Ventura 4/2017

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Das Private-Banking-Magazin Ihrer Sparkasse

[ DIN-Plattform ]

[ Unterwassermuseum ]

[ Winzersekt ]

Standards fĂźr den Alltag

Kunst auf dem Meeresgrund

Perlen in der Flasche

Abenteuer auf Schienen Warum Reisen in historischen ZĂźgen ein Erlebnis sind


Editorial

Wenn der Weg zum Ziel wird

Ralf Kustermann, stv. Chefredakteur Deutscher Sparkassenverlag ralf.kustermann@dsv-gruppe.de

Er galt als der König der Züge und Zug der Könige: Bis heute ist der 1883 gestartete Orient­ express eine Legende. Sicher trugen dazu der Kriminalroman von Agatha Christie um Meisterdetektiv Hercule Poirot und seine Ver­ filmung bei. Die aktuelle Neuinszenierung des Kinoklassikers verweist auf den Charme des Sujets. Kein Wunder: Komfortzüge mit viel Geschichte bieten exklusive Reiseerlebnisse. Die Passagiere trotzen geradezu dem Konzept moderner räumlicher Mobilität, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen. Die Fahrt ist das Ziel, und sie verbindet Nostalgie und Aben­ teuer, Luxus und Genuss mit Entschleunigung. Der Begriff „Eisenbahn“ wurde übrigens erst­ mals 1801 erwähnt und meinte eisenbestückte Schienenwege. Auf ihnen konnten Pferde dank verringerten Rollwiderstands schwere Lasten ziehen. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und dem Beginn der Industrialisierung nahmen Lokomotiven und damit das Transportmittel Eisenbahn schließlich Fahrt auf. Am 27. Septem­ ber 1825 beförderte die Stockton & Darlington Railway Company in England als erste öffentli­ che Eisenbahn Güter und Personen.

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Ist es nicht erstaunlich? Fast 200 Jahre später reisen wir mit der guten, alten Eisenbahn – zum Teil noch in Originalwaggons – durchs schotti­ sche Hochland, auf den Spuren der Inkas durch Peru oder auf einspurigen Trassen von Bangkok nach Singapur. Mehr dazu lesen Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 4. Hier treffen Sie auch auf die Transsibirische Eisenbahn, die mit 9300 Kilometern seit nun über 100 Jahren die längs­ te Eisenbahnstrecke der Welt ist. Das Private Banking Ihrer Sparkasse kann natürlich nicht auf eine annähernd lange His­ torie zurückblicken. Doch stehen wir ebenso für Tra­dition, Werte und Beständigkeit. Wir gehen mit Ihnen auf eine gut geplante Reise. Unser Ansatz und Leistungsversprechen sind die kon­ tinuierliche Betreuung und Begleitung Ihrer Interessen und Vermögenswerte. Eine anregende Lektüre wünscht

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Inhalt

04 Spannend: Reisen in historischen Eisenbahnen wie dem Venice Simplon-Orient-Express.

24 Atemberaubend: Jason deCaires Taylor, Disconnected, Lanzarote,

Fotos: Cover: Science and Society Picture Library, © Belmond, Martin Scott Powell, Lunor, Jason deCaires Taylor. © Jason deCaires Taylor. All rights reserved, DACS/Artimage 2017, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Museo Atlántico, 2017.

04 Die Fahrt ist das Ziel Das Reisen in nostalgischen Zügen wie der Transsibirischen Eisenbahn übt in unserer schnelllebigen Zeit eine starke Faszination und Anziehung aus. Bei allem Komfort erinnern sich Passagiere an Geschichte und Geschichten, gehen auf abenteuerliche Expeditionen und sehen atemberaubende Landschaften in exotischen Ländern. 10 Der Mann in der Wüste Michael Martin reist seit mehr als 40 Jahren durch die Wüstenregionen der Kontinente. In seinen Fotos hält der Geograf die Stille und Weite der Landschaften fest und dokumentiert zugleich deren Verletzlichkeit. 14 Eine Zeit der Reife Neben dem Holz der spanischen Zeder und perfektem Handwerk mit Hunderten von Arbeitsschritten ist vor allem viel Leidenschaft gefragt, um hochwertige Humidore produzieren zu können.

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16 Mit Profis auf der Piste Olympiasieger zum Anfassen nah – wo Winterurlauber Legenden treffen und Teil des alpinen Skizirkus werden. 20 DIN Seit 100 Jahren erleichtern Normen unseren Alltag, helfen unserer Wirtschaft und bieten Raum für Innovationen.

19 Das Gedicht 23 Kolumne 33 Die wunderbare Welt der Farben 34 Ein Bild und ­seine Geschichte 34 Impressum

24 Spektakel am Meeresgrund Vor der Insel Lanzarotes begeistert das erste Unterwasssermuseum Europas mit fantastischen Skulpturen Taucher, Schnorchler und die Kunstwelt. 28 Durchblick gestalten Qualitätsstrategie und ausgefallenes Design machen den Vintage-Look der „Füxe“ zum Erfolgsmodell für Brillen. 30 Perlen de luxe Deutsche Winzersekte erhalten höchste Auszeichnungen und konkurrieren mit den großen Champagnermarken.

28  Stilbildend: die Vintage-Brillen der Firma Lunor.


Die Fahrt ist das Ziel

In Zeiten permanenter Temporekorde gewinnen ­historische Eisenbahnen eine neue Popularität. Kein Wunder: Das Reisen im nostalgischen Ambiente ist atemberaubend und abenteuerlich.

Foto: Belmond, David Norton

:: Von Wolfgang Hörner

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Plockton

Inverness Aviemore

Kyle of Lochalsh

Aberdeen Dalwhinnie

SCHOTTLAND

Perth

Dundee

Edinburgh

Royal Scotsman In der historischen Zuggarnitur geht es ab Edinburgh quer durch die ­schottischen Highlands – inklusive mehrerer Stopps, um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. https://www.belmond.com/trains/europe/ scotland/belmond-royal-scotsman/

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Transsibirische Eisenbahn Moskau–Peking oder umgekehrt in sechs Tagen. Im Linienzug eher etwas für ­Abenteurer; auch der Zarengold bietet nur eingeschränkt Luxus. Über deutsche Reiseveranstalter buchen! www.transsibirische-eisenbahn.de

Kasan Moskau

Jekaterinburg RUSSLAND Ulan-Ude

Nowosibirsk Irkutsk

CHINA

Ulaanbaatar Erlian Peking

Fotos: Lernidee Erlebnisreisen, mauritius images/Sergi Reboredo/Alamy

MONGOLEI

Beschaulich ziehen die schottischen Highlands am Fenster vorbei. Moore und Heidelandschaften wechseln sich mit Seen und Flüssen ab. Ein Anblick, der zum Entspannen und Genießen einlädt – in der Hand vielleicht ein Scone mit Sahne oder ein feiner Single-Malt-Whisky. Wer so reist, sitzt weder hoch konzentriert im eigenen Pkw noch unkomfortabel in einem Bus oder distanziert in einem Flugzeug, sondern ist ganz klassisch mit der Eisenbahn unterwegs. Doch nicht in einem modernen Expresszug, der die Ankunft zum Ziel hat, sondern in einer Wagengarnitur, in der das Unterwegssein Zweck und Mittelpunkt ist. In Zügen wie dem Royal Scotsman lässt sich das erleben, was sonst nur aus Kinostreifen bekannt ist: Eisenbahnfahren als luxuriöse Form des Reisens, wie es in vielen alten James-Bond-Filmen oder im Klassiker „Mord im OrientExpreß“ zu sehen ist. Mit Schlafwagen, deren Abteile kleinen Hotelzimmern gleichen, einem Speisewagen, der seinen Namen verdient, und Mitreisenden, die von den Gesellschaftsseiten großer Illustrierter stammen könnten. Bahnfahren als exklusives Reiseerlebnis heißt ein Trend, der seit einigen Jahren die Tourismusbranche durchzieht. Das Angebot wächst, und jährlich kommen neue Strecken und Z ­ üge hinzu. Vermutlich kein Zufall: In Großbritannien, wo einst die Eisenbahn erfunden wurde, ist das Angebot am größten. Einer der populärsten Züge ist der Royal ­Scotsman.

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Er bricht zwischen April und Oktober in Edinburgh jede Woche mehrfach zu Reisen durch das schottische Hochland auf. Passagiere können aufgrund der Streckenvarianten zwischen drei und fünf Tage an Bord verbringen. Eine Drei-Tages-Tour kostet rund 3000 Euro, Speisen und Getränke eingeschlossen. Anders als früher, als „Strecke gemacht“ werden musste, hält der Zug während der Nacht. Das sorgt für einen ruhigeren Schlaf, und die Reisenden verpassen nichts. Diese Strategie teilen sich praktisch alle historischen Luxuszüge. Hin und wieder steht der Royal Scotsman dadurch im Nirgendwo abseits der Zivilisation. Doch geht es an Bord natürlich nicht spartanisch zu – ganz im Gegenteil. ­Eisenbahnliebhaber vermissen höchstens die Originaldampflok zu den historischen Waggons der 1950er-Jahre. Dafür läuft die vorgespannte Diesellok rauchfrei und ruhig und vermag den an Bord so dringend benötigten elektrischen Strom zu liefern. Auch wenn üblicherweise Mahagoni und Plüsch das Interieur an Bord solcher Züge prägen, sind alle Zuggarnituren restauriert – optisch originalgetreu, technisch indes auf dem Stand der Zeit. So besitzt etwa jedes Schlafabteil des Royal Scotsman eine eigene Toilette und Dusche, was es früher natürlich nicht gab. Auch hinsichtlich der übrigen Ausstattung und der Abmessungen darf man ruhig vom eigenen Zimmer im Zug sprechen. Der erhöhte Platzbedarf und die großen Erwartungen an den Service sorgen auch dafür, dass in Zügen dieser Art nur wenige Passagiere unterwegs sind. Im Royal Scotsman etwa sind es nur 40 Gäste. Die Atmosphäre im Zug ist damit fast so vertraulich wie einst im Film über den Orientexpress. Immer noch eng, aber wesentlich moderner geht es in der Küche zu. In einem 6 Meter langen, nur 1,70 Meter breiten Schlauch zaubern der Koch und sein Team das, was früh, mittags und abends in den Speisewagen serviert wird. Zwischendurch werden selbstverständlich auch noch Gebäck und Sandwiches gereicht, an der Bar warten Champagner, Whisky und Cognac. Essen und Schlafen sind freilich nicht die einzigen Beschäftigungen unterwegs. Man trifft sich zum Beispiel in einem der Salonwagen, um Mitreisende kennenzulernen. Da das Publikum in Zügen dieser Art stets international ist, gilt Englisch durchweg als Bordsprache. Doch natürlich geht es vor allem ums Sehen und Erleben, was die modernen Zugreisen deutlich von ihren Vorbildern aus dem vergangenen Jahrhundert unterscheidet und sie eher in Richtung Kreuzfahrten rückt. Was auf dem Schiff das Aussichtsdeck, ist bei den Zügen die Aussichtsplattform. Auf ihr kann man sich während der Fahrt den Wind um die Nase wehen lassen und die vorbeigleitende Landschaft auf sich wirken lassen. Einige Züge, insbesondere auf touristischen Strecken in Nordamerika, verfügen auch über speziell verglaste Aussichtswagen oder erhöhte Glaskanzeln. Und während das Kreuzfahrtschiff Häfen ansteuert, um Landausflüge zu ermöglichen, bleiben Züge wie der Royal Scotsman einfach in den ­Bahnhöfen

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Hiram Bingham Kein Traditionszug, doch er wirkt wie einer. Auf einer 13-stündigen Reise bringt er seine Passagiere luxuriös von Cusco zu den ­Ausgrabungen von Machu Picchu in Peru. https://www.belmond.com/trains/southamerica/peru/belmond-hiram-bingham/

Machu Picchu

Ollantaytambo

PERU

Poroy

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Cusco


SASKATCHEWAN

Jasper

Edmonton

MANITOBA ONTARIO

Kamloops Vancouver

Saskatoon

Winnipeg Sioux Lookout

Sudbury Junction Toronto

The Canadian Eigentlich ein ganz normaler Linienzug, der von Toronto nach Vancouver und zurück führt. Spezielle Aussichtswagen erlauben einen besonders guten Ausblick auf der viertägigen Erlebnisreise. www.viarail.ca

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Im Orientexpress zu übernachten, gehört dagegen zum festen Kult um den berühmten Zug. Er fährt heute unter dem Namen Venice Simplon-OrientExpress, weil seine Originalbezeichnung urheberrechtlich geschützt ist. Ähnlich wie beim Originalzug gibt es keine so feste Route, wie man es vermuten würde. Ursprünglich verlief die Strecke von Paris nach Istanbul, wobei ihr Verlauf durch die beteiligten Bahngesellschaften immer wieder variierte. Heute ist London–Venedig mit einer Übernachtung an Bord die Stammstrecke des Venice SimplonOrient-Express, die manchmal bis Wien oder Budapest, seltener auch bis Istanbul verlängert wird. Unabhängig von der Route reist man stets in den historischen Waggons im Art-décoStil der 1920er- und 1930er-Jahre. Dafür ist jedoch in Kauf zu nehmen, dass die Standardabteile über Etagenbetten verfügen und nur die zweimal so großen Cabin-Suiten Doppelbetten bieten. Deutlich mehr Luxus findet sich an Bord des Eastern & Oriental Express, dessen Wagen moderner sind und mit geräumigen Abteilen mit Doppelbetten, Bad und Klimaanlage aufwarten. Letztere ist für eine erholsame Reise nötig, denn der Zug verkehrt auf der vier Tage dauernden Strecke von Bang-

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Fotos: © CRD International/VIA Rail Canada, ddp images/fotosobo/Shotshop

ALBERTA BRITISH COLUMBIA

stehen. Zu Fuß oder in Bussen geht es dann zu Ausflugszielen wie Burgen, Aussichtspunkten, Golfplätzen oder Whiskydestillerien. Ein Traum für jeden Schottland-Liebhaber. Interessierte, die unschlüssig sind und sich fragen, ob sie für Bahntouren geeignet sind, können mit dem British Pullman oder dem Northern Belle einen Tag lang England entdecken. Die Fahrten starten in verschiedenen Städten und haben oft Sehenswürdigkeiten oder Veranstaltungen zum Ziel. Auch hier wird erstklassig im Speisewagen gekocht, doch fehlt das Erlebnis, an Bord des Zuges zu schlafen.


Kanchanaburi Bangkok

kok nach Singapur. Das Pano­rama und die Streckenführung lassen Reisende staunen. Die stellenweise einspurige Trasse kauert sich eng an steile Felsabhänge oder führt über fragile Holzkonstruktionen. Ähnlich exotisch, aber in einem modernen Umfeld zeigt sich der Seven Stars in Kyushu, der in der japanischen Stadt Hakata zu viertägigen Rundreisen aufbricht. Auch Südamerika bietet Entdeckertouren, etwa im Andean Explorer, der auf den Spuren der Inkas in ­Cusco zur dreitägigen Fahrt durch Peru aufbricht. Ein richtiger Klassiker: der ­Hiram Bingham, der ebenfalls in Cusco startet und im Stil britischer Tageszüge Passagiere nach Machu Picchu bringt. Seine Waggons wirken historisch, sind jedoch gut gemachte Repliken. Ähnliches gilt für den afrikanischen Kontinent: Dort fährt in Südafrika der Blue Train die Strecke Pretoria–Kapstadt oder in Sambia der Royal Livingstone Express Livingstone­–Victoria Falls.

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THAILAND

MALAYSIA Kuala Kangsar Kuala Lumpur

Johor

Singapur

Eastern & Oriental Express Ein Muss für alle, die asiatisches ­Hinterland lieben. Die atemberaubende Strecke führt in luxuriösen Waggons von Bangkok nach Singapur. www.belmond.com/trains/asia/easternand-oriental-express/

Zeitgemäße Reiseabenteuer mit Kultstatus lassen sich noch heute hervorragend mit der Transsibirischen Eisenbahn erleben, deren Route von Moskau nach Wladiwostok oder Peking führt. Sechs Tage dauert die Tour, die man entweder in einem Linienzug für rund 600 Euro in der zweiten Klasse oder für das Zehnfache im Luxuszug Zarengold zurücklegen kann. Wichtigster Unterschied außer dem Komfort: Der Sonderzug hält für organisierte Stadtbesichtigungen. Solche Stopps fehlen dagegen dem Canadian völlig. Auch er ist ein regulärer Zug, dessen Strecke von Toronto nach Vancouver führt. Dabei verbringen Reisende vier Nächte an Bord des Zuges, der durch die eindrucksvolle Landschaft der Rocky Mountains führt. Um diese genießen zu können, sollte man allerdings unbedingt in der teureren Prestige oder Sleeper Class buchen. Sonst könnte es doch geschehen, dass man sich auf die Ankunft freut. Und genau das sollte eben nicht passieren.

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Der Mann in der Wüste Er gilt als der bedeutendste Wüstenfotograf der Welt. Hinter den Kulissen seines Abenteurerlebens verbergen sich Leidenschaft und ein Gespür fürs Geschäft. VENTURA traf Michael Martin. :: Von Britta Scholz

Expeditionen rund um den Globus: Tschukotka; Wüste Gobi; Khuba-Ram; Nordpolarmeer; Michael Martin; Blick aus dem Weltall; Sahara-Wüste; Drygalski; Wüste Thar (von links nach rechts und oben nach unten).

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Fast 40 Jahre Reisen, mehr als eine Million Fotoaufnahmen, Filme, Bücher und unzählige Vorträge auf Tourneen durch ganz Deutschland: Michael Martin hat nie etwas anderes gemacht – und hat auch nicht vor, das in den kommenden Jahren zu ändern. Für sein Projekt „Planet ­Wüste“ bereiste der weltberühmte Wüstenfotograf zuletzt in 40 Etappen über sechs Jahre hinweg die Sand-, Geröll- und Eiswüsten der Erde. Von Grönland bis ins antarktische Ellsworth-Gebirge, von den Trockenzonen Südamerikas bis zu den Sand­ dünen der australischen Simpson-Wüste. Seine allererste Expedition führte den damals 14-jährigen Schüler auf dem Fahrrad von seiner Heimat Gersthofen bei Augsburg ins 150 Kilometer entfernte Tiroler Bergwangertal: Sterne beobachten und den Nachthimmel fotografieren, der im Streulicht der Stadt nie so klar erstrahlt wie dort oben in den Bergen. Es ist diese Jagd nach den perfekten Bedingungen, dem perfekten Bild, die Martin noch heute antreibt. Gepaart mit einer riesigen Portion Leidenschaft. „Als Fotograf musst du bereit sein, dich zu quälen“, sagt der Abenteurer. So besteigt er für seine Aufnahmen, die Augen gegen den umherwirbelnden Wüstensand schützend, die höchsten Dünen und kriecht in eisige Gletscherhöhlen. Vom Frostbrand an der Nasenspitze, den er sich auf einer Arktis-­ Expedition zugezogen hatte, ist heute glücklicherweise nichts mehr zu sehen. Die Weite hat es dem Geografen angetan. Warum? Das beschreiben seine Aufnahmen besser als jeder Versuch, die Eindrücke in Worte zu fassen. Allein der Anblick der Fotos nimmt Geschwindigkeit aus den eigenen Gedanken. „Für mich gibt es nichts Vergleichbares“, sagt Martin.

„Diese Klarheit, die Erhabenheit der Natur und diese absolute Stille haben mich beim ersten Anblick der Sahara-Dünen gefangen genommen.“ 17 war er damals und tuckerte in den großen ­Ferien mit dem Mofa nach Marokko. Heute versteht er sich als ein Agent der Wüsten. „Obwohl sie gut ein Drittel der Landoberfläche einnehmen und ein wichtiger Teil unserer Natur sind, haben sie quasi keine Lobby“, merkt der Geograf an. Natürlich sei das Leben dort nicht sehr offensichtlich und längst nicht so blühend wie beispielsweise im Regenwald, dafür aber umso empfindlicher. Weil niemand so genau hinschaue, werde die Wüstennatur zunehmend hemmungslos zerstört. „Aus der Luft wirken die Kupferminen in der Mongolei wie riesige Wunden“, beschreibt es Martin, und zum ersten Mal während des Gesprächs klingt keine Leidenschaft mehr in seiner Stimme. Nur Traurigkeit. Martin kommt mit seiner Kamera dem Klimawandel ganz nah. Dieser zeigt sich vor allem in den Polarregionen ganz deutlich. Eine Eishöhle auf Island, die er 2009 abgelichtet hatte, war fünf Jahre später verschwunden. In dieser Zeit hat sich der Gletscher um 150 Meter zurückgezogen. Viel deutlicher noch spürt Martin auf seinen Reisen den Kulturwandel. Der westliche Lebensstil verbreite sich rasend schnell, sodass traditio­ nelle Bräuche und Kleidungen einfach nahezu komplett verschwänden. Nomaden verkaufen ihre Tiere und arbeiten im Straßenbau. Statt in Zelten leben sie in Containern. An manche ­Orte kehrt Martin häufig zurück. Ein Volk in Afrika besucht er alle fünf Jahre. Seine Aufnahmen fangen den Kulturwandel ein. So zeigt ein Bild

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etwa eine Nomadenfamilie. Während der Vater noch die Wolle für das Zelt der Familie selbst gesponnen hat, schaut der Sohn amerikanische Blockbuster auf dem Smartphone. Seine Leidenschaft hat der Wüstenfotograf von Anfang an perfektioniert und ein sehr gut funktionierendes Business aufgebaut. Ist er gerade nicht auf einer Fotoexpedition unterwegs, tourt er durchs Land und präsentiert seine Aufnahmen in Diavorträgen. Etwa 200 Tage pro Jahr schläft er nicht im eigenen Bett. „Abenteurer zu sein, die Welt zu entdecken, das klingt für viele Menschen sehr romantisch“, erzählt Martin, „aber ich bin zu einem guten Teil auch Geschäfts-

der riesig“, erinnert sich Martin. Es gab noch kein Internet, und das Angebot an guter Reise­literatur war übersichtlich. „Für mich die perfekte Goldgräberzeit“, sagt er. Wegen der Informationen kommt heute keiner mehr in die Veranstaltungen. Und dennoch gelingt es ihm regelmäßig, Säle wie die Hamburger Laeiszhalle oder die Liederhalle in Stuttgart mit jeweils rund 2000 Plätzen zu füllen. In München verkauft er bis zu 12 000 Tickets pro Tournee. Viele seiner Zuhörer begleiten ihn seit Jahren und lieben seine Geschichten. „Klar, Pleiten, Pech und Pannen kommen beim Publikum besonders gut“, sagt Martin. Und so erzählt er immer wieder die Geschichte von dem einen Morgen in Tansania, 1991, als ihn und sei-

mann.“ Sein Büro befindet sich inmitten eines ruhigen Wohngebiets im Münchner Stadtteil Laim und ist Versandlager, Archiv und Veranstaltungsagentur in einem. Für seine Expeditionen muss Martin in Vorleistung gehen. Die Reisekosten für ein neues Projekt summieren sich schnell auf eine halbe Million Euro. Martin: „Ich handle quasi wie ein Filmproduzent. Investiere und hoffe, dass es gut geht.“ Das Problem: Zwischen dem ersten ­Euro, den er investiert, und dem ersten Euro, den er einnimmt, liegen fünf Jahre. Ob er dasselbe Business heute noch einmal so aufbauen könnte? Wahrscheinlich nicht. „In den 80ern war die Sehnsucht der Leute nach Reisen in fremde Län-

ne Reisekameraden zwei ausgewachsene Massaikrieger vor dem Zelt erwarteten und ihnen neben Motorradreifen und Kochtöpfen auch die teuren Kameras raubten. Für umgerechnet 20 Euro konnten sie ihr Equipment später auslösen. „Als ich zu Hause dann die Filme entwickelt habe, sind mir ein paar technisch nicht ganz einwandfreie Aufnahmen aufgefallen“, erzählt Martin. Verschwommene Selbstporträts der Krieger. Seine aktuelle Tournee läuft noch bis Ende März 2018. Im Herbst musste er sie für ein paar Wochen unterbrechen – wegen einer Weltreise, um neues Material für sein nächstes Projekt „In der Welt zu Hause“ zu sammeln. Ein Resümee aus 40 Jahren Abenteuer Wüstenfotografie.

Sahara beeindruckt durch ihre Weite, ­Stille und die Formgebung der Dünen.

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Fotos: Michael Martin

Traumkulisse: Die


Mut hat den Sportwagen der Zukunft verändert. Und die Zukunft des Sportwagens. Der neue Panamera Turbo S E-Hybrid Sport Turismo. Hybridtechnologie und Sportlichkeit? Für uns kein Widerspruch, sondern konsequent. Wir testen das Konzept E-Performance auf der Rennstrecke und bringen es mit dem Panamera Turbo S E-Hybrid Sport Turismo in seiner sportlichsten und komfortabelsten Ausprägung auf die Straße. Noch mehr Performance: www.porsche.de/e-performance

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Eine Zeit der Reife Nur wenige Manufakturen weltweit besitzen das für die Herstellung ­hochwertiger Humidore notwendige Spezialwissen. Das Duisburger Familienunternehmen ­Gerber baute seine Kompetenz über mehrere Generationen hinweg stetig aus. :: Von Klaus Gürtner

Korrekte Lagerung: Der perfekte Humidor vereint Material, Verarbeitung, Raum und Klima.

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Fotos: GERBER Humidor, Osipovfoto/iStock/Getty Images Plus

„Natürlich können Sie auch ein Glas Wasser nehmen und unter eine Käseglocke stellen“, so Karl-Heinz Gerber junior. Bevor der gelernte Tischler und studierte Diplom-Kaufmann fortfährt, lässt er einige Sekunden verstreichen. „Aber wenn oben rechts und unten links exakt die gleiche Luftfeuchtigkeit und Temperatur herrschen soll, wird es doch anspruchsvoller“, sagt er. Gerber spricht – mit viel Understatement und einem Hauch von Ironie – von den Humidoren, die seine Firma baut. Lagerstätten, Reifekammern für edle Zigarren, die das Herz jedes Aficionados höherschlagen lassen. Kunstwerke aus edlem Holz für passionierte Zigarrenraucher wie Arnold Schwarzenegger oder Gerhard Schröder, die ihre wertvollen Cohibas Esplendidos, die sogenannten Kanzlerzigarren, gerne an einem passenden Ort aufbewahren. Die vor mehr als 130 Jahren gegründete Firma macht den größten Teil ihres Umsatzes mit hochwertigem Innenausbau, Laden- und Messebau, Sicherheitstechnik, individuellem Möbeldesign und der Restauration historischer Fenster und Türen. Doch es sind die Humidore, die Gerber besonders viel Vergnügen bereiten. „Hochwertige, handgefertigte Möbel nach Maß waren schon immer unsere Passion“, erzählt der Juniorchef, der mit seinem gleichnamigen Vater seit 2008 das Unternehmen leitet. „Aus Holzkisten wurden im Lauf der Jahrzehnte perfekt ausgestattete, hochfunktionale, feuchtigkeitsregulierte Zigarrenschränke, die wir in der firmeneigenen Werkstatt in Handarbeit planen und bauen.“ Ein evolutionärer Prozess sozusagen, der in der Regel nur von Erfolg gekrönt wird, wenn da jemand eine innige Leidenschaft für das Produkt selbst mitbringt; die Bereitschaft, sich tief in die Details einzuarbeiten, um über Generationen klitzekleine Verbesserungen zu entwickeln, die in der Summe aber den entscheidenden Unterschied machen. Das beginnt schon beim Material. Für den Innenausbau der Zigarrenschränke braucht er das Holz der Spanischen Zeder, die Feuchtigkeit besonders lange speichern kann. Aus dem kostbaren Rohstoff entstehen faszinierende Zigarrenschränke, deren Größen vom kleinen Humidor für Reisen über Kisten und Schränkchen bis zum begehbaren, 350 Kilo­ gramm schweren Klimaraum reichen – allesamt Unikate, nach speziellen Kundenwünschen

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Präzise Arbeit:

­ efertigt. 12 bis 16 Wochen dauert es, bis das g handgefertigte Möbelstück nach vielen Hundert ­Arbeitsschritten ausgeliefert werden kann.

Die Hölzer durchlaufen mehrere ­Bearbeitungs- und Prüfschritte.

Der Schlüssel der Zigarrenlagerung ist die richtige Luftfeuchtigkeit. Sie sollte zwischen 68 und 72 Prozent liegen. Ist es zu nass, schimmeln die Sammlerstücke. Ist es zu trocken, werden sie hart und verlieren ihr Aroma. Zugluft ist ebenfalls Gift für Zigarren. Stimmt jedoch das Klima, dann werden Zigarren mit den Jahren besser, sie reifen, entwickeln ungeahnte Aromen. Einige besonders hochwertige Sorten mit kräftigem Geschmacksbouquet kann man bis zu zwei Jahrzehnte aufbewahren, bis sie den perfekten Reifegrad erreicht haben. „Wir entwickeln unsere Humidore ständig weiter. Beleuchtung, Lüftung und Befeuchtungsanlage sind heute digital per Web-Interface steuerbar“, erklärt Gerber, der zwar auf Humidore spezialisierte Schreiner beschäftigt, aber Abnahme, Kontrolle und Zertifizierung stets selbst übernimmt. Über die Jahre hinweg haben die Gerbers „eine mittlere zweistellige Zahl“ an Humidoren verkauft. Wahrlich: Ein Massengeschäft ist das nicht. Zu den Kunden gehören neben Privatpersonen Hotels wie das Adlon in Berlin oder Wellnesshotels wie der Quellenhof in Südtirol, Jachteigentümer und Kreuzfahrtreedereien. Der rückläufige Tabakkonsum und die zunehmende Stigmatisierung des Rauchens sorgen ihn nicht, das stilvolle Zigarrenrauchen sei außen vor. Gerber: „Luxus und Genuss liegen doch voll im Trend.“ In den Golfstaaten und in Asien werde es gerade erst chic, sich ein Herrenzimmer mit Humidor einzurichten. Sorgen mache ihm da schon eher die Qualität der kubanischen Zigarren. „Da gibt es zu viel Margendruck“, sagt er. Gerber möchte sich das demnächst selbst vor Ort anschauen. Wenn nicht wieder ein Zigarrenliebhaber auf die Schnelle einen Humidor bei ihm ordert.

Digitale Helfer: Gerber verwendet elektronische Systeme, um Zigarren befeuchten und entfeuchten zu können, und schafft so das ideale Reifeklima.

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Mit Profis auf der Piste Sie waren Olympiasieger oder Weltmeister: An manchen Orten kommen Winterurlauber mit ehemaligen und aktuellen Skistars auf Touren. VENTURA schaute sich um und traf Siegertypen. :: Von Christian Haas

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Skifahreridol: Michael Walchhofer sammelte Siegertrophäen weltweit und blieb doch stets mit

Chancenreich: In Zauchensee kann man Weltmeister wie Michael Walchhofer live erleben.

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„Sann des deine Schi?“, begrüßt mich Michael Walchhofer an der Talstation der Rosskopfbahn im leichten landestypischen Dialekt. „Ein Top-­ Modell!“ Erleichterung macht sich breit, schließlich herrscht eine gewisse Aufregung ob des Treffens mit dem weltberühmten Ausnahmefahrer. Der jedoch fährt fort: „… vor 13 Jahren!“ Das schmerzt. „Ich schau mal, ob ich nicht was Neue­ res für dich hab“, sagt er. Doch bevor er zur von seinem Bruder Peter betriebenen „WeltmeisterSchischule“ hinübertraben kann, versichere ich ihm, dass ich mit meinem Equipment nach wie vor zufrieden sei. Lieber will ich bald mit seiner mehrmals im Winter für kleine Gästegruppen angebotenen Offerte „Skifahren mit dem Weltmeister“, bei der Technikratschläge, Einblicke in Walchhofers Sportlerkarriere und Tipps zum Skigebiet versprochen werden, beginnen. Es zieht mich auf die Pisten. Auf seine Pisten, kann man fast sagen, denn Walchhofer ist hier aufgewachsen, hat schon als Junior am Gamskogel und Rosskopf geübt und geübt, um dann nach und nach zu einem der Erfolgreichsten im Skisport zu reifen. Seine Bilanz: 19 Weltcupsiege i­ nklusive der berühmten Streif in Kitzbühel, dreimal gar der Gesamtweltcup, Silber bei Olympia 2006, mehrere Medaillen bei der WM 2005 und als Krönung Abfahrtsgold bei der Ski-WM 2003 in St. Moritz. Nach seinem Karriereende 2011 blieb der heute 42-Jährige seiner Heimat treu: Zauchensee im Salzburger Land, dem Ort „mit der höchsten Weltmeisterdichte der Welt. Ein Skiweltmeister auf 44 Einwohner, wo gibt es so was schon?“, scherzt er, als wir mit der Gondel nach oben schweben und auf gut zwei Dutzend Häuser, fast allesamt Vier-Sterne-Hotels, hinunterblicken. Walchhofer erzählt: „Zu Zeiten meines Großvaters lebte in Zauchensee niemand permanent – nur in den Sommermonaten gab es einen Almbetrieb.“ Bis 1964 der erste Skilift Premiere feierte und eben

sein Großvater den Transport für die Winterurlauber übernahm. Da brachte er das Gepäck vom Bahnhof in Altenmarkt per Pferdekutsche nach Zauchensee, während die Gäste die 15 Kilometer zu Fuß zurücklegten. „Spartanisch ging es bei der Hüttenunterkunft weiter, und es gab einen Schlepplift. Für eine Woche Skiurlaub“, so Walchhofer. 2017 sieht die Welt ganz anders aus. Da sorgen 25 moderne Lifte für perfekten Skibetrieb auf den 70 Pistenkilometern. In den nächsten Stunden können wir uns davon überzeugen. Unser Mini­ tross besucht die Skimovie-Strecke, den Easy­ park für Boarder, die Zeitmessstrecke und die Weltcupstrecke. „Sie gehört zu den schwersten überhaupt“, meint Walchhofer. „Schattig, eisig, schnell.“ Spricht’s und saust los. Vorher ruft er noch, dass hier bei Rennen auf dem oberen Stück, das nur per Schrägaufzug erreicht wird, gerne einmal Geschwindigkeiten von bis zu 125 Stundenkilometern gemessen werden. Für Walchhofer kein Problem, er hatte sogar kurz einmal den Speedweltrekord inne: mit 153 Stundenkilometern. Mit Gästen ist er langsamer unterwegs, auch weil er gerne noch mehr vom Skigebiet erzählt: von Lieblingsabfahrten, Hütten und mancher Kuriosität. Derweil ist er nicht der einzige Skiprofi, der nach seiner Sportkarriere in die Hotelierszunft wechselte. Pirmin Zurbriggen etwa unterhält zwei Hotels in Saas-Almagell und Zermatt, wo die Chancen nicht schlecht stehen, sich auch einmal mit dem ehemaligen Olympiasieger zu unterhalten. Der nicht minder erfolgreichen Isolde Kostner kann man in ihrem familiären Garnihotel im Südtiroler Wolkenstein nahekommen. Sigi Grüner war im früheren Leben mehrfacher Tiefschnee- und Synchro-Ski-Weltmeister. Jetzt managt er das Designhotel Bergland in Sölden, das nicht erst durch 007-Darsteller Daniel Craigs überschwängliche Begeisterung Bekanntheit

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Fotos: @Jabli | www.walchhofer.at, @Foto Tom | www.walchhofer.at

der Heimat verbunden.


Hauspiste: Lorraine Huber ist FreerideWeltmeisterin und unterrichtet in ihrer Arlberg passionierte Skiläuferinnen.

erlangte. Was vor allem Ski fahrende ­Hotelgäste begeistert: Einmal pro Woche fährt Grüner mit Interessierten über die Ötztaler Pisten. Was es für dieses halbtägige Gratisangebot braucht? Man muss sich vorher anmelden, und man muss Skifahren können. Hier geht es um Geschichten aus dem Skizirkus und die Nähe zu einem Sportler, der zur Weltelite seines Faches zählte.

(1) Franz Klammer, Bad Kleinkirchheim, Gold Innsbruck 1976; (2) Pirmin Zurbriggen, Saas-Almagell, Gold Calgary 1988; (3) Hubert Strolz, Warth am Arlberg, Gold Calgary 1988.

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Wie bei Skilegende Franz Klammer, der mit seinen 25 Siegen zum erfolgreichsten Abfahrtsfahrer der Weltcupgeschichte avancierte. Zum 50. Geburtstag erbaute man ihm in Bad Kleinkirchheim die „Weltcupabfahrt Franz Klammer“. Und genau auf dieser und anderen Pisten ist der „Skikaiser“ an ausgewählten Terminen mit „normalen, aber geübten Skifahrern“ unterwegs. Maximal 50 Gäste können das Angebot „Ski vor 9“ an Februar-Terminen wahrnehmen und erhalten für 125 ­Euro Skiticket und leere Pisten – es geht um 6.30 Uhr los – sowie Klammers Begleitung beim Skifahren und beim Brunchen in der Klammerstub’n im Bergrestaurant Kaiserburg.

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Mehr ums Skifahren geht es bei Hubert Strolz. Auch wenn seine Profizeit – mit den Highlights Olympiagold und -silber 1988 – schon eine Weile her ist, beherrscht der heutige Skiführer und Skischulen­inhaber noch immer sein Metier. Beim Race Training schult er auf Anfrage in Warth am Arlberg Gruppen mit vier bis sechs Personen. Dabei geht es um fachkundige Beratung und Tipps und Tricks aus dem alpinen Rennlauf. Ernst Garhammer, mehrmaliger Weltcupsieger und Europameister im Freestyle-Skifahren, kann dagegen von seinen Stunts in den legendären Willy-Bogner-Filmen berichten. Genug Zeit, ihm zu lauschen, ermöglichen mehrtägige Events, die er mit seinen Brüdern anbietet. Die Palette reicht von Tiefschnee- und Freeride-Kursen bis zu Helicopter-Skireisen. Apropos Freeriden: Lorraine Huber ist amtierende Freeride-Weltmeisterin und eine der wenigen Aktiven, die ihre Erfahrung und Leidenschaft an Privatpersonen weitergeben. Wenngleich in diesem Fall nur an Frauen. Hubers Begründung: „Ich habe gemerkt, dass die besondere Atmosphäre unter Frauen den Lernprozess beim Freeriden optimal unterstützt.“ Die mehrtägigen Kurse leiten neben Huber andere weibliche Guides und Coaches, die ebenso auf Siegerpodesten bei internationalen Wettbewerben standen und staatlich geprüfte Skiführerinnen sind. Die Women’s Progression Days finden übrigens in einem der besten Freeride-Gebiete der Alpen vom 12. bis zum 15. April 2018 in Lech am Arlberg statt – das ist Lorraine Hubers Heimat.

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Fotos: Lorraine Huber/Lech Zürs/BCrs Tourismus/Sepp Mallaun, Enno Kapitza/Agentur Focus, imago/Eibner Europa, Sébastien Agnetti/13 Photo, imago/GEPA pictures

Heimat Lech am


Das Gedicht

Willkommen, lieber Winter. Willkommen hierzuland! Wie reich du bist, mit Perlen Spielst du, als wär’ es Sand! Den Hof, des Gartens Wege Hast du damit bestreut; Sie an der Bäume Zweige Zu Tausenden gereiht. Dein Odem, lieber Winter, Ist kälter, doch gesund; Den Sturm nur halt’ im Zaume, Sonst macht er es zu bunt! Elisabeth Kulmann, deutsch-russische Dichterin (1808–1825) :: Illustration: Lisa Rock

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Seit Januar 2017 hat Hamburg ein neues Wahrzeichen. Die gen. Sie machen Prozesse effizienter und erleichtern den Elbphilharmonie besticht mit ihrer gnadenlos klaren Akus- Handel und die internationale Zusammenarbeit. Manchtik ebenso wie mit ihrer kühnen Architektur. Von außen mal schaffen Normen einen Wettbewerbsvorteil, denn für ist die markante, wellenförmige Glasfassade am Elbufer Verbraucher sind sie ein Vertrauensmerkmal. Und nicht weithin sichtbar, und innen im Foyer und im großen Kon- zuletzt gewährleisten Normen die Rechtssicherheit. Dann zertsaal verbinden mehr als 1000 steile Treppenstufen die nämlich, wenn sie in Gesetze und verbindliche Verträge grottenartig angeordneten Ebenen miteinander. Besucher aufgenommen werden. In puncto Sicherheit geschieht das des Konzerthauses sollten sich gut festhalten, denn in den häufig. Eltern können beispielsweise sicher sein, dass die Wochen nach der Eröffnung kam es zu außergewöhnlich vielen Unfällen auf eben diesen Stufen. Zahlreiche Men120 178 schen stürzten und verletzten sich mitunter. Die Gründe: Die Stufen seien nicht ausreichend markiert, zudem ände95 re sich das sogenannte Schrittmaß von Stufe zu Stufe. Das bringt Treppenbenutzer aus dem Tritt. Im schlimmsten Fall rutschen sie mit der Schuhspitze über die Kante und stürzen. Den Ärger und die teure Nachbesserung hätte

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Seit 100 Jahren erleichtert eine große Anzahl an N ­ ormen und Standardisierungen ­unseren Alltag, kurbelt die ­Wirtschaft an und schafft viel Raum für Innovationen. :: Von Lilith Nickl

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sich die Stadt Hamburg ersparen können, denn es gibt Standards dafür, wie eine Treppe gestaltet sein muss, damit 200 sie bequem und sicher ist. In Deutschland ist seit genau 100 92 Jahren das Deutsche Institut für Normung, kurz DIN, für die Formulierung von Normen und Standards zuständig. Oliver Boergen, Pressesprecher beim DIN, vergleicht eine Norm gerne mit einer gemeinsamen Sprache und sagt: „Der Wettbewerb würde in einer global vernetzten Wirtschaft ohne eine solche einheitliche Sprache gar nicht funktionieren.“ Zwar ist es für Hersteller und Dienstleister kein Muss, eine bestehende Norm anzuwenden, doch meist überzeugen die Vorteile. So stellen die Richtlinien sicher, dass Produkte und Dienstleistungen einem gewissen Qualitätsanspruch genü-

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Geräte auf öffentlichen Kinderspielplätzen ausreichenden definierten Sicherheitsstandards folgen und die Anlagen in regelmäßigen Abständen gewartet werden. Vielen der rund 34 000 DIN-Normen, die aktuell im Katalog gelistet sind, begegnet der Mensch Tag für Tag. Meistens unbemerkt. Das beginnt schon morgens im Badezimmer, wo der internationale Standard DIN EN ISO 20126, auch Büschelauszugsprüfung genannt, sicherstellt, dass die einzelnen Borsten einer Zahnbürste auch dort bleiben,

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gebenenfalls ganz neu gedacht oder auch nur aktualisiert werden. Das wurde beispielsweise den Bauherren der Hamburger Elbphilharmonie zum Verhängnis, die sich bei der Planung zwar an geltende Vorgaben gehalten hatten; diese waren aber im Laufe der zehnjährigen Bauzeit veraltet. Aktuell beschäftigt man sich beim Deutschen Institut für Normung in Berlin mit den Megatrends der Zukunft. Auf der Agenda stehen Themen wie Smartcitys, Industrie 4.0 und Green Mobility. Die Urbanisierung schreitet weltweit 229 275 335 voran. Damit Städte auch in Zukunft ihre Infrastruktur wei95 95 ter ausbauen, die Grundversorgung der Menschen sicherstellen können und ressourcenschonend wirtschaften, benötigen sie möglichst viele Informationen darüber, was in der Stadt passiert. Was das mit Normung zu tun hat? Daten beispielsweise über den Verkehrsfluss, die Feinstaubbelastung, Temperatur und Wasserdruck werden über unzählige Sensoren erfasst. Diese Informationen fließen auf einer zentralen Plattform zusammen. Entscheidend ist dabei die Architektur, damit die technischen Komponenten zueinanderpassen und jede Lösung – egal, ob sie von einem Start-up, einer Forschungseinrichtung oder einem gestandenen Unternehmen entwickelt wurde – eingebunden werden kann. ­Boergen: „Gäbe es die einheitlichen Schnittstellen nicht, über die Daten transportiert und ausgewertet werden, müsste jeder Teilnehmer eines Produktionsnetzwerks mit jedem Partner eigene Regeln für den Informationsaustausch aufsetzen.“ So wirken Normen und Standards ge200 200 rade bei den vielen Herausforderungen der Digitalisierung wie ein Effizienzmotor. 247 307 Erste konkrete Ergebnisse aus dem DIN-Projekt „Offene urbane Plattformen“ liegen schon in einmat notiert sind, wirft einen Blick in die DIN 5008. Selbst zelnen Städten in Deutschland vor und werden dort nun wie eine Norm auszusehen hat, ist kurioserweise ganz kor- analysiert und bewertet. Die integrierte multifunktionale rekt im DIN-Katalog geregelt: in der DIN EN 45020. Straßenlaterne (imHLa) beispielsweise ist Beleuchtung, Jede neue Richtlinie muss im Konsens von einem Nor- WLAN-Hotspot, Parkassistent und Ladestation für Elektromenausschuss verabschiedet werden. Rund 32 000 Exper- autos in einem. Das A und O für Oliver Boergen: „Damit das ten aus Wirtschaft und Forschung, von Verbraucherseite Miteinander in der digitalen Welt funktioniert, müssen sich und der öffentlichen Hand sind in diversen Arbeitskreisen die IT-Systeme verstehen.“ So profitiert am Ende eine gesamorganisiert. Alle fünf Jahre kommt generell jede unserer te Volkswirtschaft. Studien beziffern den gesamtwirtschaftNormen in Deutschland auf den Prüfstand und muss ge- lichen Nutzen auf rund 17 Milliarden Euro pro Jahr. wohin sie gehören, und nicht versehentlich verschluckt werden. Die wohl bekannteste Norm, die spätestens jeder Schulanfänger lernt, ist die für Papierformate. Die DIN 476 legt genau fest, wie lang und wie breit ein Blatt Papier sein muss, damit es ins Briefkuvert und in jeden Drucker passt. Und wer einen Geschäftsbrief verfassen möchte, bei dem das Adressfeld im exakten Abstand zu den Seitenrändern platziert ist, Daten und Telefonnummern im richtigen For-

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Wir benötigen einen digitalen Ruck Viele Unternehmen sprechen von der digitalen Transformation, doch ist dieser technologische Fortschritt noch immer nur Teil der Arbeitswirklichkeit. Wandel erfordert eine Verhaltensänderung, die auf allen Ebenen gelebt werden muss.

Foto: Christian Rätsch

:: Von Christian Rätsch

Deutschland gilt in der Welt als Innovations­ motor. Doch der digitale Wandel bringt diese Rol­ le ins Wanken. Hiesige Unternehmen rangieren in der digitalen Wettbewerbsfähigkeit nur auf Plätzen zwischen 15 und 20. Bei der Internetnut­ zung liegen deutsche Haushalte auf Platz 19. Der Digitalisierung wird hierzulande nicht genug Be­ deutung beigemessen. Ein Beweis: Das Thema liegt immer noch beim Verkehrsministerium. Es überrascht: Durch die Bank sagen deutsche ­Manager, dass die Digitalisierung eine Schlüssel­ frage sei. Sich selbst bewerten die meisten aber als mittelmäßig im eigenen Digitalisierungsgrad. Es herrscht Schockstarre, was Strategie und Implementierung digitaler Prozesse und Anwen­ dungen betrifft. Das liegt vor allem an den verän­ derten Innovationszyklen und Gesetzen der Wert­ schöpfung. Waren bisher Innovationen lokal und linear in ihrer Verbreitung, sind sie heute global und rasend. Zudem entkoppelt die Digitalisie­ rung die Wertschöpfung von der Arbeit. Früher führte Technologie zu mehr Arbeit, heute redu­ zieren Innovationen Aufwände. Die Unterneh­ mensberatung McKinsey ist überzeugt: 5 Prozent aktueller Berufsbilder verschwinden wegen neu­ er Technologien. Übrig bleiben 77 Prozent gering qualifizierter und 18 Prozent hoch qualifizierter Tätigkeiten. In den Führungsetagen verbreitet sich die Überzeugung, agieren zu müssen. Digi­ talisierung ist Chefsache. Reisen ins Silicon Val­ ley gehören zum Fortbildungsstandard. Der Blick auf Digital Champions macht hungrig und zeigt: Sofortiges Handeln ist Pflicht. Patentrezepte? Alle Unternehmen benötigen künftig nicht nur vereinzelte Digitalisierungsbeauftragte. Wenige Champions erreichen nichts, weil die

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Herausforderung so nur outgesourct wird. Ganz nach dem Motto: „Digitalisierung? Das machen doch andere für mich.“ Es muss ein Kultur- und Mentalitätswechsel her. Es gilt, den technolo­ gischen Fortschritt in die Arbeitswirklichkeit eines Unternehmens einzubetten. Statt exter­ ner Trainings braucht es Schulung on the Job. Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Koope­ rationswillen sind der Schmierstoff für Verhal­ tensänderung. Jedoch lässt sich diese nicht ver­ ordnen. Sie muss erlebt und gefördert werden. Um diesen Wandel zu meistern, sind Erfah­ rungen in der Organisation von Transforma­ tions- und Change-Prozessen nötig. Wenn die Ar­ beitsweise unter Druck gerät, Hierarchien flacher werden und Geschwindigkeit zum Erfolgsfaktor wird, kommt es zunehmend auf den Einzelnen an. Dabei spielt die Sorge vor Veränderung eine zentrale Rolle. Um diese Ängste zu minimieren, hat Google zwei Jahre lang 180 Teams beobach­ tet. Ein Algorithmus sollte den Code des perfek­ ten Miteinanders knacken – ohne Erfolg. Erst die Ergänzung der Beobachtungsmethode um psy­ chologische und soziologische Faktoren erzielte ein valides Ergebnis. Die psychologische Sicher­ heit (psychological safety) macht den Unter­ schied in der Zusammenarbeit. Die Ergeb­nisse sind hier veröffentlicht: goo.gl/dF1yUQ. Für mich zählt zur Hauptaufgabe der Mana­ ger, Mitarbeitern in der digitalen Transformation eine Perspektive zu geben, sie zu motivieren und auf die Innovationsreise mitzunehmen. Wir be­ nötigen eine Kultur, die wieder Lust auf Innova­ tionen macht. Wenn wir verinnerlichen, dass der Wandel uns alle angeht, dann werden wir im Ge­ samten auch wieder zum Innovationsmotor.

Christian Rätsch ist Experte für Digitalisierung bestehender Abläufe sowie Reputation im Internet, vernetztes Arbeiten und Social Media für Unternehmen. Sein Motto: „Kommunikation auf den Punkt bringen.“ Rätsch ist Geschäftsführer der Kreativagentur Saatchi & Saatchi Deutschland und agiert als Unternehmensberater im Bereich Markenstrategie und Markenkommunikation.

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Spektakel am Meeresgrund Ein Museum mitten im Ozean vor der Küste von Lanzarote fesselt sowohl Kunstbegeisterte als auch Taucher und Schnorchler. Ihr Ziel: die fantastische Skulpturenwelt des Briten Jason deCaires Taylor.

Die Atmosphäre und Szenerie passen perfekt zu Jules Vernes Roman „20 000 Meilen unter dem Meer“. Abenteuerlustige und kunstbegeisterte Besucher nähern sich wie Kapitän Nemo und die Besatzung seines Unterwasserseeboots Nautilus dem Grund des Ozeans. Doch werden sie hier nicht Atlantis oder seine Überreste entdecken. Vielmehr offenbart sich ihnen ein geradezu atemberaubender und dann wieder nachdenklicher Ort. Ein Refugium der Stille und Inspiration, zwischen Leben und Vergänglichkeit. Rund 400 Meter vor der Küste von Las Coloradas, südwestlich von Lanzarote befindet sich in einer Meerestiefe von zwölf bis 15 Metern das erste Unterwassermuseum Europas. Dieses öffnete Anfang 2017 und zeigt in zwölf

Jason deCaires Taylor, Crossing the Rubicon, Lanzarote, Museo Atlantico, 2017.

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Foto: Jason deCaires Taylor. © Jason deCaires Taylor. All rights reserved, DACS/Artimage 2017, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

:: Von Ralf Kustermann


Fotos: Jason deCaires Taylor. © Jason deCaires Taylor. All rights reserved, DACS/Artimage 2017, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Themenwelten und Kunstinstallationen über 300 einzigartige Skulpturen vor der spanischen Kananareninsel. Ein mystisches Areal von 2500 Quadratmetern, das seine Besucher sprichwörtlich in den Bann zieht. Die Besucher des ungewöhnlichen Museums schweben mit ausgebildeten Tauchlehrern, die sie auf der Besichtigungstour durch die einzelnen Ausstellungen geleiten, ins Museum hinab oder beobachten von Ausflugsbooten mit Glasboden die beeindruckende Unterwasserwelt. So etwa eine über 30 Meter lange, vier Meter hohe und 100 Tonnen schwere Mauer mit dem Namen „Überquerung des Rubikon“. Ein monumentales Werk, umgeben von 35 menschlichen Skulpturen, die auf eine kleine Tür in der Mauer zulaufen, diese durchqueren möchten. Hier geht es um mehr als Kunst im Wasser: Die Pforte symbolisiert den Zutritt vom Atlantischen Ozean zu den Kanaren, die Skulpturen sind Teil der dramatischen Flüchtlingswelle, die sich auf eine riskante Handlung eingelassen haben, einen gefahrvollen Weg zurücklegten. Genau hierfür steht bis heute die aus der römischen Zeit stammende Metapher, „den Rubikon zu überschreiten“. Es war die spanische Regierung, die den Künstler, Umweltschützer und Fotograf Jason deCaires Taylor mit dem Bau des Unterwassermuseums beauftragte und die Kosten von rund einer Million Euro übernahm. Ziel des Projektes: das Image Lanzarotes kulturell aufzuwerten und den Ruf als reine Ferieninsel abzulegen. Die Regierung erinnert dabei an die künstlerische Tradition der Vulkaninsel und den Künstler César Manrique. Dieser prägte in den Siebzigern und Achtzigern das Bild der Insel, suchte in seiner Kunst eine harmonische Verbindung zwischen Mensch und Natur. Dabei wollte Manrique Lanzarote zu einer touristischen Besonderheit umgestalten. Vor über zehn Jahren begann der Brite Jason deCaires Taylor, Skulpturen auf dem Meeresboden in Unterwasserparks zu installieren. Die ersten fanden ihr Zuhause in der karibischen Molinere Bay, etwa drei Kilometer nördlich von St. George’s auf Grenada. National Geographic zählt diese Kunstinstallationen zu den 25 Weltwundern unserer Zeit. Bewusst wählte der Künstler ein Gebiet, das von einem Hurrikan zerstört wurde, um auf die sehr verletzlichen und schützenswerten Regionen unserer Welt aufmerksam zu machen. Taylor geht es in seiner Arbeit zentral um die bedrohliche Situation der marinen Ökosysteme. So leben allein in den Korallenriffen der Karibik Hunderttausende Arten. Doch Industrie, Erderwärmung und Tourismus zerstören zunehmend Riffe. Inzwischen hat er über 800 Unterwasserskulpturen geschaffen und in Ozeanen verankert. Sein aktuelles und international anerkanntes Projekt führte ihn auf Spaniens Lanzarote. Hier entstand das Anfang des Jahres eröffnete Museo Atlántico. Werke des Bildhauers waren im Übrigen bis zum November auf der Biennale Arte 2017 in Venedig zu sehen.

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Jason deCaires Taylor, Disconnected, Lanzarote, Museo Atlantico, 2017.

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Jason deCaires Taylor, Deregulated, Lanzarote, Museo Atlantico, 2017.

Taylor spiegelt Alltägliches im Ozean wie etwa die Smartphone- und Businesskultur, kontrovers diskutierte Themen wie den Klimawandel, die Flüchtlingskrise oder Globalisierung. Auch das Drama von Lampedusa findet sich am Meeresboden – in Gestalt eines Flüchtlingsboots mit verzweifelten, von Strapazen gezeichneten Menschen an Bord. Taylor: „Ich wollte ein Denkmal für diejenigen erschaffen, die die Flucht geschafft haben – und für die, deren Träume und Hoffnungen am Boden des Meeres endeten.“ Bei aller inhaltlichen Diskussion verbindet Taylor die Kunst mit dem Schutz der Meere. Seine Werke bieten Korallen und anderen Meeresbewohnern einen alternativen Lebens- und Wohnraum – sie sind künstliche Riffe, die von der Natur nachhaltig angenommen werden. Seit mehr als 20 Jahren taucht der Brite und sah dabei Orte, die einst unberührt waren, Korallenriffe im einzigartigen Farbenspiel und vielfältigste Lebensformen. „Wenn ich jetzt zu einigen dieser Orte zurückkehre, finde ich sie völlig zerstört vor“, bedauert Taylor und warnt davor, dass „jede wissenschaftliche Prognose über die Zukunft der Meere heutzutage extrem negativ ist.“ So baut der 44-Jährige seine Unterwasserskulpturen, um auf die Riffe aufmerksam zu machen und gleichzeitig von ihnen abzulenken. Auf den Figuren aus pHneutralem Beton lassen sich Algen, Schwämme und Korallen nieder und machen sie so zu künstlichen Riffen. Um Taucher oder andere Neugierige von den bedrohten natürlichen Riffen wegzulocken, platziert Taylor die Kunstwerke nur auf sandigem Meeresboden, weit ab von belebten Stellen. Taylor kennt den Reiz der Arbeit unter Wasser und ist bis heute von der Kraft der Meere überzeugt: „Unter Wasser funktioniert alles anders: die Schwerkraft, das Licht, die Farben. Das Meer ist wie ein zweiter Künstler, der die Skulpturen weiterbearbeitet.“ Der Künstler kennt den Wert seiner Werke und ihre Metamorphose – sie verändern unter Wasser nicht nur ihr Aussehen, sie werden zu lebenden Organismen: „Du weißt nie, was dich erwartet. Manchmal tauche ich runter, und die ganze Skulptur ist voll von schwarzem Schleim. Beim nächsten Mal bin ich überwältigt. Ich schaue in das Gesicht der Figur und sehe eine Garnele, die in ihrem Ohr wohnt – das ändert alles.“ Dies würde sicher auch Jules Verne und dessen Helden gut gefallen.

Jason deCaires Taylor with The Silent Evolution, 2010.

Jason deCaires Taylor‚ Crossing the Rubicon, Lanzarote, Museo Atlantico, 2017.

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Durchblick gestalten Ein Vater-und-Sohn-Unternehmen lässt qualitativ hochwertige Vintage-Brillenfassungen fertigen – und trifft damit nicht nur den Geschmack vieler Prominenter. Wie sich ein Unternehmen erfolgreich in einer feinen Nische positioniert.

14 Jahre lang trug Apple-Ikone Steve Jobs das Brillenmodell Lunor Classic rund PP, und Ulrich Fux, Vorstandschef der Lunor AG aus Althengstett am Rande des Schwarzwalds, wusste es nicht einmal. Nach Jobs’ Tod setzte plötzlich ein regelrechter Run auf die Lunor-Web­ site ein, und das randlose Jobs-Modell verkaufte sich in den folgenden Wochen über 600-mal. Noch immer ärgert es Fux, wenn er liest, dass Jobs’ Brille äußerst simpel gewesen sei: zwei Bügel, ein Nasensteg, zwei kreisrunde Gläser, fertig. „Allein am Nasensteg, diesem kleinen Metallteil, haben wir fünf Jahre getüftelt, bis es für jede erdenkliche Nasenform angenehm zu tragen war“, betont er. Jobs war nicht der einzige Prominente, der die Fassungen aus dem Hause Fux schätzt. Tom Cruise, Harrison Ford, Madonna, Ringo Starr sowie echte Brillenfetischisten wie Yoko Ono und Elton John zählen zu den Kunden. Kompromisslose Qualität ist tatsächlich das Lieblingsthema des 65-Jährigen, der Lunor gemeinsam mit seinem Sohn Michael führt. Das muss auch so sein. Schließlich

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sind die Lunor-Modelle preislich weit oben angesiedelt. Während in der Branche im Schnitt 75 Euro für ein Gestell bezahlt werden, liegt dieser Satz bei Lunor um die 450 Euro. Dass sich diese Preise durchsetzen lassen, liegt vorrangig am ungewöhnlichen Design. Die „Füxe“ haben sich dem sogenannten Vintage-Look verschrieben. Dabei finden sich in der Kollektion auch Fassungen mit Ausziehbügeln, wie sie noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts en vogue waren. Leichtgängige Drahtkonstruktionen, mit denen sich die Brille auf das kleine Maß eines passgenau gefertigten Holz­etuis zusammenschieben lässt. Lunor hat keine eigene Werkbank, sondern lässt die Fassungen bei drei der wenigen am Standort Deutschland verbliebenen Produzenten fertigen: bei der Pforzheimer Brillenfabrik Wilhelm Kretz, bei Mitterbauer in Thyrnau nahe Passau und bei der Zettner Brillenfabrikation im Fürther Land. Letztere ist auf Kunststofffassungen aus dem Werkstoff Acetat spezialisiert. „Wir machen natürlich mehr als nur das Design“, erklärt Fux. „Wir legen

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Fotos: Lunor

:: Von Günter Kast


Qualitätszeichen: eine speziell entwickelte Glasschraube, die das Bruchrisiko des Glases minimiert; Acetatfassungen, die über mehrere Tage poliert und von Hand auf Hochglanz gebracht werden; Oberflächenglanz dank Übereinanderlegen von bis zu vier Schichten edler Metalle.

Von links nach rechts und oben nach unten: exakte Ausrichtung der Bügel; schimmernde, mehrfach polierte Acetatfassung; Feilenwerkzeug; hochwertiges und schmuckes Brillenetui; sorgfältige Fixierung der Glasschraube; die beiden Firmeninhaber Michael und Ulrich Fux.

sämtliche der bis zu 200 Arbeitsschritte fest, entscheiden, welche speziell für uns gefertigten Scharniere zum Einsatz kommen. Und wir kontrollieren die Qualität – 100 Prozent made in Germany bis zur Handpolitur.“ Nach der Herstellung gehen die Fassungen auch nicht direkt zum Optiker, bei dem der Kunde bestellt hat, sondern zurück zu Lunor. Das sei zwar sehr aufwendig, doch bleibt die Endkontrolle stets bei Fux. Dort richtet man – oft geht es nur um einen einzigen Grad – die Bügel exakt aus. Ulrich Fux: „Und wir packen die Fassungen in die Etuis. Das ist Maßarbeit. Für jedes Gestell gibt es ein passendes Etui. Da darf nichts klappern.“ Als die Verlagsgruppe „Markt intern“ vor einigen Jahren eine Umfrage unter Optikern durchführte, landete Lunor in Sachen Qualität unter 40 Fassungslieferanten auf Platz eins. Da eine Brille stets ein Gesamtkunstwerk aus Fassung und Gläsern ist, arbeitet Lunor nicht mit jedem Optiker zusammen. Insgesamt werden etwa 1000 Optiker belie-

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fert, doch nur rund 100 von ihnen gelten als Key Accounts. „Der richtige Vertriebsweg ist ein wesentlicher Bestandteil einer Qualitätsstrategie“, so Fux. „Unsere Optiker lassen ihre Gläser nicht in Zentralwerkstätten herstellen, die den Massenmarkt bedienen. Sie haben ihre eigene Werkstatt.“ Einen guten Optiker, erklärt der Chef des Schwarzwälder Unternehmens, erkennen Kunden beispielsweise daran, dass er immer erst ein Musterglas schleift, bevor er eines in die Fassung setzt. Bei den Gläsern gebe es natürlich auch große Qualitätsunterschiede. Für eine komplette Brille gäben Lunor-Kunden rund 1000 Euro aus. „Mit Gleitsichtgläsern ist es schnell deutlich mehr“, sagt Fux. Was passiert, sollte die Vintage-Mode irgendwann nicht mehr nachgefragt werden? „Wir haben uns nicht vertraglich darauf festgelegt, das auf alle Zeiten machen zu müssen“, bleibt Fux optimistisch. „Wenn es der Zeitgeist erfordert, können wir anders. Wir werden Trends ­sicher nicht verschlafen, solange sich diese mit gutem und ehrlichem Handwerk versöhnen lassen.“

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Perlen de luxe Deutsche Winzersekte machen Furore. Manche der Spitzentropfen übertrumpfen sogar die renommierten Schaumweine der Champagne. :: Von Andreas Hohenester

Wieder prämiert: Die Vintage-SektSerie von Raumland mit ihrer langen Reifezeit überzeugte Kritiker von „Gault & Millau“ auch 2017.

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Ins Schwärmen gerieten die Kritiker des „Gault & Millau Weinguide Deutschland 2017“ über einen ganz besonderen Schaumwein: „Man schmeckt dem Perlenteppich auf der Zunge förmlich an, wie er während der Reife immer feiner und dichter geknüpft wurde.“ Und die Tester berauschten sich regelrecht am „feinsten Mousseux“ des lange gereiften Tropfens. „Das ist eine ganz eigene Liga, nicht nur wegen ihres fast schon sahnigen Mundgefühls, sondern insbesondere aufgrund der vitalen Präsenz“, heißt es. Was klingt wie ein Loblied aus dem siebten Champa­ gnerhimmel, meint allerdings Schaumweine aus der Vintage-Serie vom rheinhessischen Sekthaus Raumland in Flörsheim-Dalsheim. Sie reiften oft mehr als zehn Jahre in der Flasche. „Volker Raumlands Vintage-Serie setzt Maßstäbe, die selbst die besten Champagnerhäuser erst einmal einlösen müssen“, erklärten die „Gault & Millau“Tester und schmeckten gleich sechs Sekte in die deutschen Top Ten 2017. In der vergangenen Dekade stand achtmal ein Schäumer von Raumland an der Spitze. Zunächst wurden Heide-Rose und Volker Raumland noch von Winzerkollegen wegen ihres enormen Aufwands belächelt – ökologische Arbeitsweise, akribische Weinbergsarbeit, aufwendige Lese per Hand, schonende Verarbeitung im Keller und langes Hefelager. In den vergangenen Jahren haben sie aber viele Nacheiferer gefunden, die sich in der filigranen Kunst der traditionellen Flaschengärung üben und denen immer spannendere Tropfen gelingen. Zwar sind die Deutschen seit Langem Weltmeister im Schaumweintrinken – rund 300 Millionen Liter pro Jahr sind es laut Statistischem Bundesamt. Aber beim Massenkonsum dominie-

ren die großen Kellereien, die ihre Grundweine in 500 000-Liter-Tanks vergären. Gerade einmal 2 Prozent besetzt der Nischenmarkt der Winzersekte. Und genau dort findet der Qualitätswettbewerb jetzt statt. Neben Raumland, der lediglich 100 000 Flaschen pro Jahr produziert, machen immer mehr ehrgeizige Newcomer auf sich aufmerksam, die ebenfalls nach der Méthode champenoise arbeiten. Das heißt, die Grundweine gären ein zweites Mal in der Flasche. Dabei wird dem Wein eine Mischung aus Zucker und Hefe zugeführt, die ihn moussieren lässt. Mindestens

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Individuelle Note:

neun Monate muss der Schaumwein – vom Gesetzgeber vorgeschrieben – in der Flasche reifen, bevor er auf den Markt kommen darf. Je länger die Weine lagern, desto feiner wird die Perlage. Wenn sich auf dem Rüttelpult die Hefe im Flaschenhals abgesetzt hat, kann degorgiert, also der vergorene Hefepropf von den Flaschen entfernt werden. Der beim Absprengen des zuvor gefrorenen Hefedepots entstandene Mengenverlust wird mit Traubensirup, der sogenannten Dosage, aufgefüllt. Dabei wird der Süßegrad festgelegt: von extra brut bis doux – also knochentrocken bis

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sehr süß. Allerdings darf Schaumwein außerhalb der Champagne nicht Champagner heißen, und selbst der Hinweis „Méthode champenoise“ auf dem Etikett ist nicht erlaubt. „Nach traditio­neller Methode“ ist hingegen politisch korrekt und weist auf eine besondere Qualität hin. Beim deutschen Winzersekt müssen 100 Prozent der Trauben von eigenen Reben stammen. Sektproduktion im Lohnauftrag ist allerdings erlaubt, und viele Spezialisten verdienen so ihr Geld. ­Seriensieger Volker Raumland hatte es zu Beginn seiner Karriere 1990 als „Flying ­Sektmacher“ vorexerziert.

Deutsche Winzer ­mischen Rieslingund Burgunderrebsorten bei und kreieren dadurch neue Nuancen.

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Maßgebend: Volker Raumlands Vintage-Serie aus dem rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim. Seine Sektkombinationen lassen viele Champagnermarken hinter sich. „Gault & Millau“ schmeckte sechs Schaumweine in die Top

Stimmige Weinlese: Mit Geduld, traditio­ nellem Anbau und Flaschengärung gelang Sekthaus Raumland der Weg an die Spitze der deutschen Schaumweine.

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„Früher war Sekt ein Nebenprodukt für Trauben oder Wein, mit dem man nichts anzufangen wusste“, sagt Restaurant- und Weinkritiker Carsten Sebastian Henn. „Er wurde produziert, weil man einen im Sortiment haben musste – und nicht aus Überzeugung.“ Wer die hohe Kunst nicht beherrscht, holt sich Spezialisten, um im Qualitätswettbewerb ganz oben dabei zu sein. Das Pfälzer Weingut Reichsrat von Buhl machte den spektakulärsten Schritt in Richtung Qualitätssteigerung und engagierte 2013 den Franzosen Mathieu Kauffmann als Kellermeister, der zuvor zwölf Jahre in Diensten des berühmten Champagnerhauses Bollinger gestanden hatte. Griesel & Compagnie aus Bensheim war der Shootingstar beim diesjährigen „Meiningers Deutscher Sektpreis“, um den sich insgesamt 501 spritzige Tropfen von Weingütern, Genossenschaften und Sektkellereien beworben hatten. Die erst 2013 gegründete Sektkellerei an der Hessischen Bergstraße belegte gleich in drei von sechs Kategorien die vorderen Plätze. Auch unter den Besten: die 2011 eröffnete Strauch Sektmanufaktur aus Osthofen in Rheinhessen. Die „Entdeckung des Jahres 2015“, erneuter „Aufsteiger“ im „Gault & Millau 2017“, beweist, dass auch Biotropfen Spitzenplätze erobern können: Rang drei der besten Rosésekte brut. „Die handwerkliche Kunst und Sorgfalt sind ebenso frappierend wie die ökologische Bewirtschaftung“, lobte der Weinguide diese Rarität bereits zuvor. Nur 40 000 Flaschen jährlich produziert die kleine Manufaktur. Der Meininger-Fachverlag veranstaltete den Wettbewerb um die besten Sekte Deutschlands in diesem Sommer bereits zum dritten Mal. Auf einen oberen Platz abonniert ist inzwischen auch Reichsrat von Buhl dank Kellermeister

Kauffmann. Aber noch kann Volker Raumland Paroli bieten und die Konkurrenz auf Abstand halten. Trotz einer Rekordzahl ambitionierter Produzenten schaffte er es wieder aufs Siegertreppchen mit seiner „Kollektion des Jahres“. „Wie auch in den vergangenen beiden Jahren ist es extrem spannend zu sehen, dass aus einer Qualitätsspitze eine Bandbreite an hochqualitativen deutschen Sekten geworden ist“, sagt Verkostungsleiter Christian Wolf. „Klassische Flaschengärung aus Deutschland ist sogar ganz oft besser als Champagner“, sagt Sommelière und Eventmanagerin Claudia Stern aus Köln, die in der Szene der prickelnden Getränke gut vernetzt ist. „Anders, oft frischer und zarter und trinkanimierend.“ Sterns besonderer Tipp: die trockenen Tropfen vom ebenfalls biozertifizierten Wein- und Sektgut Barth, etwa der ultra Pinot brut nature oder der Pinot Noir-brut. „Das ist Geschmack pur und für Fortgeschrittene“, so Expertin Stern, die selbst von einem Weingut in Baden stammt. Noch vor wenigen Jahren wagte kaum einer den Vergleich mit großen Champa­ gnerhäusern an der Marne. Heute können die deutschen Sekte mit ihrer zum Teil überraschenden Vielfalt punkten. Während für die Produktion von Champagner lediglich die Rebsorten Chardonnay, Pinot noir und Meunier in allen erdenklichen Cuvées erlaubt sind, experimentieren die deutschen Winzer nach Herzenslust mit Riesling und Burgunder, aber auch Gewürztraminer, Silvaner, Veltliner und Muskat-Trollinger. Und die Preise? Raumlands Prestigesekt, der 9. Triumvirat Grande Cuvée Brut, kostet stolze 38 Euro. Für einen vergleichbaren Champagner Dom Péri­gnon zahlt man je nach Jahrgang bis zum Zwölffachen. Das dürfte mehr als einen Versuch wert sein …

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Ten 2017 der deutschen Sekte.


Die wunderbare Welt der FARBEN Sanft, jung und feminin: Rosa ist wie kaum eine andere mit Klischees belegt. Doch die Nutzung der markanten Farbe ist facettenreicher als gedacht. :: Von Niklas Böckmann

Einfühlsam, zurückgezogen und zart – so nehmen die meisten Menschen die Farbe Rosa wahr. Die vorwiegende Assoziation ist allerdings vor allem eine: Weiblichkeit. Doch Rosa ist mehr als nur eine Farbe für unzählige Spielzeugpuppen, Zuckerwatte oder Wände in Kinderzimmern. Die Symbolik der Farbe Rosa sah vor rund 100 Jahren vollkommen anders aus, denn bis Anfang des 20. Jahrhunderts, vor den 1920er-Jahren, galt Rosa zunächst als eine männliche Babyfarbe. Rot, die Farbe des Blutes und Kampfes, schrieb man über lange Jahre hinweg den Männern zu, das „kleine Rot“ den Jungen. Blau wiederum stand ganz in der christlichen Tradition für ­Maria, die Mutter von Jesus Christus. Erst seit den 1920er-Jahren wird das blasse Rot als Grundfarbe dem Weiblichen zugeordnet. Hier soll der Legende nach die Entwicklung einer Werbekampagne für Babykleidung maßgebend gewesen sein, die den Jungen die Farbe Hellblau und den Mädchen Rosa zuwies. Später galt die Farbe als wirklichkeitsfremd und verklärend, woraus beispielsweise Redewendungen wie „Alles durch eine rosarote Brille sehen“ oder „Die Zukunft in rosigem Licht sehen“ entstanden sind. Mit der etymologischen Bedeutung von Rosa hat das freilich wenig zu tun. Diese kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet die Pflanzengattung der Rosen, die man in der griechischen Antike zur Königin der Blumen ernannt hatte. Rosen symbolisieren wie keine andere Blume die Liebe. Rosafarbene Rosen stehen dabei symbolisch für zarte, junge sowie unaufdringliche Liebe.

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Gerade weil der Farbton selten ist, erscheint er uns bei aller Zurückhaltung als sehr markant. Oft ist der Flamingo mit seinem rosa gefärbten Gefieder eine unserer ersten Assoziationen. Dann folgt gerne das kleine rosa Marzipanschweinchen, das uns als Glücksbringer in süßer Form ins neue Jahr bringt. In der Welt des Schmucks ist Roségold Trend: Ringe, Ketten, Uhren sowie Handys sind im dezent rosafarbenen Goldton erhältlich. Passend hierzu: Im Kultfilm „Der rosarote Panther“ mit Peter Sellers und David Niven von 1963 steht ein großer rosaroter Diamant im Zentrum der Begierde. Die Musik von Henry Mancini ist bis heute bekannt und genießt einen Kultstatus. Und die ein Jahr später entstandene Zeichentrickfigur bringt Kinderaugen bis heute zum Leuchten. Die Deutsche Telekom nutzte den rosaroten Panther wiederum passend zur Farbe ihres Logos 1995 als zentrale Werbefigur. Im Radsport spielt Rosa eine ebenso dominante wie führende Rolle. So trägt der Spitzenreiter der Gesamtwertung des jährlich stattfindenden Radsportevents Giro d’Italia ein rosafarbenes Trikot, das sogenannte Maglia Rosa. Die Farbgebung des Trikots stammt dabei vom Sponsor, der italienischen Zeitung „La Gazzetta dello Sport“, die seit 1899 zu Werbezwecken auf einem Papier im Farbton – Sie ahnen es schon – Rosa druckt.

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Rosafarbene Rosen.

rote Panther.

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Roségoldene Uhr.

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Der rosa­

Maglia Rosa beim Giro d’Italia.

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Es ist nur wenige Minuten nach Mitternacht in Kap­ stadt, Südafrika: Ein rund 30-köpfiges Team trifft sich in einem der Opera­tionssäle des Groote Schuur Hospital und wird in dieser Nacht Geschichte schreiben. Der Gruppe gelingt die weltweit erste erfolgreiche Herztrans­ plantation – ein Ereignis, das zuweilen mit der Mond­ landung verglichen werden soll. Angeleitet wird das Operationsteam von einem bis dato Unbekannten: dem Herzchirurgen Christiaan Neethling Barnard, einem von vier Söhnen einer Predigerfamilie. Wenige Stunden zu­ vor hatte er das Herz der 25-jährigen Denise Ann Darvall entnommen, die nach einem schweren Verkehrsunfall tödlichen Hirnverletzungen erlegen war, und es mit 31 Schritten in den besagten Operationssaal getragen. Dort wartet der 54-jährige Louis Wash­ kansky auf dem Operationstisch. Der schwer kranke Gemüsehändler hat mehrere Herzinfarkte überlebt und liegt seit Oktober auf Barnards Station. Tage bis wenige Wochen lautete seine

03.12.1967 :: Von Lisa Schütz

ursprüngliche Prognose, doch nun, am 3. Dezember 1967, liegt er als weltweit erster menschlicher Empfänger eines Spenderherzens auf dem OP-Tisch. Die Operation dauert mehrere Stun­ den in der Nacht – möglich nur, weil die Herzfunktion währenddessen von der Herz-Lungen-Maschine übernom­ men werden kann. Früh am Morgen um 6.13 Uhr ist es schließlich so weit: Das Herz der jungen Denise Ann Dar­ vall wurde in den Körper des 54-jähri­ gen Louis Washkansky eingepflanzt, und der Impuls eines Elektroschocks reicht aus, um es in der fremden Brust

zum Schlagen zu bringen. „Wir haben es geschafft“, ruft Barnard. Und Louis Washkansky, Empfänger des Spenderherzens, über­ lebt die kritischen 48 Stun­ den. So sehr wünscht sich „­Washy“, wie sein Spitzna­ me in den Medien ist, Weih­ nachten zu erleben. Doch am 21. Dezember – 18 Tage nach der Herztransplanta­ tion – stirbt er an einer Lun­ genentzündung. Dennoch wird der hagere Barnard zum Medienstar. Er tritt in zahlreichen Talkshows im Fernsehen auf, spricht auf Empfängen und Gala­ dinners, veranstaltet Pressekonfe­ renzen und lässt sich gegen Honorar fotografieren. Mit mehr als 200 Fan­ briefen pro Tag schafft er es sogar ins Guinnessbuch der Rekorde. Barnards Erfolg wird heute kritischer gesehen. Zum einen gebührte ihm nicht allein der Operationserfolg in der Nacht des 3. Dezembers. Zum anderen ver­ schwieg man über viele Jahre hinweg aufgrund der Apartheid in der Öffent­ lichkeit gezielt die Leistung des farbi­ gen Südafrikaners Hamilton Naki.

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Foto: Heart of Cape Town Museum Groote Schuur Hospital

Ein Bild und seine


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