jahren wenig bis nichts geändert. Der einzige Vorteil ist, dass Softwareprogramme, mit denen wir arbeiten, immer schneller und einfacher werden. Und damit geht ein enormes Risiko einher, dass man zu schnell und zu wenig reflektiert im Entwurfsprozess ist. Deshalb bin ich der Einzige im Büro, der mit Bleistift und Wasserfarben arbeitet. Sie haben über 120 Mitarbeiter – eine hohe Zahl für ein Architektur- und Designbüro . . . Im internationalen Vergleich sind wir klein. Wenn ich an u ­ nser grosses Schweizer Vorbild denke – organisatorisch ­unser Vorbild, ein fantastisches Büro mit fantastischen Ergebnissen und ein Grund für jeden Schweizer, stolz zu sein, dass es ein s­ olch hervorragendes Kreativzentrum in Basel gibt (er spricht von H ­ erzog & de Meuron)– ich glaube, die haben über 300 M ­ itarbeiter (420, Q ­ uelle: Wikipedia).

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Wie stellen Sie sicher, dass alle Arbeiten, die aus Ihrem Büro kommen, Matteo Thuns Handschrift tragen, bei immerhin s­ iebzig Architekten und Designern, die mitarbeiten? Ich zeige Ihnen meine Agenda: Ich habe eine Assistentin, die Einträge im Halbstundentakt macht, und ich nehme mir pro Mitarbeiter und Thema 25 Minuten Zeit, um Schritt für Schritt a­ lles zu begleiten. Vor einer Stunde zum Beispiel hab ich den final check gemacht für die Präsentation einer Burger-Kette, die wir demnächst verabschieden. Sie verwenden ein Büchlein als Agenda, ein analoges old schoolSystem also. Ja, es ist ein analoges System, und es ist wie beim Zahnarzt: Der hat auch alle dreissig Minuten einen neuen Patienten. Der wichtigste Punkt (die Qualitätssicherung betreffend): ohne Fleiss kein Preis, ganz banale Knochenarbeit. Und es geht dabei zu neunzig Prozent um cost-engineering (Kostenkontrolle) und zu zehn Prozent um Kreativität.

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Erstaunlich, wie transparent Sie sind und ihre Arbeit herunterbrechen; da bin ich, auch von Ihrem grossen Schweizer Vorbild, eine anspruchsvollere Schilderung der Aufgaben und Lösungsansätze gewohnt . . . Die (Herzog & de Meuron) haben einen anderen Status ­erreicht, die gehören in die Kategorie der «Archi-Stars». Das kann man nicht vergleichen mit dem bescheidenen Südtiroler in Mailand.

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«Ein Fluch? Ich weiss nicht. Geld ist eine Form von ­Energie, und viel Geld schafft viel Energie»: G ­ raf Enrico ­Cinzano über seine Familie ­respektive deren Vermögen.


Möbeldesign  Story

Enrico Cinzano DER NACHFAHRE ­zweier grosser, NOBLER ­­italienischer FAMILIEN ­­entwirft Möbel,

die die Welt im Grunde nicht braucht. Respektive anders ­­ausgedrückt: Er entwirft WOHNLÖSUNGEN, die die Welt heute oder spätestens morgen sehr wohl braucht. Um technische Machbarkeit und kurzfristigen geschäftlichen ERFOLG kümmert er sich weniger. Um das grosse Ganze dafür umso mehr.

Interview: Bild: Keystone, Prolitteris

MARK VAN HUISSELING

Bilder:

STEFAN GIFTTHALER

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Story  Möbeldesign

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Graf Enrico Marone Cinzano, 53, aus Turin lebt in London und auf Ibiza. Er ist ein Nachfahre der spanischen Königsfamilie, von Giovanni Agnelli, dem Geschäftsführer von Fiat, sowie von Francesco Cinzano, dem Wermut-Unternehmensgründer (Wikipedia). Zurzeit entwirft er M ­ öbel – nachhaltig, hochpreisig, im «Star-Wars-Look» (Icon). Früher entwickelte und dekorierte er Immobilien für das oberste Ende des Markts (Eigenreklame); sein New Yorker ­townhouse mit Namen «Bacchus» hat er an den früheren Facebook-Berater Sean ­Parker verkauft, für zwanzig Millionen ­Dollar a ­ ngeblich. In der Weltwoche stand, er habe dreissig Jahre lang ­gefeiert – weil mögliche Grosskunden seiner Möbel Saudis seien, spricht er nicht über seine Partyvergangenheit und seinerzeitigen Konsumgewohnheiten. Dieses Gespräch fand während des Mailänder Salone del Mobile, der Möbelmesse, statt, wo er den Schaukelstuhl vorstellte, den wir auf der übernächsten ­Seite zeigen. Weitere Entwürfe und produzierte ­Objekte gibt es auf seiner Webseite (www.enricomaronecinzano.com).

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Sie haben denselben Namen wie Ihr Grossvater väterlicherseits – ein Riese der italienischen Industrie . . .

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Meine Familie begann ­f ünfzehnhundert-irgendwas, ­G eschäfte zu machen; das Unternehmen (Cinzano) ­ urde 1757 gegründet, blieb sechzehn Genera­tionen in w Familienbesitz, bis wir verkauften . . . Was ist Ihre Frage?

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Ist eine solche Herkunft eine Herausforderung?

Mein anderer Grossvater, Ururgrossvater eigentlich, Senator Agnelli, gründete die italienische Autoindustrie . . . Ich bin gesegnet. Meine Vorfahren waren i­nteressante ­L eute, klug, sie hatten nicht bloss Geld. Es ist eine Inspiration. 5

In der Familie passierten auch traurige Dinge: Selbstmord, Unfälle . . . Ist es ein schweres Erbe? Journalisten schreiben sogar vom «Fluch der Agnellis» (Die Welt)? Bilder: Courtesy of Enrico Marone Cinzano

Ein Fluch? Ich weiss nicht. Geld ist eine Form von Energie, und viel Geld schafft viel Energie. Ein Teil ­davon ist gut, ein Teil schlecht, wie bei allem. Wenn man eine Familie hat, die Autos und alkoholische Getränke ­herstellte, bekommt man erhebliches Karma mitgeliefert. Sie entwerfen und produzieren Möbel, für die noch ­keine ­Bestellungen vorliegen – Sie sind ein mutiger Geschäftsmann.

Ich arbeite unter der Annahme, dass ich ein Stück entwerfe und vielleicht herstelle, das ich selber haben möchte. Und dass es folglich auch jemand anderes haben möchte.

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Möbeldesign  Story

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ARTIST'S PROOF

Enrico Cinzano lässt seine Möbel und Lampen als Einzelstücke oder in Kleinstauflagen herstellen.

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1. Schrank «Double Happiness Cabinet» 2. Bett «Bed» — 3. Stuhl «Chair» — 4. Stuhl «Quing Chair» 5. Tisch «Table» — 6. Teppich «Clean Cover» 7. Sofa «Sofa» — 8. Lampe «Geode Lamp» — 9. Tisch «Wood Fibonacci Coffee Table» — 10. Schrank «Armoire» — 11. Stuhl «Chair» — 12. Spiegel «Mirror» 13. Stuhl «Flat Pack Chair» — 14. Schrank «Armchair» 15. Konsole «Geode Consolle» — 16. Lampe «Uplight 1» 17. Tisch «Fibonacci Table» — 18. Lampe «Lamp 5 Big»

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Der wohl speziellste Schaukel-, Lese- und ­Arbeitsstuhl der Welt: der «Dondolo».


Möbeldesign  Story

«Ich habe neun Jahre lang in Hotels gelebt ­ und weiss, dass 45 Quadratmeter reichen. Das K ­ onzept ist: hohe Lebensqualität in ­einem hochindustriell gestalteten, modernen ­Lebensraum in einer urbanen Umgebung.» Und Sie kommen für die Produktionskosten Ihrer Entwürfe mit eigenem Geld auf.

Richtig, ich gehe davon aus, dass meine artist’s proofs (Untergruppe von Exemplaren mit kleiner Stückzahl ­respektive von Einzelstücken einer limitierten A ­ uflage) nicht verkauft werden. Doch ich muss mein Ziel gnadenlos weiterverfolgen, kann es nicht wegen kurzfristiger Entwicklungen ändern. Denn es dauert fünf, eher zehn Jahre, bis man sich als Designer etablieren und eine M ­ arke aufbauen kann. Wer sich in dieser Zeit verzettelt, wird ohne eine Marke d ­ astehen. Design und ­Möbeldesign sind zurzeit g ­ efragte Gebiete, die von vielen Anbietern bearbeitet werden, auch von grossen U ­ nternehmen, die sich ihre Präsenz etwas kosten lassen. Doch nicht alle, die sich Designer nennen, h ­ aben meine Unabhängigkeit, ich muss keinen Aktionären R ­ echenschaft a­ blegen. Und ich sehe mich langfristig in diesem Feld. Denn was ich wirklich will, endet nicht mit Möbeldesign – ich stelle mir ganze Immobilienentwicklungen i­nklusive Mobiliar vor. Doch bevor es soweit ist, muss ich beweisen, dass ich in der Lage bin, Vorhaben von überschaubarer Grösse zu meistern, was Realisierung und Qualität angeht.

Einfach so?

Wenn man sich mit Materialien beschäftigt, so wie ich, fällt einem immer wieder etwas ein, etwa wozu sich ein ­bestimmter Stein oder eine Holzart oder ein Metall auch noch eignen würde. Oder ich denke über eine Funktion nach und komme auf ein Objekt, das sich dafür anbieten würde. Aber nicht bloss das, es gibt so viel, wovon man sich inspirieren lassen kann: die Fibonacci-Folge etwa (eine Zahlenfolge nach Leonardo Fibonacci aus Pisa, dem Mathematiker des 13. Jahrhunderts). Ich bin gar nicht so kreativ, ich will bloss Möbelstücke machen, die etwas ­ungewöhnlich sind, wie zum Beispiel meinen Schaukelstuhl mit Federbeinen, Schreibunterlage und Beleuchtung (ein Exemplar stellte er dieses Jahr während der Möbelmesse in Mailand, dem Salone del Mobile, in der Galerie von Rossana Orlandi aus). Wie wollen Sie Ihre Entwürfe und Marke weiter vorantreiben?

Ich sehe mich nicht als Designer und nicht als Kreativen, sondern als Produzenten. Was ich wirklich will, ist, bessere Produkte herstellen. Um das zu erreichen, kann man nicht bloss einzelne Objekte entwerfen, sondern muss ganze Gebäude entwickeln und diese möblieren. Mein Traum wäre, wenn ich bloss entwickeln könnte, bloss forschen und recherchieren, allenfalls noch vermarkten und verkaufen. Aber ich denke nicht, dass sich ­jemand in mich hineinversetzen kann, also muss ich selber weiter Objekte entwerfen und realisieren. Sagen Sie etwas zu Ihrer Immobilienentwicklung, die Sie planen.

Ich habe ein Mikroapartment in London entwickelt und eines in New York und beide sofort verkauft. Jetzt entwickle ich wieder eines in London. Ich habe neun Jahre lang in Hotels gelebt und weiss, dass 45 Quadratmeter reichen. Das Konzept ist: hohe Lebensqualität in ­einem hochindustriell gestalteten, modernen L ­ ebensraum in ­einer urbanen Umgebung. Die S ­ chlafzone ist elektro- und magnetfrei, die Luft wird laufend g ­ ereinigt. Farben, die verwendet werden, enthalten ­keine Schadstoffe, ein spezielles UV-Licht in der Küche hat desinfizierende Wirkung, damit man weniger Reinigungsmittel mit Chemikalien braucht, und es gibt z ­ ahlreiche Apparate, die alle möglichen Werte kontrollieren und überwachen, bis hin zu Körperfunktionen. LED-Licht kann dem endokrinologischen System schaden, weshalb ich es nicht verwende. Kurz, es ist ein sehr gutes, fortschrittliches ­Vorhaben.

Wieviele Designobjekte haben Sie bisher realisiert?

Ich habe gegen 200 Objekte entworfen und davon ­zirka 45 produziert. Und wieviele davon haben Sie verkauft?

Etwas weniger als zwei Dutzend, und zwar in den e­ rsten fünf Jahren, in denen ich Möbel entworfen habe. D ­ anach habe ich aufgehört, Stücke einzeln anzubieten – viele davon sind gross, schwer und kompliziert, was es aufwändig macht, sie zu transportieren und vorzuführen. Sie sind kein ausgebildeter Designer oder Handwerker. ­­Woher kommen Ihre Kenntnisse, was technisch möglich ist?

Ich habe on the job viel gelernt über Werkstoffe, das ist das eine. Das andere: Ich werde von Händlern oder ­Galeristen, zum Beispiel von Pearl Lam (Hongkong-Chinesin, die in Hongkong, Schanghai und S ­ ingapur mit Kunstwerken und Möbelstücken handelt), angefragt, ob ich ein Sitzmöbel oder eine Schrankwand et cetera für Kunden von ihnen herstellen kann, die sich ­etwas wünschen im Stil eines Stücks, das ich in der Vergangenheit produziert habe.

Tönt gut, wann ist es marktreif?

Wo kommen Ihre Ideen her?

Nein, es ist ein sehr cooles Projekt. Unter anderem darum, weil es sich in ­einem Preisrahmen bewegt, den sich die meisten Leute leisten könnten.

In wenigen Wochen. Und wer wird es kaufen?

Kaufen und verkaufen ermüdet mich, darum ­behalte ich es. Und weil ich einen Platz zum Leben und arbeiten brauche. Tatsächlich? Oder sagen Sie das nur, weil es bloss ein ­Oligarch bezahlen könnte – der aber mehr als 45 Quadrat­meter möchte?

Sie werden es nicht glauben, aber ich habe jeden Tag mindestens eine Idee.

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Blick auf die 足 Sonnenterrasse Belvedere des Parco Scherrer bei Morcote.


Story Weltminiatur-Anlage

Was ARTHUR SCHERRER für ein Mensch war, erfährt man nicht in seinem PARK bei MORCOTE . Und weshalb er einen der SCHÖNSTEN GÄRTEN des Landes anlegte, bleibt ebenfalls nebulös. Aber egal, wichtig ist, dass er es getan hat . Und dass man hinfährt. Text: MARYSIA MORKOWSKA Bilder: ADRIANNA GLAVIANO

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Story  Weltminiatur-Anlage

OBEN LINKS: Die fontana romana markiert den Eingang zur Aussichtsterrasse Belvedere.  UNTEN LINKS: In der O ­ rangerie sind wechselnde Ausstellungen zu sehen, zurzeit Gipsfiguren von Renzo Fontana.  RECHTS: Zahlreiche ­unterschiedliche Statuen säumen die Wege.

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Nr. 3 2016




Weltminiatur-Anlage  Story

LINKS: Aus dem üppigen Grün taucht rechts der massstabsgetreu nachgebaute Nofretete-Tempel auf. RECHTS: Die palazzina ­indiana ist dem Palazzo Salò in Brugine bei Padua nachempfunden.

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Die palazzina indiana war der Lieblingsaufenthaltsort des Ehepaars Scherrer. Von hier aus kann der Blick nach Italien schweifen.


Das hintere Ende der Aussichtsterrasse Belvedere ist von Zypressen umrahmt und dient als improvisierte B端hne.


I

n Morcote, diesem Sehnsuchtsort für Menschen deutscher Z ­ unge in der Südbucht des Luganersees, lockt ein angenehmes ­Leben. Auch der St. Galler Textilbaron Hermann Arthur S ­ cherrer liess sich mit seiner österreichischen Gattin A ­ malia auf dieser Halbinsel der Seligen nieder. Ab 1930 verwirklichten die beiden hier über ein Vierteljahrhundert lang ihren grossen L ­ ebenstraum: einen Park, der einen liebevoll inszenierten Mikrokosmos von Botanik und Bauten vereint. Er ist eine spektakuläre Weltminiatur-Anlage, sieben Kilometer südlich des Swissminiatur-Parks von Melide. Entstanden ist er allerdings schon Jahrzehnte zuvor. Heute bietet der Parco Scherrer seinen B ­ esuchern einen etwas steilen Streifzug durch drei Kontinente und über dreieinhalbtausend J­ ahre Kulturgeschichte auf insgesamt 15 000 Quadratmetern. Er ist auf mehrere Terrassen verteilt, die mit Hunderten von Stufen verbunden sind, alles eingebettet in ein üppiges subtropisches Grün. Nach dem improvisiert wirkenden Eingang geht es, zunächst noch etwas unscheinbar, hübsch hoch. Üppige Azaleen, eine mächtige Libanonzeder und zahlreiche Staffagen wie ein venezianischer Zierbrunnen, zwei Barocklöwen aus Carrara-Marmor, Statuen von Nymphen und Faunen sowie eine Amphore säumen den Weg. Dann, auf halber Höhe, das erste «Ah» und «Oh»: Die Sonnenterrasse Belvedere bietet einen atemberaubenden Blick über den See und nach Italien, bis weit in die ­Hügel der Region Varese hinein. Sie ist grosszügig mit einem römischen Brunnen, mit Säulen und Zypressen ­umrahmt. «Dies ist der i­deale Ort für Fotoshootings und Filme», sagt ­Vizebürgermeister Andrea Soldini, der durch den Park führt – unter anderem wurden T ­ eile von «Mein Name ist Eugen» hier gedreht. Zudem werde der Park gerne als Location für Firmenanlässe und Kulturveranstaltungen g ­ enutzt. Und auch ­«cantanti ­tedeschi» würden diese Kulisse gerne für ihre Videoauftritte verwenden, erzählt S ­ oldini. Etwa Hansi H ­ interseer oder Peter Kraus, der ­übrigens auch seine Wahlheimat hier gefunden hat. Von dieser Aussichtsterrasse aus schweift der Blick nach oben. Aus dem Grün ragt ein massstabsgetreu nachgebauter Tempel der Athener Akropolis: das Erechtheion. Und ­zuoberst thront ein maurischer Sonnentempel mit Anklängen an die ­Alhambra in Granada. Auf einer Seitenterrasse liegt eine Orangerie, die ­heute als Raum für Wechselausstellungen dient. Momentan beherbergt es die Gipsskulpturen des Tessiner Bildhauers Renzo Fontana. Und dann erfolgt plötzlich ein Stimmungswechsel. Vom barockprunkvollen E ­ uropa geht es, sensibel inszeniert, über einen schmalen Holzsteg nach Asien. Hier wächst viel B ­ otanisches, das die Scherrers aus China und Japan geholt haben. Ein original siamesisches Teehaus lässt durch eine ­Glasscheibe Einblicke zu. Es ist wohnlich und edel mit exotischen Textilien und Möbeln ausgestattet. Vermutlich diente dieser Holzpavillon zur Unterbringung von Gästen. Denn dieser b ­ esondere Garten wurde bis in die sechziger Jahre hinein rein privat genutzt. «Was genau hat sich zu Scherrers Lebzeiten in diesem Park abgespielt, und wer ging hier ein und aus?» Vizebürgermeister Soldini zuckt mit den Schultern. Keine Ahnung, und so g ­ enau scheint das hier niemand wissen zu wollen. Mit der zahlreichen Prominenz geht man in Morcote unaufgeregt und vor allem diskret um – auch nach ihrem Ableben. Ein einziger Gast sei bekannt, sagt Soldini: Aga Khan, ein guter Freund der Scherrers, der sich oft und gerne hier aufgehalten haben soll. Er b ­ ezeichnete diesen Park als «paradiesischen Garten». Die von der Gemeinde bereitgestellte Biografie ist dürr: S ­ cherrer wurde 1881 in eine betuchte St. Galler Familie hineingeboren, erhielt eine standesgemässe, i­nternationale Ausbildung und machte Vaters Lodengeschäft in München zu einem der elegantesten H ­ errenmodehäuser von Bayern. Daneben reiste er gerne mit seiner Gattin in der Welt h ­ erum. Mit 49 kaufte er das Grundstück am See, baute eine Villa, die später an den langlebigen Maler Hans Erni überging, und

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Die palazzina indiana ist im Mogulstil ausgemalt und enthält ein edles Sammelsurium internationaler Exotika.

­ estaltete als Landschaftsgärtner den Abhang allmählich von unten g nach oben durch. Und wäre er nicht 1956 gestorben, so wäre er wohl noch heute damit beschäftigt. Weiter geht’s zum ebenfalls massstabsgetreu nachgebauten ­NofreteteTempel. Hier hat sich das exzentrische Ehepaar sein Mini-Mausoleum errichtet. Hinter der Nachbildung der berühmten Büste der schönen Nefertiti stehen die beiden Urnen mit der Asche des Ehepaars, links davon, in Bronze gegossen, die ­Totenmaske des Hausherrn. Sein G ­ esicht paart einen starken Willen mit Sinnlichkeit und strahlt den Ausdruck tiefster Zufriedenheit aus. Die Augen sind geschlossen, als träume er von etwas Angenehmem. Durch einen Bambushain und Palmen geht es in die unvollendet gebliebene arabische Wüstenoase. Im üppigen Grün stehen Skulpturen von sich neckisch räkelnden ­nubischen Sklavinnen. Eines lässt sich über den geheimnisvollen Arturo Scherrer mit B ­ estimmtheit sagen: Er muss heterosexuell gewesen sein, denn die in solchen Parks gerne herumstehenden Steinjünglinge fehlen. Der Lieblingsort der Scherrers war der sogenannte indische Palast, den sie nach dem Vorbild des Palazzo Salò in B ­ rugine bei P ­ adua errichteten. Davor liegt ein Pool, hinter dem vier Elefanten mit aufgerichtetem Rüssel stehen, darüber drei ­angriffsbereite Kobras und zuoberst die heilige Kuh von M ­ ysore. ­Innen ist das ­Gebäude im ­typischen Mogulstil b ­ emalt. Es ist ein weiterer ­Mikrokosmos und ein Sammelsurium für sich. Der g ­ rosse L ­ euchter des Hauptsaales stammt aus ­Murano, der ­Kamin aus Peking. Auf der G ­ alerie befindet sich eine Bibliothek mit Nachschlagewerken, Literaturklassikern und Bänden wie «Der kunstsinnige K ­ annibale» oder «Calvers Käferbuch». An der Schlafzimmerdecke prangt ein Himmelsgemälde, das die Sternenkonstellation bei der Geburt von Amalia Scherrer zeigt. Und über dem Eingang steht in kalligrafischer, arabischer Schrift: «Wenn es ein Paradies gibt, dann ist es hier.» Zum Park gehört ein Grotto, das auch ­unabhängig vom Park ­besucht werden kann. Es bietet einen traumhaften Blick auf den See, ist aber leider nicht durchgehend geöffnet. Es liegt in einem lombardischen Haus aus dem 14. Jahrhundert, das im Luganer Viertel ­Sassello abgerissen wurde und das ­Scherrer hier liebevoll rekonstruieren liess. Es ist der ideale Ort, um einzukehren und über den Schöpfer dieses Parkes zu sinnieren: den Menschen Arturo Scherrer, der sich ein derartiges Denkmal gesetzt hat, ohne sonst das kleinste Bisschen über sich zu verraten.

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ÖFFNUNGSZEITEN Von Mitte März bis Ende Oktober: 10–17 Uhr, im Juli und August: 10–18 Uhr. Die ­Bushaltestelle «Parco Scherrer» liegt vor der Haustüre, Parkplätze sind vorhanden. ­­Tel. 091 996 21 25, weitere Infos unter www.morcoteturismo.ch

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Story  Laufschuhe

Auf und davOn Text:

SARAH STUTTE

Bild:

ROMAIN BERNARDIE JAMES

«Anders», «besser» und «leichter» sind W ­ örter, ­denen man in der Werbung oft begegnet. E ­ twas ­Neues, ­das tatsächlich anders, besser und ­leichter ist, kommt selten auf den Markt. Doch nichts ist ­unmöglich. Das beweist die ­SCHWEIZER LAUFSCHUHMARKE On. Ein ehemaliger Athlet und seine zwei Kollegen rennen mit ­ihrer ­SOHLENTECHNOLOGIE «CLOUD» der Konkurrenz davon. 46  WW Magazin

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S

obald man aus dem Lift tritt, steht man ­unmittelbar nicht nur im Kern des On-­Offices, sondern auch des Geschehens. Auf einen überflüssigen Empfangsbereich wurde verzichtet, stattdessen auf eine offene Bürokultur ­gesetzt, die es schafft, gleichzeitig ein warmes Gefühl des Willkommenseins sowie den Hauch der Kreativität zu vermitteln, die hier tagtäglich zum Tragen kommt. Die ­Firma On ­befindet sich erst seit wenigen ­Monaten an der Pfingstweidstrasse in Zürichs Westen, vorher war der Sitz des sechsjährigen Unternehmens in ­Zollikon. Der erste Blick fällt nicht auf die verschiedenen

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Laufschuhe  Story

Herrenmodell «Cloudflyer»,­ Fr. 240.–.

Arbeitsbereiche, die sich bis in den hinteren Teil des selbsternannten Langdistanz-Büros erstrecken, sondern auf das grosse Holzpodest, das dazu einlädt, die dort ausgestellten Schuhmodelle gleich an Ort und Stelle anzuprobieren. Auch ich muss als Erstes in ein paar On-Schuhe schlüpfen. Sie sind ganz leicht, und mit ihnen fühlt sich auch mein Fuss automatisch leichter an. Als ich gefragt werde, wie ich den Schuh empfinde, sage ich: «Anders». «Anders ist gut», meint Olivier ­Bernhard. «Das heisst, er ist nicht wie die anderen Schuhe, und man merkt den Unterschied.» Der frühere Athlet

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– dreimal Duathlon-Weltmeister und mehrmals I­ronman-Sieger – arbeitete nach dem Ende seiner Profisportkarriere an der Idee eines ETH-Ingenieurs für eine neuartige ­Laufsohle. Viele Entwicklungsschritte später ist daraus die Laufschuhmarke On entstanden. «An den von mir getragenen Laufschuhen hat mich immer gestört, dass sie den Fuss limitierten, statt ihn zu unterstützen.» Zusammen mit zwei Kollegen, David Allemann und Caspar ­Coppetti, gründete Bernhard 2010 das Unternehmen. O ­ bwohl die Welt auf den von drei Quereinsteigern entwickelten Schweizer Laufschuh nicht ­gewartet h ­ atte. Zwar wächst der Markt für Laufschuhe weiter, doch die Konkurrenz von Grossunternehmen war ­respekteinflössend. Dennoch glaubten alle drei an die On-Idee, denn sie waren überzeugt, anderen Laufschuhen etwas Wesentliches vorauszuhaben: und zwar das Allein­stellungsmerkmal, ein technologisches Spitzenprodukt mit stimmigem Design zu vereinen. Der Technologie liegt ein einfacher und doch ­wesentlicher Gedanke zugrunde: weich landen, hart ­abstossen. Dies wird möglich durch die sogenannten Clouds an der Sohle, flexible Hohlelemente aus ­Gummi, die vertikale und horizontale Kräfte bei der Landung dämpfen und deren Verzahnungen für ­einen kraftvollen Abstoss ineinander greifen und so eine geschlossene Fläche bilden – der Läufer verliert ­keine Energie. Im ersten Moment ­empfinde man dies vielleicht als ungewöhnlich, weil man den Schuh erst leicht verzögert spüre, sagt Bernhard. ­Sobald sich der Körper aber einmal daran gewöhnt habe, profitiere man vom angenehmeren Lauf­gefühl. «Mit On ist der Läufer der Chef. Er, und nicht der Schuh, sagt, wie er läuft.» Das patentierte sogenannte Cloud-Tec-­System besteht aber nicht bloss aus Gummi-Hohlelementen, sondern auch aus der Mittelsohle, dem sogenannten Speedboard. Dieses sei für j­eden Schuh individuell designt und von der Materialisierung spezifisch eingepasst, sagt Bernhard. «Hinten ist es weich, in der Mitte nimmt es die Spannung auf, und vorne ist es flexibel. Das erzeugt einen rollenden Effekt, wie bei einem Rad. Die Landeenergie wird ­somit wieder zum Abstossen genutzt.» Und ein weiteres Novum schliesslich sei auch, dass bei On das engineered mesh – ein Textilgewebe für S ­ neakers, das die Luftdurchlässigkeit wesentlich fördert – mit sämtlichen Belüftungsfunktionen genau auf die Schuhgrösse gewoben wird. «Unser Grundsatz ist: Alles am Schuh muss funktionsberechtigt sein.» Und wenn das nicht der Fall sei, dann sei das überflüssige Teil rasch nicht mehr da, sagt Bernhard. Auf diesem Prinzip beruht auch das Design: schlicht, wenig Farben und keine überflüssigen ­Applikationen. «Wir glauben daran, dass wir den Konsumenten in der digital überfluteten Welt von heute mit feinen Randnotizen besser erreichen», so ­Bernhard. Und der für Design und Marketing verantwortliche On-Mitgründer David Allemann fügt ­hinzu: «Für uns waren rein dekorative Elemente nur mehr Gewicht am Schuh.» Deshalb habe man

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jedes Modell auf das Wesentliche reduziert. Die ersten ­Prototypen hätten sie intern «Frankenstein» g ­ enannt, sagt ­Allemann, weil diese noch grosse Klötze an der Sohle hatten; dafür habe es kein Logo und kein D ­ esign gegeben. «Doch mit der Zeit haben wir unsere Sprache gefunden, die Materialisierung und die Performance des Designs verbessert», erklärt Allemann. Mit dem Frankenstein gewann die gerade ­gegründete Firma auf Anhieb den «Brandnew Award», eine Auszeichnung für neue Markenartikel der ISPO, der internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode, die in München stattfindet. Das war ­neben der Ehre auch eine Herausforderung, sagen David Allemann und Olivier Bernhard, weil man im Scheinwerferlicht stand, aber noch keinen fertigen Schuh vorweisen konnte. «Wir benötigten in Asien sehr schnell erste Partner für die Herstellung und hätten uns dabei vermutlich mehr Zeit lassen müssen», erinnert sich Allemann. Davon abgesehen seien sie aber vom relativ problemlosen Ablauf selbst überrascht gewesen. Und dankbar, dass ihre Marke so schnell erfolgreich wurde. Die Zürcher Firma beschäftigt heute mehr als hundert Angestellte in Europa, USA und Asien; weltweit sind rund eine Million Menschen in den Schuhen ­unterwegs, die in mehr als fünfzig Ländern erhältlich sind. Mittlerweile gibt es vom «Cloudster», dem Einstiegsmodell, über den «Cloudcruiser», « ­ Cloudflyer», «Cloudracer», «Cloudsurfer» oder «Cloud» verschiedenste Modelle für die individuellen Bedürfnisse der Läufer. Die Preise bewegen sich zwischen 190 und 270 Franken und sind damit vergleichbar mit den ­Premium-Modellen anderer Laufschuhmarken. In Schuhen von On laufen Spitzensportler – ­Olympiasiegerin Nicola Spirig etwa – und Hobbyläufer, die gleichermassen Spass am neuartigen Laufgefühl haben. Kameramann Emmanuel « ­ Chivo» Lubezki, der jüngst für «The Revenant» mit einem Academy Award für die beste Kamera ausgezeichnet wurde, spazierte mit Ons an die Oscar-After-ShowParty. Die Schuhe zieren die Cover von Variety, einem Filmmagazin, und Runner’s World. Und diesen Sommer kommt der erste On-Trailschuh auf den Markt, der die weiche Landung von On und den schnellen Vortrieb auch in den Schweizer Alpen und in ­unwegsamem Gelände ausspielen soll. Das heisst, die junge Marke von der Zürcher P ­ fingstweidstrasse be­schreitet neue Wege.

On-Gründer und -­Geschäftsführer Caspar ­Coppetti, Olivier ­Bernhard und ­David Allemann (von links nach rechts).

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«Die besten Kartoffeln – der Sorten Röseler, Urgenta oder Parli –, die ich kenne, kommen aus Filisur im Bündnerland»: Pascal Schmutz über seine Gschwellti.


Schweizer Kulinarik  Aussenbetrachtung

Bild: LUKAS LIENHARD

GSCHWELLTI DELUXE

Das REZEPT unseres Autors ist nicht bloss jenes für sein LIEBSTES FRÜHLINGSESSEN, sondern auch eine Erinnerung an sein Elternhaus. Text: PASCAL SCHMUTZ

Z

uerst habe ich, als mich die Anfrage des Redaktionsleiters erreichte, an eine kulinarische Tour de Suisse gedacht. Weil ich dachte, unter «Schweizer Kulinarik» verstehe ich zum Beispiel Käse aus der ­Romandie, Polenta aus dem Tessin und ein Rippli aus dem Bernbiet. Doch dann habe ich diese Idee verworfen – weil für mich ­Schweizer Küche das ist, was bei uns zu Hause, als ich ein Kind war, auf den Esstisch kam. Und etwas von dem, was ich immer am liebsten mochte, waren: Gschwellti. Gschwellti, also gekochte Kartoffeln, die mit Käse, Brot und, ganz nach dem jeweiligen Geschmack, Gemüse, Pilzen et cetera auf den Tisch kommen, denke ich, ist für Schweizer so etwas ähnliches, wie für Inder ein Curry – jede Familie hat ihr eigenes Rezept. Darum ­hatte ich Lust, mein Geschwellti-Rezept vorzustellen. Und auch weil Gschwellti ein ideales Frühlingsessen sind. Etwas viel Einfacheres als Salzkartoffeln zuzubereiten, fällt mir fast nicht ein. Gerade darum steht die Qualität des Produkts noch mehr im Vordergrund, als dies ohnehin der Fall ist in meiner Küche. Die besten Kartoffeln – der Sorten Röseler, Urgenta oder Parli – die ich kenne, kommen aus Filisur im Bündnerland. Ich kenne den Biobauern, auf dessen Hof diese Kartoffeln gewachsen sind. Er ist sozusagen mein Produzent. Für mich als Küchenchef ist es ein Traum, nicht bloss einen Kartoffel- oder Gemüseproduzenten zu haben, sondern auch einen Partner, der für mich Tiere so hält, wie ich es mir vorstelle, also mein Fleisch herstellt. Und einen Partner, der Käse so macht, wie ich es mir wünsche, einen eigenen Käser also. Zudem einen eigenen Früchtebauern und so weiter. Das tönt vielleicht ausgefallener, als es ist. Was Geflügel und Käse angeht, ist dieser Traum nämlich ebenfalls bereits Wirklichkeit geworden – es gibt einen Züchter in Malans, der Hühner für mich hält, und einen Käser in Muolen bei Bischofszell, der mir meinen Appenzeller liefert. Dass diese Kenner ihres Gebiets mit mir ­zusammenarbeiten, ist für mich eine Ehre. Es braucht für einen Produzenten Mut, den eigenen Weg zu g ­ ehen. Ich erinnere mich gut, als der Bauer aus Filisur seinen ­Betrieb auf biologische Landwirtschaft umstellte. Bis er die ersten E ­ rfolge mit seinen Kartoffeln erzielte, dauerte es fünf Jahre. Fünf Jahre, in denen er zwar viel arbeitete, aber wenig verdiente – weniger als er ­zuvor mit sogenannter traditioneller Landwirtschaft verdient hatte. Und das war bereits wenig gewesen, auch darum hatte er entschieden, auf Bio umzustellen. Die Durststrecke, die er überdauern musste, war lang. Und mehr als einmal hatten er und seine Frau Zweifel, ob der Entscheid richtig gewesen sei, ob sie jemals ein Auskommen finden würden. Heute sieht es gut aus für sie als Biobauern. Ähnliche G ­ eschichten können mein Hühnerproduzent und mein Käser erzählen. Bei diesen Unternehmern kommt dazu, dass zudem der Dorfmetzger, der die Hühner zerlegt, und die nahegelegene Käserei, wo mein Appenzeller entsteht, dank ihnen im Geschäft bleiben können. Manchmal werde ich gefragt, ob Gäste tatsächlich einen Unterschied schmecken zwischen meinem, sagen wir: nach den Regeln der Handwerkskunst hergestellten Gemüse, Fleisch oder Käse und handelsüblicher Ware. Oder ob es mehr mein Anspruch als Küchenchef sei, Produkte zu verwenden, mit denen ich mich von anderen Küchenchefs abgrenzen kann. Ich antworte, dass man etwa beim Fleisch klar merke, ob es sich dabei um ein Stück aus der Schweiz handle oder um eines aus dem Ausland – Schweizer Fleisch hat mehr Biss, man kaut länger darauf, weil Tiere in der Schweiz mehr Bewegung bekommen als in anderen Ländern. Ich sage aber gerne, dass es neben den Produ­­ zenten, mit denen ich arbeite, sehr viele andere gute Bauern, Züchter und Käser gibt, die beste Produkte herstellen. Und zwar sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. Doch ich bin der Ansicht, dass mittel- und erst recht langfristig nur Produzenten, die ihre Arbeit sorgfältig machen, weil sie sich ihrer Verantwortung gegenüber der Natur und den Konsumenten bewusst sind, zu den Gewinnern gehören werden. Und darum auch nur Küchenchefs, die nicht die günstigsten, sondern die besten Zutaten verwenden – um ihre Gäste nicht bloss satt, sondern glücklich zu machen. Zum Beispiel mit Gschwellti, Brot, Käse und Frühlingsgemüse.

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GSCHWELLTI, BROT UND CHÄS

GSCHWELLTI:

Röseler, Urgenta, Parli und so weiter sind tolle Kartoffelsorten für Gschwellti. Gut waschen, mit Nussbutter und Salz in Folie einpacken. Zirka eine Stunde bei 170 Grad garen, danach halbieren und nochmals mit wenig Nussbutter bestreichen. Im Ofen nochmals bei Oberhitze goldbraun backen, dann mit der Schale zerbröckeln und mit Fleur de Sel würzen. KÄSE-MILLEFEUILLE:

Sechs dünne Scheiben Greyerzer (gut gereift) oder Bergkäse, Schnittlauch, in Stäbchen zugeschnitten. FÜLLUNG:

150 g Frischkäse; eine Prise Salz, wenig Pfeffer, wenig Zesten von Zitrone zugeben. Ein Blatt Gelatine, aufgelöst in wenig Weisswein darunterrühren. 50 g Schlagrahm darunterheben. Bevor die Masse fest wird, das Millefeuille aufschichten, 1 Stunde kühlstellen. BAUMNUSS-FOTZELSCHNITTEN:

Ruchbrot oder altes Brot in Tranchen schneiden. 1 Ei und 1 dl Rahm mit Muskatnuss und Salz verrühren. Tranchen darin wenden, in g ­ ebrochenen Baumnüssen wenden und in Butter ­b eidseitig anbraten. SPARGELN:

Spargeln schälen, kurz in Salzwasser blanchieren. Die Hälfte für Salat klein schneiden. Die andere Hälfte der Länge nach h ­ albieren und grillieren oder anbraten. Mit Salz und frischem Estragon ­abschmecken. DRESSING:

3 EL Rapsöl, ½ EL Honig, 1 EL Apfelessig; wenig Salz und Sauerampfer dazugeben und verrühren. FRÜHLINGSGEMÜSE:

Radieschen, verschiedene Kresse, Randen, Karotten, Kohlrabi, Frühlingszwiebeln, Spargeln und so weiter waschen, ­s­chneiden und mit D ­ ressing marinieren. CRÈME ZU DEN KARTOFFELN:

2 El Crème fraîche und 1 EL Senf miteinander verrühren.

Wer will, darf gerne Morcheln dazu reichen.

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Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: ZOHAR LAZAR

Das tiefblaue Wunder Ein BOOT mit unhörbarem E ­ LEKTROMOTOR und ohne Schadstoffausstoss ist eine saubere Sache für saubere SCHWEIZER SEEN. Zurzeit gibt es aber noch ein kleines Aber . . . Text:

B

MARK VAN HUISSELING

Bevor man mit einem Boot irgendwo hinfährt, befolgt man einen Ablauf mit Namen «Ablegen», und der geht so: Man startet den Motor, steigt vom Boot, löst die Leinen, mit denen das Boot zuvor belegt (festgemacht) worden war, behält dabei immer wenigstens eine ­Leine in der Hand (weil Boote keine Bremsen haben) und steigt schliesslich wieder aufs Boot, um abzulegen. Das ist bei e­ inem Boot mit Elektro­motor nicht anders. Das Einzige, was anders ist, ist, dass man in dem Augenblick, in dem man bereit ist, mit dem Elektroboot abzu­legen, meint, der Motor laufe nicht. Also startet man ihn noch einmal. Und noch einmal. Oder hat man ihn stattdessen wieder abgestellt? Oder springt das Ding nicht an? Falsch und richtig – der ­Motor lief die längste Zeit. Man hört ihn bloss nicht. Weil ein Elektromotor keine Geräusche macht. Was auch der Grund ist, weshalb man

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Das extraleichte Boot (1500 Kilo) lässt sich mit zwei battery packs rund dreissig Minuten mit hoher Geschwindigkeit (40 Knoten) fahren oder zirka vier Stunden mit niedriger Geschwindigkeit (10 Knoten).

einen heranrollenden, sagen wir, ­Toyota Prius im Strassenverkehr nicht hört. Und schon ist der Ablauf des Ablegens ins Stocken g ­ eraten. Was dazu führen kann, falls es Wind und/oder Wellen gibt, dass das Boot die Hafenmauer oder, schlimmer: ein anderes Boot touchiert. Zum Glück wurden dafür sogenannte Fender, Dämpfer aus Plastik, erfunden.

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Elektromotoren übertragen die Kraft, die sie erzeugen, sozusagen ohne Kraftverlust oder Durchhänger. Das war jetzt laienhaft ausgedrückt, einverstanden. Wenn man es grafisch darstellen würde, wäre die Leistungskurve eine Linie, die wohl in einem Winkel von 45 Grad gerade ansteigt und nicht in Form einer Banane oder ähnlich. Ich versuche, dies

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

auch nicht ganz so steil wie die Leistungskurve des Elektromotors, ist man schliesslich doch draussen aus dem Hafen und der ­Uferzone, erreicht also den Teil des Zürichsees, auf dem man mehr oder weniger freie Fahrt hat. Und dort ist eindrücklich erlebbar, wie kraftvoll der Motor das Boot vorantreibt. Was mir noch eindrücklicher vorkam, weil man praktisch geräuschlos unterwegs ist; vom Antrieb ist bloss ein tiefes, nicht störendes Summen zu hören. So soll es sein, das gibt Bootsfahrern auf Binnenseen mit Trinkwasserqualität ein gutes Gefühl – kein Lärm, keine schädlichen Abgase oder sonstige Emissionen. Hätte ich etwas zu sagen, würde ich sagen: Elektrobooten gehört die Zukunft, es sollen mehr davon verkehren. Und weniger Schiffe mit Verbrennungsmotoren – jedenfalls auf Schweizer Gewässern, wo die meisten pour le plaisir unterwegs sind. Was man aber auch sagen muss: Zurzeit sind die Batterien noch zu schnell leer. Das von mir gefahrene, extraleichte Boot von Ganz Boats (um 1500 Kilo, also 40 Prozent ­weniger schwer als herkömmliche ­Motorboote von 6,80 Metern Länge) lässt sich mit zwei ­battery packs rund dreissig M ­ inuten mit hoher ­ ­ G eschwindigkeit (40 Knoten) fahren oder z ­ irka vier Stunden mit niedriger ­G eschwindigkeit (10 Knoten). Dann müssen die Akkus geladen werden. Und noch gibt es zu wenig Stromtankstellen – nämlich keine am Zürichsee, mit Ausnahme der ­Ladestation von Ganz Boats in der Werft im Tiefenbrunnen. Natürlich kann man die Batterien auch mit Strom aus einer normalen 220-Volt-­Steckdose laden. Bloss dauert das zirka zehn Stunden (beim 400-Volt-­A nschluss in der Werft sind sie nach vier Stunden voll). Falls man aber die Entwicklung, die bei Autos mit Elektromotoren stattgefunden hat und stattfindet, als Massstab nimmt, dauert es bloss wenige Jahre, bis Akkus länger halten werden. Und bis es zahlreiche Strom­ tankstellen an Seen geben wird. Deshalb rate ich Freizeitkapitänen, sich jetzt schon mit Elektrobooten vertraut zu machen. Und bald mit einem abzulegen. zu beschreiben, weil ich davon beim Auslaufen aus dem Hafen überrascht wurde – schon wenn man den Hebel, mit dem man «Gas» gibt, zwei Fingerbreit nach vorne bewegt, nimmt die «Eleovation 6.8» mächtig Fahrt auf. Zuviel Fahrt jedenfalls für ­jemanden, der Verbrennungsmotoren g ­ ewohnt ist, die auf Touren kommen müssen. Kommt dazu, dass der ­A ntrieb eine W ­ elle mit Propeller ist, was sich ungewöhnlich anfühlt, für Schön­wetterkapitäne jedenfalls, die eine andere A ­ ntriebsart gewohnt sind. Egal, ein

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Elektromotor muss, wie Tesla-Fahrer wissen, nicht erst auf Touren kommen. Was ­super ist, wenn man es weiss. Aber wenn man noch dran ist, es im Wortsinn zu «­erfahren», geht alles plötzlich schnell bis zu schnell. Dann kommt dem Satz «Boote h ­ aben k ­ eine Bremsen» wieder ­grosse Bedeutung zu. Und Hindernisse wie ein Steg oder das Boot eines Fahrschülers, der im Hafen ebenfalls am Üben ist, kommen schneller näher, als einem lieb ist. Da die Lernkurve vieler Menschen – ­inklusive des Schreibenden – ansteigt, wenn

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GANZ ELOVATION 6.8 Bei dem von unserem Autor gefahrenen Modell handelt es sich um eine «Elovation 6.8 Epox» von Ganz Boats in Zürich mit 66 Kilowatt Leistung – «Deep Blue 80»-Antrieb von Torqeedo –, ab 146 350 Franken (inklusive Mehrwertsteuer); Antriebsvarianten mit geringerer Leistung, ab 6 KW, sind ab 65 400 Franken erhältlich.

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Anleitung  Arbiter Elegantiarum

Redaktion: YVONNE WIGGER

AUF DEM LAUFSTEG

Yogamatte von MARA HOFFMAN, ­ ca. Fr. 165.– (bei Net-a-porter.com).

Bluse von MARC O’POLO, Fr. 99.90.

Uhr «Apple Watch Hermès Double Tour» von HERMÈS, Fr. 1480.–.

Ihr Stil unterscheidet sich nur auf den ersten Blick nicht gross von dem Tausender anderer mittelalter trophy wives in den Strassen New Yorks.

Hose von CURRENT/ELLIOTT, Fr. 304.– (bei Mytheresa.com).

Schuhe von PRADA, Fr. 490.–.

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An ihr sieht man nicht bloss, wie die Zeit vergeht, sondern, wie die ZEIT GUT VERGEHEN KANN. ­Ex-­Supermodel Christy ­Turlington ist immer noch super, wenn es ­darum geht, FORM UND INHALT sowie Stil und Haltung zu ­vereinen. So, wie sie erkannt hat, wann es am s­ chönsten ist, aufzuhören, hat sie erkannt, dass es ein Leben nach der Karriere gibt – Familie, EINSATZ FÜR GUTE ­Z WECKE UND YOGA

haben ­geholfen. Wir verneigen uns. Mai / Juni

I

Im Teenageralter bei e­ inem Reitwettbewerb in Miami entdeckt, war sie während ihrer Laufbahn auf rund 500 Covers von Modezeitschriften der Welt zu sehen. Doch das ist l­ ange her, war vor der Jahrtausendwende. Diese Karriere hat sie, die zu den fünf Original-­ Supermodels – ­Naomi Campbell, ­Cindy ­Crawford, ­Linda ­Evangelista und Claudia Schiffer – ­ zählte, beendet, und zwar mit ­ ­ G espür für den richtigen Zeitpunkt. Die Gründerin der O ­ rganisation Every ­Mother Counts («Jede Mutter zählt»; ­Organisation, die Schwangerschaft und Niederkunft sicherer machen will) lebt mit Mann und zwei Kindern in ­Manhattan. Dort sieht man sie gelegentlich, ausgerüstet mit Starbucks-iced ­coffee und Smartphone, in weissen 7/8-Jeans und legerer ­Hemdbluse. Doch ihr Stil u ­ nterscheidet sich nur auf den ersten Blick nicht gross von dem Tausender a ­ nderer mittelalterlicher trophy ­wives in den Strassen von New York. Die Kombinationen, die sie trägt, sind immer durchdacht, zeitlos und klassischsportlich. Nichts N ­ eues, wie g ­ esagt, aber la Turlington sieht gut ­darin aus. Ihr Geheimnis? «Ich h ­ atte das Glück, schon mit achtzehn Yoga für mich zu entdecken.» Yoga sei die ­perfekte Kombination aus spiritueller ­ L ebenseinstellung und ­Meditation und habe, dank körperlicher Übungen, natürlich auch ­einen physischen Nutzen. Dank Yoga habe sie ihre Liebe zum Sport ­gefunden, sagt sie, was nützlich ist – Yoga verschafft zwar, ­unter anderem, ­Beweglichkeit, doch ­Ausdauer muss anders trainiert werden. Die Apple-Watch-Botschafterin ist topfit – und zeigt es stolz auf ihren ­Social Media-Kanälen. Wir s­ chauen ­gerne hin. Und nehmen sie uns zum Vorbild. Yvonne Wigger

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Bild: Dukas

CHRISTY TURLINGTON


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22. SEPTEMBER 2016

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MARKETING: Guido Bertuzzi (Leitung) ANZEIGENVERKAUF:

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Samuel Hofmann (Leitung) Telefon: 043 444 57 02 Fax: 043 444 56 07 E-Mail: anzeigenid@weltwoche.ch DRUCK: Swissprinters AG Brühlstrasse 5, CH-4800 Zofingen

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