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Unglück, Mut, Glück – das wahre Leben halt
Wenn Bilderbücher auf das wirkliche Leben vorbereiten wollen, dürfen sie auch schwierige Themen nicht aussparen. Da gehören Flucht, Unfälle und Unglück genauso dazu wie Mut, Zuversicht und das Glück
Alles wird wieder gut! Das sagt man zu Kindern gerne, denn das will jede und jeder gerne hoffen. Aber was, wenn es nicht mehr ganz gut wird?
Damit müssen o schon die Kleinsten zurechtkommen, und dabei hil diese Mutmachgeschichte von Brigitte Weninger, die 20 Jahre lang als Kindergartenpädagogin arbeitete und von deren 60 Büchern einige auch verfilmt wurden. Dem Tyrolia Verlag erschien das Buch so wichtig, dass er es wieder auflegen und von Anna Zeh neu illustrieren ließ.
Es geht um einen kleinen Spatzen, der im Sturm einen Unfall hat, bei dem seine Flügel verletzt werden. Im Krankenbett, gepflegt vom Raben und der Maus, träumt er davon, was er alles tun wird, wenn er wieder gesund wird. Auf die Warnungen des Raben gibt er dabei nicht acht.
Als der Verband abgenommen wird, hängen die Flügel traurig herunter. Der kleine Spatz wird nie mehr fliegen können. „Viele Dinge können wieder heil gemacht werden“, sagt der alte Rabe, „aber leider nicht alle. Doch du hast ein starkes und tapferes Herz. Du wirst es schaffen, etwas Neues anzufangen.“ Seine Freunde helfen dem Spatzen dabei, seine Beine zu trainieren – und sich trotzdem wie ein richtiger Vogel zu fühlen.
KIRSTIN BREITENFELLNER
Brigi e Weninger, Anna Zeh (Illustrationen): Lauf, kleiner Spatz! Tyrolia, 26 S., € 16,95 (ab 4)
Jedes Tier hat ein anderes Fell bzw. eine andere Haut. In ihrem ersten Bilderbuch stellt Lea Johanna Becker diese mit Collagen dar.
Die Schwäne sind aus zerknittertem Papier, die Hyäne hat die Textur einer abgeblätterten Hauswand, der Pandabär ein Gesicht aus Strickstoff. Protagonist ist ein so gewaltiger wie rührender blauer Wal, der vom Meer ans Land geworfen wird und von den Tieren nur mit vereinten Krä en zurückgeschoben werden kann
Diese einfache, universale Geschichte lebt von den flächigen Bildern liebenswürdiger Tiere, die an Celestino Piatti und Leo Lionni erinnern. Sophie Schoenwald erzählt sie in Reimen, die sich ja bei Kindern bleibender Beliebtheit erfreuen. Auch deswegen hat dieses sympathische Buch das Zeug zum Klassiker. KB
Sophie Schoenwald, Lea Johanna Becker (Illustrationen): Schieb den Wal zurück ins Meer. Boje, 26 S., € 10, 95 (ab 3)
Ein Bilderbuch, von einem Mann geschrieben und von einem Mann illustriert – das ist eher ungewöhnlich, aber in diesem Bilderbuchfrühling häufig zu sehen. Schön, dass auch die Autorenscha diverser wird. Wenn in der dazugehörigen Geschichte ein Vater alleine mit seinen Kindern Urlaub macht, überrascht das schon nicht mehr. Vater Bär, Tochter Ziege und Sohn Fuchs, der Ich-Erzähler, packen eigentlich schon wieder zusammen. Bevor sie heimfahren, nimmt Papa Bär eine Schüssel, sie klettern unter einem Zaun durch und beenden die Ferien mit Brombeerpflücken.
Ein unspektakulärer Plot, dessen Bilder aber die ganze Fülle des Augenblicks zu vermitteln vermögen: altmeisterliche französische Illustrationskunst, ausgeführt in klassischer Ölmalerei – ein Augenschmaus! KB
Olivier de Solminihac, Stéphane Poulin (Illustrationen): Ein Sommer voller Brombeeren. Atlantis, 36 S., € 17,95 (ab 4)
Daniel Fehr, Raphael Kolly: Wird schon schiefgehen, Ente! Thienemann, 32 S., € 14,95 (ab 4) Michael Hammerschmid, María José Tellería: wer als erster. Jungbrunnen, 32 S., € 16,– (ab 4) Nikolaus Heidelbach: Marina. Beltz & Gelberg, 38 S., € 15,95 (ab 6) Beatrice Alemagna: Der kleine große Augenblick. Bohem, 40 S., € 18,95 (ab 5)
Schon wieder ein männliches Duo von Autor und Illustrator, diesmal aus der Schweiz. Allein das macht Hoffnung – zumindest für die Zukun des Bilderbuchs.
Eigentlich wird es ja dem Hasen zugeschrieben, ängstlich zu sein. In dieser Geschichte ist der Angsthase aber eine Ente. Sie will mit dem Hasen den Biber besuchen, aber Zuversicht ist nicht ihre Sache. Sie ist eine notorische Schwarzmalerin und Nörglerin. „Das war keine gute Idee. Wir werden uns fürchterlich verlaufen“, befürchtet sie schon zu Beginn des Wegs. „Wir hätten mehr frühstücken sollen. Bestimmt werden wir verhungern“, geht das Geunke weiter, das in Sätzen kulminiert wie: „Wir schaffen es nie.“ Doch dann sind sie plötzlich da. Der Hase und die Ente schmausen mit dem Biber an dessen Damm, bevor sie sich auf den Rückweg machen. Ob das Erlebnis der Ente einer Lehre sein wird? Das ist nicht so sicher. Aber ein Anfang war diese positive Erfahrung bestimmt. Und wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel! KB D ie Kindergedichte des österreichischen Autors Michael Hammerschmid haben kurze Zeilen und sind durchgehend gereimt. Wie schlanke Säulen stehen sie neben den Illustrationen der Argentinierin María José Tellería, die Gedichte mit so einfachen wie farbenfrohen Bildern untermalen. „wer als erster / beim kühlschrank ist / wer als erster isst / wer als erster die türe berührt / wer als erster sich selber berührt / wer als erster / einen vogel hört / wer als erster /den andern / nicht stört / wer als erster / als erster / wer als erster?“ – lautet der Text des titelgebenden Gedichts.
Daneben sind weiße Hasen zu sehen, deren Beine lang und immer länger werden, während sie zu einem Kühlschrank voller Karotten sprinten. Sprachspielerisch, philosophisch, kinderlebenspraktisch – für alle ist etwas dabei. Da wogt das Meer und da erfährt man, dass auch „ein mensch ohne / eine uhr / einer ohne auto / ohne / computer / und ohne handy“, ja, ironisch und auch ganz in echt: ein Mensch ist! KB D as kleine Mädchen auf dem Cover steht am Strand und trägt eine Schwimmweste. Diese ist zwar nicht orange, trotzdem lautet die Assoziation: Flucht. „Marina“ heißt das Buch von Nikolaus Heidelbach, und so nennen die beiden Brüder auch das Mädchen, das sie am Strand aufgegabelt haben. Es trägt einen hohen Dutt, isst gerne Fisch und schweigt. Marina versteht die Sprache ihrer neuen Umgebung und Familie nicht. Als sie auf dem Spielplatz beleidigt wird, versteht Marina das aber sehr wohl. Kurz darauf beginnt sie zu sprechen und erzählt von ihrer Mama, der Meerkönigin, ihrem Papa, dem Meerkönig, und ihren Schwestern, von Unterwasser-Shoppingmalls und Autos mit Flossen. Heidelbach nimmt das Mädchen ernst und illustriert ihre magische Unterwasserwelt – im Gegensatz zu dem größeren Bruder, der denkt, dass Marina lügt. Das Ende der Geschichte soll nicht verraten werden, hingegen schon, dass es genug Raum zum Nachdenken über schwierige Themen schafft. KB D as Glück ist ein Vogerl, sagt ein Wiener Sprichwort. Auch in diesem philosophischen Bilderbuch der Italienerin Beatrice Alemagna lässt es sich nicht so einfach einfangen. Alemagna zeigt auf jeder Doppelseite eine Situation, in der es au aucht – und wieder vorbeischwimmt, -geht oder -fliegt. Es befindet sich in einer Wasserlache zu Füßen eines Jungen, es lässt eine Dame mit einem Krokodil monatelang warten, es rieselt einem Mädchen in den Ferien am Strand durch die Finger. „Ein alter Herr fand es im Inneren einer Schneeflocke, eiskalt und von weit her. Diesen winzigen Augenblick lang war er wieder ein kleiner Junge.“ Mit Poesie und Ideenreichtum spürt Alemagna Glücksmomente auf und vermag die Betrachter in sie hineinzuzaubern.
Sie zeigt aber auch Hinderungsgründe auf für „dieses gewisse unsichtbare Etwas“, etwa, sich aus Angst einzumauern. Auf jeden Fall glücklich macht dieses Kleinod von einem Bilderbuch, und zwar unabhängig vom Lebensalter. KB
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