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Der Balkan als Bewährungsprobe für ein geopolitisches Europa
Von Srđjan Cvijić und Dimitar Bechev
Im Jahr 2006 verkündete der damalige EU-Chefdiplomat Javier Solana, dass es die Aufgabe Europas sei, „eine globale Macht, eine Kraft für das Gute in der Welt“ zu werden. Nur zwei Jahre vor der Wirtschaftskrise versprach die EU durch die rosarote Brille, in ihrer Nachbarschaft einen „Kreis befreundeter Staaten“ aufzubauen. Mittlerweile ist dieser Optimismus weitgehend verflogen: Angesichts der immer noch andauernden Covid-19-Pandemie, einer im „Feuerring“ jenseits der EU-Grenzen drohenden Migrationskrise und des weltweit zunehmenden Autoritarismus blicken die meisten Europäer:innen mit Sorge auf das internationale Geschehen. Ungeachtet dieser düsteren Realität ist das Ziel der EU das gleiche wie vor 15 Jahren. Wie auch ihre Vorgängerinnen erhebt die derzeitige EU-Kommission unter Präsidentin von der Leyen den Anspruch, eine „geopolitische“ zu sein, indem sie die Interessen und Werte der EU auf die Welt projiziert. Der entscheidende Unterschied besteht heute jedoch darin, dass die Europäer:innen insbesondere durch die Trump-Präsidentschaft erkannt haben, dass die bedingungslose Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten ausgedient hat. Daher versucht die EU, ihren Platz als echter Global Player zu behaupten.
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Die Geschichte zeigt uns, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Vor 200 Jahren, am 2. Dezember 1823, ließ US-Präsident James Monroe in seiner Rede vor dem Kongress die ganze Welt wissen, dass „die amerikanischen Kontinente … fortan nicht mehr als Objekt zukünftiger Kolonisierung durch europäische Mächte“ anzusehen seien. Die Monroe-Doktrin erklärte den amerikanischen Doppelkontinent für Großbritannien, Frankreich oder andere Außenmächte zum Tabu. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 versucht Russland mit wechselndem Erfolg, seinen Einfluss auf das, was es „das nahe Ausland“ nennt, geltend zu machen und den Westen auf Distanz zu halten. China verfolgt in Teilen Asiens ähnliche Ziele. Ein flüchtiger Blick in die Geschichte lehrt uns, dass es bislang keiner Großmacht gelungen ist, sich auf globaler Ebene zu behaupten, ohne zuvor ihre Macht in der Peripherie zu festigen.
Seit Jahren verfolgt die EU eine auf dieses Ziel ausgerichtete Politik: die Erweiterung. Von sechs Mitgliedern in den 1950er-Jahren ist die Union auf 27 angewachsen – ein Beweis für ihre Anziehungskraft. Doch im Gegensatz zu anderen Großmächten verknüpft die Strategie der EU Geopolitik mit transformativen Bestrebungen. Die Verankerung der demokratischen Wende in Süd- und später in Osteuropa entsprach dem strategischen Ziel der Vereinigung des Kontinents. Für die politischen Eliten und die Gesellschaft im Allgemeinen bedeutete die „Europäisierung“, sprich: der EUBeitritt, einen sicheren Weg vom Autoritarismus (ob rechts oder kommunistisch) zu einer liberalen Demokratie.
Die Nicht-Erweiterung funktioniert nicht
Heute befindet sich die Erweiterungspolitik jedoch in einer tiefen Krise. Das Engagement der EU in der westlichen Balkanregion bleibt ein Lippenbekenntnis. Während die Beitrittsverhandlun-
Das Rathaus von Sarajewo leuchtet am Europatag, dem 9. Mai, in den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas. Foto: Dreamstime
gen in der Vergangenheit zwischen zwei und acht Jahren dauerten, verlaufen die Gespräche mit den „Spitzenkandidaten“ Montenegro und Serbien in einem enttäuschend langsamen Tempo. In Podgorica wird seit mehr als acht Jahren, in Belgrad seit sechs Jahren verhandelt. Andere Anwärter wie Nordmazedonien und Albanien haben Mühe, den Prozess überhaupt zu initiieren, während Bosnien und Herzegowina und der Kosovo hoffnungslos hinterherhinken. Kosovo ist der einzige Balkanstaat, dessen Bürger:innen für die Einreise in die EU nach wie vor ein Visum benötigen.
Doch nicht nur das Tempo der EU-Erweiterung, auch ihr Inhalt gestaltet sich problematisch. Angesichts der illiberalen Wende in Ungarn und Polen, den Top-Performern der Erweiterung von 2004, fragen sich Politiker:innen in den EU-Ländern, ob eine Aufnahme der Halbdemokratien des Balkans klug sei. Für Staatsoberhäupter wie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat die interne Konsolidierung der EU Vorrang vor der Erweiterung.
Diese passive Haltung gibt anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das Thema Erweiterung in Beschlag zu nehmen. Bulgarien sah sich selbst von Deutschland, das die Erweiterung befürwortet, nicht ausreichend unter Druck gesetzt, sein Veto gegen die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien im Dezember 2020 fallen zu lassen. Das liegt daran, dass die EU der Meinung ist, sie habe Wichtigeres zu tun: der neue Haushalt und der Streit mit Warschau und Budapest über die daran geknüpften Bedingungen, die geopolitischen Herausforderungen durch die Türkei, Russland und China oder die Einigung auf eine gemeinsame Migrationspolitik. Das sind nur einige Beispiele; die Liste der Prioritäten, die Vorrang vor der Erweiterung um die westlichen Balkanstaaten haben, geht weit darüber hinaus.
Das Problem ist, dass eine De-facto-Politik der Nichterweiterung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden ist. Je mehr sich die EU zurückzieht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die politischen Eliten in den westlichen Balkanländern die Vorgaben der EU beherzigen werden. Gleichzeitig rechtfertigt das schwindende Bekenntnis zu demokratischen Reformen in den Kandidatenländern nur die ablehnende Haltung Brüssels. Daraus ergibt sich eine widersprüchliche Situation. Einerseits ist der Westbalkan bereits gut in den europäischen Markt integriert und profitiert – was den Handel, aber bis zu einem gewissen Grad auch die Freizügigkeit betrifft – von einem privilegierten Zugang zur EU. Auf der anderen Seite kämpft die Region mit einem wiedererstarkten Autoritarismus und grassierendem Nationalismus. Die Rechtsstaatlichkeit ist bestenfalls problematisch. Serbien wurde 2018 von der internationalen Beobachtungsstelle Freedom House auf einen „eingeschränkt freien Staat“ herabgestuft. Präsident Aleksandar Vučić hat schrittweise alle Kontrollmechanismen demontiert, die in den ersten zwölf Jahren der PostMilošević-Demokratie mühsam aufgebaut worden waren, bevor seine Partei an die Macht kam. Aus diesem Grund liegt die EU-Vision, die bereits innerhalb der Union selbst unter Beschuss steht,
auf dem Balkan in Trümmern. Die vermeintliche Bereitschaft der EU, Vučić und andere Autokraten aus der Verantwortung zu nehmen, bringt die progressivsten Kräfte in den Gesellschaften des Westbalkans gegen die EU auf, da eine solche (Un)tätigkeit seitens der EU in ihren Augen den Anspruch der Union, demokratische und liberale Werte hochzuhalten, untergräbt.
Der Umgang mit autoritären Rückschritten
Die entscheidende Lehre aus früheren Erweiterungsschritten in Mittel- und Osteuropa ist, dass die europäische Integration eine verstärkende Wirkung hat. In den 1990er- und 2000er-Jahren konnten dadurch Reformen fest verankert werden, die eher von innen als von außen angestoßen wurden. In den 2010er-Jahren legitimierte und finanzierte die EU bedauerlicherweise Regierungen, die liberale demokratische Grundsätze untergruben, wie die Regierung von Viktor Orbán in Ungarn anschaulich zeigt. Gleichermaßen hat sich die EU in den westlichen Balkanländern in jüngerer Zeit zu einer Stütze des autoritären Status quo entwickelt. Infolgedessen befinden sich die prodemokratischen Kräfte auf dem westlichen Balkan in der schwierigen Lage, die Zusammenarbeit Brüssels mit räuberischen Eliten zu rechtfertigen bzw. verzweifelt nach trügerischen alternativen Transformationsmodellen zu suchen, in denen Europa durch Abwesenheit glänzt. Entvölkerung und Abwanderung fordern ebenso weiteren Tribut von der internen Dynamik für Veränderungen.
Der demokratische Rückschritt in Verbindung mit der Vereinnahmung staatlicher Strukturen ebnet den Rivalen der EU, wie Russland, der Türkei und China, den Weg, ihren Einfluss auf dem Balkan geltend zu machen. Im Allgemeinen ziehen die Staatsoberhäupter der Balkanländer die russische, türkische und chinesische Präsenz jener der EU vor, weil sie ihnen neue Einnahmequellen bieten. Verbindungen zu Moskau, Peking oder Ankara erhöhen auch den Einfluss amtierender Regierungen gegenüber der EU durch Aufbauschen des geopolitischen Werts ihrer Länder im Ringen zwischen Europa und seinen Konkurrenten. Die Verwässerung der EU-Forderungen nach Reformen in für die Machtausübung bedeutsamen Bereichen, sei es in den Medien, im Justiz- und Polizeiwesen oder im öffentlichen Dienst, ist ein Zugeständnis, das die Eliten des westlichen Balkans augenscheinlich zu akzeptieren bereit sind. Angesichts der demokratischen Rückschritte in Ungarn, Polen oder den Westbalkanstaaten haben die politischen Eliten an der Spitze der EU vor allem zwei Schlussfolgerungen gezogen: zum einen, dass die Erweiterung 2004 zu früh erfolgt sei, und zum anderen, dass der gleiche „Fehler“ auf dem Westbalkan nicht wiederholt werden dürfe. Doch abgesehen davon, dass die EU neue Hürden für die Bewertung der Beitrittsfähigkeit eines Landes eingeführt hat, hat sie keine Lösung für das Problem des Demokratiedefizits in den Kandidatenländern gefunden. Die Dauer der Beitrittsverhandlungen wird weder eine institutionelle Konsolidierung noch eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit garantieren.
Hervorzuheben sei hier, dass das Wiederaufleben des Autoritarismus innerhalb der EU kein Beweis für das Scheitern der Erweiterung ist. Die EU-Erweiterung hat die Wirtschaft und Gesellschaft in Polen, Ungarn und den übrigen mittel- und osteuropäischen Ländern unbestritten verändert. Doch die Hoffnung, dass Europa alle innenpolitischen Missstände und Defizite aus eigener Kraft beheben könnte, war von Anfang an heillos naiv. Damit die EU ihr Versprechen einer demokratischen Konsolidierung einlösen kann, muss der Beitrittsprozess Hand in Hand mit den innerstaatlichen Kräften und nicht gegen sie arbeiten.
Qualifizierte Mehrheit und Macht des Volkes
Eine von den westlichen Balkanländern propagierte Lösung ist die Stärkung der regionalen Integration als Mittel zur Ankurbelung der Wirtschaft und gleichzeitigen Vorbereitung auf ihre mögliche EU-Mitgliedschaft in zehn bis 15 Jahren. Ein sogenanntes „Mini-Schengen“ ist in den letzten Jahren zu einem Schlagwort geworden, für das sich Serbien, Nordmazedonien und Albanien starkgemacht haben. So edel das Ziel einer regionalen Zusammenarbeit auch sein mag, sie wird nicht zu einem robusten Wirtschaftswachs-
tum führen, geschweige denn demokratische Missstände beheben. Tatsächlich wurde der Warenhandel auf dem Westbalkan nach mehr als zwei Jahrzehnten EU-geförderter, multilateraler Initiativen wie dem Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen oder dem in Sarajewo ansässigen Regionalen Kooperationsrat bereits weitgehend liberalisiert. Mini-Schengen könnte einige nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigen, aber es wird weder zu mehr Rechtsstaatlichkeit noch zu einer Verbesserung der demokratischen Rechenschaftspflicht beitragen, was eine unabdingbare Voraussetzung für langfristiges Wachstum ist. Ähnliche regionale Initiativen sind willkommen, aber kein Ersatz für einen vollständigen EU-Beitritt aller westlichen Balkanstaaten.
Der geopolitische Imperativ der EU, eine Vormachtstellung gegenüber ihrer Peripherie einzunehmen, bedingt eine Beschleunigung der Erweiterung. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die Reformen in den Kandidatenländern nicht zu untergraben, indem man ihnen die Tür zur EU-Mitgliedschaft öffnet. Bislang ist es der EU nicht gelungen, ein geeignetes Transformationsmodell auszuarbeiten. Kosmetische Änderungen wie die überarbeitete Erweiterungsmethodik, die von Frankreich Anfang 2020 forciert wurde, werden den autoritären Rückschritt auf dem westlichen Balkan nicht aufhalten, sondern vermutlich nur die Beitrittsgespräche verlängern. Jede inhaltliche oder strukturelle Verbesserung der Beitrittsverhandlungen ist ohne eine gründliche Reform des Entscheidungsprozesses bedeutungslos.
Gegenwärtig macht es das Einstimmigkeitsprinzip im Beitrittsprozess unmöglich, demokratische Vorreiter wie Nordmazedonien zu belohnen und Nachzügler wie Vučićs Serbien zu bestrafen. Einstimmige Entscheidungen über jeden Schritt eines Landes auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft bieten einzelnen Mitgliedstaaten eine bequeme Ausrede, den Beitritt aufgrund bilateraler Streitigkeiten oder ihrer eigenen Innenpolitik zu bremsen. Auch die Sanktionierung von abtrünnigen Staaten wird durch die Einstimmigkeit erschwert. Die Regel, wonach alle 27 Mitgliedstaaten einer Entscheidung zustimmen müssen, macht die sogenannte „Reversibilitätsklausel“, das Markenzeichen der neuen Erweiterungsmethodik der Europäischen Kommission, zu einer zahnlosen Hinhaltetaktik. Das Europäische Parlament hat bereits zweimal für eine formelle Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gestimmt – 2017 und im März 2019. Die Europäische Kommission und der Rat sind diesem Beispiel nicht gefolgt. Die Chancen, die autoritären Staaten des Westbalkans zu bestrafen, sind noch geringer.
Der Versuch, den Westbalkan zu transformieren, während man gleichzeitig Mühe hat, die Autokraten innerhalb der EU wie Orbán in Schranken zu halten, gleicht dem aussichtslosen Unterfangen, die Decke in der eigenen Wohnung zu übermalen, um den Wasserschaden des Nachbarn im oberen Stockwerk zu kaschieren, anstatt diesen dazu zu bringen, sein Waschbecken zu reparieren. Die Machthaber:innen auf dem Balkan haben vom benachbarten Ungarn gelernt, wie man den Staat vereinnahmen kann, ohne europäische Sanktionen zu riskieren. Sollte sich die EU als unfähig erweisen, eine demokratische Erneuerung Ungarns zu unterstützen, wird sie auf dem westlichen Balkan keine Chance haben. Der Weg nach vorne ist die Einführung einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung bei den Erweiterungsverhandlungen, aber auch die vollständige Umsetzung des Mechanismus, der die Auszahlung von Mitteln aus dem EU-Haushalt an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit knüpft.
Wenn die berühmte transformative Kraft der EU zu positiven Ergebnissen führen soll, muss die Reform der Entscheidungsfindung bei den Beitrittsgesprächen von einem basisdemokratischen Anstoß in den westlichen Balkanländern begleitet sein. Das bedeutet, dass die Zivilgesellschaft in ihren Ländern eine saubere Politik fordern und auf Veränderungen, auch durch Beteiligung am wahlpolitischen Geschehen, drängen muss. Es gibt eine Reihe ermutigender Beispiele im weiteren EU-Raum, von der Slowakei über Rumänien bis nach Nordmazedonien. Eine praktikable Erweiterungspolitik sollte die Entwicklung von Mechanismen zur direkten Stärkung überzeug-
ter proeuropäischer Kräfte umfassen: rhetorisch durch Anprangerung jeglicher Vereinnahmung des Staates, aber auch materiell durch Investitionen in zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Medien, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Machthaber:innen zur Rechenschaft zu ziehen. Selbst mit Trump an der Macht sind die USA in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel vorangegangen: Radio Free Europe hat seine Arbeit in Ungarn, Rumänien und Bulgarien wieder aufgenommen.
Die richtigen Prioritäten
Der Versuch, Rechenschaftspflicht und Rechtsstaatlichkeit in den westlichen Balkanstaaten zu fördern, sollte dem anderen Ziel der EU nicht im Weg stehen: der Schaffung einer freien und demokratischen Union vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer. Wie die Beispiele – Orbáns Ungarn und Vučićs Serbien – zeigen, ist es innerhalb der EU ebenso schwierig, autoritären Rückschritten entgegenzuwirken, wie außerhalb der Union. Auch die Nichterweiterung kann den westlichen Balkan nicht vor der Vereinnahmung staatlicher Einrichtungen bewahren. Die Aufnahme mangelhafter Demokratien könnte den langfristigen Interessen der EU womöglich weniger schaden als eine Verschiebung des Beitritts auf unbestimmte Zeit. Natürlich sollte es Vorsichts- und Absicherungsmaßnahmen geben. Um sicherzustellen, dass die sechs neuen potenziellen Mitglieder (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) die ohnehin schon komplizierten EU-internen Entscheidungsprozesse nicht durcheinanderbringen, könnte ihr Stimmrecht eingeschränkt werden, bis sie demokratische und rechtsstaatliche Standards erfüllen.
Ob es den Beamt:innen in Brüssel – oder auch in Paris und Berlin – gefällt oder nicht, das „geopolitische Europa“ erlebt seine erste Bewährungsprobe auf dem westlichen Balkan. Um zu zeigen, dass ihre Handlungen und ihr Engagement auf internationaler Ebene etwas bewirken, sollte die EU zunächst ihre Ziele durchsetzen und ihre Rolle im eigenen Hinterhof – oder besser gesagt in ihrem Vorgarten (in Anbetracht der Lage des westlichen Balkans im Vergleich zum Rest der Union) – behaupten. Nur dann wird Europa in der Lage sein, in seiner weiteren Nachbarschaft oder gar auf globaler Bühne zu reüssieren.
Europe’s Futures ist eine Kooperation der ERSTE Stiftung mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) zur Entwicklung neuer Perspektiven für ein wiedererstarktes, vereintes und demokratisches Europa. Liberal-demokratische Stimmen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa führen eine hochrangige akademische, gesellschaftliche und politische Debatte über die Zukunft der Europäischen Union.
Denn Europa erlebt eine der dramatischsten und herausforderndsten Zeiten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das europäische Projekt steht auf dem Spiel und die liberale Demokratie wird sowohl von innen als auch von außen herausgefordert. Staatliche und nicht staatliche Akteur:innen aller Richtungen sehen den dringenden Bedarf, brennende Probleme anzusprechen und das mit dem politischen Friedensprojekt mühsam Erreichte zu konsolidieren.
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