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S TA D T N AC H R I C H T E N F Ü R D I E T Z E N BAC H U N D H E U S E N S TA M M Donnerstag, 27. August 2015

Neue Leiterin: Kunsthistorikerin „lenkt“ Stadtbücherei in Dietzenbach Seite 2

Nr. 35 D

Auflage: 20.135

Höhenflug: Für Dunja Morian hat sich ein großer Wünsch erfüllt Seite 5

Anzeigen: 06106 2839000 / www.dreieich-zeitung.de

Sonderthema: Entdecken, Erleben, Genießen Seite 11

Veranstaltungen: Kunst und Kultur in der Region Seite 9

Grube Messel: Termine für Forscher und junge Entdecker Seite 16

Energiespartipp der Woche Die „Hessische Energiespar-Aktion“ ist ein Projekt des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung.

Von wegen „Chefsache“... Flüchtlings-Problematik: Bürgermeister Rogg kritisiert die Kanzlerin Von Jens Köhler DIETZENBACH. Die Flüchtlingswelle in Deutschland mit der von der Bundesregierung nach oben korrigierten Prognosezahl von 800.000 Asylbewerbern im laufenden Jahr... Die Streitfrage, wieviel Masseneinwanderung die Bundesrepublik unter sozialen Gesichtspunkten verkraften kann... Und schließlich der Aspekt „allein gelassene Kommunen“... Diese Stichworte sorgen landauf, landab für Diskussionen. Ob an Wohnzimmer-, Gasthaus- oder Rathaustischen: Der Ausblick auf die Perspektive „Völkerwanderung aus Kriegsund Krisengebieten nach Europa“ mit gigantischen Zuzugszahlen womöglich über Jahre hinweg und die bange Frage „Wie soll das funktionieren?“ – das sind Themen, die viele Menschen umtreiben. Jürgen Rogg zählt zu den Besorgten. Wie sehr ihn die Problematik beschäftigt und wie dünnhäutig er und viele andere Kommunalpolitiker mittlerweile reagieren, wenn Begriffe wie „Unterkünfte schaffen“ und „Betreuung organisieren“ zur Sprache kommen: Das zeigte sich in der vorigen Woche während einer Pressekonferenz. Der Dietzenbacher Bürgermeister (parteilos) berichtete über den städtischen Haushalt des Jahres 2015, der kürzlich vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt wurde. An ihr Okay hat die Aufsichtsbehörde eine dringende Empfehlung gekoppelt: Die in finanzieller Schieflage befindliche Kreisstadt solle doch möglichst auf Investitionen und „freiwillige Ausgaben“ gänzlich verzichten, um den eingeschlagenen Weg raus aus den roten Zahlen nicht zu gefährden. Zentrale Finanzquellen sprudeln gut Wie das Gemeinwesen ohne ein Minimum an sozialer und kultureller Infrastruktur und baulicher Unterhaltung über die Runden kommen solle, sei ihm zwar schleierhaft, kommentierte Rogg den Ratschlag aus Südhessen mit süß-saurer Miene. Doch immerhin: Dank guter Einnahmen bei den zentralen Finanzquellen namens Gewerbe- und Einkommensteuer, die 2015 besser als erhofft sprudelten, werde man die Bilanzvorgaben in diesem Jahr erfüllen können. Gleichwohl – und an dieser Stelle wurde Roggs Tonfall deutlich schärfer – sei es „ein Unding“, mit welcher Ignoranz das Land Hessen und der Bund nun schon seit langer Zeit ihren Finanzierungs-Verpflichtungen bei den Themen „Kinder-Betreuung“ und „Quartiere für Flüchtlinge“ nicht nachkämen. Von wegen Konnexitätsprinzip, „wer bestellt, der bezahlt“: Das sei die Theorie, doch die hinke der Praxis weit hinterher. Als „schwächstes und letztes

Glied in der Kette“ würden die Städte und Gemeinden mit millionenschweren Ausgabeposten im Stich gelassen, kritisierte der Verwaltungschef der 35.000 Einwohner zählenden Zentralstadt des Kreises Offenbach. Sein Fazit: Es sei beschämend, dass die Kommunen immer und immer wieder auf den be-

aktuelle Situation beim Thema „Aufnahme von Asylbewerbern in Dietzenbach“ skizzierte. Zu den gut 80 Menschen, die derzeit zwischen Hexen- und Steinberg Aufnahme gefunden hätten, kämen bis zum Jahresende vermutlich gut 100 weitere hinzu – das sei das momentan von den übergeordneten Behörden in Aussicht gestellte Aufnahmekontingent. Zweite Unterkunft soll 2016 startklar sein

sagten Grundsatz pochten und teilweise (gedanklich) auch schon auf dem Klageweg seien, ohne freilich bislang eine strukturelle Verbesserung der Situation erreicht zu haben. Seinen Unmut machte Rogg an konkreten Zahlen fest, indem er – gemeinsam mit dem Ersten Stadtrat Dieter Lang (SPD) – die

Notunterkunft im Winter? DIETZENBACH. Was geschieht mit all den Menschen, die im Laufe der kommenden Monate vor der Fertigstellung der zweiten Gemeinschaftsunterkunft in Dietzenbach „stranden“, sprich: Wo finden diese Asylbewerber, die der Stadt zugewiesen werden, eine Bleibe? Auf diese Nachfrage der Dreieich-Zeitung – Bezug nehmend auf das Schwerpunktthema einer Pressekonferenz (siehe Artikel „Von wegen Chefsache...“) – antwortete Bürgermeister Jürgen Rogg: „Derzeit gehe ich davon aus, dass das Kontingent, das uns in Aussicht gestellt wird, innerhalb des Kreises Offenbach an anderer Stelle temporär ‚kompensiert’ werden kann.“ Der Verwaltungschef betonte: „Ich mag mir nicht vorstellen, erneut Notunterkünfte herzustellen. Auszuschließen ist das aber nicht.“ Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr war ein Container-Provisorium neben dem Parkplatz am Dietzenbacher Rathaus errichtet worden. Es stand länger als ursprünglich angekündigt („maximal fünf Monate“), und der damalige Erste Stadtrat Dietmar Kolmer (CDU) hatte öffentlich über die Option „Vielleicht wird daraus eine Dauereinrichtung“ nachgedacht. Doch Rogg sprach seinerzeit ein Machtwort. Noch vor der Jahreswende 2014/2015 wurde der Container-Komplex wieder abgebaut. Der Bürgermeister erklärte damals: „Man kann den Anwohnern nicht sagen ‚Es ist eine vorübergehende Lösung’ und dann plötzlich einen Rückzieher machen. Das geht nicht.“ (kö)

Zur Gemeinschaftsunterkunft am Kindäcker Weg (belegt mit rund 60 Personen), die die Stadt Dietzenbach für rund eine Million Euro vorfinanziert habe, ohne zu wissen, ob und wann sie das Geld (vom Bund?) erstattet bekomme, und zu einigen kleineren Quartieren, die ebenfalls vorhanden seien, müssten sich also schnellstens neue Räumlichkeiten hinzugesellen. Voraussichtlich im zweiten Quartal 2016 werde eine zweite Gemeinschaftsunterkunft, konzipiert für 100 Menschen, bezugsfertig sein. Derzeit laufe die Ausschreibung für das Projekt, das zwischen Albert-EinsteinStraße und Bahnlinie neben den Kleingärten verwirklicht werden soll, berichteten Rogg und Lang. Ein Kostenvolumen von rund zwei Millionen Euro sei veranschlagt worden, doch damit – so der Bürgermeister – „werden wir nach Lage der Dinge nicht hinkommen. Es wird teurer“, prophezeite Rogg, denn der Markt für Fertigbauteile sei bundesweit stark in Bewegung. Stichwort: anziehende Preise. Wohlgemerkt: Auch für diese Unterkunft, die unweit des Spessartviertels entstehen wird, muss die Stadt (eigentlich nicht vorhandenes) Geld lockermachen. Empfehlung klingt wie Hohn Vor diesem Hintergrund klingt die Empfehlung des Regierungspräsidiums – „auf neue Investitionen grundsätzlich verzichten“ – in Roggs Ohren wie Hohn. Mit Blick auf die Aussage von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Deutschland müsse sich über Jahre hinweg auf hohe Asylbewerberzahlen einstellen, fragt der Bürgermeister: „Wie wollen und sollen wir das hinbekommen? Muss ich den Menschen in unserer Stadt dann irgendwann sagen, dass die Leistung XY nicht mehr erbracht werden kann, weil wir das Geld so dringend an anderer Stelle benötigen?“ Es sei höchste Zeit, dass die Thematik als nationale Herausforderung nicht nur erkannt und benannt, sondern auch vom Bund finanziert werde, fordert Rogg klare Signale und Weichenstellungen in Berlin. In der besagten Pressekonferenz, die seinen Puls ansteigen ließ, hatte er insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisch im Visier. Abtauchen, Aus-

sitzen, Schweigen: Diese Methode werde der Tragweite des Problems nicht gerecht. Wenn der Begriff „Chefsache“ angebracht sei – dann doch wohl jetzt, in dieser so wichtigen Angelegenheit. Rogg erklärte: „Ich kann mich noch gut erinnern... Vor ein paar Jahren, als Frau Merkel vor die Kameras trat und betonte ‚Die Spareinlagen in Deutschland sind sicher.’ Ich warte darauf, dass sie sich ebenso unmissverständlich zum Thema ‚Aufnahme von Flüchtlingen’ äußert. Der Bund muss für die Finanzierung geradestehen.“ Ein weiteres Hinhalten der Kommunen, so der Tenor des Bürgermeisters, käme einem Armutszeugnis gleich.

Rund eine Million Euro hat die Dietzenbacher Stadtverwaltung am Kindäcker Weg investiert: Dort enstand Ende 2014 eine Gemeinschaftsunterkunft (Foto) für Menschen, die aus ihren Herkunftsländern geflohen sind und auf eine dauerhafte Bleibe- und Integrationsperspektive in Deutschland hoffen. Für maximal 60 Personen ist der aus Fertigbauteilen errichtete Komplex konzipiert. Ein weiteres Wohnheim für 100 Menschen will die Kommune im kommenden Jahr startklar machen. Voraussichtliche Kosten: über zwei Millionen Euro. Bürgermeister Jürgen Rogg hat kürzlich im Rahmen einer Pressekonferenz zum wiederholten Male über die seiner Ansicht nach viel zu zögerliche Haltung der Bundesregierung geklagt. Die Thematik des Flüchtlings- und Asylbewerber-Zustroms müsse endlich als nationale Herausforderung begriffen und konzeptionell angegangen werde. Es könne nicht sein, so der Tenor des Dietzenbacher Verwaltungschefs, dass die Kommunen mit ihren finanziellen und organisatorischen Problembergen weitgehend sich selbst überlassen würden. (Foto: Jordan)

Post von François Hollande Sorgen in Heusenstamm: Staatskanzlei in Paris reagiert Von Jens Köhler HEUSENSTAMM. Dass im Heusenstammer Rathaus das Motto „Post von François Hollande“ die Runde macht: Das ist nun wahrlich ein extremer Ausnahmefall. Doch tatsächlich: Ein Schreiben, zu Papier gebracht in der Staatskanzlei des französischen Präsidenten, ist kürzlich bei Bürgermeister Peter Jakoby (CDU) eingegangen. Thema des Dialogs zwischen Heusenstamm und Paris: Wie steht’s um die Zukunft des Deutsch-Unterrichts in französischen Schulen? „Nicht zum Besten“: Dies fürchten Jakoby sowie Lehrkräfte und Jugendliche der örtlichen Adolf-Reichwein-Schule (ARS) und der Georg-Büchner-Schule in Rodgau mit Blick auf die Pläne der „reforme collège“ bei den Nachbarn in Westeuropa. Die im dortigen Bildungsbereich auf den Weg gebrachte Neu-Gewichtung, was Fremdsprachen anbelange, drohe den Stellenwert des Deutschen zu schwächen. Eben davon, so die Befürchtung hierzulande, wären Städtepartnerschaften und Schüleraustausch-Programme

betroffen. Wenig(er) junge Menschen, die sich in Frankreich dafür begeistern, größer werdende Sprachbarrieren, mehr Distanz statt Nähe... Auf diese Sorgen, die sie mit der Reform verknüpft sehen (verbindliche Fremdsprache ab Klasse 1, deutlich „abgehängte“ zweite Fremdsprache ab Klasse 7), haben die Heusenstammer und Rodgauer bei ihrem schriftlichen Meinungsaustausch mit ranghohen Politikern und Botschaftern aufmerksam gemacht. Werde Englisch als Fremdsprache Nr. 1 derart deutlich herausgehoben und Deutsch-Unterricht im Vergleich dazu auf Schmalspur-Niveau praktiziert, so seien negative Folgen für den deutsch-französischen Dialog programmiert. „Mit zwei Stunden pro Woche ist definitiv keine Fremdsprache zu erlernen“, betonte ARSLeiter Matthias Lippert in Anspielung auf die angestrebten Strukturveränderungen in der „Grande Nation“. Der Bürgermeister blies ins gleiche Horn und machte auf den großen Rahmen aufmerksam, in dem die Debatte über Unterrichtsstoff und Wochenstunden stattfinde. Jakoby schrieb an

Saisonstart: 1. Rugby-Bundesliga Süd/West

Sonntag, 30.08.2015 – 15.00 Uhr am Sportzentrum Martinsee in Heusenstamm

Hollandes Büro: „Gerade Frankreich und Deutschland, die beiden Länder, die das Herz Europas darstellen, sollten alles daran setzen, die sprachlichen Barrieren zu überwinden.“ Er appelliere an die Verantwortlichen, „die deutsche Sprache weiterhin in angemessener Stundenzahl anzubieten“ und dabei die „gemeinsame Geschichte der beiden Länder“ im Auge zu behalten. Mit diesem Tenor formulierte Jakoby seinen Brief, der gen Westen abgeschickt wurde. Diverse Antwortschreiben Mittlerweile sind diverse Antwortschreiben eingetroffen. Rückendeckung für die Einwände und die Kernbotschaft frei nach dem Motto „Setzt nicht zu einseitig auf Englisch“ wurde – so die Interpretation im Heusenstammer Rathaus – von der deutschen Botschaft in Paris signalisiert. Die Referenten von François Hollande und die Sekretäre der französischen Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem hät-

ten hingegen in ihren Stellungnahmen die Reform verteidigt und zur Besonnenheit gemahnt. Denn schließlich – so die aus den Briefen herausgefilterte Argumentation – sei es keineswegs so, dass einzelne Fremdsprachen auf- und abgewertet würden. Man setze vielmehr auf einen frühzeitigen Einstieg in die Materie (bereits in der Grundschule) und rede keinen Beschneidungen das Wort. Dies zeige die Tatsache, dass die Zahl der Lehrerstellen für den Deutsch-Unterricht von 443 (2014) auf 514 (2015) angehoben worden sei, ließ die Bildungsministerin im Hinblick auf ihren Zuständigkeitsbereich verlauten. Sie erhoffe sich im Zuge der Reform mehr Schüler, die bereits in der Grundschule an Deutsch herangeführt würden. Generell seien die Weichenstellungen, über die derzeit so rege diskutiert werde, auf eine „Verstärkung des Unterrichts in den lebendigen Sprachen, besonders in Deutsch“, ausgerichtet, heißt es im Ministerium von Vallaud-Belkacem.


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