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Entspannt durch die Narkose

Nach einer Operation können gerade ältere Patienten als Folge der Narkose in einen Zustand geistiger Verwirrtheit geraten. Diesem postoperativen Delir, so der medizinische Fachbegriff, widmet man heute sehr viel Aufmerksamkeit und versucht, das Delir nach Möglichkeit zu verhindern. Im St. Franziskus-Hospital ist Martin Rößler, Ärztlicher Projektleiter für Delir- und Demenzmanagement, Spezialist für dieses Thema.

Früher hat man die Verwirrtheitszustände nach einer Operation als Durchgangssyndrom bezeichnet und nicht weiter beachtet. Heute widmet man dem postoperativen Delir viel Aufmerksamkeit, um solche Zustände klar zu diagnostizieren, zu mildern und möglichst zu verhindern. Martin Rößler ist Facharzt für Anästhesie am St. Franziskus-Hospital und hat sich auf das Delir- und Demenzmanagement spezialisiert. Er kümmert sich speziell um die Bedürfnisse von älteren Patienten vor, während und nach einer Operation. Daneben bietet er Beratungsgespräche für Angehörige und Fortbildungen für Ärzte und Pflegepersonal an. Martin Rößler weiß, dass bereits vor der Narkose vertrauensvolle Gespräche, das Beruhigen und Eingehen auf Ängste und Befürchtungen der Patienten und auch Angehörigen eine

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Die Narkose

Was gibt es vorher zu beachten?

Am Morgen nicht schminken oder eincremen. Nagellack oder künstliche Fingernägel, Schmuck, (Ohr)Ringe, Piercings entfernen. Keine Kontaktlinsen anziehen, Zahnprothesen herausnehmen, Brille im Zimmer lassen. Tun Sie sich den Gefallen und hören Sie einige Tage vorher mit dem Rauchen auf, besser sogar vier bis acht Wochen vorher. Nikotingenuss kann zu Komplikationen nach der OP führen, die Wundheilung ist dadurch schlechter. Laut Studien haben etwa 28 von 100 operierten Rauchern nach dem Eingriff Probleme. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über alle Medikamente, die Sie einnehmen – auch rein pflanzliche Präparate! Eine ausgewogene, gesunde Ernährung hilft dem Körper beim Heilungsprozess und verringert das Risiko von Komplikationen. Eiweiß unterstützt das Immunsystem, Gemüse liefert Vitamine und Nährstoffe. Auf Fleisch und Hülsenfrüchte sollten Sie zwei Tage vorher verzichten, auch Alkohol ist tabu.

ganz wichtige Rolle spielen: Gerade die menschliche Betreuung sei ein wichtiger Pfeiler im Delirmanagement, sagt er. Je ruhiger und zuversichtlicher der Patient in die Narkose gehe, desto besser ist das für seine psychische Verfassung. „Vor der Narkose muss man heute keine Angst haben“, beruhigt der Anästhesist deshalb gerade die älteren Patienten. Dank moderner Narkosemittel und apparativer Überwachung sei beispielsweise die Sorge unbegründet, während der Operation aufzuwachen. „Die Narkosen sind heutzutage schmerzfrei, sicher und werden von den Patienten gut vertragen“, erklärt Rößler.

Delir mit Wahnvorstellungen

Dennoch bestehe für Patienten ab 65 Jahren ein erhöhtes Risiko, nach einer Narkose ein Delir zu erleiden. Darunter versteht man einen Zustand geistiger Verwirrung mit Desorientierung und teilweise auch Halluzinationen. Ein Delirium kann innerhalb weniger Stunden nach dem Erwachen, mitunter auch erst am zweiten oder dritten Tag nach der Operation auftreten und mehrere Tage anhalten. Die Symptome sind sehr unterschiedlich und können in ihrer Intensität und den Erscheinungsformen im Tagesverlauf wechseln. Neben Wahnvorstellungen (etwa Dinge wahrnehmen, die nicht der Realität entsprechen) können bei einem Delir Wesensveränderungen auftreten. „Da zieht sich eine sonst lebhafte Person zurück, reagiert ängstlich und weinerlich. Oder ein sehr geduldiger Mensch wird plötzlich ungehalten, laut oder gar aggressiv“, nennt Martin Rößler Beispiele. „Zutiefst verstörend wirkt es, wenn beispielsweise ein Mann seine Ehefrau oder die eigenen Kinder verwechselt. Oder wenn der Patient fantasiert und wirre Geschichten erzählt.“ Den Angehörigen macht das Angst und sie haben dann das Gefühl: Das ist nicht mehr der Mensch, den ich kenne.

Geborgenheit und Orientierung geben

Tritt ein postoperatives Delir auf, ist es ganz wichtig, die Angehörigen einzubeziehen. Je besser diese Bescheid wissen, desto eher können sie ihre Liebsten unterstützen. „Druck rausnehmen, Geborgenheit und Vertrautheit vermitteln und mit klarer Ansprache für Orientierung sorgen“ – nach diesen Leitlinien handelt auch das Pflegepersonal, das sich auf Patienten mit besonderem Zuwendungsbedarf eingestellt hat. „Es sind Kleinigkeiten, die helfen“, so der Experte Rößler. Dazu gehören die korrekte Funktion von Brille, Gebiss oder Hörgerät sowie die richtige Beleuchtung. Am Tag solle das Licht nicht zu grell sein, nachts dunkel bzw. so, wie es der Patient gewohnt ist. Bei einem Besuch seien ruhige Musik oder ein Spaziergang erlaubt. Rößler: „Wichtig ist, die individuellen Bedürfnisse zu respektieren und auch ernst zu nehmen. Gerade in Köln wissen wir: Jeder Jeck ist anders.“

Aufklärung und Prävention

Prävention beginnt am besten schon zuhause. Die Patienten und ihre Angehörigen erhalten Informationen und Checklisten und können sich im Idealfall auf den stationären Aufenthalt vorbereiten. „Für das Arzt-Patientengespräch nehmen wir uns viel Zeit und erklären, was auf den Patienten zukommt“, beschreibt Rößler die Abläufe. Abgeklärt werden auch Risikofaktoren wie eingenommene Medikamente, Alkohol- und Tabakkonsum und mögliche traumatische Erfahrungen bei früheren Operationen. „Wir versuchen, im Gespräch Vertrauen auf- und Angst abzubauen“, fasst Rößler zusammen. Wenn der Patient angstfrei in die Narkose gehe, sei auch das Aufwachen viel entspannter.

Ärztlicher Projektleiter Martin Rößler

Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie

Tel 0221 55911762

anaesthesie.kh-franziskus@cellitinnen.de www.stfranziskus.de

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