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September 2015 Eine Beilage in der Süddeutschen Zeitung
Die neue Art des Bauens Plötzlich ist Beton flexibel, filigran und energetisch einsetzbar.
HAUS & ENERGIE
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INHALT
Liebe Leserin, lieber Leser, marode Autobahnbrücken und Bausünden aus den 1970ern, dazu ein hoher Energieverbrauch bei der Herstellung – Beton hat ein schlechtes Image. Das wird sich ändern, denn mittlerweile kann das Material leuchten, dämmen und es lässt sich überraschend flexibel verarbeiten (Seite 8). Neue Ansätze verfolgen Architekten in den Niederlanden. Sie haben bei der Planung schon an das Ende der Häuser gedacht: Die Bestandteile ihrer Gebäude lassen sich nach dem Abbruch fast komplett wiederverwerten (Seite 16). Viel Spaß beim Lesen!
dena-Energieeffizienzkongress am 16. + 17. November 2015 im bcc Berlin Congress Center Freuen Sie sich auf eine hochkarätige Besetzung, u. a. mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, den Staatssekretären Rainer Baake und Matthias Machnig (BMWi), Michael Ziesemer (ZVEI) sowie Stefan Schaible (Roland Berger Strategy Consultants GmbH).
04 / Welt der Energie 08 / Beton Ein Material erfindet sich neu
08 14 / Im Gespräch Energieberater Rolf Gaiser 16 / Baurecycling Jedes Gebäude ist ein Rohstofflager 20 / Nachhaltiges Bauen Wohnen im Kraftwerk 24 / Schimmelgefahr Das Wasser muss raus
28 28 / Smart Home Die Geräte werden immer schlauer 30 / Frage Wann kommt der Haushaltsroboter?
Jetzt Ticket sichern: www.denakongress.de
IMPRESSUM Herausgeber: Süddeutscher Verlag onpact GmbH, München Geschäftsführer: Christian Meitinger Redaktionsleitung: Hartmut Rätsch Redaktion: Katrin Lange, Gunda Achterhold, Egbert Scheunemann (Lektorat) Art Direction: Kathrin Schemel Verlag: Süddeutscher Verlag onpact GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München Anzeigen: Susanne Kögler, Anschrift wie Verlag, Telefon 089/2183-7215, Fax -7201, anzeigen@sv-onpact.de Herstellung: Nathalie Häuser Litho: Compumedia GmbH, 80687 München Druck: TSB Mönchengladbach, Grunewaldstr. 59, 41066 Mönchengladbach (EMAS–zertifiziert, geprüftes Umweltmanagement DE–137–00034) Titelbild: Dirk Verwoerd. Das Magazin wird der Gesamtauflage der Süddeutschen Zeitung beigelegt und erscheint vier Mal im Jahr.
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WELT DER ENERGIE
Meine Botschaft an Investoren, Unternehmen und Industrie lautet: Investieren Sie in saubere Energien – dieser Sektor hat sich etabliert und wird weiter wachsen. Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie im Juli 2015
Blauer Himmel über dem Schreibtisch
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onnenlicht und einen wolkenlosen Himmel, wann immer man möchte? Eine revolutionäre Lichttechnologie macht es möglich. Das italienische Start-up CoeLux hat ein Beleuchtungssystem entwickelt, das die Lichtwellen der Sonne und des Himmelsblaus täuschend echt imitieren kann. Das von der EU mit 2,5 Millionen Euro unterstützte Forschungsprojekt nutzt LEDs und NanoMaterialien, um Räume in ein
mediterranes Licht zu tauchen, eine gleißend tropische Atmosphäre zu schaffen oder ihnen eine nordisch kühle Note zu geben. Deckenlampen wirken wie ein Fenster, durch das die Sonne von einem blauen Himmel in den Raum scheint. Die mehrfach preisgekrönte Technologie wirkt sich nachweislich positiv auf das Wohlbefinden aus – selbst in Gebäuden, die unter der Erde liegen. www.coelux.com
Deckenlampen von CoeLux wirken wie ein Fenster.
So beurteilen andere Nationen die deutsche Energiewende In einer Umfrage hat der Weltenergierat in 35 Mitgliedsnationen nachgefragt: „Erwarten Sie, dass Ihr Land Teile der deutschen Energiepolitik kopiert?“ Auslaufen der vorhandenen AKWs Verbot neuer Kernkraftwerke
17% 61%
Reduktion der Primärenergienachfrage um 50 Prozent bis 2050
39%
Senkung der CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 Andere
Wärmewende für Hausbesitzer
0%
Wandel des Strommixes bis 2050 in Richtung fast vollständiger Nutzung erneuerbarer Quellen
50% 11%
Fazit des Weltenergierats: „Vor allem klimafreundliche Maßnahmen wie mehr Strom aus Erneuerbaren, drastische Reduktion der Energienachfrage sowie Senkung der CO2Emissionen werden als Möglichkeiten einer „saubereren“ Energieversorgung nach deutschem Vorbild rezipiert.“ Quelle: World Energy Council 2015
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10.000-HÄUSER-PROGRAMM
Die Bayerische Staatsregierung unterstützt Inhaber und Bauherren selbst genutzter Ein- und Zweifamilienhäuser, die in moderne, innovative und effiziente Systeme zur Einsparung von Energie investieren. Das 10.000-Häuser-Programm schafft finanzielle Anreize für den Einbau intelligenter Techniksysteme zur Erzeugung, Speicherung und zum Management von Energie. Grundlegende Sanierungen oder energieeffiziente Neubauten werden ebenso gefördert wie der Austausch von Heizungsanlagen. Infos unter www.energiebonus.bayern
Vier Fragen an Dr. Michael Herma, Geschäftsführer der VdZ
Fotos: CoeLux, Intelligent heizen/VdZ
Warum ein neues Heizungslabel? Ab 26. September 2015 müssen europaweit Heizkessel, Wärmepumpen, Warmwasserbereiter und Warmwasserspeicher sowie Kombiheizgeräte mit einem neuen Energieeffizienzlabel gekennzeichnet werden. Bedeutet das, dass Hausbesitzer Altgeräte sofort austauschen müssen? Nein, denn das Heizungslabel betrifft nur neue Heizungsanlagen. Es kommt zum Einsatz, wenn eine Heizungsanlage modernisiert oder in einem Neubau installiert wird. Altanlagen bekommen bisher noch kein Label. Auch wenn mit dem neuen Heizungslabel keine Austauschpflicht kommt – eine Optimierung oder Modernisierung der Heizungsanlage kann sich für Hausbesitzer lohnen, denn über 70 Prozent aller Heizungsanlagen in Deutschland sind veraltet oder arbeiten ineffizient. Ist diese Kennzeichnung für Heizungsanlagen sinnvoll, wo doch bereits der Energieausweis für Gebäude verpflichtend ist? Ja, auf jeden Fall. Der Energieausweis für Gebäude soll potenziellen Mietern und Käufern Auskunft über den gesamten energetischen Zustand des Hauses geben. Das Heizungslabel gibt dagegen keine Auskunft über bereits verbaute Produkte, sondern funktioniert ähnlich wie das Effizienzlabel für Haushaltsgeräte: Es rückt die Effizienz der Heizung als wichtiges Kaufkriterium in den Vordergrund. Mit dem Heizungslabel können Hausbesitzer, gemeinsam mit ihrem Fachhandwerker, die Effizienz verschiedener Anlagen vergleichen und sich für das individuell optimale Heizsystem entscheiden. Nähere Informationen zum Heizungslabel erhalten Verbraucher auch auf unserem Portal www.intelligent-heizen.info. Wer prüft die neuen Geräte und wer vergibt die Kennzeichnung? Für individuell zusammengestellte Verbundanlagen, also zum Beispiel ein Brennwertkessel mit einer Solaranlage, wird das Heizungslabel vom Fachhandwerker nach einer von der EU festgelegten Formel bei jedem Angebot neu berechnet. Die dafür benötigten Daten sowie das Heizungslabel für einzelne Heizgeräte liefern die Hersteller der Produkte. Gibt es Heizungsanlagen, die nicht davon betroffen sind? Bisher gibt es noch keine Labels für dampf- und luftgeführte Heizungen und für Anlagen, die Festbrennstoffe oder Biomasse nutzen, also zum Beispiel Holzpelletkessel. Die EU arbeitet derzeit aber an einem Label für Festbrennstoffe, das 2017 eingeführt werden soll.
Die VdZ ist der Spitzenverband der Heizungs- und Gebäudetechnikbranche. Er vertritt die Interessen der Industrie, des Handels und des Handwerks. Der Verband setzt sich für eine nachhaltige und energieeffiziente Gebäudetechnik ein. www.vdzev.de
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SONDERVERÖFFENTLICHUNG ZUKUNFT ERDGAS E. V.
Ulrich Danco ist seit 2013 Aufsichtsratsvorsitzender von Zukunft ERDGAS
Was muss geschehen, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen?
Der zweite Teil der Energiewende muss jetzt kommen, und damit meine ich die Wärmewende. Hier liegen große Potenziale, durch die Modernisierung des Gebäudebestands beispielsweise. In einem Zeithorizont bis 2050 sind 107 Millionen Tonnen weniger CO2 gegenüber 1990 auf eine sozialverträgliche Art realisierbar. Dazu müsste allerdings der Heizungsbestand erneuert werden. Hier wird die Politik ja nun aktiv.
„Der zweite Teil der Energiewende muss kommen“ Mit der Stromwende allein ist es nicht getan. Erst mit einer Wärmewende sind die Klimaziele der Bundesregierung in Reichweite, sagt Ulrich Danco, Mitglied der Geschäftsführung der E.ON Energie Deutschland GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender von Zukunft ERDGAS. Herr Danco, in der Diskussion um die Energiewende spielen der Wärmemarkt und speziell Erdgas eine untergeordnete Rolle. Ist Erdgas ein Auslaufmodell?
Die Energiewende wurde lange Zeit als reine Stromwende begriffen. Den Anteil an Erneuerbaren zu steigern, haben wir in Deutschland gut hingekriegt. Der Anteil bei der Erzeugung lag in 2014 bei gut 25 Prozent, beim Verbrauch bei gut 27 Prozent. Damit liegen wir, was unsere eigenen Ziele und die der Europäischen Union bis 2020 angeht, über dem Soll. Nicht zufrieden bin ich mit dem Rückgang der CO2-Emissionen – und da kommen wir zwangsläufig zum Wärmemarkt als einem der größten Hebel. Erdgas hat hier viel zu bieten – zu geringen Kosten im Vergleich denen, worüber wir im Strommarkt sprechen. 6
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Ich hoffe, dass das für 2016 geplante Heizungslabel für Bestandsgeräte ein Erfolg wird. Pro Jahr werden aktuell nur drei Prozent aller Heizgeräte ausgetauscht. So würde die Erneuerung des Heizungsbestandes 25 Jahre dauern. So viel Zeit haben wir aber nicht, um den Klimawandel aufzuhalten. Die meisten Menschen wissen gar nicht so genau, wie alt ihre Heizung ist und wie viel sie mit einer modernen Anlage sparen können. Wenn ab 2016 Installateure, Schornsteinfeger und Energieberater ein Label vergeben und Verbraucher damit informieren, kann das der Wärmewende nur helfen. Welche Heizungstechnologie ist denn die richtige?
Jedes Haus ist anders, jeder Mieter oder Eigentümer setzt andere Prioritäten. Erdgas als Brennstoff ist kosteneffizient und umweltschonend. Erdgas-Brennwert ist die führende Technologie auf dem Markt. Das Angebot geht aber weit darüber hinaus, die Entwicklung geht hin zu smarten und systemfähigen Lösungen für eine dezentrale Energie- und Wärmeversorgung. Erdgas-Brennwert lässt sich hervorragend mit Solarthermie kombinieren, auch Gaswärmepumpen schlagen die Brücke zu den Erneuerbaren. Mit der Strom erzeugenden Heizung und der Brennstoffzelle kommt der Strom aus dem eigenen Heizungskeller und kann sogar ins Netz eingespeist werden. Warum ist der große Modernisierungsboom dennoch bisher ausgeblieben?
Die Politik hat einige wichtige Weichenstellungen gerade erst vorgenommen. Es braucht seine Zeit, bis sich die neuen Regelungen herumgesprochen haben und greifen. Aufgabe der Energieversorger, der Verbände, aber auch der Fachhandwerker mit unmittelbarem Kundenkontakt ist es, neue Vertriebskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen geben ihnen gute Argumente an die Hand. Die Wärmewende ist nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern unter den aktuellen Bedingungen auch sozialverträglich finanzierbar.
BLINDTEXT
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EIN MATERIAL ERFINDET SICH NEU BETON
Die filigrane Fassade des italienischen Pavillons auf der Expo 2015 in Mailand wurde mit einem speziellen Titanoxid-Beton gebaut, der Luftschadstoffe abbauen kann.
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BETON
Rechts: Heike Klussmann hat einen farbigen Solarbeton entwickelt, dessen Farbpigmente mit Sonnenlicht reagieren und Strom erzeugen.
Beton herzustellen, ist extrem energieaufwendig. Forscher und Ingenieure arbeiten daran, den Baustoff nachhaltiger zu machen. Doch die neuen Betone können noch mehr: Sie dämmen Häuser, filtern Schadstoffe aus der Luft und erzeugen sogar Strom. Von Michael Brüggemann
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en Heike Klussmann durch Kassel läuft, sieht sie an jeder Ecke potenzielle Flächen für kleine Solarkraftwerke: Parkplätze, Treppenstufen, Fahrradwege. Gemeinsam mit dem Architekten Thorsten Kloosters hat die 47-jährige Künstlerin und Professorin einen „Solarbeton“ entwickelt, der Strom erzeugt und Betonoberflächen in Energieproduzenten verwandeln kann. Der Beton ist mit sogenannten Farbstoffsolarzellen beschichtet, die Lichtenergie einfangen und in elektrische Energie umwandeln. „Die Farbpigmente reagieren mit dem Sonnenlicht, ähnlich wie Chlorophyll in einem Blatt“, sagt Klussmann: Fällt Licht auf die Farbstoffschicht, setzt diese Elektronen frei und der Strom fließt. Die Zellschichten werden auf den Beton gedruckt oder gesprüht. In die Oberfläche gelaserte Leiterbahnen verschalten die Solarzellen miteinander. Der Beton wird so zum Fotovoltaikmodul. Neue Funktionen für alten Baustoff An Flächen für den Solarbeton mangelt es nicht: Beton ist der am meisten genutzte Baustoff der Welt. Jährlich werden rund 8.000 Millionen Tonnen verbaut – für Straßen, Plätze, Häuser, Brücken, Tunnel. Wenn ohnehin ein Großteil der gebauten Umwelt aus Beton besteht, warum ihn nicht mit neuem Nutzen versehen? Das ist der Grundgedanke der beiden Baustoffpioniere. 2009 gründeten sie die Forschungsplattform „Bau Kunst Erfinden“
an der Universität Kassel. In einem „Do-ityourself “-Labor erforschen Künstler, Architekten, Stadtplaner, Physiker, Chemiker und Produktdesigner vertraute Materialien und reichern sie mit neuen Funktionen an. Betonherstellung ist energieintensiv Besonders das Gemisch aus Sand, Kies, Wasser und Zement hat es ihnen angetan: Neben Solarbeton haben sie einen Licht reflektierenden Beton konstruiert, der Tunnel oder Bahnsteigkanten zum Leuchten bringt. In den Beton eingebettete Mikroglaskugeln reflektieren einfallendes Kunst- oder Tageslicht – ähnlich wie die „Katzenaugen“ am Fahrrad. Noch mehr verblüfft eine Betonscheibe, die im Labor an einem Tisch lehnt: berührungssensitiver Beton. Tippt oder wischt man über die Oberfläche, geht auf dem Tisch eine Glühlampe an. Durch das Berühren ändert sich die Spannung im Beton, ein Draht an der Rückseite gibt den Impuls weiter. „Unser Ziel sind schalterlose Wände, die man wie ein Smartphone bedient, um Licht oder Heizung zu steuern“, sagt Klussmann. Beton als Stromerzeuger, Sensor oder Lichtreflektor? Das ist neu und ungewohnt. Bislang fiel der Baustoff eher als Energieverschwender denn als -erzeuger auf: Die Herstellung ist extrem energieaufwendig, Zement als Bindemittel für Beton gehört zu den größten Verursachern des Treibhausgases Kohlendioxid. Weltweit arbeiten Forscher und UnternehLUX 03 _ 2015
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BETON
Carsten Schlötzer
Die Hochschule Arnheim-Nijmegen wurde mit Textilbeton gebaut. Im Vergleich zu herkömmlichem Beton konnte so eine Materialeinsparung von 50 Prozent erreicht werden.
Beton als Stromerzeuger Allerdings sind die Substanzen in der Farbstoffsolarzelle rasch erschöpft. Die Forscher wollen die robusten Zellkomponenten daher dauerhaft im Beton verankern. Die empfindlicheren Schichten sollen sich wie Wandfarbe erneuern lassen, sobald ihre Leistung nachlässt. Derzeit tüfteln sie an einem Fassadenroboter, der Häuser hinaufklettert und die Far-
Beim Busbahnhof in Detmold senkt ein Spezialbeton die Abgasbelastung.
be aufträgt. „Es geht aber auch mit Pinsel oder Sprühpistole“, sagt Heike Klussmann. Bis die ersten Betonelemente auf den Markt kommen, dauere es jedoch noch fünf bis zehn Jahre. Im ostwestfälischen Detmold ist man schon weiter: 2013 wurden Fahrbahnen und Gehsteige des neuen Busbahnhofs mit einem Schadstoff zersetzenden Beton ausgestattet. Er filtert Fahrzeugabgase aus der Luft und verwandelt sie in unschädliche Salze. Der Zement ist mit Titandioxid-Pigmenten versetzt, die als weißer Farbstoff auch in Wandfarbe stecken. Scheint bei Sonne UV-Strahlung auf den Beton, setzt das Titandioxid eine chemische Reaktion in Gang: Schmutz wird zersetzt, Stickoxide aus den Abgasen werden in wasserlösliches Nitrat umgewandelt. „Der nächste Regen spült die Stoffe dann einfach in die Kanalisation“, sagt Professor Carsten Schlötzer von der Hochschule OWL, der das Projekt mit Studenten wissenschaftlich begleitet. Hightechmaterial, das Luft reinigt Rund 800 Busse fahren die elf Bussteige pro Tag an: Bei vier Minuten Standzeit pro Bus stoßen sie zusammen täglich mehr als 50 Stunden lang Schadstoffe aus. Der Spezialbeton senkt die Abgasbelastung erheblich. Die Hochschüler maßen den Nitratgehalt im Ablaufwasser und verglichen ihn mit einer unbeschichteten Fläche am gleichen Standort. „Bei Sonnenschein beobachteten wir einen Rückgang von 20 bis 40 Prozent“, sagt Schlötzer. Besonders sinnvoll sei der Beton an Orten, wo sich der Verkehr staut: auf Rollfeldern von Flughäfen, an Straßenkreuzungen oder Bahnanlagen. „Damit könnten wir die Stickoxidbelastung in den Städten ohne Aufwand und zu geringen Kosten reduzieren.“ Die Mehrkosten lagen in Detmold bei drei Prozent.
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Fotos: S. 12/13 istockphoto, Eugenio Marongiu/Alamy, BauKunstErfinden (2); S. 14/15 Hochschule Ostwestfalen-Lippe (2), bbuon/istockphoto, Ben Vulkers
„Damit könnten wir die Stickoxidbelastung in den Städten ohne Aufwand und zu geringen Kosten reduzieren.“
men deshalb daran, das Material nachhaltiger zu machen: Sie feilen an leichteren Betonen und Zutaten, deren Produktion weniger Energie und Ressourcen verbraucht, und versehen Beton mit ungeahnten Eigenschaften. Das muss nicht immer teuer sein. Die Wissenschaftler aus Kassel verwenden Low-Budget-Materialien, die frei erhältlich, preiswert, weitgehend recycelbar und umweltfreundlich sind. „Eine einfache Farbstoffsolarzelle kann man in zwei Stunden selbst bauen“, sagt Heike Klussmann. „Es genügen Fruchtsaft, Zahnpasta, etwas Jodlösung aus der Apotheke und zwei Glasplatten, die man mit einem Grafitstift elektrisch leitfähig macht. Das alles stapeln sie wie eine Schichttorte übereinander – fertig ist der Stromerzeuger.“ Das Glas will Klussmann noch durch Flüssigkunststoff zum Aufsprühen ersetzen. Zwar liegt der Wirkungsgrad des Solarbetons nur bei knapp zwei Prozent – ein Zehntel dessen, was herkömmliche Fotovoltaikmodule leisten. „Dafür liefert er selbst bei diffusem Licht Strom und lässt sich im Prinzip auf jeder versiegelten Fläche einsetzen.“
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BLINDTEXT
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Selbstreinigung mit Titanoxid: die 2003 geweihte „Chiesa di Dio Padre Misericordioso“ in Rom.
Dass Beton der Luft guttun kann, ist eine eher neue Erkenntnis. Bislang stand das Material wegen seiner schlechten Umweltbilanz in der Kritik. Rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Produktion stammen aus der Zementproduktion, Tendenz steigend. Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie haben daher einen Zement entwickelt, dessen Produktion bis zu 50 Prozent weniger CO2 freisetzt und die Hälfte der Energie einspart. Um Kalzium für den Zement zu gewinnen, wird Kalkstein bei Temperaturen von bis zu 1.450 Grad Celsius gebrannt. Dabei entweicht extrem viel CO2. Der neue Zement besteht aus einer kalziumarmen Substanz, für die weniger Kalk benötigt wird und bei der die Herstellungstemperatur auf unter 300 Grad gedrosselt werden kann. Gemeinsam mit einem Industriepartner haben die Wissenschaftler eine Pilotanlage gebaut und wollen den Baustoff in den nächsten Jahren auf den Markt bringen. Fasern statt Stahl Auch andere Betonzutaten lassen sich ersetzen: So verkleidete das holländische Architekturbüro LIAG Architecten Fassaden und Deckenuntersichten einer Fakultät der Hochschule Arnheim-Nijmegen mit einem Textilbeton. Statt Stahl steifen Carbon- und Glasfasern den Beton aus. Textilmaschinen verweben die Fasern, bevor das Geflecht als Bewehrung im weichen Beton versenkt wird. Auch Sand und Kies tauschten die Holländer aus – durch Schaumglasschotter aus recyceltem Altglas. Die Schule gilt als nachhaltigstes Unterrichtsgebäude Hollands. Materialeinsparung im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen: 50 Prozent. Große Hoffnungen setzen Architekten zudem auf Dämmbeton. Dieser Beton dämmt und trägt zugleich, eine zusätzliche Wärme-
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BETON
„Dämmbeton ist perfekt für Altbausanierungen. Er lässt sich gut verarbeiten, ist extrem tragfähig und trocken.“ Peter Heimerl, Architekt
te der Architekt Peter Haimerl ein Bauernhaus von 1840 vor dem Abriss, indem er vier beheizte Dämmbetonkuben für Bad, Küche, Wohnen und Schlafen in den Räumen platzierte. Hüttenzauber in Beton „In den letzten dreißig Jahren wurden im Bayerischen Wald die meisten alten Bauernhäuser zerstört – aus Ignoranz oder mangelnder Wertschätzung“, sagt Haimerl. Damit wollte er sich nicht abfinden: „Alte Häuser haben eine innere Logik und Schönheit, die sich nicht nachbauen lässt.“ Der 54-Jährige wuchs in der Nachbarschaft auf, seine Familie übernahm das Haus, als die letzte verbliebene Bäuerin Cilli Sigl starb. Seine Frau, die Künstlerin Jutta Görlich, hatte lange vor der Sanierung eine Galerie eingebaut. „Ich wollte, dass das Gebäude bleibt, wie es ist – aber nicht mehr frieren“, sagt Görlich: „Bei einer Renovierung im herkömmlichen Sinne mit Wärmedämmung, Farbe und Putz wäre vom tatsächlichen Haus wenig übrig geblieben.“ So aber ist die Geschichte des Bauernhauses Cilli, benannt nach der Vorbesitzerin, weiterhin ablesbar: Durch Ausschnitte in den Betonboxen blickt man auf abblätternde Farbschichten oder den alten Dachstuhl. „Dämmbeton ist perfekt für Altbausanierungen“, sagt Peter Haimerl. „Er lässt sich gut verarbeiten, ist extrem tragfähig und trocken.“ Als Wärmestifter oder statische Krücke, die alte Steinmauern stützt, könnte das Material die Nutzungsdauer vieler abrissbedrohter Altbauten verlängern. Es gäbe noch viele „Cillis“ zu retten.
Fotos: Edward Beierle, Simon Menges
Dämmbeton im Einsatz: bei der Sanierung eines alten Bauernhauses im Bayerischen Wald (links) oder beim Neubau eines Mietshauses in Berlin.
dämmung ist nicht nötig. Bisher wurde das Material vor allem bei Einfamilienhäusern verbaut. 2014 errichteten Zanderroth Architekten in Berlin jedoch ein siebengeschossiges Mietshaus aus Dämmbeton. „Das Schöne ist, dass wir mit Dämmbeton wieder monolithisch bauen können“, sagt Projektleiterin Annette Schmidt. Die einschaligen, sandgrauen Sichtbetonwände des „Monohauses“ sehen von außen genauso aus wie von innen. Keine vorgepappten StyroporDämmplatten und Klebstoffe mehr, die teuer und umweltschädlich entsorgt werden müssen. Für die gute Dämmwirkung des Betons sorgen Leichtzuschläge mit vielen Luftporen, etwa Blähton und Flugasche. Die Wände funktionieren zugleich als Flächenheizung: Selbst im Winter nehmen sie tagsüber Sonnenstrahlen auf, speichern sie und geben sie abends an den Innenraum ab. Dank leichterer Betone mit niedrigeren Rohdichten und besseren Dämmwerten sind Dämmbetonbauten inzwischen schlanker geworden. „Früher sahen diese Häuser zum Teil aus wie Bunker, aber das hat sich verändert“, sagt Martin Peck, Herausgeber des Atlasses „Moderner Betonbau“. Waren die ersten Dämmbetonfassaden noch bis zu 1,20 Meter dick, reichen im Monohaus 55 Zentimeter. Kürzlich entstand in Freising bei München sogar ein Wohnhaus mit 45 Zentimeter dünnen Dämmbetonwänden. Noch größer als im Neubau ist das Potenzial des Dämmbetons wahrscheinlich im Altbau. Im niederbayrischen Kurort Viechtach rette-
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IM GESPRÄCH
Aus für alte Kessel Der alte Gas- oder Ölkessel raus, eine neue fossile Brennwertheizung rein? Das greift oft zu kurz, meint der Energieberater Rolf Gaiser. Er empfiehlt, bei der Heizungsmodernisierung über einen Wechsel des Energieträgers nachzudenken – und bei der Gelegenheit gleich auch weitere Sanierungsschritte ins Auge zu fassen. Das Gespräch führte Ralph Diermann.
Der Baywa-Konzern hat vor einiger Zeit in einem Wettbewerb Bayerns ältesten noch in Betrieb befindlichen Heizkessel gesucht. Gewonnen hat ein Hausbesitzer mit einem Ölkessel aus dem Jahr 1931. Heizungsanlagen sind sehr robust, mit sorgfältiger Wartung halten sie jahrzehntelang. Warum also alte Kessel austauschen, solange sie noch verlässlich ihren Dienst tun?
Rolf Gaiser: Weil der Gesetzesgeber dies, mit einigen Ausnahmen, so verlangt. Gas- oder Ölkessel müssen nach dreißig Jahren ersetzt werden. Und dann natürlich, weil die Anlagentechnik viel effizienter geworden ist. Mit einer modernen Brennwert-Heizung sparen Haushalte zwanzig bis vierzig Prozent Energie ein. Außerdem benötigt manches Gebäude heute weniger Wärme als in der Zeit, in der die Anlage installiert worden ist, weil es inzwischen gedämmt wurde. Die alte Heizung ist dann überdimensioniert. Nicht zu vergessen das Thema Behaglichkeit – moderne Heizungen liefern gleichmäßiger Wärme, was von vielen Menschen als sehr angenehm empfunden wird. Wann sollten sich Hausbesitzer über eine Modernisierung Gedanken machen?
Rolf Gaiser ist als Energieberater in Wannweil bei Reutlingen tätig. Der Schwabe gehört dem Beirat des Bundesverbandes der Energieberater GIH an. Dort ist er für das Thema Anlagentechnik zuständig.
Erwarten Sie, dass Brennwertkessel in den nächsten Jahren noch effizienter werden?
Gaiser: Nein, die technischen Möglichkeiten sind nahezu ausgeschöpft. Wer modernisieren will, sollte das jetzt tun. Allerdings rate ich dazu, bei der Gelegenheit auch über einen Wechsel des Energieträgers oder eine Kombination zweier Komponenten nachzudenken. Früher konnten Hausbesitzer im Prinzip nur zwischen Öl und Gas wählen. Mit der Solarthermie, den Biomassekesseln und Wärmepumpen ist das Angebot heute viel größer. Gibt es Faustregeln, für wen welche Technologie sinnvoll ist?
Gaiser: Keine Regeln, aber einen Anhaltspunkt: Wenn ein Gebäude mit Heizkörpern ausgestattet ist, sind Holz- oder Brennwertkessel meist die beste Lösung, weil sie keine Probleme haben, die nötigen Vorlauftemperaturen zu liefern. Bei Flächenheizungen, also einer Fußbodenoder Wandheizung, sind Wärmepumpen die optimale Wahl. Flächenheizungen kommen mit niedrigeren Vorlauftemperaturen aus, sodass Wärmepumpen sehr effizient arbeiten können. Wärmepumpen sind also nur etwas für den Neubau? Altbauten haben ja meist Heizkörper.
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Foto: privat; Karte: istockphoto, Kathrin Schemel
„Auf lange Sicht fährt man wegen der geringeren Energiekosten mit einer Wärmepumpe oder einem Holzkessel günstiger als mit einer Öl- oder Gasheizung.“
Gaiser: Wenn die Anlage etwa zwölf bis vierzehn Jahre alt ist. Nicht nur wegen der Energieeffizienz, sondern auch um zu verhindern, dass die Bewohner eines Tages plötzlich im Kalten sitzen, weil die Heizung kaputtgegangen ist. Moderne Anlagen sind nämlich bei Weitem nicht mehr so robust wie die alten Kessel.
IM GESPRÄCH
SO ALT SIND DEUTSCHLANDS HEIZANLAGEN Je kleiner die Zahl, umso älter der Heizungsbestand im Bundesland: In Nordrhein-Westfalen ist zum Beispiel in etwa jedem fünften Haushalt (5,1) die Gasheizung älter als 15 Jahre. Häufung von Gas-Heizwert Anlagen älter als 15 Jahre in deutschen Haushalten
10,3 6,6
MecklenburgVorpommern
Hamburg
14,1 6,3
49,1 12,5
Bremen 27,3 6,6
Berlin Niedersachsen 13,2 4,6
15,9 5,1
SachsenAnhalt 10,4 5,4
NordrheinWestfalen Hessen 9,1
7,9
39,0 11,1 Brandenburg 13,2 6,3
Thüringen 10,3 5,5
RheinlandPfalz 7,0
Sachsen 15,1 7,9
5,8
Saarland 7,4
6,5
Gaiser: Nicht im Neubau, wo das Gesetz verlangt, einen gewissen Anteil des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken – wobei es aber nicht zwingend die Solarthermie sein muss. In Baden-Württemberg gilt diese Anforderung übrigens auch für Bestandsbauten, wenn dort die Heizung erneuert wird. Wie sollten Hausbesitzer vorgehen, wenn sie eine Heizungsmodernisierung ins Auge fassen?
Gaiser: Sie sollten auf jeden Fall einen qualifizierten Energieberater hinzuziehen. Sie schauen sich das Gebäude an, fragen die Anforderungen der Bewohner ab und machen dann Vorschläge, die genau auf die jeweilige Situation zugeschnitten sind. Das kann ein Heizungsinstallateur aber auch leisten!
Gaiser: Nicht unbedingt. Schon allein, weil die Fachhandwerker nur auf die Heizung fokussiert sind. Manchmal ist es aber sinnvoll, neben einer Heizungsmodernisierung auch noch andere energetische Sanierungsmaßnahmen durchzuführen – etwa die Dämmung der Kellerdecke. Energieberater haben das ganze Gebäude im Blick. Dazu kommt, dass viele Installateure seit jeher vor allem Gas- und Ölkessel verkaufen. Bei den Erneuerbare-Energien-Heizungen, vor allem der Wärmepumpe, fehlt es ihnen mitunter an Kenntnissen und Erfahrungen. Ab Ende September müssen Heizungsanlagen, ähnlich wie Kühlschränke oder Waschmaschinen, ein Effizienzlabel tragen. Ist das für die Verbraucher eine echte Hilfe?
Bayern BadenWürttemberg
Gaiser: Nein, sicher nicht. Denn auf lange Sicht fährt man wegen der geringeren Energiekosten mit einer Wärmepumpe oder einem Holzkessel günstiger als mit einer Öl- oder Gas-Heizung, die mit einer Solarthermie-Anlage gekoppelt wird. Dazu kommt, dass wir beim Erdgas auf Importe aus Russland angewiesen sind, was vielen nicht behagt. Man könnte aber auf die Solarthermie verzichten und allein einen neuen Gas- oder Ölkessel installieren.
Häufung von Öl-Heizwert Anlagen älter als 15 Jahre in deutschen Haushalten SchleswigHolstein
Wärmepumpen sind, genauso wie Holzheizungen, in der Anschaffung deutlich teurer als Gas- oder Ölkessel. Sind die Erneuerbare-Energien-Heizungen Luxus?
8,4 15,7
8,8 12,4
Quelle: Heizungsfinder
Gaiser: Ganz so einfach ist es nicht. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, den Öl- oder Gaskessel in einem Bestandsgebäude nachträglich mit einer kleinen Wärmepumpe zu ergänzen, die das Warmwasser bereitet. Dann kann der Kessel im Sommer abgeschaltet werden, was die Technik schont. Gas-, Öl- und Holzkessel werden heute oft mit einer SolarthermieAnlage gekoppelt. Ist das auch für Wärmepumpen eine Option?
Gaiser: Die Kombination mit einer Fotovoltaikanlage ist die deutlich bessere Variante. Strom lässt sich flexibler nutzen als Wärme. Dazu kommt, dass sich die Solarthermie erst dann halbwegs rechnet, wenn mindestens vier Personen im Haus leben. Wenn aber in einer Familie die Kinder das Haus verlassen, erzeugt die Anlage im Sommer mehr Warmwasser als benötigt. Mit überschüssigem Strom kann man dagegen Haushaltsgeräte betreiben, man kann ihn ins Netz einspeisen, speichern und ein E-Bike oder Elektroauto damit beladen. Angesichts der stark gesunkenen Preise für Fotovoltaikanlagen bin ich ohnehin davon überzeugt, dass Strom in der Wärmeversorgung künftig eine zentrale Rolle spielen wird.
Gaiser: Das Konzept ist gut, keine Frage. Momentan sind Hausbesitzer oftmals überfordert zu erkennen, wie effizient die angebotenen Anlagen tatsächlich sind. Das Label könnte hier Klarheit bringen. Problematisch finde ich allerdings, dass die Kennzeichnungspflicht nicht für Biomassekessel gilt. Welche Möglichkeiten gibt es, den Energieverbrauch von Heizungen zu reduzieren, ohne gleich in einen neuen Kessel zu investieren?
Gaiser: Mit dem Einbau einer elektronischen Heizungspumpe zum Beispiel, die ihre Leistung an den jeweiligen Bedarf anpasst. Allzu groß ist die Ersparnis damit aber nicht. Dazu kommt, dass diese HightechGeräte schneller kaputtgehen als die alten Pumpen. Im Übrigen spart auch ein hydraulischer Abgleich, bei der die Heizung von einem Fachmann neu eingestellt wird, nur relativ wenig Energie ein. Aber dafür kosten diese Maßnahmen nicht viel. Damit senken auch diejenigen ihre Energiekosten, die sich eine komplette Modernisierung der Heizung nicht leisten können.
Gaiser: Das ist richtig. Aber grundsätzlich ist es natürlich besser, das ganze Haus ins Visier zu nehmen. Anlagentechnik und Gebäude sollten harmonisch aufeinander abgestimmt sein. Wenn meine Heizkörper überdimensioniert sind, nützt mir ein hydraulischer Abgleich wenig. Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz lässt sich der Energiebedarf nachhaltig reduzieren. LUX 03 _ 2015
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BAURECYCLING
Jedes Gebäude ist ein Rohstofflager Der Rohstoffhunger der Baubranche ist immens. Darunter leiden nicht nur Natur und Klima, sondern auch die Unternehmen, denn die Materialkosten steigen. Es ist höchste Zeit umzudenken.
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ie ein Ozeandampfer mit gläsernem Rumpf und mächtigem Schornstein liegt das neue Gebäude der Niederländischen Akademie der Wissenschaften am Campus der Universität Wageningen. Schon aus der Ferne glitzert die Glasfassade mit dem aufgesetzten riesigen Holzquader im Sonnenlicht. Nähert man sich dem Eingang, lassen sich im Wassergraben, der den Bau umgibt, Haubentaucher beobachten, die nach Kleingetier fischen. Das Flachdach ist bedeckt von einer Wildblumenwiese, in der Insektenschwärme nach Nahrung suchen. Eine versteckte Höhle dient Fledermäusen als Unterschlupf. Das Institut für Ökologie (NIOO-KNAW) ist ein Gebäude, das lebt: „Wir versuchen, die Artenvielfalt zu- rückzugewinnen, die wir mit dem Bau zerstört haben“, sagt Wim van der Putten, einer der rund 200 Wissenschaftler, die an dem renommierten Forschungsinstitut arbeiten. Die Erbauer des 2011 fertiggestellten NIOO-KNAW schufen ein nachhaltiges Gebäude, das vom sogenannten Cradle- to- Cradle-Prinzip inspiriert wurde. Damit ist man dem Wunsch der Bauherrin, der Königlich Niederländischen 16 LUX 03_ 2015
Das Institut für Ökologie im niederländischen Wageningen wurde nach den Prinzipien des Cradle-to-Cradle gebaut.
Akademie der Wissenschaften, nachgekommen, die verlangt hatte, dass die Bedeutung des NIOO-KNAW als international tätige Forschungsstätte am Bauwerk ablesbar sein sollte. Dominierende Baustoffe des lichtdurchfluteten Gebäudes sind Stahl, Glas und Holz – durch die Bank Materialien, die sich später einmal wiederverwenden lassen. Der Gebäudekern wurde aus einem Beton gefertigt, der ohne sonst übliche synthetische Zusätze auskommt. Das verbaute Holz stammt aus der Region. Dank einer Hitze-Druck-Behandlung ist es genauso witterungsbeständig wie Tropenholz, sodass auf chemische Imprägnierung verzichtet werden konnte. Damit sind im NIOOKNAW zwei Leitsätze des Cradle-to-Cradle-Prinzips in Reinkultur verwirklicht: Giftfreiheit und Wiederverwendbarkeit der Materialien. Cradle-to-Cradle, kurz C2C, zu Deutsch „Von der Wiege zur Wiege“, ist ein Prinzip, das vor 15 Jahren vom amerikanischen Architekten William McDonough und dem deutschen Chemiker und ehemaligen Greenpeace-Aktivisten Michael Braungart entwickelt wurde. Kurz zusammengefasst bedeutet
Fotos: Sebastian van, Damme, Henk Jans/NIIO-KNAW
Von Hartmut Netz
BAURECYCLING
es, Güter so zu produzieren, dass sie sich später rückstandsfrei in ihre Bestandteile zerlegen lassen und zu Rohstoffen für neue Produkte werden: „Produkte sollen in Stoffkreisläufen immer wieder genutzt werden, sodass es keinen unnützen Abfall, sondern am Ende der Nutzungszeit nur weiterhin nutzbare Rohstoffe gibt“, erläutert Braungart das Konzept. „Cradle-to-Cradle bedeutet, Produkte zu entwickeln, die nicht nur unschädlich für Mensch und Natur sind, sondern auch eine positive Wirkung entfalten.“ Steigende Rohstoffkosten McDonough und Braungart haben für ihr Konzept den Begriff der Öko-Effektivität geprägt: Im Gegensatz zur Öko-Effizienz, die mehr Qualität mit geringerem RessourcenEinsatz propagiert, beschreibt Öko-Effektivität Produkte als Teil geschlossener Kreisläufe. Vorbild ist die Natur, die keinen Abfall, sondern nur Nährstoffe kennt. Pflanzen und Tiere seien nicht öko-effizient, aber sie seien ökoeffektiv, erläutert Braungart: „Ein Kirschbaum bringt Tausende Blüten und Früchte hervor, ohne die Umwelt zu belasten. Im Gegenteil: Sobald sie zu Boden fallen, werden sie zu Nährstoffen für Tiere, Pflanzen und Boden in der Umgebung.“ Sparen, Vermeiden oder Reduzieren, wie es das Konzept der Öko-Effizienz propagiert, wird damit überflüssig, denn alles ist nützlich. Ähnlich funktionieren C2CProdukte: kein Abfall, keine Schadstoffe, kein Ressourcenverlust – so die Theorie. Bei der Theorie hat es Braungart nicht belassen: Der Chemiker gründete die EPEA Umweltforschung, ein Institut, das Produkte zertifiziert, die nach dem C2C-Prinzip gefertigt wurden. Rund 600 Erzeugnisse umfasst die Palette, darunter Reinigungsmittel, Kleidung, Kinderspielzeug, Kosmetik, Elektrogeräte und Bürobedarf. Auch in der Bauwirtschaft beginnt das C2C-Prinzip Fuß zu fassen. Auf dem Markt sind C2C-Bodenbeläge und Fassaden-Elemente; Fenster und Türen, die sich am Ende ihrer Lebenszeit leicht zerlegen und wiederverwerten lassen; ein vollständig recycelbarer Bauschaum aus nachwachsenden Rohstoffen und eine Gebäudedämmung aus verarbeitetem Holz: „Bis zum Jahresende wird es für jedes Gebäude-Element mindestens einen Hersteller geben, der C2C-Produkte anbietet“, sagt Peter Mösle, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Drees & Sommer. Die Baubranche hat einen Paradigmenwechsel bitter nötig, denn ihr Hunger nach
Ressourcen ist gewaltig: Die europäische Bauwirtschaft verbrauche rund die Hälfte aller verfügbaren Rohstoffe, sagt Mösle und beruft sich auf Zahlen der Vereinten Nationen. Das Problem dabei: All die Rohstoffe, die beim Bauen in großen Mengen benötigt werden, stellt die Erde nur begrenzt zur Verfügung. Eines nicht allzu fernen Tages wird auch die letzte Lagerstätte erschöpft sein. Das treibt die Preise: Bereits heute litten 85 Prozent der Baubetriebe unter steigenden Rohstoffkosten, heißt es in einer Analyse von Drees & Sommer. Im KREISLAUFWIRTSCHAFT VON STAHL IM BAUGEWERBE
Reduktion im Hochofen
Erzabbau und -aufbereitung
Stahlerzeugung/ Produktphase ng
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Stahlschrott sortieren und aufbereiten
Bauphase ng
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Lebensende/ Gebäuderückbau
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Nutzungsphase Quelle: bauforumstahl
Hochbau liege der Materialkosten-Anteil derzeit bei 22 Prozent der Brutto-Produktionskosten – Tendenz steigend. Für Peter Mösle liegt die Lösung im Cradleto-Cradle-Prinzip: Durch C2C werde ein Gebäude zum Rohstofflager, das verbaute Materialien über die Nutzungszeit speichere und am Ende für die Produktion neuer Baustoffe wieder freigebe, sagt der Bau-Experte. Zudem erhöhe der spätere Nutzen als Rohstofflager den Wert der Immobilie: „Bezieht man das in die Wertermittlung ein, ergibt sich ein Mehrwert von bis zu 10 Prozent“, sagt Mösle. Für die Hersteller werden dadurch völlig neue Geschäftsmodelle möglich. Das niederländische Unternehmen Desso hat beispielsweise einen recycelbaren Teppichboden ent-
wickelt, den die Kunden leasen können. Desso verlegt den Teppichboden und übernimmt während der Nutzungszeit Reinigung und Pflege. Anstatt den Teppichboden zu besitzen, nimmt der Kunde also lediglich eine Dienstleistung in Anspruch. Am Ende der Nutzungsdauer entfernt Desso den Teppichboden, recycelt ihn, und der Kreislauf beginnt von Neuem. Schrauben statt schweißen Aber ist es überhaupt möglich, ganze Gebäude in geschlossenen Kreisläufen zu bauen? Venlo, eine 100.000-Einwohner-Stadt in den Niederlanden, hat es mit dem Bau ihrer neuen Gemeindeverwaltung versucht – mit beachtlichem Ergebnis. Die Südfassade besteht aus wiederverwertbarem Aluminium, die Nordfassade ist größtenteils begrünt, schützt somit vor Hitze und reinigt die Luft. Die großzügig dimensionierten Fenster lassen das Tageslicht möglichst tief ins Gebäude eindringen und beschränken so den Einsatz von Kunstlicht auf ein Mindestmaß. In die Fassade eingelassene Solarpaneele liefern die Energie für Strom und warmes Wasser. Bodenbeläge, Bürostühle und Schreibtisch-Oberflächen sind C2C-zertifiziert und somit zu 100 Prozent recycelbar. Das Abwasser aus Waschbecken und Teeküchen wird in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und dient danach als Spülwasser für die Toiletten. Zusatznutzen der Kläranlage, die im Grunde nichts anderes ist als ein mit dichtem Schilf überwuchertes Wasserbecken: Sie bietet vielen Tierarten Nahrung und Unterschlupf. Noch steht das Bauen in geschlossenen Kreisläufen am Anfang. Denn die Bauwirtschaft, eine traditionell eher konservative Branche, fremdelt mit den neuen Ideen. Doch der Münchner Architekt Werner Lang, der an der Technischen Universität energieeffizientes und nachhaltiges Bauen lehrt, ist optimistisch: „Cradle-to-Cradle bedeutet ja nicht, dass sich die Abläufe auf der Baustelle grundlegend ändern müssen“, sagt er. Allerdings werde stärker mit Fertigbauteilen und möglichst ausschließlich mit lösbaren Verbindungen gearbeitet: „Auf C2C-Baustellen wird nicht geschweißt und geklebt, sondern geschraubt und genietet“, sagt Lang. Um das spätere Zerlegen von Bauteilen zu erleichtern, würden zudem Inhaltsstoffe und technische Beschaffenheit in Bauteilpässen erfasst: „C2CGebäude sind nicht nur besser gebaut als konventionelle, sie haben auch einen positiven ökologischen Fußabdruck.“ LUX 03_ 2015
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SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER DAIKIN AIRCONDITIONING GERMANY GMBH
Grüner schlafen Für seine technischen Innovationen in Sachen Energieeffizienz wurde DAIKIN schon mehrfach ausgezeichnet. Mit seiner aktuellen Initiative „FOR F.R.E.E.“ will der Hersteller von Kälte-, Heizund Klimatechnik dazu beitragen, dass in der Hotellerie weniger CO2 emittiert wird.
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Auf fossile Energieträger verzichten Dafür will das japanische Unternehmen, das seit über 90 Jahren Klimaanlagen, Kühltechnik und Wärmepumpen produziert, den Beweis erbringen und hat die Initiative „FOR F.R.E.E – Förderprojekt Regenerative Energie-Effizienz“ ins Leben gerufen. Gesucht wurde ein Hotelprojekt, dessen Betreiber Nachhaltigkeit und Energieeffizienz schon bei der Planung berücksichtigen und das dafür von DAIKIN kostenlos mit einem maßgeschneiderten Konzept für Klima, Kälte, Lüftung und Heizen belohnt wird. Über 50 Projekte hatten sich bewor18 LUX 03_ 2015
ben, im Juni hat die Fachjury ihre Entscheidung der Öffentlichkeit vorgestellt: der VierSterne-Hotelneubau ARBOREA HOTELS & RESORTS auf dem Gelände der ancora Marina in Neustadt in Schleswig-Holstein. „Mit dem Hotelneubau-Projekt haben wir den idealen Partner gefunden, um zu zeigen, wie heute schon maximale Energieeffizienz und niedrige Energiekosten realisierbar sind“, erklärt Gamst. In dem 288-Betten-Hotel sollen Produkte von DAIKIN zum Einsatz kommen, die es ermöglichen, weitgehend auf fossile Energieträger zu verzichten. So könnte eine moderne Wärmepumpe die Außenluft als Energiequelle nutzen. Über Touchscreens lässt sich diese Wärmeanlage vom Hotelpersonal so steuern, dass nicht belegte Zimmer nicht beheizt oder gekühlt werden, außer bestimmte Temperaturgrenzen werden nicht eingehalten. Der Gast kann, sobald er das Zimmer betritt, die Raumtemperatur in einem vordefinierten Rahmen
DAIKIN Geschäftsführer Gunther Gamst
individuell einstellen. Einen großen Beitrag zur Energieeinsparung leistet eine intelligente Wärmeverschiebung. Abwärme aus der Kühlung wird nicht einfach nach draußen geblasen, sondern zur Beheizung anderer Bereiche genutzt. Bei den Nebenflächen wie Restaurant, Frühstücksbereich und Kühl- und Tiefkühltechnik sind bis zu 30 Prozent weniger Energiekosten möglich dank einer sehr sparsamen DAIKINVerbundanlage zur Kühlung von Lebensmitteln. Diese deckt den gesamten Kühlbedarf von der Lebensmittellagerung über das Frühstücksbuffet bis zur Getränkekühlung ab. Investitionen rechnen sich doppelt Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. Während des laufenden Hotelbetriebs werden kontinuierlich alle Verbrauchsdaten erhoben, von Wissenschaftlern ausgewertet und veröffentlicht. Mit diesen Zahlen möchte DAIKIN die Branche dazu anregen, schon bei der Planung eines Hotels die Systemtechnik so aufeinander abzustimmen, dass später eine optimale Energieeffizienz gewährleistet ist. Die dafür nötigen Investitionen rentieren sich doppelt: zum einen durch geringere Energiekosten, zum anderen als Kundenwerbung. Gunther Gamst ist sicher: „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit werden Argumente für Hotelgäste sein, sich für ein Hotel zu entscheiden.“
Fotos: DAIKIN, ARBOREA HOTELS & RESORTS
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er ein Hotelzimmer bucht, zahlt nicht nur für ein Bett, sondern auch für Komfort und Behaglichkeit. Und je höher der Komfort, umso höher auch die Kosten für die Übernachtung. Das ist ein faires Geschäft. Anders sieht es mit dem Preis aus, den Klima und Umwelt zahlen, denn das Hotelgewerbe ist eine sehr energieintensive Branche und verursacht hohe CO2-Emissionen. Heizung, Warmwasser und Kühlung machen den Löwenanteil von über 60 Prozent aus. Dass es hier ein riesiges Einsparpotenzial gibt, hat auch Gunther Gamst erkannt, Geschäftsführer DAIKIN Airconditioning Germany: „Wenn man von Anfang an bei der Planung die Systemtechnik aufeinander abstimmt, kann mehr eingespart werden, als man denkt. Wir gehen von 40 bis 50 Prozent aus.“
Die Energiewende – ein gutes Stück Arbeit.
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NACHHALTIGES BAUEN
Solarpaneele auf dem Dach und an der Fassade, eine Wärmepumpe und eine hocheffiziente Wärmedämmung sollen dafür sorgen, dass das Mietshaus im Frankfurter Gallus-Viertel im Jahresverlauf einen Energieüberschuss erwirtschaftet.
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NACHHALTIGES BAUEN
Wohnen im Kraftwerk Gebäude, die mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen, sollen die Zukunft des Wohnungsbaus sein. Bisher wurden nur einige Einfamilienhäuser in diesem Standard gebaut, nun gibt es in Frankfurt am Main das erste Plus-Energie-Mietshaus mit 74 Wohneinheiten. Von Christoph Silvester
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Fotos: Pelkmann/AGB (2), Barbara Staubach (2)
s ist das erste große Mietshaus in Frankfurt, das mehr kann, als nur Energie sparen. Der Neubau der städtischen Wohnbaugesellschaft ABG ist sein eigenes Heizkraftwerk, er erzeugt mehr Energie, als die Bewohner verbrauchen. Über 1.300 Solarpaneele an der Fassade und auf dem Dach des Wohnblocks in der Speicherstraße im Frankfurter Gallus-Viertel sorgen dafür, dass die Lichter in den Wohnungen nicht ausgehen. Der erzeugte Solarstrom wird in einer Batterie im Keller gespeichert und versorgt die Mieter auch nachts. Eine solarbetriebene Wärmepumpe, die als Wärmequelle den nahegelegenen Abwasserkanal nutzt, erzeugt Wärme und Warmwasser.
Vom Verbraucher zum Erzeuger Der Neubau mit 74 Wohnungen kombiniert eine hocheffiziente Wärmedämmung mit regenerativer Energieerzeugung und moderner Gebäudetechnik. Ein Display informiert die Mieter, ob das Haus gerade einen Energieüberschuss liefert. Erzeugung und Verbrauch sollen aufeinander abgestimmt werden, ohne dass die Mieter sich einschränken müssen. Der eigenerzeugte Strom soll im Haus verbraucht, der externe Strombezug aus dem öffentlichen Netz möglichst gering gehalten werden. Mit den Stromüberschüssen aus der Batterie können die Mieter fünf Elektro-Pkw betanken, die ein Carsharing-Anbieter im Erdgeschoss des nicht unterkellerten Gebäudes bereithält. „Dieser innovative Neubau schafft nicht nur notwendigen bezahlbaren Wohnraum, sondern übertrifft schon jetzt die hohen klima- und energiegerechten Anforderungen, die die EU
ab 2021 für neue Wohngebäude vorsieht“, sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks bei der Einweihung. Die EU-Vorgaben verlangen, dass ab 2021 nur noch energiesparende Wohngebäude gebaut werden dürfen, die zudem in wesentlichen Teilen mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Das Mietshaus der ABG gehört zum Forschungsnetzwerk Effizienzhaus Plus, in dem derzeit etwa 30 Modellprojekte gefördert und wissenschaftlich begleitet werden. Das Plus macht dabei den Unterschied:
„Das Haus zeigt, was heute schon alles möglich ist.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel
Noch gilt das sogenannte Passivhaus mit dick verpackten Außenwänden, dreifach verglasten Fernstern und zwangsgelüfteten Innenräumen als Stand der Technik. Doch Häuser, die im neuen Standard Energieeffizienzhaus Plus errichtet werden, haben den Schwenk vom Energie verbrauchenden zum Energie erzeugenden Gebäude vollzogen. Ein Konzept, das Experten für die Zukunft des Bauens halten. Als Prototyp gilt ein zweistöckiges Gebäude im Zentrum von Berlin. Moderne Dämmtechnik schützt das Einfamilienhaus mit 136 Quadratmetern Wohnfläche vor Kälteeinfall. Solarzellen an der Fassade und auf dem Dach erzeugen den Strom für Beleuchtung, Hausgeräte und Wärmepumpe. Im Jahreslauf soll
das Haus etwa 16.000 Kilowattstunden (kWh) Strom produzieren. Um alle Wohnbedürfnisse zu decken, sind laut Bundesbauministerium 10.000 kWh ausreichend. Das Haus zeige, was schon heute alles möglich sei, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Einweihung im Dezember 2011. Die Technik, die verbaut wurde, ist zwar hochmodern, doch durch die Bank bereits erprobt und am Markt erhältlich. Neu ist die Idee, alle diese Technologien in einem einzigen Gebäude zu vereinen und so einen Überschuss an Energie zu erwirtschaften. Geht es nach der Bundesregierung, wird das Energieeffizienzhaus Plus bei neu gebauten Wohnhäusern über kurz oder lang zum Standard. Das 2012 dafür aufgelegte Förderprogramm liegt derzeit jedoch auf Eis. Noch überwiegend Einfamlienhäuser Bei den bislang etwa 30 realisierten Plusenergie-Häusern handelt es sich fast ausschließlich um Einfamilienhäuser, etwa in BuchenHollerbach, einem Dorf im Odenwald. Das zweistöckige Gebäude bezieht seinen Strom von einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Die Energie für Heizung und Warmwasser liefert eine Erdwärmepumpe. Die zentrale Lüftungsanlage sorgt für frische Luft in den Wohnräumen. Der überschüssige Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Herzstück der Haustechnik ist die digitale Steuerung, die den Energieverbrauch im Haus überwacht und – je nach Bedarf – Komponenten zu- oder abschaltet. So oder so ähnlich sind die meisten Plusenergiehäuser konzipiert. Meist kommt noch ein Pufferspeicher für die Heizungsanlage hinzu. LUX 03_ 2015
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NACHHALTIGES BAUEN
Ein Plusenergiehaus deckt den gesamten Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser, Pumpen, Ventilatoren, Beleuchtung und Haushaltsgeräte aus eigener Kraft. Damit ist es eine Fortentwicklung des Passivhauses, das höchstens 1,15 kWh Heizwärme pro Quadratmeter verbrauchen darf und dessen Wärmebedarf überwiegend aus passiven Quellen wie Sonnenstrahlung oder Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt wird. Das schafft ein Plusenergiehaus auch, produziert darüber hinaus jedoch einen Energieüberschuss, der
gespeichert werden kann. Einige Konzepte von Passivhäusern mit Energiegewinn streben sogar an, mit dem Überschuss die Herstellungsenergie des Gebäudes wieder hereinzuholen. Beim Plusenergiehaus handelt es sich somit um ein Passivhaus, das sozusagen aktiviert wurde. Einer der wichtigsten Protagonisten des neuen Gebäudestandards ist der Architekt Manfred Hegger, der auch das ABG-Haus im Frankfurter Gallus-Viertel entworfen hat. Bei einem energetisch gut entworfenen Haus falle die Heizenergie kaum noch ins Gewicht, sagt Hegger.
EIN DICKES PLUS FÜR DIE MIETER
13,2 Fassade Flächenbezug nach EnEV: 8.812 m2
74,9 Dach
3,9 Elektromobilität
35,3 Haushaltsstrom
8,0 Lüftung 3,1 Hilfsstrom 12,5 Trinkwasser (warm) 9,8 Heizen
FotovoltaikErtrag
Bedarf
Quelle: Wohnungsbaugesellschaft ABG
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ÜBERSCHUSS
Primärenergie Jahresbilanz (kWh/(m2*a))
Primärenergie-Überschuss: etwa 28 Prozent
Die größte Rolle in der Energiebilanz spiele die elektrische Energie. Plusenergiehäuser bilanzieren Erzeugung und Verbrauch übers Jahr. Soll die Energiebilanz am Jahresende ein Plus aufweisen, müssen die Hausgeräte Strom sparend arbeiten. „Würden wir nicht Geräte mit dem höchsten Standard einsetzen, wäre eine positive Bilanz nicht zu schaffen“, ist Hegger überzeugt. Strom sparende Geräte sind ein Muss Beim Bau eines kleineren Mietshauses im Gallus-Viertel hat die städtische Wohnbaugesellschaft ABG dieses Prinzip im vergangenen Jahr angewandt. Um den Stromverbrauch niedrig zu halten, gehören in allen 17 Wohnungen des Gebäudes Cordierstraße Strom sparende Kühlschränke, Geschirrspüler und Waschmaschinen der höchsten Effizienzklasse A+++ zur Grundausstattung. An den Zimmerdecken wurden energiesparende Lampen vorinstalliert. Die Mieter können jedoch ihre eigenen Lampen daneben hängen. Strom und Wärme liefern auf dem Dach, an der Fassade und auf dem Carport montierte Solarpaneele. Zusätzlich wurde ein Batteriesystem mit 37 kWh Speicherkapazität eingebaut, das in Zeiten mit hoher Sonneneinstrahlung den Stromüberschuss speichert und dann ins Stromnetz des Hauses einspeist, wenn die Sonne mal nicht scheint. Laut ABG sind die Baukosten für ein Mietshaus im Effizienzhaus Plus-Standard rund zehn Prozent höher als bei einem Wohngebäude, das die Standards der geltenden Energieeinsparverordnung erfüllt. Beim Bau energieeffizienter Häuser hat die städtische Wohnbaugesellschaft inzwischen einige Erfahrungen sammeln können. Das gut gedämmte Passivhaus sei für die ABG Standard, sagt deren Geschäftsführer Frank Junker. Nun wolle man weiterdenken. Frankfurt ist dafür der geeignete Nährboden. Denn ein Beschluss des Stadtparlaments schreibt vor, dass alle stadteigenen und städtisch genutzten Neubauten zumindest den Passivhaus-Standard erfüllen müssen. Damit liegt Frankfurt auf EU-Linie: „Die Europäische Union hat vorgegeben, dass ab dem Jahr 2021 alle Neubauten als Niedrigenergie- oder Nullenergiehäuser gebaut werden“, sagt Marc Großklos vom Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt. Deshalb sei die Weiterentwicklung von Plusenergiehäusern wichtig: „Die Geschichte zeigt, dass neue Techniken immer im Neubau entwickelt und erst dann auf den Bestand übertragen wurden.“ Bis zum Plusenergiehaus als allgemeingültigem Standard ist es also noch ein weiter Weg.
SONDERVERÖFFENTLICHUNG: HEIZEN IM GRÜNEN BEREICH, EINE KAMPAGNE DES BUNDESVERBANDES WÄRMEPUMPE (BWP) E. V.
Mehrwert durch Wärmepumpe Neues Energielabel: Ab September sehen Verbraucher auf einen Blick, welche Heizgeräte besonders sparsam im Verbrauch sind. Wärmepumpen schneiden im Energieeffizienz-Vergleich sehr gut ab.
gemeinsamen Energieeffizienzskala ein. Für eine Dauer von vier Jahren erstreckt sich die Skala von Klasse A++ bis Klasse G, ab 2019 von A+++ bis D. Wärmepumpen schneiden im Vergleich besonders gut ab. „Aufgrund der hohen Effizienz erreichen sie problemlos die oberen Labelklassen“, erklärt Karl-Heinz Stawiarski, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe e. V. (BWP).
den. Vorteil für den Verbraucher: Die Energieeffizienz verschiedener Heizungen kann nun erstmals direkt miteinander verglichen werden. Beim Kauf von Kühlschränken oder Waschmaschinen gehören Energielabel seit Jahren zum Alltag. Die bunten Etiketten kennzeichnen den Energieverbrauch von Elektrogeräten und helfen, deren Effizienz auf einen Blick einzuordnen. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Produkte mit der Energieeffizienzklasse A+ und besser besonders umweltfreundlich und kostengünstig sind. Dieses System wird nun auch auf Heizgeräte übertragen. Überall dort, wo der Preis oder technische Informationen zum Produkt erscheinen, muss künftig auch die Energieeffizienzklasse angegeben werden.
Orientierung beim Heizungskauf Den Sprung in die oberen, dunkelgrünen Energieklassen können auch konventionelle Anlagen schaffen. Allerdings nur, wenn sie mit einer oder mehreren Zusatzkomponenten in einer Verbundanlage kombiniert werden. Diese erreichen dann in der Regel höhere Effizienzen als die reinen Wärmeerzeuger. Ein Brennwertkessel, der alleinstehend maximal einen A-Wert erreichen würde, könnte in Verbindung mit einem Temperaturregler und einer Solaranlage eine höhere Energieeffizienz erreichen. Fazit: Das neue EU-Energielabel bietet Hausbesitzern, die in umweltfreundliche und energieeffiziente Heizungsanlagen investieren wollen, künftig wertvolle Anhaltspunkte bei der Auswahl und schafft Orientierung. „Als Hausbesitzer haben wir eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und unseren Kindern“, stellt BWP-Geschäftsführer Stawiarski fest. „Es darf nicht sein, dass wir Badezimmer und Küche periodisch auf den aktuellsten Stand bringen und die Heizung sträflich vernachlässigen.“
Wie funktioniert‘s? Das neue EU-Energielabel ordnet die Nutzungsgrade verschiedener Warmwasserspeicher, Heizgeräte und -systeme in einer
Infos unter www.waermepumpe.de www.heizen-imgruenen-bereich.de
Die Wahl der Heizungsanlage ist von großer Bedeutung: Sie entscheidet über den Wert einer Immobilie mit.
Foto: Viessmann Werke
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in Wohnhaus kann noch so schön und behaglich sein: Wenn im Keller die dreißig Jahre alte Heizung bullert, mindert das nicht nur den Wohnkomfort erheblich. Es ist auch schlecht für die Umwelt und verschlingt viel Geld. Bis zu 85 Prozent der gesamten Energie im Haushalt werden zum Erwärmen von Raum und Wasser verbraucht. Während Bad oder Küche auch nachträglich noch mit einfachen Mitteln aufgerüstet und aktuellen Moden angepasst werden können, ist die Heizung fest mit dem Haus verbunden. Es lohnt sich daher, frühzeitig zu prüfen, welche Heizsysteme für den eigenen Bedarf optimal geeignet sind. Für Hausbesitzer, die mit Blick auf die niedrigen Zinsen und hohe Investitionszuschüsse des Marktanreizprogrammes in eine hochwertige Heizungsanlage investieren wollen, wird die Auswahl von Heizgeräten ab Herbst sehr viel leichter. Vom 26. September 2015 an müssen Heizgeräte und Warmwasserspeicher mit einem neuen EU-Energielabel gekennzeichnet wer-
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SCHIMMELGEFAHR
Das Wasser muss raus Ein Horror für jeden Mieter und Hausbesitzer: Schimmelpilze. Sie zerstören die Bausubstanz und sind schlecht für die Gesundheit. Selbst Neubauten können betroffen sein.
Von Hartmut Netz
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uerst glänzt irgendwo ein nasser Fleck. In einer Ecke oder an der Wand neben dem Fenster hat sich Feuchtigkeit niedergeschlagen und will partout nicht mehr trocknen. Färbt sich der Fleck dunkel, sind sie da, die Schimmelpilze. Und breiten sich aus. Zwei von drei Haushalten sind betroffen, hat die Stiftung Warentest in einer – allerdings nicht repräsentativen – Umfrage ermittelt. Ihre Blütezeit haben die Sporenträger im Winter. Selbst Neubauten sind nicht gefeit gegen Schimmelpilzbefall. In rund der Hälfte aller Neubauten hierzulande steckt der Schimmel, hat der Verband Privater Bauherren (VPB) festgestellt. Wie kann das sein? Zumindest in
modernen, nach den neuesten Standards erbauten Wohngebäuden müsste die Gefahr von Schimmelschäden doch eigentlich ausgeschlossen sein, sollte man meinen. Schimmelpilz kann krank machen Die Schadensbilder sind dabei so vielfältig wie der Pilz selbst. Er befällt Putz, Pressspan, Gipskarton und Holzbalken. Selbst mineralischen Baustoffen kann er übel zusetzen. Sein Futter sind organische Bestandteile in Klebern, Farben und Tapeten. Wird er nicht rechtzeitig beseitigt, zerstört er ganze Bauteile. Holzrahmen zersetzen sich, Möbelrückwände werden zerfressen, in Fensterlaibungen bröselt der
Foto: Jamie Grill Photography/Tetra Images/Corbis
Durchzug schaffen: Frische Luft ist das bewährte Mittel gegen Schimmelpilze.
SCHIMMELGEFAHR
Auch Neubauten sind betroffen Doch wie entsteht Schimmel? „Im Grunde gibt es immer nur eine einzige Ursache“, sagt Hans Schröder, Architekt und VPB-Sachverständiger in Augsburg. „Und das ist Feuchtigkeit.“ Schimmelpilze sind Mikroorganismen, die in der Natur in riesiger Artenvielfalt vorkommen. Sie vermehren sich über winzige Sporen, die sie in großen Mengen produzieren und die für das bloße Auge unsichtbar überall in der Luft schweben. Zur Schimmelbildung benötigen Sporen Nährstoffe und eine feuchte, nicht zu kalte Umgebung. Beides ist vor allem in schlecht belüfteten Wohngebäuden im Übermaß vorhanden. Betroffen sind nicht nur Altbauten. Schimmel wächst auch in energetisch sanierten Häusern und in frisch bezogenen Neubauten. Selbst energiesparende Passivhäuser, in denen Lüftungsanlagen für kontinuierlichen Luftaustausch sorgen, werden von Schimmelbefall heimgesucht. Schuld in solchen Fällen ist meist die sogenannte Baufeuchte, die so hoch sein kann, dass selbst automatische Lüftungsanlagen ihrer nicht Herr werden. „Trockenwohnen“ – das war einmal „Man darf nicht vergessen, dass in einem Neubau noch sehr viel Feuchtigkeit steckt“, sagt Schröder. „Maler, Putzer, Estrichleger – alle arbeiten mit Wasser.“ Bei den heute üblichen kurzen Bauzeiten sei es unmöglich, eine Baustelle trocken zu bekommen. „Früher hat man im ersten Jahr den Rohbau errichtet und erst im Jahr darauf den Innenausbau fertiggestellt“, sagt der Bauexperte. Heute dagegen werde auf die Winterpause verzichtet: „Ein Haus wird innerhalb eines halben Jahres hochgezogen, ausgebaut und bezogen.“ Doch bis das in den Baustoffen enthaltene Wasser verdunstet sei, brauche es viele Monate. „Es dauert bis zu vier Jahre, bis ein betonierter Keller wirklich trocken ist“, erläutert Schröder. Erschwerend kommt hinzu, dass auf vielen Baustellen
„Es braucht Monate, bis das in Baustoffen enthaltene Wasser verdunstet ist.“ Hans Schröder, Architekt
der Rohbau nur unzureichend oder gar nicht gegen Regen, Schnee und Eis geschützt wird. Gelingt es nicht, vor Wintereinbruch das Dach aufzusetzen und die Fenster einzubauen, sollten Durchbrüche, Treppenausschnitte und Fensterhöhlungen eigentlich mit Wetterfolie verschlossen werden. Sonst wird der Rohbau bis in den Keller durchnässt. Aber eine ordentliche Abdichtung oder gar ein festes Notdach kosten Geld: „Bauunternehmer wollen möglichst kostengünstig bauen“, sagt Schröder. Und so kommt es, dass in einem frisch bezogenen Neubau pro Quadratmeter Wohnflä-
che bis zu 90 Liter Wasser stecken können. In früheren Zeiten hat man für die ersten Jahre nach Bezug den Ausdruck „Trockenwohnen“ geprägt und allen Beteiligten war klar, dass in dieser Zeit mehr geheizt und gelüftet werden musste als sonst. Doch dieses Wissen ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Weitere Faktoren für Feuchtigkeit sind Planungsfehler und Pfusch am Bau. In einer Untersuchung des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik (AIBau) heißt es, ein Drittel aller Schimmelschäden in hochwärmegedämmten, luftdichten Neubauten sei auf Abdichtungs- und Installationsmängel sowie auf rissige Sanitärfugen zurückzuführen, ein weiteres Drittel auf sogenannte Wärmebrücken. So bezeichnen Fachleute einzelne Bauteile, die Wärme schneller nach draußen ableiten als umliegende. Typische Stellen sind schlecht gedämmte Fensterstürze, Fensterlaibungen oder auskragende Betonteile. Besonders kritisch sind Ecken, denn hier sind die kalten Außenflächen im Vergleich zu den warmen Innenflächen beson-
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Putz. Auch für den Menschen können Schimmelpilze gefährlich werden. Zahlreiche Studien legen einen Zusammenhang zwischen Schimmelpilzen und Atemwegsbeschwerden nahe. Außerdem kann der Pilz Allergien auslösen. „Gesunde Menschen sind allerdings eher wenig betroffen“, sagt Michael Koswig, SchimmelExperte der Stiftung Warentest. „Die Hauptprobleme drohen bei Personen mit geschwächtem Immunsystem sowie bei Allergikern.“
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SCHIMMELGEFAHR
Richtiges Lüften ist schwer geworden In früheren Zeiten sorgten zugige Fenster und rissige Wände für kontinuierlichen Luftaustausch und hielten damit die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung niedrig – kein Klima, in dem sich Schimmelpilze wohlfühlen. Doch seit der Wärmeschutzverordnung von 1995 müssen Neubauten „winddicht“ sein. Winddurchlässige Bauteile gelten seitdem als Mangel. Das hat neue Probleme mit sich gebracht, denn wer in einem nach 1995 gebauten Haus zu wenig lüftet, riskiert massiven Schimmelbefall. Kein Wunder, dass das AIBau für ein weiteres Drit-
tel aller Schimmelschäden in Neubauten Lüftungsfehler verantwortlich macht. „Dabei wird kaum auf mangelhafte Lüftungsmöglichkeiten, sondern im Wesentlichen auf das Bewohnerverhalten abgestellt“, heißt es in der Untersuchung, die sich auf die Befragung von über 1.600 Bausachverständigen beruft. Um die Schimmelgefahr dauerhaft zu bannen, müsse über den Tag verteilt drei- bis viermal kräftig stoßgelüftet werden, raten Experten. Dabei sollte man möglichst gegenüberliegende Fenster öffnen, damit die frische Luft im Durchzug durch die gesamte Wohnung weht. Für Berufstätige, die die meiste Zeit nicht zu Hause sind, ist das nur schwer zu bewerkstelligen. Besseres Klima, weniger Schimmel „Die Bewohner heutiger hochwärmegedämmter Häuser sind oft außerstande, den nötigen Luftwechsel sicherzustellen“, sagt Schröder. Der Bauexperte rät in solchen Fällen zum Einbau einer mechanischen Lüftungsanlage. Eine solche Anlage führt verbrauchte, warme Raumluft ab und saugt aus dem Freien Frischluft an, die in einem Wärmetauscher mit der Wärme aus der Raumluft aufgeheizt wird. Mit steigender Temperatur sinkt die relative Feuchte. Die Frischluft wird quasi getrocknet und dann über ein Rohrsystem in der Wohnung verteilt. Die trockene Frischluft verbessert nicht nur das Raumklima, sondern minimiert auch die Schimmelgefahr. Und Schimmel in den Filtern oder im Rohrleitungssystem der Lüftungsanlage? Bei ordnungsgemäßem Einbau und richtiger Wartung kein Thema, sagt Schröder: „Die Filter in der Lüftungsanlage meines Hauses wechsele ich einmal pro Jahr. Das reicht.“
FÖRDERANGEBOTE ZUR ALTBAUSANIERUNG
Dämmung unterm Dach
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uf Hauseigentümer kommen in den nächsten Monaten gesetzliche Neuregelungen zu, die teuer werden können. Bis Ende 2015 müssen die obersten Gebäudedecken eines Hauses gedämmt sein, wenn sie nicht den Anforderungen an den Mindestwärmeschutz entsprechen. Dazu gehören laut Deutscher Energie-Agentur (dena) alle Decken beheizter Räume, die an ein unbeheiztes Dach-
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geschoss angrenzen. Nicht betroffen sind Hausbesitzer, die im eigenen Wohngebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten leben und das Haus vor dem 1. Februar 2002 bezogen haben. Wer die Anforderungen umsetzt, bekommt Geld vom Staat. Die KfW-Förderbank stockte den Höchstbetrag für Sanierungskredite um 25.000 Euro auf 100.000 Euro pro Wohneinheit auf und erhöhte den Tilgungszuschuss.
Wer künftig einen Sanierungskredit in Anspruch nimmt, kann so mehr als 10.000 Euro sparen. Auch andere Förderinstitute wie die landeseigene L-Bank in Baden-Württemberg und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unterstützen Eigentümer mit attraktiven Investitionskrediten. Infos unter www.zukunftaltbau.de und www.bafa.de.
Foto: Dennis Kunkel Microscopy, Inc./Visuals Unlimited/Corbis
Schimmelpilze vermehren sich über winzige Sporen, die überall in der Luft schweben. Für das Auge sind sie unsichtbar.
ders groß. Materialien, die Wärme besonders schnell abfließen lassen, sind Stahl und Beton. An Wärmebrücken kühlt sich die Raumluft ab. Dabei kondensiert die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit und schlägt sich auf dem Bauteil nieder. Ein Phänomen, das jeder kennt, der sich schon einmal an einem heißen Sommertag ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank geholt hat: An der warmen Luft perlt sofort ein dünner Feuchtigkeitsfilm auf der Flasche. Denn Luft enthält immer eine bestimmte Menge Wasserdampf, warme etwas mehr, kalte etwas weniger. Man spricht von relativer Luftfeuchte. Kühlt schwülwarme Luft ab, wird der sogenannte Taupunkt unterschritten und aus dem Wasserdampf bilden sich Tröpfchen. „Bei einer Raumtemperatur von 20 Grad und einer relativen Luftfeuchte von 60 Prozent, also bei einem Raumklima, das als behaglich empfunden wird, kondensiert Feuchtigkeit schon auf Bauteilen, deren Oberflächentemperatur unter 14,5 Grad liegt“, erläutert Bauexperte Schröder. Wird die Feuchtigkeit nicht rechtzeitig weggelüftet, setzen sich Schimmelpilze fest.
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SMART HOME
Die Geräte werden immer schlauer
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och sind sie nicht auf Deutschlands Straßen zugelassen. Doch spielen sie in den Szenarien des Verkehrs der Zukunft schon eine gewaltige Rolle. Moderne Autos sind längst in der Lage, selbst einzuparken und Ziele anzusteuern, während die Mitfahrer auf dem Hintersitz schlafen, Filme gucken oder den Laptop aufklappen. Allein: Sie dürfen noch nicht. So greift vielleicht vorübergehend erst einmal die Kfz-Versicherung, die ihre Police an den Fahrstil des Fahrers anpasst. Wer mit quietschenden Reifen bei Grün an der Ampel losfährt, hat Ende des Jahres weniger Geld auf dem Konto. An einzelnen Busstationen schon zu finden ist eine digitale Straßenkarte mit der sekundenaktuellen Position des nahenden Busses, ein Service, der auch als App denkbar ist. Intelligente Ampeln passen ihre Signale an den aktuellen Verkehr an und verbessern so den Verkehrsfluss.
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Bereitschaft der Kunden, entsprechende Services auch für ihren Alltag anzunehmen, mangelt es offenbar nicht. So haben sich in einer Umfrage der weltweiten Industrievereinigung der GSM-Mobilfunkanbieter GSMA vier von fünf der 2.000 weltweit Befragten dafür ausgesprochen, vernetzte Thermostate einsetzen zu wollen (79 Prozent). Fast ebenso viele zeigten sich interessiert an Smart Metern (78 Prozent), an vernetzten Autos (78 Prozent), zwei von drei Konsumenten an vernetzten Waschmaschinen (66 Prozent) und Smartwatches (65 Prozent).
Doch auch in anderen Bereichen ist das Internet der Dinge inzwischen nicht mehr wegzudenken und schleicht sich mehr und mehr in den Alltag hinein. Etwa in Form einer App als neuer Haustürschlüssel, als Smartwatch, die den Schlaf überwacht, als Skibrille, die möglicherweise schon bald Schneehöhen und Lawinengefahr im Brillenglas anzeigt. An der
Das Netzwerk kommuniziert ohne menschliches Zutun Das Internet der Dinge ist „ein Netzwerk, das aus identifizierbaren Endpunkten besteht, die ohne menschliches Zutun miteinander kommunizieren – und zwar via Internet“, definiert Mark Alexander Schulte, der sich beim Marktforscher IDC mit dem Thema beschäftigt. Beim fahrerlosen Auto – um beim obigen Thema zu bleiben – sind das unzählige Sensoren, die ihre Messwerte an das Cockpit des Fahrzeugs weitergeben. Das verarbeitet sie und entscheidet, wie das Auto sich
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weiter fortbewegt. Um nicht vom Weg abzukommen, zieht es Satellitendaten hinzu, die die aktuelle Position des Fahrzeugs ständig überprüfen. Steht es im Stau, gibt es diese Information automatisch an die folgenden Fahrzeuge weiter, die sich einen anderen Weg für die Weiterfahrt suchen. Das Geschäft mit dem kreativen Ausbau und der Kommunikation dieser „Endpunkte“ – besonders auch in den Bereichen Energie, Industrie und Gesundheit – bringt der Wirtschaft in Deutschland bereits in diesem Jahr gut 15 Milliarden Euro ein, für 2018 prognostiziert IDC bereits knapp 34 Milliarden Euro, 31 Prozent mehr als heute. Da sind zum einen die Telekommunikationsunternehmen, die ihre Netze zur Verfügung stellen, die Technologieanbieter für das Internet der Dinge, die Geräte mit Sensoren ausstatten, und nicht zuletzt Spezialisten für Big Data und Analyse, Unternehmen wie IBM oder SAP. Im Einfluss-Ranking ganz vorne liegen derzeit noch immer die Unternehmen Apple und Google, allerdings aus einer ganz unterschiedlichen Ausgangslage. „Apple hat eine einzigartige Marktposition, denn sie stellen von Notebooks, über Smartphones bis hin zur Smartwatch das
Fotos: Daimler, BMW, Apple; Illustrationen: istockphoto/Roman
Das Auto, das selbst fährt, Smart Meter, die den Stromverbrauch in der App anzeigen, oder die Smartwatch, die den Schlaf überwacht: Das Internet der Dinge schleicht sich unaufhaltsam in den Alltag.
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lyse der Daten hilft, etwa gezielt Spartipps zu geben. „Im Endeffekt wird das zu einer geringeren Stromrechnung führen“, ist sich IDCMann Schulte sicher – nicht zuletzt natürlich auch, weil der Blick aufs „Tacho“ beim Verbrauch den Kunden inzwischen auch via App sensibler macht, einem zusätzlichen Service.
gesamte Spektrum mobiler Endgeräte her“, erläutert Carlo Velten vom Beratungshaus Crisp Research. Über deren Plattform Homekit lassen sich diverse vernetzte Produkte für das intelligente Zuhause ansteuern, von Thermostaten über intelligente Thermometer bis hin zu Schließsystemen. Gegenspieler Google hingegen verfügt über mehr Daten und Services, hat vor einem Jahr den Konkurrenten Nest übernommen und verfügt mit seinem Betriebssystem Brillo zudem über eine Plattform, die in der Lage ist, Smart-Home-Geräte zu vernetzen. Big Data- und Analysespezialisten gehört die Zukunft Wer in den kommenden Jahren das Rennen macht, ist allerdings noch völlig offen. Denn gerade Unternehmen, die mit der großen Menge an Daten gut umgehen können, und jene, die interessante Services entwickeln, werden sich Marktchancen erkämpfen können – Unternehmen also, die die technische Infrastruktur nutzen und darauf aufsetzen. „Langfristig werden besonders die Big Data- und Analysespezialisten an Bedeutung gewinnen“, prognostiziert IDC-Analyst Schulte, „denn für die Kunden auf Unternehmensebene liegt der Wert vor allem in den neu gewonnenen Informationen.“ Energieversorger: über Apps mehr Wissen über den eigenen Verbrauch So bringen sogenannte Smart Meter, die per Funk den Energieverbrauch von Strom und Wasser in ein „Smart Grid“ weitergeben, dem Unternehmen weit mehr als etwas Arbeitserleichterung. Zwar müssen nun keine Termine mehr zu vereinbart werden, kein Ableser muss mehr vorbeikommen und Ablesefehler kommen nicht mehr vor. Dafür allerdings erhält der Energiedienstleister die exakten Verbrauchsdaten von Millionen Kunden. Auf Basis der neuen Informationen weiß er, wo viel Wasser und Strom verbraucht wurden. Eine Ana-
Industrie 4.0: die Daten der Sensoren für vorausschauende Wartung nutzen Auch die Sensoren in Maschinen bringen dem Hersteller Informationen, mit denen er einerseits neue Services schaffen, aber auch neue Geschäftsmodelle entwickeln kann. So statten etwa Produktionsunternehmen ihre Maschinen mit Sensoren aus und beugen so ihrem Ausfall in der Produktion vor. „Um herauszufinden, ob etwa ein Messer verschlissen ist, erfasst ein Laser dessen Schärfe und gibt diese Daten an ein Monitoringsystem weiter“, erläutert Schulte ein Beispiel aus dem Bereich Industrie 4.0. Das schlägt Alarm und
ein Servicetechniker wechselt rechtzeitig das abgenutzte Bauteil. Manche Hersteller gehen dazu über, dass sie komplexe Maschinen nicht mehr verkaufen, sondern dem Kunden zur Verfügung stellen und ausschließlich für die gelieferte Leistung bezahlt werden, etwa für die Anzahl gedruckter Blätter eines Kopierers oder die Kubikmeter komprimierter Luft eines Kompressors. Hier ist diese Art der vorausschauenden Wartung essenziell für das Geschäftsmodell. Und zwar auf Basis von Informationen, die bisher nicht zur Verfügung standen.
der neuesten Generation von Kaffeemaschinen ist es nicht egal, ob man Latte macchiato, Cappuccino oder einen heißen Kakao wählt. Sie analysiert den Verbrauch und gibt diese Daten an den Hersteller weiter. Stellt sich heraus, dass ein Trinkwunsch beim Konsumenten nicht so gut ankommt, kann er darauf schnell reagieren und neue Angebote unterbreiten. Das Zauberwort heißt Big Data. Denn je mehr Unternehmen die Kaffeemaschinen nutzen, umso mehr Daten kommen zusammen. Dann ist schnell klar, welcher Kaffee die Kunden zufrieden macht. Im Modell der Zukunft bezahlt der Kunde – das Unternehmen – dann auch „nur“ noch für die gelieferten und getrunkenen Tassen Heißgetränk. Das ist auch der Grund, weswegen Big Data immer wichtiger werden wird. Nach Angaben des Beratungshauses Crisp Research werden immer mehr Produkte mit entsprechenden Sensoren ausgestattet. Fünf bis acht Prozent der „Investitionsgüter für Endkunden“ seien inzwischen bereits sensorund softwarebasiert. „Dafür, dass sensorgestützte Geräte in Deutschland im Tagesgeschäft erst seit einem Jahr wirklich eine Rolle spielen, ist das kein übler Wert“, sagt der Vorstand von Crisp Research Velten. Das Internet der Dinge ist nicht mehr aufzuhalten.
Die Kaffeemaschine: das Angebot auf das Trinkverhalten abstimmen Selbst auf dem Büroflur kann sich das Internet der Dinge abspielen, unter dem Deckmantel der Kaffeemaschine etwa. Denn
1_F015, selbstfahrendes Elektroauto von Daimler 2_Smartwatch von Apple 3_MINI Augmented Vision, Datenbrille für Autofahrer
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FRAGE
Wann kommt der Haushaltsroboter? Die Roboter sind längst unter uns: Sie wuseln durchs Haus und saugen Staub oder mähen unermüdlich den Rasen. Bis sie auch aufräumen, Fenster putzen oder die Spülmaschine ausräumen können, ist es aber noch ein weiter Weg.
Von Katrin Lange
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Daniel Leidner vom DLR bei der Arbeit mit Rollin‘ Justin. Der Roboter erhält seine Befehle über Spracheingabe oder einen Touchscreen.
che Daten heute schon im Internet vorhanden sind, kann ich mir vorstellen, dass es auch ein Internet für Roboter geben wird. Mit den entsprechenden Daten können Roboter später viele Aufgaben selbstständig lösen.“ Von der Küche in den Weltraum Eine große Rolle bei der Arbeit mit Robotern spielt die Sicherheit. Industrie-Roboter, wie wir sie heute schon kennen, sind sehr groß, sehr schwer und sehr schnell. Da sie aber keine Kraftsensorik haben, gehören sie quasi „hinter Gitter“. Die Roboter des DLR sind dagegen mit Kraft- und Drehmomentsensoren ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, zwischen gewolltem und ungewolltem Kontakt zu unterscheiden. Bei einer Kollision schalten sie sich sofort „nachgiebig“, üben also keine Kraft mehr aus. Warum aber forscht das DLR überhaupt an Haushaltsrobotern? Für Daniel Leidner ist
der Begriff Haushaltsroboter zu eng gefasst, er spricht lieber von Servicerobotern, die überall einsetzbar sind: im Haushalt, in der Industrie oder in der Raumfahrt. „Haushaltsanwendungen sind als Experiment viel einfacher durchzuführen als Weltraumanwendungen in der Schwerelosigkeit. Und die Fähigkeiten, die ein Roboter dafür braucht, sind ähnlich bis gleich.“ So zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation: Diese müssen die Astronauten immer wieder verlassen, um Antennen und Kameras zu montieren oder Experimente auf- und abzubauen. Solche gefährlichen Aufgaben könnten in Zukunft Roboter übernehmen, genauso wie das Reinigen der großen Cupola der ISS. „Es kann durchaus vorkommen, dass ein Astronaut raus muss, um die Fensterscheiben von außen mit einem ,Space-Lappen‘ zu reinigen“, berichtet Leidner. Wenn das kein Job für Rollin‘ Justin ist – Fenster putzen kann er ja schon.
Fotos: DLR
o einen Alleskönner würde Daniel Leidner gerne mitnehmen, wenn er in 40 Jahren in Rente geht. Der Mitarbeiter am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) trainiert „Rollin‘ Justin“. Dieser humanoide Roboter kann schon Fenster putzen, eine Tasse spülen und fegen. Klingt nicht gerade aufregend, dahinter verbergen sich aber höchst komplexe Programmierungen und Technik. Das fängt bei den Händen an: „Wenn man Hände baut, ist es sehr anspruchsvoll, dem Menschen in seiner Geschicklichkeit nahezukommen“, so Leidner. „Welche Kräfte müssen beachtet werden? Wie verhält man sich bei Reibung? Das muss zudem mit den visuellen und auditiven ,Wahrnehmungen‘ des Roboters in Verbindung gebracht werden.“ Das sind alles Teilgebiete, an denen das DLR aktuell forscht. Leidners Bereich ist die künstliche Intelligenz. Schon heute können intelligente Systeme manche Optimierungsaufgaben schneller lösen als der Mensch, etwa die Erstellung optimaler Fahrpläne oder die Planung effizienter Produktions- und Distributionsabläufe. Übertragen auf die Robotik und Rollin‘ Justin bedeutet das zum Beispiel: „Ich bin ein Roboter und habe eine Küche vor mir. In welcher Reihenfolge und mit welchen Parametern kann ich die Küche so schnell und so gut wie möglich aufräumen und putzen?“ Einzelne Aktionen hat Leidner Rollin‘ Justin einprogrammiert, der Roboter kann diese dann sinnvoll aneinanderreihen. Allerdings nur in einem vorgegebenen Rahmen: „So wie ein Mensch von null auf zu lernen, ist sehr schwierig“, schränkt Leidner ein, „man muss ihm etwas vorgeben.“ Rollin‘ Justin verfügt über eine Datenbank mit Objekten, die im Haushalt zu finden sind. Wenn er Fenster putzen soll, weiß er, wie groß der Wischer und die Fensterscheiben sind, er weiß, wie stark er drücken muss. „Aber wenn ich mir anschaue, wel-
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