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NOTRUF 112
Notfallrettung auf Norderney
Ein sonniger Tag mit azurblauem Himmel, die Wellen tosen, am Nordstrand ist kaum ein Mensch unterwegs. Wie gut, dass wir angeschnallt sind, während wir im Unimog über Sand und Hügel fegen. Es schüttelt uns ordentlich durch, doch Notfallsanitäter Sascha hat alles im Griff. „Kontrollfahrten gehören auch zu unserem Job“, ruft er. Obwohl wir nebeneinander sitzen, ist es dröhnend laut im „UNIversal-MOtor-Gerät“, kurz Unimog. Doch Saschas Stimme kann noch lauter. „Wir müssen ganz sicher sein, dass alle Fahrzeuge jederzeit einsatzbereit sind. Deshalb checken wir sie regelmäßig durch.“ Wir sind um eine Erkenntnis reicher - hinter Notfalleinsätzen stecken nicht nur medizinisches Know-how und einfühlsame Menschen, sondern auch Wissen rund um Technik und PS-starke Rettungsfahrzeuge. Damit sind wir bereits mitten im Thema: Wie sind Inselgäste und Einheimische eigentlich versorgt im „worst case“? Kurze Antwort: Bestens. Am Tag und in der Nacht, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr ist der private Rettungsdienst Promedica für sämtliche Notfälle, Unfälle und Bergungsmaßnahmen auf der Insel zuständig und einsatzbereit.
„Wir haben hier auf Norderney ein Rettungsteam von zwölf Notfallsanitätern und sieben Rettungssanitätern“, erklärt Promedica Geschäftsführer Thorsten Figge. Die Einsatzzentrale ist ständig mit drei Personen besetzt. Wird ein Notarzt benötigt, fragt der Rettungsdienst im Inselkrankenhaus an. Zusätzlich werden sie von extra ausgebildeten Einsatzkräften der freiwilligen Feuerwehr unterstützt, den so genannten „First Respondern“ - für den Fall, dass Einsätze parallel organisiert werden müssen. Für solche Fälle stehen auch die zwei weiteren Rettungsfahrzeuge (RTWs) bereit. Hinzu kommen ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) und ein Reserve-NEF. Für die Bergung am Strand steht der Unimog parat. Den Transport zur weiteren Krankenhausbehandlung auf dem Festland übernimmt der Rettungshubschrauber oder ein Rettungsboot. „Der Rettungsdienst von Promedica und alle anderen Institutionen arbeiten Hand in Hand“, betont Thorsten Figge - von der Feuerwehr Norderney und dem Krankenhaus Norderney über die Deutsche LebensrettungsGesellschaft (DLRG) und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGZRS) bis hin zur Luftrettung.
Rund 2.200 Notrufe gehen jede Jahr in der Zentrale ein - im Sommer bis zu 15 an einem Tag und im Winter bis zu fünf. Laut Notfallsanitäter Sascha, sind neben den üblichen Einsätzen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, Knochenbrüchen und Schnittwunden, zunehmend Stürze mit E-Bikes dabei. Hinzu kommen inseltypische Unfälle von Leuten, die schwimmend, mit ihrem Surfboard oder Segelboot in Seenot geraten und nach der Bergung medizinisch versorgt werden müssen. Verkehrsunfälle hat man dagegen sehr wenige bis kaum. Bleiben bei so vielen Einsätzen besondere in Erinnerung? „Erst vor wenigen Wochen sind wir zweimal mit Unimog und Hubschrauber zum Wrack gerufen worden - inklusive Bergung der Verletzten per Seilwinde in den Rettungshubschrauber. So etwas habe ich während meiner vielen Jahre hier auf Norderney noch nicht erlebt“, erinnert sich Thorsten Figge. Auf unsere Frage, ob sich die Einsätze in den letzen Jahren verändert haben, können beide Notfallsanitäter von Situationen berichten, die es so vor zehn Jahren noch nicht gegeben hat. „Respektlosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber Ordnungs- und Einsatzkräften haben leider auch auf Norderney zugenommen“, sind sich beide einig. Hinzu kommt das Anspruchsdenken mancher Leute. „Wer sich mit einem Blatt Papier in den Finger schneidet oder keine Schmerzmittel zu Hause hat, darf nicht den Rettungsdienst rufen - das ist fahrlässig“, sagt Thorsten Figge. Derartiges erleben die beiden Notfallsanitäter immer häufiger. „Leute rufen anstatt 116117 für den Ärztlichen Notdienst direkt die 112 für den RTW. Dass dann womöglich in einem echten Notfall der Rettungswagen nicht rechtzeitig vor Ort sein kann, ist vielen nicht klar oder es ist ihnen egal.“ Hinzu kämen Respektlosigkeit und Beschimpfungen zum Beispiel von aggressiven Touristen mit erhöhtem Alkoholpegel oder erbosten Urlaubern, die sich über ein Rettungsfahrzeug auf dem Radweg beschweren. Aber diese Entwicklung sei ja nicht nur auf Norderney so, betont Sascha Jungenblut. Er berichtet von ähnlichen Fällen auch auf dem Festland. Neben seinem Job bei Promedica, ist er nämlich manchmal auch in anderen Städten im Einsatz sowie bei der Freiwilligen Feuerwehr in seiner Heimatstadt bei Münster. Und trotz allem steht für ihn fest„Notfallsanitäter ist ein toller und erfüllender Beruf.“ Die positiven Aspekte wie Teamwork, Kameradschaft, Lebensrettung und Dankbarkeit seien stärker. „Notfallsanitäter auf Norderney zu sein ist schon etwas ganz Besonderes.“ Und wir sind sicher - die meisten Insulaner*innen und Gäste sind sehr dankbar, dass es Menschen gibt, die im Notfall zu Land, zu Wasser und in der Luft Leben retten.