Stiftung&Sponsoring Leseprobe 4.23

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Fair? Wie Umwelt und soziale Lage auf Gesundheit wirken

Rote Seiten: Klimaengagement gestalten. Kommunikation, Mobilisierung und die Rolle von Stiftungen im Klimaschutz

978350310785
Magazin für NonprofitManagement und -Marketing 23 04 Herausgeber: Deutsches Stiftungszentrum GmbH (DSZ), Dr. Markus Heuel Institut für Stiftungsberatung Dr. Mecking & Weger GmbH, Dr. Christoph Mecking www.susdigital.de 69860
Das
Leseprobe, mehr zum Heft unter susdigital.de © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2023(www.susdigital.de)

Inhalt 04.22

Schwerpunktthema:

Fair? Wie Umwelt und soziale Lage auf Gesundheit wirken

Editorial

1 Fairness

Christoph Mecking

Kaleidoskop

4 Aktuelle Nachrichten

Akteure & Konzepte

6 Was meint ... Andreas Michalsen

„Es ist so ungemein wichtig, dass Stiftungen die naturheilkundliche Forschung unterstützen“

9 Schilling-Stiftung ermöglicht mit KI neue Wege in der Neurologie Sonderprogramm zum 50-jährigen Jubiläum der Förderaktivitäten

Hannah Hexamer

10 Wie kann eine Stadt der Zukunft für diverse Bevölkerungsgruppen zukunftsfähig gestaltet werden?

Die Rolle von Stiftungen

Claudia Hornberg / Thomas Kistemann / Jörg Knieling / Heike Köckler / Stefan Zerbe / Rainer Fehr

12 Blickfang in Pink

Sto-Stiftung fördert fünfte Bauhütte in Sundhausen

Anne Brambauer

14 Aus Liebe zum Menschen

Über Ambition, Kooperation und das Setzen von Impulsen

Harald Schellander

16 Wenn Armut und Klima krank machen Wo vernachlässigte Krankheiten besonders häufig vorkommen

Girija Sankar

18 Nachhaltiger fördern – für eine gesündere und umweltfreundlichere Ernährung

Warum es sich für Stiftungen lohnt, Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung zu fördern – und weshalb dies so relevant für eine nachhaltigere Zukunft ist.

Maren Schulze

Organisation & Kommunikation

20 Kurzinterviews mit ... Dilek Mayatürk und Dita Zipfel

Wie Stipendienprogramme die Lebensrealität von Autorinnen und Autoren prägen

22 Wirkungsorientierung in der Stiftungsarbeit

Sebastian Ottmann / Anne-Kathrin Helten

978350310785 2 Stiftung&Sponsoring 04.23 Inhalt
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Finanzen & Vermögen

24 To raise funds

Tendenzen der gemeinnützigen Mittelbeschaffung

Peter-Claus Burens

26 Wer anderen hilft, hilft sich selbst von Edda Schröder

28 Kunst und Geld (42)

Liang Zhipeng: REFO (2017)

Hermann Büchner

Recht & Steuern

30 Reformdebatte (16)

Die Wahl des Stiftungssitzes

Ein Ausdruck von Stifterfreiheit

Christoph Mecking

32 Strenge Voraussetzungen im Rahmen der Mildtätigkeit –Ist das fair?

Grundzüge zur Mildtätigkeit und deren Nachweispflichten

Karoline Spiegel

34 Legatur (40) Ermittlungen und Nachweise

Nachlassabwicklung praktisch –Teil B von Bernd Beder und Christoph Mecking (Berlin)

36 Aktuelle Entscheidungen Aus Rechtsprechung und Verwaltung

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Klimaengagement gestalten Kommunikation, Mobilisierung und die Rolle von Stiftungen im Klimaschutz

Felicitas von Peter, Eckart von Hirschhausen, Sven Egenter, Carel Carlowitz Mohn, LauraKristine Krause, Jérémie Gagné, Louis Maurice Wilß

978350310785 Stiftung&Sponsoring 04.23 3 Inhalt
Bücher & Aufsätze
Rezensionen Formen und
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Aktuelles
Nachrichten & Vermischtes
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Impressum
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Rote Seiten
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Klimaengagement gestalten

Kommunikation, Mobilisierung und die Rolle von Stiftungen im Klimaschutz

von Felicitas von Peter, Eckart von Hirschhausen, Sven Egenter, Carel Carlowitz Mohn, Laura-Kristine Krause, Jérémie Gagné und Louis Maurice Wilß

Editorial

Die Bewältigung der Klimakrise ist eine Herkulesaufgabe, die gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Politische Prozesse erfordern ein hohes Maß an Abstimmung und sind dadurch langwierig, wirtschaftliche Interessen dagegen sind oft von kurzfristiger Profitmaximierung getrieben. Der (Zivil-)Gesellschaft kommt daher eine wichtige Rolle als treibende Kraft für Veränderungen zu. Sie ist das unverzichtbare Zahnrad in einem Getriebe, das politischen Druck erzeugt, die Wirtschaft durch bewusste Konsumentscheidungen und verantwortungsvolles Verhalten beeinflusst und als Motor für basisdemokratische Bewegungen auf lokaler Ebene fungiert. Für den erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel ist daher die Unterstützung und aktive Beteiligung der Öffentlichkeit von größter Bedeutung. Doch wie können wir die Öffentlichkeit für diese gewaltige Aufgabe gewinnen und aktivieren?

Die Diskussion um die Heizungswende oder auch der Volksentscheid über ein klimaneutrales Berlin ab 2030 haben gezeigt, wie stark die Öffentlichkeit in diesen Themen bereits polarisiert ist (und wird). Obwohl die Klimakrise in der öffentlichen Debatte allgegenwärtig ist, dreht sich ein Großteil der Diskussion um die Angemessenheit von Protestformen und kurzfristig entstehende Kosten. Welche weitaus höheren Kosten jedoch auf uns zukommen, wenn die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft weiter verschleppt wird, nimmt wenig Raum in den Diskussionen ein. Viele Menschen sind mittlerweile „klimamüde“ und empf inden die scheinbar endlosen Diskussionen als anstrengend. Dies erschwert es, Menschen für den Klimaschutz zu aktivieren. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem herkömmliche Kampagnen nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen und oft nur diejenigen erreichen, die sich bereits für den Klimaschutz engagieren.

Wir brauchen daher neue Formen der Kommunikation, um mehr Menschen zu mobilisieren und schnellstmöglich die Weichen für eine erfolgreiche Bewältigung der Klimakrise zu stellen. Hier kommen Stiftungen ins Spiel, die als gesellschaftliche Impulsgeber:innen fungieren und verschiedene Akteur:innen zusammenbringen

können. Sie haben die Möglichkeit, den Diskurs in die Gesellschaft zu tragen und den Klimawandel als das darzustellen, was er ist: eine Krise, die Auswirkungen auf alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens hat. Die Klimakrise verursacht keine isolierte Umweltkrise, sondern eine multidimensionale Herausforderung. In seinem neuesten Sachstandbericht warnt das Robert Koch-Institut vor einer Zunahme von Infektionskrankheiten und einer erhöhten Allergiebelastung infolge der Erderwärmung. Doch die Vielschichtigkeit der Klimakrise ist bereits in der Gegenwart ersichtlich. Eine abnehmende Luftqualität, eine beunruhigende Zunahme von Hitzetoten und verheerende Waldbrände in trockenen und heißen Sommern sind nur einige der aktuellen Herausforderungen.

Um die Öffentlichkeit effektiv für den Klimaschutz zu gewinnen, müssen wir die Interessen und Anliegen der Menschen berücksichtigen und ihnen die vielfältigen Vorteile des Klimaschutzes verdeutlichen, anstatt sie mit verzichtsbasierten Narrativen zu konfrontieren. Denn Klimaschutz ist kein Selbstzweck, sondern unerlässlich für die Bewahrung unserer Lebensumgebungen. Ohne Klimaschutz werden wir nicht in der Lage sein, unsere Städte lebenswert zu erhalten, die Biodiversität zu schützen oder saubere Atemluft zu gewährleisten.

Für die Mobilisierung der Gesellschaft gibt es keine Patentlösung. Aber es gibt viele spannende Ansätze, die wir Ihnen in dieser Beilage vorstellen wollen. Jeder dieser Beiträge kann und soll Stiftungen und Stifter:innen inspirieren, sich mehr für den Schutz unseres Planeten einzusetzen – für uns, aber insbesondere für künftige Generationen.

Eckart von Hirschhausen, Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, zeigt auf, wie eng die Klimakrise mit unserer Gesundheit zusammenhängt. Der Beitrag illustriert, wie der Klimaschutz nicht nur die Umwelt schützt, sondern auch unsere eigene körperliche und geistige Gesundheit fördert.

Laura-Kristine Krause und Jérémie Gagné stellen die Forschungen von More in Common vor sowie bewährte Ansätze, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden und Brücken zwischen verschiedenen Gruppen zu schlagen. Der Beitrag zeigt auf, wie ein inklusiver und dialogorientierter Ansatz dabei helfen kann, mehr Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen.

Carel Carlowitz Mohn und Sven Egenter von Klimafakten.de diskutieren, wie man effektiv über den Klimawandel kommuniziert. Sie geben Einblicke, wie eine wissen-

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schaftlich fundierte und zielgerichtete Kommunikation dazu beitragen kann, mehr Menschen zu erreichen und zum Handeln zu motivieren – und welche Rolle insbesondere Stiftungen für eine erfolgreiche Klimakommunikation spielen.

Louis Maurice Wilß von Active Philanthropy gewährt Praxiseinblicke von Stiftungen aus dem internationa -

Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde

von Dr. Eckart von Hirschhausen

Wir müssen nicht „das Klima“ retten – sondern uns. Die Folgen der Klimakrise betreffen massiv alles, was ein gutes und gesundes Leben ausmacht. Denn: Gesundheit beginnt nicht mit Pillen, Operationen oder dem Besuch bei der Ärztin. Gesundheit beginnt mit dem Wasser, das wir trinken, mit der Luft zum Atmen, Pflanzen zum Essen, erträglichen Temperaturen und einem guten Miteinander. Aber all das ist in Gefahr. Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.

Obwohl die Wissenschaft lange schon vor all diesen Entwicklungen gewarnt hat, lassen wir uns immer wieder von anderen Problemen und irrlichternden Diskussionen ablenken. Wir müssen jetzt handeln, oder wir überschreiten Kipppunkte, die mit keinem Geld, keiner Erfindung und keiner Reue mehr umzukehren sind. Das ist vielen nicht klar. Es geht wirklich um unser Überleben.

Nicht irgendwann, sondern jetzt. Aber genau darin sehe ich auch ein Potenzial. Was bislang in der Debatte fehlte, ist: das Wozu. Das positive Narrativ. Die Lust auf Zukunft. Denn was wollen alle: Gesundheit! Quer durch Parteien, Altersgruppen und Hintergründe. Dieses Ziel eint uns und berührt uns mehr als abstrakte „Reduktionsziele“.

1. Die gute Nachricht vorweg: Der Klimawandel ist menschengemacht

Der Klimawandel ist menschengemacht. Daran besteht kein Zweifel. Wir sollten das als gute Nachricht begreifen. Denn das bedeutet: Wir können als Menschen den Klimawandel noch auf halten, solange Kipppunkte nicht überschritten wurden. Wenn man sich fragt, warum das nicht passiert, kommt man an einer unschönen Tatsache nicht vorbei: es gibt Leute, die davon profitieren, dass wir weiter von Öl, Kohle und Gas abhängig sind und die massiv während der letzten Jahrzehnte Veränderungen gebremst und verhindert haben. Im Buch „Die Klimaschmutzlobby“ ist das sehr gut erklärt, auch in dem Film „The Merchants of Doubt“. 10 % der Menschen auf dem Planeten machen

len Feld, die mit innovativen Ansätzen darauf abzielen, die Öffentlichkeit für den Klimaschutz zu aktivieren.

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre! Mit diesen vielfältigen Perspektiven hoffen wir, das Engagement von Geber:innen und Stiftungen für die Förderung der gesellschaftlichen Mobilisierung im Klimaschutz zu stärken.

über 50 % des Drecks, also müssen die auch die ersten sein, die damit aufhören. Wenn wir nicht die Energieerzeuger, den Verkehrssektor, die Landwirtschaft, die Finanzindustrie und die Baubranche verändern, kannst du sehr lange deine Bambuszahnbürste nutzen, die Zähne werden sauber, aber nicht die Luft. Millionen Menschen im globalen Süden, deren Heimat jetzt schon und verstärkt noch in den nächsten Jahren unbewohnbar werden könnte, haben ein existenzielles Interesse am Klimaschutz und sind darauf angewiesen, dass sich in den reichen Industrieländern ein politischer Kurs durchsetzt, der es den fossilen Konzernen nicht weiter gestattet, unsere Erde als Selbstbedienungsladen für Ressourcen zu missbrauchen und dadurch zu zerstören. Von diesen alten Geschäftsmodellen profitieren ein paar wenige, aber alle leiden darunter.

Wir haben auch keine Zeit mehr, diejenigen vom menschengemachten Klimawandel zu überzeugen, die daran –aller wissenschaftlichen Fakten zum Trotz – nicht glauben. Früher haben wir geglaubt, was wir nicht wussten. Heute glauben einige nicht, was wir wissen. Uns bleibt keine Zeit mehr für Scheindebatten oder Hinhalten. Ich habe mit 17 Jahren in „politischer Weltkunde“ ein Referat über die Gefahren des Waldsterbens und die Vorteile des Tempolimits gehalten. Und heute, fast 40 Jahre später, verwechseln wir Freiheit immer noch mit egoistischer Raserei und müssen uns anhören, wir müssten mehr Autobahnen bauen, um CO2 zu sparen. Und dem Wald geht es nach drei Dürrejahren so dreckig wie noch nie: Vier von fünf Bäumen sind krank oder tot.

Wenn man einmal in eine Kohlegrube hineinschaut und sich fragt, wo ist dieses tonnenschwere Material jetzt? Dann ist die Antwort: Über uns. Treibhausgase werden in Tonnen gemessen. Weil sie tonnenschwer sind. Alles, was wir noch in den Himmel pusten, fällt uns wieder auf die Füße. Wir wissen immer erst hinterher, wie gut wir es hatten. Und was Gesundheit wert ist.

2. Die Klimakrise wirkt sich schon jetzt negativ auf unsere Gesundheit aus

Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor der Nase, für die wir nicht mal mehr ein Jahrzehnt Zeit haben. Und Sie und ich sollten alles dafür tun, damit wir diese historische Chance ergreifen. Sonst waren wir die letzte Generation, die es gut auf diesem Planeten hatte. Wenn Sie Grundschulkinder haben, kurze Erinnerung: bevor sie die Schule verlassen haben werden, ist der Drops bereits gelutscht, sind entweder die Transformationsprozesse rich-

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Rote Seiten

tig in Schwung oder Kipppunkte überschritten. Und das geht schnell. Deshalb ist es auch fahrlässig, ständig die Verantwortung an die nächste Generation abzuschieben und zu denken „die Jungen werden es halt mal besser machen als wir“. Nein. Es ist Zeit, dass sich die Erwachsenen erwachsener verhalten als die Jugendlichen von Fridays for Future. Erst alles kaputt machen und dann beim Aufräumen nicht helfen – das haben wir doch im Kindergarten bereits anders gelernt, oder?

Unser Verhalten der Klimakrise gegenüber ist so ein bisschen wie wenn man nachts aufwacht mit voller Blase. Man weiß genau, was man jetzt tun müsste. Man weiß auch, es wird von allein nicht besser. Im Gegenteil. Aber wir denken ernsthaft, wenn ich die Augen nicht aufmache, dann fällt mein Körper drauf rein, dass ich eigentlich noch schlafe und es gar nicht weiß. Aber nachts im Bett wie tagsüber in der Klimakrise gilt: das Einzige, was hilft, ist Augen aufmachen, tun, was zu tun ist und spüren, wie gut uns das tut.

Wir können uns „Irreversibilität“ schwer vorstellen, deshalb eine einfache Analogie. Jedes analoge Fieberthermometer endet bei 42 Grad. Kein Zufall. Jemand, der 6 Grad über der normalen Körpertemperatur liegt, ist nicht doppelt so krank wie jemand mit 3 Grad drüber. Er ist doppelt so tot. Es gibt einen Qualitätssprung – den über die Klinge. Woran liegt das? Eiweiß stockt. Legen Sie ein Ei in Wasser mit über 40 Grad, es wird hart. Und auch wenn das Wasser abkühlt, nicht mehr weich. Es hat für immer – also irreversibel – seine Form verändert und seine Funktion. Aus einem gekochten Ei wird nie mehr ein Küken. Ein hartes Ei hat für immer die Chance auf Leben verloren. Das ist hart. Woraus besteht ein Ei? Aus Wasser, Fetten und aus Proteinen. Woraus besteht ein Mensch und insbesondere ein menschliches Gehirn? Aus Wasser, Fett und Proteinen. Wir sind aus den gleichen Bausteinen. Wir können uns aus unserer Biologie nicht freikaufen.

Wenn die Klimakrise das Fieber von Mutter Erde ist, dann ist das Artensterben ihre Demenz. Die Idee der „planetaren Gesundheit“ ist noch relativ neu. Sie bedeutet, dass wir unsere menschliche Gesundheit nur schützen können, wenn die Umwelt und die Tiere gesund sind. Artenschutz und Klimaschutz sind immer auch Gesundheitsschutz. Schon jetzt zeigen sich die gravierenden Folgen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlustes für unsere Gesundheit durch Hitzewellen, Dürren, aber auch durch den schwindenden Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Werden die Tiere krank, übertragen sie diese Erreger auf uns. Das hat nicht zuletzt die Coronavirus-Pandemie verdeutlicht. Für uns in Europa stellt Hitze die größte unmittelbare Gefahr da: Klimakrise ist wie Sauna, ohne Tür. Auf Dauer nicht wirklich entspannt. Und auch nicht lustig.

der wie Frankreich daraus umfangreichen Hitzeschutz zur Pflicht gemacht haben. Was viele auch in diesen Tagen spüren: Allergien nehmen zu. Das liegt u. a. an invasiven Arten, die sich explosionsartig verbreiten. Auch manchen Erregern gefällt das neue Klima. Es gibt so viele Zecken wie noch nie. Gleichzeitig kommen neue Erreger, wie das West-Nil-Virus und andere, die sich durch tropische Mücken übertragen lassen und bei uns ansiedeln, weil es in der Nacht und im Winter nicht mehr kalt genug wird.

Und bei alledem leidet die Seele mit! Wir haben in Deutschland eine Million mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen durch die Folgen von Hitze, Feinstaub sowie den Traumatisierungen durch die Extremwetter und den Verlust von Heimat. 95 % der Menschen auf diesem Planeten atmet dreckige Luft ein: Luftverschmutzung ist Killer Nummer eins weltweit. Erneuerbare Energien sind nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch unfassbar viel gesünder für jeden, der gerne atmet oder lacht!

3. Planetare Gesundheit: ein positives Narrativ

Die Idee der „planetaren Gesundheit“ ist noch relativ neu. Sie bedeutet, dass wir unsere menschliche Gesundheit nur schützen können, wenn die Umwelt und die Tiere gesund sind. Arten schutz und Klimaschutz sind immer auch Gesundheitsschutz.

Die Klimakrise ist das größte Risiko für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert. Weil wir nicht die Krone der Schöpfung sind und über der Natur stehen, sondern Teil von ihr sind. Wenn wir das begreifen und – das ist entscheidend –auch danach handeln, haben wir eine Chance, das Ruder noch rumzureißen. Die More in Commons-Studie (siehe den Beitrag auf S. 6 – 9 in dieser Beilage) beschäftigt sich intensiv mit der Spaltung unserer Gesellschaft und den Einstellungen der unterschiedlichen Milieus. In fast allen Fragen gehen die Einstellungen auseinander, doch eines ist progressiven Städter:innen genauso wichtig wie konservativen Menschen auf dem Land: die Gesundheit! Die Idee der planetaren Gesundheit zeigt auf, dass wir Gesundheit nicht allein als Abwesenheit von Krankheit begreifen können. Es gibt Voraussetzungen für die menschliche Gesundheit, die unser Gesundheitswesen weder garantieren noch behandeln kann. Den Schutz der planetaren Gesundheit können wir nur als Gesellschaft zur Priorität machen. Wir sollten uns fragen, was uns wirklich wichtig ist. Dann können wir erkennen, dass der Erhalt unserer Lebensgrundlagen nicht vorrangig mit Verzicht verknüpft ist, sondern mit zahlreichen Möglichkeiten für ein gutes, ja sogar besseres Leben.

4. Wessen Freiheit?

Im letzten Jahr sind 4.500 Menschen in Deutschland durch Hitze gestorben, ohne dass darüber viel gesprochen wurde. Die nächsten Sommer werden tendenziell immer noch heißer. Wir sind miserabel darauf vorbereitet, obwohl bereits 2003 in Europa 70.000 Menschen starben und Län-

Wenn wir über „Freiheit“ und „Können wir uns das leisten?“ reden, muss uns klar sein: Die größten Einschränkungen der Freiheit kommen nicht durch Tempolimit und funktionierende Züge, pf lanzenbasiertes leckeres Essen oder Wärmepumpen. Die „Bleibefreiheit“ ist in Gefahr. Wenn wir in den Städten und grundsätzlich auf der Erde wohnen bleiben wollen, müssen wir zeigen, dass wir schlau genug sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

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Besonders gefährdet sind heute schon Menschen mit Vorerkrankungen, also all die Millionen Menschen mit HerzKreislauf-Erkrankungen, Lungenschwäche, Diabetes und Übergewicht. Aber auch kleine Kinder können ihre Hitze nicht gut regulieren. Wir brauchen also Warnsysteme und öffentliche Orte der Kühlung. Bei den Hitzeschutzplänen ist Frankreich viel weiter als wir in Deutschland. Da werden Menschen aus vulnerablen Gruppen telefonisch kontaktiert und vorgewarnt. Das rettet Leben. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen wir beides machen: So weit wie möglich Emissionen reduzieren und natürliche Senken – wie z. B. Moore – schützen oder wiederherstellen, um die Klimakrise nicht weiter zu befeuern. Gleichzeitig aber auch in Prävention und Adaption investieren.

Uns muss klar sein, dass die Freiheit, weiterzumachen wie bisher, auf Kosten der Freiheit anderer geht. Sie schränkt schon jetzt die Freiheit der Menschen des globalen Südens, die Freiheit vulnerabler Gruppen und die Freiheit künftiger Generationen massiv ein. Für Freiheit gibt es keinen „An und Aus“-Knopf. Sie basiert auf Grundlagen, die wir erhalten müssen. Das ist wie bei einem Fischteich: Ist der einmal leergefischt, können wir so viele Angelruten verteilen, wie wir wollen. Niemand wird mehr einen Fisch aus diesem Teich ziehen.

5. Das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann: kein Einzelner zu bleiben

Menschen verändern sich durch authentische Begegnung. Bei mir war das die Begegnung mit Jane Goodall, der Schimpansenforscherin. Mitten im Interview drehte sie die Rollen um, schaute mich an aus diesen weisen, alten und etwas melancholischen Augen, und stellte mir diese Frage: „Wenn wir Menschen ständig betonen, wir sind die intelligenteste Spezies auf diesem Planeten – warum zerstören wir dann unser eigenes Zuhause?“

Da habe ich geschwiegen, geschluckt und verstanden: Das ist die zentrale Frage, der wir uns alle stellen müssen. Das ist die Überlebensfrage im 21. Jahrhundert. Alle, die das begriffen haben, stehen vor der Aufgabe, kontinuierlich Begegnungen zu schaffen, die dazu führen, dass es auch bei anderen Klick macht.

Als Arzt f inde ich es immer überraschend, dass die Dinge, die dem Planeten guttun, uns selbst am meisten nutzen! Wer Rad fährt, statt im Stau zu stehen, tut sich selbst das Beste. Und wer mit einer guten pflanzlichen Ernährung und ein paar Essenspausen merkt, mit wie wenig der Körper schon zufrieden ist, wenn man ihm Pausen gibt zu verdauen und aufzuräumen, lebt länger und leichter. Die nature based solutions mit allen Pflanzen, Tieren, Mooren, Mangroven, Meeren und Wäldern sind unsere größten Verbündeten, wenn wir sie lassen. Als Elon Musk einmal twitterte: „100 Millionen für eine Erfindung, die CO2 binden kann“, schrieb jemand zurück: „Dürfen sich auch Bäume bewerben?“ Das ist mein Humor. Und den zu behalten, ist gerade nicht leicht.

Ich habe für die Recherche für mein Buch „Mensch, Erde“ wirklich tolle Leute kennengelernt. Einer der beeindruckendsten war Naturschützer und letzter stellvertretender Umweltminister der DDR Michael Succow. Er

hatte einen genialen Gedanken: Als die Wende kam, hat er dafür gesorgt, dass die russischen Speergebiete zu Naturschutzgebieten erklärt wurden. Ich habe ihn in Greifswald besucht und war mit ihm in einem Moor, das gerade trockengelegt wurde. Und was ich vorher nicht wusste, ist, dass Moore viel mehr können als ein Wald, da sie das CO2 dauerhafter binden. Jedes CO2 -Molekül, das wir statt in der Atmosphäre auf der Erde behalten, ist Gold wert. Und aktuell emittieren die für beispielsweise Blumenerde trockengelegten Moore mehr CO2 als der gesamte Flugverkehr in Deutschland.

Dieses Wissen lösungsorientiert, humor voll, verständlich und visionär zu kommunizieren, ist Projekt des Teams meiner Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen. Es ist schwer, ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören. Bei der Stiftung Gesunde Erde –Gesunde Menschen arbeiten deshalb Expert:innen aus verschiedenen Bereichen zusammen: Medizin und Gesundheitswesen, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Politik und Kommunikationsprofis. Wir pflanzen Ideen, weil die schneller wachsen können als Bäume. Wir organisieren Kongresse und Hintergrundgespräche, machen Filme, unterstützen Recherchen für Journalist:innen und Wissenschaftler:innen oder Social-Media-Kampagnen für eine enkeltaugliche Zukunft. Wir vernetzen mit viel positiver Energie alle, die es jetzt für eine schnelle Transformation braucht.

6. Kurz & Knapp

Das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann: kein Einzelner zu bleiben. Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist Nichts! Die cost of inaction steigt mit jedem weiteren Zögern. In einer Studie haben Wissenschaftler:innen die finanziellen Folgen des Klimawandels in Deutschland berechnet: bis zu 900 Milliarden €. Durch Ertragsausfälle in der Landwirtschaft, durch Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, Lieferengpässe und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das ist alles nicht mehr „Hysterie“, sondern Fakt. Doch auch wenn diese Summe erschreckend hoch ist, lässt sich das, worum es wirklich geht, nicht in Geld ausdrücken. Wer schon einmal um die eigene Gesundheit oder die eines geliebten Menschen bangen musste, weiß, dass die für uns das wertvollste Gut ist. Und wer meint, dass Wirtschaft wichtiger ist als Gesundheit, kann versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält. Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, verabschiede ich mich mit einigen Fragen: Was ist Ihnen wichtig, was ist ihnen „heilig“, was muss heil bleiben? Was hätten Sie Jane Goodall geantwortet? Und was werden Sie ihren Kindern, Enkeln oder anderen der nächsten Generation sagen, wenn wir gefragt werden: Was habt ihr gewusst? Was stand in eurer Macht – und was habt ihr getan?

Zum Thema

Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, www.stiftung-gegm.de Götze, Susanne: Die Klimaschmutzlobby. Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen, 2022. von Hirschhausen, Eckart: Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben, 2021

978350310785 Stiftung&Sponsoring RS 04.23 5 Rote Seiten
Leseprobe, mehr zum Heft unter susdigital.de © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2023(www.susdigital.de)

Klimaengagement gestalten

Kommunikation, Mobilisierung und die Rolle von Stiftungen im Klimaschutz

von Felicitas von Peter, Eckart von Hirschhausen, Sven Egenter, Carel Carlowitz Mohn, Laura-Kristine Krause, Jérémie Gagné und Louis Maurice Wilß

Editorial

von Dr. Felicitas von Peter (Active Philanthropy)

Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde

von Dr. Eckart von Hirschhausen (Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen)

1. Die gute Nachricht vorweg: Der Klimawandel ist menschengemacht

2. Die Klimakrise wirkt sich schon jetzt negativ auf unsere Gesundheit aus

3. Planetare Gesundheit: ein positives Narrativ

4. Wessen Freiheit?

5. Das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann: kein Einzelner zu bleiben

6. Kur z & Knapp

Neuer Fokus in der Klima-Förderpraxis. Nicht nur Einzelne zu mehr Engagement

„aktivieren“, sondern kollektive Zukunftsgestaltung vorantreiben von Laura ­ Kristine Krause und Jérémie Gagné (More in Common)

1. Vom Fokus auf den Einzelnen zur Handlungsmacht der Gesellschaft

2. Vier Gründe, warum die Klimadebatte noch nicht zündet

3. Die Menschen wollen den Klimaschutz, aber sie glauben nicht daran

4. Wo Handeln jetzt lohnt

5. Kur z & Knapp

Wofür wir Stiftungen in der Klimakrise brauchen – und wovon Stiftungen die Finger lassen sollten von Sven Egenter und Carel Carlowitz Mohn (Klimafakten.de)

1. Was Menschen denken und Stiftungen tun können

2. Der blinde Fleck der Naturwissenschaften

3. Was sich richtig anfühlt, muss nicht richtig sein

4. Kur z & Knapp

Gesellschaft bewegen, Klimaengagement gestalten. Praxiseinblicke von Stiftungen

von Louis Maurice Wilß (Active Philanthropy)

1. Inklusive und diverse Ansätze als Schlüssel

2. Evidenzbasierte Narrative für den Klimaschutz: Einblicke aus dem internationalen Feld

3. Kur z & Knapp: Schlüsselerkenntnisse aus unseren Fallbeispielen

978350310785 Stiftung&Sponsoring RS 04.21 1 Rote Seiten 04.23
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