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Rund um Energie III Umwelt III Wirtschaft III Nachhaltigkeit APRIL 2016

BEHERRSCHEN UND BEWAHREN Das Spiel mit den Elementen Feuer und Wasser, Luft und Erde geht weiter. BAUERNSCHLÄUE nutzt der ÖKOWELLE Seite 10 EXPORTSCHLAGER Energiewende Seite 24

EINE BEILAGE IN DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG

HOLZHÄUSER nicht von Pappe Seite 34


THEMA

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INH A LT

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30 24 Spektrum Meinung Thema

N E W S Z U E N E R G I E U N D N A C H H A LT I G K E I T

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E N D L I C H R U N T E R VO M T R A M P E L P FA D

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B I O L A N DW I RT S C H A F T K O M M T W I E D E R I N S C H W U N G

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FA S H I O N K A N N A U C H FA I R S E I N

Bauen mit Holz Kolumne

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N AC H H A LT I G R E I S E N – G E H T D A S Ü B E R H A U P T N O C H ?

Exportschlager

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20 24 30

IN DER ÖKOBILANZ UNSCHLAGBAR

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V E G A N – H Ö RT B E I M E S S E N D I E F R E U N D S C H A F T A U F ?

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Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel zertifiziert.

IMPRESSUM III Herausgeber: Süddeutscher Verlag onpact GmbH III Geschäftsführer: Christian Meitinger III Redaktions­leitung: Hartmut E. Rätsch III Redaktion: Katrin Lange, Gunda Achterhold, Egbert Scheunemann (Lektorat) III Gestaltung: Kathrin Schemel III Titelillustration: Elke Ehninger III Anzeigen und Advertorials: Christian Meitinger, Anschrift wie Verlag, Telefon 089/2183-7215, Fax -7201, anzeigen@sv-onpact.de III Verlag: Süddeutscher Verlag onpact GmbH, Hultschinerstr. 8, 81677 München III Herstellung: Nathalie Häuser III Litho: Compumedia GmbH, 80687 München III Druck: Stark Druck GmbH + Co. KG, Im Altgefäll 9, 75181 Pforzheim Das Magazin wird der Gesamtauflage der Süddeutschen Zeitung beigelegt.

LN4

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SPEKTRUM

Plastikmüll

OCEAN CLEANUP

Dieses Modell zeigt, wie Ocean Cleanup den Plastikmüll in den Weltmeeren einsammeln soll.

Elektromobilität

IMMER MEHR STROMER UNTERWEGS Langsam nimmt die Elektromobilität an Fahrt auf – zumindest international. Laut einer Analyse des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZWS) hat sich die Zahl der Elektroautos zwischen 2014 und 2015 von knapp 750.000 auf 1,3 Millionen fast ver4

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doppelt. Mit 207.000 Neufahrzeugen verzeichnet China das größte Wachstum. Die meisten E-Autos insgesamt gibt es in den USA mit rund 410.000 E-Fahrzeugen. In Deutschland liegt der Anteil der Stromer am Gesamtfuhrpark mit 55.250 Autos bei 0,12 Prozent.

Fotos: Ocean Cleanup; Illustrationen: Shedevrator/istockphoto, marnikus/istockphoto

Vor fünf Jahren hatte der 16-jährige Niederländer Boyan Slat die Idee, Plastikmüll einfach mit einer Art riesigem Filter aus unseren Ozeanen zu fischen – und zwar genau dort, wo Meeresströmungen den Müll zu gigantischen Strudeln zusammentragen. Dank eines sehr erfolgreichen Crowdfundings konnte der Teenager seine Idee vom „Ocean Cleanup“ weiterverfolgen. Doch Kritiker warnten, dass die geplante, rund 100 Kilometer lange und in großer Tiefe verankerte Anlage nicht realisierbar sei und mehr schaden als nützen würde. Slat zog sich zurück, forschte weiter, sammelte mehr Geld und holte sich Experten ins Team. Nun soll im Juni ein 100 Meter langer Prototyp vor der niederländischen Küste beweisen, dass Ocean Cleanup funktioniert. Eine zwei Kilometer lange Anlage wird voraussichtlich im nächsten Jahr bei Japan installiert. Es wäre schön, wenn Slat recht hat. Dann würde Ocean Cleanup zum Beispiel innerhalb von zehn Jahren 42 Prozent des pazifischen Plastik-Strudels reinigen können. Der soll ungefähr die gleiche Fläche haben wie Mitteleuropa, insgesamt treiben nach Schätzungen der UNEP 142 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen.


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Milliarden Euro Außenhandelsbilanzüberschuss hat Deutschland im vergangenen Jahr beim Stromexport erzielt. Diese Summe übertrifft den bisherigen Rekordwert von 1,94 Milliarden Euro im Jahr 2013 und zeigt, dass Deutschland seinen überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien nicht verschenken muss. Im Durchschnitt werden damit die gleichen Marktpreise erzielt wie beim Stromimport nach Deutschland.

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Raus aus der Nische

NATURKOSMETIK IM AUFWIND Über ein Umsatzplus von rund 10 Prozent für 2015 kann sich die Branche der Naturkosmetik freuen, der Gesamtumsatz für das vergangene Jahr liegt bei einer Milliarde Euro. Damit wachsen Kosmetikfirmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, schneller als ihre konventionellen Konkurrenten und haben einen Marktanteil von knapp 9 Prozent erreicht. Eine schöne Entwicklung, allerdings mit einem kleinen Haken: Auch Naturkosmetik wird meist in Plastik verpackt und lässt somit den Müllberg wachsen.

TEURE BRAUNKOHLE

Quelle: UBA 2012a; UBA 2012b umgerechnet in Preise 2014

Braunkohlestrom würde pro Kilowattstunde um 9,9 Cent teurer, wenn im Preis auch die gesellschaftlichen Kosten berücksichtig würden. Laut einer Studie von Greenpeace belaufen sich die Schäden, die durch Braunkohleförderung und -verstromung in Deutschland pro Jahr entstehen, auf mindestens 15 Milliarden Euro.

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Externe Kosten der Stromerzeugung in Ct/kWh

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Schäden durch Luftschadstoffe

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SPEKTRUM

Sicherer Bunker für Pflanzensamen in Spitzbergen.

Arche für Pflanzen

SELTENE SAMEN Im ewigen Eis Spitzbergens be­ findet sich der Global Seed Vault. Darin gebunkert werden momentan rund 865.000 Samenproben von mehr als 5.000 Pflanzenarten aus aller Welt. Platz ist für bis zu 4,5 Millionen Arten. Mit dieser Anlage soll die Vielfalt an Saatgut erhalten und die Ernährung der Weltbevölkerung gesichert werden. Geschützt werden musste zum Beispiel jener Fun-

dus an Samen, der bisher im syrischen Aleppo aufbewahrt wurde. Wegen des Krieges wurden 325 Kisten mit Saatgut ins ferne Spitzbergen gebracht. Ein Teil dieser Sammlung ist mittlerweile wieder im Nahen Osten oder Nordafrika: Im Libanon und in Marokko haben Wissenschaftler neue Samenbanken eingerichtet. Zudem werden sie die besonders dürreresistenten Proben von Gerste,

Weizen und Kichererbsen aussäen und vervielfältigen. So kann auch die Sammlung im Global Seed Vault wieder vervollständigt werden. Für jeden interessierten Kleingärtner zugänglich ist hingegen die Samenbank von alten und seltenen Gemüsesorten, die der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt anbietet. Zu bestellen unter www.nutzpflanzenvielfalt.de

Kleine Solarpanels für Camping und Reisen gibt es schon länger. Nun haben Studenten des Faches Erneuerbare Energien an der Universität Stuttgart ein Windrad für den mobilen Einsatz entwickelt. Ihr Modell lässt sich zusammenklappen und hat dann ein Packmaß von nur 75 Zentimetern Länge und 18 Zentimetern Durchmesser. Turm und die Rotorblätter lassen sich wie ein Regenschirm teleskopartig auf- und zuspannen. Die sogenannte Wurfwindturbine liefert eine Leistung von 25 Watt, sodass sich damit mehrere Akkus gleichzeitig aufladen lassen.

Grenzwertig

KEINE ENTWARNUNG BEIM FEINSTAUB 2015 war für Deutschland in Sachen Feinstaub ein wenig belastetes Jahr. Extreme Wetterlagen, die Feinstaub begünstigen, waren selten, und deshalb wurde der EU-Grenzwert nur an zwei Messstationen in Stuttgart und Berlin überschritten. Dieser Grenzwert besagt, dass die Tagesmittelwerte nicht öfter als 35 Mal im Jahr über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter 6

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Luft liegen dürfen. Da eingeatmeter Feinstaub sehr gesundheitsschädlich ist und weltweit für 3,3 Millionen Todesopfer pro Jahr verantwortlich ist, empfiehlt die WHO allerdings, dass die 50 Mikrogramm nicht öfter als drei Mal im Jahr überschritten werden sollten. Diese Anforderung konnten selbst 2015 nur 23 Prozent der deutschen Messstationen erfüllen.

Foto: Global Crop Diversity Trust, Team Wurfwindfänger Universität Stuttgart

WINDSTROM FÜR UNTERWEGS


THEMA

Plus an Effizienz

Plus an Klimaschutz

Das Plus technologieoffener Energiepolitik: Mehr Modernisierungen im Gebäudebestand Schnelles Erreichen der Energieeinsparziele braucht Vielfalt Deutschlands Gebäudebestand ist so vielfältig wie seine Bewohner. Die Möglichkeiten und Lösungen zum Energiesparen und für mehr Klimaschutz sind individuell verschieden. Es gilt jetzt, die Einsparpotenziale bei allen Energieträgern mit vorhandenen Technologien zu nutzen. Nur so kann Energieeffizienz maximiert und zugleich Sozialverträglichkeit gewährleistet werden. Bereits auf gutem Weg: Der Heizölverbrauch der rund 5,6 Millionen Ölheizungen in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert – insbesondere durch modernisierte Heiztechnik. Die Einführung des schwefelarmen Heizöls war dabei eine wesentliche Voraussetzung zur Nutzung der besonders effizienten Öl-Brennwerttechnik. Zudem wird heute schon mehr als jede zweite Ölheizung mit Erneuerbaren Energien kombiniert. Mit Zukunftsoptionen wie Power-toHeat könnte dieser Anteil zusätzlich steigen. Modernisieren Sie jetzt: Ihre Meinung zum Heizen mit Öl plus Erneuerbare Energien! www.zukunftsheizen.de/standpunkte

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MEINUNG

ENDLICH RUNTER VOM TRAMPELPFAD Der Umgang mit Luft und Wasser, Erde und Feuer fordert unser Können und unsere Intelligenz heraus. Heute müssen wir die Klimakatastrophe verhindern – und nicht erst übermorgen. VON HARTMUT E. RÄTSCH

G

estehen wir es uns doch ein: Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen Welt sind unsere Gewohnheiten. Benzin ist gerade billig, also nehmen wir zum Brötchenholen das Auto. Wenn es abends kühler wird, drehen wir die Heizung höher, statt einen Pullover überzuziehen. Im Supermarkt lassen wir uns gerne von Sonderangeboten verführen, ohne auf die Recyclingfähigkeit der Verpackung oder Herkunft des Inhalts zu achten. Ja, eigentlich wollen wir an die Umwelt denken, die Ärmsten nicht ausbeuten und möglichst CO2-neutral leben. Aber zu jeder Zeit, an jedem Ort? IRGENDWIE STECKEN WIR in einem Dilemma: Ohne uns Verbraucher und unsere Kaufentscheidungen wird sich der Markt nicht hin zu mehr Nachhaltigkeit ändern, das haben wir gelernt. Andererseits können wir die Produktionsbedingungen und Wege unserer Waren nur bedingt nachverfolgen. Vertrauen in Institutionen, in staatliche Kontrollen sowie in Unternehmen ist also wesentlich. Doch gerade der Abgasskandal bei dem Vorzeigeunternehmen VW hat dieses Vertrauen zutiefst erschüttert. Umweltbewusstsein nur ein Marketingtrick? Und so manche politische Entscheidung legt den Verdacht nahe, dass kurzfristige Unternehmensinteressen höher eingestuft werden als Umweltschutz. Also weiter auf dem Trampelpfad der Gewohnheiten? 8

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ES HAT GEDAUERT, bis die Staaten­ gemeinschaft sich eingestand, dass Energie­ erzeugung und Klima, Ernährung und Wasserknappheit, Wohlstand und Armut irgendwie zusammenhängen. Der Klimagipfel im Dezember in Paris war der 21. UN-Klimagipfel, er kreiste lange und gebar schließlich eine Zahl: 2 Grad. Nicht gerade überraschend. Die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, besser nur auf 1,5 Grad, haben Forscher bereits vor über vierzig Jahren gefordert. Erstmals der Ökonom William D. Nordhaus im Jahr 1975. Dies zeigt, wie schwerfällig die Einsicht unter Politikern wächst. Die deutsche Kanzlerin und Physi­ kerin warb in Paris eindringlich für eine weltweite „Dekarbonisierung“. Weg von Kohle, Öl und Erdgas, hin zu erneuerbaren Energien. Und tatsächlich: Erstmals hat die Staatengemeinschaft ein gemeinsames Ziel verkündet.

DAS HIGHTECH-LAND DEUTSCHLAND KÖNNTE VORREITER SEIN, WENN DIE RAHMENBEDINGUNGEN GESCHAFFEN WERDEN WÜRDEN.

Die globalen Netto-Treibhausgasemissionen sollen auf null reduziert werden. Allerdings erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Und der Begriff „Dekarbonisierung“ taucht in der ohnehin weichen Erklärung nicht auf. Dauert es also weitere vierzig Jahre, bis konkrete Maßnahmen greifen? SORRY, liebe Russen, liebe Inder, Chinesen und ihr Amerikaner: Um mehr als diese zwei Grad darf sich die Welt nicht erwärmen, wenn die Menschheit überleben will. So deutlich muss es gesagt werden. Denn die Folgen werden nicht nur an der Wetterkarte abzulesen sein, sondern auch an den Landesgrenzen. UN-Institutionen warnen: Kriege um Wasser, um fruchtbares Land und Besitzstände werden ungeheuerliche Flüchtlingsströme auslösen. Die Ausbeutung von Ressourcen, die Umweltzerstörung und der Klimawandel verschlechtern die Lebensbedingungen vieler Menschen im nördlichen Afrika schon seit Jahren. DAS GEFÄHRLICHE IST: Der Klimawandel kommt nicht plötzlich wie ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch. Die Erderwärmung ist schleichend. Noch diskutieren wir, ob der ach so milde letzte Winter vielleicht der Beginn des Klimawandels sei. Doch die Brunnen versiegen bereits endgültig dort, wo es schon immer Dürreperioden gab. Das Kohlenstoff­ dioxid, CO2, in der Atmosphäre nimmt zu, ohne dass wir es riechen, die Eiskruste an den Polen schmilzt und die Felder versalzen in


MEINUNG

land (52,2 Prozent), Finnland (51,9 Prozent) oder Estland (45,2 Prozent), sind bei der Wärmewende deutlich weiter.

Gegenden, wo Bauern schon immer mit Müh und Not dem Boden etwas Nahrung abringen mussten. Aber es geschieht. Die Saat verweht, der Boden erodiert, die Gletscher schmelzen, Getreidehalme faulen in stehendem Wasser. Steigende Meeresspiegel rauben Lebensraum. Menschen verhungern, sterben, verdorren in der sich ausbreitenden Wüste oder ertrinken erbärmlich in Fluten unkontrolliert steigender Flüsse.

GLÜCKLICHERWEISE beschert uns jeder warme Winter einen Rückgang bei den CO2Emissionen. 2014 um 4,6 Prozent. Beruhigen sollte uns das jedoch nicht. Wie wenig sich in unseren Köpfen wirklich bewegt, belegen andere Zahlen. Nach den Berechnungen des Umweltbundesamtes zogen die Emissionen in den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft an. Im Verkehrssektor seien die Treibhausgasemissionen um 1,2 Prozent auf 161 Millionen Tonnen CO2 gestiegen. Dies liege am zunehmenden Straßenverkehr. Seit 2005 habe es im Verkehrsbereich kaum Fortschritte bei der Klimabilanz gegeben.

Fotos: Edstock/istockphoto, no_limit_pictures/istockphoto

ES REICHT ein kurzer Blick in die Statistik: Das Jahr 2015 war das wärmste seit Beginn der Messungen 1880. Ohne Ausnahme liegen die globalen Temperaturen seit den 1980erJahren stets über dem Durchschnitt der Vorjahre. In vielen Weltregionen erleben die Menschen Jahrhundertstürme, Jahrhundertdürren, Jahrhundertfluten in immer kürzeren Abständen. Diese Situation dürfte wohl jedem grundsätzlich bekannt sein. Aufgrund der Komplexität ist es anscheinend schwer, schnelle Maßnahmen zu ergreifen. FAST MAG MAN GLAUBEN, dass mit dem schöngeredeten Ergebnis des Klimagipfels eine Erwartungsstarre eingetreten ist. Geschafft, abgehakt, und jetzt sind die anderen am Zug. Unsere Anstrengungen waren doch schon groß genug. Rund 26.000 Windräder drehen sich in Deutschland – genug! Der Ökostromanteil klettert auf 34 Prozent – spitze! Schon treten wieder die Mahner auf die Bühne, die einen wirtschaftlichen Zusammen­ bruch vorhersagen, wenn Energiekonzerne, Automobilunternehmen und die Großindustrie zu rasant zum Umsteigen gezwungen werden. Auch der Marktwert von energieintensiven Unternehmen würde deutlich fallen, wenn eine überhastete Klimapolitik zu einer Reduktion der weltweiten Nachfrage nach CO2-intensiven Produkten und damit zu fallenden Renditen führt. Die Natur hatte schon immer eine schwache Lobby. DABEI HABEN gerade in Deutschland besonders mittelständische Unternehmen und Forschungsinstitute mit ihrem Know-how enorme Fortschritte in Sachen Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Energiewende gemacht. Vieles geschieht, ohne große Schlagzeilen zu produzieren. Vielleicht mangelt es deswegen an ausreichend Unterstützung aus der Politik. Das Hightech-Land Deutschland

DER KLIMAWANDEL ist schon da: Jahrhundertdürren und Jahrhundertfluten folgen in immer schnelleren Abständen aufeinander.

könnte tatsächlich Vorreiter sein, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden würden. Doch Deutschland steht in Europa keines­ falls an der Spitze, wie Politiker hierzulande oft glauben machen wollen. Nach den Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat liegt die Bundesrepublik bei der Nutzung von erneuerbaren Energien im Mittelmaß. Besonders im Bereich Heizen und Kühlen hapert es. Nur sechs von 28 EU-Staaten haben schlechtere Werte als die Bundesrepublik. 12,2 Prozent betrug hierzulande der Anteil der Erneuerbaren 2014 in diesem Sektor. Andere Länder, etwa Schweden (68,1 Prozent), Lett-

AUCH IN DER LANDWIRTSCHAFT stagnierten demnach die Bemühungen um Klimaschutz. Dort seien die Emissionen 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent auf insgesamt 66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gestiegen. Das Wachstum der Weltwirtschaft erzeugt eine steigende Nachfrage nach Energie. Im Jahr 2035 benötige die Welt 34 Prozent mehr Energie als heute. Auch in zwanzig Jahren werden hauptsächlich fossile Energien diese Nachfrage stillen – ihr Anteil läge im Jahr 2035 bei 80 Prozent. Diese Prognose hat der Mineralölkonzern BP im Februar 2016 in seinem Energy Outlook veröffentlicht. Bis 2035 wird ein Anstieg der Weltbevölkerung auf fast 8,8 Milliarden Menschen erwartet. Damit werden 1,5 Milliarden mehr Menschen Energie benötigen als heute. Auch wenn Europa stärker auf erneuerbare Energien setzen werde, würden laut BP rund 20 Prozent mehr CO2 ausgestoßen als heute. China und Indien wollen ihr Stück vom Wirtschaftswachstum abhaben – und setzen besonders auf Öl. Wer sagt ihnen, dass sie sich auf einem Irrweg befinden, wenn wir zaudern und zagen? DIE AUFGABE bleibt also bestehen: Die Grundlagen des Lebens, Luft, Erde und Wasser, benutzen und bewahren! Dazu muss jeder Einzelne sein Handeln überdenken und alte Gewohnheiten aufgeben. Doch vor allem Politik und Wirtschaft müssen konsequent neue Wege gehen – endlich runter vom Trampelpfad der alten Gewohnheiten. 1/2016 LUX 360° 9


LANDWIRTSCHAFT

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LANDWIRTSCHAFT

BIOMILCH LÄUFT GUT Die Branche ist optimistisch, dass wieder mehr Schwung in die Biolandwirtschaft kommt. Derzeit liegt die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutschland nur bei 6,4 Prozent. Aber der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um 11 Prozent.

Fotos: Thorsten Futh/laif

VON CLAUDIA BIEHAHN

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LANDWIRTSCHAFT

ALLES ÖKO: Vom Biobauern in die Kiste und dann direkt zu den Verbrauchern in die Stadt. GLÜCKLICHE HÜHNER: Der Bauer hat ein Maisfeld gepflanzt, in dem die Hühner Schutz vor Greifvögeln suchen können.

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LANDWIRTSCHAFT

DIE KONVENTIONELLE LANDWIRTSCHAFT LEIDET UNTER DEM PREISVERFALL.

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Fotos: Thorsten Futh/laif; Christian O. Bruch/laif,

m Jahr 2009 reichte es Josef Westenrieder. 25 Cent bekam er damals noch für einen Liter Milch von seiner Molkerei. Um allein die Betriebskosten zu decken, hätte der Milchbauer aus Obersöchering im Landkreis Weilheim-Schongau 35 Cent gebraucht. „Bis dahin hab ich das gemacht, was ich in der Landwirtschaftsschule gelernt habe: Produktion erhöhen, wachsen, wachsen, wachsen“, sagt der 51-Jährige. Seine Kühe standen das ganze Jahr im Stall, bekamen Silagefutter und dazu jährlich rund 75 Tonnen Milchleistungsfutter.“ 9.000 Liter Milch schaffte eine Kuh pro Jahr. „Doch meine Tiere haben den Druck nicht mehr ausgehalten“, sagt Westenrieder. Immer mehr Kühe aus der 40-köpfigen Herde bekamen Klauenkrankheiten, ein häufiges Problem bei Silagefütterung. „Meine Frau hatte schon lange gedrängt, nicht mehr so weiterzumachen. 2009 war ich dann auch so weit.“ Die Familie, die den Hof in vierter Generation mit Sohn Andreas bewirtschaftet, sah sich nach Alternativen um und fand sie in der BioHeumilchproduktion. Sieben Monate im Jahr fressen die Tiere jetzt frisches Gras auf der Weide, den Rest des Jahres bekommen sie im Stall selbst geerntetes Heu. Auf vergorenes Futter (Silage) verzichten die Westenrieders ganz. Dafür bekommen sie nicht nur den wesentlich höheren Biopreis, sondern auch noch einen Aufschlag für das Prädikat Heumilch. Zwar geben die Tiere nun fast 30 Prozent weniger Milch, aber mit 52 Cent pro Liter erhält die Landwirtsfamilie fast das Doppelte dessen, was ihre konventionell arbeitenden Kollegen bekommen. HÖHERE WERTSCHÖPFUNG statt höhere Produktion ist jetzt die Devise. Deshalb beschloss die Familie 2011, auch noch in eine JoghurtMolkerei zu investieren. Ein Teil der erzeugten Heumilch wird auf dem Hof zu Joghurt und Käse weiterverarbeitet. Unter der Hausmarke Hofmolkerei „Zum Marx“ gibt es die Produkte im eigenen Hofladen, in Bioläden und unter der Regionalmarke „Unser Land“ in den Filialen der großen Lebensmittelhändler Edeka, Rewe und Tengelmann. „Der Absatz läuft prima“, sagt Josef Westenrieder. So gut wie den Westenrieders geht es derzeit auch den anderen Biomilchproduzenten in Deutschland. Biomilch und -milchprodukte verkaufen sich bestens. Vor allem die Molkereien können gar nicht so viel Biomilch einkaufen, wie sie verkaufen könnten. Aber nicht nur die Milch boomt. Nach Angaben des Branchenverbandes BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) wurden 2015 ökologisch erzeugte Waren im Wert von 8,62 Milliarden Euro verkauft, ein Plus von rund 11 Prozent. Das ist nochmal einiges mehr als in den Jahren zuvor und erstmals seit Jahren bleibt auch mehr davon bei den Betrieben hängen. „Ökologisch wirtschaftende Betriebe standen im letzten Wirtschaftsjahr wieder finanziell besser da als vergleichbare konventionelle Betriebe“, sagt Jürn Sanders vom bundeseigenen Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig. „Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer“, meint der Agrarwirtschaftler, „aber die Stimmung unter den Bio-

landwirten ist eine gänzlich andere als vor ein paar Jahren. Das Interesse der Landwirte am ökologischen Landbau ist spürbar gestiegen.“ DAS KANN JAN PLAGGE, Präsident des größten deutschen Erzeugerverbandes Bioland, nur bestätigen. Vorbei sei die Zeit, als von zehn Umsteigern auf Bio vier wieder ausgestiegen sind, weil der Handel mit Bio zwar boomt, aber die Produktion sich für deutsche Erzeuger nicht rechnet. „Wir haben so gut wie keine Rückumstellungen mehr“, sagt der Verbandschef. „Stattdessen sind unsere Umstellungsveranstaltungen rappelvoll. Wir sehen eine Trendwende.“ Viele wichtige Faktoren für die Biolandwirtschaft hätten sich erheblich verbessert: Während die konventionell arbeitende Bauernschaft massiv unter drastisch eingebrochenen Preisen leidet, weil es die Milchquote nicht mehr gibt

CO 2-BILANZ VON BIOPRODUKTEN AUS FERNEN LÄNDERN Auf besonders nachhaltige Weise erzeugte Produkte aus Übersee können eine akzeptable Energiebilanz haben, wenn auf aufwendige Lagerung verzichtet und mit dem Schiff transportiert wurde. Da sich die Transportweise schlecht nachvollziehen lässt und Lebensmittelhygiene außerhalb der Europäischen Union weniger reguliert ist, sind die beste Wahl Lebensmittel, die sich durch drei Eigenschaften auf einmal auszeichnen: bio, regional und saisonal. Manchmal ist es gar nicht so einfach, solche Produkte zu finden. Achten Sie dann darauf, dass mindestens einer der drei Aspekte erfüllt ist. Saisonkalender geben Auskunft darüber, welches Obst und Gemüse wann Saison hat. Beispiele: Tomaten

CO2 in g/kg

Konventioneller Anbau im Treibhaus

9.300

Bioanbau im Treibhaus außerhalb der Saison (auch regional)

9.200 600

Freilandtomaten aus Spanien Konventioneller Anbau (saisonal, regional)

85 nur 35

Ökoanbau (saisonal, regional) Auszug aus dem Ratgeber „Der Nachhaltige Warenkorb“, herausgegeben vom Rat für Nachhaltige Entwicklung

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LANDWIRTSCHAFT

WAS UNTERSCHEIDET NATURLAND ODER DEMETER VOM EU-ÖKOSTANDARD?

Ein großer Unterschied zwischen EU-Bio und Verbands-Bio ist, dass alle Bioanbauverbände die gesamte Umstellung eines Betriebes fordern. Die EUÖkoverordnung erlaubt dagegen ein Nebeneinander von konventioneller und ökologischer Herstellung oder Verarbeitung auf einem Hof. Die EU-Ökoverordnung ist auch in vielerlei anderer Hinsicht großzügiger als die Verbandsrichtlinien, vor allem bei der Tierhaltung (die trotzdem eine viel artgerechtere ist als die konventionelle): Sie erlaubt zum Beispiel bei fleischfressenden Tierarten die Fütterung mit Fischmehl, bei allen Anbauverbänden ist das verboten. Nach der EU-Ökoverordnung darf ganzjährig vergorenes Futter (Silage) gegeben werden und der maximale Tierbestand pro Hektar Betriebsfläche höher sein. Bis zu acht Stunden dürfen Tiere nach der EU-Verordnung zum Schlachten transportiert werden, bei Bioland, Naturland und Demeter sind die Transporte auf 200 Kilometern begrenzt. Amtlich zugelassene private Ökokontrollstellen überprüfen mindestens einmal jährlich den gesamten Betrieb. Zusätzlich finden unangekündigte Kontrollen statt. Die Anbauverbände lassen ihre Mitglieder zusätzlich auf die Einhaltung ihrer Richtlinien überprüfen.

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und die Exporte nach Russland und China weggebrochen sind, sind die Preise für Ökoprodukte stabil geblieben. Dazu haben die Bundesländer ihre Förderprämien für den arbeits- und kostenintensiveren ökologischen Landbau zum Teil erheblich erhöht und, so Plagge, „parteienübergreifend eine kontinuierliche Förderung zugesagt“, um dem 20-Prozent-Ziel wirklich näherzukommen. Seit Jahren dümpelt die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutschland bei etwas über 6 Prozent. Aktuell bewirtschaften rund 24.350 Biohöfe 6,4 Prozent der deutschen Ackerfläche. Der Biolandchef ist optimistisch, dass in diesem Jahr wieder mehr Schwung in die Zahlen kommt: „Wir erwarten im Jahr 2016 eine größere Umstellungswelle.“ PATRICK SCHWIENHEER hat 2013 auf Bio umgestellt. Der junge Landwirt betreibt einen 17 Hektar großen Gemüsehof im westfälischen Füchtorf. Seine Eltern haben den Hof im Städtedreieck Münster-Osnabrück-Bielefeld vor Jahrzehnten aufgebaut. Patrick Schwienheer investierte in ein modernes, großes Gewächshaus und dazu in Folientunnel, um ein Hektar an beheizbarer Fläche unter anderem für den Anbau von Wildkräutersalaten, verschiedenen Tomatensorten, Paprika, Gurken und anderen Gemüsesorten zur Verfügung zu haben. Erdhummeln bestäuben die Pflanzen, Unkraut wird per Hand beseitigt, der verwendete Mist stammt von einem biologischen Betrieb, gegen den Befall von Schädlingen werden Nützlinge eingesetzt, statt Insektizide zu spritzen. „Der Schritt war schon ein harter“, sagt der 32-Jährige. „Zwei Jahre lang hat man schon mehr Arbeit und mehr Kosten, aber noch nicht die höheren Einkünfte. Aber ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung. Es läuft prima. Ich sehe in Bio die Zukunft meines Hofes.“

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Foto: Nele Martensen/laif

Die EU-Ökoverordnung ist sozusagen das Grundgesetz für die Produktion und Verarbeitung, Kontrolle und Kennzeichnung ökologisch erzeugter Lebensmittel in der Europäischen Union. Die nationalen Biolandbauverbände, in denen etwas mehr als die Hälfte der deutschen Biobauern organisiert ist, haben daneben eigene Richtlinien. Sie gehen teilweise über die Anforderungen der EU-Ökoverordnung hinaus. Die strengsten Richtlinien hat sich der anthroposophische Demeter-Verband gegeben: Er verbietet zum Beispiel als einziger das Enthornen von Wiederkäuern. Bei Demeter dürfen in der Lebensmittelverarbeitung nur 22 Zusatzstoffe verwendet werden, die EU-Ökoverordnung erlaubt 47 – und in der konventionellen Lebensmittelproduktion sind es weit über 300.


LANDWIRTSCHAFT

KLASSE STATT MASSE: Kartoffelernte auf einem Biobauernhof in Niedersachsen.

DER ANTEIL DER ÖKOLOGISCH BEWIRTSCHAFTETEN FLÄCHEN SOLL AUF 20 PROZENT ANSTEIGEN.

Schwienheer verkauft einen Teil seiner Ware mit seinem kleinen Stamm von Angestellten auf sechs verschiedenen Wochenmärkten im Umland und im eigenen Hofladen. Das Gros geht aber über zwei Biogroßhändler an den Naturkostfachhandel und in die Gastronomie. Ohne den Kontakt zu den „Bündlern“ wäre die Vermarktung sehr schwer für ihn geworden, sagt Schwienheer. „Unser Hof ist zu weit entfernt von größeren Städten. Auch unser Hofladen läuft deshalb nicht besonders.“ Den Kontakt zu einem der Großhändler hat ihm das Pilotprojekt „bioregio-owl“ verschafft.

duzenten gehören einem der Erzeugerverbände wie Demeter oder Bioland an, andere nicht. „Wir haben Menschen zusammengebracht, die sich vorher nicht kannten“, sagt der Initiator und Projektleiter Markus Rippin. „Jetzt kooperieren sie eng.“ Der Agrarwissenschaftler ist besonders stolz darauf, dass durch das Projekt 20 konventionell arbeitende Betriebe zur Umstellung auf Bio bewogen wurden. „Das zeigt, dass es funktioniert, wenn es langfristige Bindungen gibt.“ Größte Abnehmer der Produkte sind die Unternehmensgruppen Edeka MindenHannover und Rewe Köln.

DAS MITTLERWEILE abgeschlossene Projekt hat im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung Bioerzeuger und Händler in Ostwestfalen miteinander bekannt gemacht, sie vernetzt und langfristige Lieferbeziehungen zwischen den Projektpartnern angebahnt. Rund 80 Betriebe haben sich in das Projekt integriert. Einige Biopro-

EIN WEG, DEN BUNDESWEIT immer mehr Bioerzeuger und Abnehmer gehen, denn er verbindet, was sowieso zusammengehören sollte: ökologische und regionale Herstellung. Immer mehr Menschen interessieren sich wieder für das, was sie essen, wollen selber sehen, wo die Nahrungsmittel herkommen, und sie wollen keine weite Anreise haben.

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Ohne Kastration und Versorgung ist das Elend vorprogrammiert!

DU UND DAS TIER Ausgabe 01/2016 46. Jahrgang ISSN 0341-5759

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MAGAZIN FĂœR ALLE FREUNDE DES TIERSCHUTZES

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ABSOLUTE FREIHEIT (LQ .DW]HQHOHQG"

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HAUSTIERREGISTER Die unglaubliche Geschichte eines Hundes VEGETARISMUS +ĂƒXÄ&#x; J LVW PHKU 7LHU GULQ DOV GUDXIVWHKW TIERISCH MOBIL QHXH $XWRV IÄ‘U GHQ SUDNWLVFKHQ 7LHUVFKXW]

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LUX 360° 1/2016 www.tierschutzbund.de

Der Preisdruck durch die Konkurrenz aus dem Ausland ist eines der Hauptprobleme fĂźr die deutsche Biolandwirtschaft. Es entsteht durch Anonymität, sagt Agrarwissenschaftler Rippin. „Man wird eben schnell ausgetauscht, wenn das Angebot nicht stimmt oder es woanders billiger zu bekommen ist.“ Bei der Vermarktung in einer Region entstĂźnden dagegen persĂśnliche Beziehungen zwischen den Geschäftspartnern. „Da kann man manche Situation retten, wenn man sich kennt und vertraut.“ Wenn die Ernte mengenmäĂ&#x;ig nicht so ausfällt wie geplant zum Beispiel. Oder wenn das Obst oder GemĂźse SchĂśnheitsfehler hat, was bei biologisch hergestellter Ware oft vorkommt. Sonst kann es passieren, dass die Ware beim Einzelhandel an der Rampe abgewiesen wird, weil sie nicht den Qualitätskriterien entspricht.  â€žICH BEKOMME OFT DIE KRISE, wenn ich sehe, was alles wieder zurĂźckgeschickt wird, weil irgendwo eine kleine Macke ist“, sagt Franz Westhues, GeschäftsfĂźhrer der Marktgenossenschaft Naturland, einer der Partner des Projektes. Die Marktgenossenschaft bĂźndelt die Erzeugnisse von rund 600 BiohĂśfen und liefert sie weiter an den Lebensmitteleinzelhandel und an Verarbeitungsbetriebe. „Wir brauchen auf der einen Seite mehr professionelle Erzeuger, auf der anderen Seite aber auch mehr Toleranz beim Handel – und bei den Kunden. Bio ist einfach schwieriger zu produzieren.“ Westhues fĂźhrt seit mehr als 30 Jahren selber einen Biohof. „Zu mir kommen Kunden auf den Hof, die sich darĂźber wundern, dass wir MĂśhren als Pferdefutter verkaufen, die sie noch fĂźr gut befinden. Dieselben Leute wĂźrden diese MĂśhren im Geschäft nicht kaufen.“ Westhues arbeitet seit Jahren gut mit Aldi-Nord zusammen und freut sich, Ăźber das Projekt „bioregio-owl“ auch mit Edeka MindenHannover einen Partner gefunden zu haben, der die Erzeuger unterstĂźtzt, „auch wenn die Dinge mal nicht so laufen“. Die andere Seite ist auch sehr zufrieden. „Wir haben mittlerweile so viele Biowaren aus Ostwestfalen, dass wir sie an andere Filialen abgeben kĂśnnen“, sagt Andreas Berg, Einkaufsleiter fĂźr Obst und GemĂźse bei Edeka Minden-Hannover. Nach dem Vorbild von „bioregio-owl“ versuche das Unternehmen jetzt, ein Netz mit Bioproduzenten in anderen Regionen des Vertriebsgebietes aufzubauen. Es reicht von Norderney bis Cottbus. „Da arbeiten wir uns jetzt durch“, sagt Berg.

Foto: Katja Hoffmann/laif

„Wir erleben derzeit eine beispiellose Renaissance des Regionalen“, sagte die ehemalige Verbraucherministerin Ilse Aigner schon vor drei Jahren. Im neuesten Ernährungsreport der Bundesregierung sprechen sich drei Viertel der Befragten dafĂźr aus, dass ihre Lebensmittel aus ihrer Region kommen. Das kann man von „Bio“ oft nicht sagen. Ein groĂ&#x;er Teil der Biowaren kommt aus dem Ausland, weil in Rumänien oder Polen billiger produziert werden kann und weil die deutschen Erzeuger mit dem Angebot nicht mehr hinterherkommen.


SONDERV ERÖFFENTLICHUNG FAT TORI A L A V I A LL A

NATÜRLICHE QUALITÄT FÜR VOLLEN GENUSS Genuss und Nachhaltigkeit? Hervorragender Wein und CO2-Neutralität? Traditionelle Rezepte und moderne Technik? Dass das keine Gegensätze sein müssen, beweist die Familie Lo Franco mit ihrer Fattoria La Vialla.

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ie Fattoria La Vialla besteht aus mehreren Landgütern und liegt am Rande der südöstlichen Toskana, zwischen Arezzo, Siena und Florenz. Begonnen hatte alles 1978, als die Eltern der heutigen Geschäftsführer Gianni, Antonio und Bandino Lo Franco das erste kleine Landgut restaurierten. Mit großer Hingabe und viel Liebe zum Detail haben sie im Laufe der Jahre insgesamt 18 benachbarte Landgüter behutsam wieder zu neuem Glanz verholfen. EBENSO LIEBEVOLL gingen sie bei der Bewirtschaftung ihrer Felder vor: Von Anfang an setzten sie auf biologische Anbaumethoden – ganz ohne Pestizide und andere Gifte. Daran hat sich bis heute nichts geändert: In der Zwischenzeit haben die drei Brüder die Fattoria in einen biologisch-dynamischen Betrieb auf Demeter-Niveau umgebaut. Die Schafe, die die Milch für den hauseigenen Pecorino liefern, genießen ihr freies Leben auf der Weide. Alle Weinsorten sind selbstverständlich biologisch, genauso wie die Tomaten, das andere Gemüse oder das exquisite kalt gepresste Olivenöl, das in der eigenen Presse produziert wird. Weite Transportwege werden vermieden: „Es ist extrem wichtig, dass jede Frucht erst dann gepflückt wird, wenn sie ihren natürlichen Reifezeitpunkt erreicht hat. Das geht aber nur, wenn die Weiterverarbeitung sofort und in der Nähe passiert“, erklärt Gianni Lo Franco. Auch bei der Energie- und Wasserversorgung der Fattoria La Vialla setzen die Lo

Die drei von der Fattoria La Vialla: Gianni, Bandino und Antonio Lo Franco

Francos ganz auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Eine Fotovoltaikanlage produziert so viel Strom, dass auf fossile Energien zur Stromerzeugung verzichtet werden kann. Der Barriquekeller und die Ölmühle wurden gut isoliert in die Erde eingebaut, sodass eine energieintensive Kühlung vermieden wird. Die Abwässer der Arbeitsräume werden von einer Pflanzenkläranlage gefiltert und wiedergewonnen. Um die Bewässerung der Pflanzen zu sichern, wird Regenwasser gesammelt und über ein komplexes Rohrsystem in drei Seen mit einer Kapazität von insgesamt etwa 100.000 Kubikmetern geleitet. AUF DER KLIMAKONFERENZ 2009 in Kopenhagen wurde La Vialla deshalb als gelungenes Beispiel für ökologisch-nachhaltige Landwirtschaft gelobt. Und 2014 zertifizierte

natureOffice die Fattoria offiziell als klima­ neutrales Unternehmen. Insgesamt nimmt die Fattoria La Vialla sogar mehr CO2 auf, als sie abgibt. Da versteht es sich von selbst, dass die biologischen Erzeugnisse so umweltfreundlich wie möglich zugestellt werden: Verpackt in FSC-zertifiziertem Recyclingpapier werden sie mit dem goGreen-Programm von DHL ausgeliefert. Das bedeutet, dass alle durch den Transport verursachten Emissionen zu 100 Prozent durch Investitionen in ökologische Projekte ausgeglichen werden. Kontakt: Fattoria La Vialla Via di Meliciano 26 52029 Castiglion Fibocchi Toscana – Italia Internet: www.lux.lavialla.it E-Mail: fattoria@lavialla.it 1/2016 LUX 360° 17


ENGAGIERT

GUT GEMACHT! LUX360° lässt M E N S C H E N erzählen, die mit ihrem Engagement für Umwelt und Nachhaltigkeit etwas erreicht haben – auf ganz unterschiedlichen Wegen. Von Gunda Achterhold

III B Ü R G E R B E T E I L I G U N G Wegweisende Strategien lassen sich in der Politik nur in kleinen Schritten umsetzen. Dazu ist allerdings eine vorausschauende Zielsetzung notwendig. Deswegen haben wir im vergangenen Jahr unsere strategischen Ziele im Stadtrat diskutiert – und auf das Jahr 2030 ausgerichtet. Auch die Auszeichnung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ist das Ergebnis eines langfristigen Prozesses. Ein Beispiel: Seit zwanzig Jahren tilgt die Stadt Kempten jährlich einen festen Betrag. Das Geld steht nicht zur Verfügung, da gibt es keine Diskussionen. So ist es uns gelungen, die Schulden um 80 Prozent zu reduzieren. Das geht nur mit einem Höchstmaß an Disziplin und einem gemeinsamen Verständnis über Fraktionsgrenzen hinweg. Das ist nicht immer leicht. Deshalb sehe ich meine Aufgabe als Oberbürgermeister auch darin, Vertreter verschiedener Interessensgruppen miteinander ins Gespräch zu bringen, zu moderieren, eventuelle Missverständnisse zu klären und möglichst viele Beteiligte mitzunehmen. Bei Entscheidungen über große Vorhaben, etwa in der Stadtgestaltung oder im Straßenbau, bindet die Stadt alle wich-

THOMAS KIECHLE Oberbürgermeister der Stadt Kempten im Allgäu, Gewinnerin des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2015 in der Kategorie „Städte mittlerer Größe“.

tigen Akteure ein, von der regionalen Wirtschaft bis hin zur interessierten Bürgerschaft. Beispielsweise haben wir direkt auf dem Wochenmarkt unseren „Markt der Meinungen“ platziert und die Passanten gefragt, wie sie sich die Neugestaltung des Stadtparks vorstellen. Für die Entwicklung eines neuen Mobilitätskonzeptes sind daraus feste Arbeitskreise entstanden, die das ganze Projekt begleiten. Wichtig ist, dass jeder gehört und verstanden wird. Aus diesen Runden leiten wir unsere Schritte ab. Bürger akzeptieren Beschlüsse, wenn sie merken, dass ihre Meinung ernst genommen wird. Für die Politik heißt das: langfristige Ziele setzen, aber die Bürgerinnen und Bürger einbinden und offen sein für ihre Anregungen.

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III I M G R Ü N E N G E L E G E N Am Anfang stand der Name. Alle Häuser unserer Hotelkooperation GreenLines sind landschaftlich reizvoll gelegen, an das Thema Nachhaltigkeit hatten wir bei der Gründung vor 15 Jahren gar nicht gedacht. Das hat sich geändert. Immer mehr Gäste erwarten von der Hotellerie einen schonenden

SUZANN HEINEMANN Gründerin und Geschäftsführerin der InfraCert GmbH in Berlin. 2001 gründete sie die Hotelkooperation GreenLine Hotels.

Umgang mit Umwelt und Ressourcen. Mit dem Siegel „GreenSign“ haben wir daher ein abgestuftes System entwickelt, das klare Aussagen trifft. Die Zertifizierung durch das InfraCert Institut erfolgt, je nach Engagement des Hotels, von „Level1“ bis hin zur Spitzenkategorie „Level5“. Die soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern überprüfen wir ebenso wie die Bereiche Umwelt, Einkauf, Transport und Qualitätsmanagement. Hotels, die über ein ausgefeiltes Nachhaltigkeitskonzept in allen Bereichen verfügen und eine entsprechend hohe Auszeichnung erhalten, sind natürlich Vorzeigehäuser. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass man überhaupt mal anfängt! Viele mittelständische Hoteliers beschäftigen sich mit dem Thema, ohne zu wissen, wo sie ansetzen sollen. Unser Katalog gibt ihnen einen Fahrplan an die Hand und hinterfragt das eigene unternehmerische Handeln: Wie viel Wasser verbrauchen wir, woher kommen die Lebensmittel, wie werden unsere Mitarbeiter geschult und wie sind denn eigentlich unsere Lieferanten in puncto Nachhaltigkeit aufgestellt? Umweltkonzepte haben nicht unbedingt etwas mit viel Geld zu tun. Uns geht es darum ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich auch mit vielen kleinen Schritten etwas bewegen lässt. Ich finde es wirklich spannend, was für eine Dynamik sich da entwickeln kann. Einer unserer Hoteliers, der anfangs recht skeptisch war, hat inzwischen ein Blockheizkraftwerk eingebaut, nutzt ein Fairphone und strebt an, im nächsten Jahr klimaneutral zu sein.


TO-DO-LISTE

III F I S C H L I F T Unsere Flüsse sind über weite Strecken mit Stauwehren und Wasserkraftwerken durchsetzt. Für wandernde Fische, die flussaufwärts ihren Laich absetzen oder nach Nahrung suchen, sind diese Hindernisse unüberwindlich. Es gibt Fischtreppen, die den Aufstieg erleichtern. Das funktioniert allerdings nur bei kleinen Höhenunterschieden. So kam mir die Idee: Wenn eine Treppe nicht geht, dann muss es ein Lift sein! In Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Hydro-Energie Roth GmbH haben wird einen Fahrstuhl für Fische entwickelt, der so wenig wie möglich ins ökologische System eingreift und Höhenunterschiede von über dreißig Metern überwindet. Über zwei Jahre hinweg wurde er am Karlsruher Institut für Technologie auf seine Funktion getestet, in den nächsten Monaten wird die Technologie im Essener Baldeneysee im großen Maßstab umgesetzt. Das Prinzip ist einfach: Durch eine Lockströmung werden Fische angelockt, die dann in den Transportkolben schwimmen. Der Zylinder wird mit Wasser gefüllt und steigt nach oben. Der Hubvorgang findet auf rein hydraulischem Weg statt, das Verfahren benötigt nur sehr wenig zusätzliche elektrische Energie. Die Tiere bekommen von dem Transport gar nichts mit. Seelenruhig verlassen sie den Lift und schwimmen weiter, das verfolgen wir über Kameras hier an unserer Pilotanlage. Man darf sich das Gehäuse nicht als einen sterilen Kasten vorstellen. Eher wie ein kleines Biotop mit Steinen und Moder, an denen sich Krebse und Muscheln ansiedeln. Von der Larve bis zur Fliege nisten sich in unserem Lift alle möglichen Lebewesen ein. Die werden GEORG BAUMANN

Fotos: Stadt Kempten, InfraCert, Hydrotec

Geschäftsführer der Hydrotec GmbH & Co. KG in Wangen im Allgäu, die für den Hydro-Fischlift mit dem Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt 2015 ausgezeichnet worden ist.

alle mit hoch und runter transportiert, bis sie den Lift irgendwann wieder verlassen. Die großen Fische fahren manchmal aus reiner Langeweile mit, für sie ist die Anlage auch eine Spielerei. Tagelang beobachten sie das Geschehen, lassen sich hinein- und wieder heraustreiben, immer zu derselben Tageszeit. Wir haben getestet, wie lange ein Fisch im Behälter bleibt, bis er die Lust verliert. Den Zeittakt haben wir dann entsprechend angepasst. Alle dreißig Minuten geht nun eine Fahrt hoch oder herunter, nach maximal einer Viertelstunde haben die Fische den Lift dann meistens wieder verlassen. Die Auszeichnung mit dem Deutschen Innovationspreis hat unserer Arbeit einen Schub gegeben: Wir sind gewachsen, haben gebaut, Personal aufgestockt – und mein Sohn steigt jetzt auch in die Firma ein. Bei all unseren Projekten, beispielsweise in der Wasserkraft, geht es immer auch um die Sicherheit und den Schutz von Tieren. Wir kommen aus dem landwirtschaftlichen Bereich und bringen von Haus aus eine besondere Nähe zur Natur und ihren Lebewesen mit. Unser Ziel ist es, Technik so zu gestalten, dass wir nicht in den natürlichen Lebensraum der Tiere eingreifen.

Es gibt viel zu tun LÄNGERES LEBEN FÜR PRODUKTE Obsoleszenz ist die (zu schnelle) Alterung von Produkten. In seiner aktuellen Studie zur Haltbarkeit von technischen Geräten hat das Öko-Institut festgestellt, dass es keine von den Herstellern geplanten Sollbruchstellen gibt. Allerdings führen mangelnde Qualität einzelner Komponenten, schlechte Reparierbarkeit und auch der Wunsch der Kunden nach immer neueren Geräten dazu, dass viel zu viele Elektrogeräte zu schnell im Müll landen. Das Öko-Institut fordert deshalb von den Herstellern ein langlebigeres Design, bessere Prüfmethoden, modulare Software, eine klare Deklaration von Verschleißteilen sowie eine verbesserte Reparaturfähigkeit der Produkte. ABSPECKEN BEIM AUTOK AUF Der heutige CO2-Ausstoß des Verkehrs in Deutschland liegt auf dem hohen Niveau von 1990. Grund dafür ist laut einer Analyse von BUND und Verkehrsclub Deutschland unter anderem, dass deutsche Autos immer schwerer werden und damit deutlich zu viel Benzin verbrauchen. Nur ein Teil der Gewichtszunahme geht auf verbesserte Sicherheit zurück, Hauptgründe sind Größenzuwachs, Komfortgewinn und stärkere Motoren. Besonders schwer ins Gewicht fallen SUVs. Sie steigerten ihren Anteil an Neuzulassungen in Deutschland auf 18,3 Prozent. Umweltbewusste Autofahrer sollten also beim nächsten Autokauf prüfen, ob es immer ein größeres Auto sein muss oder nicht auch ein „schlankeres“ Modell mit einer alternativen Antriebstechnik sein kann. PA L M Ö L P R O D U K T I O N Ü B E R P R Ü F E N Palmöl steckt in der Hälfte aller Supermarktprodukte. Ölpalmen produzieren viel effizienter als zum Beispiel Raps oder Sonnenblumen, ihr Öl ist billig und vielseitig einsetzbar. Die Schattenseite: Sie wachsen nur in tropischem Klima. Hauptexporteure sind Indonesien und Malaysia. Dort muss immer mehr Regenwald Ölpalmplantagen weichen. Für Konsumenten ist es nicht leicht, Palmölprodukte zu meiden. Sinnvoll ist es deshalb, auf einen nachhaltigen Anbau zu setzen und eine strengere Zertifizierung der Palmölproduktion durchzusetzen. Nach Informationen des WWFs nimmt die Zahl der Unternehmen zu, die das Problem erkannt haben und zertifiziertes Palmöl einsetzen. Nur deutsche Pharmaunternehmen und Futtermittelhersteller verweigerten bisher eine Auskunft.

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IM GESPRÄCH

BLINDTEXT: WUt reici volenectum quo te cus autem. Equosae porrovid utaturit harchictis ant quae. Nequi dus simus pernatu restis

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IM GESPRÄCH

Fragen an P ETRA TH OM AS, Geschäftsführerin des Dachverbandes für nachhaltigen Tourismus „forum anders reisen“, und D R. HARA LD Z E ISS, Nachhaltigkeitsmanager von TUI, dem größten Touristikunternehmen Europas.

„NACHHALTIG REISEN“ – GEHT DAS ÜBERHAUPT?

Fotos: Ilya Terentyev/istockphoto, forum anders reisen, TUI

Reiseanbieter haben es in der Hand, wie sich „sanfter Tourismus“ gestaltet. Shoppingtouren nach New York oder 7-Tage-Karibik-Trips versprechen zwar kurzweiligen Abstand vom Alltag, gehen aber zulasten der Umwelt. Was tun Sie, dass Tourismus nachhaltiger wird? PETRA THOMAS: Die Mitglieder des forums anders reisen haben einen eigenen Kriterienkatalog entwickelt, der detailliert beschreibt, wie ein nachhaltiges Reiseangebot aussieht. Ein Kapitel beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Mobilität und Emissionen. Überall da, wo keine Alternative zur Fluganreise besteht, wird eine Mindestaufenthaltsdauer festgelegt, um Entfernung und Aufenthalt in ein gutes Verhältnis zu bringen. Daneben setzen wir bewusst auf Information für den Kunden und bieten aktiv Kompensation an. DR. HARALD ZEISS: Seit 25 Jahren hat die TUI ein Umweltmanagement. Einen sanften Tourismus können wir zwar nicht anbieten,

aber als weltweit größter Reiseveranstalter haben wir einen enormen Hebel, um Reisen Stück für Stück nachhaltiger zu gestalten. Im Detail kann das jeder Interessierte in unserer Nachhaltigkeitsstrategie nachlesen, die sich bis 2020 ehrgeizige Ziele gesetzt hat: 10 Prozent weniger CO2-Emissionen, 10 Millionen grünere und fairere Reisen und 10 Millionen Euro für Nachhaltigkeitsprojekte. In vielen Ländern ist Tourismus zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Werden da nicht oft Umweltinteressen vernachlässigt? Können Sie als Reiseanbieter auch auf Entscheidungen vor Ort Einfluss nehmen?

 Bild linke Seite: ZWEIFELHAFTES VERGNÜGEN: Elefantenreiten in Thailand, Indien und Nepal. Um Elefanten soweit zu bringen, dass sie Menschen auf sich reiten lassen, muss ihr Wille gebrochen werden. Dazu werden die Tiere mit Metallhaken misshandelt und in engen Ställen an Ketten gelegt. Touristen bleibt das verborgen und mit nachhaltigem Reisen hat das nichts zu tun.

THOMAS: Unsere Veranstalter entwickeln partnerschaftlich mit den lokalen Leistungsträgern ihre Produkte, die sozialverträglich und zugleich wirtschaftlich fair für alle Beteiligten sind. Entscheidend ist dabei die gezielte Auswahl der Partner im Land, von den Unterkünften über Transporte bis hin zu Reiseleitern. 1/2016 LUX 360° 21


ITM H EGME AS P R Ä C H

Rücksicht auf die Umwelt bildet einen Teil der sozialen Nachhaltigkeit, da sie den Lebensraum von Menschen betrifft und damit ihre Lebensqualität – das kann man nicht trennen. ZEISS: Tourismus ist in der Tat ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, der je nach Land bis zu 25 Prozent des Bruttosozialprodukts betragen kann. Inwieweit Umweltinteressen vernachlässigt werden, hängt von den lokalen Strukturen und Gegebenheiten ab. Costa Rica beispielsweise setzt auf seine Umwelt und vermarktet den Regenwald als besonderes Reiseerlebnis. Andere Reiseländer haben da noch Potenzial. Es ist aber feststellbar, dass sich in den letzten 20 Jahren die Situation deutlich verbessert hat. Dies ist auch auf das Engagement der TUI vor Ort und den Einfluss auf Politiker, Entwicklungsplaner und Hotelmanager zurückzuführen. THOMAS: Die Umweltpolitik in den Destinationen selbst ist in der Tat sehr unterschiedlich. Doch unabhängig davon liegt die Verantwortung für das eigene Reiseangebot und seine Auswirkung auf Mensch und Umwelt beim Veranstalter. Auch in Ländern, in denen die Strukturen noch nicht per se vorhanden sind, muss er seinen Einfluss geltend machen und ökologische und soziale Aspekte im Produkt verankern. Die Wirksamkeit beginnt auch in kleinen Initiativen. ZEISS: Die Bewahrung einer intakten Umwelt ist ebenso Teil der TUI Nachhaltigkeitsstrategie wie ein langfristig orientiertes soziales Engagement. Wir konzentrieren uns dabei auf unterschiedliche Projekte, vom TUI Wald auf Mallorca in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium der Balearen bis hin zur Integration von jungen Frauen in die Branche, wie wir das in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (giz) in Tunesien durchgeführt haben. Derzeit unterstützen wir professionell ein privat geführtes Hotel in Kambodscha, das jungen Menschen eine Ausbildung und damit eine Perspektive im Tourismus bieten möchte. Wer mag, kann sich darüber nicht nur informieren, sondern sich vor Ort alles ansehen und auch übernachten. All-inclusive-Angebote in Ferienanlagen erscheinen vielen Urlaubern komfortabel. Allerdings sind sie für das Gastge22

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berland wenig gewinnbringend, oftmals sogar schädlich, da sie die einheimische Bevölkerung zu einem erheblichen Teil von den Einnahmen aus dem Tourismus abschneiden. Welche Lösungen sehen Sie? ZEISS: Die Aussage stimmt so nicht. Dazu gibt es genügend wissenschaftliche Studien, die das widerlegen. Richtig ist, dass jede Form des Tourismus zur Armutsminderung beiträgt und den Gastgebern Einnahmen bringt. All-inclusiveTouristen gehören genauso dazu wie Kreuzfahrer oder Rucksacktouristen. Mit 14 Tagen Urlaub im AI-Hotel in der Karibik hilft man der Bevölkerung mehr als dadurch, ein Leben lang Fairtrade-Kaffee zu trinken. Denn über Gehälter, Steuern sowie Ausgaben für Energie, Wasser und Lebensmittel bleibt sehr viel Geld im Land, und große Hotelketten zahlen regelmäßig höhere Gehälter als kleine Pensionen – an Zimmermädchen wie Manager, die damit wiederum ihre Familien unterstützen. THOMAS: Nicht jede Form von Tourismus trägt automatisch zur Armutsminderung bei. Niedrige Bezahlung, minderqualifizierte saisonale Arbeitsplätze und Catering aus dem Ausland bieten keine Perspektiven für das Land und tragen nur marginal zur lokalen Wertschöpfung bei. Beispielsweise Kleinbauern, Fischer und andere bestehende Gewerbe partizipieren nur, wenn gezielt lokale Strukturen wirtschaftlich gefördert werden. Wir bevorzugen inhabergeführte, private Unterkünfte statt internationale Hotelketten für die Reisen. Dadurch wird privatwirtschaftliches Unternehmertum ebenso gefördert wie gemeindebasierte Projekte. Ein möglichst großer Anteil des Reisepreises soll bei den Menschen im Land ankommen. Wichtig ist uns neben der wirtschaftlichen Partizipation die Mitbestimmung bei Entscheidungen und die Erhaltung lokaler Traditionen – sei es

WER EINEN Strandurlaub bucht, hat ein Recht auf Entspannung. Für eine nach­haltige Destination sollte der Veranstalter sorgen.

architektonisch oder kulinarisch. Damit möchten wir eine nachhaltige regionale Entwicklung unterstützen. Besonders im Massentourismus herrscht unter den Anbietern ein harter Preiskampf, der billigste gewinnt den Urlauber. Ist eine CO2-Abgabe oder ein anderes Steuerinstrument da sinnvoll? THOMAS: Es ist wichtig, Reisende über die Höhe der entstehenden Emissionen ihres Urlaubs aufzuklären – nur wenn sie die Klimawirkung der eigenen Reise kennen, können sie sich bewusst entscheiden. Bei jedem Kühlschrank oder Auto werden die Energiewerte für den Kunden ausgewiesen.

EINE CO2-ABGABE SOLLTE EBENSO SELBSTVERSTÄNDLICH WERDEN WIE EINE KURTAXE AN DEN STRÄNDEN VON NORD- UND OSTSEE.


IM GESPRÄCH

ZEISS: Fakt ist, dass CO2-Emissionen das Klima belasten und vermieden werden müssen. TUI Urlauber können bereits seit 2008 freiwillig die CO2-Emissionen ihrer Ferienflüge kompensieren – sowohl bei Buchungen über das Reisebüro als auch über das Internet. Die Kompensation erfolgt über den Kooperationspartner myclimate. Der Wett­ bewerb, egal ob im Massentourismus oder im Individualtourismus, hindert Anbieter an einer sogenannten „Einpreisung“ in den Gesamtreisepreis. Hier ist eine internationale Regulierung notwendig, die alle Lebens­ aspekte einbezieht – nicht nur den Tourismus. Dann gäbe es auch eine Chancengleichheit unter allen Reiseveranstaltern und eine Sensibilisierung der Verbraucher. THOMAS: Eine internationale Regulierung scheint nach dem Klimagipfel in Paris, bei dem sich Flug- und Schiffsverkehr am letzten Tag aus den Verträgen diskutiert haben, wieder in weiter Ferne. Privatwirtschaftliches und nationales politisches Engagement sind also weiterhin gefragt. Das forum anders reisen hat 2003 die Klimaschutzorganisation atmosfair gemeinsam mit Germanwatch und dem Bundesumweltministerium gegründet. Die Kompensation als Ausgleich wird seitdem aktiv von uns beworben. Etwa zwanzig der Mitglieder als Pioniere der Branche inkludieren die Klimaschutzab­gabe inzwischen zu 100 Prozent in ihre Reiseprogramme. ZEISS: Das finde ich gut. Wir haben uns dazu ebenfalls viele Gedanken gemacht und in den vergangenen Jahren diverse Projekte initiiert: klimaneutrale Hotelübernachtungen, klimaneutrale Dienstreisen, klimaneutrale Mietwagen. Allein in die Mietwagen von TUI Cars investieren wir seit Sommer 2013 jährlich sechsstellige Beträge zur Kompensation der CO2-Emissionen unserer Gäste. Nächstes Jahr werden wir das Projekt evaluieren und sehen, ob es finanzierbar bleibt. Und das geht nur, wenn es von den Gästen auch honoriert wird.

Der Reisende kann letztlich selbst entscheiden, welche Reise er macht und wie er sich im Gastgeberland verhält. Gibt es genügend Aufklärung – oder was raten Sie jedem Touristen vor Reiseantritt?

feld auseinanderzusetzen, denn das macht den Urlaub zu einer Reise. Ich habe aber Verständnis für Urlauber, die sich von ihrer Arbeit einfach nur erholen wollen und keine Bildungsreise buchen. Wer am Strand liegen, gut essen und sich entspannen möchte, dem sind Sonnenschein und Meer wichtiger als Begegnungen im fremden Land. Und das ist auch absolut in Ordnung.

THOMAS: In Zeiten digitaler Vernetzung sind umfangreiche Informationen gut zugänglich. Wir empfehlen, sich ebenso genau über die eigene Erwartung an den Urlaub klar zu werden, wie auch, sich über das Reiseland zu informieren. Unsere Mitglieder stellen zudem umfangreiche Materialien zusammen und liefern wichtige Hinweise zu kulturellen und ökologischen Besonderheiten, sodass der Reisende weiß, wie er sich vor Ort verhält, um soziale Fettnäpfchen zu vermeiden und der Umwelt nicht zu schaden.

THOMAS: Nachhaltiges Reisen und Entspannung am Urlaubsort schließen sich nicht aus – ganz im Gegenteil! Wellness, Yoga, Ayurvedakuren oder einfach nur Baden am Strand in einem umweltverträglichen Urlaubshotel mit regionaler biologischer Kost tragen in besonderem Maße zu Erholung, Naturgenuss und zur Qualität einer Reise bei.

ZEISS: Mein persönlicher Rat ist, sich mit dem Land, der Kultur und der Natur im Vor-

Wir danken für das Gespräch. Hartmut E. Rätsch

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Foto: BraunS/istockphoto

Das ist ein geübtes System. Eine CO2-Abgabe sollte ebenso selbstverständlich werden wie eine Kurtaxe an den Stränden von Nord- und Ostsee. Sie stellt einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz dar. Daneben sollten Preis und Leistung wieder in ein reales Verhältnis gesetzt werden. Fliegen ist zu preisgünstig verfügbar und verführt zu unbedachter Mobilität.


EXPORTSCHLAGER ENERGIETECHNIK

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EXPORTSCHLAGER ENERGIETECHNIK

Grüne Energietechnik „made in Germany“ ist ein Exportschlager. Deutsche Unternehmen machen im Ausland gute Geschäfte mit Technologien, die Energie sparen oder klimafreundlichen Strom liefern. Die heimische Energiewende gibt ihnen dabei Rückenwind. VON RALPH DIERMANN

SCHAUFENSTER FÜR DIE GANZE

WELT

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Illustration: Elke Ehninger

ie Region rund­um den Lake Naivasha ist der Ge­ müsegarten Kenias. Nicht weit von der Hauptstadt Nairobi entfernt wachsen hier auf Tausenden von Hektar Feldfrüchte wie Tomaten, Bohnen oder Ge­ müsemais sowie Schnittblumen. Dabei fällt eine Menge organischer Abfälle an. Seit dem vergangenen Jahr wird daraus Ökostrom – dank einer Technologie aus Niederbayern: Die Firma Snow Leopard Pro­ jects aus Reisbach bei Dingolfing hat dort eine Biogasanlage installiert, die täglich 120 Tonnen Reststoffe aus dem Gemüseanbau verwertet. Mit einer elektrischen Leistung von 2,4 Megawatt ist sie nach Angaben des Unternehmens Afrikas größte Anlage dieser Art. INNOVATIVE ENERGIETECHNIK aus Deutschland ist begehrt, in Entwicklungsländern genauso wie in Industrienationen. Kein Wun­ der: Viele Staaten orientieren sich in ihrem Kampf gegen den Klima­ wandel an der deutschen Energiewende. Weg von der Kohle, hin zu Wind, Sonne und Bioenergie, dazu mehr Energieeffizienz – der Um­ bau des heimischen Energiesystems ist ein Schaufenster für grüne Technologien „made in Germany“, auf das die Augen der ganzen Welt gerichtet sind. Damit gewinnen die Unternehmen einen wertvollen Wettbewerbsvorteil. „Die wirtschaftlichen Chancen der globalen Energiewende für die deutsche Wirtschaft sind riesig“, ist Claudia Kemfert vom Deutschen

Institut für Wirtschaftsforschung überzeugt. Bei den erneuerbaren Energien und auch den Effizienztechnologien ist die Bundesrepublik international führend, so die Expertin. „Besonders attraktiv ist die weltweite Energiewende aber genauso für den Kern der deutschen In­ dustrie, etwa für die Anlagenhersteller und den Maschinenbau“, sagt Kemfert. Siemens zum Beispiel macht heute bereits ein Milliarden­ geschäft mit dem Ausbau von Stromnetzen für erneuerbare Energien, unter anderem mit der Anbindung von Wasserkraftwerken in Kanada oder China. DER EXPORT GRÜNER ENERGIETECHNIK ist längst zu einer wichtigen Säule der heimischen Wirtschaft geworden. Allein mit der Ausfuhr von Windrädern, Solar- und Biogasanlagen sowie einzelner Komponenten und Produktionsmaschinen setzen deutsche Firmen jährlich mehr als zehn Milliarden Euro um. Das zeigt eine Studie meh­ rerer Forschungsinstitute für das Bundeswirtschaftsministerium. Das sichert rund 100.000 Arbeitsplätze. Der Auslandsumsatz wird bis 2040 auf fast vierzig Milliarden Euro steigen, erwarten die Wissenschaftler – vorausgesetzt, der globale Trend zu den erneuerbaren Energien hält an und die deutschen Firmen behaupten ihre starke Stellung auf dem Weltmarkt. Vom hohen internationalen Stellenwert heimischer Ingenieurs­ kunst profitieren jedoch längst nicht nur die großen, etablierten Kon­ zerne. Auch innovative Mittelständler, clevere Start-ups und engagierte Kleinunternehmen machen mit klimafreundlicher, effizienter Technik gute Geschäfte im Ausland. Wir stellen Ihnen einige von ihnen vor.

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 Spanner

GAS AUS DEM WALD

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er heute aus Holz Energie gewinnen will, tut im Grun­ de nichts anderes als der altsteinzeitliche Homo erec­ tus mit seinem Lagerfeuer – das Holz wird verbrannt, in ei­ nem Ofen zum Beispiel oder in einem Heizwerk. Dafür ist Holz aber viel zu schade, sagte sich vor zehn Jahren ein Tüft­ ler aus Niederbayern, und baute einen Holzvergaser. Darin wird die Biomasse nicht verbrannt, sondern verschwelt. Bei diesem Vorgang entsteht ein brennbares Gas, mit dem sich in einem Blockheizkraftwerk sehr effizient Strom und Wärme erzeugen lassen. Die Firma Spanner aus der Nähe von Lands­ hut, eigentlich ein Automobilzulieferer, hat die Technik dann zur Marktreife gebracht.

 Sto

SCHUTZ VOR KÄLTE UND HITZE

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ieso unterhält der Dämmstoffhersteller Sto aus dem Schwarzwald-Städtchen Stühlingen eine Niederlas­ sung im heißen Malaysia? Dämmstoffe in die Tropen verkau­ fen – ist das nicht so wie mit den Eskimos und den Kühl­ schränken? Weit gefehlt, meint Sto-Sprecher Jörg Klaus. „In heißen Ländern ist viel Energie nötig, um Räume kühl zu hal­ ten. Ein Dämmsystem sorgt dafür, dass Wärme gar nicht erst in das Gebäude gelangt.“ Daher sind die Produkte von Sto auch in den Regionen rund um den Äquator gefragt. Etwa im Mittleren Osten, wo Sto seit dem vergangenen Jahr ebenfalls eine Filiale betreibt. Diese Region gehört zu den wichtigsten Wachstumsmärkten des Unternehmens. DAS HAUPTGESCHÄFT macht Sto jedoch in Westeuropa. Insgesamt rund 55 Prozent des Umsatzes von 1,2 Milliarden Euro entfallen auf das Ausland. Mit wachsender Tendenz: Während der Umsatz in Deutschland zuletzt nur um knapp drei Prozent wuchs, legte er jenseits der Grenzen um 4,5 Prozent zu.

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Fotos: Spanner Re2, Sto SE, Braun Windturbinen

RUND 300 HOLZVERGASER wird Spanner in diesem Jahr verkaufen, die meisten an Landwirte, Sägewerke und Hotels. Gut zwei Drittel gehen ins Ausland, berichtet Thomas Bleul, der die Holzgas-Tochter von Spanner leitet. „Damit sind wir Weltmarktführer“, sagt Bleul. Er war gerade erst zu Gesprä­ chen mit Kunden in Hawaii. „Dort gibt es große, bislang kaum genutzte Holzressourcen – und der Strom ist teuer. Das sind ideale Bedingungen für unsere Produkte.“ Das Hauptge­ schäft macht Spanner jedoch in Europa, vor allem im Balti­ kum, Großbritannien, Italien und Österreich. „Wir Deutschen gelten im Ausland als Vorreiter bei den erneuerbaren Energi­ en. Das hilft uns im Exportgeschäft, keine Frage“, berichtet Bleul. „Genauso zehren wir aber vom guten Ruf, den deutsche Unternehmen generell bei technischen Produkten genießen.“


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 Braun Windturbinen

KLEIN, ABER OHO

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ie gehören zum klassischen Western wie die Bohnensup­ pe aus dem Blechnapf oder die Prügelei im Saloon: kleine klapprige Windräder, die sich im Präriewind drehen und die Farmer mit Energie versorgen. Mittlerweile ist aus diesen so­ genannten Kleinwindanlagen längst ein Hightechprodukt ge­ worden. Man sieht die Windräder mit ihren oft nur wenige Meter messenden Rotorblättern vor allem dort, wo das Stromnetz Lücken hat: in Kanada zum Beispiel, in Australien oder Südamerika. VIELE DIESER ANLAGEN stammen von der Firma Braun Windturbinen, einem Familienbetrieb aus dem Westerwald. „Wir verkaufen in die ganze Welt“, sagt Technikchef Rüdiger Braun. Am besten laufe derzeit das Geschäft mit Russland, un­ geachtet des politischen Zwistes. „Unsere Windräder werden dort mit Fotovoltaikanlagen zu Hybridsystemen gekoppelt, die ganze Dörfer in Regionen ohne Netzanschluss mit Strom ver­ sorgen“, berichtet Braun. Auch eine Reihe internationaler Tele­ kommunikationsanbieter gehört zu den Kunden. Sie erzeugen damit Energie für abgelegene Mobilfunkstationen.

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EXPORTSCHLAGER ENERGIETECHNIK

 Orcan Energy

AUS ABWÄRME WIRD STROM

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 Industrial Solar

VOLLDAMPF VORAUS

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b Pharmakonzern, Metallverarbeiter, Lackierbetrieb oder Lebensmittelhersteller: In vielen Branchen benötigen Un­ ternehmen heißen Dampf für ihre Produktion – um Werkstoffe zu verarbeiten zum Beispiel, Produkte zu reinigen oder Waren zu trocknen. Erzeugt wird er meist in Dampfkesseln, die mit Erdgas und mitunter auch mit Kohle oder Heizöl betrieben wer­ den. Die Freiburger Firma Industrial Solar setzt dagegen auf die Kraft der Sonne: Sie hat eine Solarthermieanlage entwickelt, die Sonnenstrahlen mithilfe von Spiegeln auf ein Absorberrohr konzentriert. Darin zirkuliert Wasser, das durch die zugeführte Hitze verdampft, ohne dass auch nur ein Gramm CO2 ausgesto­ ßen wird. AUF DER KUNDENLISTE von Industrial Solar stehen Firmen aus dem Nahen und Mittleren Osten genauso wie aus den USA oder Südafrika. Nun nimmt das Unternehmen auch die Märk­ te in Nordafrika, China und Indien ins Visier. Zwar erschweren die niedrigen Gas- und Ölpreise derzeit das Geschäft. Doch da­ für punktet die Technologie mit einem anderen Trumpf, erklärt Industrial Solar-Chef Tobias Schwind: „Unsere Anlagen geben den Kunden Versorgungssicherheit. Sie können auch dann wei­ ter produzieren, wenn es zu Engpässen bei der Belieferung mit fossilen Energien kommt. Das ist in Schwellen- und Entwick­ lungsländern ein wichtiges Argument.“ Zudem stünden Unter­ nehmen weltweit unter Druck, ihre Klimabilanz zu verbessern. „Das kommt uns natürlich entgegen“, sagt Schwind.

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n jedem Motor, jeder Maschine und jeder Anlage entsteht beim Betrieb Wärme, die über die Abluft oder das Abwasser nach draußen entweicht. Nach Berechnungen der Marktfor­ scher von Trend Research verschwindet dabei etwa die Hälfte der ursprünglich eingesetzten Energie im Nirwana. Das Mün­ chener Start-up Orcan Energy hat einen Weg gefunden, diese Verluste zu begrenzen: Das Unternehmen hat eine Anlage ent­ wickelt, die mit überschüssiger Abwärme Strom erzeugt. Das geschieht mithilfe einer speziellen Flüssigkeit, die schon bei sehr niedrigen Temperaturen verdampft und dabei einen Ge­ nerator antreibt. Die Technologie wird vor allem von Industrie­ betrieben und Biogasanlagenbetreibern eingesetzt. NACHDEM SICH ORCAN ENERGY zunächst auf den Heimat­ markt konzentriert hat, verkauft die Firma ihre Anlagen seit letztem Jahr auch ins europäische Ausland. Wichtigster inter­ nationaler Markt ist derzeit Großbritannien. Der energiepoliti­ sche Kurs Deutschlands ist im Exportgeschäft durchaus eine Unterstützung, sagt Hermann Iding von Orcan Energy. „Unse­ re ausländischen Kunden nehmen sehr genau wahr, dass die deutsche Industrie bei Themen wie der Energieeffizienz welt­ weit führend ist. Dazu trägt natürlich auch die Energiewende bei“, erklärt Iding.


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 Aquakin

ALLES FLIESST

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Fotos: Industrial Solar, Orcan Energy, Aquakin

ie ein Kinderspielzeug sieht das transportable Mini-Wasserkraftwerk der Fürther Firma Aqua­ kin aus – leuchtend blau lackiert, nur zwanzig Zentimeter im Durchmesser und gerade einmal 600 Gramm schwer. Wenn man es in einen Bach wirft, liefert der kleine Rotor fünf Watt Strom. Nicht viel, aber genug, um ein Handy zu laden. Aquakin verkauft das Gerät in sechzig Länder welt­ weit, vor allem nach Nordamerika, China und Indien. „Auch in Japan, Brasilien, Mexico und Costa Rica ist die Nachfrage hoch“, sagt Benedikt Schröder, einer der Ge­ schäftsführer von Aquakin. DIE WICHTIGSTE KUNDENGRUPPE sind Outdoor­ sportler, die auch in der Wildnis nicht auf ihr Handy ver­ zichten wollen. Bei Entwicklungshelfern ist das Mini-Was­ serkraftwerk ebenfalls sehr beliebt, erklärt Schröder. „Nach dem Erdbeben in Tibet letztes Jahr liefen bei uns die Telefone heiß, weil dort die Energienetze zusammen­ gebrochen waren“, sagt der Aquakin-Chef.

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WAS ZIEHEN WIR BLOSS AN?

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Dass die Arbeitsbedingungen von Textilarbeiterinnen in Bangladesch grauenvoll sind, wissen wir alle. Und dass der Anbau von Baumwolle extrem viel Wasser verbraucht und verschmutzt, das wissen wir auch. Faire Fashion ist die Alternative. Aber sind wir auch bereit, für faire Mode faire Preise zu zahlen? VON FRANK KEIL

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Foto: okeyphotos/istockphoto

o schnell geht das also: Gut gelaunt ins Büro gekommen, weil eine 1-A-Markenjeans, die normal 130,- Euro gekostet hätte, für 39,90 Euro erstanden. Ist das ein Schnäppchen? Und die Hose passt wie angegossen, sieht an mir einfach gut aus. Nur der Kollege schaut etwas komisch, als ich mich ihm präsentiere – er zeigt auf die hellen Flächen auf den Oberschenkeln, die wirken, als sei die Hose schon getragen: „Du weißt schon, wie so was hergestellt wird, oder?“, fragt er. Ich weiß es nicht. Also nicht so genau. Irgendwie ist die Hose vorher gewaschen worden, vielleicht besonders gefärbt, stelle ich mir so vor. Ist modern, tragen die jungen Leute, und wer will nicht jung sein. „BLURRED“ STEHT AUF dem Etikett, übersetzt also „verschwommen“ oder auch „verwaschen“. Und dass die Hose aus Tunesien kommt, ist dem Etikett zu entnehmen. Ist das nun gut oder ist das nicht gut? Und hieß das nicht früher „stone-washed“? Ich erinnere mich: Damals waren in den Hosentaschen Steinchen zu finden, die den Eindruck erwecken sollten, jemand habe diese Jeans an einem plätschernden Fluss unter dem Himmel Texas eigenhändig gewaschen, auf dass sie später in der Sonne trocknete. Tatsächlich bearbeiteten vorzugsweise in der Türkei Arbeiter die Jeans mit sandgestrahltem Quarz, atmeten dabei feinste Partikel ein – und wurden oft kaum älter als 30 Jahre. Ist das heutige „blurred“ das ehemalige „stone-washed“ oder hat das gar rein nichts miteinander zu tun? Eine Hotline hat der Hersteller nicht, dafür auf seiner Webseite ein Feld, wo man seine Anfrage eintragen kann. Vielleicht kommt die Antwort morgen, denke ich einen Tag später. Dann schreibt man mir, es würde sich um eine besondere Art der Waschung handeln. Aha. „WENN WIR STUDENTEN durch unser Werk führen, sind die immer sehr begeistert über unsere Art, nachhaltige Mode nach Biostandards zu produzieren“, erzählt Sven Bergmann vom Unternehmen hessnatur, einem der großen Player auf dem Markt für ökologisch kor-

rekte Mode. „Aber wenn es dann rüber in unser Geschäft geht und sie dort die Preisschilder umdrehen, sehen sie, dass bei uns eine Jeans eben 100 Euro kostet und nicht 39,90 und ein T-Shirt 20 Euro und nicht 9,90 oder vielleicht auch nur vier Euro.“ Dieses Jahr feiert hessnatur sein vierzigjähriges Bestehen, hat 370 Angestellte, einen Umsatz von 70 Millionen Euro und will aufbrechen, neue Kunden zu gewinnen, ohne die alten zu verlieren. „Unsere Kundin ist über 40 und gut ausgebildet“, sagt Bergmann. Und er fügt hinzu: „Wir vermeiden heute den Begriff Ökomode, da hat man, ob man will oder nicht, automatisch diesen Schlapper-Look im Kopf.“ ALLES BEGANN, als Heinz und Dorothea Hess ihren gerade geborenen Sohn mit schadstofffreien Windeln und ebensolcher Kleidung umsorgen wollten. Sie hörten sich um, gingen auf Messen, sie trafen erste Anbieter von Textilien, die ihren Ansprüchen genügten. Freunde, dann Bekannte schlossen sich an. Und bald stapelten sich im Einfamilienhaus der Hess’ die ersten Kartons – aus denen ihr Unternehmen erwuchs. „Wenn wie bei Rana Plaza eine Fabrikhalle einstürzt mit über 1.300 toten Näherinnen als Folge, gibt es eben nicht die große Welle, dass die Leute beim Einkaufen ihrer Kleidung umdenken“, sagt Sven Bergmann. Und er erzählt lieber eine andere Geschichte: Neulich haben sie ein neues Geschäft eröffnet, und er hat die neuen Mitarbeiter nach ein paar Tagen gefragt, was ihnen besonders aufgefallen sei. Erstens: Das Geschäft rieche nicht unangenehm. Und zweitens: Sie hätten abends keine schwarzen Hände mehr – wie sonst, wenn man den ganzen Tag Kleidung präsentiert, hängt und wieder zusammenlegt. „Wir verzichten in unseren Läden auf chemische Duftstoffe, wir nutzen keine Chemie für Mottenschutz oder um die Kleidung glatt und bügelfrei zu halten“, sagt Bergmann. „Wir sind gut aufgestellt, aber es ist noch Luft nach oben.“ DAS HAMBURGER MODELABEL JAN 'N JUNE ist da entschieden kleiner: Es besteht aus den Modedesignerinnen Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer, die in einem kleinen Familienbetrieb mit vier Näherinnen nähen lassen. In Polen, in Wroclaw, dem einstigen Breslau. Polen, weil Julianas Familie aus Polen kommt, sie fließend Polnisch spricht und es ihnen mehr als wichtig war, dass der Produktions-

WIR VERMEIDEN HEUTE DEN BEGRIFF ÖKOMODE, DA HAT MAN AUTOMATISCH DIESEN SCHLAPPER-LOOK IM KOPF. 1/2016 LUX 360° 31


KLEIDUNG

NACHHALTIG, CHIC UND VORBILDLICH: NEUE MODE-LABEL IM KURZPORTRÄT

www.deepmello.com Ihre Begeisterung für Rhabarberleder führte dazu, dass die Gründer von deepmello neue Wege gehen wollten. Mittlerweile entwickeln die drei Wissenschaftler gemeinsam mit bekannten Designern und Newcomern exklusive Fashion und Lifestyleprodukte. Geschäftsführerin AnneChristin Bansleben ist seit 2004 Wissenschaftlerin auf dem Gebiet Aromastoffanalytik von Pflanzen. „Wenn wir gefragt werden, was unsere Produkte auszeichnet, so sind dies in erster Linie die hochwertigen Materialien, unser Rhabarberleder, aber auch andere edle Stoffe wie Bioseiden, Biosatin oder Organza. Ebenso wichtig ist uns das Produktdesign, das fernab vom Ökoschick durch Individualität, einen gewissen Minimalismus und durchdachte Funktionalität überzeugt.“ Durch den wissenschaftlichen Hintergrund sind sie es gewohnt, sehr akribisch und exakt zu arbeiten, und diesem Anspruch wollen sie auch bei der Herstellung der Produkte genügen. Diese zeichnen sich durch Qualität und Langlebigkeit aus. www.freitag.ch Die Taschen sind schon lange Kult. Seit 1993 stellt FREITAG Taschen & Accessoires aus gebrauchten Materialien her, die auf der Straße zu Hause waren und alle ihre eigene Geschichte und Optik mitbringen. 20 Jahre nachdem

weg kurz ist und dass es den beiden Inhaberinnen möglich ist, immer wieder selbst vor Ort zu sein, wenn ein neuer Produktionsschritt, eine neue Kollektion ansteht. Die alltägliche Kommunikation erledigt man per Skype. Die GPS-Daten der Näherei, aber auch die der Strickereien und Webereien in der Türkei, wo man Stoffe produzieren lässt, kann man auf ihrer Homepage nachlesen. Die beiden kommen, anders als das Gründerehepaar Hess, weniger aus der Ökobewegung, sondern aus der Modebranche. „Unser Grün ist Schwarz“ lautet entsprechend ihr Slogan. Ihr Sortiment ist schlicht, zeitlos, von einem gewissen kühlen Understatement getragen.

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die Brüder Freitag der ersten Lkw-Plane ein zweites Leben schenkten, präsentierten sie 2014 einen von Grund auf selbst entwickelten Stoff. Das neue Material F-ABRIC besteht aus europäischen Fasern wie Hanf und Flachs sowie Modal und ist auf dem Komposthaufen zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Daraus entstehen jetzt robuste Workpants, Alltagsjacketts und Shirts. Die Produktion der Fasern schont die Böden und braucht viel weniger Wasser als die einfacher zu verarbeitende Baumwolle. www.aluc.eu Ist es sinnvoll, neue Stoffe herzustellen, solange Unmengen an Abfall aus der Textilindustrie jeden Tag auf der Müllkippe landen? Diese Frage stellten sich 2010 Jonathan, Luise, Carina und Arianna. Die Antwort ist das Upcycling-Label aluc. Ein Jahr später eröffneten sie in Berlin den ersten Conceptstore für Upcycling-Mode. Zudem hat das Team zahlreiche Projekte initiiert: den Strich- und Faden Modestammtisch, die Green Fashion Roadmap und ein Upcycling-Material Sourcing Projekt. 2013 erhielten sie dafür den FA!R-Handelspreis und den I:CO AWARD. „Für uns stellen bereits kleinste Mengen an Reststoffen eine Möglichkeit dar, Originelles und Einzigartiges zu kreieren. Eine faire, kontrollierte Produktion bildet das Fundament unseres Konzeptes. Die Arbeit vor Ort erlaubt es uns, die regionale Wirtschaft und das soziale System zu unterstützen. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen Projekten und Behindertenwerkstätten können wir den Produktionsprozess fair gestalten. Unsere aluc-Produkte sind nicht nur stylish, nachhaltig und funktional – sie haben auch eine Geschichte zu erzählen.“ Für aluc wird nur Material aus industriellen Reststoffen verwendet, etwa Rollenenden oder Farb- und Musterproben. Daher stehen nur begrenzte Stoffmengen zur Verfügung, aus denen limitierte Editionen gefertigt werden. Viele der Hemden und Blusen sind sogar Einzelstücke.

Und die Kollektionen sind so aufeinander abgestimmt, dass man die Einzel­teile auch nach Jahren gut miteinander kombinieren kann und nicht hektisch austauschen muss, wenn auf den Winter unweigerlich das Frühjahr folgt. Slow Fashion statt Fast Fashion. Dabei greifen die beiden Hamburgerinnen nicht allein auf zertifizierte Biobaumwolle zurück. Sie lassen ebenso Material aus recycelter Baumwolle verarbeiten – oder gleich aus Kunststoff: gewonnen etwa aus PET-Flaschen, aus angeschwemmten Fischernetzen und was es sonst an Meeresmüll gibt, der zu einem Faden gesponnen und, mit

Foto: Hess Natur

www.boerdshoert.de börd shört wurde 2010 gegründet und stellt nun die fünfte Kollektion vor. Das Ziel: Mode und Accessoires, die länger als nur eine Saison tragbar sind. Alle Produktionsschritte der textilen Kette finden unter Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards statt. Der GOTS zertifizierte Baumwollstoff wird in einem kleinen Familienbetrieb in Deutschland weiterverarbeitet. Dies sorgt für Nachvollziehbarkeit der Produktion, kurze Transportwege und gute Qualität. Zudem ist die gesamte Kollektion 100 Prozent vegan.


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WIR SIND PERMANENT AUF DER SUCHE NACH NEUEN RESSOURCENSCHONENDEN MATERIALIEN. GERADE BEI DER STOFF­ PRODUKTION PASSIERT DERZEIT SEHR VIEL.

dem Stoff Elastan versehen, anschließend weiterverwebt wird. Aktuell inter­essieren sich die beiden für Neufasern aus Zellulose. „Wir sind permanent auf der Suche nach neuen ressourcenschonenden Materialien. Gerade bei der Stoffproduktion passiert derzeit sehr viel“, sagt Anna Bronowski. Und die Szene bewege sich mit Macht aus der Nische heraus. DAS SIEHT AUCH ANNA KESSEL so, die zusammen mit ihrer Mitstreiterin Esther Rühe den Modeblog kunstkinder-mag.de betreibt – einen jener neuen und vor allem unabhängigen Blogs, die das Flair und die Dynamik der sozialen Medien in die Branche bringen und so für frischen Wind sorgen. „Ich mag es, mich mit Mode auszudrücken“, sagt Anna Kessel denn auch und macht so deutlich, dass für ihr junges bis sehr junges Klientel Konsum eben nicht etwas grundsätzlich Anrüchiges und Verdächtiges ist, dem man entsprechend besser aus dem Weg geht. Zugleich sei ihre Generation sehr desillusioniert, was den Umgang mit Rohstoffen und die Kontrollmöglichkeiten der Verarbeitungswege angehe. Doch nun nur schwarzsehen? „Ich finde es super, wenn H&M neben seiner schnellen Massenware eine Bioserie vertreibt. Das kann man natürlich ‚greenwashing‘ nennen, aber sie erreichen so die Massen an jungen Leuten, die anfangen, sich Gedan-

ken zu machen.“ Wichtig sei doch, dass man ins Gespräch komme. Über Ethik und Verantwortung. Über Ressourcen und Arbeitsbedingungen. Über Überfluss und das Notwendige. Über Mode vom Flohmarkt, über Mode zum Leihen, über die Kollektionen kleinster Anbieter – und wie man das alles miteinander kombinieren könne – bis hin zu neuen Trends wie Seide aus Algen oder vegane Mode. Natürlich seien Letztere zunächst Nischenprodukte, über die man milde lächeln könne. Aber fange es so nicht immer an? UND SO GEHT ES ZUM SCHLUSS noch kurz in luftige Höhen. Anfang der 1980er-Jahre war es, als eine kleine Schar in weißen Yogagewändern durch das Almtal im Salzkammergut wanderte. „Als der Gründer unseres Unternehmens mit seinen ersten Mitarbeitern dort auftauchte, hieß es natürlich: Da kommen die Spinner! Da dachte man, das wäre eine Sekte“, erzählt Bernhard Lichtenberger, Sprecher von Grüne Erde. Heute hat das Unternehmen 400 Mitarbeiter und nicht nur Geschäfte in allen wichtigen Städten Österreichs, sondern auch in Hamburg, in Berlin und Köln und in München. Noch immer würde man Yogakleidung im Sortiment führen, doch der Hit sei eine Matratze, mit der man einst startete. Denn das Modell „Weiße Wolke“ sollte nicht nur für einen erholsamen Schlaf sorgen, sondern auch das gute Träumen fördern – sie wurde seitdem nur zweimal geringfügig überholt. Dazugekommen sind die Sparten Naturmöbel, Naturkosmetik – und Naturmode, von Schuhen über Laufkleidung bis zu Alltagsjeans. Genäht und gefertigt wird in Tschechien, in Litauen, aber auch im Nachbarland Schweiz, wo man mit einer der letzten klassischen Strickereien kooperiert. GEHT MAN IN FERNE REGIONEN, legt man Wert darauf, dass dort vor Ort die gesamte Herstellungskette greift und man nicht nur günstig das Rohmaterial abgreift, die weit lohnendere eigentliche Herstellung aber wieder in Europa stattfinden lässt. So wird für Grüne Erde in der Mongolei eben nicht nur die Yakwolle aus dem Bauchfell der Tiere gekämmt, sondern daraus vor Ort entsprechend warme Winterkleidung gestrickt. Gleiches gilt für Mode aus Alpakawolle – gewonnen und gefertigt in Peru. Zertifiziert sind diese Produkte übrigens nicht. „Die Yaks und die Alpakas laufen ja frei herum, und es kann amtlich nicht garantiert werden, dass sie sich stets einwandfrei biologisch ernähren“, lacht Bernhard Lichtenberger. „Aber wir wollen natürlich, dass diese Tiere ihr freies Leben behalten.“ 1/2016 LUX 360° 33


HOLZ IN DER STADT: Dass sich Holz auch zum Bau von Mehr­familienhäusern eignet, zeigt diese Case Study der Interna­tionalen Bauausstellung in Hamburg.

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Fotos: Thomas Robbin, Stefan Hefele/mauritius images/Novarc

BAUEN MIT HOLZ


B A U E N M I TT HHEOM LA Z

BAUSTOFF MIT TRADITION UND ZUKUNFT

Ein gesundes Wohnklima, eine hervorragende Energiebilanz und dazu noch kurze Bauzeiten: Als Baustoff von Einfamilienh채usern ist Holz unschlagbar. Doch mittlerweile werden sogar erste Hochh채user 체berwiegend aus Holz gebaut.

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BAUEN MIT HOLZ

VON HARTMUT NETZ

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olz als Baustoff hatte in den vergangenen hundert Jahren ein Imageproblem. Im Vergleich zu repräsentativen Hochglanzfassaden aus Stahl und Beton erschienen Holzhäuser bieder und langweilig. Insbesondere Fertighäuser genossen einen zweifelhaften Ruf als Billigheimer von der Stange. Doch das ist passé, der Zeitgeist hat sich um 180 Grad gedreht. Heute stehen Fertighäuser aus Holz für gesundes Wohnklima, naturnahes Bauen und einen nachhaltigen Lebensstil. Modernes Design und anspruchsvolle Architektur haben einem der ältesten Baustoffe der Menschheit zu einer Renaissance verholfen. Mehr noch: Pluspunkte bei der Verarbeitung und eine unschlagbare Ökobilanz könnten Holz sogar zum Baustoff der Zukunft machen. DEUTSCHLANDS HÖCHSTES Holzhaus steht im oberbayerischen Bad Aibling. 25 Meter hoch ragt dort, vor der Kulisse des Wendelsteins, ein achtstöckiges Büro- und Wohnhaus in den Himmel, das fast zur Gänze aus Holz gebaut wurde. Das ging ruck, zuck: Ein Tieflader lieferte die Holzelemente auf die Baustelle, sechs Monteure fügten sie zusammen. Alle zwei Tage wuchs der Bau um ein Stockwerk. In zweieinhalb Wochen war der gesamte Rohbau fertig. Insgesamt wurden 250 Nadelbäume aus der Region verbaut. Ein Pilotprojekt, sagt der Münchner Architekt Arthur Schankula, dessen Büro den Bau be-

treut hat: „Wir wollten zeigen, was mit Holz alles möglich ist.“ Und das ist einiges, wie Beispiele belegen. Das Dach der InlineskatingHalle im baden-württembergischen Geisingen wird beispielsweise von einer 120 Meter langen Holzkons­truktion getragen. In der Nähe von Hannover speist ein 100 Meter hohes hölzernes Windrad, der sogenannte Timbertower, Ökostrom ins Netz. Im spanischen Sevilla bietet das Metropol Parasol, eine 150 Meter lange Kons­truktion riesiger Holzschirme, einen Rundblick über die Stadt. Und das bislang höchste Holzhaus Europas steht mit neun Stockwerken und knapp 30 Metern Höhe in London. Spektakuläre Bauwerke wie diese haben dem Image des lange als „hausbacken“ verunglimpften Baustoffs aus dem Wald auf die Sprünge geholfen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos aus dem Jahre 2010 würden knapp 42 Prozent der Deutschen gerne in einem Holzhaus wohnen. Nur vier Prozent der Befragten hielten Holz für „spießig“ oder „altmodisch“. Allerdings ist die Akzeptanz von Holzhäusern in Deutschland regional ungleich verteilt. Am höchsten ist sie in Bayern. Das liege vermutlich daran, dass sich das Wissen um die traditionelle Holzbauweise im Alpenraum „am profundsten“ erhalten habe, sagt der Architekt Hermann Kaufmann, der das Fachgebiet Holzbau an der Technischen Universität München leitet. In Bayern und Ländern wie Österreich und der Schweiz sei

die Kompetenz in Sachen Holzbau weltweit am höchsten. In Bayern, dem waldreichsten deutschen Bundesland, wird inzwischen jedes vierte Gebäude überwiegend aus Holz gebaut, in Österreich ist jeder dritte Neubau ein Holzhaus – Tendenz steigend. EINE ENTWICKLUNG, von der nicht zuletzt die Fertigbaubranche profitiert. Zwar wächst ihr Marktanteil nur langsam, dafür aber stetig. Nach Angaben des Bundesverbandes Fertigbau werden heute in Deutschland 16,2 Prozent aller Ein- und Zweifamilienhäuser in Holzfertigbauweise errichtet, 2004 waren es noch 13 Prozent gewesen. Die Branche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Vorbei sind die Zeiten, als es nur eine Handvoll Haustypen mit mehr oder weniger unveränderlichen Grundrissen gab. Heute stellen sich fast alle Hersteller als Systemanbieter dar. Die Grundrisse ihrer Musterhäuser wollen sie lediglich als Anregung verstanden wissen. Flexibilität und Individualität lauten die Schlagworte, mit denen Fertigbaufirmen wie Kampa, Baufritz, Luxhaus oder Regnauer werben. Und Schnelligkeit: Ein Holzhaus ist innerhalb von nur ein bis zwei Tagen aufgebaut. Allerdings werden Wand-, Dach- und Fassadenelemente zuvor in der Werkhalle vorgefertigt und nach dem Aufbau steht noch der Innenausbau an. Zwischen Planung und Bezug eines Fertighauses aus Holz vergehen in der Regel zehn bis zwanzig Wochen. Vorteil von

IM WALDREICHEN BAYERN WIRD INZWISCHEN JEDES VIERTE GEBÄUDE ÜBERWIEGEND AUS HOLZ GEBAUT. 36

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BAUEN MIT HOLZ

IN DER NÄHE VON HANNOVER SPEIST EIN 100 METER HOHES HÖLZERNES WINDRAD ÖKOSTROM INS NETZ.

Holzbauten gegenüber konventionell errichteten Häusern: Durch die passgenaue Vorfertigung in der Fabrik lässt sich der Bauablauf präzise organisieren. Die einzelnen Bauteile werden meist in Tafelbauweise ausgeführt. Tragende Elemente sind hierbei sogenannte Holztafeln, bestehend aus einem beidseitig mit Brettern beplankten Riegelwerk aus Holzbalken, dessen Hohlräume die Wärmedämmung sowie Leitungen für Heizung, Wasser und Strom aufnehmen. Die sogenannte Skelettbauweise ist dagegen eine Weiterentwicklung der mittelalterlichen Fachwerkhäuser. Das Tragwerk bilden Längs- und Querbalken, deren Zwischenräume mit beliebigen Mate­ rialien wie Glas, Mauerwerk oder vorgefer­ tigten Tafelelementen gefüllt werden. Der Skelettbau spielt im Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser allerdings nur eine untergeordnete Rolle. DER SIEGESZUG des Baustoffs aus dem Wald könnte beflügelt werden von einer einmaligen Umweltbilanz. Holz wächst nach, Holzwerkstoffe lassen sich mit weit weniger Energieaufwand herstellen als Ziegel oder Beton, und während viele andere Baumaterialien nach dem Abriss als Schutt enden, kann Holz wiederverwendet und am Ende seiner Lebenszeit klimaneutral verheizt werden. Denn beim Verbrennen von Holz wird nur die Menge an Klimagasen frei, die es als Baum gespeichert hat. Doch bis dahin vergeht viel

Zeit. Bei entsprechender Pflege überdauere ein Holzhaus hundert Jahre und mehr, versichert Dagmar Fritz-Kramer, Chefin von Bau­ fritz aus Erkheim im Allgäu, einer Firma, deren Holzbau-Tradition bis ins Jahr 1896 zurückreicht: „Die Gebäude, die mein Urgroßvater gebaut hat, sind bis heute bewohnt.“ MIT DER GUTEN UMWELTBILANZ gibt sich Baufritz nicht zufrieden, auch die Herkunft des Grundbaustoffs spielt eine Rolle. „Wir verbauen zu 95 Prozent Holz aus bayerischen Wäldern“, sagt die Firmenchefin: Nur das Holz für die Außenschalung stamme aus Finnland, denn dort wachse es langsamer und sei deshalb witterungsbeständiger. Baufritz verzichtet zudem auf chemischen Holzschutz, verwendet weder giftige Kleber noch gesundheitsschädlichen Bauschaum und dämmt mit den Spänen, die beim Hobeln anfallen. „Wir prüfen jeden Baustoff, den wir verbauen, in unserem Labor“, erläutert Fritz-Kramer. Vor dem Neubezug eines Hauses werde die Raumluft auf Schadstoffe gemessen: „Wir garantieren Schadstofffreiheit.“ Auch unter energetischen Gesichtspunkten sei Holz ein optimaler Baustoff, denn es dämme und speichere Wärme, konstatiert die Baufritz-Chefin: „Holzhäuser sind von Natur aus energiesparend.“ Tatsächlich verlieren Außenwände, wie sie im Holzfertigbau üblich sind, deutlich weniger Wärme als gleichdicke Beton- oder Ziegelwände ohne Dämmung. Doch da geht noch

mehr. Standard im gehobenen Holzfertigbau ist das sogenannte Effizienzhaus 70, ein Haustyp, der 30 Prozent weniger Primärenergie schluckt als die Energieeinsparverordnung (EnEV) für Neubauten erlaubt. Mit dickerer Dämmhaut und hocheffizienter Heizungsanlage lässt sich der EnEV-Wert sogar um 45 (Effizienzhaus 55) oder 60 Prozent (Effizienzhaus 40) unterbieten. Der Trend geht allerdings zum Plusenergiehaus. Alle großen Hersteller haben diesen Haustyp im Angebot. Dabei handelt es sich in aller Regel um ein Effizienzhaus 40, das, aufgerüstet mit Wärmepumpe, Kleinwindrad und Fotovoltaikmodulen, mehr Energie erzeugt, als es für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom verbraucht. Doch all das genügt der Branche längst nicht mehr. Sie will höher hinaus: Als einer der ersten Fertighaushersteller hat die Firma Regnauer aus Seebruck am Chiemsee ein fünfstöckiges Wohn- und Bürogebäude aus Holz gebaut – mitten in bester Regensburger Innenstadtlage. Ein Pionierprojekt, schon wegen der strengen Brandschutzauflagen. Regnauer hat damit die Tür zu einem Markt aufgestoßen, der dem Holzbau bislang verschlossen war: dem Bauen in der Stadt. Und da gehören Holzhäuser auch hin. Nach Einschätzung von Experten liegt das größte Potenzial der Holzbauweise bei mehrgeschossigen Bauten im städtischen Wohnungsbau. Erst in der Stadt könne der Baustoff Holz seine Stärken so richtig ausspielen.

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KOLUMNE

HAB ICH WAS FALSCH GEMACHT? Beim Essen hört die Freundschaft auf. Bekanntlich lässt sich über Geschmack nicht streiten, aber verzweifeln . . . VON MONIKA GOETSCH

Meine Freundin sagt, ihr 13-jähriger Sohn werde sich von nun an vegan ernähren. Die 14-jährige Tochter einer anderen Freundin will das auch. Meine Freundinnen sind natürlich genervt. Stolz. Und ziemlich gestresst. Jahrelang die Kämpfe um das kleinste Fitzelchen Grün in den Nudeln. Und jetzt: Verzicht. MICH MACHT DAS UNSICHER. Als ich zur Schule ging, gab es keine Jugendlichen, die sich vegan ernährten. Auch keine Vegetarier oder Kinder mit irgendeiner Allergie. Man konnte nicht zwischen zwanzig verschiedenen Supermarktpizzen wählen oder zwischen Joghurts in tausend Fettsorten. Ich aß, was auf dem Tisch stand. Und stocherte oft lustlos darin herum. Der Hawaiitoast jagte schon damals die Kartoffelsuppe, das Königinpastetchen den Grünkohl. Aber heute jagen die Trends viel schneller. Das Schlimme daran: Ich jage mit. 38

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köstliche Zitronenhuhn widerlich. Sogar Milch, für mich noch immer rein und weiß und tröstlich, ist für sie tabu. Tierleichen, igitt, sagen die Kinder meiner Freundinnen. Und ja, obwohl ich Fleischgerichte liebe, all das Wissen, die über Jahrhunderte gewachsenen Techniken und Köstlichkeiten, fällt es mir schwer, zu widersprechen. Ihr radikaler Verzicht berührt etwas in mir. Wir sind Menschen. Wir können alles essen. Wir können aber auch aus allem auswählen. Die Entscheidung liegt bei uns. DAS IN ETWA SAGE ICH meinen Söhnen. Meine Söhne sind tierlieb, aber zurzeit essen sie am liebsten Burger. Bei meinen Söhnen ist die Dönerphase direkt in die Burgerphase übergegangen. Steht mittags eine Kürbiskokossuppe auf dem Tisch, sind sie verzweifelt. Im Bauch haben sie ein Loch, ein großes schwarzes. Ich sage: Immer mehr deutsche Jugendliche ernähren sich vegan. Klar, sagen meine Söhne, sollen sie doch. Wenn die sich vegan ernähren, retten sie die Welt. Und für uns bleibt umso mehr Fleisch übrig. Manchmal frage ich mich, was ich falsch gemacht habe. Die Kinder anderer Eltern arbeiten an einer besseren Zukunft. Meine verabreden sich mit ihrem Vater zu Burger medium.

Illustration: Elke Ehninger

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ANFANG DER ACHTZIGER habe ich Tütensuppen mit Sahne und Wein verfeinert. In den Neunzigern dann Coq au vin gekocht und Spaghetti puttanesca. Ich faselte von Bressehuhn und Epoisses, bestellte Nierchen mit Senf, kostete Gänsestopfleber und wusste irgendwann, dass Saltimbocca „Spring in den Mund!“ heißt, weil die in Butter gebratenen Kalbsschnitzel so dünn und zart sind. Mit den Jahren erweiterte ich meine Küchenkenntnisse um indische, chinesische, thailändische, vietnamesische Gerichte, wilderte – die Kochbücher verraten es – in den Küchen der Türkei, Australiens, Israels und Perus. Ich habe gelernt, Menüs zu komponieren und Sandwiches mit Brathuhnresten von gestern zu füllen. Dazwischen bekam ich Kinder. Meine Unbefangenheit verwandelte sich in Fürsorge. Brav folge ich seither der Nahrungspyramide, erlaube nur wenig Fleisch und Süßes und Fettiges, Vollkorn dagegen umso mehr. Ich koche einmal pro Woche Seefisch. Und ab und zu gibt es wirklich fünfmal täglich Obst und Gemüse. Bio hielt Einzug, das Abo der Ökokiste. Und alles war gut. Aber jetzt sehe ich in vorwurfsvolle Augen. Die Kinder meiner Freundinnen pfeifen auf Traditionen und Nahrungspyramiden, der gute alte Sonntagsbraten ist ihnen egal, das


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