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CEE Solidarity Fund
Im Mai 2020 setzte die ERSTE Stiftung einen unbürokratischen Härtefallfonds für kleine bis mittelgroße NPOs in Mittel- und Südosteuropa auf.
Die Zivilgesellschaft in Zentral- und Südosteuropa ist schon unter normalen Umständen besonders gefordert. Umso stärker wurde sie von der Covid-19-Krise getroffen. Für eine schnelle unbürokratische Hilfe in den ersten, besonders unsicheren Wochen der Krise rief die ERSTE Stiftung im April 2020 den CEE Solidarity Fund ins Leben. Mit insgesamt 350.000 Euro konnten 68 Organisationen bei der Überwindung von Liquiditätsengpässen aufgrund von Covid-19 unterstützt werden. So wurde zum Beispiel ein Beitrag zur Digitalisierung ihrer Aktivitäten, zur Arbeitsplatzsicherung für MitarbeiterInnen sowie zur Krisenhilfe für benachteiligte Communitys, etwa durch die Einführung von Hygienemaßnahmen, geleistet. Bewerben konnten sich Organisationen, die zur aktiven Teilnehmergruppe der NGO Academy zählten. Die NGO Academy ist ein Gemeinschaftsprojekt der ERSTE Stiftung und des Kompetenzzentrums für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien. Es wurde 2013 mit dem Ziel gegründet, den zivilgesellschaftlichen Sektor in Mittel- und Südosteuropa durch Weiterbildungsmöglichkeiten zu stärken.
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Einige der aus dem CEE Solidarity Fund Geförderten berichten an dieser Stelle von ihren Erfahrungen in diesem schwierigen Jahr.
ngoacademy.net
Wie geht es der Zivilgesellschaft in Mittel- und Osteuropa in der Pandemie?
Eine Krise ist zuallererst einmal eine Krise. Das Paradoxe an der Pandemie ist, dass wir sie durch Daheimbleiben und Kontaktreduktion bewältigen sollen und dass sie uns auf unsere Nationalstaaten zurückwirft, obwohl das Virus keine Grenzen und soziale Schranken kennt und der Kampf nur gemeinsam gewonnen werden kann. Leider verengt Covid-19 unser Blickfeld und macht die Grenzen dicht. Die Stimmen aus der NGO Academy sollen zeigen, wie es der Zivilgesellschaft in CEE erging.
Überall waren die Folgen der Lockdowns schlimmer als in Österreich, wo sich die NGOs auf staatliche Unterstützung verlassen konnten. Überall gab es für NGOs zusätzliche Kosten durch die notwendigen Schutzmaßnahmen und steigenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Not und Ungleichheit wurden durch die Pandemie größer. Die Einnahmen der NGOs brachen ein, weil keine Veranstaltungen möglich waren, private Spenden und Mitgliedsbeiträge stagnierten und Staat und Stiftungen das nirgendwo kompensierten.
Viele NGOs entwickelten eine bewundernswerte Kreativität und nutzten die Krise wirklich als Chance – zur Digitalisierung, für neue Angebote, für neues Fundraising. Für andere blieb und bleibt es aber eine Krise. Gerade in Krisenzeiten braucht es so etwas wie die NGO Academy, die Grenzen überwindet, Wissen transferiert, Austausch ermöglicht und Stimmen aus den NGOs der Region Gehör verschafft.
MICHAEL MEYER ist Leiter des Instituts für Nonprofit Management und des Kompetenzzentrums für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien.
eematico erstellt Bildungsprogramme für Kinder, die ihnen dabei helfen, die Kompetenzen zu entwickeln, die für ein Leben im 21. Jahrhundert wichtig sind.
Dies geschieht durch Lernen auf der Grundlage von Erfahrungen, von Spielen, Bauen und Heimwerken wie hier in einem Sommercamp sowie mithilfe spezieller Unterrichtsmaterialien. Fotos: eematico
Ion Neculai, eematico Research, Rumänien:
„Einer der am stärksten von der Pandemie betroffenen Bereiche in Rumänien war der Bildungssektor, wo die Schwierigkeit darin bestand, Aktivitäten in den Online-Bereich zu verlagern. Die mangelhafte Infrastruktur in benachteiligten Gemeinden hat die Implementierung von Online-Lösungen unmöglich gemacht. NGOs sind auch auf Widerstand gestoßen, was den Einsatz von Technologien im Unterricht betraf – seitens der Lehrkräfte, aber auch seitens der SchülerInnen. Manche Organisationen sind in den Gesundheitsbereich gewechselt, um überleben zu können; sie stellen jetzt medizinische Hilfsgüter bereit. eematico Research musste auf zwei Drittel seines Teams und seiner Infrastruktur verzichten. Aber wir haben überlebt.“
Die Ungarische Union für bürgerliche Freiheiten (HCLU) setzt sich dafür ein, dass alle Menschen in Ungarn über ihre grundlegenden Menschenrechte informiert und in der Lage sind, diese gegen unangemessene staatliche Einmischung durchzusetzen. Fotos: HCLU
Réka Eszter Velényi, Ungarische Union für Bürgerliche Freiheiten, Ungarn:
„Einerseits wurden die Bereiche, in denen NGOs üblicherweise tätig sind (und für die der Staat zuständig wäre), massiv und rasch ausgeweitet (zum Beispiel digitale Bildung in stark benachteiligten Gegenden des Landes oder Patientenrechte). Dadurch ist die Arbeitslast für bestimmte NGOs enorm gewachsen. Andererseits wurde auch das Bewusstsein für diese Themen geschärft und trotz des großen Medienrummels gelang es der Zivilgesellschaft, immer mehr Anspruchsgruppen zu erreichen.“
Eine Mitarbeiterin von Vatra verteilt Lebensmittelpakete an bedürftige Frauen während der Pandemie. Foto: Vatra
Adena Vangjeli, Psychosoziales Zentrum „Vatra“, Albanien:
„Die Pandemie hat wirtschaftliche Folgen, von denen die Opfer von Menschenhandel und Gewalt direkt betroffen sind. Viele Frauen, die von unserem Zentrum unterstützt werden, haben ihren Arbeitsplatz vorübergehend oder dauerhaft verloren. Dadurch ist es für sie schwierig geworden, ihre Grundversorgung sicherzustellen.“
Endlich wieder in der Gruppe: Jugendliche KlientInnen des Kinderhilfswerks Speranta treffen sich nach drei Monaten pandemiebedingter Distanz im Botanischen Garten. Foto: Kinderhilfswerk Speranta
Gheorghe Zastavneţchi, Kinderhilfswerk Speranta, Republik Moldau:
„Mittel für Projekte, die nicht mit Covid-19 in Zusammenhang stehen, wurden gekürzt, sodass einige Organisationen die Ausrichtung ihrer Tätigkeit je nach verfügbaren Mitteln ändern mussten. Andere Organisationen standen finanziell auf wackeligen Beinen und mussten einige ihrer MitarbeiterInnen entlassen. Viele mussten schließen. Am stärksten betroffen sind Dienstleistungsanbieter (Beratung, Therapien, Tageszentren).“
Ivan Blažević, SOLIDARNA – Stiftung für Menschenrechte und Solidarität, Kroatien:
„Nachdem SOLIDARNA auch im Krisenmanagement tätig ist, wurde von uns erwartet, dass wir uns ohne vorherige Finanzierung umgehend den Problemen in Zusammenhang mit der Pandemie widmen. SOLIDARNA verfügt auch über einen Fonds, um Opfern häuslicher Gewalt finanziell unter die Arme zu greifen. Wir bekommen mehr Anfragen von Opfern, aber Fördergeber, ob privat, öffentlich oder Unternehmen, sahen das Problem der häuslichen Gewalt nicht als Priorität an.“
Das Team von Solidarna und die kroatische Bevölkerung hatten es 2020 nicht nur mit einer Pandemie, sondern auch mit schweren Erdbeben zu tun! Dieser Teil des Teams von SOLIDARNA arbeitete am Fonds 5.5 für die Unterstützung nach der Krise, die dem Erdbeben in Zagreb am 22. März 2020 folgte, das Kroatien inmitten des ersten Lockdowns traf. Mehr als 80 Familien wurden beim Wiederaufbau ihrer Häuser finanziell unterstützt. Der Fonds wurde im Dezember 2020 reaktiviert, nachdem ein Erdbeben Sisak, Petrinja, Glina und die umliegenden Dörfer getroffen hatte. Bisher wurden 1,8 Millionen Euro für Hilfs- und Wiederherstellungsprojekte in der Region aufgebracht. Foto: SOLIDARNA
Elvira Hadžibegović Bubanja, Forum Jugend und informelle Bildung, Montenegro:
„Wir starteten eine gemeinsame Initiative zum Aufbau digitaler Kompetenzen für den gesamten Jugendbereich und unterstützten parallel dazu auch Lehrkräfte, die mit Kindern mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen arbeiten. Wie andere hatten auch wir keine andere Wahl, als Projektaktivitäten zu verschieben, wodurch uns die finanziellen Mittel langfristig fehlten. Die meisten NGOs des Westbalkans erhalten keine Betriebszuschüsse. Sie arbeiten auf Projektbasis, was sich als große Herausforderung für die Nachhaltigkeit des Sektors erweisen wird.“
Lukáš Kvokačka, OZ Barlička, Slowakische Republik:
„Alle Emotionen, von Schock über Angst und Überreaktion bis hin zu besorgter Akzeptanz, spiegelten sich in unserer Arbeit wider. Unsere Tagesklinik wurde vorübergehend geschlossen und unser Seniorenheim abgeschottet. Viele wollen wissen, wie viele Menschen in unserem Heim an dem Virus gestorben sind, doch wir erkennen, dass auch Einsamkeit tödlich sein kann.“
2020 organisiert das Forum Jugend und informelle Bildung in Podgorica eine Veranstaltung mit staatlichen Stellen, Jugendlichen aus verschiedenen Gemeinden und EntscheidungsträgerInnen, um die Rolle der Jugend bei der Prävention und Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus zu diskutieren. Foto: Katica Nišavić
OZ Barlička betreut SeniorInnen und kümmert sich auch um Jugendliche mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Fotos: OZ Barlička
Während des Lockdowns produzierten von Genesis-Projekt Banja Luka betreute Kinder EinMinuten-Filme. Oben: Screenshot des Films von Amna Sijah: For Happiness We Need So Little; rechts: Screenshot des Films Alone We Can Do So Little von Sara Grizić; beide Mädchen sind aus Novi Travnik.
Asocijacija za Afirmaciju Kulture ist eine Initiative, die eine positive Einstellung zu Kultur in allen Aspekten des täglichen Lebens fördern will. Die Abschlussfeier des Projekts „Leuchtturm des Wissens“ fand im November 2020 in Vršac in Anwesenheit von zahlreichen ehemaligen TeilnehmerInnen statt. Foto: AAK
Dijana Pejić, Genesis-Projekt Banja Luka, Bosnien und Herzegowina:
„Die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sind in Bosnien und Herzegowina, um es freundlich zu formulieren, ziemlich locker. Nach dem ersten Lockdown mussten NGOs entscheiden, ob sie ihre Arbeit online fortsetzen wollten oder nicht. Jene Organisationen, die aus Sicherheitsgründen auf einem OnlineBetrieb bestanden, sahen sich erheblichen Schwierigkeiten gegenüber. Überall im Land hatten die Menschen die Zoom- oder MS-Teams-Konferenzen satt. Online-Veranstaltungen kämpften mit einem Teilnehmerschwund. Dies wirkte sich negativ auf die Projekte aus: Viele wurden mitten in der Implementierungsphase gestoppt, weil es nicht genügend zu betreuende Personen gab. Organisationen, die wieder in den Offline-Modus wechselten, mussten jedoch befürchten, sich mit Covid-19 zu infizieren. Manche der zu betreuenden Personen weigern sich, Masken zu tragen, und ‚glauben‘ nicht an Covid-19 (in Bosnien sind das viele).“
Andrej Balanč, Asocijacija za Afirmaciju Kulture, Serbien:
„Wir konnten unsere MitarbeiterInnen und unsere KlientInnen schützen, indem wir so viele Aktivitäten wie möglich in den Online-Bereich verlagert haben. (…) Es ist uns gelungen, alle unsere Projekte erfolgreich abzuschließen und zudem gegen Jahresende ein organisatorisches Wachstum zu verzeichnen, zwar nicht wie geplant, aber unter diesen Umständen sind wir mehr als stolz und glücklich mit unserer Leistung.“