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S TA D T N AC H R I C H T E N F Ü R D I E T Z E N BAC H U N D H E U S E N S TA M M Donnerstag, 26. November 2015

Kickers: Neuer Präsident will „Gräben zuschütten“ Seite 2

Nr. 48 D

Auflage: 20.135

Anzeigen: 06106 2839000 / www.dreieich-zeitung.de

Weihnachtsmärkte: Viele Budenstädte im Advent

Sonderthema: Rund um die Gesundheit

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Flüchtlinge: Kreis schraubt Zahlen weiter nach oben Seite 16

Neue Nr. 1: Heusenstamm-CDU setzt auf Christian Günzel Seite 2

Beilagen heute:

„Nahm die Toten billigend in Kauf“ Antrag der Grünen: Wernher-von-Braun-Straße soll umbenannt werden Von Jens Köhler HEUSENSTAMM. Es wäre ein Akt des politischen Anstands, der Wernher-von-Braun-Straße in Heusenstamm einen neuen Namen zu geben. Es sei unter historischen, demokratischen und moralischen Gesichtspunkten unverantwortlich, im öffentlichen Raum an einen Mann zu erinnern, der als Rad im Getriebe des nationalsozialistischen Regimes schwere Schuld auf sich geladen habe. Mit diesem Tenor stimmen die Grünen auf einen Antrag ein, den sie Mitte Dezember im Kommunalparlament zur Abstimmung stellen werden.

er während der Zeit des ‚Dritten Reichs‘ federführend an der Entwicklung der V2-Rakete beteiligt und damit Nutznießer an der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und am Tod von 20.000 Menschen in der Rüstungsfabrik Mittelbau Dora bei Nordhausen.“ Wilke-Zimmermann hat sich kundig gemacht und folgende Daten zur Vita des Ingenieurs zusammengetragen: „1937 wurde von Braun technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, deren Ziel die Entwicklung weitreichender Raketen für die Reichswehr war.

THOMAS GRETSCHEL

„Wir hatten in den 1990er Jahren schon mal einen Vorstoß in diese Richtung gemacht – damals ohne Erfolg. Mal sehen, wie sich unsere politischen Mitbewerber verhalten, wenn wir jetzt erneut mit diesem Thema vorstellig werden“, erläutert Heiner Wilke-Zimmermann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Heusenstammer Stadtverordnetenversammlung. „Die Wernher-von-Braun-Straße wird umbenannt. Der Ältestenrat unterbreitet dem Magistrat Vorschläge für einen neuen Straßennamen.“ Mit diesen Kernsätzen des Antrages richten Wilke-Zimmermann und seine Fraktionskollegen den Blick auf die von der Hohebergstraße Richtung Süden (Gewerbegebiet) abzweigende Fahrbahn und deren Namenspatron. Bezug nehmend auf Wernher von Braun (1912-1977), geben die Grünen zu bedenken: „Er war nicht nur der berühmte Weltraumpionier, der wesentlich dazu beitrug, dass Ende der 1960er Jahre US-Amerikaner auf dem Mond landeten. Vor seiner Arbeit für die NASA war

Wenn es um scharfes Sehen geht, sind Sie bei uns richtig beraten. L e i b n i z s t r. 1 5 Heusenstamm Te l . 06104 6 5 5 4 2 b r il l e n a t e l ie r - gr e t s chel. d e

1938 trat er der NSDAP bei, Mitte 1940 der SS, bei der er am Ende des Krieges Sturmbannführer war.“ In ihrer Begründung, warum der Name Wernher von Braun bei der Benennung von Straßen und öffentlichen Einrichtungen tabu sein sollte, erläutern die Grünen: „In Peenemünde wurde die V2-Rakete entwickelt, die ‚Wunderwaffe’, die die Wende zugunsten Deutschlands im Zweiten Weltkrieg bringen sollte. 2.500 dieser Raketen wurden auf England und Belgien abgeschossen.“ Um die Waffe in Serienproduktion fertigen zu können, sei im Juli 1943 ein Konzentrationslager mit 600 Häftlingen eingerichtet worden. Zitat: „Dies geschah auch auf Anforderung der Ingenieure um Wernher von

Braun. Nach der Zerstörung der Peenemündener Anlage durch die englische Luftwaffe im August 1943 wurde die Produktion der V2-Rakete in den unterirdischen ‚Mittelbau Dora’ bei Nordhausen verlegt. Insgesamt wurden für die V2-Produktion 60.000 KZ-Häftlinge unter erbärmlichen Umständen eingesetzt. 20.000 von ihnen starben.“ Ein Opportunist Wilke-Zimmermann gelangt zu folgender Einschätzung: „Wernher von Braun war vermutlich kein überzeugter Nazi, sondern ein Opportunist. Er war fasziniert von der Idee, Raketen zu entwickeln, um mit ihnen eines Tages den Weltraum zu erobern. Zur Verwirklichung dieses Ziels nahm er die Toten von Mittelbau Dora billigend in Kauf.“ Das Fazit der Grünen: „Wir sind der Meinung, dass Wernher von Braun aufgrund seiner Mitschuld am Tod von 20.000 Menschen nicht länger dadurch gewürdigt werden darf, dass eine Straße nach ihm benannt wird.“ Ob der Antrag rund 20 Jahre nach dem ersten Anlauf, der seinerzeit abgeblockt wurde, nun eine andere, mehrheitlich positive Beurteilung erfährt? „Wir wissen es nicht und gehen ganz offen in den Meinungsaustausch. Ich denke aber schon, dass in der jüngeren Vergangenheit im Zuge einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema viele Menschen zu einer Neubewertung gelangt sind. Ihnen ist klar, dass man sich nicht so unkritisch wie in früheren Jahrzehnten verhalten kann“, erklärte Wilke-Zimmermann im Gespräch mit der DZ. Er verweist auf Umbenennungen: Wernher-von-Braun-Schulen in Neuhof bei Fulda und in Friedberg/Bayern hätten – nach

SPIELZEUGFIGUREN, Autos und Eisenbahnen im Miniaturformat, Baukästen... Den obligatorischen Blick in Kinderzimmer „anno dazumal“ beschert die Sonderschau des Dietzenbacher Museums für Heimatkunde und Geschichte in der Advents- und Weihnachtszeit. Just so, wie es rund um den Jahreswechsel in den Ausstellungsräumen an der Ecke Darmstädter-/Frankfurter Straße gute Tradition ist, halten es die Programmplaner auch an der Nahtstelle 2015/2016: Der Sammler Heinrich Jacobi präsentiert – diesmal freilich zum letzten Mal in dieser Form – eine Auswahl aus seinem großen Spielsachen-Fundus. Was zwischen 1880 und 1970 die Herzen des Nachwuchses höher schlagen ließ und für kurzweilige Stunden im Reich der Phantasie sorgte: Das bekommen die Besucher des Museums zu sehen. Kürzlich wurde der bunte Streifzug eröffnet. Bis zum 17. Januar besteht Gelegenheit, Jacobis Schätze während der regulären Öffnungszeiten – sonntags von 15 bis 18 Uhr – unter die Lupe zu nehmen. Zudem können Besichtigungen an Werktagen unter der Rufnummer (06074) 41742 vereinbart werden. (kö/Foto: Jordan)

entsprechender Um- und Neubesinnung – in diesem und im vergangenen Jahr neue Namen erhalten. In Osthessen werde mittlerweile an der JohannesKepler-Schule unterrichtet. Die Lehranstalt vor den Toren Augsburgs trage nunmehr die Bezeichnung „Staatliches Gymnasium Friedberg“. Im Rahmen der dortigen Diskussion über das Pro und Contra einer Umbenennung habe sich auch der Bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) zu Wort gemeldet. Er sei in diesem Zusammenhang mit der Aussage, Wernher von Braun sei „von der Verbrechensbilanz des ‚Dritten Reichs’ nicht zu trennen“ zitiert worden. Personen wie der Wissenschaftler, die die menschenverachtende Politik des NS-Regimes ge-

Ist dieser Anblick bald Geschichte? Die Grünen-Fraktion im Heusenstammer Stadtparlament beantragt, die Wernher-von-Braun-Straße umzubenennen. Es sei unter politisch-moralischen Gesichtspunkten verwerflich, an einen Mann zu erinnern, der während der NS-Zeit den Tod von KZ-Häftlingen billigend in Kauf genommen habe, um die Raketenforschung und -produktion voranzutreiben. Im Dezember soll über den Antrag diskutiert und abgestimmt werden. (Foto: Jordan)

Wir sind umgezogen!

Dietzenbach: Weitere Notquartiere

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Inserenten, seit Montag dieser Woche finden Sie uns zwar immer noch im Rodgauer Stadtteil Jügesheim, aber nicht mehr in der PhilippReis-Straße 7, sondern im Ferdinand-Porsche-Ring 17. Alle bekannten Ruf- und Faxnummern sowie die E-MailAdressen sind von unserem Umzug nicht betroffen.

DIETZENBACH. Mit der Zuweisung von rund 200 weiteren Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und sich hier eine Bleibeperspektive erhoffen, rechnet die Dietzenbacher Stadtverwaltung bis zum Jahresende. Dass der Druck, Unterkünfte für Kriegs- und Armutsflüchtlinge beschaffen zu müssen, auch 2016 anhält: Davon gehen die kommunalen Gremien ebenfalls aus. Kurzum: Die Thematik beschert Handlungsbedarf in einem Ausmaß, das noch vor wenigen Monaten kaum jemand für möglich hielt. Deshalb treffen sich die Stadtverordneten am Freitag (27.) zu einer Sondersitzung im Rathaussaal, um dort wichtige Weichen im Hinblick auf den Aspekt „Anmietung und Ankauf von Wohnungen und Gebäuden“ zu stellen. Um der kommunalen Verwaltungsspitze ein flexibles Handeln mit kurzfristigen Vertragsabschlüssen zu ermöglichen, soll eine Verfahrensweise festgelegt werden. Derzeit wird noch eifrig verhandelt, doch als möglicher Kompromiss ist folgende Variante denkbar: Der Magistrat erhält vom Parlament keinen „Freifahrschein“ mit einem Millionenbudget, über das er in Eigenregie verfügen kann. Vielmehr muss beim Einfädeln entsprechender Immobilien-Projekte mit dem Haupt- und Finanzausschuss Rücksprache gehalten werden. Käme diese Regelung zustande, so würden die Kommunalpolitiker die Zügel beim Thema „Wohnraum für Geflüchtete“ nicht aus den Händen geben. Trotzdem wäre – weil nicht bei jeder Aktion auf reguläre Sitzungen des Parlaments gewartet werden müsste – ein größeres Maß an Flexibilität gewährleistet. Entschieden werden soll am Freitag auch über den möglichen Ankauf einer Liegenschaft. Die Einrichtung einer weiteren Notunterkunft für rund 100 Personen werde in Betracht gezogen. Potenziell geeignete Objekte an der Justus-von-LiebigStraße seien im Gespräch, heißt

billigt und aktiv unterstützt hätten, entweder aus Überzeugung oder doch zumindest im Interesse ihres beruflichen Fortkommens, dürften „nicht als Namensgeber von staatlichen Schulen im demokratischen Rechtsstaat fungieren“. So werde Spaenle von Journalisten zitiert, betont Wilke-Zimmermann. Er schlussfolgert: Auch in Heusenstamm müsse gefragt werden, welche Namensgebung im öffentlichen Raum politisch akzeptabel sei – und welche nicht. Sollte sich für den Grünen-Antrag eine Mehrheit finden, so würde die Suche nach einer alternativen Straßen-Bezeichnung beginnen – und es gäbe ein Entgegenkommen auf der bürokratischen Schiene. Vorgeschlagen wird folgendes Prozedere: „Den Anwohnerinnen und Anwohnern der Wernhervon-Braun-Straße werden die mit der Umbenennung verbundenen Kosten für Briefpapier und ähnliche Dinge gegen Nachweis bis zu einer Höhe von 200 Euro pro Haushalt und 400 Euro pro Unternehmen erstattet.“ Bei der Neu-Namensfindung wollen Wilke-Zimmermann und dessen Mitstreiter der Erörterung, so sie denn zustande kommt, nicht vorgreifen. Einen Vorschlag erlauben sie sich gleichwohl: „Geeignet wäre es, die Straße nach Lise Meitner zu benennen. Sie war eine Kollegin von Otto Hahn und musste als Jüdin während des ‚Dritten Reichs’ aus Deuschland fliehen. Lise Meitner zeigt, dass die Wissenschaften nicht nur von Männern vorangebracht wurden und werden.“

Bleibt das Wolfgang-Thüring-Haus außen vor? es vor der Sitzung in den Reihen der Stadtverordneten. Stichwort „Notunterkunft“: Als solche wurde vor Wochenfrist die ehemalige Senioren-Begegnungsstätte im Westend, das Reinhard-Göpfert-Haus, in Beschlag genommen (die DreieichZeitung berichtete). Dass alsbald der Mehrzweckraum im Wolfgang-Thüring-Haus als Notquartier folgen könnte: Diese Option hatte Bürgermeister Jürgen Rogg vor einigen Wochen ins Gespräch gebracht. Große Skepsis Doch auf dem kommunalpolitischen Parkett herrscht offenbar große Skepsis, was diese Perspektive anbelangt. Tenor in mehreren Fraktionen: Flüchtlinge direkt in eine Wohnanlage für ältere Menschen zu schicken – davon sei wenig bis gar nichts zu halten, da das unmittelbare Nebeneinander womöglich zu Reibereien und Konflikten führe. Das Szenario „Notunterkunft im Thüring-Haus“ sei deshalb allenfalls in einer akuten Notsituation vorstellbar, wenn sich auf die Schnelle kein alternativer Wohnraum finden lasse, betonen Stadtverordnete hinter vorgehaltener Hand. Am Freitag wird öffentlich beratschlagt, abgestimmt – und möglicherweise auch diskutiert. Die Sitzung im Rathaus am Europaplatz beginnt um 19 Uhr. (kö)

Jakoby: Finale mit Feierstunde HEUSENSTAMM. Zwölf Jahre lang hat er die Stadtverwaltung angeführt, doch nun neigt sich seine Amtszeit dem Ende entgegen: Die Rede ist von Bürgermeister Peter Jakoby, der sich zur Jahreswende 2015/2016 in den Ruhestand verabschieden wird. Bereits am kommenden Donnerstag, 3. Dezember, heißt es ab 19 Uhr im Kultur- und Sportzentrum Martinsee: „Großer Bahnhof für die Nr. 1 des Rathauses.“ Getreu dieser Devise wollen Mitarbeiter, Parteifreunde und langjährige Wegbegleiter dem CDU-Kommunalpolitiker alles Gute wünschen und mit ihm auf herausragende Ereignisse und Projekte der Jahre 2004 bis 2015 zurückblicken. Ein wichtiger Hinweis der Stadtverwaltung: Interessierte Bürger können an der Veranstaltung teilnehmen. „Da eine Vielzahl geladener Gäste erwartet wird, sind die Kapazitäten jedoch beschränkt. Im Bereich der Tribünen stehen rund 400 nicht reservierte Plätze zur Verfügung. Sobald die Obergrenze mit Blick auf das Fassungsvermögen erreicht ist, dürfen aus Brandschutzgründen keine weiteren Gäste mehr zur Verabschiedungsfeier eingelassen werden“, betonen die Organisatoren im Vorfeld der Zusammenkunft. (kö)


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